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Konstruktiver Ingenieurbau I

Vorlesungsskript
Konstruktiver Ingenieurbau I

7. Auflage April 2010

Technische Universität Berlin


Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren - Massivbau
Sekretariat TIB 1 - B 2
Gustav-Meyer-Allee 25
13355 Berlin

Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich


Dipl.-Ing. Achim Bleicher, Dipl.-Ing. Diana Bartsch

Tel +49 (0)30 314-721 30


Fax +49 (0)30 314-721 32
ek-massivbau@tu-berlin.de
www.ek-massivbau.tu-berlin.de
Vorwort zur 1. Auflage
Die Grundlagenfächer Mathematik, Mechanik, Statik, Werkstoffkunde, Bauinformatik,
Baubetrieb, Prozessmodellierung etc., werden an fast allen Universitäten werkstoff-
übergreifend bzw. -unabhängig gelehrt. Der konstruktive Ingenieurbau ist keine Aus-
nahme und deshalb wird an der Technischen Universität Berlin auch auf diesem
Gebiet werkstoffübergreifend gelehrt und geforscht.
Die verschiedenen Werkstoffe verbindet mehr als sie trennt. Unabhängig von der oft
künstlichen Trennung durch die Normen sollten die gemeinsamen Grundlagen und
anwendungsbezogenen charakteristischen Eigenschaften der Werkstoffe für das
Entwerfen, Konstruieren und Bemessung herausgearbeitet und praxisnah vermittelt
werden. Ein Bauherr „bestellt“ ja keine Stahl- oder Betonbrücke, kein Holz- oder
Glashaus, sondern gute Brücken und gute Häuser. Neben klassischen Materialien
wie Holz, Stahl und Beton kommen immer mehr „neue“, wie Glas und Membrane
zum Einsatz. Nur ein mit allen Werkstoffen vertrauter Ingenieur kann kreativ entwer-
fen.
Im Rahmen der Vorlesungen Konstruktiver Ingenieurbau I bis II, die ab 2006 im
Fachstudium des Bachelor – Studiengangs (3. bis 6. Semester) gelehrt werden, wird
deshalb das Bemessen und Konstruieren von stabförmigen Tragwerken, von Stüt-
zen, Platten und Scheiben sowie ihrer Verbindungen werkstoffübergreifend vermittelt.
Im vorliegenden Skript KI I wird zunächst die Bemessung der Querschnitte stabför-
miger Tragwerke und deren Verbindungsmittel behandelt.
Erstmalig in ein Lehrkonzept integriert wurde eine werkstoffübergreifende Lehre im
konstruktiven Ingenieurbau an der Universität Stuttgart durch Professor Jörg Schlaich
und Professor Kurt Schäfer. Wir bedanken uns bei Professor Kurt Schäfer für die Er-
laubnis sein Skript 'Grundlagen für Bemessung und Konstruktion' als Grundlage für
das hier vorliegende Skript zu verwenden. Das Stuttgarter Skript wurde im Winter-
semester 2004/2005 für die Vorlesung „Konstruktiver Ingenieurbau I“ (KI I) ange-
passt, und es wird auch in Zukunft im Zuge des Bachelor/Master Studium für die
Vorlesung im Fachstudium verwendet werden. Dazu wurden verschiedene Kapitel
umgestellt und einige Abschnitte auf den neuesten Stand gebracht, sowie der Ein-
satz „neuer“ Materialien angesprochen.

Mike Schlaich, Berlin, April 2005.


TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINFÜHRUNG 1

1.1 Zur Geschichte des Konstruktiven Ingenieurbaus 1


1.1.1 Tragwerke aus Mauerwerk 1
1.1.2 Tragwerke aus Holz 2
1.1.3 Metallbau 3
1.1.4 Stahlbetonbau und Spannbetonbau 9
1.1.5 Mischbauweisen und neue Werkstoffe 11

1.2 Einordnung der „Bemessung“ in den Planungsprozess 12

2 BEMESSUNGSGRUNDLAGEN 17

2.1 B- und D-Bereiche der Tragwerke 17


2.1.1 Eigenarten der B- und D-Bereiche 17
2.1.2 Abgrenzen der D-Bereiche 19

2.2 Gleichgewicht, Verträglichkeit und Werkstoffgesetze 21

2.3 Schnittgrößenermittlung und Tragwerkswiderstand 22

2.4 Anhang: Begriffe aus der Mechanik und Werkstoffkunde 29

3 WERKSTOFFE 31

3.1 Charakteristika der Baustoffe und ihre Kombination zu Verbundwerkstoffen 31

3.2 Metallische Werkstoffe 37


3.2.1 Stahl 37
3.2.2 Gusseisen / Stahlguss 62
3.2.3 Nichteisenmetalle 64
3.2.4 Spannungs-Dehnungslinien metallischer Werkstoffe 66

3.3 Holz 72
3.3.1 Holzarten 72
3.3.2 Physikalische Eigenschaften 75

3.4 Beton 81
3.4.1 Druckfestigkeit 81
3.4.2 Zugfestigkeit 82
3.4.3 Spannungs-Dehnungs-Linien Beton 85
3.4.4 Elastizitätsmodul und Querkontraktion 86
3.4.5 Schwinden, Kriechen und Wärmedehnung 86

3.5 Mauerwerk 87

3.6 Glas 92

3.7 Membranen 94

-I-
TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Inhaltsverzeichnis

4 VERBUND ZWISCHEN BETON UND STAHL 99

4.1 Das Wesen des Verbundes 99

4.2 Verbundfestigkeit 100

4.3 Verankerungs- und Übergreifungslängen 104

5 QUERSCHNITTSBEMESSUNG 107

5.1 Ermittlung der Beanspruchungen im Querschnitt ausgehend vom linear-elastischen


Stoffgesetz 108
5.1.1 Bemessung von Stahlquerschnitten (Verfahren Elastisch-Elastisch nach DIN 18800-1) 110
5.1.2 Bemessung von Holzquerschnitten 117

5.2 Bemessung von Stahlquerschnitten mittels plastischem Stoffgesetz (Verfahren


Elastisch-Plastisch und Plastisch-Plastisch nach DIN 18800-1) 122

5.3 Querschnittsbemessung bei Rissbildung oder klaffender Fuge (Mauerwerk) 128

5.4 Bemessung von Stahlbetonquerschnitten für Moment und Normalkraft 134


5.4.1 Mittig auf Druck beanspruchte Stahlbetonstäbe 134
5.4.2 Grundlagen der Biegebemessung von Stahlbetonquerschnitten 138
5.4.3 Vereinfachte Ermittlung der Biegetragfähigkeit mittels Spannungsblock 143
5.4.4 Überblick über die Bemessungsverfahren für M und N 144
5.4.5 Bemessung für Druck mit geringer Ausmitte = kleines Moment und große Druckkraft
(Interaktionsdiagramme) 146
5.4.6 Bemessung für reine Biegung und Druck / Zug mit großer Ausmitte = großes Moment und
kleine Druckkraft (e = M/N > 0,5h) 148
5.4.7 Bemessung für Zug mit geringer Ausmitte 150
5.4.8 Bemessung von Plattenbalkenquerschnitten 151
5.4.9 Druckbewehrung 154
5.4.10 Bemessung bei nicht rechteckiger Druckzone und schiefer Biegung 156

5.5 Bemessung von Betonbalken mit Fachwerkmodellen 157


5.5.1 Fachwerkmodelle 157
5.5.2 Bemessung der Gurte (einschließlich Beteiligung der Querkraft) 158
5.5.3 Querkraftabtragung 162
5.5.4 Angehängte Lasten 171
5.5.5 Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung 172
5.5.6 Anschluss von abstehenden Querschnittsteilen an den Steg (Anschluss Platte / Steg) 173

5.6 Querschnittstragfähigkeit von Verbundträgern 176


5.6.1 Allgemeines 176
5.6.2 Momententragfähigkeit 177
5.6.3 Querkrafttragfähigkeit und Interaktion mit der Momententragfähigkeit 180

5.7 Der Stab mit Torsionsbeanspruchung 182


5.7.1 Allgemeines 182
5.7.2 Saint Venant’sche Torsion 183
5.7.3 Wölbkrafttorsion 186
5.7.4 Stahlbetontragwerke unter reiner Torsion (Zustand II) 186

- II -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Inhaltsverzeichnis

6 LAST-VERFORMUNGSVERHALTEN VON STAHLBETONSTÄBEN,


GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT 193

6.1 Last-Verformungs-Verhalten von Stahlbetonstäben 193


6.1.1 Druck- und Zugbeanspruchung im elastischen Bereich 193
6.1.2 Stahlbeton-Druckstab im nichtlinearen Bereich 195
6.1.3 Stahlbeton-Zugstab im gerissenen Zustand II 196
6.1.4 Verformungen von Stahlbetonbalken unter Biegung 202

6.2 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit 203


6.2.1 Beschränkung der Rissbreiten 203
6.2.2 Berechnung von Rissbreiten (Abgeschlossenes Rissbild) 207
6.2.3 Durchbiegungen 208
6.2.4 Dynamische Belastung 210

6.3 Anhang 211

7 VERBINDUNGSMITTEL 215

7.1 Überblick über die Verbindungen von Bauteilen 215

7.2 Allgemeines zu stabförmigen Verbindungsmitteln 219

7.3 Schraubverbindungen im Stahlbau 224


7.3.1 Eigenschaften von Schrauben und ihre Anordnung in den Verbindungen 224
7.3.2 Tragfähigkeitsnachweise für Schraubverbindungen im Stahlbau 227
7.3.3 Bolzenverbindungen 230

7.4 Schweißverbindungen im Stahlbau 230


7.4.1 Allgemeines 230
7.4.2 Schweißarten 232
7.4.3 Nahtarten 234
7.4.4 Beanspruchungen und Nachweise von Schweißnähten 235

7.5 Verankerungen, Umlenkungen und Beschläge bei Seilen und Spanngliedern 240
7.5.1 Verankerungen 240
7.5.2 Umlenkungen 241
7.5.3 Beschläge 241

7.6 Verbindungen im Holzbau 242


7.6.1 Allgemeines zu stiftförmigen Verbindungsmitteln 242
7.6.2 Stabdübel, (Pass-) Bolzen und Gewindestangen 243
7.6.3 Nagelverbindungen 245
7.6.4 Dübelverbindungen 245

7.7 Konstruktionsdetails im Glasbau 248


7.7.1 Lagerungsarten 248
7.7.2 Zulassungen und Richtlinien 250

7.8 Verbindungen im Membranbau 251


7.8.1 Flächenstöße 251
7.8.2 Randausbildungen 252

LITERATUR 253

- III -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Inhaltsverzeichnis

- IV -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

1 Einführung

1.1 Zur Geschichte des Konstruktiven Ingenieurbaus

1.1.1 Tragwerke aus Mauerwerk


Bauten aus Mauerwerk und Holz sind so alt wie die menschliche Kultur. Auch künst-
liche Steine aus getrocknetem Lehm und vor allem aus gebranntem Lehm gab es
schon im Altertum. Manche Kulturen, z. B. die Inkas, haben mit tonnenschweren,
sauber behauenen Steinen ohne Mörtel Bauten errichtet, deren Herstellung man sich
heute noch nicht recht erklären kann.
Häufig wurden für die Decken und Dächer der Mauerwerksbauten Holztragwerke
verwendet. Die mit Mauerwerk überbrückbaren Spannweiten waren durch die Länge
der handhabbaren (natürlichen) Steine begrenzt. Bei „falschen Gewölben“ erreichte
man mittels auskragender Steine wenige Meter Spannweite (bekanntestes Beispiel:
das Schatzhaus des Atreus in Mykene, ca. 1325 v. Chr.).
Die Römer haben die Wölbtechnik mit dem Bau von Bogenbrücken für Straßen und
Wasserleitungen und mit der Einwölbung großer Hallen zu einer ersten Blüte geführt,
mit Spannweiten, die erst in der Renaissance wieder annähernd erreicht wurden
(Bild 1-1, Bild 1-2). In Bezug auf die Kühnheit gemauerter Tragwerke, die Aus-
nutzung der Materialeigenschaften und ihrer gestalterischen Qualität sind die goti-
schen Dome bis heute unübertroffene Meisterwerke.

a) b)
Bild 1-1 Gemauerte Kuppeln: a) Pantheon in Rom, erbaut 118 bis 126 n. Chr., 43,3 m
lichter Durchmesser; b) Kuppel des Doms in Florenz, begonnen 1420 von
Bruneleschi, 42 m Durchmesser

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Obwohl auch heute noch Mauerwerk vor allem im Wohnungsbau eine wichtige Rolle
spielt ist seine Bedeutung seit der Entwicklung neuerer Baustoffe wie Stahl und Be-
ton ständig zurückgegangen. Der Nachteil des Mauerwerks, dass es eine sehr gerin-
ge Zugfestigkeit besitzt, schränkt seine Anwendungsmöglichkeiten und den
Formenkanon der damit herstellbaren Tragwerke stark ein (Wände mit geringer Bie-
gebeanspruchung, Gewölbe). Mauerwerk, das ähnlich wie Stahlbeton bewehrt ist,
um größere Zugkräfte aufzunehmen, kommt selten zur Anwendung.
Die zunehmend höheren Anforderungen an die Wärmedämmung der Bauten haben
in den letzten Jahrzehnten zur Entwicklung von besonders leichten Mauersteinen
(z. B. Ytong, Poroton, Liapor) und Leichtmauermörteln geführt, die vor allem für Au-
ßenwände im Wohnungsbau verwendet werden.

1.1.2 Tragwerke aus Holz


Durch handwerkliches Bearbeiten und Verbinden von Holzbalken wurden schon im
Mittelalter und im alten China beachtliche Dachtragwerke und Brücken zustandege-
bracht (Bild 1-2 a, Bild 1-3); der eigentliche Ingenieurholzbau begann aber wie der
Stahlbau erst nach der industriellen Revolution. Insbesondere in Amerika und in den
waldreichen Ländern Mitteleuropas sind für die Eisenbahnen zunächst viele Holz-
brücken errichtet worden, die dann später durch Stahlbrücken ersetzt wurden. Einen
Innovationsschub für den Ingenieurholzbau brachte in den letzten Jahrzehnten der
Holzleimbau, der die Herstellung beliebig großer und sogar stark gekrümmter Balken
ermöglicht (Bild 1-2 b). Hinzu kamen viele neue stählerne Verbindungsmittel, die zug-
feste und einfach herzustellende Verbindungen ermöglichen, womit die Holztrag-
werke mitunter den Charakter von Stahlbauten annehmen.

a) b)
Bild 1-2 Dachtragwerke aus Holz: a) Westminster Hall, London, 14. Jahrh., H. Herland;
b) Schwimmhalle in Leimbauweise, Bad Dürrheim, 1985-87, Ing: Wenzel, Frese,
Pörtner, Haller, Bathel, Arch: Geier + Geier

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Bild 1-3 Rheinbrücke bei Schaffhausen, 1756, H.-U. Grubenmann, 2 x 60 m Spannweite,


konzipiert als Einfeldtragwerk mit doppelter Spannweite

1.1.3 Metallbau
Die Verwendung von Eisen und Stahl für Tragwerke hängt eng mit den Fortschritten
zusammen, die bei der Erzeugung des relativ teuren Werkstoffs während der indu-
striellen Revolution in England erzielt wurden. Einige Marksteine in dieser Entwick-
lung sind die Erzeugung von Gusseisen im Hochofen um 1735 durch Abraham
Darby II, die Erfindung des Puddelverfahrens zur Erzeugung schmiedbaren Eisens
von Henry Cort im Jahre 1784, das aber erst mit der fortschreitenden Entwicklung
des industriellen Walzens verschiedener eiserner Profile in der 1. Hälfte des 19. Jahr-
hunderts wirtschaftlich für Tragwerke eingesetzt werden konnte. In großen Mengen
herstellbar und wesentlich billiger wurde der „Flussstahl“ durch die Erfindung des
„Windfrischens in der Birne“ von Henry Bessemer im Jahre 1855 und durch den Sie-
mens-Martin Ofen.

Bild 1-4 Gusseiserne Brücke bei Laasan/Schlesien, 1796

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Die erste (noch erhaltene) Brücke mit einem Tragwerk aus Eisen wurde in Co-
albrookdale / Severn von Abraham Darby III und John Wilkinson in den Jahren 1773-
1779 mit 30,6 m Spannweite errichtet. Im Jahre 1796 entstand die erste eiserne Brü-
cke in Deutschland mit 13 m Spannweite (Bild 1-4), auf die Anfang des
19. Jahrhunderts etliche kleinere und größere Straßenbrücken folgten. Diese ersten
Brücken übernahmen die traditionellen Formen des Steinbrückenbaus und waren
daher Bogenbrücken, die noch vorwiegend nach handwerklichen Gesichtspunkten
konstruiert wurden. Die druckbeanspruchten Teile aus dem spröden Gusseisen wur-
den mit Nut und Feder oder mit schmiedeeisernen Bändern aus Puddeleisen ver-
bunden.
Mit dem Bau der Eisenbahnen seit 1825 wurden außer Bogenbrücken und Hänge-
brücken unzählige Fachwerkbrücken in verschiedensten Systemen errichtet, wobei
als größte Spannweite 521 m bei der Brücke über den Firth of Forth (Bild 1-5) er-
reicht wurden.
Dazu war neben der Weiterentwicklung der Stahltechnologie die rationale Erfassung
des Tragverhaltens eine wichtige Voraussetzung. Nun wurden Tragwerke nicht nur
nach handwerklicher Erfahrung und nach Proportionen gestaltet, sondern ihre Trag-
fähigkeit wurde auf der Grundlage von Versuchsergebnissen und physikalischen Ge-
setzen berechnet. Auf der Mechanik aufbauend und mit den Erkenntnissen aus
Versuchen waren im 18. Jahrhundert Fragmente der Baustatik und Festigkeitslehre
entstanden (Hooke (1635-1703), Belidor (1697-1761), Bernoulli (1700-1782),
Coulomb (1736-1806)). Navier (1735-1836) hatte dieses Wissen geordnet, zusam-
mengefasst, ergänzt und in seinen Vorlesungen an der „Ecole des Ponts et Chaus-
sées“ als praktische Wissenschaft etabliert. Die „Ecole des Ponts et Chaussées“ war
schon im Jahre 1747 für die naturwissenschaftliche Ausbildung der Offiziere gegrün-
det worden, die sich auch mit staatlichen Tiefbauarbeiten und Brücken zu befassen
hatten. Seit 1825 wurden nach dem Vorbild der französischen Ecole Polytechnique
(gegründet 1775) auch in verschiedenen Ländern Deutschlands, beginnend in Karls-
ruhe, polytechnische Schulen gegründet, aus denen dann die Technischen Hoch-
schulen bzw. Universitäten hervorgingen. Die TU Berlin (Neugründung 1946)
entstand aus der 1799 gegründeten Bauakademie und der 1821 eröffneten Gewer-
beakademie, welche 1879 zur Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin ver-
schmolzen.

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Bild 1-5 Firth of Forth, Edinburgh, 1882-90, Sir B. Baker, Sir J. Fowler

Hängebrücken, in China seit 2000 Jahren bekannt, entwickelten sich seit der indu-
striellen Revolution aus Kettenbrücken mit geschmiedeten Kettengliedern über Ket-
tenbrücken aus Stabeisen und Seilbrücken vor allem in Amerika zu den Tragwerken,
mit denen die größten Spannweiten überbrückt werden können. Hierzu einige Daten:

1796 erste neuzeitliche Kettenbrücke in Amerika von J. Finley l= 21 m


1816-26 Kettenbrücke über die Menai-Meerenge von Th. Telford l= 175 m
1816 erste weitgespannte Drahtseilbrücke in den USA l= 124 m
1832-34 Saanebrücke (Seilbrücke) in Fribourg, von J. Chaley l= 273 m
1870-83 Brooklyn-Brücke in New York von J. A. und W. A. Roebling l= 486 m
1929-32 George-Washington-Brücke in New York von O. H. Ammann l= 1067 m
1933-35 Golden Gate Brücke nach San-Francisco von J. B. Strauss l= 1280 m
1993-98 Akashi-Kaikyo-Brücke in Japan l= 1991 m
geplant Brücke über die Straße von Messina l≈ 3300 m

Seit 1950 wurden mittlere und auch große Spannweiten zunehmend mit Schrägseil-
brücken überspannt (1957: Rheinbrücke Düsseldorf-Nord, Hauptspannweite 260 m;
1995: Normandie-Brücke bei Le Havre, Hauptspannweite 856 m). Mit ihrer voraus-
sichtlichen Fertigstellung 2008 wird die Stonecutters-Brücke in Hong Kong (1018 m)
die Tatara-Brücke in Japan (890 m) übertreffen.
Die ersten Balkenbrücken in Vollwandbauweise, die Conway-Brücke (l = 122 m) und
die Britannia-Brücke (max l = 140 m) wurden 1847 bzw. 1850 von W. Fairbairn und
R. Stephenson vollendet. Sie waren die Vorläufer der vollwandigen Hohlkasten-
brücken, die in den letzten Jahrzehnten zum Standardtypus von Stahlbrücken (und
Spannbetonbrücken) wurden.

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Bild 1-6 Flatterschwingungen der 1940 eingestürzten Tacomabrücke, 855 m Spannweite

Viele bedeutende Brücken, insbesondere Hängebrücken, stürzten wegen Spröd-


bruch, Ermüdungsbruch, Knicken von Stäben, Beulen von Rohrprofilen, ungenügen-
der Aussteifung, Resonanzschwingungen verursacht von marschierenden Soldaten,
Flatterschwingungen aus Wind (Bild 1-6) oder anderen bis dato unbekannten oder
unterschätzten Phänomenen ein, wobei diese Fehlschläge meistens eine rege For-
schungstätigkeit und die Weiterentwicklung der Bauweise nach sich zogen.
Im Hochbau setzte sich der Eisenbau (wie der Stahlbau bis in die 20er Jahre des
20. Jahrh. genannt wurde) viel langsamer durch als im Brückenbau, obwohl seit dem
Beginn des 19. Jahrhunderts auch großartige Tragwerke für Hallen aus eisernen
Stäben, zunächst Gusseisen, später Schmiedeeisen und Walzeisen, entstanden
(Bild 1-7).

a) b)
Bild 1-7 Eiserne Hallen: a) Kuppel der „Halle au Blé“ in Paris, erbaut 1809-13;
b) Palais des Machines in Paris 1889

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Mit der 1803 gegründeten Königlichen Eisengießerei beginnt in Berlin das Bauen mit
Guss- und Schmiedeeisen. Die ersten Impulse gehen von Karl Friedrich Schinkel
(Architekt) und August Borsig (Maschinenbauer und gelernter Zimmermann) aus.
1847 wurde die erste gusseiserne Kuppel Preußens für die Potsdamer Nicolaikirche
gebaut. Die Konsolidierungsphase des Eisenbaus in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts äußert sich vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung Ber-
lins zur Hauptstadt des Kaiserreiches und dem Bauen mit Eisen als alltägliche Pra-
xis. Beispielhaft werden nachfolgend einige bedeutende Eisenbaukonstruktionen
genannt:
- das große Palmenhaus im alten Königlich-Botanischen Garten, ein Skelettbau
aus Eisen und Glas (1857-59).
- das Palmenhaus der „Flora“ (1871-73).
- Berliner Fernbahnhöfe wie der Anhalter Bahnhof (1876-80).
- die alte Nationalgalerie (1866-73).
Dass Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts eine Stadt der eisernen Kuppeln ist, wird
durch den mehrfachen Bau von Schwedlerschen Kuppeln deutlich, beispielsweise für
das Hauptgebäude der Berliner Gewerbeausstellung in Treptow (Bild 1-8). Große
Meilensteine des frühen europäischen Eisenbaus sind der Londoner Crystal Palace
von Joseph Paxton (1851) und der Eiffelturm für die Weltausstellung in Paris 1889.

Bild 1-8 Berliner Gewerbeausstellung, Treptow,


1895-96, J. W. Schwedler

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Hochhausbau, vor allem in den
USA, mit dem Sears-Tower in Chicago 1974 als höchstem Gebäude (422 m). Dieser
wird derzeit durch den 508 m hohen „Taipei 101“ in Taiwan übertroffen. Es existieren
aber bereits Entwürfe von Hochhäusern und Türmen mit Höhen bis 1000 m.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts musste der Stahlbau mit dem oftmals billigeren
„Eisenbeton“ konkurrieren. Nach dem 2. Weltkrieg im Brückenbau auch noch mit
dem Spannbeton, der die reine Stahlbrücke aus dem Bereich kleiner und mittlerer
Spannweiten fast vollständig verdrängt hat. In der Kombination mit Beton als Ver-
bundbau hat sich dabei der Stahl besser behauptet und im Hochbau mit den Trapez-
blech-Verbunddecken auch zusätzliche Anwendungsgebiete erobert. Hier ist in
Zukunft eine weitere Stärkung zu erwarten.
Nachdem die Massenproduktion von Stahl in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts mög-
lich war, richteten sich die Entwicklungsziele vor allem auf die Verbesserung der
Stahlqualität (Festigkeit, Zähigkeit, Schweißeignung, Korrosionsanfälligkeit). Seit den
60er Jahren werden auch in Deutschland sog. wetterfeste Stähle hergestellt, nicht zu
verwechseln mit korrosionsbeständig. Auch nichtrostende Stähle (i.d.R. Edelstähle)
kommen im Bauwesen immer häufiger zum Einsatz (Kapitel 3.2).
Allmählich hat sich um die Mitte unseres Jahrhunderts die Verbindung der Stahlele-
mente durch Schweißen und Schrauben gegenüber dem Nieten durchgesetzt.
Schlupffreie Verbindungen mit vorgespannten „hochfesten Schrauben“ (SLV-Verbin-
dungen) wurden entwickelt, und mit Klebeverbindungen wurde experimentiert.
Seit dem Bau des Olympiadaches in München (1972) wird auch wieder Gussstahl,
der inzwischen zu einem sehr duktilen Werkstoff weiterentwickelt wurde, im Bauwe-
sen für komplizierte Knotenbereiche von Tragwerken verwendet.

Bild 1-9 Stahlgussteile für Humboldthafen-Brücke, Berlin, 1999,


Ing: Schlaich Bergermann und Partner, Arch: GMP

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

1.1.4 Stahlbetonbau und Spannbetonbau


Beton mit hydraulischem Kalk oder Puzzolan-Zement (vulkanischer Herkunft) als
Bindemittel war schon den Römern bekannt (Opus Caementitium). Die Erfindungen
des Romanzements im Jahre 1796 durch den Engländer J. Parker und des Portland-
zements durch den Franzosen J. Aspdin im Jahre 1824 leiteten die neuere Ent-
wicklung zum Betonbau ein.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals in Frankreich Stahleinlagen in Be-
ton eingebaut: 1855 baute J. L. Lambot einen Kahn aus eisenverstärktem Zement-
mörtel, 1861 stellte J. Monier Blumenkübel aus Beton mit Drahteinlagen her
(Monier-Beton), 1861 veröffentlichte F. Coignet Grundsätze für das Bauen mit be-
wehrtem Beton und stellte 1867 auf der Weltausstellung in Paris Träger und Röhren
aus bewehrtem Beton aus.
Der Amerikaner W. E. Ward baute 1873 bei New York ein Haus aus Stahlbeton,
„Wards Castle“, das heute noch steht. Weitere Schrittmacher waren T. Hyatt,
F. Hennebique, G. A. Wayss, M. Koenen und C. W. F. Doehring.
Die Markuskirche in Stuttgart, 1908 eingeweiht, ist ein frühes Stahlbetonbauwerk und
hat den ersten Stahlbetonkirchturm der Welt. Bemerkenswert ist auch die Stuttgarter
Markthalle, die in den Jahren 1912-1914 erbaut wurde.
Emil Mörsch (Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart von 1916 bis 1948)
hat 1902 im Auftrag der Firma Wayss und Freytag eine wissenschaftlich begründete
Darstellung der Wirkungsweise des „Eisenbetons“ veröffentlicht und von Versuchser-
gebnissen ausgehend die erste wirklichkeitsnahe Theorie zur Bemessung von Ei-
senbetonbauteilen entwickelt.
Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts forschte und arbeitete Franz Dischinger mit
Walter Bauersfeld vor allem auf dem Gebiet der Schalenbauweise in Stahlbeton. Die
ersten Entwicklungen sind die Planetariumskuppel auf dem Dach der Zeissfabrik in
Jena 1922, der Stadt Jena 1924/25 und die doppelt gekrümmte Versuchsschale zur
Überdachung rechteckiger Grundrisse. Zusammen mit Ulrich Finsterwalder entfalten
sie ihr ganzes Können in den Konstruktionen vielfältiger dünner Kuppelschalen und
Tonnendächer. 1932 erhält Dischinger die Berufung an den Lehrstuhl für Stahlbeton-
bau an der Technischen Hochschule Berlin.
Beton ist heute weltweit das Produkt, das in der größten Menge hergestellt wird. Er
ist in unserer gebauten Umwelt nicht übersehbar (und dort leider auch schon zum
Stein des Anstoßes geworden). Noch häufiger bildet Beton – verdeckt durch Erde,
Fassaden oder Verkleidungen – das tragende Gerippe der Bauwerke und immer das
Fundament, worauf alles Gebaute ruht. Mehr noch als bei anderen Baustoffen hängt
das Tragverhalten und das Erscheinungsbild von Tragwerken aus dem völlig struk-
turlosen Ausgangsmaterial Beton, von der Formgebung durch den Entwerfenden und
von den Fertigungsmethoden ab (Bild 1-10, Bild 1-11).

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

a) b)
Bild 1-10 Betonschalen: a) Hyparschalen, Xochimilco, Mexiko, 1957-58, F. Candela;
b) Naturtheater, Grötzingen bei Karlsruhe, 1977, Ing: H. Isler, Arch: M. Balz

Seit dem 2. Weltkrieg haben weiterentwickelte und neue Fertigungstechnologien er-


heblich zur wirtschaftlicheren Herstellung von Betontragwerken beigetragen. Hierzu
einige Stichworte: Großflächenschalung, Kletterschalung, Gleitschalung, Lift-slab-
Verfahren, Lieferbeton, Pumpbeton, Spritzbeton, Unter-Wasser-Beton, Vakuum-
beton, Mörtelinjektion, Stahlfaserbeton, Bohrpfähle, Schlitzwände, Freivorbau, Takt-
schiebeverfahren, Segmentbauweise, Vorfertigung von ganzen Bauelementen, Halb-
fertigteile als verlorene Schalung. Neuere Entwicklungen zielen auf hochfeste Beto-
ne, Faserbetone, selbstverdichtende Betone und Fertigungsroboter.

Bild 1-11 Börstelbrücke Bad Oeynhausen, 2000, Ing: Schlaich Bergermann und Partner,
Arch: Claus Bury

Wegen der ungleichen Dehnfähigkeit von Beton und Stahl meldete der Amerikaner
Jackson bereits 1886 und unabhängig davon der Berliner Ingenieur Doehring 1888
einen Vorschlag zum Patent an, wonach die Bewehrungsstäbe durch Spann-
schrauben angespannt werden. Dadurch wird der Beton unter Druck gesetzt, und die
Zugspannungen aus Lastmomenten führen erst später zur Rissbildung. Einen Beton
mit derart „vorgespannten“ Stahleinlagen nennt man heute Spannbeton. Doehring,
Koenen und andere erprobten dieses Verfahren auch praktisch. Die damaligen Ver-
suche schlugen aber fehl, weil man noch nicht wusste, dass sich Beton mit der Zeit
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

durch Schwinden und Kriechen verkürzt und so die Vorspannung im gewöhnlichen


Stahl verloren geht. Erst 1928 entwickelte E. Freyssinet Verfahren mit hochfesten
Stählen, mit denen ausreichend hohe, bleibende Druckspannungen erzeugt werden
konnten.
Mit dem Spannbeton, der sich nach dem 2. Weltkrieg endgültig durchsetzte, ist der
Betonbau in Anwendungsgebiete vorgedrungen, die bis vor wenigen Jahrzehnten
noch eindeutig dem Stahlbau vorbehalten waren. Er konkurriert heute mit diesem
auch bei großen Spannweiten und bei schlanken Tragwerken.

1.1.5 Mischbauweisen und neue Werkstoffe


Neben der Kombination verschiedener Werkstoffe miteinander im gleichen Bauteil,
wie beim Stahlbetonbau und der bereits erwähnten klassischen Verbundbauweise
aus Stahlprofilen und Aufbeton, ermöglicht die Kombination von Elementen aus ver-
schiedenen Baustoffen oder Verbundbaustoffen (Mischbauweise) oftmals neuartige
und wirtschaftlichere Tragwerke. Dabei können die verschiedenen Werkstoffe gezielt
für den Zweck eingesetzt werden, für den sie besonders geeignet sind. Mischkon-
struktionen aus Mauerwerk und Stahlbeton sind im Wohnungsbau die Regel, solche
aus Stahl und Konstruktionsbeton werden zunehmend bei Hochbauten und Brücken
eingesetzt, wobei jeder dieser Werkstoffe für jedes Einzelbauteil (z. B. Stütze, Pfeiler,
Pylon, Fahrbahnplatte, Steg, Bodenplatte, Bogen, ja selbst Hängewerk) in Betracht
kommt.
Auch die Mischung der traditionellen Werkstoffe mit „neuen Werkstoffen“, z. B. kunst-
stoffbeschichteten textilen Membranen, faserverstärkten Kunststoffen oder Glas er-
öffnet vielfältige neue Möglichkeiten. Das Zeltdach des ehemaligen Instituts für
leichte Flächentragwerke der Universität Stuttgart (jetzt Institut für Leichtbau Ent-
werfen und Konstruieren), dessen ehemaliger Leiter Prof. Frei Otto der geistige Vater
dieser Leichtbauweise ist, ist das erste Seilnetztragwerk und Vorläufer der Seilnetz-
tragwerke für die olympischen Bauten in München und vieler anderer (Bild 1-12).

a) b)
Bild 1-12 a) Eissporthalle in München, 1983, Ackermann, Schlaich Bergermann und Part-
ner; b) Aussichtsturm auf dem Killesberg / Stuttgart, 2000, Schlaich Bergermann
und Partner

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

1.2 Einordnung der „Bemessung“ in den Planungsprozess


Die Planung eines Tragwerks ist kein normierbarer, kein geradliniger aber hoffentlich
konzentrisch zum Ziel führender Prozess. Auf dem Weg zum tragfähigen, wirtschaft-
lichen und schönen Tragwerk wird iteriert, tauchen zufällige und manchmal sogar
chaotische Elemente auf und müssen Kompromisse geschlossen werden. Die
Grundbausteine dieses Prozesses des Entwerfens und Konstruierens lassen sich
trotzdem eindeutig identifizieren. Die tägliche, immer den Bauablauf berücksichtigen-
de, Arbeit des “Tragwerkplaners” besteht aus folgenden Schritten:
- Entwerfen: in diesem ersten und deshalb ganz wichtigen Schritt der Planung
werden das Konzept des Tragwerks und signifikante Details festgelegt. Der Ent-
wurf entsteht aus dem örtlichen Kontext, der topographisch-physikalischer, tech-
nisch-konstruktiver oder politischer-kultureller Natur sein kann.
- Modellieren: Abstraktion des Konzeptes. Modellbildung für die statische oder dy-
namische Berechung, Festlegung der Lasten sowie Bestimmung der Schnittkräfte
und Verformungen.
- Bemessen: Bestimmung der Querschnittsabmessungen in Abhängigkeit von der
Art und der Kombination der gewählten Werkstoffe.
- Konstruktives Durchbilden: endgültige Detaillierung aller Verbindungen und
Knoten des Tragwerks und zeichnen der Pläne.

Entwerfen Modellieren

Working No. of strands


Backstay Max N stress (A=150mm²
cables [kN] [MPa] each)

1 13820,00 725,46 127

2 13439,00 705,46 127

3 11185,00 684,10 109

4 10755,00 657,80 109

Bemessen Konstruktives Durchbilden

Bild 1-13 Der Prozess des Entwerfens und Konstruieren

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Bild 1-14 Yamuna Brücke, Wazirabad, Delhi, Indien,


Ing. Schlaich Bergermann und Partner,
Arch. Ratan J. Batliboi

Entwerfen
Der Entwurf, die Geburtsstunde des Tragwerks, stellt dabei die wichtigste und
schwierigste Phase dar. Funktionstüchtigkeit, Wirtschaftlichkeit, äußere Erscheinung,
Bauausführung, Bauzeit und vieles andere müssen bedacht werden, wenn Baustoffe,
System und Abmessungen gewählt werden. Dabei müssen bereits beim Entwurf alle
späteren Schritte vorab vollzogen werden, d. h. man muss im Voraus schon wissen
bzw. abschätzen, wie die spätere Bemessung und konstruktive Durchbildung gelingt.
Beispielsweise werden Tragwerksabmessungen für die Schnittgrößenermittlung be-
nötigt, sie können aber erst bei der Bemessung endgültig festgelegt werden. Das
zeigt: der Planungsablauf ist ein iterativer Vorgang. Man muss die genannten Phasen
mehrmals durchlaufen, je nach Erfahrung mehr oder weniger häufig.
Hilfreich für den Entwurfsprozess ist eine Ordnung der Tragwerke unabhängig von
den Werkstoffen, die erst im Laufe der Planung gewählt werden (Bild 1-16). Nur ein
guter Entwurf und die Fähigkeit werkstoffübergreifend das passende Material bzw.
eine werkstoffgerechte Materialkombination wählen zu können, führt zu ganzheitli-
cher Qualität und zum guten Tragwerk.

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Bild 1-15 Eine werkstoffübergreifende Ordnung der Tragwerke

Das einfachste Element ist das hängende, rein zugbeanspruchte Seil. Die Umkeh-
rung führt zum rein druckbeanspruchten Bogen. Beide Beanspruchungsarten sind im
Balken unter Biegung wiederzufinden. Ausgehend von diesen linearen Systemen,
werden Flächen aller Art – eben, gleichsinnig gekrümmt oder gegensinnig gekrümmt
- nach den Prinzipien der Translation und der Rotation generiert.
Translation: durch parallele Verschiebung entstehen die ebene Deckenplatte, das
Hängedach, das Tonnengewölbe oder die Hyparfläche.
Rotation: durch Drehung um einen Mittelpunkt entstehen die Kuppel, die Ringseildä-
cher oder die Kühltürme.
Modellieren
Um die Gesamttragwerke von Gebäuden und Ingenieurbauwerken mit sinnvollem
Aufwand berechnen zu können, müssen sie gedanklich in überschaubare einzelne
Tragwerke gegliedert werden. Diese wiederum müssen zu Systemen idealisiert wer-
den. Für übergeordnete Tragwerksfunktionen, z. B. die horizontale Aussteifung eines
Gebäudes durch Decken, Wände und Kerne sind dabei meistens andere, gröbere
Systeme zweckmäßig als für die Bemessung einzelner Bauteile wie Stützen, Träger
oder Deckenplatten. Die in Wirklichkeit räumlichen Tragwirkungen werden zur Ver-
einfachung meistens in mehreren zueinander senkrechten Ebenen getrennt unter-
sucht. Ebenso werden in parallelen Ebenen stehende Rahmen und Wände getrennt
berechnet, obwohl sie durch die Decken miteinander verbunden sind.

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

Nachdem über die Gliederung des Gesamttragwerks in Einzeltragwerke entschieden


ist, müssen für jedes davon die Systemlinien, Steifigkeiten und Randbedingungen so
festgelegt werden, dass das System für das Tragwerk repräsentativ ist und dem rea-
len Tragverhalten entspricht. Dabei bereitet die zweckmäßige Wahl der Rand-
bedingungen oder der Übergangsbedingungen an Schnittstellen zu anderen Trag-
werksteilen oft Schwierigkeiten. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: Darf an
der Einspannung der Decke in die Unterstützung ein Gelenk angenommen werden
(Bild 1-16)? Ist die Lagerung der Fundamente auf dem Boden genügend steif, um die
Annahme unverschieblicher Auflager von Rahmen oder Durchlaufträgern zu rechtfer-
tigen? - Das Gliedern des Bauwerks in berechenbare Tragwerke und das Herauskris-
tallisieren des zweckmäßigen statischen Systems ist oft wichtiger und schwieriger als
die eigentliche statische Berechnung.

Bild 1-16 Annahme gelenkiger Lagerungen am Deckenauflager

Bemessen
Nachdem die Schnittgrößen am statischen System ermittelt sind, wird schließlich mit
der Bemessung und konstruktiven Durchbildung das statische System wieder materi-
alisiert. Um die Schnittgrößen aufnehmen zu können, muss beispielsweise die Sys-
temlinie durch einen Stab oder Balken mit endlicher Dicke und Breite ersetzt werden.
Nicht nur die äußeren Abmessungen, sondern auch die Ermittlung der erforderlichen
Bewehrung bei Stahlbetonbauteilen zählen zur Bemessung.
In diesem Skript und in der Lehrveranstaltung Konstruktiver Ingenieurbau (KI) wird
die Bemessung, hauptsächlich von Stahl- und Stahlbetonbauteilen, behandelt.
Konstruktives Durchbilden
Knotenbereiche sowie Auflager- und Krafteinleitungsbereiche müssen so ausgebildet
werden, dass alle auf sie einwirkenden Kräfte dort ihren Ausgleich finden können.
Entsprechend der Modellierung müssen beispielsweise gelenkige oder biegesteife
Anschlüsse duch Schraub- bzw. Schweißverbindungen ausgebildet werden. Einige
Anschlussdetails werden in Kapitel 7 vorgestellt.

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 1

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2 Bemessungsgrundlagen
Das Bemessen von Bauteilen ist die Ermittlung der notwendigen Bauteilabmessun-
gen, die zur sicheren Aufnahme der Beanspruchungen aus Lasten, Zwängen, Vor-
spannung und Umwelteinflüssen erforderlich sind. Bemessen werden auch die Ver-
bindungen der Bauteile und die Stahleinlagen (Bewehrung) in Betonbauteilen. Dabei
müssen im Allgemeinen die notwendigen Abmessungen zunächst aufgrund von Er-
fahrungen geschätzt oder angenommen werden, um dann als ausreichend (oder än-
derungsbedürftig) „nachgewiesen“ zu werden.

2.1 B- und D-Bereiche der Tragwerke

2.1.1 Eigenarten der B- und D-Bereiche


Für ein methodisches Vorgehen erweist es sich als zweckmäßig, das Tragwerk vor
dem Bemessen in B - und D - Bereiche einzuteilen (Bild 2-1). In D-Bereichen kann
mit Stabwerkmodellen bemessen werden. Bislang wird dieses Vorgehen hauptsäch-
lich bei der Bemessung von Stahlbetonbauteilen angewendet und ist auch in der
DIN 1045-1 verankert. Die Übertragung auf die Werkstoffe Stahl und Holz wird zur-
zeit untersucht.

Bild 2-1 Die verschiedenen B- und D-Bereiche eines Rahmens

a) In den B - Bereichen gilt ausreichend genau die Bernoulli-Hypothese (siehe


Kapitel 2.4) vom Ebenbleiben der Querschnitte bei der Verformung des Trag-
werks unter Lasten (Bild 2-2). Solche Bereiche stellen sich in Balken und Plat-
ten mit gleichbleibender Dicke und gleichmäßiger Belastung ein. Sofern die
Hooke'schen Stoffgesetze gelten, können die Beanspruchungen (Spannungen)
mittels der Technischen Biegelehre eindeutig aus den Schnittkräften und Quer-
schnittswerten berechnet werden, z. B.:

M V ⋅S
σ= z τ=
l b ⋅l
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Auch für andere, realistischere Stoffgesetze gibt es standardisierte Bemes-


sungsverfahren in den Normen und Handbüchern, mit denen die B-Bereiche
bemessen werden können.

Bild 2-2 In B-Bereichen bleiben die Querschnitte praktisch eben: lineare


(geradlinige) Dehnungsverteilung

b) In D - Bereichen, das sind Tragwerksbereiche mit abrupten Änderungen der


Geometrie (geometrische Diskontinuität) oder mit konzentrierten Lasten (stati-
sche Diskontinuität) treffen die oben genannten Voraussetzungen nicht zu
(Bild 2-3). Beispiele für geometrische Diskontinuitäten sind Querschnittssprün-
ge, Rahmenecken, Knicke und Aussparungen (Bild 2-4 a, c). Statische Diskon-
tinuitäten entstehen beispielsweise durch Einzellasten, Auflagerkräfte und
Spannkraftverankerungen (Bild 2-4 b, c). Solange der Beton ungerissen ist,
können die Spannungen in den D-Bereichen mit üblichen Programmen nach li-
near elastischer Theorie berechnet werden. Im gerissenen Zustand geht dies
aufgrund der Spannungsumlagerungen und der meist sehr komplizierten ebe-
nen oder räumlichen Spannungszustände nicht mehr so einfach und erweist
sich in der Regel auch bei der Detailausbildung als unrealistisch (Bewehrungs-
verankerung). Um bei der Berechnung die Besonderheiten der D-Bereiche be-
rücksichtigen zu können empfiehlt sich die systematische Methode der
Stabwerkmodelle zur Bemessung (Lehrveranstaltung KI II).

Bild 2-3 In D-Bereichen verwölben sich die Querschnitte bei Belastung erheblich

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Bild 2-4 D-Bereiche: a) geometrische Diskontinuitäten; b) statische Diskontinuitäten,


c) geometrische und statische Diskontinuität

Die Unterteilung in B - und D - Bereiche zeigt also vor allem, wo die Standardbemes-
sungsverfahren gelten bzw. wo Besonderheiten vorliegen, die Anlass zum Denken
geben sollten.

2.1.2 Abgrenzen der D-Bereiche


Diskontinuitäten wie konzentrierte Krafteinleitungen oder abrupte Querschnittsände-
rungen „stören“ das gleichmäßige Spannungsbild der B - Bereiche. Man kann diese
„Störung“ aus dem wirklichen Spannungszustand abspalten und räumlich begrenzen,
wenn man den wirklichen Spannungszustand in einen B – Bereichszustand und ei-
nen Eigenspannungszustand aufteilt, wie dies im Bild 2-5 beispielhaft für einen Stab
mit konzentrierten Lasten gezeigt wird:
Der B - Bereichszustand (Bild 2-5 b) entspricht den Spannungen, wie sie sich aus
den Schnittgrößen N, M, V in einem B - Bereich nach der technischen Biegelehre
ergeben würden. Dies setzt z. B. voraus, dass die Längskräfte als linear verteilte
Spannungen aufgebracht werden, und dass Auflagerkräfte bei Balken mit recht-
eckigem Querschnitt durch parabolisch verteilte Schubspannungen eingeleitet wer-
den.

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σ aus FE
Berechnung

Bild 2-5 Aufteilung in B - und D - Bereiche mit dem Prinzip von Saint - Venant

Der Eigenspannungszustand (Bild 2-5 c) ergibt sich aus der Differenz des wirklichen
Belastungszustandes (Bild 2-5 a) und des B - Bereichszustandes (Bild 2-5 b). Er kor-
rigiert die unzutreffenden Randbedingungen des B - Bereichszustandes (bzw. die
unterschiedlichen Spannungen auf beiden Seiten einer Querschnitts-Diskontinuität),
so dass der wirkliche Belastungszustand entsteht.
Der Eigenspannungszustand ist die Folge einer Gleichgewichtsgruppe von Kräften,
die alle in dem Querschnitt wirken, in dem sich die Diskontinuität befindet. Die Span-
nungen klingen mit zunehmendem Abstand von der Störstelle ab. Nach dem Prinzip
von Saint - Venant sind sie vernachlässigbar klein, wenn der Abstand h zu den
Gleichgewichtskräften ungefähr gleich dem größten Abstand a zwischen den Gleich-
gewichtskräften ist (
Bild 2-6). Der Abstand der Gleichgewichtskräfte an der Störstelle ist gleich der Quer-
schnittsabmessung an der Diskontinuität. Mit dieser Querschnittsabmessung kann
man also die Ausdehnung der D - Bereiche von der Störstelle aus begrenzen
(Bild 2-3, Bild 2-4).

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Bild 2-6 Die Wirkung einer Gleichgewichtsgruppe


von Kräften ist auf die Umgebung der
Kräfte beschränkt

2.2 Gleichgewicht, Verträglichkeit und Werkstoffgesetze


Um den wirklichen Beanspruchungszustand in einem Tragwerk zu bestimmen, müs-
sen überall und für jeden aus dem Tragwerk herausgeschnittenen Bereich drei
grundlegende Bedingungen erfüllt werden:
1. Gleichgewicht der Kräfte oder Spannungen (Statik).
2. Verträglichkeit der Verformungen (Kinematik).
3. Werkstoffgesetze (σ-ε-Beziehung).
Dabei haben die Gleichgewichtsbedingungen Vorrang. Die anderen dürfen, um prak-
tikabel zu sein, bei ausreichend duktilen Baustoffen gegenüber der komplizierten
Wirklichkeit stark vereinfacht werden.

a) b)
Bild 2-7 a) Gleichgewicht an einem durch Ritter'schen Schnitt abgetrennten Trag-
werksteil, b) Gleichgewicht der Schnittgrößen und der Spannungen im Schnitt
(für Hooke'schen Werkstoff)

Wir verwenden in der Folge Gleichgewichtsbetrachtungen für zwei sich wesentlich


unterscheidende Problemstellungen:
a) Gleichgewicht zwischen Lasten, Lagerkräften und Schnittgrößen im statischen
System oder einem abgeschnittenen Tragwerksteil (Bild 2-7 a):

ΣN = 0 ΣM = 0 ΣV = 0 (in jeder Ebene)

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b) Äquivalenzbedingungen zwischen Schnittgrößen und Spannungen in einem


Querschnitt des Bauteils (Bild 2-7 b):

N= ∫ σ x dA M y = ∫ σ x ⋅z dA V = ∫ τ dA
(A) (A) (A)

Man kann die Schnittgrößen aus den Spannungen mittels Äquivalenzbedingun-


gen (Gleichgewichtsbedingungen) eindeutig berechnen, während die Umkeh-
rung nicht immer gilt (vgl. nichtlinearer Spannungsverlauf, Eigenspannungen).
Die Verträglichkeit für das Tragwerk als Ganzes wird durch die statische Berechnung
des Systems befriedigt. Als Verträglichkeitsbedingung für die Bemessung von Quer-
schnitten in B - Bereichen wird die Bernoulli - Hypothese verwendet. Die Verträglich-
keitsbedingungen in den D - Bereichen werden meistens nur sehr überschlägig
berücksichtigt (Konstruktiver Ingenieurbau II).
Die Bemessungsgrundlagen werden durch die Stoffgesetze und Verbundgesetze, die
in getrennten Hauptabschnitten behandelt werden, vervollständigt. Für den ULS wird
üblicherweise starrer (unverschieblicher) Verbund in den Oberflächen von sich be-
rührenden Verbundwerkstoffen angenommen, woraus beispielsweise folgt, dass sich
im Beton eingebetteter Stahl genau so viel dehnt wie der umgebende Beton. Für be-
stimmte Nachweise im SLS, z. B. Rissbreitenbeschränkung oder Ermittlung von rea-
listischen Durchbiegungen wird mit verschieblichem Verbund gearbeitet.

2.3 Schnittgrößenermittlung und Tragwerkswiderstand


Es ist nachzuweisen, dass die Einwirkungen auf das Tragwerk mit einiger Zuver-
lässigkeit vom Tragwerk während seiner geplanten Lebensdauer schadlos ertra-
gen werden können und dass seine Funktionsfähigkeit erhalten bleibt. Solche
Nachweise werden nach den geltenden Normen im Allgemeinen für zwei Beanspru-
chungszustände geführt:
- Grenzzustand der Tragfähigkeit (ULS = Ultimate Limit State, Sicherheit gegen
Versagen) mit faktorisierten (γ-fachen) Lasten.
- Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (SLS = Service Limit State) mit 1,0-
fachen Lasten wie z. B. die Begrenzung der Verformungen, Rissbildung, Ermü-
dung, dynamisches Verhalten, Komfort.
Während früher die Tragfähigkeit üblicherweise das Bemessungsergebnis domi-
nierte, gewannen in letzter Zeit die Kriterien der Gebrauchstauglichkeit immer mehr
an Bedeutung. Beide Grenzzustände nehmen mittlerweile einen ähnlichen Stellen-
wert ein, wobei der ULS selbstverständlich immer erfüllt werden muss.

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Bei der Schnittgrößenermittlung legt man üblicherweise vereinfachend linear-elasti-


sches Materialverhalten zugrunde („elastische Schnittgrößenermittlung“). Die ein-
fache, proportionale (lineare) Verknüpfung nach dem Hooke'schen Werkstoffgesetz

σ=E·ε E: Elastizitätsmodul

ermöglicht die Berechnung der Schnittgrößen nach der linearen Elastizitätstheorie.


Für Betontragwerke werden dabei die Bruttoquerschnittswerte des ungerissenen Be-
tons („Zustand I“) unter Vernachlässigung des Bewehrungsstahles verwendet.
Das lineare Stoffgesetz ist eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Superpo-
sitionsprinzips. Dieses Vorgehen hat außerdem den Vorteil, dass die Schnittgrößen
in statisch unbestimmt gelagerten Betontragwerken unabhängig von der noch zu
bemessenden Bewehrung sind. (Bei statisch bestimmt gelagerten Tragwerken erge-
ben sich die Schnittgrößen ohnehin unabhängig von den Steifigkeiten und Stoffge-
setzen allein aus den Gleichgewichtsbedingungen).
Bei der elastischen Schnittgrößenermittlung werden die Gleichgewichts- und Verträg-
lichkeitsbedingungen im Rahmen der Rechengenauigkeit exakt eingehalten, aller-
dings mit einem unrealistischen Stoffgesetz.
Die realistischere Schnittgrößenermittlung mit nichtlinearen Stoffgesetzen, z. B. nach
der Plastizitätstheorie („Traglastverfahren“), wird in der Vertiefung behandelt.

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Beim Nachweis der Tragfähigkeit wird gezeigt, dass die Einwirkungen (Lasten,
Zwänge) nicht größer als die Widerstände (Tragfähigkeit) des Tragwerks sind, wobei
entweder die Einwirkungen oder der Tragwerkswiderstand oder beide mit Sicher-
heitsbeiwerten versehen werden. Dieser Nachweis kann grundsätzlich auf drei ver-
schiedenen Ebenen durchgeführt werden: dem Vergleich von Spannungen,
Schnittgrößen oder Lasten.
a) Spannungsnachweise (Bild 2-8 a)
Die aus den normgemäßen Einwirkungen im Tragwerk entstehenden Spannun-
gen dürfen an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt die zugehörige Werkstoff-
Festigkeit oder eine in den Normen definierte Grenzspannung überschreiten, z.
B.

