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Ausgabe 20

Werte Leser !
Inhalte dieser Ausgabe Anstatt der lang erwarteten Thorwal-Standarte #20
‚überraschen’ wir Euch heute mit einer Sonderausgabe
zum Hjalding der Hetleute 2653 nJL.
Vorwort S. 1
Der Beleman stellt sich vor S. 1 In den vergangenen Wochen ist derart viel Material Eu-
ren kreativen Köpfen entsprungen, daß der Rahmen ei-
- Dunkle Wolken über Thorwal S. 3 ner regulären Ausgabe deutlich gesprengt worden wäre,
- Das Hjalding der Hetleute beginnt S. 5 hätten wir alles zusammen gepackt.
- Duell der Hetmänner S. 8 Aus diesem Grund erreicht Euch heute ein ausführlicher
- Frieden zwischen Adler und Wal S.11 Bericht des vergangenen Herbsthjaldings, der sich aus
- Weg in die Friedlosigkeit ? S.13 mehreren kleinen Teilen zu einer gelungenen Erzählung
zusammenfügt.
Impressum S.17
Weiterhin möchten wir Euch, direkt im Anschluß an
Werbeinserationen S.17 dieses Vorwort, über unsere Zukunftspläne informieren
(Stichwort: „Beleman“), die dem einen oder anderen aus
Kleinanzeigen S. 1, 11 dem AB 103 schon bekannt sein mögen.
Warum wir Euch als treue Leser unseres Fanzines nicht
zuerst darüber informiert haben, liegt einzig und allein
daran, daß diese Ausgabe der Standarte schon zu Be-

Premer Feuer – ginn des Monats hätte erscheinen sollen... hätte – wäre –
wenn !
Damit genug der Vorrede, viel Vergnügen bei der Lek-

Rüben in ihrer türe des Hjaldingsberichts und auf bald, denn die regu-
läre Thorwal-Standarte #21 steht ebenfalls kurz vor
dem Versand.
schönsten Form ! für die Redaktion
Frank Mienkuß Johannes.

Der BELEMAN stellt sich vor


Warum der Beleman ? Auch in Zeiten des Mediums Internet gibt es demnach –
Eine Reihe von Gründen hat uns als Redaktion der gerade im Rollenspielbereich – die Gruppe der Tradi-
Thorwal-Standarte dazu bewogen, uns diesem Projekt tionalisten, die lieber ein ausgedrucktes Fanzine in der
anzuschließen. Hand hält, anstatt sich vor den Monitor zu quälen, den
In den vergangenen zweieinhalb Jahren Thorwal- man womöglich schon den ganzen Tag im Büro vor sich
Standarte haben wir eine Vielzahl Abonnenten gewin- hat. Ich gehöre übrigens auch dazu. *g*
nen können, die sich in regelmäßigen Abständen über Nicht vergessen werden darf dabei jedoch, daß wir zu
einem textbasierten Newsletter mit Informationen aus dieser großen Zahl an Abonnenten auch nur deshalb ge-
Thorwal versorgen ließen. Im Laufe der Zeit kam der langen konnten, weil es sich hier um ein kostenloses
Service hinzu, sich das Fanzine auch als pdf-Version Fanzine handelt.
kostenlos zusenden zu lassen – natürlich wesentlich Mit dem Beleman haben wir einen Kompromiss gefun-
schöner gelayoutet und angenehmer zu lesen. den, der die Bedürfnisse beider Gruppen („Traditionali-
Gespräche mit Abonnenten haben uns ebenfalls gezeigt, sten“ als auch „Anhänger der Innovationsfront“) be-
daß die Thorwal-Standarte von denjenigen, die die dient:
Wahl hatten (plain-text oder pdf), erst in der druckbaren Ein ansprechend gestaltetes und gedrucktes Fanzine, das
Variante regelrecht „studiert“ wurde. Kein Wunder, tut weiterhin im PDF-Format kostenlos bezogen werden
man sich doch viel leichter bei einem ansprechenden kann.
Seitendesign. Nicht wenige haben dann noch einen Sta- Ein weiterer Grund, der uns zur Verwirklichung dieses
pel Papier zur Hand genommen und sich die meist 15- Projektes vorangetrieben hat, wird im folgenden be-
20 Seiten ausgedruckt, um sie auch mal abseits des Bü- schrieben:
rosessels lesen zu können.