σEd ≤ σRd bzw. vorh σ ≤ zul σ

In der Praxis führt man solche „Spannungsnachweise“ nicht für alle Punkte des
Tragwerks durch, sondern nur für die maßgebenden Stellen mit den größten
Spannungen, beispielsweise bei einem Einfeldträger mit konstantem Quer-
schnitt nur für die Randfasern in Feldmitte. Die weiter innen liegenden Punkte
des Mittelquerschnitts und alle anderen Punkte in dem Balken haben dann grö-
ßere Sicherheiten gegenüber der zulässigen Spannungsgrenze bzw. der Fes-
tigkeit.
Die DIN 1053 für Mauerwerk verwendet das Konzept der zulässigen Span-
nungen für die Bemessung. Auch Stahlkonstruktionen dürfen nach DIN 18800
und EC 3 mit Spannungsnachweisen bemessen werden (Nachweisverfahren
„elastisch-elastisch“), ebenso wie Holzquerschnitte. Dabei müssen Teilsicher-
heitsbeiwerte bei den Lasten und den Festigkeiten berücksichtigt werden.
b) Querschnittsnachweis mittels Schnittgrößen (Bild 2-8 b)
Wenn der Werkstoff plastische Eigenschaften hat, wie z. B. der Stahl, dann ist
mit dem Erreichen der Fließgrenze in der Randfaser die Momententragfähigkeit
eines Querschnitts noch nicht erschöpft. Mit zunehmender Verkrümmung des
Stabes plastizieren die Randbereiche des Querschnitts, und das aufnehmbare
Moment nimmt noch zu, weil die weiter innen liegenden Fasern verstärkt zum
Tragen herangezogen werden (Kapitel 5.2). Bei Berücksichtigung realistischer
Materialeigenschaften ergibt sich also eine höhere Querschnittstragfähigkeit als
aus den Spannungsnachweisen für die Randspannungen. Dies nutzt man aus,
wenn man statt der Randspannungen die einwirkenden und aufnehmbaren
Schnittgrößen einander gegenüberstellt. In der Schreibweise der nationalen
Normen stellt sich dies für das Biegemoment beispielsweise so dar:

MSd ≤ MRd

MEd ≤ MRd (DIN 1045-1)

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Hierin stehen die Indizes S für sectional effect (einwirkende Schnittgröße), R für
resistance (Widerstand) und d für design (Bemessungswert unter Berück-
sichtigung von Sicherheitsbeiwerten). In DIN 1045-1 wird anstatt dem Index S
der Index E für die Beanspruchungen (Einwirkungen) verwendet.
Dieses Nachweisverfahren für den Grenzzustand der Tragfähigkeit ist als Alter-
native zu den Spannungsnachweisen bei Stahlbauten zulässig („elastisch-
plastisch“); es liegt allen Normen für Stahlbetontragwerke zugrunde.
c) Traglastverfahren (Bild 2-8 c)
Bei den Traglastverfahren werden sowohl bei der Schnittgrößenermittlung als
auch bei den Querschnittswiderständen die plastischen Werkstoff-
eigenschaften ausgenutzt. Dabei werden durch „Schnittgrößenumlagerungen“
bei der Bildung „plastischer Gelenke“ alle Tragreserven ausgenutzt. Letztlich
werden nicht Spannungen an einzelnen Punkten oder einzelne Schnittgrößen,
sondern die einwirkenden Lasten mit den aufnehmbaren Lasten verglichen.

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Bild 2-8 Drei Möglichkeiten von Tragfähigkeitsnachweisen für einen Durchlaufträger:


a) Spannungsnachweise unter Annahme linear elastischer Stoffgesetze für die
Schnittgrößenermittlung am System und die Spannungsermittlung im Quer-
schnitt; b) Querschnittsnachweise mit realistischeren (nichtlinearen) Stoffgeset-
zen für linear elastisch ermittelte System-Schnittgrößen M und V; c) Traglast-
nachweise mit realistischen (plastischen bzw. nichtlinearen) Stoffgesetzen für die
Schnittgrößenermittlung und die Querschnittstragfähigkeit

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Wie bereits angedeutet und auch aus Tab. 2-1 ersichtlich, liegen den Bemessungs-
normen für die gängigen Baustoffe unterschiedliche Bemessungsregeln zugrunde.
Einige dieser Differenzen ergeben sich aus dem unterschiedlichen Materialverhalten,
andere sind aber nur aus dem unterschiedlichen Alter und der schlecht koordinierten
parallelen Entwicklung der baustoffbezogenen Normen zu erklären. Mittlerweile be-
ziehen sich alle in Tab. 2-1 aufgeführten Normen auf das Sicherheitskonzept der DIN
1055-100:2001-03 mit globalen Teilsicherheitsbeiwerten auf der Einwirkungsseite.
Lediglich bei den Kombinationsbeiwerten ψ gibt es noch Differenzen. Im Zuge der
Einführung der neuen europäischen Regelwerke ist eine werkstoffübergreifende Har-
monisierung der Nachweiskonzepte anzustreben.

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Sicherheitsbeiwerte im Grenzzustand der


Berechnung der
Tragfähigkeit für
Zugehörige Einwirkungen Widerstände Schnitt Quer-
Normen nach größen schnitts-
DIN 1055-100 widerständ
e
DIN 1053-100: γG = 1,35 γM = 1,5 oder 1,875
2007-09 γQ = 1,5 elast. - elast.
Mauerwerk mit klaffender Fuge
DIN V ENV γG = 1,35 γM = 1,7…3,0 (zul σ)
1996-1-1 (EC 6) γQ = 1,5

DIN 1052: γG = 1,35 Holz γM = 1,3


2008-12 2) γQ = 1,5 Stahl in Verbindungen
ψ nach DIN γM = 1,1…1,25 elast. - elast.
Holzbau 1055-100 oder
DIN V ENV γG = 1,35 Holz γM = 1,3 elast. - plast.
1995-1-1 (EC 5) γQ = 1,5 Stahl in Verbindungen
γM = 1,1
DIN 18800-1: γG = 1,35 γM = 1,1
2008-111) γQ = 1,5
ψ = 0,9 für elast. - elast.
Σ veränderl. oder
Stahlbau Einwirkungen elast. - plast.
oder
DIN V ENV γG = 1,35 γM = 1,1 plast. - plast.
1993-1-1 (EC 2) γQ = 1,5

DIN 1045-1: γG = 1,35 Beton-/Spannstahl γs = 1,15


2008-08 1) γQ = 1,5 Beton γc = 1,5
Beton, ψ nach DIN elast. - plast.
Stahl- und 1055-100 oder
Spannbeton DIN V ENV γG = 1,35 Beton-/Spannstahl γs = 1,15 plast. - plast.
1992-1-1 (EC 4) γQ = 1,5 Beton γc = 1,5

DIN 18800-5: γG = 1,35 Stahl γa = 1,1


2007-051) γQ = 1,5 Betonstahl γs = 1,15
ψ nach DIN Beton γc = 1,5
1055-100 Verbundmittel γv = 1,25 elast. - plast.
Verbundbau oder
DIN V ENV γG = 1,35 Stahl γa = 1,1 plast. - plast.
1994-1-1 (EC 4) γQ = 1,5 Betonstahl γs = 1,15
Beton γc = 1,5
Verbundmittel γv = 1,25

Die fettgedruckten Normen bilden die derzeitige Grundlage für die Vorlesungen und Übungen.
1)
Für die Bemessung und Konstruktion von Stahlbrücken gilt der DIN-Fachbericht 103, von Betonbrücken DIN-Fachbericht
102, und von Stahlverbundbrücken DIN-Fachbericht 104 jeweils in Verbindung mit DIN Fachbericht 101: Einwirkungen auf
Brücken.
2)
Für die Bemessung von Holzbrücken gilt DIN 1074:2006-09

Tab. 2-1 Aktuelle Bemessungsnormen

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 2

2.4 Anhang: Begriffe aus der Mechanik und Werkstoffkunde

Bernoulli - Hypothese: Querschnitte bleiben bei der Verformung eben. Dehnun-


gen sind proportional zum Abstand von der Nulllinie.

Prinzip von Saint - Venant: Die Spannungen infolge einer Gleichgewichtsgruppe von
Kräften klingen von der Krafteinleitung weg ab und sind
in einem Abstand, der größer ist als der Abstand der
Kräfte voneinander vernachlässigbar klein.

Prinzip vom Minimum der Formänderungsarbeit: Von allen möglichen Gleichge-


wichtszuständen stellt sich derjenige ein, der die Lastab-
tragung mit einem Minimum an Formänderungsarbeit
ermöglicht.

homogen: Die Eigenschaften des homogenen Körpers sind überall


gleich (gleiches Material). Gegenteil: inhomogen

isotrop: Die Eigenschaften des isotropen Körpers sind in allen


Richtungen gleich. Gegenteil: anisotrop. Sonderfall von
Anisotropie: orthotrop (Hauptrichtungen stehen senkrecht
aufeinander)

elastisch: Die Verformungen sind reversibel, d. h. der Körper geht


nach Entlastung in seine Ursprungslage zurück. Sonder-
fall: linear - elastisch (Hooke'sches Gesetz)

plastisch: Verformungen sind irreversibel, d. h. Körper geht nach


Entlastung nicht in seine Ausgangslage zurück.

ideal plastisch: Keine Zunahme der Spannung mit der Verformung (hori-
zontaler Ast der σ-ε-Linie).

visko - elastisch: (Zeitlich) verzögert elastisch. Verformungen stellen sich


erst im Laufe der Zeit ein, z. B. beim Kriechen und gehen
nach Entlastung wieder allmählich zurück.

Kriechen: Im Laufe der Zeit zunehmende Verformungen unter kon-


stanter Spannung. Gegenteil: Rückkriechen

Schwinden: Zeitabhängige Verkürzung ohne Einwirkung von Span-


nungen (z. B. infolge Änderungen der Feuchtigkeit).
Gegenteil: Quellen

Relaxation: Im Laufe der Zeit abnehmende Spannung bei konstant


gehaltener Verformung.

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 2

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 3

3 Werkstoffe
Das Verhalten der Werkstoffe ist sehr komplex und muss für die praktische Bemes-
sung vereinfacht werden. In den folgenden Kapiteln 3.2 bis 3.5 werden die wichtigs-
ten Festlegungen der Normen zu den Stoffgesetzen zusammengestellt. Darüber
hinaus muss der Ingenieur aber das wirkliche Verhalten der Werkstoffe kennen, mit
denen er arbeitet. Dieses Wissen wird insbesondere in den Lehrveranstaltungen über
Werkstoffkunde vermittelt und soll hier nicht wiederholt werden. Im vorliegenden
Skriptum werden immer dann Werkstoffeigenschaften wiederholt, wenn sie im gera-
de behandelten Fall besonders wichtig sind.
In den Festlegungen der Normen über die Werkstoffeigenschaften spielen auch Si-
cherheitsüberlegungen eine Rolle, so dass die angegebenen rechnerischen Stoff-
gesetze und Kennwerte vom tatsächlichen Materialverhalten beträchtlich abweichen
können.
Solange das europäische Normenwerk noch nicht vollständig und verbindlich ist,
müssen mitunter europäische und deutsche Normen parallel und sinngemäß ange-
wendet werden. Teilweise werden auch in Anlehnung an die europäischen Normen
neue nationale DIN-Vorschriften erarbeitet und in Kraft gesetzt.

3.1 Charakteristika der Baustoffe und ihre Kombination zu


Verbundwerkstoffen
Holz eignet sich von Natur aus zunächst nur für stabförmige Bauteile mit Abmessun-
gen, die durch den Wuchs der Bäume begrenzt sind. Es wird für Tragwerke haupt-
sächlich in der Form von geraden Stützen, Balken und Bohlen mit rechteckigem
Querschnitt eingesetzt (Bild 3-1 a). Durch das Verkleben von (gegebenenfalls vor-
gebogenen) Holzstäben sind aber auch (gekrümmte) stabförmige Bauteile mit be-
liebig großen Querschnitts- und Längenabmessungen möglich (Bild 3-1 b und
Bild 1-2 b). Schließlich gibt es noch dünne Platten aus Holzwerkstoffen, z. B. Sperr-
holz- oder Holzfaserplatten.
Herstellungsbedingt und aus wirtschaftlichen Gründen wird auch Stahl für Tragwerke
hauptsächlich in der Form von geraden Stäben aus Walzprofilen und gewalzten Ble-
chen verwendet (Bild 3-1 c). Die Profilierung erhöht die Biegesteifigkeiten und Wider-
standsmomente im Vergleich zu Vollquerschnitten mit gleicher Querschnittsfläche
und erleichtert die Verbindung der Stäbe miteinander durch Schweißen oder Schrau-
ben. Mit Gussstahl können auch komplizierte räumliche Formen realisiert werden,
die Gießformen dafür sind aber teuer und sollten deshalb für möglichst viele Elemen-
te gleich sein.
Im Gegensatz zu Holz und gewalztem Stahl ist Beton von Natur aus formlos, nicht in
Einzelteile gestückelt und bedarf keiner speziellen Verbindungsmittel. Er kann in be-
liebig große stabförmige, flächige oder räumliche Formen gegossen werden, wobei
allerdings aus fertigungstechnischen Gründen einfache Schalungsformen aus ebe-
nen Flächen und mit rechten Winkeln vorherrschen. In Betontragwerken können sich
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 3

die Bauelemente Stütze, Balken, Wand, Platte usw. gegenseitig durchdringen; dann
gehören manche Bereiche mehreren Traggliedern an. Beispielsweise ist der Flansch
des Plattenbalkens auch ein Teil der quer zur Balkenachse gespannten Platte
(Bild 3-1 g); außerdem kann er als Bestandteil der Deckenscheibe möglicherweise an
der Abtragung der Windlasten mitwirken.
Der Tragwerksplaner sollte bestrebt sein, die Werkstoffe möglichst so einzusetzen,
dass ihre besonderen Stärken genutzt werden können und ihre Nachteile eine unter-
geordnete Rolle spielen. Oftmals führt dies zur Verwendung verschiedener Werk-
stoffe im gleichen Bauwerk („Mischbauweisen“, z. B. aus Stahlstützen, gemauerten
Wänden und Betondecken) und zur Kombination von mehreren Werkstoffen im glei-
chen Bauteilquerschnitt („Verbundwerkstoffe“). Der gebräuchlichste Verbund-
werkstoff ist der Stahlbeton.

Bild 3-1 Typische Querschnittsformen: a) Holzbalken, b) Brettschichtträger, c) Stahl


profile, d) Verbundträger, e) Trapezblech-Verbunddecke, f) Stahlbetonbalken,
g) Stahlbeton-Plattenbalken, h) Spannbetonbalken

Vergleicht man den Baustoff Beton mit anderen Konstruktionsmaterialien wie Holz
oder Stahl, so fällt vor allem der große Unterschied zwischen der Druck- und Zug-
festigkeit des Betons auf. Während Druckkräfte im Beton billiger als mit jedem ande-
ren Material aufgenommen werden können, sind Zugglieder oder Balken aus reinem
Beton ganz unzweckmäßig. Die ohnehin geringe Zugfestigkeit des Baustoffes wird

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 3

oftmals schon durch Zwangs- und Eigenspannungen aus dem Abbinden und Aus-
trocknen des Betons überschritten. Dann entstehen Risse, und für die eigentliche
Lastabtragung steht gar keine Zugfestigkeit mehr zur Verfügung. Müsste man aber
mit Beton so bauen, dass keine wesentlichen Zugbeanspruchungen entstehen, dann
wären die Konstruktionsmöglichkeiten in ähnlicher Weise eingeschränkt wie bei
Mauerwerk.
Die heutigen Konstruktionsformen des Massivbaues sind erst durch die Symbiose
von Stahl und Beton möglich geworden. Im Wesentlichen wird dabei der zugbean-
spruchte Beton durch Stahl ersetzt oder verstärkt. Dazu gibt es verschiedene Mög-
lichkeiten:
Man kann beispielsweise die gesamte Zugzone eines Trägers durch ein Stahlprofil
ersetzen (Bild 3-1 d), wie es beim sogenannten „Verbundbau“ geschieht. Dabei
wird das Zusammenwirken, der „Verbund“, der beiden Baustoffe hauptsächlich durch
Dübel erzielt, die am Stahlträger angeschweißt sind.
Bei den „Verbunddecken“ wird der Beton auf „Trapezbleche“ aufbetoniert, die allein
durch Haftung oder eine zusätzliche Verzahnung (Noppen, ausgestanzte Blechteile)
mit dem Beton zusammenwirken (Bild 3-1 e).
Bei der Stahlbeton-Bauweise werden Bewehrungsstäbe oder Matten entsprechend
den Zugbeanspruchungen im Bauteil verteilt und insbesondere dort eingelegt, wo die
größten Zugbeanspruchungen infolge der Biegemomente auftreten, also am Zugrand
(Bild 3-1 f, g). Die Bewehrungsstäbe müssen immer um die sog. Mindestbetonde-
ckung von den Betonaußenflächen entfernt sein, um eine mögliche Korrosion durch
Umwelteinflüsse (z. B. Chloride) zu vermeiden. Die Längs-bewehrung wird durch Bü-
gel für die Aufnahme der Querkräfte (Kapitel 5), konstruktive Bewehrung für die Mon-
tage und nicht berechnete innere Zugkräfte ergänzt (Bild 3-2).

Bügel
Bügel

Bewehrungsstäbe

Bild 3-2 Stahlbetonträger

Wenn unter Zugbeanspruchung der Beton reißt, übernimmt der eingelegte Beweh-
rungsstahl die Zugkräfte. Die Kraftübertragung erfolgt hierbei über die Kontaktfläche
zwischen Stahl und Beton (abhängig von Rauhigkeit und Geometrie), dem soge-
nannten Verbund. Die Bewehrung dehnt sich dabei mehr als der Beton, was zu einer
gewissen Rissbreite führt, die man recht gut steuern kann. Bei gut verteilter, mit dem
Beton verzahnter Bewehrung sind die Risse sehr fein und unschädlich. Sie werden
aber immer als ein gewisser Nachteil des Stahlbetons empfunden.

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 3

Man kam daher schon früh auf den Gedanken, die Stahleinlagen gegen den Beton
„vorzuspannen“, um dadurch Druckspannungen im Beton zu erzeugen, die den Zug-
spannungen aus den Eigen- und Verkehrslasten entgegenwirken. Man kann dies
z. B. dadurch realisieren, dass man einen hochfesten Bewehrungsstab in einem Hüll-
rohr beweglich einbetoniert (Bild 3-1 h), seine Enden mit Ankerplatten, Gewinden und
Muttern versieht und ihn durch Anziehen der Muttern spannt (Bild 3-3). Im Allgemei-
nen wird der Zwischenraum zwischen Hüllrohr und Spannstahl nach dem Vorspan-
nen mit Zementmörtel „verpresst“, so dass von da ab der Spannstahl - wie der
normale Bewehrungsstahl - auf seiner ganzen Länge mit dem Beton verbunden ist.

Bild 3-3 Spannbetonträger

Die Spannkraft V des Stahlstabs wirkt über die Ankerplatten auf den Betonstab in
gleicher Größe als ausmittige Druckkraft den Zugspannungen aus der Last entgegen.
Den so unter Druck gesetzten Beton nennt man „vorgespannt“ oder kurz „Spann-
beton“, eine nicht ganz treffende Bezeichnung, denn vorgespannt ist der Stahl, der
Beton ist vorgedrückt. Wenn später die Biegezugspannungen aus äußeren Lasten
hinzukommen, müssen sie zuerst die Druckspannungen aus der Vorspannung ab-
bauen, bevor Zugspannungen und Risse im Beton entstehen können. Man kann also
die Vorspannung als künstlich erzeugten, günstigen Belastungszustand betrachten.
Wenn die Druck-Vorspannung des Betons aufgezehrt ist und die Belastung weiter
gesteigert wird, werden die Zugspannungen den Spannbetonbalken ebenso zum
Reißen bringen wie den Stahlbetonbalken.
Nachfolgend werden stichwortartig einige wesentliche Vor- und Nachteile der ver-
schiedenen Baustoffe aufgezählt, die schon beim Entwurf von Tragwerken berück-
sichtigt werden sollten:
Wesentliche Vorteile von Mauerwerk gegenüber anderen Baustoffen:
- einfache Technologie, einfachste Anschlüsse und Verbindungen, keine formge-
bende Schalung nötig. Obwohl gemauerte Wände viel Handarbeit erfordern - die
Entwicklung von Robotern steckt in den Anfängen - sind sie selbst in Hochlohn-
ländern im Allgemeinen billiger als Betonwände.
- günstige bauphysikalische Eigenschaften, die in weiten Grenzen durch die Wahl
der Materialien beeinflusst werden können: Wärmedämmend, wärmespeichernd,
dampfdurchlässig, schalldämmend. Die einschaligen, leichten Außenwände müs-
sen aber wegen der neuerdings zur Energieeinsparung geforderten Wärmedäm-
mung so dick ausgeführt werden, dass schwerere, dünnere Wände mit einer

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Wärmedämmschicht aus Fasern oder Kunststoffschaum wirtschaftlicher sein


können.
- nicht brennbar, großer Feuerwiderstand.
- als Sichtmauerwerk gutes, durch Fugen strukturiertes Aussehen, in vielen „natür-
lichen“ Farbtönen.
Als Nachteile von Mauerwerk sind vor allem zu nennen:
- geringe Festigkeit, insbesondere auf Zug.
- meistens muss es verputzt werden, um eine genügend glatte oder wetterfeste
Oberfläche zu erhalten.
Wesentliche Vorteile von Holz:
- natürlicher Baustoff.
- einfach zu bearbeiten und abzubrechen.
- geringes Gewicht im Vergleich zur Festigkeit.
- relativ gute Wärmedämmung.
- ansehnliche Optik der Oberfläche.
Nachteile von Holz sind:
- Holz brennt.
- es kann verrotten oder von Schädlingen befallen werden.
- es verformt sich relativ stark, auch durch Witterungseinflüsse.
- es ist feuchteempfindlich.
Wesentliche Vorteile von Stahl:
- sehr hohe Festigkeit, auch im Vergleich zum Gewicht.
- große Zähigkeit (Duktilität) des Grundwerkstoffes.
- Stahlelemente können weitgehend in der Werkstatt vorgefertigt und vor Ort
schnell montiert werden.
- Änderungen oder Ergänzungen an Stahlkonstruktionen können leicht vorgenom-
men werden (Schweißen, Schrauben).
- Stahlbauten sind leicht abbaubar und können recycled werden.
- Stahlbauten können sehr schlank ausgeführt werden.
Nachteile von Stahl sind:
- Stahl korrodiert, wenn er nicht geschützt wird.
- er ist zwar nicht brennbar, verliert aber bei hohen Temperaturen seine Festigkeit
(bei 500 °C: 50-60 % Festigkeit).

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- er hat ungünstige bauphysikalische Eigenschaften, insbesondere ein hohes


Wärmeleitvermögen (Kältebrücken).
- er ist als Material relativ teuer.
- bei der Bemessung von Stahlkonstruktionen spielen wegen der Profilierung der
Querschnitte und der oft schlanken Bauelemente Stabilitätsprobleme eine wichti-
ge Rolle.
- Sprödbruchgefahr (speziell bei hochfesten Stählen) bei schlecht ausgeführten
Schweißverbindungen und zyklischen Beanspruchungen.
Wesentliche Vorteile von Konstruktionsbeton:
- Beton ist leicht formbar: Frischbeton passt sich jeder Schalungsform an; die
Stahleinlagen können entsprechend dem inneren Kraftfluss eingelegt werden.
- er ist beständig gegen Feuer, Witterungseinflüsse und mechanische Abnutzung.
- er ist wirtschaftlich (billige Rohstoffe wie Sand und Kies) und bedarf in der Regel
keiner Unterhaltung.
Nachteile von Konstruktionsbeton sind:
- große Eigenlast der Konstruktionen.
- geringer Wärmeschutz.
- Umbauten und Abbruch sind aufwendig und teuer.
- die Rissbildung, die aber bei sachgemäßer konstruktiver Durchbildung und Aus-
führung von Betontragwerken unauffällig und unschädlich ist.
- die Korrosion der Bewehrung, wenn das Tragwerk nicht ordnungsgemäß kon-
struiert oder ausgeführt ist (Depassivierung des Stahls).
- das graue, oftmals schmutzig wirkende Aussehen, das vor allem bei großen, un-
strukturierten Sichtbetonflächen und einem lieblosen Entwurf zum Ausdruck
kommt, obwohl Beton an sich die vielfältigsten Gestaltungsmöglichkeiten offen
lässt (Bild 1-10, Bild 1-11).
Wesentliche Vorteile von Verbundkonstruktionen (im Sinne von Bild 3-1 d, e):
- gegenüber Stahlbetonkonstruktionen sind sie leichter und schneller herstellbar.
- gegenüber Stahlkonstruktionen sind sie oft wirtschaftlicher, weil sie die ohnehin
nötige Betonplatte zum Mittragen ausnutzen.
Als Nachteil der Verbundbauweise gilt leider (noch), dass zwei Gewerke - der Beton-
bau und der Stahlbau - sehr eng zusammenarbeiten müssen.

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3.2 Metallische Werkstoffe


Zu den metallischen Werkstoffen zählen zunächst einmal die Eisenmetalle, von de-
nen Stahl der am meisten verwendete metallische Werkstoff im Bauwesen ist. Im
Unterschied zum Gusseisen beträgt sein Kohlenstoffgehalt weniger als 2%. Von den
Nichteisenmetallen wird im Folgenden nur Aluminium behandelt

3.2.1 Stahl

3.2.1.1 Stahlherstellung

Gewinnung von Roheisen mit Hilfe von Eisenerz und Koks


Eisenerze sind überwiegend Verbindungen von Eisen und Sauerstoff, die in der Na-
tur mit Verunreinigungen in Form von nicht-eisenhaltigem Gestein, der sogenannten
Gangart, vorkommen. Die wichtigsten Förderländer für Eisenerze sind Brasilien,
Australien, China, Russland und Indien. Nach dem Abbau werden die Erze noch vor
Ort in einem Zerkleinerungs- und Aufbereitungsprozess vom größten Teil der Gang-
art getrennt, um die Transportkosten zu reduzieren. Danach werden sie entweder in
der Nähe der Erzgruben unter Zugabe von Bindemitteln und Wasser zu Pellets ge-
formt, oder sie werden unbehandelt in die Hüttenwerke geliefert. Dieses erfolgt dann
entweder als Stückerz mit einer Korngröße zwischen 8 und 30 mm und einem Eisen-
anteil von mindestens 60 %, das direkt weiterverarbeitet werden kann, zum weit grö-
ßeren Teil aber als Feinerz, das sich zunächst einer weiteren Behandlung
unterziehen muss, bevor es zur Eisengewinnung geeignet ist. In einer Sinteranlage
wird das Feinerz mit Brennstoff, Kalk-, Kies- oder Dolomitzuschlägen und Zusatzstof-
fen gemischt und auf unterfeuerten Wanderrosten gesintert, das heißt angeschmol-
zen und damit sozusagen zusammengebacken, um dann wieder gebrochen zu
werden. Es gibt also letztlich drei Varianten, die zur Beschickung eines Hochofens
geeignet sind: Pellets, Sinter und Stückerz. Sie werden unter dem Begriff „Möller“
zusammengefasst.
Der zweitwichtigste Stoff, der bei der Produktion zum Einsatz kommt, ist Koks. Und
auch der muss erst einmal hergestellt werden. In der Kokerei wird Kohle zermahlen
und unter Luftabschluss auf 900 - 1400 Grad erhitzt; bei diesem „Verkokung“ ge-
nannten Prozess entweichen die gasförmigen Bestandteile. Damit ist Koks unter an-
derem schwefelärmer und kohlenstoffreicher als unveredelte Kohle. Das bringt
Vorteile für den weiteren Verarbeitungsprozess mit sich.
Koks und Möller werden schließlich im Hochofen zusammengebracht. Bei Tempera-
turen von bis zu 1600°C entzieht der Koks dem Erz den Sauerstoff und setzt damit
das enthaltene Eisen als Metall frei. Durch die Verbrennung entsteht gleichzeitig
Kohlenmonoxid, das ebenfalls mit dem Eisenerz unter Sauerstoffentzug reagiert.
Dieser Vorgang wird als Reduktion bezeichnet. Außerdem liefert der Koks gleichzei-
tig die nötige Reaktionswärme, damit dieser Prozess überhaupt ablaufen kann. Ne-
ben dem geschmolzenen Roheisen entsteht eine Mischung aus Zuschlägen,
Gangartresten und Koksasche, die als flüssige Schlacke den Hochofen verlässt. Die-

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se Schlacke ist gut vom flüssigen Eisen zu trennen, weil sie leichter ist und auf ihm
schwimmt. Sie wird zum größten Teil zu Zuschlagsstoffen bzw. Zemnet weiterverar-
beitet.
Zur Weiterverarbeitung des Roheisens gibt es verschiedene Verfahren. Die in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelten Windfrischverfahren (Bessemer-
bzw. Thomas-Verfahren) und Herdfrischverfahren (Siemens-Martin-Verfahren) sind
heute fast vollständig abgelöst durch modernere Verfahren. Der Betrieb des letzten
Thomas-Konverters in Deutschland wurde in den 1970er Jahren eingestellt. Der letz-
te deutsche Siemens-Martin-Ofen wurde 1993 in Brandenburg an der Havel stillge-
legt.
Heutzutage erfolgt die Verarbeitung zumeist mit Hilfe eines sogenannten Sauer-
stoffaufblaskonverters, in dem das flüssige Roheisen mit Zuschlägen und einem
kleinen Anteil Schrott auf 1650 Grad Celsius erhitzt wird, während von oben durch
eine wassergekühlte Lanze Sauerstoff aufgeblasen wird - ein Vorgang, der auch den
Namen „Frischen“ trägt. So werden unerwünschte Begleitstoffe oxidiert und können
dann als Schlacke abgestochen werden. Durch Zugabe von Schrott kann der Rohei-
seneinsatz verringert und die Schmelze gekühlt werden. Der fertige Stahl wird durch
Kippen des Konvertergefäßes in Pfannen abgestochen.
Das Gesamtverfahren wird nach den österreichischen Städten, in deren Stahlwerken
es zum ersten Mal angewandt worden ist, auch als Linz-Donawitz-Verfahren (LD-
Verfahren) bezeichnet.
Eine weitere Möglichkeit ist das Elektrostahlverfahren, welches 1904 von Paul-
Louis Heroult entwickelt wurde. Bei diesem Verfahren verarbeitet man im Gegensatz
zu den bereits erwähnten Verfahren kein oder nur geringe Mengen Roheisen. Der
Stahl wird bei dieser Produktionsvariante hauptsächlich aus Eisenschrott in elektri-
schen Lichtbogen- oder Induktionsöfen geschmolzen. Im Lichtbogenofen stellt im
Prinzip die Metallschmelze die eine Elektrode und der darüber installierte Kohlestab
die andere Elektrode dar. Bei Betrieb bildet sich zwischen beiden Elektroden ein
Lichtbogen, der gleichzeitig die Wärmequelle ist. Im Induktionsofen wird die Wärme
in einer Spule erzeugt. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut für die Herstel-
lung von Edelstählen und anderen hochlegierten Stählen, die nach genauen Vorga-
ben hergestellt werden müssen.

3.2.1.2 Weiterverarbeitung des Flüssigstahls


Der Flüssigstahl kann beim Ausleeren des Konverters in eine Gießpfanne mit ande-
ren Legierungselementen versetzt werden um so die Eigenschaften des Stahls für
bestimmte Anwendungsbereiche noch einmal zu verbessern. (vgl. Kapitel 3.2.1.4)
Der flüssige Stahl wird heute nicht mehr in Blöcke gegossen, sondern üblicherweise
im Stranggießverfahren in eine feste Form gebracht. Der Anteil des Stranggießens
liegt in der Bundesrepublik heute bei mehr als 95%, weltweit bei etwa 85%. Dazu
wird er aus der Gießpfanne zum Abkühlen durch eine wassergekühlte, bei Gießbe-
ginn unten verschlossene Kokille gegossen. Während des Gießens wird der Ver-

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schluss abgesenkt, so dass der erstarrende Strang nach unten austreten unde durch
Tranzportwalzen weiterbefördert werden kann. Die Kokille oszilliert während des
Gießvorgangs in Laufrichtung des Stranges, damit dieser nicht an der Kokilleno-
berfläche haftet. Wenn der Gussstrang aus der Gleitkokille austritt, hat er eine er-
starrte Schale von 10 bis 30 mm Dicke, während der Kern noch flüssig ist. Die
Gießgeschwindigkeitne betragen zwischen 0,6 und 6 m/min. Der Strang wird mit Hilfe
von mitlaufenden Schneidbrennern zu sogenannten Brammen geschnitten, die 20 bis
30 cm dick, 80 bis 200 cm breit und 5 bis 16 m lang sind.
Im Warmwalzwerk schließlich werden die Brammen zu versandfertigen Blechen
gewalzt oder zu Profilstahl verarbeitet, die teilweise direkt an die Kunden geliefert
werden, teilweise aber auch im Kaltwalzwerk noch einmal umgeformt und/oder vor
der Auslieferung zum Beispiel durch Verzinkung weiter veredelt werden.
Bei dem Werkstoff Stahl handelt es sich um einen homogenen isotropen Werkstoff.
Dennoch können sich durch die Herstellung bzw. Weiterverarbeitung gewisse Mate-
rialveränderungen ergeben:
Seigerungen:
Flüssiger Stahl kann größere Mengen Sauerstoff lösen. Sinkt die Temperatur der
Schmelze nach dem Vergießen, so nimmt die Löslichkeit für Sauerstoff ab. Das ge-
bildete FeO und der Kohlenstoff reagieren unter Bildung von CO und das nach oben
entweichende Gas bringt das Bad zum „Kochen“. Dieser Effekt tritt besonders beim
Blockgussverfahren auf. Der Erstarrungsvorgang beginnt von außen. Verunreinigun-
gen werden nach innen und durch das „Kochen“ nach oben gedrängt. Diese Entmi-
schung nennt man Seigerung. Die reine, saubere Außenschicht nennt man
Speckschicht. Um das „Kochen“ und damit die Entstehung von Seigerungen zu ver-
meiden, muss der frei werdende Sauerstoff zu einer festen Verbindung abgebunden
werden. Als Desoxidationsmittel verwendet man z.B. Silicium und Mangan. Da so
keine gasförmigen Reaktionsprodukte entstehen, erstarrt das Bad ruhig, d.h. ohne
Kochen. Man spricht in diesem Fall von beruhigtem Vergießen. Die Verunreinigun-
gen sind in diesem Fall ziemlich gleichmäßig über den Querschnitt verteilt. Beim
Stranggießverfahren ist diese Gefahr nicht so groß, es kann aber durch die höhere
Erstarrungsgeschwindigkeit eher zu Mittenseigerungen kommen, die aber durch
sorgfältige Überwachung der Anlagen, der Gießtemperatur und der Kühlungsverhält-
nisse beherrschbar sind.
Beim Walzvorgang bleiben die eventuell entstandenen Seigerungen im Innern erhal-
ten und werden „zusammengeschoben“ (vgl. Bild 3-4). In diesen Seigerungszonen
darf nicht geschweißt werden.

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Bild 3-4 Seigerungszonen in einem unberuhigten Formstahl

Dopplungen:
Als Folge des Schwindens bilden sich am Kopf des Vergussblockes bei der Erstar-
rung trichterförmige Hohlräume, sogenannte Kopflunker. Bei beruhigt vergossenem
Stahl ist der Kopflunker wesentlich tiefer. Der lunkerhaltige obere Teil sollte tief ge-
nug abgeschnitten werden, da es sonst beim Auswalzen dieser Lunker zu Fehlern im
Walzstahl, den sogenannten Dopplungen kommen kann.
Z-Güte:
Flacherzeugnisse und Profile aus Stahl weisen, verursacht durch das Walzen, bei
Beanspruchung senkrecht zur Oberfläche (in Dickenrichtung) andere Verformungs-
eigenschaften als parallel zur Oberfläche auf. Dieser Effekt kann zu Schwierigkeiten
bei geschweißten Konstruktionen führen. Senkrecht zu ihrer Ebene sollen Bleche
und Profile daher möglichst nur gering beansprucht werden. Nichtmetallische Ein-
schlüsse im Rohstahl (Bramme), die beim Walzen flach ausgeformt werden, können
bei einer Zugbeanspruchung in Werkstoffdickenrichtung zu einem sogenannten Ter-
rassenbruch führen. Ein Beispiel hierfür ist ein T-Stoß mit beidseitigen Kehlnähten.
(vgl. Bild 3-5) Diese Gefahr ist bei dicken Blechen aus hochfesten Stählen noch grö-
ßer, weil der Terrassenbruch in diesem Fall schon beim Abkühlen der Schweißnaht
entstehen kann.

Terrassenbruch

Bild 3-5 Gefahr des Terrassenbruchs bei senkrecht zur Walzrichtung belastetem Blech

Es ist jedoch möglich, die Eigenschaften in Dickenrichtung durch zusätzliche Maß-


nahmen bei der Herstellung des Stahles zu verbessern. Als Kenngrößen für die Ei-
genschaften in Dickenrichtung dienen die in DIN EN 10164 geforderten Mindestwerte
für die Brucheinschnürung beim Zugversuch an senkrecht zur Erzeugnisoberfläche

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entnommenen Proben. In Abhängigkeit von der Brucheinschnürung in Prozent wird in


Güteklassen Z15, Z25 und Z35 eingeteilt und dieser Zusatz der Stahlbezeichnung
angefügt. Besonders bei periodischen Beanspruchungen oder Stoßbeanspruchun-
gen sind Z-Güten nachzuweisen. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden,
dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Werten und dem Verhalten
der Bauteile besteht, da die Gefahr von Terrassenbrüchen wesentlich auch von der
Konstruktion sowie der Art und Ausführung der Schweißung abhängt. Die Einhaltung
der Mindestwerte der Brucheinschnürung können deshalb nicht direkt als ausrei-
chende Sicherung gegen das Auftreten von Terrassenbrüchen angesehen werden.
Die Brucheinschnürung ist jedoch ein guter allgemeiner Anhalt für den Widerstand
gegen Terrassenbrüche, d.h. die Gefahr von Terrassenbrüchen vermindert sich mit
zunehmender Brucheinschnürung beim Zugversuch an senkrecht zur Erzeugnis-
oberfläche entnommenen Proben. Weiterhin gelten die „Empfehlungen zur Vermei-
dung von Terrassenbrüchen“ nach DASt-Richtlinie 014 des deutschen Aussschusses
für Stahlbau.

3.2.1.3 Gefügestruktur
In verschiedenen Temperaturbereichen nimmt reines Eisen unterschiedliche Kristall-
strukturen an. Je nach Gefügestruktur unterscheidet man die Phasen Austenit, Ferrit,
Zementit. Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD) (vgl. Bild 3-6) zeigt bei langsamer
Temperaturveränderung von warm zu kalt die Gefügebestandteile.

Stahl Gusseisen

Bild 3-6 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

Diese Umwandlung und Änderung des Gefüges innerhalb des EKDs macht man sich
zum gezielten Erreichen von bestimmeten Eigenschaften des Stahls zunutze. So
können zum Beispiel durch höhere Abkühlungsgeschwindigkeiten die Gleichge-

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wichtsstellungen zwischen Schmelze und Kristall oder die für das Gleichgewicht zwi-
schen den Kristallphasen erforderlichen Diffusionsvorgänge unterbunden werden.
Damit erhält man ein „eingefrorenes“ Metallgefüge bei Raumtemperatur, das sonst
nur bei höheren Temperaturen stabil ist.
Austenit (α-Eisen) ist nicht magnetisch, zäh aber weich, hitzebeständig, korrosions-
beständig, leicht verformbar. Austenit ist kubisch-flächenzentriert, daher können sich
Kohlenstoffatome in die Kristallgittermitte eingliedern. Im EKD ist Austenit nicht bei
Raumtemperatur vorzufinden. Durch weitere Legierung mit Chrom, Nickel oder Man-
gan ist dies jedoch erreichbar.
Ferrit (γ-Eisen) ist zäh aber weich, leicht verformbar, korrosionsanfällig. Da der Kris-
tallaufbau kubisch-raumzentriert ist, findet sich kein Platz für Kohlenstoffatome. Den-
noch kann Ferrit mit Kohlenstoff zwangslegiert werden, daraus ergibt sich dann
Martensit. Martensit ist hart und dadurch spröde.
Zementit enthält 6,67 % Kohlenstoff, ist sehr hart und spröde und weist eine hohe
Festigkeit auf. Zementit besteht aus einem sehr stark verwobenen Gitter aus Kohlen-
stoff und Eisen.
Perlit ist ein Gefüge, welches genau 0,83 % Kohlenstoff innehält. Perlit ist ein Kris-
tallgemisch aus Ferrit und Zementit und zeichnet sich durch eine hohe Festigkeit aus,
ist daher auch spröde. Erhöht sich der Kohlenstoffanteil über die 0,83% hinaus, bleibt
der Perlit unverändert, an den Korngrenzen entsteht dann jedoch Zementit (zwischen
0,83 und 2,06% Kohlenstoffanteil), der Sekundärzementit genannt wird, und das Per-
litgefüge wie ein Netz durchsetzt.

3.2.1.4 Einteilung der Stähle


Stahl ist nach DIN EN 10020 definiert als „Werkstoff, dessen Massenanteil an Eisen
größer ist als der jedes anderen Elementes, dessen Kohlenstoffgehalt im Allgemei-
nen kleiner als 2% ist und der andere Elemente enthält“.
Durch Legieren mit Kohlenstoff und anderen Elementen in Kombination mit Wärme-
und thermomechanischer Behandlung (gleichzeitige thermischer Behandlung mit
plastischer Umformung, vgl. 3.2.4.1) können die Eigenschaften von Stahl für einen
breiten Anwendungsbereich angepasst werden. Der Stahl kann zum Beispiel sehr
weich und damit ausgezeichnet verformbar hergestellt werden oder demgegenüber
sehr hart und dafür spröde. Moderne Entwicklungen zielen darauf, den Stahl gleich-
zeitig fest und duktil (verformbar) zu fertigen. Die Bedeutung von Kohlenstoff im Stahl
ergibt sich aus seinem Einfluss auf die Stahleigenschaften und Phasenumwandlun-
gen. Im Allgemeinen wird Stahl mit höherem Kohlenstoffanteil fester, aber auch
spröder und seine Schweißeignung sinkt.
Aufgrund der Vielzahl existierender Eisenwerkstoffe ist ein einheitliches System zur
Bezeichnung und Einteilung notwendig. Die Bezeichnungen geben gleichzeitig ver-
bindliche Informationen zu wesentlichen Eigenschaften oder Zusammensetzungen.
In DIN EN 10020 erfolgt eine Unterscheidung einerseits nach der chemischen Zu-

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sammensetzung in Abhängigkeit des Massenanteils der enthaltenen Legierungsele-


mente und andererseits nach Hauptgüteklassen in Abhängigkeit von Haupt-
eigenschafts- oder Hauptanwendungsmerkmalen. Wobei die Einteilung in Haupt-
güteklassen die Einteilung nach der chemischen Zusammensetzung lediglich
verfeinert, indem die Begriffe Qualitäts- und Edelstähle eingeführt werden.

Unlegierte Stähle Für keines der enthaltenen Legierungselemente wird der zugehörige Grenzwert
gemäß Tab. 3-2überschritten.
Unlegierte Unlegierte Stähle, für die im Allgemeinen festgelegte Anforde-
Qualitätsstähle rungen an Zähigkeit, Korngröße und/oder Umformbarkeit be-
stehen.
Unlegierte Unlegierte Stähle, die insbesondere bezüglich nichtmetalli-
Edelstähle scher Einschlüsse einen höheren Reinheitsgrad besitzen als
Qualitätsstähle. Sie sind meist für eine Vergütung und Oberflä-
chenhärtung bestimmt und erfüllen hohe Anforderungen be-
züglich der Verformbarkeit.
Nichtrostende Stähle Die Massenanteile von Chrom und Kohlenstoff sind genau definiert (Cr > 10,5 M-%
und C < 1,2 M-%).
Andere legierte Stähle Die Bedingung für die Zuordnung zu nichtrostenden Stählen ist nicht erfüllt und für
mindestens ein Legierungselement ist der Grenzwert gemäß Tab. 3-2 überschritten.
Legierte Legierte Qualitätsstähle entsprechen in ihren Anforderungen
Qualitätsstähle den unlegierten Qualitätsstählen. Um Eigenschaften zu opti-
mieren sind jedoch typische Legierungselemente wie Cu, Cr
und Ni enthalten. Legierte Qualitätsstähle sind im Allgemeinen
nicht für eine Vergütung oder Oberflächenhärtung geeignet.
Legierte Legierte Stähle, denen aufgrund ihrer chemische Zusammen-
Edelstähle setzung sowie besonderer Herstellungs- und Prüfbedingungen
verbesserte Eigenschaften verliehen werden und die nicht den
nichtrostenden Stählen zuzuordnen sind.

Tab. 3-1 Einteilung der Stähle nach DIN EN 10020

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Grenzwert
Festgelegtes Element
Massenanteil in%
Al Aluminium 0,30
B Bor 0,000 8 C Si Mn Cr Al Ti Mo Ni V W Nb
Bi Bismut 0,10
Co Cobalt 0,30
Festigkeit + + + + + + + o + + +
Cr Chrom 0,30 Streckgrenze + + + + + + + o + + +
Cu Kupfer 0,40
La Lanthanide 0,10 Härte + + + + + + + o + + +
(einzeln gewertet)
a Verformungsvermögen - - - - - - - + - - -
Mn Mangan 1,65
Mo Molybdän 0,08 Kerbschlagzähigkeit - - + - o - o + o o o
Nb Niob 0,06
Ni Nickel 0,30 Kaltverformbarkeit - - - - - - - o - - o
Pb Blei 0,40 Warmverformbarkeit - - + o - o o o o o o
Se Selen 0,10
Si Silicium 0,60 Schweißbarkeit - - + o - + o o o o +
Te Tellur 0,10
Ti Titan 0,05 Kaltverfestigung + + + + + o o + o o o
V Vanadium 0,10 Härtbarkeit + + + + + + + o + o o
W Wolfram 0,30
Zr Zirconium 0,05 Korrosionsbeständigkeit o + + + + + + + + + o
Sonstige (mit Ausnahme
von Kohlenstoff, Phosphor,
Verschleißfestigkeit o + + o o o + o + + +
Schwefel, Stickstoff) Warmfestigkeit o o o + + o o o + + +
(jeweils) 0,10
a
Falls für Mangan nur ein Höchstwert festgelegt Kaltzähigkeit o + o - - o o + - - -
ist, ist der Grenzwert 1,80 % und die + positiver Einfluss; - negativer Einfluss; o ohne wesentlichen
a) 70 %-Regel (siehe 3.1.2) gilt nicht. b)

Tab. 3-2 a) Grenzwerte unlegierter Stähle


b) Wirkung von Legierungselementen

Zu den unlegierten Qualitätsstählen zählen die allgemeinen Baustähle


(vgl. Kapitel 3.2.1.5) und Maschinenstähle gemäß DIN EN 10025-2, des Weiteren
einige Feinkornbaustähle gemäß DIN EN 10025-3, außerdem Betonstähle
(vgl.Kapitel 3.2.1.6).
Den unlegierten Edelstählen werden unter anderem die Spannbetonstähle
(vgl. Kapitel 3.2.1.7) zugeordnet.
Für die nichtrostenden Stähle gemäß DIN 10020 erfolgt eine zusätzliche Untertei-
lung, abhängig vom Nickelgehalt (größer oder kleiner 2,5 M-%) und den Hauptei-
genschaften (Korrosions- und Hitzebeständigkeit, sowie Warmfestigkeit). Die
nichtrostenden Stähle sind in der DIN EN 10088 genormt oder verfügen über bauauf-
sichtliche Zulassungen. Nichtrostender Stahl ist unter den Werksnamen V2A, V4A
oder Nirosta bekannt. Die Kennzeichnung nach DIN EN 10088 erfolgt durch ein X.
Z. B. ist der Kurzname X3CrNiMo17-13-3 ein nichtrostender Stahl, der durch den
Prozeß des Kaltziehens zur Herstellung von offenen Spiralseilen oder Rundlitzensei-
len verwendet wird.
Zu den legierten Qualitätsstählen gehören z. B. schweißbare Feinkornstähle für den
Druckbehälterbau, Schienen, Stähle für Spundwanderzeugnisse sowie warm- oder
kaltgewalzte Flacherzeugnisse für schwierige Kaltumformungen.
Den legierten Edelstählen sind einige Feinkornbaustähle gemäß DIN EN 10025,
Teil 3 und Teil 4 zuzuordnen, sowie hochfeste Baustähle (vgl. Kapitel 3.2.1.5) nach
DIN EN 10025, Teil 6 und wetterfeste Baustähle (vgl. Kapitel 3.2.1.5) gemäß
DIN EN 10025, Teil 5.

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Bezeichnungen für Stähle nach DIN EN 10027


Die verbindliche Bezeichnung für Eisenwerkstoffe gemäß DIN EN 10027 (Teil 1) er-
folgt durch Kurznamen, die entweder Hinweise auf die Verwendung und die mecha-
nischen oder physikalischen Eigenschaften der Stähle (DIN EN 10027,
Teil 1, Abs. 7.3) oder Hinweise auf die chemische Zusammensetzung der Stähle ent-
halten. (DIN EN 10027 Teil 1, Abs. 7.4).
Kurznamen beider Kategorien setzen sich aus Hauptsymbolen und Zusatzsymbolen
zusammen. Welche Symbole verwendet werden, ist abhängig vom zu bezeichnen-
den Stahl sowie der Kategorie des Kurznamen. Sie sind den Tabellen der Norm zu
entnehmen.
Beispiele für Kurznamen in Abhängigkeit von Verwendung und Eigenschaften:
Die Hauptsymbole der ersten Kategorie setzen sich aus einem Buchstaben (z.B. S
Stahl für den Stahlbau, E Maschinenbaustähle, B Betonstahl, Y Spannstahl) sowie
der Angabe einer mechanischen Eigenschaft (z.B. Streckgrenze oder Zugfestigkeit)
zusammensetzen. Je nach Behandlung oder besonderer Anforderung werden noch
Zusatzsymbole angefügt, (z.B. W für wetterfest, Q für vergütet, A für normalduktil, B
für hochduktil oder S für Litzen)
In Bild 3-7 bis Bild 3-10 sind Beispiele für Bezeichnungen einiger im Bauwesen häu-
fig verwendeter Stähle nach den Tabellen der DIN EN 10027 (Teil 1) aufgeführt:

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Bild 3-7 Kurznamen nach Tabelle 1 „Stähle für den Stahlbau“ gemäß
DIN EN 10027 (Teil 1)

S 235 JR ist z.B. ein Baustahl mit einer garantierten Streckgrenze von 235 MPa
(1MPa = 1N/mm²) und 27 Joule Kerbschlagarbeit bei 20°C (Raumtemperatur)

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Bild 3-8 Kurznamen nach Tabelle 5 „Betonstähle“ gemäß DIN EN 10027 (Teil 1)

B 500 A ist z.B. ein Betonstahl mit einer Streckgrenze von 500 MPa
(1MPa = 1N/mm²) und der Duktilitätsklasse A (normalduktil)

Bild 3-9 Kurznamen nach Tabelle 6 „Spannstähle“ gemäß DIN EN 10027 (Teil 1)

Y 1770 S ist z.B. ein Spannstahl mit einer Zugfestigkeit von 1770 MPa
(1MPa = 1N/mm²) in Form von Litzen

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Bild 3-10 Kurznamen nach Tabelle 14 „Nichtrostende Stähle und andere legierte Stähle
(ausgenommen Schnellarbeitsstähle), sofern der mittlere Gehalt mindestens ei-
nes Legierungselementes ≥ 5 % ist“ gemäß DIN EN 10027 (Teil 1)

X3CrNiMo17-13-3 ist z.B. ein nichtrostender Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt


von 0,03 % und Anteilen von 17 % Chrom, 13 % Nickel und 3 % Molybdän

Eine weitere Einteilungsmöglichkeit gemäß DIN EN 10027 (Teil 2) erfolgt über ein
Nummernsystem.
Die Werkstoffnummern sind wie folgt definiert. Eine Nummer setzt sich aus drei Tei-
len zusammen: 1. XX XX(XX).
1. Werkstoffhauptgruppennummer, (z. B. 1. = Stahl)
xx Stahlgruppennummer, abhängig von der zu bezeichnenden Stahlart (nach Ta-
belle 1 der DIN EN 10027 Teil 2, z. B. 01 allgemeiner Baustahl, Qualitätsstahl)
xx Zählnummer für Besonderheiten
Werkstoffnummern nach DIN EN 10027 (Teil1) und Kurznamen nach DIN EN 10027
(Teil 2) sind z. B. in Tab. 3-4 bis Tab. 3-7 angegeben.

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3.2.1.5 Baustahl
Baustähle werden als Bleche, Flachstahl, Profilstahl, Rohre und (rechteckige) Hohl-
profile geliefert (vgl. Bild 3-11 und Bild 3-12).

Bild 3-11 Stahlerzeugnisse (Formen)

Bild 3-12 Beispiele für Stahlprofile

Die Bemessung von Stahlbauteilen ist in der nationalen Norm DIN 18800 geregelt.
Die anzusetzenden Werkstoffeigenschaften sind in (Tab. 3-3) abzulesen.
Auffällig ist, dass in DIN EN 10025 (vgl. z.B. Tab. 3-4) geringere Streckgrenzen als in
der national zurzeit gültigen DIN 18800-1 angegeben sind. Dieser Unterschied resul-
tiert in der unterschiedlichen Normenentwicklung. Im Zuge der geplanten Einführung
des Eurocode EC 3 werden sich die Werte wieder angleichen.
Die Festigkeitswerte nehmen mit zunehmender Erzeugnisdicke ab. Eine bei dickeren
Blechen vorhandene Veränderlichkeit der Festigkeiten über den Querschnitt wird bei
Festigkeitsnachweisen im Allgemeinen nicht berücksichtigt.

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Tab. 3-3 Für die Bemessung anzusetztende charakteristische Werte für Walzstahl und
Gusswerkstoffe nach DIN 18800-1-2008-11 (Tabelle 1)

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Allgemeiner Baustahl:
Als allgemeine Baustähle bezeichnet man warmgewalzte, unlegierte Erzeugnisse.
Sie sind die wichtigsten Stähle für den Stahlbau und in der Regel schweißbar, da
C < 0,20%.

Tab. 3-4 Mechanische Eigenschaften der Flach- und Langerzeugnissen


von allgemeinen Baustählen nach DIN EN 10025-2.

Feinkornbaustähle und hochfeste Stähle:


Normalgeglühte Feinkornbaustähle und thermomechanisch gewalzte Feinkorn-
stähle (TM-Stähle) bzw. hochfeste vergütete Stähle dienen vor allem zur Herstel-
lung von hochbeanspruchten Schweißkonstruktionen im Brücken- und Stahlbau.
Wenn die Anwendungstemperaturen unter -20 °C liegen, könne Stähle mit dem Zu-
satz L verwendet werden.
Normalgeglühte Feinkornbaustähle werden durch konventionelle Warmwalzung
oberhalb der Rekristallisationstemperatur (vgl. 3.2.4.1) mit anschließemdem Normal-
glühen im Ofen hergestellt bzw. mit Hilfe des normalisierenden Walzens, bei dem

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beide Schritte in einem Prozess zusammengefasst sind. Ihre Eigenschaften sind in


DIN EN 10025-3 definiert. Normalgeglühte Feinkornbaustähle tragen den Zusatz N
(vgl. Tab. 3-5).

Tab. 3-5 Mechanische Eigenschaften von normalgeglühten Feinkornbaustählen


gemäß DIN EN 10025-3

Unter dem Begriff „thermomechanisch gewalzt“ versteht man eine Kombination aus
thermischer und mechanischer Behandlung. Themperaturführung und Walzschritte
werden geschickt miteinander kombiniert. Auch Walzschritte unterhalb der Rekristal-
lisationstemperatur sind möglich, die, in Zusammenarbeit mit der durch Mikrolegie-
rungselemente bedingeten Teilchenbildung, in einer höchst feinen Gefügestruktur
resultieren. Somit sind hohe Zähigkeiten und Festigkeiten möglich, ohne auf größere
Legierungsanteile zurückgreifen zu müssen. Thermomechanisch gewalzte Stähle
tragen den Zusatz M (vgl. Tab. 3-6).

Tab. 3-6 Mechanische Eigenschaften von thermomechanisch gewalzten


Feinkornstählen gemäß DIN 10025-4

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Vergütete hochfeste Stähle werden zunächst durch ein Warmwalzen bei Temperatu-
ren von 900 bis 950°C mit anschließendem Härten - also einer relativ schroffen Ab-
kühlung durch Abschreckung im Wasser – hergestellt. In diesem Schritt bildet sich
eine Gefügestruktur mit sehr guten Festigkeitseigenschaften, die im zweiten Schritt,
dem Anlassen, durch Entspannung und Umbildung von Gefügebestandteilen in ihren
Zähigkeitseigenschaften verbessert werden kann. Solche Stähle sind in Streckgen-
zenklassen bis 960 MPa in DIN EN 10025-6 verzeichnet (vgl. Tab. 3-7). Stähle mit
einer Streckgrenze von 890 MPa und höher werden heute hauptsächlich im Mobil-
kranbau eingesetzt und haben ihren Weg in den klassischen Stahlbau noch nicht ge-
funden. Im Kranbau werden allerdings schon Stähle mit einer Streckgrenze von 1100
MPa eingesetzt. Vergütete hochfeste Stähle tragen den Zusatz Q (vgl. Tab. 3-7).

Tab. 3-7 Mechanische Eigenschaften für Baustähle mit höherer Streckgrenze im vergüte-
ten Zustand gemäß DIN EN 10025-6

Bei dem Vergleich von normalisierten (N), thermomechanisch gewalzten (M) oder
vergüteten (Q) Stählen kann die gleiche Streckgrenze nur mit unterschiedlichem Le-
gierungsgehalt erzeugt werden. Für die TM-Stähle sind wesentlich niedrigerer Legie-
rungsanteile als für vergütete oder gar normalisierte Stähle der gleichen
Streckgrenzenklasse erforderlich. Bedingt durch den Legierungsgehalt sind auch bei

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der Bewertung der Schweißeignung die thermomechanischen den normalisierten


Stählen im Vorteil
Insgesamt ist bei höher werdender Streckgrenze der schweißtechnischen Verarbei-
tung eine wachsende Aufmerksamkeit zu widmen. Kaltrissbildung bzw. Wasserstoff-
eintrag muss durch eine ausreichende Vorwärmtemperatur des Schweißgutes
vermieden werden.

Wetterfester Baustahl:
Der augenfälligste Unterschied zwischen wetterfestem Baustahl und normalem Bau-
stahl besteht darin, dass wetterfester Baustahl vorwiegend ungeschützt eingesetzt
wird und dem Betrachter durch die natürliche Rostfärbung auffällt.
Den wetterfesten Baustählen (Tab. 3-8), wird eine bestimmte Anzahl an Legierungs-
elementen vor allem Kupfer und Chrom zugesetzt. Der Widerstand der Stähle gegen
atmosphärische Korrosion erhöht sich, in dem sich unter dem Einfluss der Witte-
rungsbedingungen schützende Oxidschichten auf dem Grundwerkstoff bilden
(vgl. Bild 3-13). Farbanstriche oder metallische Überzüge entfallen ebenso wie die
damit zusammenhängenden Umweltbelastungen, die der Einsatz von Beschichtun-
gen beim Aufbringen, Entfernen und Recyceln des Stahls mit sich bringen kann. Die
wetterfesten Stähle zählen zwar zu den Edelstählen, aber die Legierungsbestandteile
weisen prozentual nur sehr geringe Massenanteile auf. Dies macht sie entsprechend
preiswert.

Bild 3-13 Schematische Darstellung der Rostschicht eines gut bewitterten wetterfesten
Stahls

Bei der Bemessung von Tragkonstruktionen, deren Tragfähigkeit durch Abrostungen


gefährdet werden könnte, müssen für bewitterte Flächen gewisse Abrostungszu-
schläge berücksichtigt werden. Diese sind je nach Umgebungsbedingung abhängig
von der Korrosionsbelastung. Wetterfeste Stähle sind schweißbar. Bei Konstruktio-
nen aus wetterfestem Stahl ist den Verbindungen bzw. Detailausbildungen besonde-

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re Aufmerksamkeit zu widmen. In feuchten Bereichen, an Stützenfüßen, in Ecken


und allen Arten von konstruktiv fehlerhaften Stellen, an denen sich Wasser ansam-
meln kann, entsteht besonders starke Korrosion. Bei der Planung ist zudem zu be-
rücksichtigen, dass sich die erste Rostschicht auswaschen und auf benachbarten
Baustoffen Flecken hinterlassen kann.
Wetterfeste Stähle wurden zuerst in Deutschland ab 1926 entwickelt und produziert.
Während und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg konnte dieser Stahl wegen der Ein-
sparung der oben genannten Legierungselemente allerdings nicht mehr zum Einsatz
gelangen. In den 30er Jahren wurde dann in den USA ein Stahlwerkstoff unter der
Markenbezeichnung COR-TEN vorgestellt, der ebenfalls korrosionsbeständig war
und seit den 60er Jahren auch in Deutschland verwendet wird. Weltweit gibt es mitt-
lerweile sehr viele Sorten wetterfester Baustähle. In Europa sind sie in
DIN EN 10025-5 (vormals DIN EN 10155) geregelt und tragen den Zusatz W in ihrer
Bezeichnung.
Wetterfeste Baustähle mit hochfesten Qualitäten, d. h. mit Streckgrenzenwerten über
355 N/mm2, werden von Stahlunternehmen schon angeboten. In den USA und Japan
sind sie bereits genormt und werden in der Praxis eingesetzt.

Tab. 3-8 Mechanische Eigenschaften der Flach- und Langerzeugnisse von


wetterfesten Baustählen nach DIN EN 10025-5

3.2.1.6 Betonstahl
Betonstähle gehören nach DIN EN 10020 zu den unlegierten Qualitätsstählen.
(vgl. Tab. 3-1) Alle Betonstähle sind schweißbar. Betonstähle sind in DIN EN 10080
genormt. Die national gültige Norm für ist jedoch die DIN 488.
Betonstahl ist ein Stahl mit nahezu kreisförmigem Querschnitt zur Bewehrung von
Beton (Bewehrungsstahl). Zum Einsatz kommt hierbei schräg gerippter Betonstahl
gemäß DIN 488. Durch die Rippung oder Profilierung der Stahloberfläche wird der
Haftverbund mit dem umgebenden Beton verbessert. (vgl. Kapitel 4)

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Die Herstellung von Betonstahl erfolgt wie bei den anderen Stahlsorten, Unterschie-
de gibt es jedoch in der Nachbehandlung. Das Herstellverfahren bleibt dem Herstel-
ler überlassen. Es kann warmgewalzt ohne Nachbehandlung sein, dann erhält der
Betonstahl seine Eigenschaften durch Mikrolegierungen. Oder es wird warmgewalzt
und anschließend wärmebehendelt, ähnlich dem Vergüten. Am gängigsten ist das so
genannte Tempcore-Verfahren. Hierbei wird der noch glühende Stahl in einer Kühl-
strecke mit Wasser auf ca. 1000°C abgekühlt und dabei und die Oberfläche gehärtet.
Die Temperatur im Inneren des Betonstahls jedoch ist noch so hoch, daß hierdurch
der Stahl nach dem Verlassen der Kühlstrecke wieder von innen heraus erwärmt
(angelassen) wird. Durch das Tempcore-Verfahren wird der Betonstahl mit den in der
DIN 488 geforderten physikalischen Werten versehen. Darüber hinaus wird hierdurch
die Duktilität (Zähigkeit) und die Festigkeit des Stahls verbessert sowie die inneren
Spannungen des Stahls verringert. Die dritte Möglichkeit ist das Kaltverformen (z.B.
Ziehen, Recken oder Tordieren) (vgl. 3.2.4.1), bei dem der Betonstahl bis in den
plastischen Bereich verformt wird. Diese plastischen Verformungen entstehen durch
die Ausrichtung der Körnung im Gefüge. Durch diese Verformung nimmt der Quer-
schnitt des Betonstahls etwas ab, gleichzeitig werden die nach DIN 488 gewünschten
Festigkeiten erreicht Hierbei ist jedoch zu beachten, daß bei zunehmender Verfor-
mung des Betonstahls die Verformbarkeit des bei anschließender Weiterverarbeitung
(Biegen) abnimmt, bis er bricht oder reißt. Somit ist er weniger duktil.
Betonstähle sind in DIN EN 10080 genormt. Die national gültige Norm für ist jedoch
die DIN 488.
Es wird zwischen 3 Duktilitätsklassen unterschieden:
Duktiliätsklasse A – normalduktil
Duktiliätsklasse B – hochduktil
Duktiliätsklasse C - sehr hoch duktil (Erdbebenstahl)
Nach DIN 488 unterscheiden sich die Stahlsorten für Betonstahl durch die Oberflä-
chengestalt voneinander. Die Kennzeichnung der Stahlsorte B500A erfolgt durch 3
Rippenreihen, und die Kennzeichnung der Stahlsorte B500B erfolgt durch 2 bzw. 4
Rippenreihen (siehe Bild 3-14).

B500A (3 Rippenreihen) B500B (2 Rippenreihen) B500B (4 Rippenreihen)

Bild 3-14 Beispiel für die Kennzeichnung der Stahlsorten

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Wichtigste Lieferformen von Betonstahl sind Stabstahl (Kurzbezeichnung BSt 500 S)


und Matten (Kurzbezeichnung BSt 500 M).

Betonstabstahl
Betonstabstahl wird entweder als gerader Stab hergestellt oder als Betonstahl in
Ringen zum Richten geliefert (Zusatzkennzeichnung WR oder KR).
Die geraden Stäbe werden warmgewalzt und der Regel nach dem Tempcore-
Verfahren hergestellt. Betonstahl in Ringen wird entweder warmgewalzt und an-
schließend gereckt und auf kompakte Ringe umgespult oder aus Walzdraht kaltge-
walzt und aufgewickelt. Den Endzustand als Bewehrung erreicht Betonstahl in
Ringen durch Richten (Richtanlage) zum geraden Stab oder als Bügel (Bügelbiege-
automat). Es gelten dieselben mechanischen und chemischen Werte wie beim Be-
tonstabstahl gemäß DIN 488.
Betonstabstähle sind in den Nenndurchmessern 06, 08, 10, 12, 14, 16, 20, 25, 28
und 32 mm lieferbar. Mit Sonderzulassung kann auch der Nenndurchmesser 40 mm
geliefert werden. Die Lieferlängen betragen als Regellängen 12, 14, 15, 16, 17 und
18 Meter. Auf Wunsch sind auch Fixlängen ab Herstellerwerk lieferbar.
Ringmaterial wird üblicherweise bis zu einem Durchmesser von 14 mm hergestellt.
Eine Tendenz zu größeren Durchmessern ist bei warmgewalzten Ringen festzustel-
len.

Sonderform:
Gewindestahl (Kurzbezeichnung GEWI-Stahl) ist ein Betonrippenstahl B 500 S mit
einer Rippung, die als Gewinde ausgebildet ist, um zwei Gewindestahlstäbe mittels
einer Muffe kraftschlüssig zu verbinden. Für die kraftschlüssige Verbindung werden
die zwei Gewindestäbe mittels eines Drehmomentschlüssels in die Gewindemuffe
eingedreht und mit jeweils einer Kontermutter auf jedem Stab gegen Lockerung gesi-
chert. Sowohl der GEWI-Stahl als auch der Muffenstoß werden durch Zulassungsbe-
scheid zugelassen. GEWI-Stahl ist als hochduktil (Duktilitätsklasse B) eingeordnet
und für die gängigen Schweißverfahren schweißgeeignet.

Betonstahlmatten
In güteüberwachten Werken industriell gefertigte rationelle Bewehrung für flächige
Bauteile (z. B. Bodenplatten Decken, Wände).
Sie besteht aus sich kreuzenden Längs- und Querstäben von warm- oder kaltver-
formtem, geripptem Betonstahl, die an den Kreuzungspunkten durch Widerstands-
punktschweißung scherfest verbunden sind.

Lagermatten
Lagermatten sind Betonstahlmatten in vordefinierten Formaten und mit vordefinierten
Stahlquerschnitten, die bundesweit auf den Lagern der Stahlhändler bevorratet und
somit kurzfristig verfügbar sind.

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Die Lagermatten werden in zwei Versionen angeboten:


Q-Matten mit einem Stahlquerschnitt, der in Längs- und Querrichtung gleich ist
R-Matten mit einem Stahlquerschnitt, der in Querrichtung mindestens 20% des
Querschnitts in Längsrichtung aufweist

Die Breite der Lagermatten beträgt 2,30 m bzw. 2,35 m, die Länge beträgt 6,0 m.

Listenmatten
Listenmatten sind eigens für einen Einsatzzweck entworfene Betonstahlmatten mit
rechteckigem Grundriß. Im Gegensatz zu den Lagermatten, bei denen die Abmes-
sungen und Stahlquerschnitte vordefiniert sind, werden Listenmatten nach den Vor-
stellungen des Anwenders speziell gefertigt. Hierbei können Stabdurchmesser,
Stababstände und Überstände frei nach statischen und konstruktiven Gesichtspunk-
ten gewählt werden. Voraussetzung für die Produktion einer Listenmatte ist jedoch,
daß sich der Mattenaufbau über eine sogenannte Nomenklatura (Mattenbeschrei-
bung) definieren läßt. Hierbei werden die Anzahl der Stäbe, deren Abstände und
Durchmesser angegeben. Der Vorteil der Listenmatte gegenüber der Lagermatte ist,
daß exakt der vom Bauingenieur geforderte Stahlquerschnitt verwendet wird und
somit kein Verschnitt anfällt und damit eine Material- und Zeitersparnis beim Einbau
erreicht wird. Die maximale Breite der Listenmatte beträgt 3 Meter, die maximale
Länge 12 Meter.
Da die Listenmatte speziell nach den Wünschen des Anwenders hergestellt wird, ist
die Produktionszeit folglicherweise länger als vom Lager verfügbare Lagermatten und
durch die auf den Anwender abgestimmte Fertigung ist auch der Preis höher als für
eine vordefinierte Lagermatte.
Zeichnungsmatten
Zeichnungsmatten sind Listenmatten, die wegen ihrer unregelmäßigen Form weder
durch das bei Lagermatten verwendete Kurzzeichen noch durch die bei Listenmatten
verwendete Nomenklatura ausreichend beschrieben werden können. Dies könnten
ein vom rechteckigen Grundriß anderer Betonstahlmatten abweichendes Format,
Aussparungen innerhalb der Matte oder auch variierende Stababstände innerhalb
der Matte sein. Für die Bestellung solcher Matten ist daher immer eine Zeichnung
erforderlich.
N-Matten
Sie bestehen im Unterschied zu den anderen Mattenarten aus kaltverformtem, glat-
tem Bewehrungsdraht.
N-Matten sind nicht genormte Betonstahlmatten, deren Stabdurchmesser unterhalb
der durch die DIN 488 für Betonstahlmatten festgelegten Mindeststabdurchmesser
liegt. Sie sind nicht für statische Beanspruchung geeignet und werden vorwiegend im
Fußbodenbau (Estrich) oder Landschaftsbau eingesetzt.

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Für die Bemessung von Betonstahl gilt DIN 1045-1. Da DIN 488 zur Regelung der
Betonstähle andere Symbole verwendet, als DIN 1045-1 ist in Tab. 3-10 die Be-
schreibung der Unterschiede verzeichnet.

Tab. 3-9 Eigenschaften der Betonstähle aus DIN 1045-1 nach DIN 488

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Tab. 3-10 Vergleich der in DIN 1045-1 und DIN 488-1 verwendeten Symbole

3.2.1.7 Spannstahl
Spannstähle werden nach DIN EN 10020 den unlegierten Edelstählen zugeordnet.
(vgl. Tab. 3-1) Sie besitzen im Vergleich zu Betonstählen eine deutlich höhere Zug-
festigkeit und Streckgrenze. In Deutschland sind die Spannstähle nicht in Nor-
men erfasst, sondern werden vom Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin
bauaufsichtlich zugelassen
Spannstahl findet vor allem im Spannbetonbau zum Vorspannen Verwendung. Die
Spannstähle unterscheiden sich in den mechanischen Eigenschaften, den Arten der
Herstellung (gereckt, kaltgezogen, vergütet), der Profilierung (Stabstahl, Spanndraht,
Spannlitzen), der Verankerungsart (Endverankerung oder über Verbund) und in den
Querschnittsabmessungen. Aufgrund des Kohlenstoffgehaltes von etwa 0,50 % sind
sie nicht schweißbar. Infolge der massiven Festigkeitssteigerung durch Kalt-
verformen, wobei gleichzeitig der Querschnitt um 10 % abnimmt, sind Spannstähle
sehr empfindlich für jede Art von Wärmeeinwirkung, also Funkenflug bei Trenn-
arbeiten, Schweißarbeiten in unmittelbarer Nähe, da die Wirkungen der Kaltver-
formung z.T. rückgängig gemacht werden bzw. es zu einer Versprödung kommen
kann. Die Spannstähle werden nach dem charakteristischen Wert der 0,1 %-Dehn-
grenze fp0,1k und dem charakteristischen Wert der Zugfestigkeit fpk bezeichnet, z. B.:

St 1570 / 1770 fp0,1k = 1500 N/mm2


fpk = 1770 N/mm2

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3.2.1.8 Seile
Seile sind flexible, rein auf Zug beanspruchte Halbzeuge, welche durch Verseilen
einzelner Drähte entstehen (Bild 3-15).

Bild 3-15 Aufbau von Seilen

Runddrähte (entweder aus Edelstahl: charakteristischer Wert der Zugfestigkeit


fu,k = 1450 N/mm2; oder aus Stahl verzinkt / galfanverzinkt: fu,k = 1670 N/mm2) und
Z-Profile (nur aus Stahl verzinkt / galfanverzinkt) werden zu verschiedenen Seilarten
(Bild 3-16) verarbeitet. Irreversible Biegeverformungen durch das Verseilen sowie
Reibung durch nebeneinander liegende Drähte im Verband haben Einfluss auf die
Traglast des Seiles. Dies wird durch den Verseilfaktor bei der Ermittlung der Grenz-
zugkraft berücksichtigt.

a) Litzenseil
b) Offenes Spiralseil
c) Vollverschlossenes Spiralseil
d) Paralleldrahtbündel

Bild 3-16 Seilarten

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3.2.2 Gusseisen / Stahlguss


Man unterscheidet bei den Eisengusswerkstoffen im Bauwesen zwischen Gusseisen
(C > 2 %) und Stahlguss (C < 2 %). Stahlguss ist härter als Gusseisen und lässt sich
im normalgeglühten und vergüteten Zustand warm und kalt verformen. Die Verbesse-
rung der Schweißeignung wird durch Verminderung des C-Gehalts und Erhöhung
des Mn-Gehalts erreicht. Wegen des niedrigen Kohlenstoffgehalts hat Stahlguss ho-
he Schmelztemperaturen (ca. 1600 °C). Stahlguss ist daher wesentlich anspruchs-
voller beim Gießen als Gusseisen. Dafür haben die Erzeugnisse aus Stahlguss
bessere mechanische Eigenschaften, vor allem die Zähigkeit. Von Nachteil ist beim
Stahlguss, dass er zur Lunkerbildung neigt und während der Abkühlung stark
schwindet, was zu einer geringen Maßhaltigkeit der Gussteile führt. Der Schrumpf-
prozess ist doppelt so stark wie bei Gusseisen. Zur Anwendung können alle üblichen
Stahlsorten kommen, auch Edelstähle. Die Bezeichnung erfolgt z. B. wie in Bild 3-10
mit dem Zusatz G für Stahlguss. Die verschiedenen Stahlgusssorten mit verbesserter
Schweißeignung und Zähigkeit sind in DIN EN 10293 für allgemeine Verwendungs-
zwecke aufgeführt. aufgeführt (vgl. Tab. 3-11).
Beim Stahlguss werden die vorteilhaften Eigenschaften des Werkstoffes Stahl und
die gestalterischen Vorteile der nahezu beliebigen Formgebung durch Gießen verei-
nigt. In der Praxis findet Stahlguss dort Verwendung, wo spezielle Konstruktionen
aus gestalterischen oder spannungsangepassten Gesichtspunkten erforderlich sind.
Stahlgussteile kommen z. B. für Knotenbereiche in Frage, an denen Stahlrohrstützen
zusammengeführt werden (vgl. Bild 3-17). Durch Stahlguss erhält man Knotenver-
bindungen mit einer ausgeprägten Isotropie der Materialeigenschaften, einer kraft-
flussorientierten Formgebung und Dimensionierung und einer hohen Variabilität
hinsichtlich Anzahl und Anordnung der anzuschließenden Bauteile. Im hochbean-
spruchten Knotenbereich werden so fließende Formen ohne scharfe Kanten ermög-
licht, was dort Spannungskonzentrationen und Kerbwirkungen ausschließt und die
erforderlichen Schweißnähte in weniger beanspruchte und besser zugängliche Zo-
nen des Anschlusses verlagert. Die vorgefertigten Teile sind z. B. Gussknoten, -
köpfe oder -gabeln für. Auf der Baustelle werden die Gussteile dann mit der restli-
chen Konstruktion verschweißt. Gebräuchliche Werkstoffe hierfür sind zum Beispiel
Stahlguss G20Mn5. Aber auch Seilhülsen können aus Stahlguss gefertigt sein (z.B.
aus G26CrMo4)

Bild 3-17 Gussknoten bei Stützenknoten im Berliner Olympiastadion


Gussknoten und -gabeln bei der Tragkonstruktion im Stuttgarter Hauptbahnhof

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Tab. 3-11 Mechanische Eigenschaften der Stahlgusssorten nach DIN EN 10293

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3.2.3 Nichteisenmetalle
Im Bauwesen sind Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen als wichtigste Nichtei-
senmetalle zu nennen. Die wichtigste Eigenschaft von Aluminium ist sein spezifi-
sches Gewicht, das mit 2,7 g/cm³ nur ein Drittel so groß ist, wie das von Stahl. Die
zweitwichtigste Eigenschaft ist die gute Korrosionsbeständigkeit, obwohl das Alumi-
nium als solches kein sehr edles Metall ist. Das ist auf die Tatsache zurückzuführen,
dass Aluminium und seine Legierungen mit dem Sauerstoff und Wasserdampf der
Luft reagieren und so ein dichter Film gebildet wird, der das darunterliegende Metall
vor weiteren Angriffen schützt. Der Wärmeausdehnungskoeffizient von Aluminium ist
ungefähr doppelt so hoch wie der von Stahl, der E-Modul ist dreimal kleiner als der
von Stahl, was bei der Konstruktion berücksichtigt werden muss.

Elastizitätsmodul E = 70.000 N/mm2


Schubmodul G = 27.000 N/mm2
Querdehnungszahl ν = 0,3
linearer Wärmeausdehnungskoeffizient α= 23 × 10-6 je °C
Dichte ρ = 2.700 kg/m3
Zugfestigkeit 1) 40…180 N/mm2
Bruchdehnung 1) 4…50 %
1)
abhängig vom Behandlungszustand

Tab. 3-12 Werkstoffkennwerte von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen

Mit einem Anteil von 8% ist – nach Sauerstoff und Silizium – Aluminium das dritthäu-
figste Element in der Erdkruste. Aluminium kommt in der Natur in Form von Oxiden
und Mischoxiden vor, wobei die Bauxite mit 55-65 % Al2O3 für die Aluminiumgewin-
nung am besten geeignet sind. Die Verhüttung des Erzes erfolgt durch Elektrolyse
mit großem Energiebedarf.
Aluminium an sich ist ein Metall mit relativ geringer Festigkeit. Analog zu den ande-
ren Gebrauchsmetallen ist aber auch bei Aluminium ebenfalls eine Festigkeits-
steigerung durch Kaltumformung oder Zugabe von Legierungselementen möglich. In
reinster Form weist Aluminium eine Zugfestigkeit von etwa 40 N/mm² und eine
Streckgrenze von etwa 10 N/mm² auf, was jedoch für die meisten technischen An-
wendungen zu wenig ist. Es sind daher Aluminiumlegierungen entwickelt worden,
deren mechanische Eigenschaft die des Basismaterials bei weitem übertreffen. In der
Praxis haben sich nur einige wenige Elemente als geeignet erwiesen, Diese sind
Magnesium (Mg), Silizium (Si), Mangan (Mn), Kupfer (Cu) und Zink (Zn). Sie werden
als Einzelelemente und in Kombination eingesetzt. Magnesium ist eines der wirk-
samsten Elemente um die Festigkeit zu erhöhen. Daher waren vor über hundert Jah-
ren – aber auch noch später – Aluminium-Magnesium-Legierungen die
dominierenden Legierungen bei konstruktiven Anwendungen. Legierungen mit Mag-
nesiumgehalten bis zu 10% waren im Gebrauch. Probleme in Herstellung, Verarbei-
tung und Korrosionsbeständigkeit von Legierungen mit derart hohen
Magnesiumgehalten führten dazu, dass niedrigere Magnesiumgehalte verwendet

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wurden und stattdessen Mangan hinzugefügt wurde, welches einen günstigeren Ein-
fluss auf das Korrosionsverhalten hat. Man unterscheidet Knetlegierungen und Guss-
legierungen. Bei Gusslegierungen werden Legierungen mit hohen Siliziumgehalten
bevorzugt, da mit diesen Legierungen gute Qualitäten relativ einfach herstellbar sind
und die Gefahr von Schrumpfrissen deutlich verringert wird. Gussstücke werden ei-
gentlich fast immer individuell für einen bestimmten Zweck und direkt beim Hersteller
bestellt. Gusslegierungen sind in der Regel nicht so gut verformbar und haben eine
kleinere Bruchdehnung (bis 4%).
Es ist eine große Palette an Eigenschaften (z.B. Dauerhaftigkeit, Korrosionsbestän-
digkeit, Schweißeignung, Verarbeitbarkeit, Festigkeit), her- bzw. einstellbar, einer-
seits durch Art der Legierung, aber auch durch die sogenannte Warmauslagerung.
Hierbei handelt es sich um eine thermische Behandlungsmethode, mit der die Zug-
festigkeit gesteigert wird. Dabei wird das Aluminium-Bauteil zunächst bei Temperatu-
ren von 470-500 Grad "lösungsgeglüht" und anschließend in Wasser kalt
abgeschreckt. Anschließend erfolgt bei 120-180 Grad die Warmauslagerung, bei der
es durch Diffusionsvorgänge zwischen den Legierungspartnern zu einer Erhöhung
der Zugfestigkeit kommt. Beim „Einstellen“ der Legierung steht meist Festigkeit ge-
gen Verformbarkeit, was je nach Bedarf optimiert wird.
Zum Einsatz kommt Aluminium in Form von Blechen, Platten, Strangpressprofile
oder Gussstücke. Die Be-/Verarbeitung erfolgt durch spanlose Formgebung (bei
Knetlegierungen durch Walzen, Strangpressen, Ziehen; bei Gusslegierungen durch
Sand-, Kokillen-, Druckguss) oder durch spanabhebende Formgebung (Fräsen, Sä-
gen). Aluminium weist ein günstiges Verhältnis von Festigkeit/Dichte auf und ist her-
vorragend witterungs- und korrosionsbeständig. Im Bauwesen kommt dieser Werk-
stoff hauptsächlich im Fassadenbau, bei mobilen Bauten und bei kurzen Spann-
weiten zum Einsatz. Die meisten Aluminiumprofile werden durch Strangpressen
hergestellt. 90% aller produzierten Strangpressquerschnitte sind von den Ingenieuren
selbst entworfene, der Funktionalität und Konstruktion angepasste Querschnitte
Verbindungen sind durch Schrauben, Nieten, Schweißen und Kleben möglich. Bei
Kontakt mit weniger edleren Metallen kann es zu Kontaktkorrosion kommen, z.B. mit
Stahlschrauben vor allem im Außenbereich. Dieses Problem lässt sich durch lokale
Beschichtungen oder Ähnliches lösen. Auch Aluminiumschrauben mit Dehngrenzen
bis 440N/mm² und Zugfestigkeiten bis 510N/mm² sind verwendbar. Die Schweiß-
technik für Aluminium hat sich entwickelt, Verbindungen sind problemlos schweißbar.
Die höhere Festigkeit, die wärmebehandelte Legierungen durch die Gefügeänderung
erreichen geht jedoch durch das Schweißen zum Teil verloren. Die lokale Schwä-
chung der Festigkeit (Entfestigung) kann bis zu 50% betragen und ist unter Anderem
von Bauteilgeometrie, Schweißverfahren, Dauer der Einwirkung der Schweißtempe-
ratur abhängig.
Für die Bemessung von Aluminiumtragwerken gilt die DIN EN 1999-1 bzw.
Eurocode 9.

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3.2.4 Spannungs-Dehnungslinien metallischer Werkstoffe


Wichtige Kenngrößen zur Bemessung sind die Streckgrenze bzw. die Zugfestigkeit
des Werkstoffes. (vgl. Kapitel 3.2.4.1)
Die Spannungs-Dehnungs-Linien aller Stähle haben einen sehr geraden, elastischen
Ast, an den sich ein Bereich mit nicht reversiblen, plastischen Verformungen an-
schließt (Bild 3-18). Ferritische Stähle (warmgewalzt, nicht gehärtet, ohne Kaltverfor-
mung) zeigen ein ausgeprägtes Fließplateau, bei dem die Spannungen nahezu
unabhängig von den Verformungen sind (ideal plastisches Verhalten), bevor bei noch
größeren Dehnungen eine allmähliche Verfestigung eintritt. Bei kaltverformten Stäh-
len, bei austenitischen (nichtrostenden) Stählen und bei Aluminiumlegierungen ohne
ausgeprägte Streckgrenze fy,k, steigt die σ-ε-Linie kontinuierlich bis zum Bruch. Der
charakteristische Wert der Streckgrenze wird dann als sogenannte 0,2 %-Dehn-
grenze definiert:

fy,k = f0,2 ≡ Rp 0,2 (3.1)

Bild 3-18 Im Zugversuch ermittelte Spannungs-Dehnungs-Linien von verschiedenen Stäh-


len und Aluminiumlegierungen

Der abfallende Ast der σ-ε-Kurven in Bild 3-18 kommt nur dadurch zustande, dass
die Spannung σ auf den unverformten Stabquerschnitt bezogen ist; in Wirklichkeit
nimmt die Stahlspannung im eingeschnürten Querschnitt kurz vor dem Bruch sogar
progressiv zu.

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Auch die Spannungs-Dehnungs-Linien der hochfesten Spannstähle und Litzenstähle


haben einen prinzipiell gleichen Verlauf wie diejenigen der Baustähle und Beton-
stähle, jedoch mit geringerem Verformungsvermögen.
Für die Bemessung und Schnittgrößenermittlung werden bei Druck- und Zugbean-
spruchung im Allgemeinen bilineare σ-ε−Linien nach Bild 3-19 bis Bild 3-21 zugrunde
gelegt, und zwar fast immer das ideal elastisch-plastische Spannungsdiagramm mit
dem horizontalen plastischen Ast beim Bemessungswert der Streckgrenze fyd. Dieser
Wert ergibt sich aus dem charakteristischen Wert der Fließspannung fyk nach Divisi-
on durch den Teilsicherheitsbeiwert γM bzw. γs, der leider in den verschiedenen Nor-
men unterschiedlich festgelegt ist:

γM: 1,1 für Baustahl in DIN 18800-1

γs: 1,15 für Beton- und Spannstahl in DIN 1045-1

fyk: charakteristischer Wert der


Streckgrenze
fyd =
fuk charakteristischer Wert der
Zugfestigkeit
(hier: vereinfachend fuk = fyk)

εuk: Bruchdehnung

Bild 3-19 Rechnerische Spannungs-Dehnungs-Linien für die Bemessung von Baustahl


nach DIN 18800-1

fyk: charakteristischer Wert der


fyd = Streckgrenze

ftk: charakteristischer Wert der


Zugfestigkeit

εuk: Bruchdehnung

Bild 3-20 Rechnerische Spannungs-Dehnungs-Linien für die Bemessung von Betonstahl


BSt 500 nach DIN 1045-1

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fpk: charakteristischer Wert der


fyd = Zugfestigkeit

fp0,1k: Streckgrenze definiert als


0,1%-Dehngrenze

εuk: Bruchdehnung

εp(0) Spannstahlvordehnung

Bild 3-21 Rechnerische Spannungs-Dehnungs-Linie des Spannstahls nach DIN 1045-1

Beim Spannstahl wird nach DIN 1045-1 statt der Streckgrenze, die 0,1%- Dehngren-
ze angesetzt (Bild 3-21). Das σ-ε−Diagramm mit einem bis zur rechnerischen Stahl-
festigkeit fp bzw. fpk ansteigenden plastischen Ast ist realistischer und vor allem für
die Schnittgrößenermittlung mit dem Computer zweckmäßiger (DIN 1045-1, Bild 27).
Der Elastizitätsmodul, der Schubmodul und die Querkontraktion von Stahl sollen
nach den Normen mit folgenden Werten angesetzt werden:

Ea: 210 000 N/mm2 für Baustahl nach DIN 18800-1

Es: 200 000 N/mm2 für Betonstahl nach DIN 1045-1

Ep: 205 000 N/mm2 für Spanndraht nach DIN 1045-1

Ep: 195 000 N/mm2 für Spannlitzen nach DIN 1045-1

G: 81 000 N/mm2 für Baustahl nach DIN 18800-1

μ: 0,3
Seile und Litzen haben, sofern sie nicht vorgereckt sind, wegen ihres Schlages einen
geringeren Verformungsmodul als das Ausgangsmaterial, was sich insbesondere bei
der Erstbelastung auswirkt.

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3.2.4.1 Anhang: Begriffe zu Stahleigenschaften und zur Stahlverarbeitung

Streckgrenze: (Kurzbezeichnung je nach Norm ReH oder fyk)

Spannung, bis zu der die Probe bei einachsiger und mo-


mentenfreier Zugbeanspruchung (Zugversuch) keine
plastischen Verformungen aufweist. Wird die Probe an-
schließend entlastet, kehrt sie in ihre ursprüngliche Form
zurück. Beim Überschreiten der Streckgrenze beginnt
das Fließen

Dehngrenze: Bei Werkstoffen ohne ausgeprägte Streckgrenze wird oft


die Spannung bei einer definierten Dehnung als Ersatz
angegeben, z.B. fp0,1k = charakteristischer Wert der
Spannung bei einer Dehnung von 0,1%

Zugfestigkeit: (Kurzbezeichnung je nach Norm bzw. Werkstoff Rm, fuk,


ftk oder fpk)

Maximale Spannung, die beim Zugversuch erreicht wird.


Dabei wird die maximale Zugkraft auf die ursprüngliche
Probenquerschnittsfläche bezogen, weshalb sie nicht der
realen im Werkstoff auftretenden Spannung entspricht.

Kerbschlagzähigkeit: Widerstandsfähigkeit eines Werkstoffes gegen schlag-


artige Biegebeanspruchung. Hierfür wird ein Kerbschlag-
biegeversuch durchgeführt, bei dem die Bedingungen
noch durch Einkerbung der Proben verschärft werden.
Die zu ermittelnde Kerbschlagarbeit [Joule] ist die zur
Verformung und Trennung der Probe verbrauchte
Schlagarbeit. Der Versuch wird bei unterschiedlichen
Temperaturen durchgeführt. Bei tiefen Temperaturen er-
gibt sich eine geringere Kerbschlagzähigkeit.

Duktilität: Unter Einwirkung äußerer Kräfte neigt ein duktiles Mate-


rial zur plastischen und damit dauerhaften Verformung,
ohne dass dabei Werkstofftrennungen auftreten. Je hö-
her die Duktilität eines Stahls ist, desto besser ist er ver-
formbar.

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Seigerung (Entmischung): Bei sinkenden Temperaturen fällt in einer Legierung die


Löslichkeit der Legierungselemente. Dadurch erhöht sich
während des Erstarrens die Konzentration dieser Legie-
rungselemente in der noch verbleibenden Schmelze.
Durch beruhigtes Vergießen kann dieser Effekt minimiert
werden.

Beruhigtes Vergießen: Aus der Stahlschmelze wird der Restsauerstoff z. B. mit


Hilfe von Mg, Mn, Si, Al entfernt, so dass die Erstarrung
ohne Blasenbildung abläuft (Desoxidation).

Kaltverformung: Eine Kaltverformung metallischer Werkstoffe (Walzen,


Ziehen, Recken, Strangpressen,…) führt zu einer Verfes-
tigung. Sie bewirkt einen Anstieg von Härte, Streckgren-
ze und Zugfestigkeit während die Bruchdehnung, Bruch-
einschnürung und Kerbschlagzähigkeit abnehmen. Der
Werkstoff wird anisotrop.

Normalglühen: Beim Normalglühen oder Normalisieren wird der Werk-


stoff auf relativ hohe Temperaturen erwärmt und nachfol-
gend langsam an ruhender Atmosphäre abgekühlt. Es
kann so ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge mit op-
timalen Festigkeits- und Verformbarkeitseigenschaften
erzielt werden.

Härten: Erwärmen des Stahls auf Temperaturen > 730°C mit da-
rauf folgendem schnellen Abschrecken in Luft, Wasser
oder Öl. Durch die Martensitbildung erhöht sich die Härte
und Sprödigkeit.

Anlassen: Mit dem sogenannten "Anlassen" läßt sich Stahl ent-


spannen, dadurch die Sprödigkeit beseitigen und die Ver-
formbarkeit des kaltverformten Werkstoffs wieder
verbessern. Dazu wird das verspannte Metall auf eine
genau definierte Temperatur (zwischen 150 und 400°C)
erwärmt, und die „eingeklemmten“ Atome bekommen
"Luft". Der Werkstoff verliert etwas an Härte und Zugfes-
tigkeit, gewinnt aber erheblich an Zähigkeit.

Vergüten: Härten mit anschließendem Anlassen. Gezielte Verbes-


serung der Werkstoffeigenschaften: Festigkeit, Streck-
grenze, Duktilität.

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Warmumformung: Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur


eines Metalls. Eine Verfestigung durch die hohen Tempe-
raturen tritt dadurch nicht ein. Die während der Umfor-
mung ablaufende Verfestigung wird durch während und
nach dem Umformschritt ablaufende Erholungs- und Ent-
festigungsprozesse begleitet. Verfahren der Warmum-
formung können zum Beispiel Schmieden, Warmwalzen
oder Strangpressen sein.

Rekristallisation: Rekristallisation beschreibt den Abbau von Gitterfehlern


in den Kristalliten durch Neubildung des Gefüges auf
Grund von Keimbildung und Kornwachstum. Durch den
Abbau von Versetzungen durch die Rekristallisation tritt
eine Festigkeitsabnahme auf. Als Rekristallisationstem-
peratur wird diejenige Temperatur bezeichnet, bei der ein
Werkstoff innerhalb einer Betrachtungszeit vollständig
rekristallisiert.

TM-Walzen: Thermomechanisches Walzen. Grundsätzlich ist das Ziel


dieser Bearbeitung, durch die Kombination von Umfor-
mung und Temperaturführung ein wesentlich feineres
Gefüge zu erzeugen, als dies durch Normalglühen er-
reicht werden kann. Die Kornfeinung erhöht neben der
Zähigkeit auch die Streckgrenze und Festigkeit und die
Schweißbarkeit. Die Vorverformung erfolgt bei geringeren
Temperaturen als beim normalisierenden Warmwalzen.
Die Endverformung wird in einem Temperaturbereich
durchgeführt, in dem der Werkstoff nicht mehr rekristalli-
siert.

Lunker: Bei dem Erstarrungsprozess gegossener Teile durch Vo-


lumenminderungen entstandene Hohlräume im Material.

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3.3 Holz

3.3.1 Holzarten
DIN 1052 unterscheidet zwischen Vollholzprodukten / geklebten Vollholzprodukten
und Holzwerkstoffen.

3.3.1.1 Vollholzprodukte / geklebte Vollholzprodukte


- Vollholz (VH)
Rundhölzer und Bauschnitthölzer aus Nadel- oder Laubholz. Bauschnitthölzer
werden unterschieden nach Kanthölzer, Bohlen, Brettern und Latten.
- Konstruktionsvollholz (KVH)
Für KVH (z. Z. nur aus Nadelholz) wurden die Sortierkriterien gegenüber dem
normalen Vollholz verschärft. Schwachstellen (Äste) werden im Zuge der visuel-
len Sortierung herausgeschnitten. Die Teilstücke werden anschließend mit ei-
nem Keilzinkenstoß wieder verbunden.
- Balkenschichtholz (BASH) (Duo-/ Triobalken)
- Balkenschichtholz (z. Z. nur aus Nadelholz) besteht aus zwei oder drei faserpa-
rallel miteinander verklebten Einzelhölzern gleicher Querschnittsmaße. Diese
sind so anzuordnen, dass die widerstandsfähigeren kernnahen Seiten nach au-
ßen gerichtet sind. Eingesetzt wird es bei hohen Anforderungen an die Form-
stabilität und bei sichtbaren Bauteilen. Balkenschichthölzer bedürfen eines
Nachweises der Verwendbarkeit durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassun-
gen.
- Brettschichtholz (BSH)
Brettschichtholz (z. Z. nur aus Nadelholz) besteht aus flachseitig faserparallel
miteinander verklebten Brettlagen mit einer Lamellendicke von 6 ≤ a ≤ 40 mm
aus Nadelholz (Bild 3-22). Man unterscheidet dabei zwischen homogenem und
kombiniertem BSH (innere und äußere Brettlamellen gehören unterschiedlichen
Festigkeitsklassen an).

Bild 3-22 Brettschichtholz

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3.3.1.2 Holzwerkstoffe
Holzwerkstoffe sind plattenförmige Bauteile, die durch Verpressen von zerkleinerten
Holzteilen wie Furnieren, Stäben, Stäbchen, Spänen, Fasern, Holzwolle unter Zuga-
be von Bindemitteln entstehen. Durch das Zerkleinern und anschließende, im Allge-
meinen gerichtete Zusammenfügen werden einige physikalische und mechanische
Eigenschaften des Ausgangsproduktes Holz verändert. Das Endprodukt besitzt da-
nach wenige oder keine Wachstumsfehler, das Festigkeits- und Verformungsver-
halten ist gleichmäßiger als beim Vollholz. Ebenso wird die Empfindlichkeit
gegenüber Feuchtigkeitsänderungen vermindert. Das anisotrope Verhalten des Hol-
zes wird durch den speziellen, flächigen Aufbau der Holzwerkstoffe (z. B. bei Bau-
furniersperrholz, Holzfaserplatten) reduziert. Im Bauwesen werden Holzwerkstoff-
platten vielfältig eingesetzt, z B. für tragende Zwecke (Dachschalung, Schalungs-
platten im Betonbau), als Beplankung (Innenausbau, Wärmedämmung) oder Tritt-
schallschutz. Entsprechend der Verwendung werden in DIN 1052, Abschnitt 7 Min-
destdicken angegeben. Die meisten Holzwerkstoffe bedürfen eines Nachweises ihrer
Brauchbarkeit durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen.
- Furnierschichtholz (FSH)
FSH wird aus etwa 3 mm dicken Schälfurnieren mit Phenolharz zu großen Plat-
ten verklebt (Bild 3-23). Der Faserverlauf ist entweder generell parallel zur
Längsrichtung (z. B. Kerto S) oder parallel und nur wenige Furnierlagen senk-
recht zur Längsrichtung des Furnierschichtholzes (z. B. Kerto Q). Es besitzt bei
geringem Eigengewicht eine hohe Biegesteifigkeit.

Bild 3-23 Furnierschichtholz

- Baufurniersperrholz (BFU)
BFU besteht aus mindestens drei aufeinander geklebten Holzlagen, deren Fa-
serrichtung im Allgemeinen um 90° gedreht ist (Bild 3-24).

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Bild 3-24 Baufurniersperrholz

- OSB-Flachpressplatten (Oriented Strand Board)


OSB-Platten bestehen aus langen, schlanken ausgerichteten Holzspänen
(ca. 0,6 mm x 75 mm x 35 mm), die mit einem Bindemittel miteinander verklebt
sind. Die Holzspäne der Mittelschicht sind rechtwinklig zu denen der Außen-
schicht orientiert (Bild 3-25).

Bild 3-25 OSB-Platte

- Spanplatten (kunstharz-/ zementgebunden)


Spanplatten entstehen durch das Verpressen kleiner Holzteile und / oder ande-
ren holzartigen Faserstoffen mit einem Bindemittel (Kunstharzleim, Zement- /
Magnesiabinder. Ein mehrschichtiger Plattenaufbau ist möglich, wenn Späne
verschiedener Größe oder Qualität und/oder verschiedene Bindemittelmengen
eingestreut werden.
- Bau-Stabsperrholz (BST) / Bau-Stäbchenholz (BSTAE)
Stabsperrholz (Bild 3-26 a) / Stäbchenholz (Bild 3-26 b), oft auch als Tischler-
platte bezeichnet, besteht aus mindestens zwei Deckfurnieren und einer Mittel-
lage. Die Mittellage wird aus aneinander geklebten hochkanten Holzleisten
(Stabsperrholz: 24 - 30 mm, Stäbchenholz: < 8 mm) hergestellt.

a) b)
Bild 3-26 a) Stabsperrholz; b) Stäbchenholz

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- Holzfaserplatten
Holzfaserplatten werden in einem Reaktionsbehälter (Defibrator) hergestellt.
Die Späne werden dabei unter Dampf aufgeschlossen und anschließend durch
Mahlscheiben mechanisch zerfasert. In Abhängigkeit des Herstellverfahrens
(Nass / Trocken) wird dem Faserbrei noch das Bindemittel und ggf. Holzschutz-
mittel beigemischt. Die Verwendung erfolgt in Abhängigkeit der Rohdichte (po-
rös, mittelhart, hart).

3.3.2 Physikalische Eigenschaften


Von den im Bauwesen meist verwendeten Werkstoffen weist Holz das günstigste
Verhältnis von d / Lmax auf, was bedeutet, dass mit Holz die längste Grenzspannweite
Lmax bei niedrigster Bauhöhe d erreicht werden kann, bevor es unter seinem Eigen-
gewicht zu Bruch geht (Bild 3-27).

Bild 3-27 Grenzspannweiten bei einem Balken mit Rechteckquerschnitt

Holz ist ein natürlicher Werkstoff mit erheblichen Schwankungen seiner Eigen-
schaften (Tab. 3-13), die von der Art des Baumes, seinen Wachstumsbedingungen
(Jahresringbreite, Ästigkeit, Faserneigung), dem Zuschnitt (Kernholz, Splintholz), der
Feuchte beim Einschlag, seiner Lagerung vor dem Einbau ins Tragwerk, dem Umge-
bungsklima nach seinem Einbau und vielen anderen Einflussfaktoren abhängen. Ins-
besondere die Anisotropie des Holzes und die Holzfeuchte muss bei der Bemessung
von Holzkonstruktionen und bei der Berechnung der Verformungen berücksichtigt
werden.

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Nadelholz (C14) - Laubholz (D70)


3
Dichte [kN/m ] 2,9 - 9,0
Elastizitätsmodul parallel E0,mean [N/mm2] 7000 - 20000
2
Elastizitätsmodul rechtwinklig E90,mean [N/mm ] 230 - 1330
2
Zugfestigkeit parallel ft,0,k [N/mm ] 8 - 42
2
Zugfestigkeit rechtwinklig ft,90,k [N/mm ] 0,4 - 0,5
2
Druckfestigkeit parallel fc,0,k [N/mm ] 16 - 34
2
Druckfestigkeit rechtwinklig fc,90,k [N/mm ] 2,0 - 13,5
2
Biegefestigkeit fm,k [N/mm ] 14 - 70
Wärmeleitfähigkeit [W/(m·K)] ~0,13 - ~0,20

Tab. 3-13 Physikalische Eigenschaften von Holz

3.3.2.1 Holzfeuchtigkeit
Die Holzfeuchtigkeit kann in zwei Bereiche unterteilt werden, die durch die Fasersätti-
gung voneinander abgegrenzt sind.
Bei Fasersättigung (Bild 3-28) sind die Holzfasern gesättigt, in den Zellhohlräumen
befindet sich aber kein frei tropfbares Wasser. Die Fasersättigung liegt im Mittel bei
ca. 30 %.

a) b)
Bild 3-28 a) Quellmaße in Richtung der drei Hauptachsen von Fichtenholz in Abhängigkeit
von der Gleichgewichtsholzfeuchte; b) Gleichgewichtsholzfeuchte und relative
Luftfeuchte bei 20°C für Fichtenholz nach Noack / Schwab

Kapillarer Bereich (oberhalb der Fasersättigung):


Das Wasser befindet sich frei tropfbar in den Zellhohlräumen. Die Holzfasern sind
gesättigt, sie unterliegen keiner Volumenänderung. Die meisten Holzeigenschaften

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im kapillaren Bereich sind unabhängig von der Holzfeuchtigkeit (Beispiel: Holz im


waldfrischen Zustand).
Hygroskopischer Bereich (unterhalb der Fasersättigung):
Das Wasser befindet sich gebunden in den Zellwänden und als Dampf in den größe-
ren Zellhohlräumen. Die Holzfasern sind nicht gesättigt, sie unterliegen einer Volu-
menänderung, wenn sich die Holzfeuchtigkeit ändert.
Der hygroskopische Bereich ist von baupraktischem Interesse. In diesem Bereich
strebt Holz stets einen Gleichgewichtszustand der Holzfeuchtigkeit mit dem Umge-
bungsklima an; je nach Änderung des Klimas wird Feuchtigkeit aufgenommen oder
abgegeben. Über längere Zeit stellt sich im Holz allmählich eine bestimmte Holz-
feuchtigkeit ein, die mit dem Umgebungsklima im Gleichgewicht (Gleichgewichtsholz-
feuchtigkeit) steht.
Aufgrund dieser Eigenschaft müssen Holztragwerke für die Bemessung bestimmten
Nutzungsklassen (Tab. 3-14) zugewiesen werden, die die klimatischen Verhältnisse
der Umgebung des Bauwerks während seiner Lebensdauer kennzeichnen. Liegt die
Holzfeuchte zum Zeitpunkt des Einbaus wesentlich über den genormten Grenzwer-
ten, so darf das Holz nur für solche Bauwerke verwendet werden, bei denen es nach-
trocknen kann. Die Quell- und Schwindeigenschaften sind dabei zu berücksichtigen.

Nutzungsklasse Beschreibung
Holzfeuchtegehalt bei einer Temperatur von 20°C und 65 % relativer Luft-
feuchte, die nur für einige Wochen pro Jahr überschritten wird. (Gleichge-
1
wichtsfeuchte ≤ 12 %); Holzbauteile in geschlossenen, beheizten Berei-
chen
Holzfeuchtegehalt bei einer Temperatur von 20°C und 85 % relativer Luft-
2 feuchte, die nur für einige Wochen pro Jahr überschritten wird. (Gleichge-
wichtsfeuchte ≤ 20 %); überdachte Holzbauteile im Freien
Sie erfasst Klimabedingungen, die zu höheren Feuchtegehalten führen,
3 als in Nutzungsklasse 2 angegeben. (Gleichgewichtsfeuchte > 20 %);
Holzbauteile, die frei der Witterung ausgesetzt sind

Tab. 3-14 Nutzungsklassen von Bauwerken in Abhängigkeit vom Holzfeuchtegehalt

3.3.2.2 Quellen und Schwinden


Holz quillt infolge Feuchtigkeitszunahme und schwindet infolge Feuchtigkeitsabnah-
me. In der Umgangssprache werden diese Volumenänderungen als „Arbeiten des
Holzes“ bezeichnet. Das freie Wasser in den Zellhohlräumen hat nur geringen Ein-
fluss. Deshalb treten Quell- und Schwindverformungen von Hölzern nur unterhalb der
Fasersättigung auf. In diesem Bereich besteht ein linearer Zusammenhang zwischen
Quellen / Schwinden und der Holzfeuchtigkeit etwa zwischen u = 5 % und u = 20 %
(Bild 3-28 b). Für praktische Zwecke darf jedoch ein linearer Zusammenhang zwi-
schen Form- und Feuchteänderung hinreichend genau von u = 0 % bis u = 30 % an-

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genommen werden. Quellen und Schwinden sind von etwa gleicher Größenordnung
und weitgehend reversibel. Generell nimmt es mit wachsender Rohdichte zu, da der
Anteil der Zellwände (Holzfasern) am Gesamtvolumen steigt. Deshalb neigen im All-
gemeinen schwerere Hölzer mehr zu Formänderungen infolge Feuchtigkeits-
änderungen als leichtere Hölzer. Der Größtwert tritt in tangentialer Richtung auf, ist
etwa halb so groß in radialer, oft vernachlässigbar klein in Längsrichtung und bei au-
ßenliegendem Splintholz größer als bei innenliegendem Kernholz (Bild 3-29). In
Tab. 3-15 werden Rechenwerte für das Schwind- und Quellmaß für alle Richtungen
senkrecht zur Faserrichtung angegeben. Für Nadelholz und Eiche beträgt das norm-
gemäße Schwind- und Quellmaß q = 0,24 % pro Änderung der Holzfeuchte um 1 %.
Für eine Änderung der Holzfeuchte u um Δu [%] ergibt sich eine Dehnung um:

ε = q ⋅ Δu (3.2)

und eine Änderung Δd der Dickenabmessung d um:

Δd = q ⋅ Δu ⋅ d (3.3)

z. B.: Δd = 0,24 % ⋅ 10 ⋅ 20 cm ≈ 0,5 cm für einen 20 cm dicken Balken bei 10 %


Feuchteänderung.
Zu große Verformungen können zu Schäden an der Baukonstruktion führen, wie bei-
spielsweise das Lösen von Anschlüssen.

Schwind- und Quellmaß in % für Än-


Baustoff derung der Holzfeuchte um 1% un-
terhalb des Fasersättigungsbereiches
Fichte, Kiefer, Tanne, Lärche, Doug-
1 lasie, Western Hemlock, Afzelia, Sou- 0,24
thern Pine, Eiche
2 Buche 0,3
3 Teak, Yellow Cedar 0,2
4 Azobé (Bongossi), Ipe 0,36
5a Sperrholz 0,02
5b Brettsperrholz 0,02
Funierschichtholz ohne Querfuniere
in Faserrichtung der Deckfuniere 0,01
6a
rechtwinklig zur Faserrichtung der 0,32
Deckfuniere
Funierschichtholz mit Querfunieren
in Faserrichtung der Deckfuniere 0,01
6b
rechtwinklig zur Faserrichtung der 0,03
Deckfuniere
Kunstharzgebundene Spanplatten;
7 0,035
Faserplatten

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8 Zementgebundene Spanplatten 0,03


9a OSB-Platten, Typen OSB/2 und 0,03
OSB/3
9b OSB-Platten, Typ OSB/4 0,015
a
Werte gelten für etwa gleichförmige Feuchteänderung über den Querschnitt
b
Für Hölzer nach den Zeilen 1 bis 4 gilt in Faserrichtung des Holzes ein Rechenwert von 0,01%/%

Tab. 3-15 Quell- und Schwindmaße verschiedener Hölzer nach DIN 1052, Anhang F, Ta-
belle F.4

Bild 3-29 Schwindverformungen in Abhängigkeit vom Zuschnitt und bei eingebauten Kant-
hölzern

Der Einfluss von Temperaturänderungen kann vernachlässigt werden, wobei aber zu


bedenken ist, dass Temperaturänderungen im Allgemeinen Feuchteänderungen zur
Folge haben.

3.3.2.3 Festigkeiten
Holz verhält sich unter Zug linear-elastisch fast bis zum Bruch, während bei Druck-
beanspruchung durch das Ausknicken der Fasern schon bei geringerer Beanspru-
chung die Proportionalitätsgrenze erreicht wird und sich dann ein ausgeprägter
plastischer Bereich anschließt. Berücksichtigung findet das plastische Verhalten bei
kombinierter Druck- und Biegebeanspruchung und im Knickbeiwert kc.
Durch die Anisotropie des Holzes hängen die elastomechanischen Eigenschaften
(Elastizitäts-, Schub- und Torsionsmodul (Tab. 3-18) sowie Zug-, Druck-, Biege- und
Schubfestigkeit (Tab. 3-16, Tab. 3-17)) sehr stark von der Richtung der Einwirkung
zur Faser ab. Die Zugfestigkeit in Faserrichtung ist bei fehlerfreien Proben etwa dop-
pelt so groß wie die Druckfestigkeit. Allerdings fällt die Zugfestigkeit bei geringer Ab-
weichung von der Fasserrichtung (0°≤ α ≤ 15°) wesentlich stärker ab als die
Druckfestigkeit (Bild 3-30). Aus diesem Grund ist für die charakteristische Zugfestig-
keit in Faserrichtung ein entsprechend geringerer Rechenwert festgelegt worden.