Abhängig – parteiisch - regelmäßig Seite 1


Was genau ist dann der Beleman ? als auch als kostenlos erscheinende pdf-Version.
Wie der Westwind, den wir als Titel für unsere Zeitung Wer Näheres zu Abobedingungen von Print- und Down-
gewählt haben, wollen wir den Nordwesten Aventuriens loadversion, zu Erscheinungsweise und Preisen erfahren
besuchen. Genauer gesagt wollen wir uns den fünf Re- möchte, kann sich mit einer einfachen Leermail an
gionen Albernia, Windhag, Nostria, Andergast und newsletter@beleman.de auf der Info-Mailingliste an-
Thorwal widmen. melden. Abonnenten dieses Newsletters werden dann
Unter dem Dach des Beleman haben sich zu diesem rechtzeitig vor Erscheinen des Beleman mit allen nöti-
Zweck die bisherigen Regionalgazetten Havena- gen Informationen versorgt werden..
Fanfare, Nostrische Postille, andergastsche Freie
Trommel und Thorwal-Standarte versammelt. Wir, d.h. Was ändert sich für mich als Abonnent
die Redaktionen dieser vier Blätter, wollen zukünftig der Thorwal-Standarte ?
gemeinsam eine interessante und vor allem unterhaltsa- Erst einmal nichts, denn die Thorwal-Standarte #21
me Zeitung herausbringen. wird ja zuvor noch erscheinen. ☺
Wir sind der Meinung, daß ein gemeinsames Magazin Grundsätzlich empfehle ich aber jedem, sich den o.g.
eine viel versprechende Möglichkeit für das Spiel im Newsletter zu abonnieren, um die weiteren Infos zu
Nordwesten darstellt. Wie der Zug der Orks gezeigt hat Abomodalitäten, Preisen, Erscheinungsterminen und
(und wie die Berichterstattung in der ersten regulären Downloadmöglichkeiten nicht zu verpassen.
Ausgabe des Beleman noch deutlicher zeigen wird), Wir planen, die pdf-Version wie bisher auch per eMail
machen viele Entwicklungen nicht an den Grenzen halt zu verschicken, sodaß Ihr nicht dauernd auf der entspre-
und wirken sich auch in den benachbarten Landen aus. chenden Download-Seite vorbeischauen müßt.
Deshalb hoffen wir auch, daß der Beleman in Zukunft Die Abonnements der bisherigen pdf-Liste (Thorwal-
dazu beitragen wird, dieses grenzüberschreitende Spiel Standarte) werden auch für den Beleman beibehalten –
zu fördern und bei den Lesern, die sich bisher nur einer wer das jedoch nicht möchte, wird die Möglichkeit er-
bestimmten Region verbunden fühlten, das Interesse zu halten, sich zu gegebener Zeit abzumelden.
wecken, sich mit den jeweils anderen Landen zu be- Alle Leser der Plain-Text-Version erhalten ebenfalls ei-
schäftigen. Zudem wäre es natürlich schön, wenn wir ne Einladung auf die kostenlose Beleman-pdf-
durch diese „Fusion“ neue Leser für unsere Lieblingsre- Versandliste, nachdem die Thorwal-Standarte #21 er-
gionen begeistern und neue Schreiberlinge als auch schienen ist.
Zeichner hinzu gewinnen könnten.

Wann geht es los mit dem Beleman ? Wir halten Euch natürlich auf dem Laufenden, mehr da-
Die Premierenausgabe des Beleman wird Ende diesen, zu in Kürze !
Anfang nächsten Jahres als Printversion erscheinen. Et-
wa sechs Wochen später wird dann die Ausgabe zusätz-
lich als pdf-Datei kostenlos zum Download angeboten Für die Beleman-Redaktion,
werden. Geplant sind insgesamt vier Ausgaben pro Jahr Johannes Beier
mit einem Umfang von jeweils etwa 48 Seiten – immer
sowohl als schön gedruckte und geheftete Papierversion