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Bild 3-30 Prozentuale Festigkeitsverminderung in Abhängigkeit vom Winkel α

Festigkeitsklasse C16 C18 C24 C27 C30 C35 C40


Sortierklasse nach DIN 4074-1 S7 S 10 S 13 C35M C40M
Festigkeitskennwerte in N/mm2
Biegung fm,k 16 18 24 27 30 35 40
Zug parallel ft,0,k 10 11 14 16 18 21 24
rechtwinklig ft,90,k 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4
Druck parallel fc,0,k 17 18 21 22 23 25 26
rechtwinklig fc,90,k 2,2 2,2 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9
Schub und Torsion fv,k 1) 2,7 2,7 2,7 2,7 2,7 2,7 2,7
1)
Als Rechenwert für die charakteristische Rollschubfestigkeit des Nadelholzes darf für alle Festigkeitsklassen
2
fR,k = 1,0 N/mm angenommen werden.

Tab. 3-16 Rechenwerte für die charakteristischen Festigkeitskennwerte (Xk, 5 % Quantil-


werte) für Nadelholz (DIN 1052, Anhang F), Vorzugsklassen sind unterlegt

Festigkeitsklasse GL24h GL28h GL32h GL36h


2
Festigkeitskennwerte in N/mm
Biegung fm,k 24 28 32 36
Zug parallel ft,0,k 16,5 19,5 22,5 26
rechtwinklig ft,90,k 0,5 0,5 0,5 0,5
ht i kli f
Druck parallel fc,0,k 24 26,5 29 31
rechtwinklig fc,90,k 2,7 3,0 3,3 3,6
Schub und Torsion fv,k 1) 3,5 3,5 3,5 3,5
1)
Als Rechenwert für die charakteristische Rollschubfestigkeit des Brettschichtholzes darf für alle Festigkeitsklassen
2
fR,k = 1,0 N/mm angenommen werden.

Tab. 3-17 Rechenwerte für die charakteristischen Festigkeitskennwerte (Xk, 5 % Quantil-


werte) für homogenes Brettschichtholz (DIN 1052, Anhang F)

Holzart Festigkeits- Elastizitätsmodul Schubmodul


klasse nach parallel rechtwinklig Gmean
DIN 1052
E0,mean E90,mean

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Nadelholz C16 8 000 270 500


C24 11 000 370 690
C30 12 000 400 750
C35 13 000 430 810
C40 14 000 470 880
homogenes BSH GL24h 11 600 390 720
GL28h 12 600 420 780
GL32h 13 700 460 850
GL36h 14 700 490 910
A Eiche, Buche, Teak D30 10 000 640 600

Tab. 3-18 Rechenwerte für die charakteristischen Steifigkeitskennwerte (Xk) in MN/m2


nach DIN 1052, Anhang F

3.4 Beton

3.4.1 Druckfestigkeit
Der Bemessung nach DIN 1045-1 liegt die „charakteristische Zylinderdruckfestig-
keit“ fck zugrunde. Sie sollte mit Hilfe genormter Prüfverfahren nach DIN 1045-2 und
DIN EN 206-1 an Betonzylindern im Alter von 28 Tagen bestimmt werden, wird aber
noch vielfach an Würfeln geprüft (DIN 1048). Die charakteristische Druckfestigkeit ist
definiert als 5 %-Quantile, d. h. es dürfen nicht mehr als 5 % aller möglichen Proben
unter fck liegen. Um dies auch für die in der Praxis übliche Prüfung an nur 3 Probe-
körpern zu gewährleisten, muss das Mittel fcm aus den 3 Probekörpern um das „Vor-
haltemaß“ 8 N/mm2 über fck liegen:

fck = fcm - 8 N/mm2 (3.4)

Entsprechend seiner charakteristischen Festigkeit wird der Beton in eine der in


Tab. 3-19 angegebenen Festigkeitsklassen eingeordnet. Die Bezeichnung C 20/25
gibt die Zylinderfestigkeit fck = 20 N/mm² bzw. die Würfelfestigkeit (Würfel mit Kann-
tenlänge 15 cm) fck,cube = 25 N/mm2 an.
Für die Bemessung ist der Bemessungswert der Druckfestigkeit fcd (d = design) des
Betons maßgebend. Dieser beträgt:

fcd = α ⋅ fck / γc (3.5)

Der Festigkeitsabfall unter lang andauernden Lasten (Dauerfestigkeit) wird bei Nor-
malbeton mit dem Beiwert α = 0,85 bzw. bei Leichtbeton mit α = 0,75 (bei Verwen-
dung des Spannungsblocks oder des Parabel-Rechteck-Diagramms) berücksichtigt.
Obige Festigkeitswerte gelten nur für einaxiale Beanspruchungen. Bei zweiaxialem
Druck ergeben sich experimentell bis zu 25 % höhere Festigkeiten und bei dreiaxialer
Druckbeanspruchung sogar sehr viel höhere Druckfestigkeiten. Diese sind in den

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Normen aber nicht geregelt mit Ausnahme der sog. Teilflächenbelastung (Bild 3-31).
Dabei beträgt nach DIN 1045-1 die aufnehmbare Last:

A c1 für Normalbeton (3.6)


FRdu = A c 0 ⋅ fcd ⋅ ≤ 3,0 ⋅ fcd ⋅ A c 0
A c0

ρ / 4800
⎛A ⎞ ρ
FRdu = A c 0 ⋅ flcd ⋅ ⎜⎜ c 1 ⎟⎟ ≤ ⋅ flcd ⋅ A c 0 für Leichtbeton (3.7)
⎝ A c0 ⎠ 800

Ac0: Belastungsfläche

Ac1: geometrisch ähnliche Lastausbreitungsfläche mit gleichem


Schwerpunkt wie Ac0

ρ: Trockenrohdichte [kg/m³]

h ≥ b2 - b1
h ≥ d2 - d1

Bild 3-31 Zur Definition der Flächen bei Teilflächenbelastung nach DIN 1045-1

Querzugbeanspruchungen und Risse mindern den Bemessungswert der Druck-


festigkeit auf σRd,max = αc ⋅ fcd. Für den Nachweis der Druckstrebe im Balken nach
DIN 1045-1 gilt:

αc = 0,75 ⋅ η1 (3.8)

η 1: 1,0 für Normalbeton

η 1: 0,40 + 0,60 ⋅ ρ / 2200 für Leichtbeton

3.4.2 Zugfestigkeit
Die Zugfestigkeit fct des Betons sollte nach ENV 206 bestimmt werden. Die Mittelwer-
te und die charakteristischen Werte der Betonzugfestigkeit dürfen nach DIN 1045-1,
Abschn. 9.1.2 aus folgenden Gleichungen ermittelt werden (Tab. 3-19), wobei alle
Festigkeiten die Dimension N/mm² (= MN/m²) haben:

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fctm = 0,30 ⋅ fck2 / 3 Mittelwert bis C 50/60 (3.9)

fctk;0,05 = 0,7 ⋅ fctm 5 %-Quantilwert (3.10)

fctk;0,95 = 1,3 ⋅ fctm 95 %-Quantilwert (3.11)

Diese empirischen Formeln liefern wahrscheinliche Werte, die aber nicht wie die cha-
rakteristische Druckfestigkeit fck als gesicherte Bemessungsgrundlage verwendet
werden können, denn die sog. Zugfestigkeit des Betons hängt von zusätzlichen,
rechnerisch nicht erfassten Eigenspannungszuständen ab und streut dadurch sehr
stark. Für die Bemessung darf die Zugfestigkeit des Betons nicht in Ansatz gebracht
werden, doch wird sie oftmals „versteckt“ benötigt, z. B. bei Verankerungen, Über-
greifungsstößen und Umlenkungen der Bewehrung. Sie ist auch für die Rissbildung
und die Berechnung der Durchbiegungen von großer Bedeutung.

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1)
Die Festigkeitsklassen C 12/15 und LC 12/13 dürfen nur bei vorwiegend ruhenden Lasten verwendet werden.
2)
Mittlerer E-Modul als Sekantenmodul bei |σc| = 0,4 · fcm.

Tab. 3-19 Mechanische Eigenschaften von Normalbeton und Leichtbeton, DIN 1045-1

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3.4.3 Spannungs-Dehnungs-Linien Beton


Die Spannungs-Dehnungs-Linie hat nach DIN 1045-1 bei einachsiger Druckbean-
spruchung im Allgemeinen den schematisch im Bild 3-32 dargestellten Verlauf. Die-
ser hängt nicht nur von der Art und Festigkeit des Betons, sondern auch von dem
Versuchsablauf ab (Dehngeschwindigkeit, Lastwiederholungen), der Art der Bean-
spruchung (Normalkraft, Biegung) und vielem anderem mehr. Der abfallende Ast der
σ-ε-Linie trägt erheblich zur Duktilität (Zähigkeit) des Betons bei. Er kann nur in
dehngesteuerten Versuchen gemessen werden und ist auch im Tragwerk nicht im-
mer ausnutzbar. Je hochfester der Beton, desto geringer ist seine Duktilität.
Für die praktische Anwendung sind in DIN 1045-1, Abschn. 9.1.5 und 9.1.6 verschie-
dene Spannungs-Dehnungs-Linien angegeben. Der Querschnittsbemessung wird
i. a. das sog. Parabel-Rechteck-Diagramm zugrunde gelegt (Bild 3-33). Der gestri-
chelt dargestellte horizontale, ideal-plastische Ast des σ-ε−Diagramms darf nur bei
Biegung ausgenutzt werden. Alternativ dürfen auch eine stetig gekrümmte oder eine
bilineare Spannungs-Dehnungs-Linie (analog zur Stahlkennlinie) oder eine recht-
eckige Spannungsverteilung (Spannungsblock, Bild 3-34) in der Biegedruck-zone
angewendet werden. Die Form der Spannungs-Dehnungs-Linie hat keinen wesentli-
chen Einfluss auf die Tragfähigkeit.

fc: Höchstwert der Betondruckspannung


εc1: Stauchung unter dem Höchstwert fc
εcu: Bruchstauchung

Bild 3-32 Spannungs-Dehnungs-Linie für die Schnittgrößenermittlung mit nichtlinearen


Verfahren und für Verformungsberechnungen nach DIN 1045-1

εc2: Dehnung beim Erreichen der Festigkeitsgrenze: -2,0 °%


εc2u: Maximale Dehnung: -3,5°%

Bild 3-33 Spannungs-Dehnungs-Linie (Parabel-Rechteck-Diagramm) für die Querschnitts-


bemessung nach DIN 1045-1

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χ ≈ 0,95 für fck ≤ 50 N/mm²


χ = 1,05 – fck / 500 für fck > 50 N/mm²
k = 0,8 für fck ≤ 50 N/mm²
k = 1,0 – fck / 250 für fck > 50 N/mm²

Sofern die Querschnittsbreite zum gedrückten Rand hin abnimmt, ist fcd zusätzlich mit dem Faktor 0,9 abzumindern

Bild 3-34 Spannungsblock für die Biegebemessung nach DIN 1045-1

3.4.4 Elastizitätsmodul und Querkontraktion


Wie die stark gekrümmten Spannungs-Dehnungs-Linien zeigen, gibt es eigentlich
keinen Elastizitätsmodul des Betons als Materialkonstante im Sinne der Elastizitäts-
theorie. Da man aber für die lineare Schnittgrößenermittlung einen solchen Modul be-
nötigt, wird er entsprechend Bild 3-32 als Sekantenmodul definiert. Dieser Elastizi-
tätsmodul Ecm hängt nicht nur von der Betonfestigkeitsklasse, sondern auch von den
Eigenschaften der verwendeten Betonzuschläge und von vielen anderen Parametern
ab, die durch die Betonzusammensetzung und die Umweltbedingungen beeinflusst
werden. Er kann nach DIN 1045-1, Abschn. 9.1.7 für Normalbeton überschlägig mit
folgender Gleichung ermittelt werden (Tab. 3-19):
1/3
Ecm = 9500 ⋅ (fck + 8) [N/mm2] (3.12)

Für Leichtbeton gilt:

Elcm = Ecm ⋅ ηE [N/mm2] (3.13)

2
ηE = (ρ / 2200)
Der Ecm-Modul wird im Allgemeinen nicht für die Spannungsermittlung bei der Be-
messung, sondern nur für die Berechnung der Schnittkräfte in statisch unbestimmten
Tragwerken und für die Abschätzung von Tragwerksverformungen im ungerissenen
Zustand verwendet.
Die Querdehnung des Betons wird mit μ = 0,2 angesetzt oder ganz vernachlässigt,
was für gerissenen Beton keine schlechte Näherung darstellt.

3.4.5 Schwinden, Kriechen und Wärmedehnung


Behindertes Schwinden ist eine der häufigsten Ursachen von Rissschäden im Beton,
es wird aber im Allgemeinen nicht rechnerisch verfolgt, sondern seine Auswirkungen
werden durch Maßnahmen wie beispielsweise die Anordnung von Fugen und riss-
breitenbeschränkende Bewehrung kontrolliert.

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Das Kriechen des Betons muss vor allem bei der Ermittlung von Verformungen be-
rücksichtigt werden. Auf die Tragfähigkeit hat es - abgesehen von Stabilitäts-
problemen - keinen negativen Einfluss. Vielmehr trägt das Kriechen zur Duktilität und
Zähigkeit von Betontragwerken bei, indem lokale Spannungskonzentrationen
vergleichmäßigt und die Beanspruchungen aus Zwangsverformungen stark abgebaut
werden.
Das Schwinden und Kriechen wird regelmäßig in vorgespannten Betontragwerken
und vor allem im Verbundbau rechnerisch verfolgt.
Die Wärmedehnzahl von Beton ist ähnlich derjenigen von Stahl (αT = 12 ⋅ 10-6 K-1),
was die Verträglichkeit der beiden häufig im Verbund miteinander verwendeten
Werkstoffe erleichtert. Im Allgemeinen rechnet man mit:

αT = 10 ⋅ 10-6 K-1 für Normalbeton

αT = 8 ⋅ 10-6 K-1 für Leichtbeton

Wenn Stahl nur teilweise einbetoniert wird, ist zu beachten, dass eine Erwärmung
der aus dem Beton herausragenden Stahlteile wegen der etwa 30 mal größeren
Wärmeleitfähigkeit des Stahls sehr schnell in die einbetonierten Teile weitergeleitet
wird. Dies bringt z. B. Vorteile in Bezug auf den Feuerwiderstand von Verbund-
bauteilen.

3.5 Mauerwerk
Meistens sind die bauphysikalischen Anforderungen und die Steinformate für die
Wahl der Art und der Abmessung des Mauerwerks entscheidend. Der Nachweis der
Tragfähigkeit geschieht in der Praxis mit sehr einfachen Regeln, obwohl Mauerwerk
aufgrund der vielfältigen Arten und Kombinationsmöglichkeiten seiner Bestandteile
(Steine, Mörtel- bzw. Klebefuge, Hohlräume) ein sehr komplexer „Werkstoff“ ist (ei-
gentlich ist Mauerwerk ein Bauteil). Die DIN 1053 gibt für die fast ausschließlich an-
gewendete „Bemessung nach dem vereinfachten Verfahren“ zulässige Druck-
spannungen in Abhängigkeit von der Steinfestigkeitsklasse und der Mörtelgruppe an
(Tab. 3-20, Tab. 3-22). Diese zulässigen Spannungen gelten für Druck senkrecht zur
Lagerfuge. Die Zugfestigkeit des Mauerwerks senkrecht zur Lagerfuge darf nach
DIN 1053 nicht angesetzt werden.

Bild 3-35 zeigt, dass Mauerwerk kein ausgeprägt plastisches Verhalten aufweist;
denn das Versagen von Mauerwerk unter Druckbeanspruchung ist faktisch ein Zug-
versagen quer zur Wandebene aus Umlenkkräften, die durch das Ausquetschen des
Mörtels aus der Fuge und durch Inhomogenitäten des Mauerwerks (Steine, Mörtel,
Hohlräume) entstehen (Bild 3-36).

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Tab. 3-20 Grundwerte der zulässigen Druckspannungen für Mauerwerk


[DIN 1053-100]

Bild 3-35 Spannungs-Dehnungs-Linien: a) von Mauerwerkskomponenten; b) von verschie-


denen Mauerwerksarten

Bild 3-36 Versagensprinzip von Mauerwerk

Wichtiger als die rechnerisch erfassten Beanspruchungen des Mauerwerks aus Las-
ten sind oftmals die Zwangsbeanspruchungen aus Auflagerverformungen (Setzung,
Deckendurchbiegung), Schwinden und Temperaturverformungen, die in vielen Fällen
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zu Rissen führen. Diese Risse beeinträchtigen die Gebrauchstauglichkeit, haben


aber auf die Standsicherheit kaum Einfluss. Die DIN 1053 enthält einige Verfor-
mungskennwerte, die als Anhaltswerte dienen können, aber nicht als Grenzwerte zu
verstehen sind (Tab. 3-21).
Tendenziell kann gesagt werden, dass gebrannte Steine wenig schwinden; wenn sie
trocken eingebaut werden, können sie sogar quellen, während Mörtel und zement-
gebundene Steine größere Schwindmaße aufweisen. Besonders stark schwindet Na-
turbims, bis zu 0,7 mm/m. Der Mörtelanteil wirkt sich auf das Schwindmaß des Mau-
erwerks etwa entsprechend seinem Volumenanteil aus. Das Schwindmaß ist
feuchtigkeitsabhängig und in trockener, warmer Umgebung (Innenräume) besonders
groß. Außer den Wandtemperaturen im fertigen Bauwerk spielen auch die Tempera-
turen bei der Herstellung des Mauerwerks (Sommer, Winter) eine Rolle; mitunter
werden sogar die Steine noch warm von der Fertigung geliefert.

Tab. 3-21 Verformungskennwerte für Kriechen, Schwinden, Temperaturveränderung sowie


Elastizitätsmoduln [DIN 1053-100]

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Tab. 3-22 Rohdichten und Festigkeitsklassen gängiger Mauersteine, sowie anzusetzende


Eigenlast des Mauerwerks GM nach Holschemacher

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3.6 Glas
Als Werkstoff unterscheidet sich Glas von den übrigen bekannten Werkstoffen des
Bauwesens. Es verfügt zwar über elastische Eigenschaften, doch fehlt ihm die eige-
ne Zähigkeit und damit die Fähigkeit, durch Plastizieren Spannungsspitzen abzu-
bauen. Glas ist ein spröder Werkstoff, der spontan ohne Vorankündigung versagt.
Dichte kN/m3 25
Schmelztemperatur °C ~1100
Elastizitätsmodul N/mm2 70000
-6
Ausdehnungskoeffizient 10 /K 9
2
Festigkeit Zug / Druck N/mm 45 / 700
Wärmeleitfähigkeit W/(m·K) 1

Tab. 3-23 Physikalische Eigenschaften von Glas

Floatglas
Das Basisprodukt für die weitere Glasverarbeitung ist Floatglas (Bezeichnung durch
das Herstellungsverfahren: „Floatverfahren“). Hauptbestandteile von Kalk-Natron-
glas, welches im Bauwesen die mengenmäßig größte Bedeutung hat, sind
Sand = Siliciumdioxid (69-74 %), Calciumoxid (5-12 %) und Natriumoxid / Kaliumoxid
(12-16 %). Die herstellbaren Glasdicken betragen dabei 2 bis 6, 8, 10, 12, 15, 19 und
25 mm, die maximalen Bandmaße 3200 x 6000 mm.
Einscheiben Sicherheitsglas (ESG)
Durch thermisches Vorspannen wird dem Floatglas ein Eigenspannungszustand ein-
geprägt, der dem Glas eine insgesamt höhere Biegetragfähigkeit verschafft
(Bild 3-37). Alle Kantenbearbeitungen, Bohrungen, Anschnitte etc. müssen vor dem
Vorspannen des Glases bereits erfolgt sein.

Eigenspannungszustand Belastung Überlagerung

Bild 3-37 Resultierender Spannungsverlauf bei vorgespanntem biegebeanspruchtem Glas

Bedingt durch die gespeicherte Energie im Eigenspannungszustand zerspringt die


gesamte ESG-Scheibe im Bruchfall schlagartig in kleine, miteinander verhakte, wür-
felförmige Bruchstücke. Die Größe der Bruchstücke (Bild 3-38) ist dabei ein Maß für
die Höhe der eingeprägten Oberflächendruckspannungen.

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Bild 3-38 Bruchbild von ESG

Teilvorgespanntes Glas (TVG)


Der in dieses Glas eingeprägte Vorspannungszustand ist geringer als beim ESG, die
Festigkeit demzufolge auch etwas niedriger. Infolge der grobflächigeren Bruchstruk-
tur (Bild 3-39) weisen VSG-Scheiben aus TVG im Fall von Glasbruch eine im Ver-
gleich zu ESG verbesserte verbleibende Tragfähigkeit (Resttragfähigkeit) auf.

Bild 3-39 Bruchbild von TVG

Verbundsicherheitsglas (VSG)
Verbundsicherheitsglas besteht aus mindestens zwei Scheiben (Floatglas, ESG,
TVG), die ganzflächig durch eine zäh-elastische Zwischenschichte z. B. PVB-Folie
(Polyvinyl-Butyral-Folie), Dicke 0,38 bis 1,52 mm; miteinander verbunden sind
(Bild 3-40). Die Herstellung erfolgt im Autoklaven unter Temperaturen (<160°C) und
hohem Druck (~12 bar). Beim Bruch der Glasscheibe haften die Glasstücke an der
Folie.

Bild 3-40 Aufbau von VSG

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Die Bemessung von Glas erfolgt zur Zeit auf der Basis von zulässigen Spannungen
(„globales“ Sicherheitskonzept), d. h. die Biegezugfestigkeiten nach Tab. 3-24 sind
mit einem für die Glasart und Anwendung spezifischen „globalen“ Sicherheitsbeiwert
zu dividieren. Bedingt durch die Bruchmechanik (Navier) sind die Hauptzugspannun-
gen maßgebend für den Vergleich mit den zulässigen Spannungen.

Glaserzeugnis Biegezugfestigkeit in N/mm2


Floatglas 45
Teilvorgespanntes Glas (TVG) 70
Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) 120

Tab. 3-24 Biegezugfestigkeiten für Floatglas nach DIN 1249-10, TVG: DIN EN 1863-1,
ESG: DIN EN 12150-1

3.7 Membranen

Bild 3-41 Versuchsmodell aus Tüll zum Deutschen Pavillon EXPO Montreal 1967

Ausgangsprodukt und somit kleinster Baustein textiler Werkstoffe ist die Faser, wel-
che der Naturfaser oder Chemiefaser zugeordnet wird. Aufgrund der Feinheit
d ~ 0,1 mm werden Fasern zu einem Garn weiterverarbeitet, das sich aus mehreren
hundert Einzelfasern zusammensetzen kann. Die für Gewebe verwendeten Garne
(Bild 3-42) werden in der Weberei zu Rohgeweben verwebt. Diese bestehen aus sich
rechtwinklig kreuzenden Fadensystemen, den Kett- und Schussfäden. Die Faden-
dichte, die Bindungsart (Bild 3-43) sowie die Welligkeit des Fadens durch die Einbin-
dung der Schussfäden in die Kettfäden haben einen wesentlichen Einfluss auf die
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mechanischen Eigenschaften des Gewebes. Insbesondere die Einbindung der Fäden


führt zu einem orthotropen, nichtlinearen und unelastischen Materialverhalten
(Bild 3-44).

a) b) c)
Bild 3-42 a) Garn, S- oder Z-Drehung; b) Zwirn; c) Gewebe

Leinwand L 1/1 Körper K 1/2 Atlas A 1/4 Panama L 2/2

Bild 3-43 Bindungsarten

Bild 3-44 Kraft-Dehnungs-Verhalten in Abhängigkeit von der Faserrichtung

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Membranmaterialien
Das Rohgewebe wird nicht direkt als Baustoff eingesetzt, sondern erhält je nach Fa-
serart, Erscheinungsbild und Funktion einen Haft-/Grundstrich, Deckstrich und eine
Lackierung (Bild 3-45).

1 Gewebe
2 Haft-/Grundstrich
3 Deckstrich
4 Lackierung

Bild 3-45 Beschichtungen des Gewebes

Baumwollgewebe erhalten eine Imprägnierung, die flammhemmende, fungizide und


wasserabstoßende Eigenschaften aufweist. Chemiefasern werden mit PVC, PTFE
oder Silikon beschichtet. Um das Anschmutzverhalten zu verbessern werden z. T.
Acrylat- oder PVDF Lackierungen aufgebracht. Bislang werden ~ 90 % aller Memb-
ranprojekte mit einer der drei folgenden Materialarten realisiert (Tab. 3-25):
- PTFE (Polytetrafluorethylen)-beschichtetes Glasgewebe bei Bauten mit erhöhten
Anforderungen an das Anschmutzverhalten, die Dauerfestigkeit und das Brand-
verhalten.
- PVC (Polyvinylchlorid)-beschichtetes Polyestergewebe bei wandelbaren Kon-
struktionen aufgrund der guten Faltbarkeit.
- ETFE (Ethylentetrafluorethylen)-Folie bei transparenten oder pneumatischen
Konstuktionen.

Tab. 3-25 Physikalische Eigenschaften marktüblicher Membranmaterialien

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Die Form, des nur auf Zug beanspruchbaren textilen Flächentragwerkes, muss nicht
nur gestalterischen und funktionalen Anforderungen gerecht werden, sondern auch
physikalisch möglich sein, was bedeutet, dass sie im vorgespannten Zustand im
Gleichgewicht sein muss. Das Gewebe darf in diesem Zustand an keiner Stelle Fal-
ten werfen. Im Vergleich zu Materialien, die sowohl Zug- als auch Druckkräfte auf-
nehmen können, kann dieser Zustand nur durch Formfindungsmethoden
(experimentell / mathematisch-numerisch) erreicht werden. Die gewonnenen Geo-
metrie- und Vorspannungsdaten können als Ausgangspunkte für die statische Be-
rechnung sowie Zuschnittsermittlung weiterverwendet werden.

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4 Verbund zwischen Beton und Stahl


Um Stahl- und Spannbetontragwerke bemessen zu können, ist außer den eigent-
lichen Stoffgesetzen der verwendeten Baustoffe Beton und Stahl auch ihr Zusam-
menwirken, der sog. Verbund, zu definieren.

4.1 Das Wesen des Verbundes


Die Kraftübertragung zwischen dem Beton und dem einbetonierten Stahl ist eine
Voraussetzung für das Funktionieren des Verbundwerkstoffes Stahlbeton. Sie erfolgt
bei glatten Stahlstäben durch Haftung und Reibung, bei den heute gebräuchlichen
gerippten Stäben aber hauptsächlich durch Formverbund („Scherverbund“) infolge
der Verzahnung der Bewehrung mit dem umgebenden Beton. Wenn der Beweh-
rungsstab gegenüber dem Beton unterschiedlich gedehnt wird, stützen sich die Rip-
pen über schräge Druckkräfte auf den Beton ab. Dabei können in der Kontaktfläche
sehr hohe Druckspannungen aufgenommen werden, weil sich im Beton ein mehraxi-
aler Druckspannungszustand einstellt (vgl. auch die sog. „Teilflächenbelastung“).
Von den Rippen aus breiten sich die Druckkräfte im Beton aus, wobei die Umlenkun-
gen der Druckspannungstrajektorien zunächst die günstigen Querdruckspannungen
in der Nähe der Kontaktfläche bewirken und im weiteren Verlauf dann aber auch ra-
diale und tangentiale Betonzugspannungen (bezogen auf die Bewehrungsachse)
hervorrufen. In Versuchen wurde gezeigt, dass von jeder Rippe ein kegelförmiger
Riss ausgeht, der in Richtung der eingeleiteten Kraft geneigt ist (Bild 4-1 a). Ganz
grob kann man deshalb das Tragverhalten des Betons in der Umgebung des durch
Verbundkräfte beanspruchten Bewehrungsstabes mit dem Kegel-Zugring-Modell in
Bild 4-1 c, d veranschaulichen und auch berechnen.
Durch die Verformungen des „Druckkegels“ verschiebt sich der Bewehrungsstab un-
ter Last relativ zum umgebenden Beton („verschieblicher Verbund“). Auch diese Last-
Verformungsbeziehung ist nicht linear und hängt von sehr vielen Parametern ab. Für
die praktische Bemessung wird sie nicht benötigt: man nimmt vereinfacht „starren
Verbund“ zwischen Beton und Bewehrung an und vernachlässigt die in Wirklichkeit
auftretenden Unverträglichkeiten der Verformungen.
Da die Verbundwirkung durch Haftung und Reibung zwischen Stahlprofilen und dem
Beton relativ gering ist, werden bei sog. Verbundkonstruktionen zusätzliche Ver-
bundmittel eingesetzt, meistens Kopfbolzendübel, mitunter auch Blockdübel und an-
geschweißte Bewehrungsschlaufen (Bild 4-2). Auch in diesen Fällen werden die
Scherkräfte zwischen Beton und Stahlprofil durch schräge Druckstreben und quer
gerichtete Zugkräfte übertragen.

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a) b)

c) lb,net d)
Bild 4-1 a) Von den Stahlrippen ausgehende kleine Risse im Beton; b) Tragmodell des
Verbundes bei geripptem Bewehrungsstahl; c) Stabwerkmodell in der Ebene;
d) räumlich Darstellung

Bild 4-2 Kopfbolzendübel; Blockdübel

4.2 Verbundfestigkeit
Der Verbund versagt, wenn entweder die dreiaxiale Festigkeit des Druckkegels
(Bild 4-1 c, d) überschritten wird und dadurch die Betonkonsolen abscheren oder
wenn die Querzugbeanspruchungen (im Zugring des Modells) nicht mehr aufgenom-
men werden können, weil z. B. die Betondeckung des Bewehrungsstabes zu gering
ist.

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Die Verbundeigenschaften hängen von vielen Einflüssen ab, deren wichtigste sind:
a) Oberfläche der Stäbe, hauptsächlich charakterisiert durch die bezogene Rip-
penfläche:

fR = hr / sr = Rippenhöhe / Rippenabstand (4.1)

Glatte Stähle, wie sie früher verwendet wurden und heute noch bei manchen
Spannverfahren vorkommen, haben wesentlich schlechtere Verbundeigen-
schaften.
b) Betonzusammensetzung und Betonfestigkeit fcm, wobei die Verbundfestigkeit
ungefähr proportional zur Zugfestigkeit ist; relativ schlechten Verbund liefert der
Verpressmörtel in Spanngliedern.
c) Lage des Stabes im Beton (Bild 4-3). Stehende Stäbe haben günstigere Ver-
bundeigenschaften als liegende, unter denen sich der Beton setzt und Hohl-
räume bildet (Bild 4-4). Insbesondere die nahe der oberen Betonierfläche
liegenden Stäbe sind ungünstig und haben deshalb auch nach DIN 1045-1 ge-
ringere zulässige Verbundspannungen.
d) Stabdurchmesser ds; dickere Stäbe haben ein ungünstigeres Verhältnis zwi-
schen Querschnittsfläche und Oberfläche und daher in der Regel auch zwi-
schen Stabkraft und Oberfläche.
e) Querpressungen auf den verankerten Bewehrungsstab, z. B. über einem Aufla-
ger, wirken sich günstig aus.
f) Die Verbundspannungen nehmen anfänglich mit der Relativverschiebung zwi-
schen Stab und Beton zu (Bild 4-3).
g) Bewegungen der Bewehrung während des Erhärtens (unvermeidlich z. B. bei
Gleitschalung).

Bild 4-3 Einfluss der Lage des Bewehrungsstabes auf den Verbund (aus Versuchen)

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Bild 4-4 Hohlräume und Poren unter liegenden Stäben infolge Sedimentation des Betons

Die genannten Einflüsse entlang der Oberfläche des Stabes bezeichnet man als Ver-
bund und verwendet als Maß der Beanspruchungshöhe die gemittelte „Verbundspan-
nung“ τbd. Der formale Charakter einer Schubspannung darf aber nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass der Verbund in Wirklichkeit über Druck und Zugspannungen
wirkt.
In der Praxis wird mit gleichmäßiger Verteilung der Verbundspannung über den Stab-
umfang π · ds und die Verbundlänge lb gerechnet:

Fs
τb = ≤ fbd (4.2)
π⋅ d s ⋅lb

Fs: auf die Länge lb übertragene Kraft


In DIN 1045-1 sind Bemessungswerte der Verbundfestigkeit fbd (Tab. 4-1) angege-
ben. Diese beinhalten den Sicherheitsfaktor γc = 1,5.

Spalte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Zeile Charakteristische Betondruckfestigkeit fck in N/mm2
12 16 20 25 30 35 40 45 50 55 60 70 80 90 100
fbd in
1 1,6 2,0 2,3 2,7 3,0 3,4 3,7 4,0 4,3 4,4 4,5 4,7 4,8 4,9 4,9
N/mm2

Tab. 4-1 Bemessungswerte der Verbundspannung für Betonstahl bei guten Verbundbe-
dingungen [DIN 1045-1]

Der Bemessungswert der Verbundfestigkeit ist so festgelegt, dass unter Gebrauchs-


lasten keine wesentliche Verschiebung zwischen Stahl und Beton auftritt und ein
ausreichender Sicherheitsabstand gegen Versagen des Verbunds vorliegt.
Die DIN 1045-1 berücksichtigt bei den Bemessungswerten auch die Lage der Stäbe.
„Gute Verbundbedingungen“ haben beispielsweise „unten liegende“ und mindestens
45° geneigte Stäbe (DIN 1045-1, Abschnitt 12.4). In anderen Fällen, bei „mäßigen
Verbundbedingungen“ sind die Bemessungswerte der Verbundspannungen um 30 %
zu vermindern. Bei Querdruck p, wie er bei Querdehnungsbehinderung im Bauteil-
innern entstehen kann, dürfen die Bemessungswerte bei guten Verbundbedingungen
um den Faktor in Gl. (4.3) erhöht werden.

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1
≤ 1,5 (p in N/mm2) (4.3)
1 − 0,04 ⋅ p

Die aufnehmbaren Verbundkräfte werden durch Umlenkpressungen an Abbiegun-


gen, Haken oder Schlaufen wesentlich erhöht. Sehr wirkungsvoll sind auch ange-
schweißte Querstäbe und vor allem Ankerplatten, wie sie mitunter bei kurzen Aufla-
gern nötig werden (Bild 4-5).

Bild 4-5 Krümmungen, angeschweißte Querstäbe und angeschweißte Ankerplatten ver-


kürzen die erforderlichen Verankerungslängen, DIN 1045-1

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4.3 Verankerungs- und Übergreifungslängen


Auf den Bemessungswerten der Verbundspannung fbd = 2,25 · fctk;0,05 / γc (Tab. 4-1)
baut die praktische Bemessung der Verankerungslängen lb und der Übergreifungs-
längen ls auf. Das Grundmaß der Verankerungslänge lb für einen mit σs = fyd voll aus-
genutzten, geraden Bewehrungsstab ergibt sich aus Gl. (4.2) und

Fs = As · fyd = π · ds2 · fyd / 4 (4.4)

Fs d f yd
lb = = s⋅ (4.5)
π ⋅ ds ⋅ fbd 4 fbd

Es ist für eine gegebene Betonfestigkeitsklasse und Stahlgüte proportional zum


Durchmesser ds des verankerten Bewehrungsstabes, z. B. für C 20/25 und BSt 500:

ds 435
lb = ⋅ = 48 ds (4.6)
4 2,3

Die erforderliche Verankerungslänge lb,net hängt außerdem von den oben genannten
Parametern ab. Die DIN 1045-1 enthält dafür in den Abschnitten 12.6 bis 12.8 aus-
führliche Regelungen. Demnach genügt bei Verankerungen mit Haken, Schlaufen
und angeschweißten Querstäben eine mit dem Beiwert αa = 0,7 reduzierte Veranke-
rungslänge αa · lb (Bild 4-5). Außerdem kann die erforderliche Verankerungslänge
lb,net entsprechend dem Ausnutzungsgrad As,req / As,prov der zu verankernden Beweh-
rung verringert werden:

A s,req
lb,net = α a ⋅ ⋅lb ≥ lb,min (4.7)
A s,prov

Ungenauigkeiten der Herstellung werden durch Mindestmaße der Verankerungs-


länge lb,min berücksichtigt.
Die Regeln für die Übergreifungslänge (Bild 4-6) verwenden außerdem einen Beiwert
α1 für die Wirksamkeit des Bewehrungsstoßes, der vom Anteil der gestoßenen Stäbe
und deren Abständen abhängt (α1 = 1,0 bis 2,0; DIN 1045-1, Tabelle 27):

ls = α1 · lb,net ≥ ls,min (4.8)

Bei Verankerungen und Stößen entstehen immer auch Zugkräfte quer zur Beweh-
rungsrichtung. Deshalb ist in den Stoßbereichen, besonders an den Stabenden, eine
Querbewehrung zweckmäßig. Regelungen hierzu sind ebenfalls in DIN 1045-1, Ab-
schnitt 12.8.3 zu finden.

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 4

Bild 4-6 a) „Vollstoß“ einer Bewehrungslage von eng beieinander liegenden Stäben;
b) Stoß von weit auseinander liegenden Bewehrungsstäben

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 5

5 Querschnittsbemessung
Bei stabförmigen Traggliedern werden im Allgemeinen die Querschnitte mit den
größten Schnittgrößen (M, N, V) und die D-Bereiche (z. B. Krafteinleitungen, An-
schlüsse an andere Tragglieder) untersucht. In diesem Kapitel „Querschnitts-
bemessung“ werden nur Bemessungsregeln für B-Bereiche behandelt, die häufig
vereinfachend auch für D-Bereiche von Stäben angewendet werden.
Da im Stabquerschnitt meistens mehrere Schnittgrößen gleichzeitig wirken, muss
man deren gemeinsame Wirkungen untersuchen. Sofern nicht von vornherein die
maßgebende Schnittgrößenkombination aus Momenten, Normalkraft und Querkräf-
ten feststeht, legt man der Bemessung den jeweils größtmöglichen positiven bzw.
negativen Wert zugrunde, den eine Schnittgröße aus den verschiedenen Lastkom-
binationen annehmen kann, und kombiniert diesen Größtwert mit den zugehörigen,
gleichzeitig auftretenden anderen Schnittgrößen; eine Stütze mit einachsiger Biegung
bemisst man also für max M kombiniert mit zug N und weiterhin für max N kombiniert
mit zug M; damit wird allerdings nicht immer die ungünstigste Beanspruchungskom-
bination erfasst.
Das Tragwerk reagiert in ziemlich komplexer Weise auf Kombinationen von unter-
schiedlichen Beanspruchungsarten, aber in vielen Fällen erlauben die Normen aus
praktischen Gründen unabhängige Nachweise für einzelne Schnittgrößen. So sind
beispielsweise getrennte Spannungsnachweise für Momente und für Querkraft mög-
lich oder es werden Interaktionsformeln für zwei gleichzeitig auftretende Schnitt-
größen angegeben. Bei den Interaktionsformeln findet man zwei Typen häufig
(Bild 5-1):

2 2
E1 E 2 ⎛ E1 ⎞ ⎛ E 2 ⎞
+ ≤1 bzw. ⎜⎜ ⎟⎟ + ⎜⎜ ⎟⎟ ≤ 1 (5.1)
R1 R 2 R
⎝ 1⎠ ⎝ 2 ⎠R

Bild 5-1 Grafische Darstellung typischer Interaktionsformeln für die Bemessung bei
gleichzeitiger Wirkung von zwei Schnittgrößen E1 und E2

Dabei stellt Ei / Ri die Ausnutzung des Querschnitts für jeweils eine allein wirkende
Schnittgröße dar, z. B. das Verhältnis der rechnerisch aufzunehmenden Normalkraft

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NSd zur aufnehmbaren Normalkraft NRd. Diese Interaktionsformeln grenzen verein-


fachend die zulässigen von den unzulässigen Beanspruchungskombinationen ab,
indem zwischen der möglichen Querschnittsausnutzung bei jeweils nur einer Bean-
spruchungsart linear oder nichtlinear interpoliert wird. Die Gleichungen (5.8) und (5.9)
der Vergleichsspannung für den Stahl erfüllen einen ähnlichen Zweck, sie sind aber
aus einer genauen Theorie (Mises) abgeleitet.

5.1 Ermittlung der Beanspruchungen im Querschnitt ausgehend


vom linear-elastischen Stoffgesetz
Das Hooke'sche Gesetz stellt insbesondere für die Baustoffe Stahl und Holz eine bis
in die Nähe des Versagens gute Näherung des wirklichen Materialverhaltens dar und
bildet, auch wegen seiner Einfachheit, eine wichtige Grundlage der Querschnitts-
bemessung bei diesen Baustoffen. Es hat auch für Mauerwerk und Beton einige Be-
deutung, allerdings nur bis zur Rissbildung, die in diesen Materialien - abgesehen
vom vorgespannten Beton - schon bei relativ geringen Belastungen auftritt.
Nachstehend werden Stäbe mit gleichbleibendem Querschnitt und stetiger Last quer
zur Stabachse betrachtet, z. B. ein Balken mit Gleichlast q (Bild 5-2). Ein solcher
Stab verkrümmt sich durch die Momentenbeanspruchung und biegt sich durch, wobei
ebene Querschnitte auch nach der Verformung eben bleiben (Bernoulli-Hypothese).
Die Fasern dehnen sich dabei proportional zum Abstand von der Null-linie, die bei
linearem Stoffgesetz mit der Schwerlinie des Balkens übereinstimmt. Wegen der
Proportionalität von σ und ε sind auch die Spannungen proportional zum Abstand z
von der Nulllinie. Sie ergeben sich bekanntlich aus:

My My My
σx = z σu = σo = (5.2)
ly Wyu Wyo

Bei zweiachsiger Biegung kommen entsprechende Terme aus dem Moment Mz um


die (vertikale) z-Achse hinzu und man erhält daraus zusätzliche, über die Quer-
schnittsbreite linear verteilte Spannungen σx. Die Spannungsnulllinie verläuft nun
schief zu den Querschnittsachsen, weshalb man gelegentlich auch von „schiefer Bie-
gung“ spricht. Die betragsmäßig größten Spannungen ergeben sich bei einem recht-
eckigen oder hohlkastenförmigen Querschnitt in den sich diagonal gegenüberliegen-
den Querschnittsecken („Eckspannungen“; Bild 5-3).

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Bild 5-2 a) Ansicht und Querschnitt; b) Dehnungsverteilung und Spannungsverteilung bei


linear-elastischem Stoffgesetz; c) wirklichkeitsnähere Dehnungs- und Span-
nungsverteilung für Holz beim Versagen; d) zugrundeliegende Stoffgesetze;
e) Balkenelement mit darauf wirkenden Spannungen

Bild 5-3 Spannungsverteilung aus zweiachsiger Biegung: a) Querschnitt; b) Spannungen


σx aus My bzw. Mz; c) Überlagerung

Auch wenn eine Normalkraft hinzukommt, bleibt die Dehnungs- und Spannungs-
verteilung linear, aber die Nulllinie geht nicht mehr durch den Schwerpunkt des Quer-
schnitts. Die Spannungen aus Momenten und Normalkraft können unter Beachtung
der Vorzeichenkonvention nach DIN 18800-1 (Bild 5-4) folgendermaßen superponiert
werden:

N My M
σx = + z − z y (5.3)
A Ιy Ιz

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Bild 5-4 Definition positiver Koordinaten, Verschiebungsgrößen und Schnittgrößen nach


DIN 18800-1

Eine Änderung der Längsspannungen σx über die Balkenlänge x, hervorgerufen


durch die Änderung der Momente über die Balkenlänge, ist mit Schubspannungen τzx
verknüpft (Bild 5-2 e), die bei linear-elastischem Stoffgesetz aus der Querkraft Vz be-
rechnet werden können, z. B.:

Vz ⋅ S y
τ zx = τ xz = (5.4)
b ⋅ Ιy

Sy: statisches Moment des abgeschnittenen Teils

Ιy: Flächenmoment 2. Grades um die y-Achse

b: Querschnittsbreite oder Blechdicke im untersuchten Schnitt


In gleicher Weise ergeben sich Schubspannungen τxy = τyx aus einer Querkraft in
y-Richtung.

5.1.1 Bemessung von Stahlquerschnitten


(Verfahren Elastisch-Elastisch nach DIN 18800-1)
Bei Stahlstäben dürfen die nach Kapitel 5.1 aus den Lasten (mit Teilsicherheitsbei-
werten γG = 1,35 und γQ = 1,5) ermittelten Spannungen σEd die durch den Material-
sicherheitsbeiwert γM = 1,1 dividierte Streckgrenze fy,k nicht überschreiten:

f y,k
σ Ed ≤ = f y,d (5.5)
γM

240
f y, d = = 218 N/mm 2 für S 235
1,1

360
f y, d = = 327 N/mm 2 für S 355
1,1

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Bei Stahlstäben müssen Querschnittsschwächungen beim Spannungsnachweis ab-


gezogen werden. Der Lochabzug darf entfallen, wenn im Druckbereich bei Schrau-
ben das Lochspiel höchstens 1,0 mm beträgt. In zugbeanspruchten Quer-
schnittsteilen gilt dies entsprechend, wenn ABrutto / ANetto ≤ 1,2 für S 235 bzw. ≤ 1,1 für
S 355 ist.
Bei Zugstäben mit Löchern für Verbindungsmittel, wie sie bei Stabanschlüssen oder
Stabstößen häufig vorkommen, ergeben sich nach der Elastizitätstheorie zwar Span-
nungskonzentrationen an den Lochrändern, wegen der Plastizität des Stahles darf
man aber mit einer gleichförmigen Spannungsverteilung im Nettoquerschnitt rech-
nen. Im Allgemeinen sind dabei mehrere „Bruchlinien“ zu untersuchen, wobei auch
die unterschiedlichen Kräfte in den verschiedenen Bruchlinien zu berücksichtigen
sind (Bild 5-5). Mechanisch nicht einwandfrei aber sehr praktisch ist dabei die einfa-
che Berücksichtigung des Querschnitts von schrägen Bruchlinienabschnitten, so als
ob diese senkrecht zur Stabachse stünden (z. B. Bruchlinie 3 in Bild 5-5 a).

a)

b)
Bild 5-5 Berücksichtigung der Lochabzüge in Zugstäben aus Stahl: a) Anrechenbare Net-
toquerschnitte in einem Stahlzugglied mit Schraubenlöchern; b) Bruchlinien und
zugehörige Kräfte bei einem Zugstabanschluss

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Die angegebenen Gleichungen für die Spannungsermittlung setzen voraus, dass die
Querbelastungen des Stabes in der Richtung der Hauptträgheitsachsen wirken und
im Schubmittelpunkt angreifen (Bild 5-6 a). Bei doppelt symmetrischen Querschnitten
stimmt der Schubmittelpunkt mit dem Schwerpunkt überein, bei Winkelprofilen liegt
er im Schnittpunkt der Winkelschenkel.
Wenn die resultierende Belastung eines Biegestabes im Stabquerschnitt ausmittig
zum Schubmittelpunkt angreift, z. B. in der Schwerlinie eines U-Profils, dann erhält
der Stab außer der Biegung auch Torsionsbeanspruchungen (Bild 5-6 b). Offenwan-
dige Querschnitte, also alle gängigen Profile außer Rohrquerschnitte oder Hohl-
kastenquerschnitte, können nur sehr geringe Torsionsmomente aufnehmen.

Bild 5-6 Schubmittelpunkt und Torsion: a) Belastung im Schubmittelpunkt, keine Torsion;


b) Belastung im Schwerpunkt erzeugt Torsion

Bei dem Winkelprofil in Bild 5-7 verläuft die Belastungsebene zwar durch den Schub-
mittelpunkt, sie ist aber gegen die Hauptträgheitsachsen des Stabes gedreht. Des-
halb muss die Belastung zunächst in die Richtungen der Hauptträgheitsachsen
zerlegt werden, bevor mit Gleichungen entsprechend Kapitel 5.1 die Spannungen be-
rechnet werden.

Bild 5-7 Schiefe Biegung aus der Belastung eines Winkelprofils in Richtung eines Winkel-
schenkels

Schubspannungen aus Querkraft werden nach Gl. (5.4) berechnet. Vereinfachend


darf bei Stäben mit doppeltsymmetrischem Querschnitt und ausgeprägten Flanschen
die Schubspannung über die Steghöhe konstant angenommen werden (Bild 5-8)
Ausgeprägte Flansche liegen vor, wenn AGurt / ASteg > 0,6 erfüllt ist. Für AGurt ist die
Querschnittsfläche eines Gurtes bzw. Flansches einzusetzen.

Vz
τ max ≈ τMittel = (5.6)
A Steg

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Bild 5-8 Vereinfachte Schubspannungsverteilung für Ι-Profile

Die Schubspannungen dürfen die Grenzschubspannung, bei der Stahl zu fließen be-
ginnt, nicht überschreiten:

fyd
τ ≤ τ Rd = (5.7)
3

Bei der Betrachtung von duktilen Materialien unter beliebiger mehrachsiger Bean-
spruchung kommen die Fließbedingungen anstelle der Festigkeitshypothese zum
Einsatz. Die Fließbedingungen von Mises beschreiben diese Fließvorgänge recht
zutreffend. Dabei wird die Gestaltänderungsarbeit des räumlichen Spannungszu-
standes mit derjenigen des einachsigen gleichgesetzt. In einem räumlichen Koordi-
natensystem der drei Hauptspannungen (σ1, σ2, σ3) stellt sich die Fließbedingung
dann als Zylinder dar, dessen Achse die gleiche Neigung zu allen drei Hauptspan-
nungsachsen hat. Auf der Zylinderachse liegen also die hydrostatischen Spannungs-
zustände (Bild 5-9 a). Bei allen Spannungskombinationen, die innerhalb der
Zylinderfläche liegen, verhält sich das Material noch elastisch, bei Spannungen auf
der Zylinderfläche fließt es. Demnach ist nur der Abstand eines Spannungspunktes
von der Zylinderachse, der „deviatorische“ Anteil des Spannungstensors, für das
Fließen von Bedeutung, während der „hydrostatische“ Anteil (Verschiebung eines
Spannungspunktes in Richtung der Zylinderachse) keinerlei Einfluss darauf hat!
Betrachtet man den Schnitt des Fließzylinders mit der Ebene σ3 = 0, also den ebenen
Spannungszustand, dann ergibt sich als Fließbedingung eine Ellipse (Bild 5-9 b). Bei
Hauptspannungen mit gleichem Vorzeichen erträgt das Material also größere Span-
nungen als bei Druck mit Querzug. Bei σ1 = - σ2 fließt der Stahl schon, wenn der Be-
trag der Hauptspannungen fy / 3 erreicht; dieser Spannungszustand entspricht
genau dem eines Bleches unter reiner Schubbeanspruchung τxy = τRd (Mohr’scher
Kreis), also der Grenzschubspannung nach Gl. (5.7).

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Bild 5-9 Fließbedingung nach Mises: a) im Hauptspannungsraum; b) für ebenen Span-


nungszustand

Zur Beurteilung der gleichzeitigen Wirkung mehrerer Spannungen verwendet man im


Stahlbau die sog. Vergleichsspannung, die im Wesentlichen nur eine Darstellung des
Mises-Zylinders in anderen Koordinaten beinhaltet:

σv = σ 2x + σ 2y + σ 2z − σ x ⋅ σ y − σ x ⋅ σ z − σ y ⋅ σ z + 3 τ 2xy + 3 τ 2xz + 3 τ 2yz (5.8)

Wenn die Vergleichsspannung die Fließgrenze erreicht, dann fließt der Werkstoff,
d. h. der Spannungszustand liegt auf der Oberfläche des Mises-Zylinders. Deshalb
ist der Nachweis zu führen, dass die Vergleichsspannung die Fließgrenze nicht über-
schreitet:

σvd / σRd ≤ 1 (5.9)

f yk
σR,d =
γM

In kleinen Bereichen des Querschnitts lässt DIN 18800-1 eine 10 % ige Überschrei-
tung zu, womit die plastische Querschnittstragfähigkeit teilweise ausgenutzt wird.
Für doppeltsymmetrische Profile mit Ι-Querschnitt und den Beanspruchungen N, My
und Vz darf die Vergleichsspannung vereinfachend wie folgt berechnet werden:

σv = σ 2 + 3τ 2 (5.10)

N My h−t (5.11)
σ= ± ⋅
A Ιy 2

τ = Vz / A Steg für A Gurt / A Steg > 0,6 (5.12)

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Der Nachweis der Vergleichsspannungen erübrigt sich:


- bei alleiniger Wirkung von σx und τ oder σy und τ, wenn σEd / σRd ≤ 0,5 oder
τEd / τRd ≤ 0,5 ist.
- bei Einfeldträgern mit Beanspruchung aus Gleichstreckenlast, wenn am Auflager
der Schubspannungsnachweis und bei L / 2 der Normalspannungsnachweis er-
füllt ist.
- bei Rechteck- oder T-Querschnitten mit den Beanspruchungen My und Vz. Derar-
tige Querschnitte kommen z. B. bei Trägerausklinkungen vor.

Um ein Beulversagen der Profile auszuschließen, müssen für die Stege (Bild 5-10
bzw. Bild 5-12) und Gurte (Bild 5-11 bzw. Bild 5-13) bestimmte grenz (b/t)-
Verhältnisse eingehalten werden. Neben der Lagerungsart sind diese grenz (b/t)-
Verhältnisse auch von der Spannungsverteilung abhängig. Je höher die Druckbean-
spruchung, desto ungünstiger ist der grenz b/t-Wert. Für zentrischen Druck, d.h.
ψ = +1,0 ist das Verhältnis dementsprechens am niedrigsten.

Bild 5-10 zweiseitig gelagerten Plattenstreifen (Steg), b/t-Verhältnis, Definition der Span-
nungsverteilung

Bild 5-11 einseitig gelagerten Plattenstreifen (Flansch), b/t-Verhältnis, Definition der Span-
nungsverteilung

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In Tab. 5-1 sind die Werte für die häufigen Fälle der einachsigen Biegung bzw. des
rein auf Druck beanspruchten Querschnitts bei voller Querschnittsauslastung aufge-
führt.

Grenzwerte (b/t) E-E S 235 S 355


Stege: reiner Druck 37,8 30,9
reine Biegung 133 108,6
Flansche: reiner Druck 12,9 10,55

Tab. 5-1 Grenzwerte b/t für den Nachweis Elastisch-Elastisch für die Extremfälle: reine
Druckbeanspruchung, bzw. reine Biegung

Bild 5-12 Grenz (b/t) bei zweiseitig gelagerten Plattenstreifen (Steg) für das Verfahren
Elastisch – Elastisch nach [DIN 18800-1]

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Bild 5-13 Grenz (b/t) bei einseitig gelagerten Plattenstreifen (Flansch) für das Verfahren
Elastisch – Elastisch nach [DIN 18800-1]

5.1.2 Bemessung von Holzquerschnitten


Die im August 2004 erschienene neue DIN 1052 verwendet auf der Lastseite ebenso
wie DIN 18800-1 und DIN 1045-1 das aus DIN 1055-100 bekannte Konzept der Teil-

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sicherheits- und Kombinationsbeiwerte. Auf der Materialseite ergeben sich die Be-
messungswerte der Widerstände Xd aus der Multiplikation der charakteristischen
Werte Xk (Kapitel 3.3.2.3) mit einem Modifikationsfaktor kmod dividiert durch einen
Teilsicherheitsbeiwert γM (Tab. 2-1). Im Modifikationsfaktor (Tab. 5-2) findet die Nut-
zungsklasse, d.h. die Holzfeuchte (Tab. 3-14) sowie die Klasse der Lasteinwirkungs-
dauer (Tab. 5-3) Berücksichtigung.

k mod ⋅ X k
Xd = (5.13)
γM

Baustoff und Klasse der Nutzungsklasse


Lasteinwirkungsdauer 1 2 3
Vollholz
Brettschichtholz
Balkenschichtholz
Furnierschichtholz
Brettsperrholz
Sperrholz
ständig 0,60 0,60 0,50
lang 0,70 0,70 0,55
mittel 0,80 0,80 0,65
kurz 0,90 0,90 0,70
sehr kurz 1,10 1,10 0,90
Tab. 5-2 Rechenwerte für die Modifikationsbeiwerte kmod [DIN 1052]

Größenordnung der akkumulierten Dauer


Klasse der Lasteinwirkungsdauer
der charakteristischen Lasteinwirkung
ständig länger als 10 Jahre
lang 6 Monate bis 10 Jahre
mittel 1 Woche bis 6 Monate
kurz kürzer als eine Woche
sehr kurz kürzer als eine Minute

Tab. 5-3 Klassen der Lasteinwirkungsdauer (KLED) [DIN 1052]

Neben den Nachweisen im Grenzzustand der Tragfähigkeit (Spannungsnachweise,


Stabilitätsnachweise) müssen auch die zu erwartenden Verformungen (Grenz-
zustand der Gebrauchstauglichkeit) begrenzt werden, wobei die Kriechverformungen,
die Schubverformungen und die Verformungen der Verbindungsmittel zu berück-
sichtigen sind.

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5.1.2.1 Bemessung auf Zug


Bei einer Beanspruchungsrichtung schräg zur Faserrichtung (0° < α < 90°) ist folgen-
der Nachweis unter Berücksichtigung der Nettoquerschnittsfläche An (Abzug von
Verbindungsmittel, Aussparungen, etc.) zu führen:

σ t,α,d
≤ 1,0 (5.14)
k α ⋅ ft,0,d

σt,α,d = Nd / An (5.15)

kα: Abminderungsfaktor in Abhängigkeit des Winkels zwischen


Kraft- und Fasserrichtung des Holzes

kα = 1 für Zug in Faserrichtung des Holzes (α = 0, σt,α,d = σt,0,d)

1
kα = (5.16)
ft,0,d f
⋅ sin 2 α + t,0,d ⋅ sin α ⋅ cos α + cos 2 α
ft,90,d fv,d

k mod ⋅ ft,0,k
ft,0,d = (5.17)
γM

5.1.2.2 Spannungsnachweis für Druckbeanspruchung


Im Bemessungsverfahren für Querdruck wird mit dem Faktor kc,90 (siehe DIN 1052
Abschnitt 10.2.4) eine erhöhte Beanspruchbarkeit des Holzes infolge Teilflächen-
belastung berücksichtigt. Durch eine rechnerische Vergrößerung der Lasteinleitungs-
länge l beidseitig um bis zu 30 mm, jedoch höchstens l, wird die mittragende Wirkung
der Randfasern direkt um die belastete Teilfläche berücksichtigt (Bild 5-14).
Für den Nachweis Druck in Faserrichtung sowie schräg zur Faser siehe DIN 1052
Abschnitt 10.2.3 ff. Eine Querschnittsschwächung (Nettoquerschnitt) kann vernach-
lässigt werden bei dauerhafter Ausfüllung mit Materialien gleichem oder höherem
E-Modul.

σ c,90,d
≤ 1,0 (5.18)
k c,90 ⋅ fc,90,d

Fc,90,d
σ c,90,d = (5.19)
A ef

Aef: wirksame Querdruckfläche (vergrößerte Lasteinleitungsfläche)

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a) b)
Bild 5-14 Belastungsanordnung für kurze Druckflächen a) Schwellendruck; b) Auflager-
druck

5.1.2.3 Spannungsnachweise bei kombinierter Beanspruchung


Biegung und Zug

σ t,0,d σ m,y,d σ
+ + k red ⋅ m,z,d ≤ 1 (5.20)
ft,0,d fm,y,d fm,z,d

σ t,0,d σm,y,d σm,z,d


+ k red ⋅ + ≤1 (5.21)
ft,0,d fm,y,d fm,z,d

Biegung und Druck

2
⎛ σ c,0,d ⎞ σ σ
⎜ ⎟ + m,y,d + k red ⋅ m,z,d ≤ 1 (5.22)
⎜f ⎟ fm,y,d fm,z,d
⎝ c,0,d ⎠

2
⎛ σ c,0,d ⎞ σ σ
⎜ ⎟ + k red ⋅ m,y,d + m,z,d ≤ 1 (5.23)
⎜f ⎟ fm,y,d fm,z,d
⎝ c,0,d ⎠

kred = 0,7 für Rechteckquerschnitte mit h / b ≤ 4

kred = 1,0 für alle übrigen Querschnitte


Das plastische Arbeitsvermögen des Holzes wird durch die Abminderung des Span-
nungsanteils aus Druckbeanspruchung berücksichtigt (siehe hierzu auch Bild 5-15).

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Gestrichelte Linie (GL): Bemessungsregel nach DIN 1052 bei kombinierter Beanspruchung aus Druck und Biegung,
wenn keine Knickgefahr besteht oder die Schnittgrößen nach Th. II. Ordnung bestimmt
werden.

Durchgezogene Linie: Durch Versuche ermittelte Interaktionskurve.

Strichpunkt-Linie (SPL): Lineare Interaktion von Druck und Biegung für Schlankheiten ≥ 30. Eine Ausnutzung der
Plastizität ist dabei nicht mehr möglich

Bereich zw. GL u. SPL: Für knickgefährdete Bauteile unter kombinierter Druck- und Biegebeanspruchung ändert sich
der Verlauf der Interaktionsbeziehung von der gestrichelten Linie für geringe Schlankheiten in
eine lineare Beziehung für sehr schlanke Bauteile

Bild 5-15 Interaktionsdiagramm für Druck und Biegung, Nu: maximal aufnehmbare Normal-
kraft, Mu: maximal aufnehmbares Moment

5.1.2.4 Bemessung auf Schub aus Querkraft


Die Nachweise für Schubspannungen werden bei Holzkonstruktionen in der Regel
unabhängig von denen für Normalspannungen geführt. Dennoch sollte, wie z. B. in
Bild 5-16 dargestellt, eine ungünstige Überlagerung von Schubspannungen und
Querzugspannungen vermieden werden. Die Schubspannungen werden nach
Gl. (5.4) berechnet; für einen Rechteckquerschnitt ergibt sich also die größte Schub-
spannung aus

Vd
τmax,d = 1,5 ⋅ (5.24)
An

τd
≤ 1,0 (5.25)
fv,d

Bei gleichzeitiger Wirkung von Schubspannungen aus Torsion und Querkraft siehe
DIN 1052, Abschnitt 10.2.11.

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Bild 5-16 Pfettenstoß: Falsche Überlagerung von Schub und Querzug, richtige Überlage-
rung von Schub und Querdruck

5.2 Bemessung von Stahlquerschnitten mittels plastischem


Stoffgesetz
(Verfahren Elastisch-Plastisch und Plastisch-Plastisch nach DIN 18800-1)
Es sei daran erinnert, dass beim Verfahren Elastisch-Plastisch die Einwirkungen
(Schnittgrößen) mit linear-elastischem Stoffgesetz ermittelt werden, während beim
Verfahren Plastisch-Plastisch dafür die Systemreserven nach den Traglastsätzen
ausgenutzt werden. In diesem Abschnitt werden nicht die Einwirkungen, sondern nur
die Widerstände von Stahlquerschnitten unter Ausnutzung der plastischen Eigen-
schaften behandelt. Deren Ermittlung ist bei beiden Verfahren gleich.
Das Spannungs-Dehnungs-Verhalten des Stahls kann sehr gut mit einem ideal-
elastisch-plastischen Stoffgesetz approximiert werden (Bild 3-19), das auch für die
Bemessung von Stahlkonstruktionen, im Stahlbetonbau und im Verbundbau verwen-
det wird. Es wird als Beispiel zunächst ein Rechteckquerschnitt aus Stahl betrachtet,
der nur durch ein Moment um seine starke Achse beansprucht wird (Bild 5-17). Beim
Erreichen von σRand = M / W = fy (Linie 2) ist dessen Tragfähigkeitsgrenze noch kei-
neswegs erreicht, denn die Randfaser verträgt auch höhere Dehnungen, wobei zwar
die Randspannung nicht über die Fließgrenze hinaus gesteigert werden kann, aber
die Spannungen der benachbarten Fasern bis zur Fließgrenze zunehmen (Linie 3).
Damit nimmt auch das innere Moment zu: M = ∫ σ ⋅ z dA. Im Grenzfall sehr großer
Randdehnungen (Linie 4) ergibt sich schließlich ein um 50 % größeres Moment als
beim Erreichen von fy in der Randfaser:

h h h
Mpl = (T + C) ⋅ = (A T + A C ) ⋅ fy ⋅ = A ⋅ fy ⋅
4 4 4

oder

h b ⋅ h2
Mpl = f y ⋅ Wpl mit Wpl = A ⋅ = (plast. Widerstandsmoment) (5.26)
4 4

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in Analogie zu

b ⋅ h2
Mel = σRand ⋅ W mit W = (elast. Widerstandsmoment) (5.27)
6

Unter Berücksichtigung der Sicherheitsbeiwerte darf dementsprechend nach


DIN 18800-1 für Biegung in folgender Weise bemessen werden:

MEd MEd
≤1 → ≤1 (5.28)
Wpl ⋅ σ R,d Mpl,Rd

1 2 3 4

Bild 5-17 Dehnungs- und Spannungsverteilung bei elastischem Verhalten (1), bei teilplasti-
ziertem (3) und vollplastiziertem Querschnitt (4)

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Bild 5-18 Plastische Formbeiwerte αpl

Der „Formbeiwert“

Wpl
α pl = (5.29)
W

ist bei profilierten Querschnitten, wie sie im Stahlbau üblich sind, z. B. bei Ι-Quer-
schnitten, allerdings wesentlich kleiner als beim Rechteckquerschnitt (meistens
αpl ≈ 1,14; Bild 5-18), weil in profilierten Querschnitten die Stege ohnehin nur wenig
zum Widerstandsmoment beitragen. DIN 18800-1 begrenzt αpl auf maximal 1,25.
Bei unsymmetrischen Querschnitten (Bild 5-19) verschiebt sich die Nulllinie im voll-
plastischen Zustand so, dass Druck- und Zugzone gleich groß sind, da Druck- und
Zuggurtkraft bei reiner Biegung gleich groß sein müssen (Gleichgewicht):

AT = AC

Bild 5-19 Durchplastizierter T-Querschnitt

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Wenn zusätzlich eine Normalkraft wirkt, ergibt sich die Nulllinie aus der Bedingung

N
AT = AC + (5.30)
σRd

Die Ausnutzung der plastischen Querschnittstragfähigkeiten ist an die Bedingung ge-


knüpft, dass nicht einzelne Querschnittsteile, z. B. abstehende Flansche, vor dem
Durchplastizieren des Querschnitts seitlich ausweichen oder ausbeulen. Deshalb
sind, wie auch beim Verfahren Elastisch-Elastisch, die Abmessungen b/t von Flan-
schen und Stegen (bzw. d/t bei zylinderförmigen Querschnitten) in Abhängigkeit von
der Spannungsverteilung begrenzt (vgl. Bild 5-20). Eine ähnliche Tabelle mit etwas
strengeren Anforderungen existiert auch für das Verfahren Plastisch-Plastisch.
Für das Verfahren Elastisch-Plastisch sind die Grenzwerte grenz (b/t) geringer als für
das Verfahren Elastisch-Elastisch (vgl. Tab. 5-4 bzw. Tab. 5-1).

Grenzwerte (b/t) E-P S 235 S 355


Stege: reiner Druck 37,8 30,2
reine Biegung 74 60,4
Flansche: reiner Druck 11 9

Tab. 5-4 Grenzwerte b/t für den Nachweis Elastisch-Plastisch für die Extremfälle: reine
Druckbeanspruchung, bzw. reine Biegung

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Bild 5-20 Grenz (b/t) bei zweiseitig gelagerten Plattenstreifen (Steg) bzw. einseitig gelager-
tem Plattenstreifen (Flansch) bzw. grenz (d/t) beim Kreiszylinder
für das Verfahren Elastisch – Plastisch [DIN 18800-1]

Die Interaktion von Schnittgrößen kann bei der plastischen Querschnittsbemes-


sung grundsätzlich dadurch berücksichtigt werden, dass man bestimmte Quer-
schnittsteile mit ihrer plastischen Tragfähigkeit nur für eine Schnittgröße ausnutzt und
die anderen Schnittgrößen den restlichen Querschnittsteilen zuweist. So wird bei-
spielsweise der Steg für die Aufnahme der Querkraft herangezogen und die Flansche
tragen das Moment ab. Bild 5-21 zeigt weitere Beispiele dafür.
Element 757 der DIN 18800-1 enthält noch eine Reihe von Regelungen und Formeln
für eine vereinfachte Berücksichtigung der Interaktion von Schnittgrößen bei doppelt-
symmetrischen Ι-Profilen. In Bild 5-22 ist ein Beispiel grafisch dargestellt. Bild 5-23
und Bild 5-24 zeigen weitere Interaktionsmöglichkeiten nach DIN 18800-1.

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Bild 5-21 Interaktion von Schnittgrößen bei plastizierten Querschnitten (Beispiele): Auftei-
lung der Grenzspannungen bei gleichzeitiger Wirkung von a) Moment und Nor-
malkraft bzw. b) Moment und Querkraft

My/Mpl,y,d

N≤ 0,1·Npl,d
1,0
N≤ 0,2·Npl,d
N≤ 0,3·Npl,d
N≤ 0,4·Npl,d
N≤ 0,5·Npl,d
N≤ 0,6·Npl,d
N≤ 0,7·Npl,d
N≤ 0,8·Npl,d
N≤ 0,9·Npl,d
Vz/Vpl,z,d

0,33 1,0

Bild 5-22 Interaktion von N, My und Vz bei doppeltsymmetrischen Ι-Profilen


nach [DIN 18800-1]

Bild 5-23 Vereinfachte Regeln für die Interaktion von Schnittgrößen bei einachsiger Bie-
gung für doppeltsymmetrische Ι-Profile [DIN 18800-1]

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Bild 5-24 Regelung für die Interaktion von Schnittgrößen bei Doppelbiegung mit gleichzei-
tig wirkender Normalkraft (My, Mz, N) für doppeltsymmetrische Ι-Profile
[DIN 18800-1]

5.3 Querschnittsbemessung bei Rissbildung oder klaffender


Fuge (Mauerwerk)
Mauerwerk und Beton haben eine im Vergleich zu ihrer Druckfestigkeit nur sehr ge-
ringe Zugfestigkeit. Da diese oftmals schon durch Eigenspannungen und Zwang-
spannungen aus der Herstellung oder aus klimatischen Einflüssen zu einem
erheblichen Teil oder ganz (Risse) aufgezehrt ist, vernachlässigt man im Allgemeinen
die Zugfestigkeit von Mauerwerk und Beton bei der Ermittlung der Tragfähigkeit oder
des Querschnittswiderstandes: Man bemisst für eine klaffende Fuge oder gerissene
Zugzone („Zustand II“). Wegen der geringen oder rechnerisch zu vernachlässigenden
Zugfestigkeit können Mauerwerkswände nur geringe Biegemomente aufnehmen, und
zwar zuverlässig nur dann, wenn die Biegezugspannungen durch gleichzeitig wir-
kende Längskräfte „überdrückt“ werden, d. h. wenn

N M
σ l,r = ± ≤ 0 wobei N < 0 (Druck) (5.31)
A W

Diese Bedingung ist erfüllt, wenn die Resultierende aus Moment und Normalkraft im
Kern des Querschnitts bleibt (Bild 5-25), d. h. wenn für die Exzentrizität der Resul-
tierenden gilt:

M d
e = ≤ (5.32)
N 6

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Aber auch bei größerer Exzentrizität e > d / 6 bis e = d / 3 ist Gleichgewicht ohne
Zugspannungen möglich, wobei die Fuge oder ein Riss aufklafft. Die Randspannung
berechnet sich dann unter der Annahme des linearen Stoffgesetzes am einfachsten
aus dem Abstand a = d / 2 - e zu:

N
σR = N [kN/m] (5.33)
1,5 ⋅ a

Bild 5-25 Spannungsdiagramme bei überdrücktem Biegezug und bei klaffender Fuge

Bei Mauerwerk darf die Fuge allerdings nur bis zur Querschnittsmitte aufklaffen, das
entspricht

d
e≤ (5.34)
3

Dann gilt:

4 ⋅N d
σR = bzw. N ≤ σR ⋅ (5.35)
d 4

Ähnliche Nachweise führt man auch für die Bodenpressungen unter exzentrisch be-
lasteten Fundamenten.

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Die Nachweisform für Mauerwerk nach der neuen DIN 1053-100:2007-09 basiert
ebenfalls auf dem bekannten Konzept der Teilsicherheits- und Kombinationsbeiwerte
auf der Lastseite und dem Bemessungswert der aufnehmbaren Kraft auf der Wider-
standsseite. (Nachweisform NEd / NRd ≤ 1,0)
Grundlage für die Berechnung ist ein rechteckiger Spannungsblock, dessen Schwer-
punkt mit dem Angriffspunkt der Lastresultierenden übereinstimmt.
Für Rechteckquerschnitte wird der Bemessungswert der aufnehmbaren Normalkraft
folgendermaßen ermittelt:

NRd = Φ ⋅ A ⋅ f d (5.36)

A ist die Gesamtfläche des Querschnitts. Gemauerte Querschnitte, deren Flächen


kleiner als 400 cm² sind, sind als tragende Teile unzulässig. Beim Nachweis, dass
dieser Mindestquerschnitt eingehalten ist, sind alle Schlitze und Aussparungen zu
berücksichtigen. fd ist der Bemessungswert der Mauerwerksdruckfestigkeit:

fk
fd = η ⋅ (5.37)
γM

η Abminderungsbeiwert zur Berücksichtigung von Langzeit-


wirkung und weiterer Einflüsse; η ist im Allgemeinen mit 0,85
anzunehmen; in begründeten Fällen, z.B. Kurzzeitbelastung,
dürfen auch größere Werte für η (mit η ≤ 1) eingesetzt werden,
bei außergewöhnlichen Einwirkungen gilt generell η=1
fk charakteristische Mauerwerksdruckfestigkeit, die von der Fes-
tigkeitsklasse der Steine und der Mörtelgruppe abhängt nach
(Tab. 3-20)
γM Teilsicherheitsbeiwert nach (Tab. 5-5)

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Tab. 5-5 Teilsicherheitsbeiwerte für Baustoffeigenschaften von Mauerwerkswänden


[DIN 1053-100:2007-09]

Die Verringerung der Tragfähigkeit infolge Deckendrehwinkel, Belastungen recht-


winklig zur Wand, Einfluss aus Theorie II. Ordnung (Knicken), ungewollter Ausmitte
und Kriechen werden mit Hilfe von Abminderungsfaktoren Φ1, Φ2 bzw. Φ3 erfasst:
Abminderungsfaktor bei vorwiegend biegebeanspruchten Querschnitten, z. B. bei
Windscheiben, Faktor zur Berücksichtigung einer exzentrischen Lasteinleitung:

e
Φ = Φ1 = 1− 2 ⋅ (5.38)
b

b Länge der Windscheibe bei Scheibenbeanspruchung bzw. die


Wanddicke bei Plattenbeanspruchung
MEd
e= Exzentrizität der Last; zum Lastfall max M + min N
NEd
MEd = γ F ⋅ MEk Bemessungswert des Biegemomentes; bei Windscheiben gilt
MEd = 1,5 ⋅ H Wk ⋅ h W ; eventuell vorhandene Exzentrizitäten der
Normalkraft sind zusätzlich zu berücksichtigen
HWk charakteristischer Wert der resultierenden Windlast bezogen
auf den nachzuweisenden Querschnitt
hw Hebelarm von HWk bezogen auf den nachzuweisenden Quer-
schnitt
NEd Bemessungswert der Normalkraft

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Legende:

B Länge der Windscheibe


σD Kantenpressung auf Basis ei-
nes linear-elastischen Stoffge-
setzes
εD rechnerische Randstauchung
εR rechnerische Randdehnung

Bild 5-26 Randdehnung [DIN 1053-100]

Bei Exzentrizitäten e > b/6 bzw. e > d/6 sind rechnerisch klaffende Fugen vorausge-
setzt. Bei Windscheiben mit e > b/6 ist zusätzlich nachzuweisen, dass die rechneri-
sche Randdehnung aus der Scheibenbeanspruchung auf der Seite der Klaffung unter
charakteristischen Lasten den Wert εRk= 10-4 nicht überschreitet, siehe (Bild 5-26).
Der Elastizitätsmodul für Mauerwerk darf hierfür zu E= 1.000 ⋅ fk angenommen wer-
den.
Abminderungsfaktor bei geschosshohen Wänden zur Berücksichtigung der Trag-
lastminderung bei Knickgefahr

2
⎛h ⎞
Φ = Φ 2 = 0,85 − 0,0011 ⋅ ⎜ k ⎟ (5.39)
⎝ d⎠

hk Knicklänge
d Dicke des Querschnitts
Schlankheiten hk / d > 25 sind unzulässig.
Abminderungsfaktor bei geschosshohen Wänden infolge eines Deckendrehwinkels
bei Endauflagern

Für Deckenstützweiten l ≤ 4,20 m: Φ = Φ 3 = 0,9

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für 4,20 m < l ≤ 6,00 m:


l
für fk ≥ 1,8 N/mm²: Φ = Φ 3 = 1,6 − ≤ 0,9 (5.40)
6
l
für fk < 1,8 N/mm²: Φ = Φ 3 = 1,6 − ≤ 0,9 (5.41)
5
mit l = Deckenstützweite in m
Bei Decken über dem obersten Geschoss, insbesondere bei Dachdecken, gilt:
1
für alle Werte von l: Φ = Φ3 =
3
Hierbei sind rechnerisch klaffende Fugen vorausgesetzt.
Wird die Traglastminderung infolge des Deckendrehwinkels durch konstruktive Maß-
nahmen, z.B. Zentrierleisten, vermieden, so gilt unabhängig von der Deckenstützwei-
te Φ 3 = 1,0 .
Für die Bemessung maßgebend ist der kleinere der Werte Φ 2 undΦ 3

Im Vergleich zu den anderen wichtigen Baustoffen Holz, Beton und Stahl hat Mauer-
werk eine vergleichsweise geringe Druckfestigkeit (Tab. 3-20), was erklärt, warum es
heute für tragende Wände nur in Gebäuden mit wenigen Geschossen verwendet
wird. Umso bewundernswerter sind die kühnen Mauerwerksbauten der Gotik, von
denen viele nach unseren heutigen Vorschriften so nicht mehr gebaut werden dürf-
ten.
Da sich durch das Aufklaffen der Fuge, bzw. durch Risse der wirksame Querschnitt
und das Trägheitsmoment ändern, ist das Last-Verformungs-Verhalten des Trag-
werks mit klaffender Fuge nichtlinear, auch wenn für die Druckzone noch das Hoo-
ke'sche Gesetz weiter verwendet wird. Bei nichtlinearem Verhalten gilt das Super-
positionsgesetz nicht mehr - ein großer Nachteil für die praktische Berechnung. Man
darf also beispielsweise nicht die Spannungen aus dem Moment und der Normalkraft
getrennt ermitteln und addieren oder die Beanspruchungen aus einzelnen Lastfällen
aufsummieren, sondern muss die Bemessung für die maßgebende Kombination aller
Schnittgrößen durchführen.

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5.4 Bemessung von Stahlbetonquerschnitten für Moment und


Normalkraft
Vorbemerkungen
Beton war ähnlich zu behandeln wie Mauerwerk, bis man durch Stahleinlagen (Be-
wehrung) seine mangelnde Zugfestigkeit kompensierte. Für die Bemessung von Be-
ton mit einbetonierter Bewehrung kann man davon ausgehen, dass beide Baustoffe
unverschieblich miteinander verbunden sind (starrer Verbund). Die Bewehrung dehnt
sich genauso viel wie der sie umgebende Beton.
Da aus geometrischen Gründen die Bernoulli-Hypothese auch für B-Bereiche aus
Verbundwerkstoffen gelten muss, ist die lineare Dehnungsverteilung eine wichtige
Grundlage der Bemessung von Stahlbetonstäben. Aus der Dehnungsverteilung und
den (nichtlinearen) Stoffgesetzen der Baustoffe kann man deren Spannungen be-
rechnen. Daraus ergeben sich durch Integration über die Querschnittsfläche die inne-
ren Kräfte N und M, die der Querschnitt aufnehmen kann (Querschnittswider-stand).
Das Problem der Bemessung besteht im Wesentlichen darin, die Spannungsvertei-
lung im Querschnitt unter Einhaltung der linearen Dehnungsverteilung so zu ermit-
teln, dass die inneren Kräfte mindestens gleich den einwirkenden Schnittgrößen NEd,
MEd sind.

5.4.1 Mittig auf Druck beanspruchte Stahlbetonstäbe

Bruchebene
ε -2 ‰ σ fcd N
σs2 As2 σs2

Fcd N
σs1
As1 σs1
-2 ‰
Af

Bild 5-27 Mittige Druckkraft

Unter einer zentrischen Druckbelastung verformt sich der Beton und der Beweh-
rungsstahl der Stütze in Bild 5-28 a gleich (Verbundverträglichkeit):

εc = ε s = ε (5.42)

Aus den normgemäßen Stoffgesetzen für den Beton (Parabel-Rechteck-Diagramm)


und für den Stahl (elastisch-plastisches Verhalten) erhält man die dazugehörigen
Spannungen sowie nach Multiplikation mit den zugehörigen Querschnittsflächen Ac
des Betons bzw. As des Stahls die Kräfte im Beton und in der Bewehrung (Bild 5-27,
Bild 5-28 b):

Fc = Ac ⋅ σc (5.43)

Fs = As ⋅ σs = As ⋅ Es ⋅ ε ≤ As ⋅ fyd (5.44)

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Beide Anteile zusammen ergeben die Längskraft F der Stütze:

F = Fc + Fs äußere Last = innere Kräfte (5.45)

Bei der in DIN 1045-1 definierten rechnerischen Bruchdehnung des Betons unter mit-
tiger Normalkraft

εc2 = - 2 ‰

ergibt sich die normgemäße Beanspruchbarkeit (Traglast) des Querschnitts:

FRd = Ac ⋅ fcd + As ⋅ Es ⋅ 2 ‰ (5.46)

für σs < fyd

Ac = b ⋅ h

Bild 5-28 Stahlbetondruckstab: a) Stütze mit Bewehrung; b) Ermittlung der Last-Dehnungs-


Linie mittels der Stoffgesetze

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Der vom Bewehrungsstahl aufnehmbare Lastanteil Fs kann bei hohem Bewehrungs-


grad ρ größer sein als der Lastanteil Fc des Betons. Für einen C 20/25 ergibt sich
beispielsweise

Fs A ⋅σ
= s s = 35,3 ⋅ ρ (im Grenzzustand der Tragfähigkeit)
Fc A c ⋅ fcd

As
ρ = geometrischer Bewehrungsgrad (5.47)
Ac

Bei geringer Ausnutzung, solange beide Baustoffe sich noch linear-elastisch verhal-
ten, teilt sich die Gesamtlast auf den Stahl und Beton entsprechend den Steifigkeiten
auf:

Fs Es ⋅ A s
= = α ⋅ρ (Gebrauchszustand ohne Kriechen)
Fc Ec ⋅ A c

Es
α = (5.48)
Ec

Für C 20/25 gilt:

Fs 200.000
= ⋅ ρ = 6,9 ⋅ ρ
Fc 28.800

Bei der Bemessung schlanker Stützen sind Zusatzmomente wegen der Knickgefahr
zu berücksichtigen. Das lokale Ausknicken der Bewehrung ist durch Bügel im Ab-
stand s ≤ 12 ds,l zu verhindern (ds,l = Durchmesser der Längsstäbe ≥ 12 mm,
Bild 5-28, Bild 5-29). Eine Bügelecke darf bis zu 5 in der Ecke liegende Stäbe si-
chern; für einzelne Längsstäbe zwischen den Bügelecken genügen auch S-Haken
(näheres hierzu in DIN 1045-1, Abschn. 13.5.3).
Die DIN 1045-1 gibt in Abschn. 13.5.2 für Stützen auch zulässige Grenzwerte der
Längsbewehrung an. Die Mindestwerte sind für unbeabsichtigte Momente gedacht,
die Größtwerte sollen die einwandfreie Ausführung ermöglichen:

N Nd
A s,min = 0,15 ⋅ (5.49)
f yd

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As
ρ max = ≤ 9% max. Bewehrungsgrad (auch im Bereich der Stöße)
Ac

Sehr hoch beanspruchte Stützen sollten eher als Fertigteile mit höherer Betongüte
als mit extremem Bewehrungsgrad ausgeführt werden. Eine weitere Erhöhung der
Traglast bei gleich bleibenden äußeren Abmessungen kann man durch den Einbau
von Profilstählen erzielen (Verbundstützen).
Bei runden Stützen kann die Traglast durch eine wendelförmige Umwicklung der
Längsbewehrung gesteigert werden (Bild 5-30 a). Die Wirkung einer solchen „Um-
schnürung“ beruht darauf, dass diese die Querdehnung des Betons innerhalb der
Wendel behindert und dadurch im Kern der Stütze ein dreiaxialer Druckspannungs-
zustand entsteht (Bild 5-30 b). Eine entsprechende Tragwirkung lässt sich auch an
einem Sandtopf oder einem mit Flüssigkeit gefüllten Zylinder unter Kolbenlast beo-
bachten (Bild 5-30 c). Die durch eine Umschnürung mögliche Steigerung der Traglast
kann jedoch nicht immer ganz ausgenutzt werden um zu vermeiden, dass die nicht
umschnürte Betondeckung schon unter Gebrauchslasten abplatzt.

Bild 5-29 Lokales Ausknicken der Stützenbewehrung bei zu großem Bügelabstand; b) Bü-
gelbewehrung einer Stahlbetonstütze

Bild 5-30 Wirkungsweise einer Wendelbewehrung

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5.4.2 Grundlagen der Biegebemessung von Stahlbetonquerschnitten


In diesem Abschnitt werden die theoretischen Grundlagen der Bemessung von B-
Bereichen mit beliebiger Querschnittsform für Moment und Normalkraft behandelt,
allerdings noch ohne die Interaktion mit der Querkraft zu berücksichtigen (siehe hier-
zu Kapitel 5.5). Zur Veranschaulichung und als Beispiel verwenden wir den einfachen
Balken in Bild 5-31. Seine Belastung werde allmählich bis zum Bruch gesteigert.

Bild 5-31 Einfacher Stahlbetonbalken: a) System und Schnittgrößen; b) Bewehrung

Zustand I: Linear-elastisches Verhalten im ungerissenen Zustand


Solange der Beton ungerissen bleibt (Zustand I), kann man näherungsweise linear-
elastisches Verhalten der Baustoffe annehmen. Deshalb können die Beanspruchun-
gen im Beton und im Stahl in einfacher Weise mit Hilfe der Balkentheorie berechnet
werden. Der einzige Unterschied zu einem homogenen B-Bereich aus Beton besteht
dann darin, dass der Stahl wegen seiner α = Es / Ec-fachen Steifigkeit die α-fachen
Spannungen des umgebenden Betons aufweist und deshalb mit seinem α-fachen
Querschnitt in die Berechnung der (ideellen) Querschnittswerte Ai, ΙI und Wi eingeht:

M
σc = ⋅ zi (5.50)
Ιi

σs = α ⋅ σ c (5.51)

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Meist ist der Beitrag der Bewehrung zur Steifigkeit im Zustand I vernachlässigbar ge-
ring. Dann gilt:

M h M
max σc ≈ = wobei Ii ≈ Ic
Ιc 2 Wc

b ⋅h2
Wc = = 0,0064 m3 im Beispiel.
6
Unterstellt man als Biegezugfestigkeit des Betons etwa 1,5 MN/m2 (unterer Quantil-
wert fctk;0,05 eines C 20/25 nach DIN 1045-1, vgl. Abschn. 3.3.2), dann würde der Bal-
ken bereits unter einem Moment von 9,6 kNm vom gezogenen Rand her aufreißen.
Ohne Bewehrung könnte er somit noch nicht einmal sein Eigengewicht tragen, selbst
wenn man Schwindrisse ausschließen würde.
Bei schlaff bewehrten Bauteilen führt man solche Spannungsnachweise nur aus-
nahmsweise durch (evtl. bei wasserdichten Behältern), weil die Technische Biege-
lehre mit der beginnenden Rissbildung, also meistens schon bei relativ geringen Las-
ten, ihre Gültigkeit verliert. Spannbetonbalken mit hohem Vorspanngrad bleiben da-
gegen auch noch unter Gebrauchslasten rissefrei (von Rissen aus Zwängungen
abgesehen). Ihre Spannungen aus den Gebrauchslasten werden deshalb nach der
Technischen Biegelehre berechnet und mit zulässigen Spannungen der DIN 1045-1
verglichen.
Zustand II: Nichtlineares Verhalten im gerissener Zustand
Die mit steigender Last fortschreitende Rissentwicklung ist ein ziemlich komplizierter
Vorgang und wird deshalb später behandelt. Wir betrachten hier nur den Rissquer-
schnitt, der für die Tragfähigkeit maßgebend ist. Dabei nimmt man vereinfachend an,
dass die Betonzugzone vollständig aufreißt, d. h. der Beton fällt im Rissquerschnitt
für die Aufnahme der Zugkräfte aus. Zwischen den Rissen wirkt der Beton zwar noch
auf Zug mit, für die Bemessung ist aber der Rissquerschnitt maßgebend. Die Zug-
kraft der Biegezugzone muss also vom Stahl übernommen werden. Unter dieser
Zugbeanspruchung dehnt sich der Stahl viel mehr als der Beton es vermag und der
Riss öffnet sich (Bild 5-32). Dabei verlagert sich die Nulllinie zur Druckzone hin, wo-
von wiederum die Beanspruchungen in der Betondruckzone und im Bewehrungsstahl
abhängen.

Bild 5-32 Dehnungs- und Spannungsverteilung: a) vor der Rissbildung; b) nach der Riss-
bildung; c) Verformung des Querschnitts im Riss

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Die Berechnung der inneren Kräfte für gegebene Abmessungen und Schnittgrößen
(der „Querschnittsnachweis“) oder die Ermittlung der erforderlichen Bewehrung für
gegebene Schnittgrößen und Betonabmessungen (die „Bemessung“) ist im Allge-
meinen nur numerisch und iterativ möglich. Nachfolgend werden zum Verständnis,
nicht zur praktischen Anwendung, die Grundlagen dargestellt, die auch in den Com-
puterprogrammen zur Bemessung angewendet werden.

Bild 5-33 Dehnungen, Spannungen und innere Kräfte im Zustand II

In einem bewehrten B-Bereich stellen sich dann die in Bild 5-33 gezeichneten Deh-
nungen und Spannungen ein. Für ihre Berechnung stehen folgende Beziehungen zur
Verfügung:
1. Gleichgewicht
a) Ersatz der Spannungen durch ihre Resultierenden mittels Äquivalenz-
bedingungen
Stahlzugkraft:

Fs = σs ⋅ As (5.52)

Resultierende der Betondruckspannungen:

Fc = ∫ σc dAc (Fc hier als Druckkraft positiv) (5.53)

Der Abstand a der Druckresultierenden vom gedrückten Rand ist aus dem
Schwerpunkt der Druckspannungen zu ermitteln. Praktisch liegt a zwischen
0,33 x für dreieckige σc-Verteilung (Bild 5-34 a) und 0,41 x für die σc-Verteilung
mit der größten Betonstauchung εcu = 3,5 ‰ (Bild 5-34 b). Für rechteckige
Druckzonen kann der Lagebeiwert ka = a/x aus den Diagrammen (vgl. Übung)
entnommen werden. Damit ergibt sich der Hebelarm z der inneren Kräfte (Ab-
stand von Fc und Fs) zu

z=d-a (5.54)

Beim Spannungsblock (Bild 5-34 c) ist bei rechteckförmiger Druckzone

a = 0,5 . k . x (5.55)

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Bild 5-34 Lage der Resultierenden einer rechteckigen Betondruckzone

b) Gleichgewicht der Schnittgrößen aus den Lasten mit den inneren Kräften

N = Fs - Fc (5.56)

M = Fs . zs + Fc . zc (5.57)

wobei zs + zc = z (5.58)

Für N = 0:

Fs = Fc (5.59)

M = Fs . z = Fc . z (5.60)

2. Verträglichkeitsbedingung
Lineare Dehnungsverteilung (Bernoulli-Hypothese 1), daraus

x −ε c
ξ = = (εc negativ bei Druck) (5.61)
d ε s −ε c

3. Stoffgesetze
Für den Beton gemäß Bild 3-33
Für den Bewehrungsstahl gemäß Bild 3-19 b
Die Lösung dieses nichtlinearen Problems gelingt im Allgemeinen nur iterativ. Man
geht z. B. von einer geschätzten (linearen) Dehnungsverteilung aus und ermittelt da-
für sukzessiv Fc, Fs, z und damit As. Die Kontrolle der Gleichgewichtsbedingungen
(5.56) und (5.57) zeigt dann, in welchem Sinne die Annahmen über die Dehnungs-
verteilung verbessert werden müssen, bzw. ob die Querschnittswerte verändert wer-
den müssen.

1
Genau genommen ist die Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte nach der Rissbil-
dung nicht mehr erfüllt. Am Winkel ϕ in Bild 5-32 c wird dies offenkundig, ebenso an dem Herauszie-
hen des Stahles aus der Betonoberfläche im Riss.

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Im Allgemeinen interessieren nur bestimmte Grenzzustände, bei denen dann entwe-


der die Dehnung εs oder εc bzw. die Spannung σs oder σc bekannt sind. Mit diesem
Ausgangswert kann das Iterationsverfahren abgekürzt werden.
Zustand III: Fließende Bewehrung und Bruch
Wenn das Biegemoment in einem Querschnitt so weit zunimmt, dass der Beweh-
rungsstahl ins Fließen kommt (σs = fyd), wird dies als Zustand III bezeichnet.
Mit dem Plastizieren der Bewehrung ist die Momententragfähigkeit des Querschnitts
noch keineswegs erschöpft. Die inneren Kräfte Fs und das damit über Gl. (5.56) ver-
knüpfte Fc können zwar nicht mehr größer werden (von der Verfestigung des Stahles
oberhalb der Streckgrenze fyd macht man praktisch keinen Gebrauch), aber der He-
belarm z der inneren Kräfte und damit das innere Moment M nimmt auch bei Stahl-
dehnungen εs > εy noch zu, weil sich die Druckresultierende weiter zum Rand hin
verlagert. Mit zunehmenden Stahldehnungen wandert die Nulllinie zum gedrückten
Rand hin und schnürt die Betondruckzone in ihrer Höhe x ein (Bild 5-35). Die Beton-
spannungen und -dehnungen nehmen dabei zu, weil ja die Betondruckkraft Fc eben-
so wie auch Fs gleich bleibt.

Bild 5-35 Bei zunehmender Stahldehnung εs wandert die Nulllinie zum gedrückten Rand

Schließlich erreicht die Randfaserdehnung εc die Bruchdehnung εcu und die Beton-
druckzone versagt. Ein solcher Biegebruch kündigt sich durch breite Risse und große
Durchbiegungen infolge der plastischen Verformungen σs > fyd des Stahles an. Dies
ist die Versagensweise in sog. „unterbewehrten“ Querschnitten.
Bei relativ stark bewehrten B-Bereichen („überbewehrte“ Querschnitte) kann die
Druckzone hingegen schon versagen, bevor im Stahl die Streckgrenze erreicht wird
(σs < fyd). Der Bruch tritt dabei ohne die genannte Vorankündigung auf.

Den Bemessungswert der Biegebeanspruchbarkeit kann man grundsätzlich eben-


falls mit den in Zusatnd II dargestellten Beziehungen berechnen, wobei die in den
Normen festgelegten Grenzdehnungen εcu = 3,5 ‰ bzw. εs = 25 ‰ zu einer schnellen
Konvergenz des Iterationsverfahrens verhelfen. Für die gebräuchlichsten Quer-
schnittsformen gibt es Bemessungstafeln, die schneller zum Ziel führen (Kapi-
tel 5.4.4).

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5.4.3 Vereinfachte Ermittlung der Biegetragfähigkeit mittels Spannungsblock


Es wird angenommen, dass der Stahl im Grenzzustand der Tragfähigkeit fließt und in
der Randfaser die Betonstauchung εcu = 3,5 ‰ nach DIN 1045-1 erreicht wird
(Bild 5-36).
Dann gilt:

Fs = As ⋅ fyd (5.62)

Fc = k ⋅ x ⋅ b ⋅ χ⋅ fcd (5.63)

Für NEd = 0:

Fs = Fc (5.64)

Fs = As ⋅ fyd = k ⋅ x ⋅ b ⋅ χ ⋅ fcd (5.65)

Fs
x= (5.66)
k ⋅ b ⋅ χ ⋅ fcd

z = d - 0,5 ⋅ k ⋅ x (5.67)

MRd = Fs . z (5.68)

χ ≈ 0,95 für fck ≤ 50 N/mm2

χ = 1,05 - fck / 500 für fck > 50 N/mm2

k = 0,8 für fck ≤ 50 N/mm2

k = 1,0 - fck / 250 für fck > 50 N/mm2

Bild 5-36 Bemessung mittels Spannungsblock

Auf diese Weise ist die Ermittlung der Tragfähigkeit ohne Hilfsmittel und ohne Iterati-
on leicht und anschaulich möglich. Die Gleichungen verlieren ihre Gültigkeit, wenn
εs < εy oder εc (am Rand) < 3,5 ‰. Ersteres ist bei sehr hohen Bewehrungs-graden
(„überbewehrte Querschnitte“) der Fall, letzteres kann bei sehr geringen Beweh-
rungsgraden vorkommen, wenn der Bruchzustand durch Erreichen der 25 ‰-
Dehnungsgrenze im Stahl definiert wird. Das Bemessungsverfahren mit Spannungs-
block ist aber in DIN 1045-1 als Näherung allgemein zugelassen.

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Bei gleichzeitig wirkenden Momenten und Normalkräfte kann die Bewehrung nicht
separat ermittelt werden, da wegen der nichtlinearen Stoffgesetze das Superposi-
tionsgesetz im Zustand II und III nicht gilt (Bild 5-37).

Bild 5-37 Kombinierte Wirkung von N und M: a) homogener, linear-elastischer Werkstoff,


Spannungsüberlagerung möglich; b) Stahlbetonquerschnitt im Zustand II, Span-
nungsüberlagerung nicht möglich

5.4.4 Überblick über die Bemessungsverfahren für M und N


Für die in der Praxis häufig vorkommenden Bemessungsfälle sind Lösungen der
nichtlinearen Beziehungen vertafelt (z. B. im Betonkalender, den Schneider Bauta-
bellen und im Wendehorst). Einen Überblick über den Anwendungsbereich verschie-
dener Bemessungsverfahren für rechteckige Querschnitte mit Moment und Normal-
kraft gibt Bild 5-38. Dort sind - geordnet nach der bezogenen Ausmitte e / h der
resultierenden Schnittkraft N - auch die zugehörigen typischen Dehnungsverteilun-
gen und die nach DIN 1045-1 zulässigen Dehnungsgrenzwerte dargestellt. Reine
Biegung kann als Grenzfall betrachtet werden, bei dem N → 0 und die Ausmitte
e = M / N → ∞ strebt.

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Abschnitt 5.4.1

Abschnitt 5.4.5

Abschnitt 5.4.6

Abschnitt 5.4.6

Abschnitt 5.4.6

Abschnitt 5.4.7

Bild 5-38 Übersicht und Anwendungsgrenzen der Bemessungsverfahren für Moment und
Normalkraft

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5.4.5 Bemessung für Druck mit geringer Ausmitte = kleines Moment und
große Druckkraft (Interaktionsdiagramme)

εs
Nu
+ε −ε

Mu
εc

Diagramm möglicher Interaktionsdiagramm


Dehnungsverteilungen

Dehnungen εc, εs Dehnungen ε Spannungen σ Schnittkräfte M + N

Verträglichkeits Werkstoffgesetz Gleichgewichts-


-bedingungen σc bedingungen

εc
εc
2‰ 3.5‰ ∫ σ dA + ∑ σ A = N
c c s s Rd

εs σs ∫ σ y dA + ∑ σ y A = M
c c s s Rd
fyd
Es

-fyd

Bild 5-39 Übersicht zur Biegebemessung für M+N (Interaktionsdiagramm)

Bruchebene
ε -3.5 ‰ σ σc = χ fc N
M
σs2 = fyd As2 fyd
0.8 x
Fcd
x=h
N
σs1
s1 σ
AA f s1

Bild 5-40 Druck mit geringer Ausmitte

Bei mittigem Druck und Druckkraft mit geringer Ausmitte ist der Beton zwar theore-
tisch in der Lage, die resultierende Schnittgröße ohne Bewehrung aufzunehmen, aus
den bereits in Kapitel 5.4.1 genannten Gründen wird aber immer auf beiden Seiten
eine (meist gleiche) Bewehrung eingelegt. Deshalb sind nur Tafeln für symmetrische
Bewehrung As1 = As2 gebräuchlich (Bild 5-41).

Die Interaktionsdiagramme geben die relevanten Bemessungsgrößen in Abhängig-


keit von Moment und Normalkraft an, die auf den beiden Koordinatenachsen dimen-
sionslos aufgetragen sind. Interaktionsdiagramme decken eigentlich den gesamten
Bereich von M-N-Kombinationen ab, werden aber fast nur für Druckkräfte mit gerin-
ger Ausmitte verwendet, da für andere M-N-Kombinationen die oben genannten Be-
messungshilfsmittel praktischer anzuwenden sind. Tafelparameter sind die Lage
(Randabstände) sowie die Güte der Bewehrung.

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Bild 5-41 Bemessungsdiagramm für symmetrisch bewehrte Rechteckquerschnitte Interak-


tionsdiagramm [Schneider, Bautabellen, 17. Aufl.]

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5.4.6 Bemessung für reine Biegung und Druck / Zug mit großer Ausmitte =
großes Moment und kleine Druckkraft (e = M/N > 0,5h)

Bruchebene
ε -3.5 ‰ σ σc = χ fcd N
Fcd
M
0.8 x σs2 As2 σs2
x = 0.123 d

N
σs1 = fyd
As1
Afydf
25 ‰

Bild 5-42 Reine Biegung und Druck / Zug mit großer Ausmitte

Die Tafeln eignen sich für die Bemessung von Platten, für rechteckige Balken mit
einachsiger Biegung und für andere Querschnittsformen, bei denen die Nulllinie pa-
rallel zum gedrückten Querschnittsrand verläuft und die Druckzone rechteckig ist. Es
gibt mehrere Darstellungsformen auf gleicher Grundlage:
a) Allgemeines Bemessungsdiagramm (Bild 5-43)
Diese grafische Darstellung, die aus der Rüsch-Bemessungstafel hervorging, ist
für alle Betonklassen und Stahlsorten, auch bei Vorspannung, anwendbar. Sie
zeigt in dimensionsloser Form die Abhängigkeit des inneren Hebelarms z = ζ ⋅ d
vom Moment. Außerdem können die zugehörigen Dehnungen und die Druck-
zonenhöhe x = ξ ⋅ d abgelesen werden. Die Tafelwerte sind auch tabelliert, wo-
bei zusätzlich der mechanische Bewehrungsgrad ω angegeben wird.
Da der bezogene innere Hebelarm ζ sich sehr viel weniger mit der Bean-
spruchungshöhe ändert als der mechanische Bewehrungsgrad ω, wird die Be-
rechnung der Bewehrung über den inneren Hebelarm empfohlen, da dieser
nicht interpoliert werden muss und mechanisch anschaulicher ist als ω (Fehler-
erkennung).
b) Das kd-Verfahren
Dieses Verfahren ist in Tabellenform aufbereitet. Es hat denselben Anwen-
dungsbereich wie das obige Verfahren und listet den Wert von

1
ks = (5.69)
ζ ⋅ σs

in Abhängigkeit von einem ebenfalls dimensionsabhängigen Kennwert kd der


Beanspruchungshöhe auf. Da das Verfahren nicht dimensionsrein ist, werden
die mechanischen Zusammenhänge nicht klar. Es wird aus den genannten
Gründen trotz seiner Verbreitung hier nicht empfohlen.

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Bild 5-43 Allgemeines Bemessungsdiagramm für Moment und Normalkraft für Betonfestig-
keitsklassen ≤ C 50/60 [Stahlbetonbau Aktuell 2000, Avak, Goris]

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Die Tafeln können auch für Biegung mit Längskraft verwendet werden, wenn die Re-
sultierende außerhalb des Querschnitts liegt, d.h. geringe Normalkraft (Druck oder
Zug mit großer Ausmitte, Bild 5-38). Dabei herrscht die Biegung vor, die Dehnungs-
und Spannungsverteilung ist ähnlich wie bei reiner Biegung. Die Normalkraft kann in
diesen Fällen dadurch berücksichtigt werden, dass man sie sich in die Lage der
Gurtbewehrung versetzt denkt (Bild 5-44) und den dadurch begangenen „Fehler“
beim Moment berücksichtigt. Das auf die Gurtbewehrung bezogene Biegemoment
beträgt dann:

MEds = MEd - NEd . zs (N als Druckkraft negativ) (5.70)

Dafür wird der Querschnitt zunächst wie bei reiner Biegung bemessen. Zusätzlich zu
der daraus ermittelten Bewehrung muss dann noch Bewehrung ΔAs zur Aufnahme
der Normalkraft NEd in Höhe der Bewehrungslage eingelegt werden. Damit die Be-
dingung ebenbleibender Querschnitte erfüllt ist, wird diese Zusatzbewehrung für das-
selbe εs ermittelt, das sich bei der Biegebemessung für MEds einstellt, also

NEd
ΔA s,req = (5.71)
σs

σs = εs . Es ≤ fyd

Bild 5-44 Das auf die Gurtbewehrung bezogene Biegemoment MEds

5.4.7 Bemessung für Zug mit geringer Ausmitte


Wenn die resultierende Schnittgröße N eine (exzentrische) Zugkraft ist, die innerhalb
des Querschnitts zwischen den beiden Bewehrungslagen angreift (Bild 5-45), ver-
bleibt im Zustand II keine Betondruckzone. Die erforderliche Bewehrung in den bei-
den Bewehrungslagen ergibt sich dann allein aus den Gleichgewichtsbedingungen:

Bild 5-45 Bemessung für Zug mit geringer Ausmitte

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ΣH = 0: Fs1 + Fs2 = N (5.72)

ΣM = 0: Fs1 . a1 = Fs2 . a2 (Hebelgesetz) (5.73)

a1 = zs1 - e

a2 = zs2 + e

MEd
e=
NEd

NEd ⋅ a 2 NEd ⋅ a1
Fs1 = , Fs 2 = (5.74)
a1+ a 2 a1 + a 2

5.4.8 Bemessung von Plattenbalkenquerschnitten


Der Plattenbalken als Kombination einer obenliegenden Platte und eines Balkens ist
ein für den Stahlbetonbau typisches und häufig vorkommendes Bauteil. Wichtig ist
zunächst, ob die Druckzone oben auf der Seite der Platte oder (z. B. im Bereich der
Stützmomente) unten im Steg liegt. In letzterem Fall ist die maßgebende Druck-
zonenbreite gleich der Stegbreite und die Biegebemessung erfolgt wie für einen
Rechteckbalken mit der Stegbreite.
Statisch günstiger ist es, wenn die Platte in der Druckzone liegt. Hierbei werden zwei
Fälle unterschieden:
Die Nulllinie liegt innerhalb der Platte (Bild 5-46 a):
Der Plattenbalken kann hier wie der umschriebene Rechteckquerschnitt bemessen
werden, da der Beton in der gerissenen Zugzone auf die Biegebemessung keinen
Einfluss hat. Auf der sicheren Seite liegend kann aber auch das folgende, noch ein-
fachere Verfahren verwendet werden:
Die Nulllinie liegt im Steg (Bild 5-46 b):
Handelt es sich um einen schlanken Querschnitt: beff / bw > 5, so ist die Druckkraft
im Steg gering und kann für die weitere Bemessung vernachlässigt werden. Die Be-
tondruckspannungen können näherungsweise als über die ganze Plattendicke kon-
stant angenommen werden, so dass der Hebelarm der inneren Kräfte aus Bild 5-46 b
abgelesen werden kann:

hf
z=d− (5.75)
2

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Bild 5-46 Bemessung von Plattenbalken für Moment und Normalkraft: a) Nulllinie in der
Platte; b) Nulllinie im Steg

Die Gurtkräfte ergeben sich wie gewohnt aus

Fs = Fc = M / z (5.76)

und die erforderliche Gurtbewehrung aus

Fs F
A s,req = = s (5.77)
σs f yd

Im Zweifelsfall muss man sich noch vergewissern, ob der Beton in der Platte nicht
überbeansprucht ist:

Fc
σc = ≤ fcd (5.78)
b eff ⋅ h f

Bei gedrungenen Querschnitten: beff / bw ≤ 5 (Bild 5-47), wird es unwirtschaftlich


den Anteil des Steges zu vernachlässigen. Für die Bemessung wird die T-förmige
Betondruckzone unter Beibehaltung der Dehnungsnulllinie und der Druckkraft in eine
rechteckige Druckzone der ideellen Breite bi = λ · beff umgewandelt. Man erhält damit
eine etwas tiefere Lage der Druckkraft und einen entsprechend größeren Beweh-
rungsquerschnitt („sichere Seite“).

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Bemessungsablauf:
1. MEds, d, beff → μEds- oder kd-Wert → ξ → x > hf, beff / bw ≤ 5
2. hf / d, beff / bw → Tafel „λ-Werte“ (Tab. 5-6) → λ → bi = λ · beff
3. MEds, d, bi → μEds- oder kd- Wert → ξneu ≤ ξalt !!! → ω1 oder ks → erf. As1

Bild 5-47 Schnittgrößen am gedrungenen Plattenbalkenquerschnitt

hf b eff
d bw
0,5 0,45 0,40 0,35 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 5,0
ξ λb
0,5 0,45 0,40 0,35 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00
0,50 0,44 0,39 0,33 0,28 0,22 0,17 0,11 0,06 0,99 0,99 0,99 0,99 0,99 0,99 0,98
0,50 0,44 0,38 0,31 0,25 0,19 0,13 0,06 0,97 0,96 0,95 0,95 0,95 0,95 0,94
0,50 0,43 0,36 0,29 0,21 0,14 0,07 0,95 0,92 0,90 0,89 0,89 0,88 0,87
0,50 0,42 0,33 0,25 0,17 0,08 0,91 0,87 0,84 0,82 0,81 0,80 0,79
0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,87 0,81 0,77 0,75 0,73 0,71 0,70
0,50 0,38 0,25 0,13 0,83 0,75 0,70 0,66 0,64 0,62 0,60
0,50 0,33 0,17 0,79 0,69 0,62 0,58 0,55 0,53 0,50
0,50 0,25 0,75 0,62 0,55 0,50 0,46 0,44 0,40
0,50 0,71 0,56 0,47 0,42 0,37 0,34 0,30

Tab. 5-6 λ-Werte zur Bestimmung der Ersatzbreite bi nach Heft 220 DAfStb

Bei breiten Platten sind die Betonspannungen über die Plattenbreite ungleichmäßig
verteilt (Bild 5-48). Man rechnet dann vereinfacht mit gleichmäßiger Spannung über
die mitwirkende Plattenbreite beff, die so festgelegt ist, dass sich etwa die gleiche
maximale Druckspannung in der Platte ergibt. Die mitwirkenden Breiten sind in
DIN 1045-1 wie folgt geregelt:

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Bild 5-48 Mitwirkende Plattenbreite von Plattenbalken

beff = bw + Σbeff,i (5.79)

beff,i = 0,2 ⋅ bi + 0,1 ⋅ l0 ≤ 0,2 ⋅ l0

≤ bi
Die wirksame Stützweite lo (entspricht dem Abstand der Momentennullpunkte) bei
Kragträgern darf bei etwa gleichen Steifigkeitsverhältnissen nach Bild 5-48 abge-
schätzt werden.