Seite 2 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


Dunkle Wolken über Thorwal
Laut krachten und knackten die Birkenscheite und Tan- etwas Seltsames: Sie griffen sich plötzlich an und zer-
nenzapfen im Feuer, das in der Mitte des Jolskrims flak- hackten sich gegenseitig. Ihre blutigen Bälger schwam-
kerte. Auf einer mit Fellen belegten Bank saß gebeugten men weiter auf der Wasseroberfläche, ihre Augen guck-
Hauptes ein Mann, seine Hände umschlossen ein präch- ten mich anklagend an, als ob sie sagen wollten ‚Du bist
tig geschmücktes Thin. Fast hätte man meinen können, schuld, daß wir uns zerfleischten’. Entsetzt schwamm
er schliefe. Doch hin und wieder sah er aufseufzend zur ich weiter.
rauchverhangenen Decke empor, ließ schwer atmend Wieder verging eine gewaltige Zeit, die ich nicht
seinen Kopf daraufhin wieder auf seine Brust sinken. bestimmen kann. Irgendwann sah ich weit vor mir einen
In das Halbdunkel trat eine Frau – jünger an Jahren als schwarzen Torbogen auf der Wasserfläche stehen. Doch
der Mann. Leise, um den Sitzenden nicht zu stören, ver- irgend etwas schien damit nicht zu stimmen, denn er
richtete sie einige Dinge. Schließlich, als ihr das wie- bewegte sich. Er wurde mal kleiner, mal größer, mal
derholte Seufzen zu viel wurde, wandte sie sich ihm zu. tauchten kleinere Torbögen neben ihm auf und ver-
„Vater, was hast du ? War es wieder der Traum ?“ schwanden wieder. Als ich näher kam, schien der Tor-
Der Mann blickte nicht auf. Lange Zeit geschah gar bogen im Sonnenschein zu glitzern, auf seinem Bogen
nichts und die Frau wollte das Jolskrim schon wieder konnte ich nun einen gezackten Kamm erkennen. Dann
verlassen, als er sich doch noch regte: Er nickte und war er so plötzlich verschwunden, wie er gekommen
schüttelte gleich darauf den Kopf. war und das Meer war eine einzige glatte Ebene. Wieder
„Ja ..., nein ..., doch ..., ein anderer Traum.“ schienen Stunden zu vergehen.
„Willst du ihn mir erzählen ?“ fragte sie teilnahmsvoll. Ich schwamm noch immer kraftvoll, wie am ersten Tag,
Zum ersten Mal blickte der Mann die Frau traurig an. an dem ich im Wasser war – was Jahre her zu sein
Ein Schaudern lief über ihren Körper, als sie in seine schien. Am Horizont sah ich den Mast eines Schiffes. Er
müden Augen sah. Schon bereute sie, gefragt zu haben. kam rasch näher. Zu rasch. Da erkannte ich, daß es et-
„Setz dich.“ erklang die alt wirkende Stimme. was anderes war. Ich sah ein Maul mit nadelspitzen
Kurz zögerte sie; am liebsten wäre sie nach draußen in Zähnen, kalt glotzende Augen in einem schlangenför-
das Sonnenlicht gestürmt. Doch dann nahm sie sich ein migen Gesicht, eine gespaltene Zunge, die beständig
Herz, griff zu ihrem Thin und schenkte sich und ihrem hervorzuckte, ein schwarz-silbern glitzerndes Schup-
Vater Met ein. penkleid. Es war Hrangarr, der da auf mich zuge-
Ihm gegenüber nahm sie auf einer weiteren fellbedeck- schwommen kam. Eine gewaltige Bugwelle türmte sich
ten Bank Platz. vor dem durch das Wasser schießenden Schlangenhals
Ihr Vater blickte auf die Flüssigkeit in seinem Trinkhorn auf. Ich versuchte zu entkommen und wußte doch, daß
und ordnete seine Gedanken, um sie seiner Tochter in ich keine Fluchtmöglichkeit hatte. Als das Untier nur
möglichst geordneten Bahnen zu erzählen – wenngleich noch wenige Schritt hinter mir war, stellte ich mich dem
er sie selbst so auch nicht erlebt hatte. Kampf mit bloßen Händen, denn ich war nackt – wel-
Wieder seufzte er auf und es schien, als würde eine cher Schwimmer nimmt auch schon seine Waffe mit?
quaderschwere Last ihn niederdrücken. Der gewaltige Schlangenhals türmte sich vor mir auf,
„Der Traum war anders als die vorherigen“ begann er, ragte bis in den Himmel hinein. Ein irgendwie schriller
„und doch irgendwie gleich. Ich schwamm in einer rie- und fiepender Schrei erklang, als das Unwesen mit dem
sigen Wasserwüste, stundenlang, tagelang, oder waren Kopf voran sich auf mich stürzte.
es gar schon Wochen ? Wohin ich auch blickte und Ich warf mich zur Seite und suchte mit ein paar kräfti-
schwamm – nirgendwo war Land zu sehen. Nicht die gen Schwimmstößen zu entkommen. Der gewaltige ge-
thorwalsche Küste, nicht die Inseln, nicht einmal ir- schuppte Leib bohrte sich direkt neben mir in die See.
gendein Land. Wie ich dahin kam, wo ich war, wußte Er schabte an meiner Haut entlang und riß sie auf. Blu-
ich nicht und doch schien es mir richtig, dort zu sein. tend wurde ich von dem sich bildenden Sog mit in die
Ich schwamm stunden- oder tagelang weiter in die ein- Tiefe gerissen. Immer weiter hinab wirbelte ich in die
geschlagene Richtung – immer weiter und weiter, ohne dunklen Schrecknisse der Tiefe. Irgendwann nahm der
zu wissen wohin. Langsam beschlich mich ein Gefühl Sog an Stärke ab und hörte dann ganz auf. Doch noch
von Einsamkeit, das sich immer mehr verstärkte, je wei- immer taumelte ich unter Wasser und wußte nicht, wo
ter ich schwamm, und doch konnte ich nicht umdrehen oben und unten war. Panik erfüllte mich, denn ich be-
– wohin hätte ich auch stattdessen schwimmen sollen ? kam schon keine Luft mehr. Da entsann ich mich, daß
Eine Richtung war so gut wie die andere. Da bemerkte man in einem solchen Fall in Richtung der Helligkeit
ich zwei Möwen auf dem Wasser schwimmend. Ich schwimmen sollte. Das tat ich dann auch. Meine Lun-
hielt auf sie zu, nur um etwas Lebendiges in meiner Nä- gen brannten wie Feuer, nur zu gern hätte ich meinen
he zu wissen. Als die Vögel mich bemerkten, geschah Mund geöffnet, um eben dieses Feuer mit dem salzigen