5.4.9 Druckbewehrung
Druckkräfte können vom Beton sehr günstig und wirtschaftlich aufgenommen wer-
den. Sie sollten deshalb im Regelfall nicht der Bewehrung zugewiesen werden. Aus-
nahmsweise kann das aber zweckmäßig sein, z. B. wenn nur in einem verhältnis-
mäßig kurzen Tragwerksbereich die Betonabmessungen zur Aufnahme der
Schnittgrößen nicht ausreichen. Außerdem möchte man manchmal die ohnehin vor-
handene konstruktive Bewehrung in der Druckzone nutzen.
Dabei wird folgendermaßen vorgegangen:

Aufzunehmendes Moment: MEd

Aufnehmbares Moment ohne Druckbewehrung: MEd,lim

Zusätzlich aufzunehmen: ΔMEd = MEd - MEd,lim

ΔMEd
ΔMEd wird durch ein Kräftepaar aufgenommen (Bild 5-49): Fs 2 = ΔFs1 =
zs

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Bild 5-49 Berücksichtigung der Druckbewehrung bei der Bemessung

As2 und ΔAs1 werden so gewählt, dass die Verträglichkeit der Dehnungen im Quer-
schnitt erhalten bleibt:

ΔFs1
Δ A s1 = mit σ s1 = ε s1 ⋅ E s ≤ f yd aus der Biegebemessung
σ s1

Fs 2
A s2 = mit σ s 2 = ε s 2 ⋅ E s ≤ f yd aus der Dehnungsverteilung
σ s2

wobei σs1 und σs2 dieselben Spannungen sind, die auch aus MEd,lim entstehen.

Definition des Grenzwerts, ab dem Druckbewehrung erforderlich wird:


Je größer die Betondruckzone ausgelastet ist, desto eher besteht die Gefahr, dass
der Stahl noch nicht fließt. Nicht fließender Stahl bedeutet aber, dass im Falle eines
Bruchs dieser spröde ausfällt.
Die Streckgrenze der Bewehrung wird zuerst im Bereich des maximalen Moments
erreicht. Durch das Fließen der Bewehrung entsteht hier ein plastisches Gelenk und
somit in der Biegelinie ein Knick. Im Gelenk tritt eine plastische Rotation Θpl auf. Die-
ses Rotationsvermögen ist bei geringen Bewehrungsquerschnitten abhängig vom
Verformungsvermögen des Betonstahls (Duktilität), bei stärker bewehrten Quer-
schnitten ist jedoch ein Betonversagen im Gelenk möglich, ohne dass die Streck-
grenze des Stahls erreicht wird. Mit zunehmender Druckfestigkeit nimmt die
Verformungsfähigkeit ab.
Die in einem plastischen Gelenk aufnehmbaren Biegemomente sind somit abhängig
von der Duktilität des Betonstahls, von der Betonfestigkeit und der Ausnutzung der
Betondruckzone.
Diese Situation kann vermieden werden, indem man also bei der Bemessung die zu-
lässige Druckzonenhöhe begrenzt (ξ ≤ ξlim) und in der Druckzone eine Druckbeweh-
rung As2 anordnet, die einen Teil der Druckkraft aufnimmt.
Als Grenzwert für die bezogene Druckzonenhöhe gilt als Duktilitätskriterium nach
[DIN 1045-1, 13.1.1 (5)] für Betonfestigkeitsklassen ≤ C 50/60:

ξlim = (x/d)lim = 0,45

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Das zugehörige bezogene Grenzmoment beträgt (vgl. Allgemeines Bemessungs-


diagramm nach Bild 5-43):

μEds,lim = 0,296

Die Ausnutzung der Betondruckzone ist mit der Einhaltung dieses Wertes begrenzt
und der Nachweis der Rotationsfähigkeit entbehrlich.
Wird eine konstruktive Umschnürung der Druckzone nach [DIN 1045-1, 13.1.1 (5)]
angeordnet, oder der rechnerische Nachweis der Rotationsfähigkeit nach z. B.
[DIN 1045-1, 8.4.2] geführt, gilt der Grenzwert im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit.
Begrenzung der Druckzone im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit:
Der Bemessungswert der Streckgrenze des Stahls wird bei geringen Stahldehnun-
gen nicht erreicht.

fyk 500
Streckgrenze: σsd = = = 434,8 N/mm²
γs 1,15

fyk / γ s 434,8
Zugehörige Stahldehnung: εs1 = εyd = = = 2,174 o/oo
Es 200 000

Grenzwert der bezogenen Druckzonenhöhe:

εc 2 3,5
ξlim = (x/d)lim = = = 0,617
ε c 2 + ε s1 3,5 + 2,174

Das zugehörige bezogene Grenzmoment beträgt (vgl. Allgemeines Bemessungs-


diagramm nach Bild 5-43):

μEds,lim = 0,371

5.4.10 Bemessung bei nicht rechteckiger Druckzone und schiefer Biegung


Für Kreis- und Kreisringquerschnitte gibt es Bemessungstafeln nach DIN 1045-1 in
den Tabellenwerken. Hier finden sich auch Tafeln für dreieckige Druckzone und
schiefe Biegung in Rechteckquerschnitten. Bei anderen unregelmäßigen Querschnit-
ten erleichtert der Spannungsblock die Integration der Druckspannungen für eine an-
genommene Dehnungsverteilung. Grundsätzlich, besonders aber bei schiefer
Biegung, ist darauf zu achten, dass die Momentenebene aus Mx, My und N mit der
Momentenebene der inneren Kräfte übereinstimmt, d. h. dass die Zugresultierende
Fs der Bewehrung und die Druckresultierende Fc des Betons (und evtl. der Druckbe-
wehrung) in der Momentenebene liegen (Bild 5-50). Die Nulllinie liegt dabei nicht im-
mer senkrecht zur Momentenebene. Eine maßstäbliche Skizze zeigt am besten die
zweckmäßige Anordnung der Bewehrung in unübersichtlichen Fällen.

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Bild 5-50 Bemessung bei schiefer Biegung für beliebige Querschnittsformen:


a) Rechteckquerschnitt mit Momenten Mx und My; b) unsymmetrischer Platten-
balken mit senkrechter Last

5.5 Bemessung von Betonbalken mit Fachwerkmodellen

5.5.1 Fachwerkmodelle
Das Trajektorienbild in Bild 5-51 vermittelt einen guten Einblick in das Tragverhalten
des ungerissenen Balkens und dient auch als Anhalt für Modelle zur Berechnung des
gerissenen Zustandes, denn dafür ist die Technische Biegelehre nicht mehr brauch-
bar. Man benötigt für die Bemessung im gerissenen Zustand andere Modelle, die das
veränderte Tragverhalten zumindest in den Grundzügen erfassen. Bei Balken wer-
den dafür die von Ritter und Mörsch schon vor etwa 100 Jahren vorgeschlagenen
Fachwerkmodelle verwendet (Bild 5-52).

Bild 5-51 Hauptspannungen: a) Trajektorienbild; b) qualitative Ermittlung der Haupt-


spannungsrichtungen im Punkt A

Bild 5-52 Bemessung für Querkraft: a) Fachwerkmodell nach Ritter; b) und c) Fachwerk-
modelle nach Mörsch

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Das Modell mit den steigenden und fallenden Diagonalen kommt dem Trajektorien-
bild am nächsten, es wird aber aus baupraktischen Gründen (arbeitsaufwändige
Schrägstäbe) kaum mehr verwendet.
Wir betrachten die Zusammenhänge an einem Modell mit senkrechten Hängern und
Druckdiagonalen, die unter dem Winkel θ geneigt sind (Bild 5-52 a, c). Jeder Hänger
repräsentiert diejenigen Bügel, die im Bereich eines Fachwerkgefaches der Länge
Δx = z ⋅ cot θ vorhanden sind. Die Druckdiagonalen sind die Resultierenden der in
einem Gefach gleichmäßig verteilt angenommenen, schief durch den Steg verlaufen-
den Betondruckspannungen σ. Etwas verfeinert kann ein solches Gefach wie in
Bild 5-53 dargestellt werden.
Der Abstand z der Gurte wird nach Kapitel 5.4 für die Stelle ohne Querkraft, d. h. für
max M, ermittelt und (auf der sicheren Seite liegend) als über den ganzen B-Bereich
hinweg konstant angenommen. Die zweckmäßige Wahl des Druckstrebenwinkels θ
wird in Kapitel 5.5.3 behandelt.
Das gewählte Modell ermöglicht die eindeutige Berechnung der einzelnen Stabkräfte
allein aus den Schnittgrößen M, N und V des statischen Systems des Tragwerks
(Balken, Rahmen etc.).

Bild 5-53 Verschmiertes Modell eines B-Bereiches

5.5.2 Bemessung der Gurte (einschließlich Beteiligung der Querkraft)


Ergänzend zur Momentenbeanspruchung trägt auch die Querkraft zur Erhöhung der
Zugkräfte in der Biegezugzone bei, was bei der Bemessung nicht vernachlässigt
werden darf. Dies soll in nachfolgenden Ausführungen näher erläutert werden.
Zur Vereinfachung der Schreibweise werden in nachfolgenden Gleichungen die Indi-
ces Ed bei den Einwirkungen weggelassen.
Aus den Gleichgewichtsbedingungen an der Stelle x (Bild 5-54)

ΣH = 0: Fs,x - Fc,x - Fθ,x ⋅ cos θ = 0

z
ΣM = 0: (Fs,x + Fc,x ) ⋅ = Mx
2

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ΣV = 0: Fθ,x ⋅ sin θ = Vx

erhält man die Gurtkräfte

Mx Vx
Fs,x = + cot θ (Stahl-Zuggurt) (5.80)
z 2

Mx Vx
Fc,x = − cot θ (Beton-Druckgurt) (5.81)
z 2

Bild 5-54 Schnitt an der Stelle x zur Berechnung der Gurtkräfte

Die Gurtkräfte hängen also nicht nur vom Moment sondern auch von der Querkraft
ab. Durch Einführen der differenziellen Beziehung am homogenen Balken,

dM
= Vx (5.82)
dx

dem Momentengleichgewicht an der Stelle x + dx (Bild 5-55),

Mx + dx = Fs,x ⋅ z

sowie Gleichung (5.80) erhält man:

Mx +dx = M x + dM = Fs,x ⋅ z

Vx ⋅ z
→ M x + Vx ⋅ dx = M x + cot θ
2

z
→ dx = cot θ (5.83)
2

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dx

Bild 5-55 Schnitt an der Stelle x + dx zur Ermittlung des „Versatzmaßes“

Der Abstand, der um dx versetzten Schnitte wird als „Versatzmaß“ al bezeichnet:

z
dx = a l = ⋅ cot θ (5.84)
2

Somit ist für den Zuggurt an der Stelle x das Moment an der Stelle x + a l maßge-
bend. Das Versatzmaß ist in DIN 1045-1, Abschn. 13.2.2 (3), geregelt. Es muss bei
der Bemessung der Zuggurte berücksichtigt werden, da es die Gurtkräfte vergrößert
und auch im Bereich der Momenten-Nullpunkte zu Zuggurtkräften (oben und unten)
führt. Aus dem gleichen Grund ist über dem Endauflager trotz M = 0 eine Gurtbeweh-
rung nötig für

VA
FsA = ⋅ cot θ Verankerungskraft am Endauflager (5.85)
2

Die Gurtbemessung erfolgt meistens in der Weise, dass zunächst die Gurtzugkräfte
entsprechend Kapitel 5.4 ohne Berücksichtigung der Querkraft ermittelt werden und
dann eine um das Versatzmaß a l verschobene „Zugkraftlinie“ abgedeckt wird
(Bild 5-56). Die Gurtbewehrung kann entsprechend dieser Zugkraftlinie abgestuft
werden. Dabei darf die „Zugkraftdeckungslinie“ nicht in die rechnerisch erforderliche
Zugkraftlinie einschneiden. Die Bewehrung muss vielmehr über die rechnerischen
Endpunkte E noch um eine Verankerungslänge lb,net hinausgeführt werden. Minde-
stens ein Viertel der größten Feldbewehrung (bei Platten die Hälfte) ist ohnehin bis
über das Lager zu führen, um Abweichungen von der rechnerischen Momentenver-
teilung zu berücksichtigen, die aus vereinfachten Last- und Systemannahmen oder
aus vernachlässigten Zwängungskräften entstehen können. Außerdem werden da-
durch auch die Rissbreiten im Bereich großer Querkraftbeanspruchungen gering
gehalten, was im Hinblick auf die Querkraftübertragung sinnvoll ist.

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Der durch das Versatzmaß berücksichtigte Einfluss der Querkraft auf die Zugbeweh-
rung (oftmals auch als Biegebewehrung bezeichnet) wird durch zahlreiche Versuche
bestätigt (Bild 5-58).

Bild 5-56 Abstufung der Gurtbewehrung entsprechend der Zugkraftdeckungslinie nach


DIN 1045-1:2008-08

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5.5.3 Querkraftabtragung

5.5.3.1 Bügel
ΣV in Bild 5-57 liefert Fsw = V, wobei der aus dem Versatzmaß entstehende Quer-
kraftanteil ΔV = - q · z / 2 · cot θ wie beim Druckgurt (auf der sicheren Seite liegend)
vernachlässigt wird.

Bild 5-57 Schnitte zur Berechnung der Stabkräfte des Fachwerks

Verteilt man die Stabkraft Fsw auf die zugehörige Länge z ⋅ cot θ eines Gefaches, so
ergeben sich die bezogenen Bügelkräfte

V V
'
Fsw = = ⋅ tan θ [kN/m] (5.86)
z ⋅ cot θ z

Bei einem Bügelabstand s ist jeder Bügel für eine Kraft F'sw ⋅ s zu bemessen. In der
Praxis bestimmt man den erforderlichen Bügelquerschnitt pro Meter Balkenlänge.

'
Fsw V ⋅ tan θ
erf a sw = = [cm2/m] (5.87)
f yd z ⋅ f yd

Danach wählt man den Bügelabstand sw und den Bügelstabdurchmesser so, dass

vorh asw ≥ erf asw, wobei

n ⋅ A sw
vorh a sw = [cm2/m] (5.88)
sw

Asw: Querschnitt des Einzelstabes [cm2]

n: Schnittigkeit der Bügel (meist n = 2)

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Aus den Gl. (5.87) und (5.88) ergibt sich die Gl. (75) in DIN 1045-1 für die aufnehm-
bare Querkraft im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Bügel:

A sw ⋅ n
VRd,sy = ⋅ z ⋅ fy d ⋅ cot θ (5.89)
sw

Der zulässige Bügelabstand sw ist in DIN 1045-1 geregelt. Bei großen Querkraft-
beanspruchungen sollten die Bügel relativ eng gelegt werden, damit die schrägen
Druckstreben sich in den Knoten mit den Bügeln und Gurtstäben nicht zu stark ein-
schnüren müssen (Bild 5-59 a). Das gilt auch für den Abstand der Bügelschenkel in
Balkenquerrichtung (evtl. mehrschnittige Bügel n > 2 wählen!). Die Bügel müssen
auch horizontal geschlossen werden, um die Spreizkräfte T aus den Druckstreben
aufnehmen zu können (Bild 5-59 b). In Platten von Plattenbalken erfolgt der Bügel-
schluss durch die Plattenbewehrung (Bild 5-59 c).

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Bild 5-58 Vergleich der Stahlspannungen im Zuggurt a) und in den Bügeln b) aus M / z mit
Versuchsergebnissen

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Bild 5-59 Aufnahme der Spreizkräfte T aus den Druckstreben durch: b) geschlossene Bü-
gel bei Rechteckquerschnitten; c) offene Bügel und die Plattenbewehrung bei
Plattenbalken

5.5.3.2 Druckstreben
Nach der Festlegung des Druckstrebenwinkels θ (siehe folgenden Abschnitt) liefert
das Modell in Bild 5-54 die schräge Druckkraft

VEd
Fθ = (5.90)
sin θ

Gleichmäßig verteilt auf die Breite bθ = z ⋅ cos θ (Bild 5-54) ergeben sich Beton-
druckspannungen

VEd
σ cw = (5.91)
b w ⋅ z ⋅ sin θ ⋅ cos θ

Diese dürfen die Betonfestigkeit für schräge Druckstreben αc ⋅ fcd nicht überschreiten:

σcw ≤ αc ⋅ fcd (5.92)

αc = 0,75 ⋅ η1

η1 = 1,0 für Normalbeton (Kapitel 3.4.1)

- 165 -
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Errechnet man aus obigen Gleichungen die ohne Versagen des Balkensteges auf-
nehmbare Querkraft, so ergibt sich der „Bemessungswiderstand“ VRd,max nach
DIN 1045-1:

1
mit = sin θ ⋅ cos θ (5.93)
tan θ + cot θ

1
VRd,max = α c ⋅ fcd ⋅ b w ⋅ z ⋅ ≥ VEd (5.94)
cot θ + tan θ

Der Neigungswinkel der Druckstreben


Wie aus den Gleichungen (5.80), (5.86) und (5.91) zu ersehen ist, geht die erforder-
liche Bügelmenge bei flacher werdenden Druckstrebenneigungen zurück, während
gleichzeitig die Zuggurtkraft bzw. das Versatzmaß und die Druckstrebenspannungen
zunehmen. Da man ohnehin meistens mehr Bewehrung bis zum Auflager durchführt
als zur Momentendeckung nötig ist, liefern kleine Strebenwinkel die wirtschaftlichste
Bewehrung - vorausgesetzt, die Strebenspannungen werden nicht überschritten. Die
DIN 1045-1 begrenzt die Druckstrebenneigung auf 18° ≤ θ ≤ 60° für Normalbeton
bzw. 27° ≤ θ ≤ 60° für Leichtbeton. In die exakte Begrenzung der Druck-
strebenneigung geht abweichend von Eurocode 2 versteckt die Betonzugfestigkeit
mit ein:

1,2 − 1,4 σ cd / fcd ⎧ 3,0 für Normalbeto n


0,58 ≤ cot θ ≤ ≤⎨ 
1 − VRd,c / VEd ⎩ 2,0 für Leichtbeto n

⎛ σ ⎞
VRd,c = β ct ⋅ 0,10 ⋅ η1 ⋅ fck1/ 3 ⋅ ⎜⎜1 + 1,2 cd ⎟⎟ ⋅ b w ⋅ z VRd,c ≠ VRd,ct  (5.95)
⎝ fcd ⎠

βct: 2,4

η1: 1,0 für Normalbeton

σcd: Bemessungswert der Betonlängsspannung im Quer-


schnittsschwerpunkt
In Wirklichkeit nehmen die Strebenneigungen mit dem Verhältnis der Steifigkeit der
Hänger (Bügelbewehrung) zu der der Betondruckstreben zu, sind also bei Recht-
eckbalken (breite, steife Streben) im Allgemeinen geringer als bei Plattenbalken
(schmälere Druckstreben) und stellen sich bei Plattenbalken mit viel Stegbewehrung
(steife Hänger) steiler ein als bei Balken mit geringerem Stegbewehrungsgrad

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(Bild 5-60 a, b). Das Tragverhalten passt sich den Steifigkeitsverhältnissen an. Reali-
stische Strebenwinkel liegen bei N = 0 zwischen etwa 30o und 40o. Die DIN 1045-1
schlägt vereinfachend für reine Biegung sowie für Biegung mit Längsdruck einen
Strebenwinkel von etwa 40°, für Biegung mit Längszug 45° vor.
Fachwerkmodelle mit diesen Winkeln können allerdings die relativ geringen Bügel-
spannungen nicht erklären, die bei geringer Querkraftbeanspruchung auftreten
(Bild 5-58 b). Es wirkt dann der Beton auf Zug bei der Lastabtragung mit, wobei
Hauptzugkräfte wegen der Kornverzahnung selbst über Risse hinweg übertragen
werden. Deshalb können die Druckstreben auch flacher als die Risse geneigt sein.
Außerdem unterstützt die „Dübelwirkung“ der Gurtbewehrung (Bild 5-60 c) und auch
die Neigung des Druckgurtes in der Nähe des Auflagers die Querkraftabtragung.
Längszug vergrößert die Strebenwinkel – bei hoher Beanspruchung aus Querkraft
und Zug sollte mindestens θ = 45o gewählt werden –, Längsdruck vermindert sie.

Bild 5-60 a) und b) Vergleich der Rissbilder von Plattenbalken mit unterschiedlichem Steg-
bewehrungsgrad; c) Die Dübelwirkung der Gurtbewehrung unterstützt die Quer-
kraftabtragung

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Fc

Vc
x
My Vz
Vi V sw
Vc Vertikalkomponente der Betondruckkraft Fc
P
Vp Vsw Vertikalkomponente der Zugkräfte der Schubbewehrung

Fs Vi Vertikalkomponente der Rißverzahnung


Vd
Vp Vertikalkomponente geneigter Spanngliedkräfte P

z
Vd Vertikalkraft aus Dübelwirkung der Längsbewehrung

Bild 5-61 Querkraftkomponenten (Darstellung unmaßstäblich)

Besonderheiten bei geneigten Bügeln und Aufbiegungen


Schrägbügel (45° ≤ α ≤ 90°) ermöglichen eine günstigere Lastabtragung als senk-
rechte, da sie sich dem Kraftfluss im ungerissenen Zustand besser anpassen
(Bild 5-62).

Bild 5-62 Schrägrissbreiten bei unbewehrtem Steg, bei Aufbiegungen, bei vertikalen und
bei geneigten Bügeln

Aufbiegungen dicker Gurtstäbe (α = 45° oder 60°) sind andererseits wegen der
Querzugkräfte T, die von ihren Umlenkungen ausgehen (Bild 5-62) ungünstig. Diese
Umlenkungen müssen deshalb mit relativ großen Radien gebogen werden und dür-
fen nur in Kombination mit Bügeln verwendet werden.

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Bild 5-63 Aufbiegungen erzeugen Umlenkkräfte U, die zu Querzugkräften T führen; Eck-


stäbe dürfen deshalb nicht aufgebogen werden

Bild 5-64 Fachwerkmodell mit geneigten Bügeln; b) Gegenüberstellung der Gleichungen


für geneigte und vertikale Bügel

Bügel 45° ≤ α ≤ 90° α = 90°


Aufbiegung 45° ≤ α ≤ 60° nicht zulässig
aZ = z · (cot θ + cot α) · sin α z · cot θ
aD = z · (cot θ + cot α) · sin θ z · cos θ
Versatzmaß al = z z
⋅ (cot θ − cot α ) ⋅ cot θ
2 2
Druckgurt M V M V
Fc = − ⋅ (cot θ − cot α ) Fc = − ⋅ cot θ
z 2 z 2
Zuggurt M V M V
Fs = + ⋅ (cot θ − cot α ) Fs = + ⋅ cot θ
z 2 z 2
σcw = V 1 V 1
⋅ ⋅
b w ⋅ z (cot θ + cot α ) ⋅ sin2 θ b w ⋅ z sin θ ⋅ cos θ

F’sw = V 1 V
⋅ ⋅ tan θ
z (cot θ + cot α ) ⋅ sin2 α z

erf asw = V 1 V
⋅ ⋅ tan θ
z ⋅ fy,d (cot θ + cot α ) ⋅ sin α z ⋅ f y, d

Tab. 5-7 Gegenüberstellung der Gleichungen für geneigte und vertikale Bügel

- 169 -
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Die Bemessung von B-Bereichen mit Schrägbewehrung kann in entsprechender


Weise wie bei senkrechten Bügeln erfolgen, nachdem das Fachwerkmodell durch
schräge Hänger modifiziert ist (Bild 5-64, Tab. 5-7). Das Versatzmaß für die Gurtbe-
wehrung wird geringer (im Grenzfall αl = 0 für α = θ), ebenso die Betonspannung der
schrägen Druckstrebe und der je Meter Balkenlänge erforderliche Querschnitt der
Schrägbewehrung:

VEd 1
a sw = ⋅ (5.96)
z ⋅ f y d (cot θ + cot α ) ⋅ sin α

Schrägbewehrung wird allerdings wegen des höheren Arbeitsaufwandes nur noch


selten angewendet.
Berücksichtigung geneigter Gurte
Druck- und Zuggurte von B-Bereichen, die gegenüber der Balkenachse geneigt sind,
beteiligen sich an der Querkraftabtragung mit der Komponente (Bild 5-65 a)

M
ΔV = Fs ⋅ sin γs + Fc ⋅ sin γc ≈ ⋅ tan γ (γ = γ s + γ c ) (5.97)
z

Dies gilt auch für geneigte Flansche in Stahlträgern.

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Bild 5-65 a) Geneigte Gurte beteiligen sich an der Querkraftabtragung; b) - d) geneigte


Gurte in Trägern mit veränderlichen Querschnittsabmessungen; e) Spannglieder
als geneigte Gurte in einem Träger mit konstantem Querschnitt

In zweckmäßig entworfenen Konstruktionen, bei denen der innere Hebelarm mit dem
Moment zunimmt, wirkt ΔV immer günstig.
Geneigte Gurte kommen außer in gevouteten Trägern oder Balken mit veränderli-
chem Querschnitt (Bild 5-65) auch in Parallelträgern mit girlandenförmig geführten
Spanngliedern vor. Die Spannglieder übernehmen dann einen Querkraftanteil

VP = P ⋅ sin ψ ≈ P ⋅ tan ψ (5.98)

5.5.4 Angehängte Lasten


Wirkt die Last q nicht „von oben“ auf den Träger, sondern ist unten angehängt
(Bild 5-66), dann ist die Zugkraft der senkrechten Hänger im Fachwerkmodell um q
größer als bei Last „von oben“. Deshalb ist die Bügelbewehrung zu verstärken:

q
Δa sw = („Aufhängebewehrung“) (5.99)
f yd

Entsprechend sind auch Einzellasten „aufzuhängen“.

Bild 5-66 Unten eingetragene Lasten bei Aufhängebewehrung für: a) Fußgängerbrücke mit
Tragquerschnitt; b) umgedrehten Plattenbalken als Lager für die Nebenträger

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5.5.5 Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung


Der einachsig spannende Stahlbetonbalken ist im Vergleich zur zweiachsig span-
nenden Platte stärker beansprucht, so dass in der Regel Bügelbewehrung zur Quer-
kraftabtragung erforderlich ist. Im Gegensatz zum Balken kann man bei Platten
meistens auf Bügelbewehrung verzichten (KI II). Die Querkraftabtragung bedingt
dann Betonzugspannungen, die vom Beton aber trotz Biegerissen bewältigt werden.
Nach DIN 1045-1, Abschn. 10.3.3 kann die Querkrafttragfähigkeit biegebewehrter
Bauteile ohne Querkraftbewehrung wie folgt ermittelt werden:

VRd,ct = [0,1⋅ κ ⋅ η1 ⋅ (100 ⋅ ρ l ⋅ fck )1/ 3 − 0,12 ⋅ σ cd ] ⋅ b w ⋅ d (5.100)

1
VRd,max = α c ⋅ fcd ⋅ b w ⋅ z ⋅ (5.101)
cot θ + tan θ

VRd,ct hängt vom Bewehrungsgrad ρl = Asl / (bw ⋅ d) ≤ 2 %, von der Zugfestigkeit des
Betons und von der Gurtbewehrung ab. Außerdem wird mit σcd = NEd / Ac (Druckkraft
negativ) der Einfluss der Längskraft oder Vorspannung berücksichtigt.
Diese Regeln dienen dazu, die Rissbreiten aus der Biegung im Bereich größerer
Querkräfte klein zu halten, denn das Querkraftversagen wird durch Biegerisse einge-
leitet, die sich in die Druckzone hinein ausbreiten (Bild 5-67, Bild 5-68).
VRd,max stellt einen Nachweis der Druckstrebenspannungen dar (vgl. Kapitel 5.5.3.2).

Bild 5-67 Versagensbild eines Balkens ohne Bügelbewehrung

Bild 5-68 Kammartige Struktur nach der Rissbildung und Möglichkeit der Lastabtragung bei
Bauteilen ohne Querkraftbewehrung nach König/Tue

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5.5.6 Anschluss von abstehenden Querschnittsteilen an den Steg


(Anschluss Platte / Steg)
Im Zustand I werden die Gurtkräfte profilierter Träger wie bei homogenem Material
(z. B. Stahl) durch schiefe Hauptzug- und Druckspannungen aus dem Steg ein- und
ausgeleitet (Bild 5-70 c). Diese Spannungen können in Schnitten parallel zur Träger-
Längsachse als mittlere Längsschubkraft VEd zusammengefasst werden:

ΔFd
VEd = ΔFd bzw. auf die Längeneinheit bezogen v Ed = (5.102)
av

Dabei ist ΔFd die Längskraftdifferenz, die in den abliegenden Teil des Gurts über die
Länge av als Druck- oder Zugkraft eingeleitet wird. Die Ermittlung von ΔFd kann über
die Momentendifferenz ΔMEds zwischen zwei Punkten im Abstand av erfolgen. Nach
DIN 1045-1 darf für av höchstens der halbe Abstand zwischen Momentennullpunkt
und Momentenhöchstwert angenommen werden. In diesem Abschnitt darf die
Längsschubkraft als konstant angenommen werden.
Beispielsweise ergibt sich für den Druckflansch des Plattenbalkens in Feldmitte
(Bild 5-70 c):

A ca b ΔMEds beff ,1
ΔFd = ΔFc ⋅ = ΔFc ⋅ eff ,1 = ⋅ (5.103)
Ac beff z beff

In entsprechender Weise ergibt sich im Zugflansch (Bild 5-69):

A sf ΔMEds A sf
ΔFd = ΔFs ⋅ = ⋅ (5.104)
As z As

wobei Asf / As das Verhältnis der Gurtkraft des betrachteten Flansches (Querschnitt
Asf der ausgelagerten Bewehrung) zur Gesamtgurtkraft (Querschnitt As) berück-
sichtigt.

Bild 5-69 Anschluss der ausgelagerten Bewehrung Asf eines Zugflansches

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Damit die Flansche infolge der Hauptzugspannungen nicht abreißen, müssen sie ei-
ne Querbewehrung („Anschlussbewehrung“) erhalten, welche der Einfachheit halber
meistens senkrecht zur Trägerachse angeordnet wird (Horizontalbügel Bild 5-70 d,
Bild 5-69).
Für die Bemessung der Horizontalbügel wählt man wieder zweckmäßigerweise ein
Fachwerkmodell (Bild 5-70 e). Auf die Längeneinheit des Balkens bezogen, ergeben
sich aus der Schubkraft vEd gemäß Krafteck in Bild 5-70 e die Querzugkräfte:

F'f = vEd ⋅ tan θf (5.105)

Die zugehörige Bewehrung pro Längeneinheit des Balkens beträgt:

Ff' v
a sf = = Ed ⋅ tan θ f (5.106)
f yd f yd

Die Neigung θf der Druckstreben im Druckflansch kann vereinfacht zu 30° ange-


nommen werden. Im Zugflansch sollte wegen der steileren Druckstrebenneigung
θ ≥ 45° angesetzt werden.
Die Querbewehrung asf [cm2/m] im Flansch ist auf die obere und untere Lage hälftig
zu verteilen. Bei einer zusätzlichen Belastung der Gurte durch Querbiegung ist es im
Allgemeinen ausreichend, auf der Gurtober- und unterseite die größere sich aus
Längsschubkraft oder Querbiegung ergebende Bewehrungsmenge einzulegen. D. h.
es sind zwei Fälle zu unterscheiden:
- Die Bewehrung aus Querbiegung ist größer als die Hälfte der sich aus Längs-
schubkraft ergebende. → An der Gurtoberseite ist die Biegebewehrung einzule-
gen, an der Unterseite die halbe Bewehrung aus Längsschubkraft.
- Die Bewehrung aus Querbiegung ist kleiner als die Hälfte der sich aus Längs-
schubkraft ergebende. → An der Gurtober- und -unterseite ist die halbe Beweh-
rung aus Längsschubkraft einzulegen.
Diese Regel ergibt sich, da sich Teile der Zugkräfte durch die aus Querbiegung ent-
stehende Biegedruckzone ausgleichen.

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Bild 5-70 Anschluss von abstehenden Querschnittsteilen an den Steg: a) - e) Anschluss


eines Druckgurtes

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5.6 Querschnittstragfähigkeit von Verbundträgern

5.6.1 Allgemeines
Die einwirkenden Schnittgrößen von Stahl-Verbundkonstruktionen mit vorwiegend
ruhender Belastung dürfen wie die Schnittgrößen von Stahlträgern linear-elastisch
oder, falls die Querschnitte nicht beulgefährdet sind (vgl. Bild 5-20), mit der Annahme
von Fließgelenken berechnet werden. Unter den gleichen Voraussetzungen dürfen
auch die Querschnittswiderstände elastisch oder plastisch ermittelt werden. In die-
sem Kapitel wird nur die plastische Tragfähigkeit von Stahlverbundkonstruktionen
behandelt. Bei der elastischen Tragfähigkeit müssen auch die Umlagerungen der in-
neren Schnittgrößen infolge Kriechen und Schwinden berücksichtigt werden.
Voraussetzung für das Zusammenwirkungen von Profilstahl und Beton in einem Ver-
bundträger ist die Schubkraftübertragung zwischen diesen Querschnittsteilen durch
Verbundmittel (Bild 5-71). Nachfolgend wird ein unverschieblicher Verbund unterstellt
(„vollständige Verdübelung“). Deshalb gilt wieder die Bernoulli-Hypothese vom Eben-
bleiben der Querschnitte, und der einzelne Querschnitt kann unabhängig vom übri-
gen Tragwerk für Moment und Querkraft bemessen werden.
Wenn die vorhandene Betondruckzone zur Aufnahme der Druckgurtkräfte nur teil-
weise benötigt wird, darf man die erforderlichen Verbundmittel entsprechend ver-
ringern („teilweise Verdübelung“, verschieblicher Verbund). Dann gilt die Bernoulli-
Hypothese nicht mehr, und die Beanspruchungen im Querschnitt hängen von den
Verbundkräften ab, die zwischen dem Momenten-Nullpunkt und dem betrachteten
Querschnitt in den Beton eingeleitet werden.

a) b)
Bild 5-71 Typische Verbundkonstruktionen im Hochbau (Ausschnitte): a) Verbundträger mit
Kammerbeton; b) Verbundträger ohne Kammerbeton und Verbunddecke mit
Stahlprofilblech

Im Hinblick auf den Brandschutz werden die Stahlprofile oftmals mit Kammerbeton
ausgefüllt (Bild 5-71 a), der sowohl in Längs- als auch Querrichtung bewehrt werden

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muss. Er soll durch Kopfbolzen, angeschweißte oder durchgesteckte Bügel kraft-


schlüssig an den Steg angeschlossen werden. Durch den Kammerbeton wird auch
die Beulgefahr für das Stahlprofil verringert.

5.6.2 Momententragfähigkeit
Die Momententragfähigkeit von Verbundquerschnitten wird prinzipiell wie die plasti-
sche Tragfähigkeit von Stahlprofilen berechnet, wobei der Beton in der Betondruck-
zone ebenfalls voll durchplastiziert angenommen wird (Spannungsblock), und zwar
abweichend von der Stahlbetonbemessung bis zur Nulllinie (Bild 5-73)! Trotzdem
darf die Betondruckzone dabei nach DIN 18800-5 („Verbundtragwerke aus Stahl und
Beton“) in ihrer ganzen Höhe mit fcd = α ⋅ fcd / γc (vgl. DIN 1045-1) ausgenutzt werden.
Die Anpassungsfaktoren χ und k (vgl. Ansatz des Spannungsblocks nach DIN 1045-
1, Bild 5-36) dürfen demnach vernachlässigt werden.
Die mitwirkenden Breiten der Betonplatte sind DIN 18800-5 für Verbundträger leider
etwas anders geregelt als in DIN 1045-1 für Stahlbeton-Plattenbalken (vgl. z. B.
Bild 5-48), und auch einige Bezeichnungen sind unterschiedlich (z. B. Nulllinien-
abstand zpl statt x).
Die mittragende Gurtbreite bei Verbundquerschnitten berechnet sich zu

beff = b0 + Σbei mit bei = Le / 8 ≤ bi (5.107)

b0 Achsabstand der äußeren Dübelreihen

bi geometrische Teilgurtbreite nach Bild 5-72

bei mittragende Breite der Teilgurte

Le äquivalente Stützweite nach Bild 5-72 (im Allgemeinen der Ab-


stand der Momentennullpunkte)

Die mittragende Breite an Endauflagern ergibt sich zu

beff = b0 + Σβi·bei mit βi = (0,55 + 0,025 Le / bei) ≤ 1,0 (5.108)

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Bild 5-72 Äquivalente Stützweiten Le zur Ermittlung der mittragenden Breite bei Verbund-
querschnitten nach DIN 18800-5

Sofern keine Längskraft in dem untersuchten Querschnitt wirkt, ergibt sich die Null-
linienlage wieder aus der Bedingung, dass die Integrale der Druckspannungen und
die Zugspannungen über die jeweilige Querschnittsfläche den gleichen Betrag ha-
ben. Dabei werden die Druckkräfte in der Betondruckzone und im Stahlprofil ebenso
addiert (Bild 5-73 B, C) wie die Zugkräfte im Stahlprofil und in der Bewehrung, falls
der Beton beispielsweise im Stützbereich eines Durchlaufträgers in der Zugzone liegt
(Bild 5-74). Nachdem die Nulllinienlage bekannt ist, ergibt sich in allen Fällen das
plastische Moment Mpl als das Moment der aus den Spannungen resultierenden
Kräfte um eine beliebige Achse, z. B. die Nulllinie.

fcd fcd fcd

Bild 5-73 A) Nulllinie im Beton; B) Nulllinie im Druckflansch; C) Nulllinie im Steg

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Plastische Nulllinie im Betondruckgurt


Als einfachstes Beispiel betrachten wir den Fall A nach Bild 5-73, wenn die Nulllinie
in der Betonplatte liegt, also wenn

Npl,a,Rd ≤ fcd ⋅ beff ⋅ (hc - hp) (5.109)

Npl,a,Rd = Aa ⋅ fyd ist der Bemessungswert der aufnehmbaren Normalkraft des Stahl-
profils (Index a von acier = Stahl).
Die Druckkraft Ncd in der Betondruckzone beträgt:

Ncd = fcd ⋅ beff ⋅ zpl (5.110)

Aus Npl,a,Rd = Ncd folgt der Nulllinienabstand vom Druckrand:

Npl,a,Rd
z pl = (5.111)
fcd ⋅ b eff

Das plastische Moment des Verbundquerschnittes ergibt sich damit, z. B. bezogen


auf die Wirkungslinie der Betondruckkraft, zu:

⎡ z pl ⎤
MRd = Npl,a,Rd ⋅ ⎢z a − ⎥ (5.112)
⎣ 2⎦

Bild 5-74 Plastische Momententragfähigkeit, wenn die Betonplatte in der Zugzone liegt

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5.6.3 Querkrafttragfähigkeit und Interaktion mit der Momententragfähigkeit


Die Querkraft wird allein dem Steg des Stahlprofils zugewiesen. Der Bemessungs-
wert der plastischen Querkrafttragfähigkeit Vpl,Rd ergibt sich dann aus der Querkraft
übertragenden Stegfläche Av und dem Bemessungswert der Schubtragfähigkeit τRd
zu:

fyd
Vpl,Rd = Av ⋅ τRd mit τRd = (5.113)
3

Die rechnerische Stegfläche Av von Walzprofilen ist dabei entsprechend Bild 5-75

Av = Aa - 2 ⋅ bf ⋅ tf + (tw + 2 ⋅ r) ⋅ tf (5.114)

anzusetzen, während für geschweißte Profile nur die Stegfläche zwischen den
Schwerachsen der Flansche angerechnet wird:

Av = h ⋅ tw (5.115)

tw tw
Av h Av

r
tf tf
bf bf
a) b)

Bild 5-75 Querkraft übertragende Fläche Av eines Walzprofils a) und eines geschweißten
Profils b) nach [DIN 18800-5]

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Bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Biegemoment und Querkraft ist der Einfluss
der Querkraft auf die Momententragfähigkeit nach Bild 5-76 zu berücksichtigen.
Demnach darf auf eine Abminderung des aufnehmbaren Biegemoments verzichtet
werden, wenn die vorhandene Querkraft VEd nicht größer als die Hälfte der plasti-
schen Querkrafttragfähigkeit Vpl,Rd ist. Für den gekrümmten Verlauf der Interaktions-
beziehung gilt die folgende Gleichung (vgl. DIN 18800-5):

⎡ ⎛ 2⋅ V ⎞ ⎤
2

MEd ≤ M f ,Rd + (MRd − M f ,Rd ) ⋅ ⎢1 − ⎜ Ed ⎟


−1 ⎥ (5.116)
⎢ ⎜⎝ Vpl,Rd ⎟ ⎥
⎠ ⎦

MRd plastisches Grenzmoment (Kapitel 5.6.2)

Mf,Rd plastisches Grenzmoment ohne Berücksichtigung der Stegfläche

Bild 5-76 Interaktion Biegung und Querkraft

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5.7 Der Stab mit Torsionsbeanspruchung

5.7.1 Allgemeines
Werden Bauteile auf Torsion beansprucht, so ergibt sich daraus eine Verdrehung
längs der Achse des tordierten Stabes sowie eine Querschnittverwölbung aus unter-
schiedlicher Längsdehnung der Längsfasern. Im Allgemeinen unterscheidet man
Verträglichkeits- und Gleichgewichtstorsion.

Bild 5-77 Verträglichkeitstorsion

Als Verträglichkeitstorsion bezeichnet man Torsionsmomente, die durch Behinderung


von Verformungen an belasteten Tragsystemen entstehen (Bild 5-77), die jedoch
nicht unbedingt zur Erfüllung der Gleichgewichtsbedingungen an diesem System be-
rücksichtigt werden müssen.

Bild 5-78 Gleichgewichtstorsion

Unter Gleichgewichtstorsion versteht man Torsionsmomente, die zur Erfüllung der


Gleichgewichtsbedingungen an einer Tragkonstruktion (Bild 5-78) unabdingbar sind.
Ohne Aufnahme dieser Torsionsmomente würde diese Konstruktion versagen. Diese
Bauteile müssen für die volle Aufnahme der Torsionsmomente bemessen werden.
Stäbe können Torsionsbeanspruchungen aus Gleichgewichtstorsion auf zwei unter-
schiedliche Arten abtragen: Saint Venant’sche Torsion und Wölbkrafttorsion

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5.7.2 Saint Venant’sche Torsion


Voraussetzungen:
- Verwölbung der Querschnitte ist nicht behindert, „Wölbfreie Querschnitte“
(Tab. 5-8).
- Querschnittsform bleibt bei der Verdrehung erhalten.
- elastischer, homogener, isotroper Werkstoff.
- „kleine Formänderungen“.
- Gabellagerung (Aufnahme von Torsionsmomenten ohne Behinderung der Quer-
schnittsverwölbung).
Rotationssymmetrische Quer- Dünnwandige offene Profile Profile mit bestimmten geo-
schnitte mit einem Schnittpunkt der metrischen Bedingungen.
Profilmittellinien. Z. B. dünnwandige geschlos-
sene Profile, so dass alle Po-
lygone mit konstanter
Blechdicke einen Kreis um-
schließen wie bei Dreiecks-
und Quadrat-
Hohlquerschnitte.

Tab. 5-8 „Wölbfreie Querschnitte“

Dickwandige Vollquerschnitte und dünnwandige, rechteckige Hohlquerschnitte gelten


als wölbarm. Reine wölbfreie Torsion erzeugt in Stäben wendelartig verlaufende
Hauptspannungen unter 45° und 135°, Zug in der Drehrichtung, Druck in der Gegen-
drehrichtung. Bei x-y-Koordinatenachsen parallel und rechtwinklig zur Stabachse er-
geben sich:

σx = 0, σy = 0

σ1 = - σ2 = τT

Bild 5-79 Hauptspannungstrajektorien bei reiner Torsion eines zylindrischen Stabes

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T
max τ T = maximale Schubspannung
WT

∂ ϕT T
= ϕ′T = zugehörige Verwindung
∂x GIT

T: Torsionsmoment
WT: Torsionswiderstandsmoment
IT: Torsionsträgheitsmoment
E
G: Schubmodul G =
2 (1 + μ )

1. Bredt’sche Formel 2. Bredt’sche Formel

Tab. 5-9 Torsionsschubspannung und Torsionsträgheitsmoment für einige homogene


Querschnitte nach der Elastizitätstheorie
(Bezeichnung MT statt T im Stahlbau gebräuchlich;
Anmerkung zur 2. Bredtschen Formel: si = Umfangsabschnitte dk, bk)

- 184 -
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MT 1 n
max τT = ⋅ t max IT = ⋅ ∑ t i3 ⋅ bi
IT 3 i =1

Tab. 5-10 Torsionsspannung und Torsionsträgheitsmoment für aus Rechtecken zusam-


mengesetzte Querschnitte (Bezeichnung MT statt T im Stahlbau gebräuchlich)

In Tab. 5-9 und Tab. 5-10 sind für verschiedene Querschnittsformen die Torsions-
spannungen und Torsionsträgheitsmomente angegeben. Die Stelle der größten
Schubspannung in Vollquerschnitten lässt sich mit der Seifenhautanalogie von
Prandtl (Bild 5-81) anschaulich bestimmen (Neigung der Haut proportional zu τ). In
Hohlquerschnitten (Bild 5-80) ergibt sich die Schubspannung τT aus dem gleichmäßig
über die Wanddicke t verteilten Schubfluss vEd.

v Ed TEd
τT = v Ed =
t 2 AK

Bild 5-80 Schubfluss im Hohlkastenquerschnitt

Bild 5-81 Seifenblasengleichnis nach Prandtl für den elastischen Spannungsbereich

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5.7.3 Wölbkrafttorsion
Außer primären Schubspannungen τT entstehen noch sekundäre Spannungen σω
(Bild 5-82 a, Bild 5-83) und τω (Bild 5-82 b) durch Wölbbehinderung. Das Verhältnis
der Anteile zueinander hängt vom Querschnitt und von den Randbedingungen wie
Lagerung und Lasteinleitung ab. Bei „nicht wölbfreien“ Querschnitten muss Saint Ve-
nant’sche Torsion und Wölbkrafttorsion berücksichtigt werden. Wohingegen bei
„wölbarmen“ Querschnitten die Beanspruchungen aus Wölbkrafttorsion vernach-
lässigt werden und nur die Saint Venant’sche Torsion als brauchbare Näherung ver-
wendet wird.

σω

τω

T T
σω

τω
a) b)
Bild 5-82 a) Normalspannungen σω; b) Schubspannungen τω aus Wölbkrafttorsion

Bild 5-83 Verlauf der Normalspannungen σω

5.7.4 Stahlbetontragwerke unter reiner Torsion (Zustand II)


Durch Versuche wurde festgestellt, das nach dem Eintreten der wendelartig mit 45°
Neigung verlaufenden Torsionsrisse (Bild 5-84), nur noch eine dünne Schale des Be-
tons an den Außenflächen mitwirkt. Unter anderem zeigt dieses Ergebnis, dass man
bei Vollquerschnitten mit dem Modell eines Hohlquerschnitts wirklichkeitsnahe Bean-
spruchungen berechnen kann (Bild 5-85).
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Bild 5-84 Verlauf der Hauptspannungen bei reiner Torsionsbeanspruchung; b) Rißbild ei-
nes tordierten Stahlbetonstabes (nach Mörsch)

T [kNm]
140
μT = 0.91 %
120

100

80

60

40
(gleiche Bewehrung)
20
Verdrehung θ
0 -2
[1.10 ]
0 1 2 3 4

Bild 5-85 Verdrehungen von Balken mit Hohl- bzw. Vollquerschnitt

5.7.4.1 Bemessung für Torsion im Grenzzustand der Tragfähigkeit


Der Grenzzustand der Tragfähigkeit eines Bauteils für Torsion braucht nur nachge-
wiesen werden, wenn die Torsionsbeanspruchung für das statische Gleichgewicht
(„Gleichgewichtstorsion“) notwendig ist. Tritt in statisch unbestimmten Tragwerken
Torsion lediglich als Verträglichkeitstorsion auf, so kann diese (statisch unbestimmte)
Torsion vernachlässigt werden, da beim Übergang von Zustand I in den Zustand II
ein sehr starker Abfall der Torsionssteifigkeit stattfindet (Bild 5-86). Aber auch bei der
Verträglichkeitstorsion sollte zumindest konstruktiv eine risseverteilende Torsionsbe-
wehrung vorgesehen werden.

- 187 -
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Bild 5-86 Torsionssteifigkeiten verschiedener flächengleicher Rechtecke im Zustand I und


Zustand II

Da eine unter 45° geneigte Wendelbewehrung zur Aufnahme der Zugspannungen


nicht praktikabel ist, werden in der Praxis (wie bei der Querkraftbewehrung) orthogo-
nal zur Stabachse Bügel angeordnet. Der Stahlbeton ist so „schlau“, dass die Zug-
kräfte den Weg dorthin finden oder anders ausgedrückt: er begnügt sich mit dem
Modell das man ihm anbietet, solange Gleichgewicht möglich und die Duktilität der
Baustoffe ausreichend ist. Die inneren Kräfte ergeben sich aus einem räumlichen
Stabwerkmodell in der Form eines Fachwerk-Hohlkastens.
Der Einfachheit halber untersuchen wir einen quadratischen Hohlkasten mit θ = 45°
Druckstrebenneigung unter konstantem TEd (Bild 5-87). TEd wird durch zwei Kräfte-
paare mit dem Betrag VEd = vEd · bm ersetzt. Das Gleichgewicht am Knoten A im
Endquerschnitt liefert:

F45° = v Ed ⋅ b k ⋅ 2 Druckstrebenkraft (5.117)

TEd
Fl = v Ed ⋅ b kl = Längszugkraft in der Kante (5.118)
2 ⋅ bk

In den innen liegenden Querschnitten bewirkt die Umlenkung der Druckstrebenkräfte


an den Kanten:

F45°
Fsw = = v Ed ⋅ b k Bügelkräfte pro Gefach (5.119)
2

Fsw T
′ =
Fsw = v Ed = Ed Bügelkraft pro m Stabachse (5.120)
bk 2 ⋅ AK

Ak: Querschnittsfläche des gedachten Hohlkastens

- 188 -
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Schnittkräfte im Schnitt I-I Einspannung in Endscheibe


F45°
2
F45° B
TM
Ed 2
F45°
2
2
F45°
2 I

sw = bk Fl Stabkräfte im Knoten B
t Fsw
I
45 F
F 45°
45° F
A θ = 45° l T
Fs
sw Zugstäbe
bk
Druckstreben
TEd
Endscheibe zur Einleitung von TEd

bbk
Bild 5-87 Fachwerkmodell eines tordierten Stahlbetonstabes mit 90°-Bügeln

In jeder Hohlkastenseite muss also folgender Bewehrungsquerschnitt je m eingeleitet


werden:


Fsw TEd
a sw = = (5.121)
f yd 2 ⋅ A K ⋅ f yd

Die an den Stabenden eingeleitete Längszugkraft Fl = vEd · bm läuft an den Innenkno-


ten unbeeinflusst über die ganze Stablänge durch und muss durch Bewehrung abge-
deckt werden. Verteilt man diese gleichförmig über den Umfang des Hohlkastens, so
ergibt sich die gleiche bezogene Zugkraft F’l bzw. Bewehrungsmenge asl wie für die
Torsionsbügel:

Fl T
Fl′ = = v Ed = Ed 2 (5.122)
bk 2 ⋅ bk

Fl′ TEd
a sl = = (5.123)
f yd 2 ⋅ A K ⋅ f yd

Insgesamt ist Längsbewehrung mit dem Querschnitt Asl = asl · uK einzulegen, wobei
uK der Umfang des gedachten Hohlkastens ist (Bild 5-88).

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teff: effektive Dicke einer Wand; teff ist gleich dem doppelten Abstand von der Mittellinie zur Außenfläche, aber nicht größer als
die vorhandene Wanddicke

Bild 5-88 Hohlkastenquerschnitt zur Bestimmung der Torsionstragfähigkeit

Die Torsionsbewehrung muss aus geschlossenen Bügeln und aus einer über den
Querschnittumfang verteilten Längsbewehrung bestehen. In allen Ecken eines Quer-
schnitts müssen Längsstäbe angeordnet werden. Dabei ist es zweckmäßig in den
Kanten relativ dicke Stäbe zu verwenden, um die in den Bügelecken konzentrierten
Umlenkkräfte besser zu verteilen und so dem Ausbrechen der Kanten entgegenzu-
wirken (Bild 5-89). Aus dem gleichen Grund müssen Torsionsbügel geschlossen sein
und durch Übergreifen verankert werden, so dass die volle Kraft über den Stoß hin-
weg übertragen werden kann. Die zulässigen Bügelabstände regelt DIN 1045-1,
Abschn. 13.2.4.

Bild 5-89 Dicke Längsstäbe und geringe Bügelabstände verhindern das Ausbrechen der
Ecken

Für die Torsionsbemessung nach DIN 1045-1 darf die Neigung der Druckstrebe θ
wie bei der Querkraftbemessung (Kapitel 5.5.3.2) innerhalb vorgegebener Grenzen
frei gewählt werden. Bei kombinierten Beanspruchungen ist für die Nachweise der
Querkraft und Torsion ein einheitlicher Druckstrebenwinkel zu wählen! Wird die
Druckstrebenneigung θ abweichend von 45° gewählt, so ergeben sich die tan θ -
fachen Bügelkräfte und die cot θ -fachen Längszugkräfte. Eine Abminderung des
Druckstrebenwinkels θ gegenüber 45° bringt also keine Ersparnis der Bewehrung.
Die höchste Torsionstragfähigkeit der Betondruckstreben ergibt sich für θ = 45°.
Wie beim Nachweis der Betondruckstreben für Querkraftbeanspruchungen muss
auch für Torsionsbeanspruchungen die Betondruckfestigkeit fcd durch den Wirksam-

- 190 -
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keitsfaktor αc,red abgemindert werden. Die Größe des Wirksamkeitsfaktor αc,red ist von
der Querschnittsform und von der Anordnung der Torsionsbewehrung abhängig.

α c,red ⋅ fcd ⋅ 2 ⋅ A k ⋅ t eff


TRd,max = (5.124)
cot θ + tan θ

αc,red: Abminderungsbeiwert für die Druckstrebenfestigkeit

αc,red = 0,7⋅αc im allgemeinen Fall

αc,red = α bei Kastenquerschnitten mit Bewehrung an den Innen-


und Außenseiten
Der Bemessungswiderstand der Torsionsbewehrung TRd,sy wird durch das Fließen
der Bewehrung beschränkt und ist durch den geringeren Widerstand dieser beiden
Bewehrungen charakterisiert. Das rechnerisch aufnehmbare Torsionsmoment des
Querschnitts wird für die Bügelbewehrung nach Gl. (5.125) und für die Längsbeweh-
rung nach Gl. (5.127) bestimmt.

A sw
TRd,sy = ⋅ f yd ⋅ 2 ⋅ A k ⋅ cot θ (5.125)
sw

A sw TEd
→ a sw,erf = = ⋅ tan θ (5.126)
sw 2 ⋅ A k ⋅ f yd

A sl
TRd,sy = ⋅ f yd ⋅ 2 ⋅ A k ⋅ tan θ (5.127)
uk

A sl TEd
→ a sl,erf = = ⋅ cot θ (5.128)
uK 2 ⋅ A k ⋅ f yd

5.7.4.2 Kombinierte Beanspruchungen


In der Regel wird eine Torsionsbeanspruchung zumindest von einer Biege- und
Querkraftbeanspruchung überlagert. Die praktische Querschnittsbemessung bei
kombinierten Beanspruchungen wird auf die getrennten Bemessungen für Biegung,
Längskraft, Querkraft und Torsion zurückgeführt.
In DIN 1045-1 sind dafür vereinfachte Interaktionsregeln für „Torsion mit Biegung
und/oder mit Längskräften“ und für „Torsion mit Querkraft“ enthalten. Bei den verein-
- 191 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 5

fachten Verfahren werden zunächst für die unterschiedlichen Beanspruchungen ge-


trennte Bemessungen durchgeführt. Die kombinierte Beanspruchung wird an-
schließend durch Interaktionsregeln berücksichtigt.
In Druckgurten darf die Torsionslängsbewehrung entsprechend den vorhandenen
Druckkräften abgemindert werden. In Zuggurten ist sie zur übrigen Längsbewehrung
zu addieren. Das Versatzmaß al bleibt zu berücksichtigen. Die Bügelbewehrung wird
durch Addition der erforderlichen Bügelbewehrungen für Querkraft und für reine Tor-
sion (einheitlicher Druckstrebenwinkel) ermittelt.
Die maximale Tragfähigkeit wird durch die Druckstrebentragfähigkeit begrenzt. Für
Vollquerschnitte ist die Bedingung

2 2
⎡ TEd ⎤ ⎡ VEd ⎤
⎢ ⎥ +⎢ ⎥ ≤1 (5.129)
⎣ TRd,max ⎦ ⎣ VRd,max ⎦

einzuhalten. Bei diesen kompakten Querschnitten werden die Schubbeanspruchun-


gen für Querkraft und Torsion an unterschiedlichen Druckstrebenbreiten ermittelt. Zur
Berechnung der Spannungen aus der Querkraftbeanspruchung wird dabei die ge-
samte Stegbreite bw berücksichtigt, während für die Torsionsschubbeanspruchungen
lediglich die äußere Schale des Ersatzhohlkastens der breite teff angesetzt wird.
Im Gegensatz dazu ergibt sich die maßgebende Druckstrebenbeanspruchung in
Hohlkastenquerschnitten im stärker beanspruchten Steg aus der Summe der Schub-
spannungen aus Torsion und Querkraft, die jeweils für die gleiche Wanddicke be-
stimmt werden. Daher findet für diese Querschnitte eine Superposition der Bean-
spruchungen nach der Interaktionsregel

TEd VEd
+ ≤1 (5.130)
TRd,max VRd,max

statt, damit die Tragfähigkeit der Druckstreben nicht überschätzt wird.

- 192 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

6 Last-Verformungsverhalten von Stahlbetonstäben,


Gebrauchstauglichkeit
In diesem Kapitel wird zunächst das grundsätzliche Tragverhalten bewehrter Stahl-
betonstäbe mit mittiger Längskraft behandelt. Entsprechend beanspruchte Bauele-
mente sind beispielsweise mittig gedrückte Stützen, Zugbänder und Fachwerkstäbe.
Die so beanspruchten Druck- und Zugstäbe sind aber zugleich auch Elemente, die
sich mit geringen Variationen in allen Tragwerken wiederfinden, z. B. als Gurte der
Balken oder als Zug- und Druckstäbe der D-Bereiche. Sie dienen somit als Grundla-
ge für das Verständnis aller Stahlbeton- und Spannbetontragwerke. Damit können
dann auch die zur Beschränkung der Rissbreite und andere für die Gebrauchstaug-
lichkeit wichtige Maßnahmen erklärt werden.

6.1 Last-Verformungs-Verhalten von Stahlbetonstäben

6.1.1 Druck- und Zugbeanspruchung im elastischen Bereich


Die Kraft F werde in den Stahlbetonstab von Bild 6-1 a durch Endplatten so eingelei-
tet, dass eine gleichmäßige Verlängerung Δl bzw. Verkürzung -Δl des Stabes ent-
steht. Gesucht ist der Zusammenhang zwischen Last F und Verformung Δl bzw.
Dehnung ε = Δl / l

Ac = b ⋅ h Bruttoquerschnitt (Beton und Stahl)

As: Stahlquerschnitt

Acn = Ac - As Nettoquerschnitt (Beton alleine)

Gleichgewicht:

N = Fc + Fs Äußere Last = innere Kräfte (6.1)

Fc = Acn ⋅ σc Kraft im Beton (6.2)

Fs = As ⋅ σs Kraft im Stahl (6.3)

Verträglichkeit: Gleiche Dehnung von Beton und Stahl

εc = εs = ε (6.4)

- 193 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

Stoffgesetze:
Solange der Beton nicht unter Zug reißt und die Betondruckspannungen etwa die
Hälfte der Druckfestigkeit nicht überschreiten, gilt näherungsweise das Hooke'sche
Gesetz auch für den Beton:

Beton: σc = εc ⋅ Ecm (6.5)

Stahl: σs = εs ⋅ Es (σs ≤ fyd) (6.6)

(6.2) bis (6.6) in (6.1) eingesetzt:

N = (Acn Ecm + As Es) ⋅ ε = (Acn + αe As) ⋅ Ecm ⋅ ε = Ai ⋅ Ecm ⋅ ε (6.7)

F
ε=
A i ⋅ E cm

Es
αe= Verhältnis der E-Moduli (praktisch 5 ≤ αe ≤ 10) (6.8)
E cm

Ai = Acn + α e As ideeller Querschnitt

= Ac + (αe -1) As = Ac [1 + (αe -1) ρ] (6.9)

As
ρ = geometrischer Bewehrungsgrad(6.10)
Ac

Bild 6-1 a) Stahlbetonstab; b) ideeller Querschnitt Ai

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

Die Verformung des Stahlbetonstabes ergibt sich im elastischen Bereich also wie
diejenige eines reinen Betonstabes mit dem ideellen Betonquerschnitt Ai. In Ai ist die
größere Steifigkeit der Stahlbewehrung durch eine entsprechend vergrößerte Beton-
fläche berücksichtigt. Da sich Ai von Ac meist um weniger als 10 % unterscheidet und
die übrigen Rechenannahmen ebenfalls nicht genauer sind, werden in der Praxis die
elastischen Verformungen im Allgemeinen vereinfacht mit Ac berechnet. Nur bei den
Spannungsnachweisen für Spannbetonbauten rechnet man oftmals „genauer“ und
berücksichtigt Ai.
Aus (6.4) bis (6.6) und (6.8) ergibt sich für die Stahl- und Betonspannungen der line-
are Zusammenhang

Es
σs = σ c = α e⋅ σ c (6.11)
E cm

Anmerkung:
Das Spannungsverhältnis σs / σc vergrößert sich mit der Zeit durch das Beton-
kriechen, wobei sich ein Teil der dauernd wirkenden Last vom Beton auf den Stahl
umlagert.
Man kann dies näherungsweise dadurch berücksichtigen, dass man anstelle von Ecm
den effektiven E-Modul

E cm
E c,eff = (6.12)
1+ϕ

ϕ: Kriechzahl
in die obigen Formeln einführt.

6.1.2 Stahlbeton-Druckstab im nichtlinearen Bereich


Für höhere Druckbeanspruchungen gelten die linearen Abhängigkeiten nicht mehr.
Ausgehend von der parabolischen Betonkennlinie in Kapitel 3.4.3 ergibt sich ein ent-
sprechend gekrümmter Verlauf der Betonspannungen σc in Abhängigkeit von der
Dehnung εc und daraus die Betonkraft

Fc = Acn ⋅ σc

Zu dieser addiert sich der bis zur Fließdehnung lineare Anteil des Bewehrungs-
stahles wie bereits in Kapitel 5.4.1 mit Bild 5-28 gezeigt wurde (vgl. auch Bild 6-6).

Fs = As ⋅ Es .⋅ εs ≤ As ⋅ fyd

f yd
ε sy =
Es

- 195 -
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6.1.3 Stahlbeton-Zugstab im gerissenen Zustand II

6.1.3.1 Vorbemerkung
Vorab sei bemerkt, dass Stahlbetonstäbe zur planmäßigen Aufnahme von Zugkräften
wenig zweckmäßig sind und entsprechend selten vorkommen. Solche Bauteile, z. B.
Flüssigkeitsbehälter, Zugbänder oder Zugstützen, sollten zur Rissebeschränkung
vorgespannt werden. Allerdings erhalten viele Bauteile durch Zwangseinwirkungen
ungewollte Zugkräfte, die zur Rissbildung führen und die Gebrauchstauglichkeit be-
einträchtigen können. Die Stahlbeton-Zugstäbe werden hier hauptsächlich aus die-
sem Grunde und wegen ihres Modellcharakters für die Zuggurte von Trägern und für
die Zugfelder in D-Bereichen behandelt.
Man unterscheidet verschiedene Beanspruchungszustände bei Zugstäben und be-
zeichnet den ungerissenen Zustand bis zum Erreichen der Betonzugfestigkeit fct und
der Risslast Fr als Zustand I, den gerissenen Zustand als Zustand II und denjenigen
nach Erreichen der Streckgrenze des Stahles als Zustand III.

6.1.3.2 Erstrissbildung
Bis zum Erreichen der Betonzugfestigkeit fct kann elastisches Verhalten angenom-
men werden, und es ergibt sich gemäß Kapitel 6.1.1

F = Ecm ⋅ Ai ⋅ ε

Die Zugfestigkeit des Betons fct wird bereits bei einer Betondehnung εc = fct / Ec =
0,05 bis 0,15 ‰ erreicht. Die Stabzugkraft ist dann

Fr = Ai ⋅ fct = Acn ⋅ fct + As ⋅ α e ⋅ fct (6.13)

Anteil Beton + Anteil Stahl

Bei Überschreiten der Betonzugfestigkeit entstehen Risse, der Beton fällt im Riss-
querschnitt aus und der Stahlquerschnitt muss den Lastanteil Fc des Betons über-
nehmen:
!
FsrΙΙ = A s ⋅ σ srΙΙ = Fr = A i ⋅ fct

Dann beträgt die Stahlspannung im Rissquerschnitt

Ai f
σ srΙΙ = ⋅ fct ≈ ct (6.14)
As ρ

- 196 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

und die zugehörige Dehnung

σ ΙΙsr f
ε srΙΙ = ≈ ct (6.15)
Es ρ ⋅Es

Durch die Rissbildung vergrößern sich also die Stahlspannungen und -dehnungen
plötzlich gegenüber dem ungerissenen Zustand (mit σ Ιs = αe ⋅ fct, ε rΙ = εc = fct / Ecm)
um den Faktor

σ ΙΙsr ε ΙΙsr f ⋅E 1
Ι
= Ι
≈ ct cm = (6.16)
σs εr ρ ⋅ E s ⋅ fct ρ ⋅ αe

z. B. für ρ = 1 % und α e = 6,9 um den Faktor 14,5!

6.1.3.3 Nackter Zustand II und III


Nach Überschreiten der Risslast Fr muss der Bewehrungsstahl im Rissquerschnitt
die Last F alleine tragen:

F
σ ΙΙs = (6.17)
As

σ sΙΙ F
ε sΙΙ = =
Es A s ⋅ Es

Vernachlässigt man die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen, dann dehnt
sich der Stahlbetonstab im gerissenen Zustand II wie ein Stahlstab, der lediglich aus
der nackten Bewehrung ohne Beton besteht („nackter Zustand II“). Seine Steifigkeit
ist um den bereits abgeleiteten Faktor 1 / ρ ⋅ αe (Gl. (6.16)) geringer, als die des un-
gerissenen Betonstabes.
Die Tragfähigkeit des Stahlbetonzugstabes wird durch das Fließen des Stahles be-
grenzt:

FRd = As ⋅ fyd (Bemessungswert der Beanspruchbarkeit) (6.18)

Zwischen dem (rechnerischen) Fließbeginn bei εsy = fyd / Es (= 2,17 ‰ bei BSt 500)
und der in der Norm definierten Dehngrenze εsu = 25 ‰ ist die Stabkraft konstant
F = FRd.
Damit kann nun eine Last-Verformungslinie für Zugkräfte aufgetragen werden
(Bild 6-2). Die bisher abgeleiteten Spannungen und Dehnungen gelten allerdings nur
für die Rissquerschnitte. Zwischen den Rissen wirkt der Beton bei der Lastabtragung
noch mit, so dass dort die Dehnungen geringer sind.

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Bild 6-2 Last-Dehnungslinie des Stahlbetonzugstabes im Rissquerschnitt (schematisch)

6.1.3.4 Rissbildungsphase
Um die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen (tension stiffening) zu erklären,
müssen wir die Rissentwicklung und den Verlauf der inneren Kräfte im Beton und
Bewehrungsstahl in der Stablängsrichtung betrachten.
Bild 6-3 zeigt den Zustand, nachdem sich der erste Riss an der zufällig schwächsten
Stelle gebildet hat. Im Rissquerschnitt und an den Stabenden trägt der Stahl die Kraft
F alleine (Fs = F), der größte Teil des Stahlbetonstabes befindet sich aber noch im
Zustand I (mit σc ≤ fct, σs = αe ⋅ σc). In den Einleitungsbereichen lb auf beiden Seiten
des Rissquerschnittes bewirkt der Verbund einen allmählichen Übergang der Kräfte.
Die Einleitungslänge lb (Kapitel 4.3), die nötig ist um die Risskraft Fr ≈ fct ⋅ Ac vom
Stahl in den Beton einzutragen, ergibt sich bei einer mittleren Verbundspannung fbm
aus der Gleichgewichtsbedingung fbm ⋅ u ⋅ lb = Fr zu

Fr f ⋅A ⋅d f d
lb = = ct c s = ct ⋅ s (6.19)
fbm ⋅ u fbm ⋅ A s ⋅ 4 4 ⋅ fbm ρ
123

≈ konstant

4
u = n ⋅ π ⋅ ds = ⋅ As
ds

u: Umfang für n Bewehrungsstäbe vom Durchmesser ds


Der zweite Riss und weitere Risse können sich danach nur außerhalb der für Fr nöti-
gen Einleitungslängen lb bilden. Deshalb ist der Rissabstand sr immer größer als die
Einleitungslänge. Mit steigender Stabverlängerung entstehen an der jeweils
schwächsten Stelle (streuende Betonzugfestigkeit) so lange weitere Risse, bis alle
Rissabstände sr < 2 · lb sind und deshalb die zur weiteren Rissbildung nötige Einlei-
tungslänge lb nirgends mehr vorhanden ist (abgeschlossenes Rissbild).

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Während dieser „Rissbildungsbereich“ genannten Phase der Beanspruchung wächst


die Stabkraft mit zunehmender Stabverlängerung Δl nur in dem Maße an, wie die
Risslast Fr über die Stablänge streut. Wenn der Stahlbetonstab - dasselbe gilt auch
für Wände und Decken - durch mäßige Zwänge, beispielsweise aus behinderten
Schwind- und Temperaturverformungen gedehnt wird, dann wirkt sich dies auf die
Beanspruchung der Bewehrung nur wenig aus. Die aufgezwungene Verlängerung
wird vielmehr durch die Bildung einer zunehmenden Zahl von Rissen ermöglicht.
Diese „Schlauheit des Materials“ ermöglicht es, auf die statische Berechnung der
Schnittgrößen aus den üblicherweise auftretenden Zwängen zu verzichten. Man sagt,
„die Zwänge bauen sich durch Rissbildung ab“. In Wirklichkeit entstehen im Riss-
bildungsbereich keine wesentlichen zusätzlichen Beanspruchungen aus Zwangsver-
formungen, sondern eben Risse.

Bild 6-3 Verlauf der Spannungen σs, σc und fb eines Stahlbetonzugstabes nach Entstehen
des ersten Risses

6.1.3.5 Abgeschlossenes Rissbild


Im Gegensatz zur Phase der Rissbildung ist bei abgeschlossenem Rissbild, das bei
hoher Belastung oder großen Zwangsverformungen eintritt, jede Zunahme der mittle-
ren Stabverformung mit einer Erhöhung der Stahlspannung im Riss und einer Ver-
größerung der Rissbreite verbunden.

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Die Rissabstände liegen bei abgeschlossenem Rissbild, wie gezeigt, theoretisch in


den Grenzen

lb < sr < 2 lb (6.20)

Der sich statistisch ergebende mittlere Rissabstand beträgt srm ≈ 1,3 · lb. Er nimmt
wie die Einleitungslänge gemäß Gl. (6.19) näherungsweise proportional zum Beweh-
rungsdurchmesser zu und umgekehrt proportional zum Bewehrungsgrad ab, da
fct / fbm nahezu konstant ist.
Bei Laststeigerung von F wesentlich über Fr hinaus bilden sich in Wirklichkeit aller-
dings noch einzelne weitere Risse, weil die Verbundspannungen fbm zunehmen, d. h.
lb abnimmt. Wegen der nicht konstanten Verbundspannungen ergibt sich statt einer
sägezahnförmigen Verteilung der Betonzugkraft die girlandenförmige Verteilung in
Bild 6-4.

Bild 6-4 Verlauf der Spannungen σs, σc und fb bei abgeschlossenem Rissbild (Zustand II)

Durch die Mitwirkung des Betons auf Zug ergibt sich eine Parallele zur Zustand II-
Geraden in Bild 6-6. Versuche zeigen allerdings einen stetig gekrümmten Verlauf der
Last-Verformungsbeziehung, weil die Zugfestigkeiten fct längs des Stabes streuen
und die Verbundspannungen fb mit der Stahldehnung zunehmen.

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Bild 6-5 Definition von Ac,eff = b ⋅ heff für die Zugzone eines Balkens

Bei den relativ engen Rissabständen im Zustand abgeschlossener Rissbildung kön-


nen sich die Betonzugspannungen zwischen den Rissen nicht immer über den gan-
zen Betonquerschnitt ausbreiten, weshalb dann in obiger Gleichung der Querschnitt
Ac durch den effektiven Querschnitt Ac,eff zu ersetzen ist (Bild 6-5).

Bild 6-6 Last-Dehnungslinie des Stahlbetonstabes


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6.1.4 Verformungen von Stahlbetonbalken unter Biegung


So wie die Last-Verformungslinie das Tragverhalten des Zug- und Druckstabes dar-
stellt, charakterisiert die Momenten-Krümmungs-Beziehung das Verhalten des Bal-
kens. Diese wird in der Vertiefung ausführlich behandelt. Man kann sich das
Verhalten von Balken unter Biegung aber zumindest qualitativ erklären, wenn man
sich die Druckzone als Druckstab und die Zugzone als (meistens gerissenen) Zug-
stab mit der wirksamen Zugzone Ac,eff vorstellt. Es gelten auch dieselben Rissbil-
dungsgesetze wie für den Stahlbeton-Zugstab. Die Krümmung des Balkens ergibt
sich aus der Verkürzung der Balkendruckzone und der Verlängerung der Zugzone,
wenn man deren Dehnungen durch ihren Abstand zur Nulllinie teilt (Bild 6-7):

1 εc ε
κ= = = s (6.21)
R x d−x

Die Momenten-Krümmungslinie (Bild 6-8) hat einen ähnlichen Verlauf wie die Last-
Verformungslinie des Stahlbetonzuggurtes (Bild 6-6), wobei allerdings der stetigere
Anteil der Druckgurtverformungen den Kurvenverlauf etwas glättet.
Da sich die Momente und meist auch die Bewehrung über die Stablänge ändern, ist
eine Durchbiegungsberechnung mit solchen M-κ-Beziehungen sehr aufwändig. In
der Praxis berücksichtigt man den Zustand II meist durch eine im ganzen Stab gleich
große Abminderung des Trägheitsmomentes gegenüber derjenigen des Zustands I
(DafStb-Heft 240) und rechnet damit die Verformungen wie für linear-elastischen
Werkstoff.

Bild 6-7 Verformungen eines Balkens

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Bild 6-8 Typischer Verlauf von M-κ-Linien bei Erstbelastung

6.2 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit

6.2.1 Beschränkung der Rissbreiten

6.2.1.1 Grundsätzliches
Risse in Betonbauwerken haben vielfältige Ursachen und besitzen entsprechend un-
terschiedliche Erscheinungsformen. Sie sind bei größeren Bauteilabmessungen fast
unvermeidlich und entstehen schon im „grünen“ Beton, solange die Festigkeit des
Betons noch gering ist, durch Absetzen und Eigenspannungen infolge von Tempe-
ratur- und Schwinddifferenzen. Solche Risse können durch Bewehrung nicht ver-
hindert werden. Ihnen ist vielmehr durch betontechnologische Maßnahmen und sorg-
fältige Betonierprogramme, Nachbehandlung und zweckmäßig angeordnete Arbeits-
fugen entgegenzuwirken.
Zwangs- und Eigenspannungen spielen neben den Zugspannungen aus Lasten auch
im erhärteten Beton eine wichtige Rolle bei der Rissbildung, obwohl sie rechnerisch
meistens gar nicht erfasst werden. Sie sind schwierig zu ermitteln, weil dabei das
nichtlineare Verhalten der Werkstoffe berücksichtigt werden muss.
Die Rissbreitenbeschränkung dient einerseits der Vermeidung optisch störender Ris-
se (werden von Laien als Mangel empfunden), andererseits dem Korrosionsschutz
der Bewehrung. Dabei sind Längsrisse parallel zur Bewehrung kritischer als Quer-
risse.
Abhängig von der Korrosionsempfindlichkeit des Stahls und den Anforderungen an
die Dauerhaftigkeit, Dichtigkeit und Gebrauchstauglichkeit des Bauteils werden die
Rechenwerte der Rissbreiten im Allgemeinen auf wk ≤ 0,2 bis 0,4 mm begrenzt. Da-
bei sind in der Regel nur die quasi ständig beziehungsweise häufig auftretenden An-
teile der Gebrauchslast zu berücksichtigen.
Wegen der Streuungen von Zug- und Verbundfestigkeit ist eine „genaue“ Vorausbe-
rechnung von Rissbreiten nicht möglich und wegen des geringen Einflusses des Ab-
solutwertes der Rissbreite auf den Korrosionsschutz der Bewehrung auch nicht nötig.
Eine Beschränkung der Rissbreiten wird stattdessen durch eine Mindestbewehrung

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und die geeignete Wahl von Durchmesser oder Abstand der Bewehrungsstäbe er-
reicht.
In Expositionsklasse XC1 (trockene Umgebung) hat die Rissbreite sehr geringe Be-
deutung für die Dauerhaftigkeit. Maximale Rissbreiten wk von 0,3 mm beeinträchtigen
bei Stahlbetonbauteilen der Umweltklassen XC2 (nasse Umgebung) bis XC4 (wech-
selnd nass und trocken) in der Regel weder das Erscheinungsbild noch die Dauer-
haftigkeit. Bei korrosiver Umgebung strebt man kleinere Rissbreiten an.
Die rissebeschränkende Wirkung der Bewehrung ist nur in ihrer unmittelbaren Um-
gebung, der Wirkungszone Ac,eff vorhanden (Bild 6-5). Versuche, wie auch theore-
tische Betrachtungen zeigten, dass diese Wirkungszone sich auf einen Umkreis
r ≈ 7,5 ds erstreckt. In größerer Entfernung von der Bewehrung vereinigen sich einige
feine Risse zu Sammelrissen mit größerer Rissbreite. Man muss daher zur Rissbrei-
tenbeschränkung den Bewehrungsgrad eff ρ auf diese Wirkungszone Ac,eff beziehen.
Anmerkung:
Anders als Verformungen aus Lasten lassen sich, wie bereits oben erwähnt, die in
Bauwerken entstehenden Zwangsverformungen aus Schwinden, Temperatur, Set-
zungen etc. in ihrer Gesamtheit durch Bewehrung kaum beeinflussen. Es wäre ein
sinnloses Unterfangen, sie durch große Steifigkeit verhindern zu wollen. Das Trag-
werk muss vielmehr so ausgebildet werden, dass es den aufgezwungenen Verfor-
mungen nachgeben kann, ohne Schaden zu nehmen (Ausweichprinzip). Die
Plastizität der Baustoffe und die kontrollierte Rissbildung im Beton helfen dabei sehr.
Schlanke Konstruktionen sind weniger empfindlich als steife. Wenn die Zwänge nicht
anders zu beherrschen sind, reduziert man sie durch die Anordnung von Fugen im
Tragwerk oder durch andere Bewegungsmöglichkeiten (z. B. Brückenlager). Dem
nachgiebigen Konstruieren im Hinblick auf Zwänge steht allerdings die Forderung
nach möglichst steifen, verformungsarmen Tragwerken für die Abtragung der Lasten
(Widerstandsprinzip) gegenüber. In diesem Konflikt einen guten Mittelweg zu finden,
erfordert ein differenziertes Verständnis des Tragverhaltens, da sich die Zwänge
rechnerisch kaum erfassen lassen.

6.2.1.2 Mindestbewehrung (Erstrissbild)


Nachdem sich in einem zugbeanspruchten Bauteil ein erster Riss gebildet hat, sollte
die eingelegte Bewehrung in der Lage sein, die zum Entstehen weiterer Risse erfor-
derliche Zugkraft in benachbarte Bereiche einzuleiten, bevor die Bewehrung im ers-
ten Riss fließt und dieser Riss weit aufklafft. Dies wird dadurch erreicht, dass sich
statt eines einzigen großen Risses mehrere feinere Risse bilden. Die Mindestbeweh-
rung min As muss also so dimensioniert werden, dass sie die größte Betonzugkraft
im Zustand I mit einer Stahlspannung σs aufnehmen kann, die unter der Streckgren-
ze des Stahles liegt. Sie kann aus der einfachen Bedingung

min As ⋅ σs = fct,eff ⋅ Act (6.22)

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ermittelt werden. In DIN 1045-1, Abschnitt 11.2.2 ist die folgende Formel angegeben:

min As = kc ⋅ k ⋅ fct,eff ⋅ Act / σs. (6.23)

kc: Beiwert zur Berücksichtigung des Einflusses der Spannungsver-


teilung innerhalb der Zugzone Act vor der Erstrissbildung sowie
der Änderung des inneren Hebelarmes beim Übergang in den
Zustand II

⎡ σc ⎤
kc = 0,4 ⋅ ⎢1+ ⎥ ≤1
⎣⎢ k 1 ⋅ fct, eff ⎦⎥

⎧ h
⎪⎪1,5 ⋅ h' für Drucknorma lkraft
k1 = ⎨
⎪2 für Zugnormalk raft
⎪⎩ 3

h: Querschnittshöhe

⎧h für h < 1
h' = ⎨
⎩1 m für h ≥ 1 m

k: Beiwert zur Berücksichtigung von nichtlinear verteilten Beton-


zugspannungen:

Zugspannungen infolge von innerem Zwang:

k = 0,8 für h ≤ 300mm

k = 0,5 für h ≥ 800mm

Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden. Dabei ist für h


der kleinere Wert von Höhe oder Breite des Querschnitts zu set-
zen

Zugspannungen infolge von außerhalb des Bauteils hervorge-


rufenem Zwang:

k = 1,0
Als Wert für die wirksame Zugfestigkeit fct,eff des Betons zum Zeitpunkt der Erstriss-
bildung ist fctm anzusetzen. Eine Mindestzugfestigkeit von 3 MN/m2 sollte für Normal-
beton angenommen werden, wenn der Zeitpunkt der Rissbildung nicht mit Sicherheit
innerhalb der ersten 28 Tage liegt. Damit sollen auch eventuelle Überfestigkeiten des
Betons abgedeckt werden, die sich ja in diesem Fall ungünstig auswirken. Act ist die
unmittelbar vor der Rissbildung auf Zug beanspruchte Querschnittsfläche. Die Stahl-
spannung σs darf theoretisch gleich der Streckgrenze fyk der Bewehrung angenom-

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men werden. Praktisch können aber nur mit geringeren Werten σs < fyk die von den
Stahlspannungen abhängigen Grenzdurchmesser beziehungsweise die Höchstwerte
der Stababstände nach Kapitel 6.2.1.3 eingehalten werden.
Die statisch erforderliche Bewehrung darf in vollem Umfang auf die Mindestbeweh-
rung angerechnet werden, Spannglieder wegen ihres schlechteren Verbundes aller-
dings nur teilweise (DIN 1045-1, Abschnitt 11.2.2).
Eine Mindestbewehrung zum oben erläuterten Zweck ist naturgemäß dann über-
flüssig, wenn die größtmöglichen Beanspruchungen des Bewehrungsstahles nach-
gewiesen werden, z. B. in Bauteilen, die für Lasten bemessen wurden und keine
wesentlichen Zwangsbeanspruchungen erfahren können.

6.2.1.3 Rissbreitenbeschränkung mit Konstruktionsregeln


Die Mindestbewehrung sorgt für eine Rissverteilung, wodurch bei Zwang meistens
auch eine ausreichende Rissbreitenbeschränkung erreicht wird. Zur Rissbreitenbe-
schränkung bei Lasteinwirkungen oder kombinierter Last- und Zwangseinwirkung
sind aber häufig größere Bewehrungsgrade nötig. Die Norm enthält dafür Konstruk-
tionsregeln, die aus Rissbreitenberechnungen abgeleitet sind. Gemäß DIN 1045-1 ist
die zur Aufnahme der Schnittgrößen M und N aus Lasten ermittelte Bewehrung in
Abhängigkeit von der Betonstahlspannung σs entweder nach Tab. 6-1 (Grenzdurch-
messer) oder nach Tab. 6-2 (Höchstwerte der Stababstände) zu wählen. Dabei ist
die Betonstahlspannung σs unter der jeweils maßgebenden Lastkombination nach
Abschnitt 11.2.1 in DIN 1045-1 einzusetzen.
Bei überwiegender Zwangsbeanspruchung ist σs die Stahlspannung unmittelbar nach
der Rissbildung. Sie darf bis 100 % der Streckgrenze fyk angenommen werden. Au-
ßerdem sind die Bedingungen für die Mindestbewehrung zur Risseverteilung einzu-
halten (Kapitel 6.2.1.2).

1 2 3
Stahlspannung Grenzdurchmesser der Stäbe [mm]
σs in Abhängigkeit vom Rechenwert der Rissbreite wk
[N/mm2] wk = 0,4 mm wk = 0,3 mm wk = 0,2 mm
1 160 56 42 28
2 200 36 28 18
3 240 25 19 13
4 280 18 14 9
5 320 14 11 7
6 360 11 8 6
7 400 9 7 5
8 450 7 5 4

Tab. 6-1 Grenzdurchmesser ds* nach DIN 1045-1, Abschnitt 11.2.3

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1 2 3
Stahlspannung Grenzwert der Stababstände [mm]
σs in Abhängigkeit vom Rechenwert der Rissbreite wk
[N/mm2] wk = 0,4 mm wk = 0,3 mm wk = 0,2 mm
1 160 300 300 200
2 200 300 250 150
3 240 250 200 100
4 280 200 150 50
5 320 150 100 -
6 360 100 50 -

Tab. 6-2 Höchstwerte der Stababstände nach DIN 1045-1, Abschnitt 11.2.3

Des weiteren enthalten die Normen noch für einzelne Bauteile (Stützen, Balken,
Wände etc.), Konstruktionsregeln über Mindestdurchmesser und Mindestbeweh-
rungsgrade, die wir zur Unterscheidung von der rissverteilenden Mindestbewehrung
als „konstruktive Mindestbewehrung“ bezeichnen wollen. Sie beträgt im allgemeinen
0,15 bis 0,2 % des Gesamtquerschnitts an jeder Bauteiloberfläche, an der Zug auf-
treten kann (DIN 1045-1, Abschnitt 13).
Werden Anforderungen an die Wasserundurchlässigkeit gestellt, z. B. bei Flüssig-
keitsbehältern, so sind weitergehende Kriterien zu beachten.

6.2.2 Berechnung von Rissbreiten (Abgeschlossenes Rissbild)


Aus der Differenz der Dehnungen des Betonstahls und des Betons (letztere sind
meist vernachlässigbar gering) kann man Rissbreiten berechnen, die als Beurtei-
lungskriterium für Fragen der Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit herangezo-
gen werden. Sie sind zwar einer gewissen Streuung unterworfen, bieten aber
dennoch Informationen über die Parameter, die die Rissbreite beeinflussen.
Für die direkte Berechnung der Rissbreite gibt DIN 1045-1 in Abschnitt 11.2.4 folgen-
de Vorgehensweise an:

wk = sr,max ⋅ (εsm – εcm) (6.24)

sr,max maximaler Rissabstand bei abgeschlossenem Rissbild

εsm mittlere Dehnung der Bewehrung unter Berücksichtigung der


Mitwirkung des Betons zu den Rissen

εcm mittlere Dehnung des Betons

- 207 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

Bei Differenzen der mittleren Dehnungen von Beton und Betonstahl darf hierbei fol-
gendermaßen abgeschätzt werden:

fct,eff
σ s − 0,4 ⋅ ⋅ (1+ α e ⋅ effρ)
effρ σ
ε sm − ε cm = ≥ 0,6 s (6.25)
Es Es

Es
αe =
E cm

As
effρ = effektiver Bewehrungsgrad
A c,eff

σs : Betonstahlspannung im Riss

fct,eff: vgl. Kapitel 6.2.1.2


Der maximale Rissabstand ist folgendermaßen zu berechnen:

ds σ s ⋅ ds
sr,max = ≤ (6.26)
3,6 ⋅ effρ 3,6 ⋅ fct,eff

ds: Stabdurchmesser des Betonstabstahls

d sm =
∑d 2
s, i
bei verschiedenen Durchmessern (6.27)
∑d s, i

In der Praxis werden Rissbreiten selten berechnet, sondern durch die Einhaltung von
Konstruktionsregeln beschränkt, welche diese wesentlichen Parameter berücksich-
tigen (Abschnitt 6.2.1.3).

6.2.3 Durchbiegungen
Häufig entstehen grobe Risse in leichten Trennwänden, die den Durchbiegungen der
sie abstützenden Platten nicht elastisch folgen können. In Kragplatten haben mitunter
die Kriechverformungen im Laufe der Zeit zur Gefälleumkehr geführt (Bild 6-9). Um
solche Schäden zu vermeiden, ist gemäß DIN 1045-1, Abschn. 11.3 die Biege-
schlankheit li / d zu begrenzen, wobei die Ersatzstützweite mit li = α . l (α nach
Tab. 6-3) berechnet werden kann. Für Deckenplatten des üblichen Hochbaus ist die
Biegeschlankheit auf li / d ≤ 35, bei höheren Anforderungen hinsichtlich der Verfor-
mungen auf li / d ≤ 150 / li (li in m) zu begrenzen.

- 208 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

Bild 6-9 Schäden infolge zu großer Durchbiegungen: a) grobe Risse in leichten Trenn-
wänden; b) Gefälleumkehr bei Kragplatten und Aufklaffen der Fuge der Brüs-
tungsmauer

Spalte 1 2
Zeile Statisches System α = li / leff

1 leff 1,0

2 leff 0,8

3 leff 0,6

Innenfeld 0,70a
4
Randfeld 0,90a
leff

5 leff 2,4

a Bei Platten mit Beton ab der Festigkeitsklasse C 30/37 dürfen diese Werte
um 0,1 abgemindert werden.

Tab. 6-3 Beiwert α zur Bestimmung der Ersatzstützweite

- 209 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

6.2.4 Dynamische Belastung


Für Tragwerke des üblichen Hochbaus ist im Allgemeinen kein Ermüdungsnachweis
erforderlich. Lediglich tragende Bauteile unter nicht vorwiegend ruhenden Einwirkun-
gen müssen gegen Ermüdung bemessen werden, wobei der Ermüdungsnachweis für
Beton und Stahl getrennt zu führen ist.
Die zu führenden Nachweise sind DIN 1045-1, Abschnitt 10.8 zu entnehmen.
Die Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken kann aber auch durch an und für sich un-
schädliche Schwingungen beeinträchtigt werden, weil der Mensch schon kleinste Be-
wegungen (insbesondere horizontale) als sehr unangenehm empfindet (VDI-Richt-
linie 2057).

- 210 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

6.3 Anhang
1 2 3 4
Mindest-
Klassen- Beschreibung der Beispiele für die Zuordnung von Expositions-
betonfestigkeits-
bezeichung Umgebung klassen
klasse
1 Kein Korrosions- oder Angriffsrisiko
Bauteil ohne Bewehrung in nicht betonan-
Kein Angriffsrisi- greifender Umgebung, z. B. Fundamente C12/15
1 X0
ko ohne Bewehrung ohne Frost, Innenbauteile LC12/13
ohne Bewehrung
2 Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Karbonatisierunga
XC 1 Trocken Bauteile in Innenräumen mit normaler Luft- C16/20
2 feuchte (einschließlich Küche, Bad und LC16/18
Waschküche in Wohngebäuden)
XC 2 Nass, selten tro- Teile von Wasserbehältern; Gründungsbau- C16/20
3
cken teile LC16/18
XC 3 Mäßige Feuchte Bauteile, zu denen die Außenluft häufig oder C20/25
ständig Zugang hat, z. B. offene Hallen; In- LC20/22
nenräume mit hoher Luftfeuchte, z. B. in
4
gewerblichen Küchen, Bädern, Wäscherei-
en, in Feuchträumen von Hallenbädern und
in Viehställen
XC 4 Wechselnd nass Außenbauteile mit direkter Beregnung; Bau- C25/30
5
und trocken teile in Wasserwechselzonen LC25/28
3 Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Chloride, ausgenommen Meerwasser
XD 1 Mäßige Feuchte Bauteile im Sprühnebelbereich von Ver- C30/37
6
kehrsflächen; Einzelgaragen LC30/33
XD 2 Nass, selten tro- Schwimmbecken und Solebäder; Bauteile, C35/45
7 cken die chloridhaltigen Industriewässern ausge- LC35/38
setzt sind
XD 3 Wechselnd nass Bauteile im Spritzwasserbereich von taumit-
8 und trocken telbehandelten Straßen; direkt befahrene C35/45
Parkdecksb LC35/38
4 Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Chloride aus Meerwasser
XS 1 Salzhaltige Luft, Außenbauteile in Küstennähe C30/37
kein unmittelbarer LC30/33
9
Kontakt mit
Meerwasser
XS 2 Unter Wasser Bauteile in Hafenanlagen, die ständig unter C35/45
10
Wasser liegen LC35/38
XS 3 Tidebereiche, Kaimauern in Hafenanlagen C35/45
Spritzwasser- LC35/38
11
und Sprühnebel-
bereiche
5 Betonangriff durch Frost mit und ohne Taumittel
XF 1 Mäßige Wasser- Außenbauteile C25/30
12 sättigung ohne LC25/28
Taumittel
XF 2 Mäßige Wasser- Bauteile im Sprühnebel- oder Spritzwasser- C25/30
sättigung mit bereich von taumittelbehandelten Verkehrs- LC25/28
13
Taumittel oder flächen, soweit nicht XF 4; Bauteile im
Meerwasser Sprühnebelbereich von Meerwasser
XF 3 Hohe Wasser- Offene Wasserbehälter; Bauteile in der Was- C25/30
14 sättigung ohne serwechselzone von Süßwasser LC25/28
Taumittel
15 XF 4
Tab. 6-4 Expositionsklassen nach DIN 1045-1

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

Tab. 6-4 (fortgesetzt)


1 2 3 4
Klassen- Beschreibung der Beispiele für die Zuordnung von Expositions- Mindest-
bezeichung Umgebung klassen (informativ) betonfestigkeits-
klasse
6 Betonangriff durch chemischen Angriff der Umgebung d
XA 1 Chemisch Behälter von Kläranlagen; Güllebehälter C25/30
16 schwach angrei- LC 25/28
fende Umgebung
XA 2 Chemisch mäßig Bauteile, die mit Meerwasser in Berührung C35/45c
angreifende Um- kommen; Bauteile in betonangreifenden Bö- LC35/38
17
gebung und Mee- den
resbauwerke
XA 3 Chemisch stark Industrieabwasseranlagen mit chemisch C35/45c
angreifende Um- angreifenden Abwässern; Gärfuttersilos und LC35/38
18
gebung Futtertische der Landwirtschaft; Kühltürme
mit Rauch-gasableitung
7 Betonangriff durch Verschleißbeanspruchung
XM1 Mäßige Ver- Bauteile von Industrieanlagen mit Beanspru- C30/37 c
19 schleißbean- chung durch luftbereifte Fahrzeuge LC30/33
spruchung
XM2 Schwere Ver- Bauteile von Industrieanlagen mit Beanspru- C30/37c
20 schleißbean- chung durch luft- oder vollgummibereifte LC30/33
spruchung Gabelstapler
XM3 Extreme Ver- Bauteile von Industrieanlagen mit Beanspru-
schleißbean- chung durch elastomerbereifte- oder stahlrol- C35/45c
spruchung lenbereifte Gabelstapler; Wasser-bauwerke LC35/38
21
in geschiebebe-lasteten Gewässern, z. B.
Tosbecken; Bauteile die häufig mit Ketten-
fahrzeugen befahren werden
a
Die Feuchteangaben beziehen sich auf den Zustand innerhalb der Betondeckung der Bewehrung.
Im Allgemeinen kann angenommen werden, dass die Bedingungen in der Betondeckung den Um-
gebungsbedingungen des Bauteils entsprechen. Dies braucht nicht der Fall zu sein, wenn sich zwi-
schen dem Beton und seiner Umgebung eine Speerschicht befindet.
b
Ausführung direkt befahrener Parkdecks nur mit zusätzlichem Oberflächenschutzsystem für den
Beton.
c
Eine Betonfestigkeitsklasse niedriger, sofern aufgrund der zusätzlich zutreffenden Expositionsklasse
XF Luftporenbeton verwendet wird.
d
Grenzwerte für die Expositionsklassen bei chemischem Angriff siehe DIN EN 206-1 und DIN 1045-2.

Fortsetzung von Tab. 6-4: Expositionsklassen nach DIN 1045-1

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 6

1 2 3
Mindestbetondeckung cmin mm a b
Expositionsklasse Vorhaltemaß Δc in
Spannglieder im sofortigen Verbund mm
Betonstahl
und im nachträglichen Verbund c
1 XC 1 10 20 10
2 XC 2 20 30
XC 3 20 30
XC 4 25 35
XD1
3 XD2 40 50 15
XD3 d
XS 1
4 XS 2 40 50
XS 3
a
Die Werte dürfen für Bauteile, deren Betonfestigkeit um zwei Festigkeitsklassen höher liegt,
als nach Tab. 6-4 mindestens erforderlich ist, um 5 mm vermindert werden. Für Bauteile der
Expositionsklasse XC 1 ist diese Abminderung nicht zulässig.
b
Wird Ortbeton kraftschlüssig mit einem Fertigteil verbunden, dürfen die Werte an den der
Fuge zugewandten Rändern auf 5 mm im Fertigteil und auf 10 mm im Ortbeton verringert
werden. Die Bedingungen zur Sicherstellung des Verbundes müssen eingehalten werden,
sofern die Bewehrung im Bauzustand ausgenutzt wird.
c
Die Mindestbetondeckung bezieht sich bei Spanngliedern im nachträglichen Verbund auf die
Oberfläche des Hüllrohrs.
d
Im Einzelfall können besondere Maßnahmen zum Korrosionsschutz der Bewehrung nötig
sein.

Tab. 6-5 Mindestbetondeckung in Abhängigkeit von der Expositionsklasse nach


DIN 1045-1

Spalte 1 2 3
Zeile Anforderungs- Einwirkungskombination für den Nachweis der Rechenwert der
klasse Dekompression Rissbreitenbegrenzung Rissbreite wk in mm

1 A selten -
2 B häufig selten
0,2
3 C quasi-ständig häufig
4 D - häufig
5 E - quasi-ständig 0,3
6 F - quasi-ständig 0,4

Tab. 6-6 Anforderungen an die Begrenzung der Rissbreite und die Dekompression nach
DIN 1045-1

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- 214 -
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7 Verbindungsmittel

7.1 Überblick über die Verbindungen von Bauteilen


In Betonbauten werden nur selten spezielle Verbindungsmittel für die Verbindung
der einzelnen Bauelemente benötigt, weil Balken, Stützen, Wände, Platten usw.
meistens monolithisch miteinander verbunden sind. Über die fertigungstechnisch
notwendigen Arbeitsfugen hinweg (z. B. zwischen Fundament und Stütze, Stütze und
Decke, usw.) herrscht ein „inniger“ Kontakt des Betons, und außerdem läuft die Be-
wehrung oder eine „Anschlussbewehrung“ vom einen zum anderen Bauteil durch, so
dass die Tragfähigkeit durch die Arbeitsfuge im Allgemeinen nicht vermindert wird
(Bild 5-28 a). Die Arbeitsfugen sind natürlich eine gewisse Störung des homogenen
Gefüges, die sich beispielsweise in größerer Anfälligkeit zur Rissbildung äußert, da
die Zugfestigkeit dort deutlich geringer ist, als in den wirklich monolithisch erstellten
Bereichen. Dies tangiert somit Fragen der Gebrauchstauglichkeit und der Dauerhaf-
tigkeit.
Auch Fertigteile aus Konstruktionsbeton lassen sich mit Ortbetonbauteilen in gleicher
Weise zu einem monolithischen Tragwerk verbinden. Für die Verbindung von Fertig-
teilen untereinander kommt zunächst der Kontaktstoß in Betracht, eventuell mit einer
ausgleichenden Mörtelschicht, Papplage oder einfachen Lagern (Neopren-Lager)
zwischen den Bauteilen. Mitunter ordnet man schmale Ortbetonbereiche oder breite
Fugen zwischen den Fertigteilen an, die nachträglich ausbetoniert oder mit Mörtel
vergossen werden. Dabei kann in den Fugen auch eine Bewehrung angeordnet wer-
den. Oftmals werden in Betonfertigteile auch Stahlelemente einbetoniert oder an die
Bewehrung angeschweißt. Diese Stahlelemente können dann bei der Montage mit-
einander verschweißt oder verschraubt werden (Bild 7-1).

Bild 7-1 Verbindung einer Deckenscheibe mit einer Wandscheibe

Eine quasi-monolithisch wirkende Verbindung von Stahlbetonfertigteilen über Kon-


taktfugen hinweg erreicht man durch eine Druckvorspannung mittels Spanngliedern;
dieses Verfahren wird beispielsweise bei der Segmentbauweise im Brückenbau an-
gewendet, wobei die vorgefertigten Brückensegmente jeweils gegen das benach-
barte, vorher hergestellte Element betoniert werden (matchcasting). Das „Über-

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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 7

drücken“ der Zugspannungen in der Kontaktfuge wird auch bei der Verbindung von
Stahlbauteilen durch vorgespannte hochfeste Schrauben angewendet.
Im Stahlbau wird für die kraftschlüssige Verbindung der meistens stabförmigen Ele-
mente (Profilstähle) und Bleche hauptsächlich das Schweißen angewendet, das eine
sehr steife Verbindung wie aus einem Guss ermöglicht. Montagestöße werden dage-
gen oftmals verschraubt, weil Baustellenschweißungen unter erschwerten Bedingun-
gen stattfinden. Die früher häufigen Nietverbindungen kommen allenfalls noch bei
Reparaturen vor und werden hier nicht mehr behandelt (prinzipiell werden sie wie
Schraubverbindungen bemessen). Klebeverbindungen sind im Stahlbau auf die se-
rielle Fertigung von Leichtbauteilen, z. B. für die Luftfahrt, beschränkt.
Im Verbundbau werden zur Kraftübertragung zwischen den Stahlprofilen und dem
Beton hauptsächlich Kopfbolzen verwendet, die mittels Hubzündung sehr schnell und
zuverlässig auf die Profile aufgeschweißt werden können. Weitere Verbundmittel des
Stahlverbundbaus sind Blockdübel sowie Loch- und Zahnleisten (Bild 7-2). Kopfbol-
zen sind auch zur Verankerung von Stahlbauteilen in Betontragwerken geeignet.
Beispielsweise werden so die Kopfplatten von Stahlstützen mit einer darauf liegen-
den Stahlbetondecke verbunden. Entsprechend kann man auch die Lagesicherung
am Stützenfuß ausführen, muss dann aber entweder unterbetonieren oder für die
Kopfbolzen Aussparungen lassen, die nach der Montage der Stütze mit Mörtel ver-
gossen oder verpresst werden. Dabei sind die Herstellungstoleranzen zu berücksich-
tigen. Für die nachträgliche Befestigung von Stahlteilen an Beton und Mauerwerk
werden vornehmlich Metallspreizdübel, Verbunddübel und einbetonierte Ankerschie-
nen verwendet.

Bild 7-2 Verbundmittel: a) Kopfbolzendübel; b) Blockdübel; c) Lochleiste; d) Zahnleiste

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Dem Holzbau stehen zur Verbindung der von Natur aus ebenfalls stabförmigen Ele-
mente – außer dem Kontaktstoß – die Klebeverbindung und eine große Vielfalt an
mechanischen Verbindungsmitteln zur Verfügung. Neben den traditionellen mechani-
schen Verbindungsmitteln Bolzen, Schrauben, Nägel, Dübel, Stabdübel und Klam-
mern (Bild 7-3) gibt es eine ständig zunehmende Zahl spezieller Bauteile aus Metall,
z. B. als Dübel besonderer Bauart (Ringdübel, Scheibendübel) oder als Stahlblech-
formteile (Nagelplatten, Balkenschuhe, Eckverbinder usw.), deren Bemessung in
DIN 1052, oder in Zulassungen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBT) gere-
gelt sind (Bild 7-4).

Bild 7-3 Nägel, Holzschrauben, Bolzen, Stabdübel

Bild 7-4 Dübel, Nagelplatte, Balkenschuh

- 217 -
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Mit Klebeverbindungen von Holzlamellen lassen sich beliebig lange, beliebig dicke
und sogar räumlich gekrümmte Stäbe mit veränderlichem Querschnitt herstellen.
Dem Holzbau erschließen sich damit neue Anwendungsgebiete und Anwendungen
im Brückenbau, die früher dem Stahl- und Stahlbetonbau vorbehalten waren. Da die
Klebefuge bei ordnungsgemäßer Herstellung eine höhere Festigkeit besitzt als der
Grundwerkstoff, können verklebte Hölzer statisch wie Vollholz behandelt werden, mit
dem Unterschied, dass für Brettschichtholz wegen seiner größeren Gleichmäßigkeit
höhere Spannungen zugelassen sind. Die besonderen Anforderungen für Holzkleb-
stoffe sind in DIN 68141 und für Keilzinkenverbindungen in DIN 68140, Teil 1 gere-
gelt.

Bild 7-5 Gekrümmter Brettschichtholz-Träger, Keilzinkenverbindung

Eine wichtige Rolle bei der Verbindung von Bauteilen, besonders bei der Verbindung
von Bauteilen aus verschiedenen Baustoffen, spielt die Kraftübertragung über direk-
ten Kontakt. Einfachste Beispiele dafür sind die Auflagerung von Stahlträgern oder
Holzbalken auf Mauerwerk oder Betonwänden. Grundsätzlich sollen die Kontakt-
flächen möglichst ebenflächig und parallel zueinander sein. Zur satten Auflagerung
von Stahlbauteilen auf weniger genau hergestellten Lagerflächen muss die Fuge evtl.
nachträglich mit Mörtel verpresst werden. Holzbauteile sind quer zur Faser relativ
weich und passen sich Unebenheiten besser an.
In Kontaktfugen können nur Druck- und in geringem Umfang Schubkräfte mittels
Reibung übertragen werden. Die übertragbaren Schubkräfte sind umso größer, je
größer die Pressung in der Kontaktfuge ist (Coulomb’sches Gesetz). Die Pressung
kann durch Vorspannung der Fuge künstlich erhöht werden. Auch in nicht planmäßig
vorgespannten Verbindungsmitteln wie Schrauben entsteht vor dem Versagen bei
großen gegenseitigen Verschiebungen der verbundenen Bauteile ein hilfreicher An-
pressdruck.
Bei der Verbindung von Stahlteilen oder Holzbalken untereinander verlässt man sich
im Allgemeinen nicht auf die Reibung, sondern verbindet die Teile zumindest kon-
struktiv durch Bolzen, Nägel, Schrauben oder Schweißen. Im traditionellen hand-
werklichen Holzbau wurden die Verbindungen oft so gestaltet, dass Kontaktflächen in
mehreren Richtungen eine Lagesicherung und Kraftübertragung ermöglichen

- 218 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 7

(Verblattung, Zapfen, Holzdübel; Bild 7-6, Bild 7-7). Heute werden dafür vielfach Eck-
verbinder, Balkenschuhe, Nagelplatten u. ä. verwendet. Auch der Kontaktstoß über
den früher viel verwendeten Stirnversatz (Bild 7-8) ist selten geworden.