Ausgabe: Frostmond 2652 nJL Seite 3


Wasser des Meeres zu löschen. Doch der letzte Rest Mal konnte ich dir noch helfen, doch alles weitere mußt
meines Verstandes bewahrte mich davor. du selbst durchstehen. Was kommen wird, ist dein
Immer schmerzhafter wurde die Luftnot, nun tanzten Schicksal !’
mir vor den Augen schon schwarze Punkte. Ich wußte, Nach diesen Worten zwinkerte er mir wieder zu, und ich
ich würde gleich das Bewußtsein verlieren und auf im- glaubte sogar ein Lächeln gesehen zu haben. Dann
mer in der Tiefsee verschwinden. Mein Leib würde von tauchte Swafnir ab und auch die Schwäne waren ver-
kleinen Fischen langsam zerfressen werden, während schwunden. Ich war wieder allein, allein wie am Anfang
ich die unendlichen Schmerzen bei vollem Bewußtsein meines Traumes.
ertragen müßte; meine Feinde würden hohnlachend da- Doch schon bald bemerkte ich weit vor mir Tausende
bei zusehen. Auch wenn es seltsam klingt, war ich mir und Abertausende an zuckenden und sich windenden
über diese Folgen so klar, wie ich mir selten bei einer Tentakeln – der ganze Horizont war von ihnen bedeckt.
Sache so sicher war. Dann durchbrach ich die Wasser- Entsetzt schwamm ich in die entgegengelegene Rich-
oberfläche. Gierig saugte ich die salzige Luft in meine tung. Ein Knirschen und Knacken ließ mich aufblicken.
Lungen – niemals zuvor hatte ich etwas so köstliches In rasender Geschwindigkeit formte sich das rote Meer
geschmeckt. Kaum hatte ich mich auch nur annähernd zu einer ebenso roten Eisfläche, die auf mich zukam.
erholt, als wieder dieser schrill-fiepende Schrei über das Doch ob ich noch erleben würde, von dem roten Eis
Meer scholl. Ich blickte in die Richtung, aus der er her- eingeschlossen zu werden, erschien mir fraglich, denn
kam und erkannte die ‚Torbögen’ und den ‚Schiffs- um mich herum tummelten sich Dutzende Haie, die von
mast’. Es war Hrangarr – mehrere Meilen weit weg. Ei- meiner noch immer blutenden Wunde angezogen wur-
ne unterseeische Strömung mußte mich während meines den und die nur darauf warteten, mich zu zerfetzen.“
verzweifelten Überlebenskampfes von dem Unwesen Der Mann hielt inne und schluckte. Die folgenden Wor-
fortgetrieben haben. Ich wußte, daß der heranstürmende te kamen nur zögerlich über seine Lippen. Obwohl nie-
Hrangarr mich dieses Mal zerreißen würde. Eiligst er- mand in der Nähe war, senkte er dennoch seine Stimme:
griff ich die Flucht und schwamm wie noch nie zuvor in „Und dann…, dann sah ich ihn wieder. Nach all den
meinem Leben. Ich hatte kein Ziel vor Augen – nur fort Jahren, und doch war er derselbe wie damals. Sein gol-
von hier ! Doch Hrangarr kann man nicht entkommen. denes Auge prangte mitten auf der Stirn, seine Haut aus
Immer näher kam er, näher und näher. Wieder sah ich Stahl, seine Lippen aus Diamant. Seine Beine standen
seine spitzen Zähne, in denen jetzt irgendwelche auf einer Eisscholle, die nur wenige Schritte vor mir auf
Fleischbrocken hingen, Fleischbrocken, die sich noch dem Wasser dümpelte. Doch meine Arme waren schwer
bewegten – und schrieen ! und ich konnte nicht zu ihr gelangen, so sehr ich auch
Zwischen mir und dem Unwesen brodelte nun die See, wollte.
als ob sie kochen würde. Riesige Blasen stiegen empor Als er sprach, war es, als würden Hunderte von Häm-
und etwas Gewaltiges tauchte auf. Es war so groß, daß mern auf Hunderte von Ambossen schlagen, und ihr
kein Ende auszumachen war – ebenso groß wie Hran- Klingen verwandelt sich dabei in Worte: „Deine Ketten
garr. Eine Fontäne schoß in die Höhe, ein gewaltiges schmiede ich nicht, weil es mein Wille ist. Es ist ihr
Auge schien mir zuzublinzeln. Mit einem mächtigen Wille.“ Das Eis war nur noch wenige Augenblicke ent-
Schwanzschlag erzeugte Swafnir eine Welle, die mich fernt. „Wessen Wille ? Ist das ihr Werk ?“ rief ich mit
weit fort trug. Aus der Ferne beobachtete ich den Kampf schwacher Stimme.
der beiden Giganten. Er dauerte etliche Tage an; ein „Blut vermischt sich mit Eis. Jetzt und bald. Es wird
Sieger war nicht auszumachen. Irgendwann versanken bald alles in Kälte erstarren lassen. Erkennst du nicht
beide in den Fluten des Meeres. Gebannt wartete ich auf die Ruinen deiner Welt ?“ Die Eisfläche hatte mich er-
ein Auftauchen eines der beiden Gegner. Doch nichts reicht, und ich konnte meine Beine nicht mehr spüren.
geschah. Dann färbte sich, von der Stelle aus, wo der „Sei gewappnet, denn es ist ein Kampf, den du nur mit
Kampf getobt hatte, das Meer blutrot. In alle Richtun- wenigen Gefährten kämpfen kannst.“ Das Eis überzog
gen verwandelte sich das Blau des Meeres in tiefes und meinen Unterkörper, halb steckte ich in einem Eisblock,
sattes Rot. War das Undenkbare eingetroffen ? War der sich nur mühevoll über dem Wasser halten konnte.
Swafnir ... tot ? Der Arm des Zyklopen auf der Eisscholle deutete auf
Gerade als ich in Panik verfallen wollte, brodelte unter eine Klinge, die rechts von mir plötzlich aus dem blutro-
mir wieder die rote See. Swafnir tauchte auf. Besorgt ten Eis geformt wurde. Es… es war sie. Es war Grim-
schaute ich auf seine gewaltigen Wunden; und doch war ring. „Diese Klinge wird dein Schicksal sein !“
ich unendlich erleichtert. Ich dankte ihm für meine Ret- Zum ersten mal seit diesem Traum schwanden mir die
tung und versprach, am Swafnirtempel in Thorwal mas- Kräfte und ich sank hinab in die alles verschlingende
sivsilberne Abbilder seiner selbst errichten zu lassen. Schwärze des Meeres.“
Eine zeitlang schwammen wir nebenher, über uns be- Nachdem der Mann seinen Traumbericht beendet hatte,
gleiteten uns Schwäne. Ich war noch nie so glücklich, war es so gut wie still in dem Halbdunkel des Jolskrims.
noch nie fühlte ich mich dermaßen geborgen. In mei- Nur das Feuer durchbrach die Stille mit seinem Knak-
nem Kopf ertönte irgendwann eine Stimme: ‚Dieses ken und Fauchen.