Bild 7-6 Scherblatt für Eckausbildung, Zapfen

Bild 7-7 Doppelter Sichelzapfen, japanische Holzverbindung

Bild 7-8 Stirnversatz, Rückversatz, Doppelter Versatz

7.2 Allgemeines zu stabförmigen Verbindungsmitteln


Die stabförmigen Verbindungsmittel Schrauben, Bolzen, Stabdübel und Nägel haben
Gemeinsamkeiten in ihrer Wirkungsweise, die vor den unterschiedlichen norm-
gemäßen Bemessungsregeln erklärt werden. Als Beispiel wird die zweischnittige
Schraubverbindung für den Zugstoß eines Stabes (1) mit zwei beidseitig aufgelegten
Blechen oder Laschen (2) in Bild 7-9 betrachtet:

- 219 -
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Bei mehreren Verbindungsmitteln in einem Anschluss ist es wichtig, den Kraftfluss


von einem Stab über die einzelnen Verbindungsmittel in die anderen Bauteile
zu verfolgen und die Nachweise für die einzelnen Bauteile in den geschwächten
Querschnitten (Bild 5-5) sowie für die Verbindungsmittel unter strikter Einhaltung des
Gleichgewichts zu führen. Im vorliegenden Fall ist die Annahme naheliegend, dass
über jede Schraube 1/4 der gesamten Zugkraft übertragen wird. Dieser Teil der
Stabkraft wird am Lochrand des Stabes (1) „von hinten“ über Kontaktpressungen
(„Lochleibungsspannungen“) auf den mittleren Bereich jedes Schraubenschaftes
übertragen, dann im Schraubenschaft mittels Biegung und Querkraft über die beiden
Scherfugen hinweg (zweischnittige Verbindung) jeweils zur Hälfte in die äußeren
Schaftbereiche und von dort wiederum über Lochleibungspressungen auf die beiden
Laschen weitergeleitet. In jeder Scherfläche ist also 1/8 der Gesamtlast zu über-
tragen. Im Schnitt a-a wirkt in jeder Lasche 1/4 der Zugkraft, im Schnitt b-b die Hälfte.
Wenn die Laschen unterschiedlich dick sind und deshalb unterschiedliche Kräfte
aufweisen (was man vermeiden sollte), dann sind auch die in den Scherflächen zu
übertragenden Kräfte unterschiedlich groß.

c)
Bild 7-9 Stoß eines Zugstabes mittels Schrauben: a) Ansicht und Längsschnitt; b) Kräfte
auf eine Lasche und eine Schraube, schematisch dargestellt; c) Versuchsbilder
nach dem Versagen

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Außer der beschriebenen Kraftüberleitung kann ein Teil oder sogar die ganze Stab-
kraft auch durch Klemmkräfte und Reibung direkt von Stab zu Stab übertragen wer-
den. Das Verbindungsmittel wird dabei auf Zug in Richtung seiner Achse bean-
sprucht, entweder aktiv aus Vorspannung, oder passiv als Folge der Verbiegung
(„Kopfabreißen“, Herausziehen von Nägeln). Auch durch das Anziehen von Schrau-
benmuttern wird zwischen den zu verbindenden Teilen ein Anpressdruck erzeugt.
Es gibt verschiedene mögliche Versagensarten von Verbindungen, von denen das
Bild 7-9 c einige erkennen lässt. Oft führt eine Interaktion mehrerer Arten von Bean-
spruchungen zum Bruch oder zu übermäßigen Verformungen. Die wichtigsten
Versagensarten und die dagegen zu führenden Nachweise sind:
- Große plastische Verformungen der Bleche bzw. Eindrückungen im Holz aus
Lochleibungsdruck:
Begrenzung der Lochleibungsspannungen.
- Ausreißen des Bleches bzw. Aufspalten des Holzes senkrecht zur Faserrichtung:
Mindest-Randabstände und Mindestabstände zwischen zwei Bohrungen, je-
weils unterschiedlich in Richtung der Stabkraft und senkrecht dazu.
- Abscheren des Verbindungsmittels:
Nachweis der (gemittelten) Scherspannungen bzw. des Abscherwiderstands.
- Zug in Axialrichtung des Verbindungsmittels:
Zugspannungen oder Kräfte für planmäßige Beanspruchung aus Last und Vor-
spannung.
- Biegung in den Verbindungsmitteln (Bolzen, Schrauben, Nägel):
Nachweis von Grenzbiegemoment bzw. Fließmoment.
- Durchreißen der durch Öffnungen geschwächten Stäbe:
Spannungsnachweise in den Bruchlinien mit Nettoquerschnitten (Bild 5-5).
In vielen Fällen geben die Normen pauschale Tragfähigkeiten für die Verbindungs-
mittel an, die aus Versuchsergebnissen abgeleitet sind und mehrere Versagensarten
berücksichtigen.
Die verschiedenen Arten von Verbindungsmitteln haben sehr unterschiedliche Stei-
figkeiten: Schweißverbindungen und gleitfeste Schraubenverbindungen sind bei-
spielsweise viel steifer als Verbindungen mit rohen Schrauben oder Bolzen; Klebe-
verbindungen sind steifer als Nagelverbindungen. Eine Kombination unterschiedlich
steifer Verbindungsmittel im gleichen Anschluss ist im Allgemeinen nicht zulässig, da
die steiferen Verbindungsmittel die Kräfte „anziehen“. Lediglich Schweißnähte und
GVP-Schrauben bzw. Nieten und Passschrauben dürfen im Stahlbau untereinander
kombiniert werden. Klebe- und Bolzenverbindungen im Holzbau dürfen nicht mit an-
deren Verbindungsmitteln kombiniert werden. Holzschrauben, Nägel und Dübel sind
miteinander kombinierbar. Die Tragfähigkeit des Verbindungsmittels, das den kleine-

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ren Kraftanteil erhält, ist jedoch auf 2/3 abzumindern. Auch unterschiedlich große
Verbindungsmittel der gleichen Art, z. B. Schrauben oder Nägel mit verschiedenen
Durchmessern führen zu Ungleichmäßigkeiten und sollten deshalb möglichst ver-
mieden werden. Außerdem sollten auch im Hinblick auf eine einfache Fertigung in
einem Anschluss möglichst genau gleiche Schrauben, Nägel, Dübel etc. in regel-
mäßiger Anordnung verwendet werden. Vorteilhaft sind symmetrische Laschen mit
mehrschnittiger Ausnutzung der Verbindungsmittel.
Wenn in einer Stoßverbindung mehr als zwei gleiche Verbindungsmittel, z. B.
Schrauben oder Nägel, in Kraftrichtung hintereinander angeordnet werden, dann
werden diese Verbindungsmittel unterschiedlich hoch beansprucht, weil sich die mit-
einander verbundenen Bauteile im Stoßbereich unterschiedlich verformen und da-
durch relativ zueinander verschieben (Bild 7-10). Diese Relativverschiebungen sind
an den Stoßenden am größten und führen dort zu höheren Beanspruchungen der
Verbindungsmittel als im mittleren Bereich des Stoßes. Ebenso entstehen in langen,
in Schweißnahtrichtung beanspruchten Schweißnähten Spannungsspitzen an den
Enden der Nähte. Um diese Ungleichmäßigkeiten der Beanspruchungen gering zu
halten, sollten Anschlüsse grundsätzlich möglichst kompakt ausgeführt werden. Die
Normen begrenzen aus den genannten Gründen die Länge solcher Schweißnähte
und die Anzahl hintereinander liegender Verbindungsmittel in einem Anschluss oder
sie reduzieren die Ausnutzbarkeit des einzelnen Verbindungsmittels bei langen An-
schlüssen.

Bild 7-10 Laschenanschluss für Normalkraft: a) Ansicht; b) Schnitt; c) Rahmen-


Ersatzsystem; d) Verformung; e) Kraftübertragung

Im Allgemeinen ist in den Normen auch eine Mindestanzahl von Anschlussmitteln


vorgeschrieben, damit beim Ausfall einzelner Verbindungsmittel noch eine gewisse

- 222 -
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Konstruktiver Ingenieurbau I Kapitel 7

Tragfähigkeit verbleibt. Die alte Regel „ein Niet ist kein Niet“ gilt sinngemäß für ande-
re Verbindungsmittel, wobei Ausnahmen in bestimmten Fällen zugelassen werden.
Häufig sind Exzentrizitäten der anzuschließenden Kräfte in Bezug auf die Schwer -
punkte der Anschlüsse nicht zu vermeiden, beispielsweise beim Querkraftanschluss
eines Stahl- oder Holzträgers an einen quer verlaufenden Hauptträger (Bild 7-11).
Die daraus entstehenden Versatzmomente müssen unter Einhaltung der Gleichge-
wichtsbedingungen konsequent abgedeckt werden. Dabei gibt es mitunter mehrere
Möglichkeiten, die Anschlussmomente auf die Verbindungsmittel beiderseits des
Stoßes zu verteilen. Die Anschlussmomente führen oft dazu, dass unterschiedlich
viele Verbindungsmittel auf den beiden Seiten eines Stoßes angeordnet werden.
Bei der Berechnung der maßgebenden einwirkenden Kräfte der Verbindungsmittel in
Anschlüssen für die kombinierte Wirkung einer Kraft und eines Momentes wird die
Kraft durch die Anzahl n (gleicher) Verbindungsmittel geteilt und die aus dem Mo-
ment entstehende Tangentialkraft auf das einzelne Verbindungsmittel vektoriell hin-
zuaddiert. Die Tangentialkraft ist proportional zum Radius r (Abstand vom
Schwerpunkt der Verbindungsmittel) und umgekehrt proportional zum polaren Träg-
heitsmoment IP der Verbindungsmittel:

Md ⋅ r Vd
Vb,d = + (7.1)
Ip n

Ip = ∑ r2 = ∑ [(Δx)2 + (Δy)2] (7.2)

n: Anzahl der Schrauben

Bild 7-11 Schraubanschluss eines Nebenträgers an einen Hauptträger

Bild 7-12 zeigt deutlich, dass die Schrauben in einem T-Stoß wegen der Abstützkräf-
te K Beanspruchungen Z + K erfahren, die höher sind als die im Stoß zu übertragen-
de anteilige Kraft Z.

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Bild 7-12 T-Stoß mit abgeleitetem statischem System zur Bestimmung der Beanspru-
chungen in der Verbindung

7.3 Schraubverbindungen im Stahlbau

7.3.1 Eigenschaften von Schrauben und ihre Anordnung in den


Verbindungen
Es gibt eine beträchtliche Vielfalt von genormten Schrauben aus Stahl und Alumini-
umlegierungen. Die Tab. 7-1 zeigt die Werkstoffe und die normgemäßen Festig-
keitswerte von Schrauben und Bolzen im Stahlbau (erster Teil der Bezeichnung des
Schraubenwerkstoffes mal 100 = Zugfestigkeit fu,b,k, mit dem zweiten Teil multipliziert
ergibt sich die Streckgrenze fy,b,k). Zur Schraube gehört die Mutter sowie die Unter-
legscheibe; bei mehr als 2 % geneigten Flanschen von U-, I- und ähnlichen Profilen
verwendet man Keilscheiben.

1 2 3
Festigkeits- Streckgrenze Zugfestigkeit
klasse fy,b,k fu,b,k
N/mm² N/mm²
1 4.6 240 400
2 5.6 300 500
3 8.8 640 800
4 10.9 900 1000

Tab. 7-1 Charakteristische Werte für Schrauben- und


Bolzenwerkstoffe nach DIN EN ISO 898, Teil 1

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Man unterscheidet verschiedene Arten von Schraubverbindungen (Bild 7-13):


- SL (Scher-Lochleibungs-) Verbindungen: Werkstoffe 4.6, 5.6, 8.8 und 10.9
- GV (Gleitfest vorgespannte) Verbindungen, hochfeste Schrauben:
Werkstoffe 8.8 und 10.9
Beide Arten gibt es auch als Passschrauben SLP bzw. GVP.
Die Löcher für rohe Schrauben (SL-Verbindungen) können gebohrt, gestanzt oder
mit gewährleisteter Schnittgüte maschinell gebrannt werden. Für gestanzte Löcher
gibt es Einschränkungen bezüglich der Blechdicke und im Hinblick auf nicht vorwie-
gend ruhende Belastungen (kleinere Löcher stanzen und um 2 mm aufreiben). Die
Löcher für Passschrauben sind gemeinsam in den zu verbindenden Blechen zu boh-
ren und auf der Baustelle mit einer Fräse aufzureiben, weil ein Spiralbohrer verläuft.
Das Lochspiel darf nicht mehr als 0,3 mm betragen.

Bild 7-13 Schrauben und Ausführungsformen von Schraubverbindungen

Das Gewinde von Schrauben soll möglichst in der mutterseitigen Unterlegscheibe


enden, bei nicht vorwiegend ruhenden Verbindungen – außer bei gleitfesten – ist
dies zwingend. Schraubendurchmesser und Blechdicken der außenliegenden Bleche
sollten einigermaßen aufeinander abgestimmt werden. Bild 7-14 enthält Empfehlun-
gen dafür. Bei dynamischen Lasten sind die Muttern unbedingt gegen Lockern zu
sichern, z. B. durch mechanische Sicherungen (Bild 7-15) oder – wie heute üblich –
durch Vorspannen (Muttern nicht anschweißen!).

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Bild 7-14 Empfohlene Kombination von Schraubendurchmessern und Blechdicken

Verbindungen mit Passschrauben (SLP, SLVP, GVP) haben ein geringeres Lochspiel
und somit weniger Schlupf (Bild 7-16). Sie dürfen im Gegensatz zu gewöhnlichen SL-
Verbindungen auch bei wechselnder Beanspruchung verwendet werden, wo ein Hin -
und Hergleiten im Lochspiel nicht toleriert werden kann, z. B. Kranbahnen.

Bild 7-15 Mechanische Sicherungselemente gegen das Lösen von Schrauben

Vorgespannte Schrauben haben gegenüber nicht vorgespannten Schrauben den


Vorteil, dass der Schlupf erst oberhalb der Gebrauchslast auftritt (Bild 7-16).
Sowohl für „planmäßig vorgespannte Verbindungen” (SLV und SLVP) als auch für
„gleitfeste Verbindungen“ (GV und GVP) sind hochfeste Schrauben der Festigkeits-
klasse 8.8 oder 10.9 zu verwenden und vorzuspannen. Die Reibflächen gleitfester
Verbindungen sind vor dem Zusammenbau vorzubehandeln, z. B. mit der Flamme,
durch eine Beschichtung mit Alkalisilikat -Zinkstaubfarbe oder durch Aufrauhen mit-
tels Sandstrahlen.
Die Berührungsflächen der Verbindungen sind ebenso wie die verbundenen Stahl-
teile selbst und auch die Schrauben gegen Korrosion zu schützen.

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Bild 7-16 Last-Verformungs-Verhalten verschiedenartiger Schraubenverbindungen mit


gleicher Festigkeit: a) SL; b) SLP; c) GV; d) GVP

7.3.2 Tragfähigkeitsnachweise für Schraubverbindungen im Stahlbau


Die Nachweise nach DIN 18800-1 für das Grundmaterial (Spannung im Nettoquer-
schnitt, Lochleibungspressung) und die Schrauben (Abscheren, Axialzug) werden mit
gleichmäßig verteilten Spannungen geführt. Der jeweils kleinste Wert aus den ver-
schiedenen Nachweisen, darunter zwei Nachweise von Lochleibungspressungen (für
den gestoßenen Stab bzw. die Laschen in Bild 7-9), ist die anrechenbare Tragfähig-
keit der Schraube.

7.3.2.1 Abscheren
Die vorhandene Abscherkraft Va,d je Scherfuge und Schraube darf die (aufnehm-
bare) Grenzabscherkraft Va,R,d nicht überschreiten.

Va,R,d = A ⋅ τa,R,d = A ⋅ αa ⋅ fu,b,k / γM (7.3)

αa = 0,60 für Schrauben der Festigkeitsklassen 4.6, 5.6 und 8.8

αa = 0,55 für Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9

αa = 0,44 für Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9, wenn das Ge-


winde in der Scherfuge liegt

fu,b,k: Zugfestigkeit der Schraube (charakteristischer Wert)


Als maßgebender Abscherquerschnitt A ist dabei einzusetzen
- der Schaftquerschnitt A, wenn der glatte Teil des Schaftes in der Scherfuge liegt.
- der Spannungsquerschnitt AS, wenn der Gewindeteil des Schaftes in der Scher-
fuge liegt.

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7.3.2.2 Lochleibung
Mit diesem Nachweis soll ein Aufziehen der Schraubenlöcher verhindert werden. Die
vorhandene Lochleibungskraft Vl,d einer Schraube an einer Lochwandung darf dabei
die Grenzlochleibungskraft Vl,R,d nicht überschreiten.

Vl,R,d = t ⋅ dSch ⋅ σl,R,d = t ⋅ dSch ⋅ αl ⋅ fy,k / γM (7.4)

t: Blechdicke

dSch Schaftdurchmesser der Schraube

fy,k Streckgrenze Grundmaterial


Der Beiwert αl ist abhängig von den Randabständen und Lochabständen aus den
Gleichungen der Tab. 7-2 zu ermitteln. Tab. 7-3 zeigt die Grenzen der zulässigen Ab-
stände und die Abstände bei voller Ausnutzung der möglichen Lochleibungspressun-
gen.

Tab. 7-2 Bestimmungsgleichungen für den Faktor αl

Tab. 7-3 Zulässige Lochabstände für Bleche (Tabelle) und Profilstähle

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7.3.2.3 Axialzug
Die vorhandene Zugkraft Nd darf die Grenzzugkraft NR,d nicht überschreiten:

⎧A ⋅ σ1,R,d
NR,d =min ⎨ (7.5)
⎩A S ⋅ σ 2,R,d

σ1,R,d = fy,b,k / (1,1 ⋅ γM)

σ2,R,d = fu,b,k / (1,25 ⋅ γM)

fy,b,k: Streckgrenze

fu,b,k: Zugfestigkeit

7.3.2.4 Zug und Abscheren


Die kombinierte Beanspruchung durch eine Zugkraft Nd und eine Abscherkraft Va,d ist
mit der Interaktionsformel vom quadratischen Typ nachzuweisen, wenn die Ausnut-
zung Nd / NR,d oder Va,d / Va,R,d über 25 % liegt.

2 2
⎡ Nd ⎤ ⎡ Va,d ⎤
⎢ ⎥ +⎢ ⎥ ≤1 (7.6)
⎣ NR,d ⎦ ⎣ Va,R,d ⎦

7.3.2.5 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit für gleitfeste Verbindungen


Für gleitfeste vorgespannte Verbindungen (GV, GVP) ist zusätzlich zu den Tragfä-
higkeitsnachweisen entsprechend obigen Abschnitten ein Nachweis der Gebrauchs-
tauglichkeit zu erbringen (DIN 18800-1, Element 812). Demnach darf die auf eine
Scherfuge entfallende Kraft Vg,d nicht größer sein als die durch Reibung übertragbare
Kraft Vg,R,d, wobei

Vg,R,d = μ ⋅ FV (1 − N / FV ) /(1,15 ⋅ γ M ) (7.7)

μ = 0,5 Reibungszahl

Fv: Vorspannkraft

N: anteilig auf die Schraube entfallende Zugkraft

γM = 1,0 Sicherheitsbeiwert beim Gebrauchstauglichkeitsnachweis

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7.3.3 Bolzenverbindungen
Bolzenverbindungen im Stahlbau, mitunter zur Lagerung eines Augenstabes ver-
wendet, werden mit relativ großem Lochspiel ausgeführt (bis 3 mm bzw. 0,1 ⋅ dL) und
haben keine Klemmwirkung wie Schrauben. Sie sind aber wie Schrauben für Ab-
scheren und Lochleibung zu bemessen (wobei αl = 1,5 anzusetzen ist). Zusätzlich
sind die Biegemomente der Bolzen nach DIN 18800-1, Element 817 begrenzt auf:

f y,b,k
MR,d = WSch ⋅ (7.8)
1,25 ⋅ γ M

WSch: Widerstandsmoment des Bolzenschaftes


Das aufzunehmende Biegemoment kann vereinfacht mit der Spannungsverteilung
entsprechend Bild 7-17 berechnet werden.

Bild 7-17 Ermittlung des Biegemomentes in einem Bolzen

7.4 Schweißverbindungen im Stahlbau

7.4.1 Allgemeines
Schweißverbindungen dürfen nur von geprüften Schweißern von Betrieben durchge-
führt werden, welche die dazu nötige besondere Sachkenntnis und Erfahrung durch
den „großen“ bzw. „kleinen Eignungsnachweis“ gemäß DIN 18800 Teil 7 erbracht
haben.
Die Schweißnähte sollen möglichst dieselben Materialeigenschaften wie der Grund-
werkstoff haben, was auch weitgehend möglich ist. Auf die verschiedenen Auswir-

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kungen auf den Grundwerkstoff kann hier aus Zeitgründen nicht eingegangen wer-
den. Es wird lediglich auf einige mit dem Schweißen verbundene Probleme hinge-
wiesen.
Die örtliche Erwärmung des Grundwerkstoffs (600 - 1.500° C) führt zu einer Ausdeh-
nung und plastischen Stauchung des Materials, das sich danach beim Abkühlen ver-
kürzen (schrumpfen) möchte, aber durch die benachbarten Bereiche daran gehindert
wird. Dadurch erhält der Bereich unmittelbar neben der Schweißnaht Zugbeanspru-
chungen, die Nachbarbereiche erfahren Druckbeanspruchungen. Diese „Schweiß-
eigenspannungen“ (Schrumpfspannungen) haben Folgen:
- Die verschweißten Bauteile werden krumm und verwerfen sich (Schweißverzug).
Um diese Wirkungen einzuschränken, kann ein Schweißfolgeplan erforderlich
sein. Man sollte deshalb die Schweißnähte auch nicht dicker als erforderlich wäh-
len.
- Wegen der i. a. ausreichenden plastischen Verformbarkeit des Grundwerkstoffs
haben die Eigenspannungen keinen Einfluss auf die statische Tragfähigkeit.
- Die Spannungsspitzen führen jedoch zu einer früheren Teilplastizierung des
Querschnitts, wodurch die Steifigkeit reduziert und das Ausbeulen bzw. Knicken
begünstigt wird.
- Die Spannungsspitzen erhöhen die Sprödbruchgefahr. Besonders gefährlich ist
dies bei zyklischer Belastung. Die Bauteile brechen ohne Vorankündigung mit
glatter Bruchfläche, weil beim Bruch keine wesentlichen plastischen Verfor-
mungen auftreten.
Die Schweißeigenspannungen können durch „Spannungsarmglühen“ beseitigt wer-
den, der Schweißverzug durch Flammrichten.
Durch Schweißverbindungen können Beanspruchungen in Bleche oder Profile einge-
leitet werden, die das Blech in der Dickenrichtung auf Zug beanspruchen, in der es –
bedingt durch den Walzvorgang – eine wesentlich geringere Zugfestigkeit hat als in
seiner Ebene („Terrassenbruch“). Man sollte deshalb hohe Beanspruchungen in Di-
ckenrichtung vermeiden.
Schweißnähte in den Hohlkehlen von von unberuhigt vergossenen Walzprofilen sind
wegen der dort vorhandenen Seigerungszonen (vgl. Kapitel 3.2.4.1) wegen der Ge-
fahr von Aufhärtungen und Rissen nicht zulässig. (vgl. Bild 3-4) Schweißnähte in
kaltverformten Bereichen sind möglichst zu vermeiden, ebenso Nahtanhäufungen
und Nahtkreuzungen.
Die Schweißstellen müssen gut zugänglich und eine einwandfreie Ausführung der
Naht muss sichergestellt sein, andernfalls dürfen die Nähte nicht als tragend ange-
setzt werden. Nähte in schwierigen Positionen, z. B. Überkopfnähte, bergen größere
Risiken von Fehlern.
Bevor an alten Stahlkonstruktionen Verstärkungen angeschweißt werden, ist die
Schweißeignung des Werkstoffs festzustellen.

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7.4.2 Schweißarten

Bild 7-18 Gasschweißverfahren

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Bild 7-19 Metall- Schutzgasschweißen

Bild 7-20 Unterpulverschweißen

Bild 7-21 Wolfram- Inertgasschweißen

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Bild 7-22 Lichtbogenhandschweißen

7.4.3 Nahtarten
Die Art der Schweißnaht hängt von der gegenseitigen Lage der zu verbindenden Tei-
le, von deren Blechdicke, von der Beanspruchung und vom Schweißverfahren ab.
Bild 7-23 zeigt die verschiedenen Nahtarten und die Symbole für ihre Darstellung.
Im Wesentlichen ist zu unterscheiden zwischen Kehlnähten und Stumpfnähten, die
es in vielen Ausführungsarten gibt. Für Stumpfnähte sind die zu verbindenden Bau-
teile zu bearbeiten. Mit Stumpfnähten, die einwandfrei durchgeschweißt oder nach
Ausarbeitung der Wurzel gegengeschweißt sind, werden dieselben Festigkeiten wie
im Grundwerkstoff erreicht. Bei nicht durchgeschweißten Nähten - dazu gehören
auch Kehlnähte - entstehen Spannungsspitzen an der Nahtwurzel. Kehlnähte sind
billiger als Stumpfnähte herzustellen.
Wichtig ist, dass die Nähte frei von Rissen, Bindefehlern und Einbrandkerben sind.
Bei Kehlnähten muss ein genügend tiefer Einbrand bis zum theoretischen Wurzel-
punkt erzielt werden.
Die Kehlnahtdicken sollten mindestens max t [mm] − 0,5 mm ≥ 2 mm und höchs-
tens 0,7 ⋅ min t betragen, wobei max t und min t die größte bzw. geringste Blechdicke
der zu verbindenden Teile bezeichnen.
Wie in allen langen Anschlüssen, konzentrieren sich auch in langen, in ihrer Längs-
richtung beanspruchten Schweißnähten die Spannungen an den Enden (Bild 7-10).
In Laschen oder Stabanschlüssen darf deshalb die Schweißnahtlänge höchstens das
150-fache der Schweißnahtdicke a betragen.

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Bild 7-23 Symbole für Nahtarten

7.4.4 Beanspruchungen und Nachweise von Schweißnähten


Stumpfnähte
Die Spannungskomponenten senkrecht zur Blechebene sind im Allgemeinen ver-
nachlässigbar gering. In der Richtung der Blechebene und einem senkrechten
Schnitt durch die Naht wirken drei Spannungskomponenten (Bild 7-24):
σll längs, parallel zur Naht. Diese Spannung ist wegen der Verträglichkeit der
Dehnungen gleich groß wie im Grundwerkstoff und wird, da sie zur Kraftübertragung
in der Schweißnaht nicht nötig ist, bei überwiegend ruhender Belastung auch nicht
nachgewiesen.
σ⊥ senkrecht zur Schweißnaht, zur Kraftübertragung von Zug und Druck nötig.
τll Schubspannung parallel zur Nahtrichtung, zur Schubkraftübertragung nötig.

Bild 7-24 Schweißnahtspannungen in einer Stumpfnaht: a) Verträglichkeitsspannung;


b) für das Gleichgewicht nötige Spannungen

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Kehlnähte
Kehlnähte sind besonders zur Abtragung von Schubkräften längs und quer zur Naht-
richtung geeignet. Wiederum werden die Verträglichkeitsspannungen σll in Längsrich-
tung vernachlässigt. Wie Bild 7-25 zeigt, sind aber in beiden Schnitten durch die Naht
jeweils drei Spannungskomponenten für die Kraftübertragung von Bedeutung:
σ⊥ Normalspannung quer zur Nahtrichtung
τll Schubspannung parallel zur Nahtrichtung
τ⊥ Schubspannung quer zur Nahtrichtung

Bild 7-25 Schweißnahtspannungen in Kehlnähten

Zur weiteren Erläuterung dienen die Beispiele in Bild 7-26 und Bild 7-27. In den Flan-
kenkehlnähten und Halsnähten für den Anschluss der Gurtplatten werden die Schub-
spannungen τll nachgewiesen.

V ⋅S
τ ll = (7.9)
Ι ⋅ Σa

S: statisches Moment der Gurtplatte

I: Trägheitsmoment des Gesamtquerschnitts

Σa: Σ Schweißnahtdicke, wird in der Kehle diagonal gemessen


(Bild 7-25).
Die Längsspannungen σll aus der Biegung und Normalkraft des Trägers bleiben au-
ßer Betracht.
Bei unterbrochenen Nähten (Bild 7-26 b), die nur bei vorwiegend ruhender Last und
wegen Korrosionsgefahr nicht im Freien zugelassen sind, ist die rechnerische Naht-
spannung mit dem Faktor (e + l) / l zu multiplizieren, wobei e für die nahtfreie Länge
steht.

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Bild 7-26 Kehlnähte zum Anschluss von Gurtplatten: a) Halsnaht; b) unterbrochene Hals-
naht; c) Halsnaht und Flankenkehlnaht

Wenn eine aufgeschweißte Gurtplatte außerhalb des Momentennullpunktes endet,


treten am Beginn der Flankenkehlnähte sehr hohe Spannungen auf, weil sich die
Dehnungen der durchlaufenden und aufgeschweißten Gurtplatte auf kurze Länge
angleichen müssen. Man führt deshalb zur Krafteinleitung zusätzlich eine Stirnkehl-
naht aus (Bild 7-27). Diese Naht wird durch τ⊥ senkrecht zur Nahtrichtung bean-
sprucht (wenn diese Nähte gemäß DIN 18800-1 Bild 7 ausgeführt werden, kann auf
einen Nachweis der Schweißnahtspannungen am Gurtplattenanschluss verzichtet
werden). Die Beanspruchungen der Stirnkehlnaht ergeben sich aus der angeschlos-
senen Kraft F, der Schweißnahtlänge l und der Nahtdicke a zu

F
τ⊥ = σ⊥ = (7.10)
a⋅l

In einem Stirnplattenanschluss berechnet man die Schweißnahtspannungen σ⊥ quer


zur Naht analog zu den Biegespannungen eines Trägers aus dem Trägheitsmoment
der Schweißnähte (Bild 7-28). Dabei werden die Schweißflächen mit der Nahtdicke
direkt in den Grenzlinien zum Grundwerkstoff, also an den Blechrändern wirkend an-
gesetzt, d. h. die rechnerische Lage der Kehlnaht liegt in ihrem Wurzelpunkt.
Die Längsschubspannung in den senkrechten Stegnähten, die aus der Querkraft ent-
steht, darf vereinfacht als mittlere Spannung ermittelt werden:

V
τll = (7.11)
Aw

Aw = 2 ⋅ a ⋅ h

Bild 7-27 Schweißnahtspannungen in einem Laschenanschluss: a) Stirn- und Flanken-


kehlnaht; b) Schnitt zwischen Grundblech und Lasche; c) Bruchform entlang der
Kanten der Lasche

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Bild 7-28 Schweißnahtspannungen in einem Stirnplattenanschluss

Nachweis von Stumpf- und Kehlnähten


Gemäß DIN 18800-1, Element 825 ist aus den oben erläuterten Spannungskompo-
nenten ein Vergleichswert σw,v zu ermitteln. Dieser Vergleichswert ist empirisch und
darf nicht mit der Vergleichsspannung nach Mises Gl. (5.8) verwechselt werden.

σ w,v = σ 2⊥ + τ 2⊥ + τ ll2 (7.12)

Der Vergleichswert darf die in der Norm festgelegte (zulässige) Grenzschweißnaht-


spannung σw,R,d nicht überschreiten. Diese wird mit dem Faktor αw nach Tab. 7-4 er-
mittelt:

σw,R,d = αw ⋅ fy,k / γM (7.13)

3)
wenn bei der Ultraschallprüfung von min. 10 % keine Fehler gefunden werden.

Tab. 7-4 αw-Werte für Grenzschweißnahtspannungen gemäß DIN 18800-1 Tab. 21

σ w ,v
≤ 1 (7.14)
σ w,R,d

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Wie bei allen Anschlussarten sollte man auch bei Schweißanschlüssen Ausmittig-
keiten nach Möglichkeit vermeiden oder deren Folgen nachweisen. Die DIN 18800-1
Element 823 lässt allerdings für unmittelbare Anschlüsse von Winkelprofilen sehr ver-
einfachte Nachweise gemäß Tab. 7-5 zu.

Tab. 7-5 Rechnerische Schweißnahtlängen bei unmittelbaren Stabanschlüssen gemäß


DIN 18800-1 Teil 1, Tab. 20

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7.5 Verankerungen, Umlenkungen und Beschläge bei Seilen und


Spanngliedern

7.5.1 Verankerungen
Die in Bild 7-29 dargestellten Verankerungen aus dem Spannbetonbau können große
Zugkräfte aus den Spanngliedern in den Beton einleiten. Für freie Zugelemente kann
die Art der Lastausleitung über Reibung und Keilwirkung übernommen werden.

Bild 7-29 Verankerungen im Spannbetonbau

Die Verankerungen werden heute im Allgemeinen werkseitig auf die Seile aufge-
bracht. Dies bedeutet, dass die Seillänge einschließlich der Verkürzungen zum Auf-
bringen der Vorspannung im eingebauten Zustand und dem Vorrecken ziemlich
genau bekannt sein müssen. Die heute üblichen Verankerungen bestehen aus Hül-
sen, in denen die Drähte geklemmt, gepresst oder vergossen werden, wobei die
Lasteinleitung aus dem Seil in die Hülse von der Seilart abhängig ist.
Pressfittinge
Als Gabel- oder Ösenfittinge für Seildurchmesser bis zu 40 mm (herstellerabhängig).
Auf Spiralseile mit Stahleinlage wird eine aus Stahl oder Aluminium bestehende Hül-
se mit großen Kräften und einer Umform-Matrize auf das Seil gepresst. Die Veranke-
rungslängen liegen bei dem 5-bis 10-fachen des Seildurchmessers, die
Hülsendurchmesser weisen ungefähr den 2-fachen Seildurchmesser auf
(Bild 7-30 a). Infolge der hohen Querpressung, welche die Zugfestigkeit des Seiles
vermindert, ist bei der Bestimmung der Bruchlast für hochfeste Zugglieder nach
DIN 18800-1 der Verlustfaktor ke = 0,9 zu berücksichtigen.

a) b) c) d)
Bild 7-30 a) Pressfittinge; b) Vergussfittinge mit Augenstäben; c) Vergussfitting mit Außen-
und Innengewinde; d) zylindrischer Vergussfitting

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Vergussfittinge
Vergussfittinge kommen insbesondere bei Paralleldrahtbündeln, offenen und vollver-
schlossenen Spiralseilen mit einem Durchmesser > 40 mm vor. Die Enden der Seile
werden im Bauwesen meistens mit ZAMAK vergossen. Die Hülsen sind im Inneren
konisch und jeder Draht wird durch den Vergusswerkstoff festgehalten. Außerdem
wird durch den Radialdruck ein Reibverbund aufgebaut und die Haftung zwischen
Draht und Vergusskonus am Eintritt in die Hülse verstärkt. Die Länge der Hülse be-
trägt das 3,5- bis 5-fache des Seildurchmessers, Verlustfaktor ke = 1,0.
Zur Weiterleitung aus den Hülsen gibt es die in Bild 7-30 dargestellten Möglichkeiten:
a), b) Zurückhängen der Zugkraft über Laschen und Bolzen, c) Abstützen der Hülse
über ein Schraubengewinde, d) Abstützen der Hülse auf ein Bauteil. Für diese Mög-
lichkeiten der Lastausleitung sind Besonderheiten zu beachten. Die Hülse sollte eine
ausreichend große ebene Aufstandsfläche haben, die Gewinde sollten nicht überbe-
ansprucht werden, weil sie dann nicht mehr gangbar sind.

7.5.2 Umlenkungen
Richtungsänderungen von hochfesten Zugelementen sind nur möglich, indem das
durchlaufende Seil über einen Sattel umgelenkt oder unterbrochen und von jeder
Seite verankert wird (Bild 7-31). Jede Umlenkung bedeutet, dass das Seil gekrümmt
werden muss. Nach DIN 18800-1, müssen hierfür Umlenkradien eingehalten werden
und Grenzquerpressungen dürfen nicht überschritten werden.

Bild 7-31 Umlenkungen: a) über einen Sattel; b) mit Verankerungen

7.5.3 Beschläge
Zu den Beschlägen gehören Klemmen, mit denen eine Kraft normal und tangential
zur Längsachse in das Seil eingeleitet werden kann (Bild 7-32). Die Kraftübertragung
zwischen Klemme und Seil erfolgt bei einer tangentialen Kraft über Reibung. Durch
die Klemme wird auf das Seil ein Querdruck ausgeübt, die Größe des Querdrucks ist
abhängig von der Seilart. Schraubenklemmen können auf Paralleldrahtbündel und
vollverschlossenen Spiralseilen aufgesetzt werden. Die Klemme soll das Seil mög-
lichst formtreu umschließen und einen gleichmäßigen Radialdruck ausüben. Bei der
Auslegung der Klemmkraft ist zu berücksichtigen, dass mit wachsender Seilkraft die
Vorspannung in den Schrauben und damit die Klemmwirkung auf Grund der Quer-
kontraktion des Seiles abnimmt.

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a) b)
Bild 7-32 a) Hängerklemme; b) Seilumlenkung mit Klemme

7.6 Verbindungen im Holzbau

7.6.1 Allgemeines zu stiftförmigen Verbindungsmitteln


Die im Holzbau verwendeten stiftförmigen Verbindungsmittel wie Stabdübel, (Pass-)
Bolzen, Gewindestangen, Nägel, Schrauben und Klammern werden auf folgende Ar-
ten beansprucht:
- Biegung des Verbindungsmittels unter Berücksichtigung der Lochleibungsfestig-
keit des Holzes.
- Herausziehen.
- Kombinierte Beanspruchung (Nägel, Holzschrauben, Klammern).
In DIN 1052 beruhen die Bemessungsregeln auf der „Theorie der Holzverbindungen“
von K.W. Johansen, der das Gleichgewicht im Versagensfall unter Berücksichtigung
der Lochleibungsfestigkeit und des Fließmomentes des Verbindungsmittels berück-
sichtigt. Die Annahme eines starr-plastischen Verbindungsmittels auf starr-
plastischer Bettung führt zu folgenden Trag- und Verformungsmöglichkeiten
(Bild 7-33):
- Lochleibungsversagen: Reine Translationsverformung oder Translations- und ro-
tationsverformung in der Verbindung, wobei der ausreichend steife Stift gerade
bleibt.
- Biegeversagen: Der Stift ist nicht ausreichend steif, wodurch Fließgelenke entste-
hen.

Bild 7-33 Trag- und Verformungsverhalten mit stiftförmigen Verbindungsmittel

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Bei einer Beanspruchung in Stiftachse bei Nägeln, Holzschrauben und Klammern


gibt es drei Versagensformen:
- Überschreiten der Haftreibung zwischen Stift und Holzteil.
- Durchziehen des Kopfes durch das Holzteil.
- Bruch durch Zugversagen des Verbindungsmittels selbst, i. d. R. nicht maßge-
bend.

7.6.2 Stabdübel, (Pass-) Bolzen und Gewindestangen


Stabdübel und Passbolzen werden ohne Lochspiel in vorgebohrte Löcher eingetrie-
ben, wobei die Löcher mit dem Nenndurchmesser des Stabdübels zu bohren sind
(Stahlblech-Holz-Verbindungen: Lochspiel im Stahl ≤ 1 mm).
Bolzen (6 mm ≤ d ≤ 30 mm) mit Kopf, Mutter und Unterlegscheibe sowie Gewinde-
stangen (M 6 bis M 30) werden nach dem Vorbohren mit geringem Spiel (≤ 1 mm)
eingebaut und fest angezogen. Bolzenverbindungen mit 1 mm größer gebohrten Lö-
chern dürfen wegen des Schlupfes nur in untergeordneten Bauteilen, bei Gerüsten
und fliegenden Bauten, nicht jedoch in Dauerbauten zur Kraftübertragung heran-
gezogen werden.
Wie in Kapitel 7.6.1 beschrieben hängt die aufnehmbare Last der Verbindung von der
zulässigen Lochleibungsspannung des Holzes und vom Biegetragvermögen des
Verbindungsmittels ab. Die tragende Verbindung sollte dabei so aufgebaut sein, dass
mindestens 2 Verbindungsmittel und 4 Scherflächen vorhanden sind. Bei Zugver-
bindungen wie in Bild 7-34 dargestellt, muss nach DIN 1052, Abschnitt 11.1.2 ein Ab-
triften der äußeren Laschen durch ausziehfeste oder zusätzliche ausziehfeste
Verbindungsmittel verhindert werden.

Bild 7-34 Zugverbindung

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Lochleibungsfestigkeit des Holzes:

fh,0,k = 0,082 ⋅ (1 − 0,01 ⋅ d) ⋅ ρk (7.15)

fh,0,k: charakteristische Lochleibungsfestigkeit für Beanspruchungen in


Faserrichtung bei vorgebohrter Holzverbindung

ρ: Rohdichte [kg/m3]

d: Durchmesser [mm]

fh,0,k
fh,α,k = (7.16)
k 90 ⋅ sin α + cos 2 α
2

fh,α,k: charakteristische Lochleibungsfestigkeit für Beanspruchungen


unter einem Winkel α zur Faserrichtung bei Vollholz, Brett-
schichtholz, Balkenschichtholz und Furnierschichtholz. Für ande-
re Holzwerkstoffe siehe DIN 1052, Abschnitt 12.3

k 90 = 1,35 + 0,015 ⋅ d für Nadelhölzer

k 90 = 0,90 + 0,015 ⋅ d für Laubhölzer

k 90 = 1 für Stabdübel d ≤ 8 mm

Fließmoment des Verbindungsmittels:

My,k = 0,3 ⋅ fu,k ⋅ d2,6 (7.17)

fu,k: charakteristische Zugfestigkeit des Stahls [N/mm2]

Die Tragfähigkeit der Verbindung nach Gl. (7.18) ergibt sich aus dem Versagen des
Verbindungsmittels (Entstehung von Fließgelenken) unter Einhaltung von Mindest-
abmessungen des Holzes.

R k = 2 ⋅ My,k ⋅ fh,k ⋅ d (7.18)

Rk: charakteristischer Wert der Tragfähigkeit der Verbindung

R k ⋅ k mod
Rd = (7.19)
γM

γM = 1,1 für Stahlversagen unter oben genannter Voraussetzung

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Im Falle eines Lochleibungsversagens bei sehr geringer Holzdicke und Rohdichte


oder bei gleichzeitigem Lochleibungs- und Verbindungsmittelversagen sind in
DIN 1052, Anhang G 2 genauere Nachweisverfahren zur Ermittlung der Tragfähigkeit
angegeben. In Abhängigkeit dieser Versagensarten variiert auch der γM-Wert.
Wegen der Spaltgefahr des Holzes müssen Mindestabstände der Verbindungsmittel
untereinander und zu den Rändern eingehalten werden (DIN 1052, Abschnitt 12, Ta-
belle 8, 9). Zudem wird die Anzahl wirksamer Verbindungsmittel nef begrenzt.

7.6.3 Nagelverbindungen
Zu den Beanspruchungen bei Stabdübeln senkrecht zur Schaftrichtung können Na-
gelverbindungen zusätzlich Beanspruchungen in Schaftrichtung aufnehmen
(DIN 1052, Abschnitt 12.5). Bei dieser kombinierten Beanspruchung ist ein Interak-
tionsnachweis nach DIN 1052, Abschnitt 12.9 zu führen.

7.6.4 Dübelverbindungen
In DIN 1052 wird zwischen Ringdübeln (Typ A), Scheibendübeln (Typ B) und Schei-
bendübeln mit Zähnen (Typ C) unterschieden (Bild 7-35).

a) b) c)
Bild 7-35 a) Ringdübel; b) Scheibendübel; c) Scheibendübel mit Zähnen

Die Beanspruchungen von Dübelverbindungen werden am Beispiel eines rechtecki-


gen Holzdübels in einem verdübelten Balken erklärt (Bild 7-36). Es entstehen:
- Leibungsspannungen in den Dübel-Stirnflächen:

F
σh = (7.20)
bd ⋅ t d

- Scherspannungen in der Scherfuge des Dübels:

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F
τd = (7.21)
b d ⋅ ld

- Scherspannungen parallel zur Faserrichtung in den beiden Hölzern, zu deren


Aufnahme eine Vorholzlänge lv nötig ist:

F
τH = (7.22)
bH ⋅ l v

In Bild 7-36 entspricht der Dübelabstand e der Vorholzlänge lv.


- ein Kippmoment F ⋅ td, das Querpressungen der Hölzer erzeugt:

2
F ⋅ td = V ⋅ ld
3

1
V = ⋅ b d ⋅ld ⋅ σ c,90
4

6 ⋅ td
σ c,90 = ⋅F (7.23)
b d ⋅ l2d

- eine Zugkraft, welche die Querpressungen ins Gleichgewicht setzt:

3 t
Z=V= ⋅ F⋅ d (7.24)
2 ld

Diese Zugkraft muss von einem Schraubenbolzen aufgenommen werden.


In ähnlicher Weise entstehen Zugkräfte auch bei den „Dübeln besonderer Bauart“,
die eingepresst oder teilweise eingelassen und eingepresst werden. Deshalb sind
alle diese Verbindungen mit mindestens einem Klemmbolzen, der wegen des
Schwindens der Hölzer nachziehbar sein muss, zu sichern.
Die Bemessung der Verbindungen mit Dübeln besonderer Bauart erfolgt mit Hilfe
empirischer Formeln nach DIN 1052, Abschnitt 13.3. Darin sind u.a. die Anordnung,
Mindestabstände, die wirksame Anzahl und Dübelfehlflächen geregelt. Dübel beson-
derer Bauart gibt es auch als einseitige Dübel für Holz-Stahl-Verbindungen.

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Bild 7-36 Belastung eines Dübels

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7.7 Konstruktionsdetails im Glasbau


Bei der Befestigung und kraftübertragenden Verbindung von Bauteilen aus Glas wer-
den Kräfte entweder an der Glaskante oder in der Glasfläche selbst eingeleitet.

7.7.1 Lagerungsarten
Lineare Lagerung
Die Pressleistenverglasung mit Dicht- und Haltefunktion ist nach wie vor die ge-
bräuchlichste Befestigung. Durch ein von außen aufgebrachtes Profil wird ein linearer
Anpressdruck auf das Glas und die Unterkonstruktion erzeugt. Ein dauerelastisches
Dichtprofil aus Silikon oder EPDM sorgt für Dichtigkeit und ausreichende Elastizität
der Befestigung. Das Eigengewicht wird dabei über Kontakt (Verklotzung) abgetra-
gen (Bild 7-37).

1 Isolierglas
2 Druckprofil
3 Verklotzung
4 Schraube
5 Dämmprofil
6 Dichtung
7 Deckprofil
8 Riegelprofil

Bild 7-37 Pressleisten Alu / Holz, Alu / Alu

Structural Sealant Glazing (geklebte Glaskonstruktion) erfüllt eine Doppelfunktion


durch die tragende und dichtende Eigenschaft des Silikonwerkstoffes (Bild 7-38).
Durch die kontinuierliche (senkrechte / parallele) Krafteinleitung werden Spannungs-
spitzen vermieden, wie sie bei der punktförmigen Krafteinteilung auftreten.

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a) b)
1 äußere Scheibe 7 Eckwinkel
2 innere Scheibe 8 thermische Trennung
3 Isolierglasverbund 9 Modulrahmensystem
4 Verklotzung 10 Anschlagdichtung
5 Vorlegeband 11 Riegelprofil
6 Silikon / Klebemittel 14 Dichtungsrahmen

Bild 7-38 a) Structural Sealent Glazing ohne mechanische Sicherung; b) Glas als primär
tragendes Element (Silikon-Zapfenverbindung)

Punktförmige Lagerung
Die einfachste Art der punktförmigen Halterung ist die mittels Klemmhalter / Mehr-
punkt-Klemmhalter. Die Glasscheiben werden an den Kanten oder Ecken gepresst
und mit der Unterkonstruktion durch die Fuge verschraubt. Hierbei kann auf eine teu-
ere Bohrung in der Scheibe verzichtet werden (Bild 7-39).

a) b)
1 Einfachglas 9 Stahlseil
4 Zwischenlage 10 Klemmprofil
5 dauerelastische Fuge 11 Schraube

Bild 7-39 a) Klemmhalter; b) Vierpunkt-Klemmhalter

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Punkthalter, die die Glasscheibe über Bohrungen innerhalb der Glasfläche tragen,
existieren in vielen, meist patentrechtlich geschützten Varianten. Man unterscheidet
dabei zwischen flächenbündigen / nicht flächenbündigen sowie zwischen gelenki-
ger / starrer Lagerung. Liegt dabei das Gelenk außerhalb der Glasscheibe, so muss
ein Differenzmoment aus der Exzentrizität Me = G ⋅ e am Punkthalter aufgenommen
werden (Bild 7-40 a). Die oftmals durch FEM ermittelten Spannungen im Haltebe-
reich (Bild 7-40 b) führen dadurch zu größeren Glasdicken.

a) b)
Bild 7-40 a) Punkthalter; b) 3-D FEM-Modell eines Konushalters

Bei hängenden Glasbauteilen erfolgt die Krafteintragung über Reibung aus „Vorspan-
nung“ der beiden Kontaktflächen und / oder Adhäsionskräfte durch eine Verklebung.
Für die Qualität und Elastizität der Reibverbindung muss dabei eine dauerelastische
Schicht aus Kunststoff zwischen Glas und Kontaktfläche angeordnet werden.

7.7.2 Zulassungen und Richtlinien


In Deutschland sind tragende Klebeverbindungen bislang nur zulässig, wenn durch
zusätzliche mechanische Sicherungen ein mögliches Herabfallen des Bauteils ver-
hindert wird. Eine Ausnahme bilden Fassaden mit einer Einbauhöhe bis zu 8 m, bei
denen das Eigengewicht der Gläser über Kontakt abgesetzt wird und nur die Wind-
kräfte über eine Verklebung abgetragen werden.
Bei linienförmig gelagerter Verglasung sind die derzeitigen baurechtlichen Anforde-
rungen in der TRLV (Technischen Regeln zur Verwendung linienförmig gelagerter
Verglasung) geregelt.
Technische Baubestimmungen für punktförmig gelagerte Verglasungen gibt es der-
zeit nur in Form der DIN 18516, Teil 4. Alle anderen punktförmig gelagerten Vergla-
sungen bedürfen in der Regel einer allgemeinen baurechtlichen Zulassung oder einer
Zustimmung im Einzelfall.

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7.8 Verbindungen im Membranbau


Da Beweglichkeit und Verformbarkeit zu den wesentlichen Eigenschaften von Mem-
brankonstruktionen gehören, müssen die Details so gestaltet sein, dass sie entspre-
chende Rotationen und Verschiebungen sowie die Kraftübertragung ermöglichen.
Man unterscheidet dabei zwischen Verbindungen von Membranfeldern untereinander
(Flächenstöße) und zu anderen Elementen (Randausbildungen).

7.8.1 Flächenstöße
Nichtlösbare Verbindungen / Nähte

Bild 7-41 Nähnähte

a) b)
Bild 7-42 a) Schweißnähte; b) Geklebte Naht

Lösbare Verbindungen / Nähte

a) b)
Bild 7-43 a) Zickzackstoß; b) Schlaufenstoß

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Bild 7-44 Klemmplattenstoß

7.8.2 Randausbildungen
Für die Randeinfassung einer Membran, also für die Überleitung der Kräfte aus der
textilen Fläche in ein anderes Bauteil, stehen biegesteife Konstruktionen wie eine
Klemmplattenverankerung (Bild 7-45) oder ein in einer „Tasche“ verlaufendes Rohr
und biegeweiche, d.h. nur durch Zugkräfte beanspruchbare Konstruktionen zur Ver-
fügung (Bild 7-46).

a) b)
Bild 7-45 a) Biegesteife Klemmplatte an Randseil; b) Keder

a) b)
Bild 7-46 a) Biegeweicher Klemmrand; b) Seil in einer Tasche, teilweise mit Gurt zur Auf-
nahme von Tangentialkräften

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TU Berlin – Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Massivbau
Konstruktiver Ingenieurbau I Literatur

Literatur
Kapitel 1
[1] Günschel, G.: Große Konstrukteure 1 – Freyssinet, Maillart, Dischinger,
Finsterwalder, Ullstein Bauwelt Fundamente, Berlin: Verlag Ullstein 1966
[2] Trautz, M.: Eiserne Brücken in Deutschland im 19. Jahrhundert, Düsseldorf:
Werner-Verlag 1991
[3] Wagner, R.; Egermann, R.: Die ersten Drahtkabelbrücken. SFB 64 Universi-
tät Stuttgart Mitteilungen 87 / 1985, Düsseldorf: Werner-Verlag 1987
[4] Jesberg, P.: Die Geschichte der Ingenieurbaukunst aus dem Geist des Hu-
manismus, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1996
[5] Heinle, E.; Schlaich, J.: Kuppeln aller Zeiten – aller Kulturen, Stuttgart: Deut-
sche Verlags-Anstalt 1996
[6] Joedicke, J.: Schalenbau 2 – Dokumente der Modernen Architektur, Stutt-
gart: Karl Krämer Verlag 1962
[7] Haegermann, G.; Huberti, G.; Möll, H.: Vom Caementum zum Spannbeton –
Beiträge zur Geschichte des Betons, Band 1, Wiesbaden-Berlin: Bauverlag
1964
[8] Mark, R.: Vom Fundament zum Deckengewölbe – Großbauten und ihre Kon-
struktion von der Antike bis zur Renaissance, Berlin: Birkhäuser 1995
[9] Graefe, R.: Zur Geschichte des Konstruierens, Stuttgart: Deutsche Verlags-
Anstalt 1989

Kapitel 2
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2001 Teil II, Berlin: Ernst & Sohn Verlag 2001
[11] Schnell, W.; Gross, D.; Hauger, W.: Technische Mechanik, Band 2:
Elastostatik, Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag, 6. Auflage 1998

Kapitel 3
[12] Rostásy, F.S.: Baustoffe, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 1983
[13] Walther, R.: Bauen mit Beton, Berlin: Ernst & Sohn Verlag 1997
[14] Natterer, J.; Herzog, T.; Volz, M.: Holzbau Atlas Zwei, München: Institut für
internationale Architektur-Dokumentation, 2. Auflage 1996
[15] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau, Teil 1 Grundlagen zur Bemes-
sung im Stahlbetonbau, Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag, 3. Auflage 1984
[16] Wirtschaftsministerium BW: Bauen mit Glas – Informationen für Bauherren,
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[17] Schulitz, H.C.; Sobek, W., Habermann, K.J.: Stahlbau Atlas, München: Insti-
tut für internationale Architektur-Dokumentation, 1999
[18] Schittich, C.; Staib, G.; Balkow, D.; Schuler, M.; Sobek, W.: Glasbau Atlas,
München: Institut für internationale Architektur-Dokumentation, 1998
[19] Koch, K.-M.: Bauen mit Membranen – Der innovative Werkstoff in der Archi-
tektur, München-Berlin: Prestel 2004
[20] Stahl-Informations-Zentrum: http://www.stahl-info.de
[21] Ruge, J.; Wohlfahrt, H.: Technologie der Werkstoffe, 8. Auflage, Wiesbaden:
Friedr.-Vieweg & Sohn-Verlag, 2007
[22] Verein Deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.): Informationen aus der Datenbank
Plant Facts, Februar/August 1997, Duisburg (1997)
[23] Schröter, F.: Höherfeste Stähle für den Stahlbau – Auswahl und Anwendung,
Der Bauingenieur, Heft 9, Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag GmbH& Co.KG,
2003
[24] Institut für Stahlbetonbewehrung e.V. http://www.isb-ev.de
[25] Schlaich, J., Schmitt, V., Marx, S. u.a.: Leitfaden Gestalten von Eisenbahn-
brücken. 1. Auflage; Berlin: DB AG Dezember 2008.
[26] Gitter, R.: Bemessung von Aluminiumkonstruktionen: Werkstoffwahl, GDA
Gesamtverband der Aluminiumindustrie e.V.: August 2008
[27] Informationsdienst Holz: http://www.infoholz.de

Kapitel 4
[28] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau, Teil 3 Grundlagen zum Beweh-
ren im Stahlbetonbau, Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag, 3. Auflage 1977

Kapitel 5
[29] Wommelsdorff, O.: Stahlbetonbau, Bemessung und Konstruktion, Teil 1:
Grundlagen, Biegebeanspruchte Bauteile, Düsseldorf: Werner Verlag,
7. Auflage 2002
[30] Wommelsdorff, O.: Stahlbetonbau, Bemessung und Konstruktion, Teil 2:
Stützen, Sondergebiete des Stahlbetonbaus, Düsseldorf: Werner Verlag,
6. Auflage 2003
[31] Avak, R.: Stahlbetonbau in Beispielen, Teil 1: Bemessung von Stabtragwer-
ken, Düsseldorf: Werner Verlag, 4. Auflage 2004,
[32] Avak, R.: Stahlbetonbau in Beispielen, Teil 2: Bemessung von Flächentrag-
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lag, 2. Auflage 2002
[33] Holschemacher, K.: Entwurfs- und Berechnungstafeln für Bauingenieure,
Berlin: Bauwerk, 1. Auflage 2004

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Konstruktiver Ingenieurbau I Literatur

[34] Avak, R; Goris, A.: Stahlbetonbau aktuell, Jahrbuch für die Baupraxis, Düs-
seldorf: Werner Verlag, Berlin/Wien/Zürich: Beuth Verlag 3. Jahrgang 2000
[35] Goris, A.; Schneider, K-J: Bautabellen für Ingenieure, Werner Verlag,
17. Auflage, 2006
[36] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb Heft 220, Bemessung von Be-
ton- und Stahlbetonbauteilen nach DIN 1045, Berlin: Ernst & Sohn Verlag,
2. Auflage 1978

Kapitel 6
[37] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau, Teil 4 Nachweis der
Gebrauchsfähigkeit, Berlin-Heidelberg: Springer-Verlag, 2. Auflage 1977
[38] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb Heft 240, Hilfsmittel zur Be-
rechnung der Schnittgrößen und Formänderungen von Stahlbetotragwerken,
Berlin: Ernst & Sohn Verlag, 2. Auflage 1978

Kapitel 7
[39] Graubner, W.: Holzverbindungen, Gegenüberstellung japanischer und euro-
päischer Lösungen, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 5. Auflage 1994
[40] Kuhlmann, U.: Stahlbau-Kalender 2005 Verbindungen, Berlin: Ernst & Sohn
Verlag 2005

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