Seite 4 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


„Ich fühle es. Mein Ende ist nah.“ sprach der Mann mit Untergang wäre, sondern auch der Untergang aller die
Grabesstimme. mit mir ziehen würden. Außerdem freue ich mich ir-
Seine Tochter widersprach erregt: „Das kannst Du nicht gendwie darauf, mit unseren Ahnen zusammen durch
wissen ! Niemand weiß das ! Das war doch bloß ein das Meer zu schwimmen und Swafnir bei seinen Kampf
Traum – ein schlechter Traum, wie ihn jeder Mensch gegen die Schlange zu unterstützen.“
einmal hat. Das hat nichts zu sagen.“ Die Frau wußte darauf nichts zu sagen und sah ihren
„Doch, meine Kleine. Tief in meinem Inneren weiß ich, Vater aus tränenüberfluteten Augen nur an. Nach einer
daß meine Zeit abgelaufen ist. Ich werde eingehen in Weile ergriff der Mann ihre Hand – drückte sie.
das ewige Meer und mit Swafnir zusammen die Wellen „Nun laß uns gehen. Es ist an der Zeit. Und kein Wort
durchpflügen.“ mehr über Grimring. Je weniger ich mit dieser ver-
„Nein !“ Die Frau schrie fast in ohnmächtiger Wut und dammten Klinge zu tun habe, desto besser. Dort, wo sie
sprang auf. „Nein ! Das hat alles etwas anderes zu be- jetzt ist, ist sie gut aufgehoben.“
deuten. Es muß etwas anderes bedeuten. Du bist noch Die Frau nickte. Hastig wischte sie ihre Tränen fort. Ei-
nicht so alt, als daß es Zeit für dich wäre ! Wir sollten ne innige Umarmung folgte, ein Kuß. Hand in Hand
zu Bridgera gehen und sie deine Träume deuten lassen. verließen Vater und Tochter das Jolskrim und traten in
Du solltest ihr auch endlich von dem erzählen, was du den Sonnenschein hinaus. Die Blicke des Mannes
glaubst, gesehen zu haben, als du damals die Schick- schweiften über die Dächer und Gassen der geschäfti-
salsklinge das erste Mal in den Händen gehalten hast. gen Stadt. Er nahm sich die Zeit, alles in sich aufzu-
Du wirst sehen, es hat alles etwas anderes zu bedeuten.“ nehmen, ganz so, als ob er niemals zuvor den Anblick
Tränen kullerten über ihre Wangen, als der Mann sie genossen hätte. Ihr Weg war nicht der direkte, der
mit festem Griff am Handgelenk daran hinderte, die schnellste, der sie zum Ziel führte. Sie machten viele
Swafnirgeweihte zu holen. Umwege über kleine Brücken und Stege, gingen enge
„Höre, Tochter !“, sprach er mit trauriger, aber dennoch lehmige Gassen, flanierten über die größeren gepflaster-
fester Stimme, „Ich fühle mein Ende nahen. Der Traum ten Straßen, kamen sowohl an kleinen Katen vorbei, wie
war nur ein weiterer Hinweis darauf. Es mag sein, daß auch an prächtigen Gebäuden. Sie schauten einen Mo-
Bridgera Träume besser deuten kann als ich und den- ment lang den Schauerleuten am Hafen zu.
noch bin ich in der Lage, einiges, was ich in diesem und Ein Zittern durchlief den Körper des Mannes. Er straffte
bisherigen Träumen sah, entsprechend auszulegen !“ sich, zwang sich selbst zur Ruhe. Die zartere Hand sei-
Ihre Stimme klang fast flehend. „Aber sie kann viel- ner Tochter entglitt der seinen, als sie vor einem großen
leicht erkennen, in welcher Gefahr dein Ende auf dich Portal standen, hinter dem vielstimmiges Gemurmel und
wartet. Wenn wir das wissen, kannst du es umgehen !“ Gebrüll zu hören war. Der Mann stand im Eingang und
Er ließ die nun hörbar schluchzende Frau los; die Fe- ließ seinen Blick schweifen – sie waren alle gekommen
stigkeit schwand aus seiner Stimme. und warteten auf ihn.
„Ich will nicht wissen, in welcher der vielen Gefahren Nun war er da und das Hjalding im gewaltigen Swafnir-
mein Ende kommt. Ich fürchte, ich würde nur um so tempel zu Thorwal konnte beginnen.
ängstlicher in die Schlacht gehen, was nicht nur mein

Das Hjalding der Hetleute beginnt


Widerhallende Stimmen brachen sich an den Wänden Steuern und die vermeintliche "Diktatur" des obersten
des Swafnirtempels in Thorwal, in dem zum wiederhol- Hetmanns ging. Meist sprach ein Traditionalist aus dem
ten Male das Große Hjalding abgehalten werden sollte. Norden über solches und wurde nicht selten von einem
Obwohl rund 150 Leute die Halle füllten, wirkten sie in südlichen Tronderianer darob wüst beschimpft. Hätte
den riesigen Ausmaßen des Tempels irgendwie verlo- die Hetgarde des Obersten Hetmanns die Anwesenden
ren. nicht im Vorfeld bereits entwaffnet, wäre wohl schon
Bridgera Karvsolmfara hatte die rituelle Swafnirzere- Blut geflossen – zu hitzig wurden einige Streitgespräche
monie schon längst beendet und man wartete auf Tronde geführt.
Torbenson, der – was ungewöhnlich war – der Zeremo- Doch dann verstummten die Anwesenden – der helle
nie fern geblieben war. Fleck des Eingangsportals verdunkelte sich, zwei Per-
Teils war Lachen zu hören – hier eine lustige Anekdote sonen standen dort, von denen man im strahlenden Ge-
darüber, wie ein Nostrianer vor einem Horasier buckel- genlicht nicht mehr als Umrisse erkennen konnte. Erst
te, dort eine vergnügliche Geschichte über einen Al'An- als sie in das Innere des Tempels traten, wurde deutlich,
faner im Bornland –, teils aber auch ernste Gespräche, daß es sich um Tronde Torbenson und seine Tochter
die sich zumeist mit der Zukunft Thorwals beschäftigten Jurga handelte. Unter den irritierten Blicken der Ver-
und mitunter klang auch reiner Ärger auf, wenn es um sammelten schleppte sich Tronde etwas schwerfällig

Ausgabe: Frostmond 2652 nJL Seite 5


zum mittleren Podest, auf dem der Stuhl des Obersten teilt, oder Tronde wurde Untätigkeit gegen die Horasier
Hetmanns stand. Seine Tochter wich ihm nicht von der vorgeworfen.
Seite. Wie um ihm Mut zu machen, drückte sie noch Hoch wogten die Worte hin und her – während die Het-
einmal seine Hand und postierte sich neben seinem leute aus dem Norda den Sijdanis vorwarfen, sie im har-
Stuhl. ten Winter offensichtlich verhungern lassen zu wollen,
beschuldigten die sijdlichen Hetleute die Nordjanis, sich
Eine Zeit lang sah Tronde auf den Boden der Halle, bis doch nur auf ihre Kosten satt zu fressen und an Dankes
ein Zucken durch seinen Körper fuhr. Er erhob sich und Stelle mit Beleidigungen und Unterstellungen zu kom-
richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. men.
Mit ernstem Gesicht schritt er die Reihen der anwesen- Um eine Antwort nie verlegen, war es vor allem der re-
den Jarle und Hetleute ab, bis er wieder vor seinem degewandte Hetmann Hjallands, der für den Sijdan wie
Stuhl angekommen war, so wie er es gewohnheitsmäßig auch für Tronde sprach und bei den Nordjanis den Zorn
bei jedem Hjalding tat. Seine kräftige Stimme hallte schürte, wie wohl viel Wahres in seinen Reden schien,
durch den Saal. während seine Gegner sich immer wieder in Widersprü-
"Thorwaler ! Ihr lebtet in einem starken Land und wollt che verwickelten, was auch nicht dazu beitrug, die Wo-
auch weiterhin in einem starken Land leben, das sich gen zu glätten.
seiner Feinde zu erwehren weiß. Doch die Zeiten haben
sich geändert und Thorwal kann nur noch stark sein, Während des bisherigen Verlaufs des Hjaldings hielt
wenn es vereint handelt und aus einer Hand regiert wird. sich der Oberste der Hetleute zurück. Allenfalls sein
Wir hatten beschlossen, einen thorwalschen Staat zu Mienenspiel verriet dem Eingeweihten, wann er sich är-
gründen, doch mit dessen Unterstützung ist es bei eini- gerte und wann er einem Redner zustimmte. Doch nun
gen von euch Hetleuten nicht weit her." erhob er sich und fast schlagartig verebbten die zornigen
Trondes Augen funkelten böse in Richtung der Jarlin Gespräche der Anwesenden.
Gråbjergens, die sich aber gelassen gab. "Keineswegs möchte ich die hitzigen Reden unterbre-
"Der Staat hat Ausgaben, die gedeckt sein müssen, die chen, denn sie wissen zu unterhalten", begann Tronde
Kopfsteuer alleine genügt dafür nicht. Wir kommen um mit einem verschmitzten Lächeln. "Doch es sind ein
weitere Abgaben nicht herum. Daher möchte ich euch paar Fragen gestellt worden, die ich nun beantworten
bitten, Vorschläge zu machen. Im Anschluß will ich werde.
dann meine Ansichten präsentieren. Hägar ‚Bärwut’ (ein premshjolmrer Hetmann), du frag-
Überlegt euch also, was zumutbar wäre, vor dem Hin- test, was mit den eingenommenen Steuern passieren
tergrund, daß weitere Steuern erhoben werden müssen. würde. Laß dir sagen, daß sie eingesetzt werden, um
Zuvor laßt uns jedoch hören, was in den einzelnen Jarl- dem thorwalschen Staat und somit dem Volk zu nützen.
tümern im letzten Jahr passierte." Die Hjalsgarde wurde eingerichtet, die Flotte aufgebaut,
Tronde ließ sich in seinen Hetstuhl fallen, seine kräfti- Unsummen fließen in den Wiederaufbau von Thorwal-
gen Arme ruhten auf den Armstützen, sein Kopf war Stadt, auch Prem bekam und bekommt Gelder, um die
leicht nach vorne geneigt, seine Augen funkelten, wo- angerichteten Schäden ungeschehen zu machen. Dabei
durch er eine fast schon lauernde Haltung einnahm. Die sind das nur die offensichtlichen Punkte, es gibt wesent-
Hetleute und Jarle schauten sich irritiert an. Was sollte lich mehr." Tronde wandte sich allen zu. "Und meint ihr
man von dieser direkten Eröffnung halten ? Bei den wirklich, daß das Kopfgeld alleine ausreicht, um einen
letzten Hjaldings berichtete Tronde immer erst von den Staat zu finanzieren ? Womit wir bei der nächsten Frage
Erfolgen des vergangenen Jahres und nun übersprang er wären, der nach höheren Steuern. Ich will und kann
dies ? Nach kurzem Zögern trat der erste Redner vor. nicht glauben, daß einige von euch so dermaßen naiv
sind, zu denken, diese Steuer alleine könne die immen-
Es war Eldgrimm, der Weise. Der Jarl vom Neuen Land sen Ausgaben decken. Laßt euch von euren Skalden und
berichtete von der Rückeroberung Kendrars und dankte Jarlen lehren, was eins und eins ergibt. Dann kommt ihr
vielen tapferen Mitstreitern aus ganz Thorwal. Doch da sehr schnell darauf, daß die Kopfsteuer alleine nicht
er jetzt „seine“ Stadt wieder hatte, gab er das Amt des ausreicht. Alleine der Wiederaufbau von Thorwal-Stadt
Jarls ab, um sich um Kendrar und seine Ottajasko zu verschlingt Unsummen, dagegen erscheinen die Gelder
kümmern. Tiefes Bedauern erfüllte ihn und auch die für Prem geradezu lächerlich und doch gehen dort jähr-
Halla. Respektvoll gaben die Hetleute, angespornt von lich einige tausend Goldstücke hin. Auch die Winddra-
Thurgan „Eichenfuß“, dem greisen Hetmann Eldgrimm chen sind nicht kostenlos zu haben, der Ausbau Hoijan-
einen donnernden Abschied. gars kostete – und kostet noch immer – viel Gold,
Jetzt erhoben sich nacheinander einige Hetleute und be- Hjalsvidra und Daspota nicht minder. Die Befestigungs-
richteten aus ihren Jarltümern. Viele Nordleute, aber anlagen gegen die Orken in Enskar müßten in reinem
auch einige Sijdländer, meckerten über die Abgaben Gold erstrahlen, so viel Goldstücke gehen dorthin. Und
und beschwerten sich über die Zustände. Angeblich was ist mit Kendrar ? Auch dort müssen Schäden repa-
wurden die Lebensmittel vom Kornmeister falsch ver- riert und für Waisen und Hinterbliebene gesorgt werden.

Seite 6 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


Wenn ihr den Skalden geglaubt habt, als sie von einem und beinahe wäre ihr Auftrag gescheitert. Später dann
raschen und unblutigen Sieg sangen, dann habt ihr nur ist diese Delegation nach Horasia gegangen, um dort an
die Augen und Ohren vor der Grausamkeit und Zerstö- den Feierlichkeiten teilzunehmen und gelangte danach
rungskraft eines jeden Krieges verschlossen und euch nach Kuslik. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen gebe
dadurch selbst betrogen. Eine Grausamkeit und Zerstö- ich nachher noch bekannt. Aus voller Absicht heraus
rung die nun von uns – dem thorwalschen Staat – wie- stellte ich die Delegation aus Frauen und Männern so-
der gut gemacht werden muß. Ohne ausreichende Steu- wohl aus dem Sijdan, als auch aus dem Norda zusam-
ern kann keine Nation überleben und die Kopfsteuer al- men, gerade damit niemand maulen kann, er fühle sich
leine ist NICHT ausreichend. Ich lade jeden von euch fremdregiert, übergangen und seine Interessen werden
gerne ein, nach dem Hjalding zu mir zu kommen, um nicht berücksichtigt.
sich die immensen Ausgaben erklären zu lassen. Übrigens kostet auch eine solche Delegation viel Gold.
Jarle, Hetleute. Ihr habt hier und heute die Möglichkeit, Und auch dies ist nur ein Beispiel von mehreren, die
zusammen mit mir die Steuern festzulegen, die nötig nicht jeder mitbekommt, aber zeitraubend und unabän-
sind, um die Nation Thorwal existieren zu lassen. derlich sind, will man als Nation ernst genommen wer-
Nutzt diese Möglichkeit, denn es wird weitere Steuern den. Eins noch: Ich bin überzeugt davon, daß jeder hier
geben müssen – und wenn ich sie alleine festlegen muß. sein Bestes gibt, um Thorwal nicht untergehen zu sehen.
Wir hatten uns gemeinsam dazu entschlossen, eine Sowohl der Sijdan und auch der Norda arbeitet und
thorwalsche Nation zu gründen – nun gibt es kein Zu- kämpft verbissen dafür. Ich maße mir nicht an, darüber
rück mehr. zu urteilen, wer mehr dafür getan hat – empfinde es
Vanja Isharsdotter, du hast nach dem Sinn einer thor- auch als müßig, denn wir sind eine Nation."
walschen Nation gefragt. Tronde ließ sich wieder auf den Hetstuhl nieder. "Und
Schau dich doch um. Die Welt hat sich gewandelt. nun erfreut uns alle weiter mit eurem Gezänk."
Überall lauern Feinde, die nur darauf warten, leichte Nun ging es drunter und drüber. Während einige auf
Beute machen zu können. Und leichte Beute wäre Tronde einredeten, daß er wohl ohne die Zustimmung
Thorwal-Land, wenn es, wie vor wenigen Jahren noch, des Hjalding keine Steuern festsetzen konnte, ohne sei-
nur ein lockerer Zusammenschluß einzelner Ottaskins ne Abwahl zu riskieren, regten sich einige über die Ver-
und Dörfer wäre – die Horasier haben uns gezeigt, wie handlungen und über Trondes Bemerkung auf. Einzig
einfach es war, uns zu jener Zeit zu überrennen. Vor einige Jarle und ihre Berater, wie z.B. Algrid Hjalske
ähnlichen Überfällen kann nur eine Nation schützen. oder Thurgan „Eichenfuß“ blieben ruhig und brachten
Der Angriff auf Thorwal-Stadt wäre wohl nicht verhin- Vorschläge ein. So sollten ausländische Kauffahrer für
dert worden – zu überraschend kam dies –, auch die Schiff und Fahrzeug Entgelte zahlen. Doch noch immer
Schüsse auf Prem wären passiert, wenn wir damals sprachen viele Stimmen gegen Tronde.
schon ein Staat gewesen wären. Was aber verhindert Wieder war es der Norda, der anstelle der Steuereintrei-
worden wäre – und zwar, weil schnell, geschlossen und ber erst einmal Unterstützung im Kampf um die Olport-
mit gebündelter Kraft zugeschlagen worden wäre, und steine sehen wollte und Argumente nicht akzeptierte,
nicht nach 'Goblintaktik' mal hier mal da ein Schiff zu daß der Sijdan vollauf mit der Befreiung Kendrars und
überfallen –, ist die Besetzung der nördlichen Olport- der Abwehr der Krakenmolche im Golf von Prem zu tun
steine, die uns heute noch immer ein Dorn im Auge ist. hatte.
Allein eine Nation, in der der Oberste der Hetleute zu- Und wieder konzentrierte sich der Ärger der Norda-
sammen mit seinen Beratern darüber entscheidet, wann, Hetleute auf den Eichenfuß, der sie tapfer aber dumm
wie und wo gehandelt werden muß, in der Diplomaten schalt, nicht mächtens, selbst ein paar Inseln zurück zu
mit anderen Staaten sprechen, sichert das Überleben erobern, ob des Mangels an Ideenreichtum und Anpas-
Thorwals ! sungsfähigkeit an neue Gegner, während man im Sijdan
Daß der Gang zu einer gemeinsamen Nation schwer recht wohl dazu in der Lage sei, wie die Erfolge gegen
werden und wohl auch in 50 Jahren noch nicht abge- die Molche, in Kendrar und bei manch anderer Gele-
schlossen sein wird, war mir bewußt – und doch gibt es genheit deutlich vor Augen geführt hätten.
keine Alternative, wenn wir nicht untergehen oder von Über diese Worte schließlich war Yngvar ‚der Bär’
anderen Völkern vertrieben werden wollen ! Raskirson so erbost, daß er Thurgan Eichenfuß zum
Es fiel auch der Vorwurf, daß ich bisher nichts getan Waffengang herausforderte, den dieser annahm.
hätte, um die Horasier zu vertreiben. Ich nehme es nie-
mandem übel, denn dieser Eindruck mag entstanden Tronde hatte aufmerksam die vielen Dispute und auch
sein, weil die Taten, die eine endgültige Vertreibung die persönlichen Angriffe gegen ihn verfolgt. Nun mel-
ermöglichen, nicht so öffentlich passieren. Und doch dete er sich wieder zu Wort:
sind sie passiert ! Ganz gewiß haben einige von euch "Tatsächlich scheint ihr euch mehr auf das Meckern be-
den Skalden gelauscht, als sie davon sprachen, daß eine schränken wollen, denn auf Zusammenarbeit.
Delegation nach Kyndoch aufbrach, um dort mit Hora- Mit einigen Ausnahmen, die wirklich gute Vorschläge
siern zu verhandeln. Zwist und Hader begegnete ihnen, unterbreitet haben. Algrid und Thurgan – eure Vor-

Ausgabe: Frostmond 2652 nJL Seite 7


schläge wollen mir gefallen, das thorwalsche Volk von Tronde nicht, daß die Kosten so hoch liegen werden,
den Abgaben zu entlasten und auch diejenigen Besucher daß man neue Steuern bräuchte ...
daran zu beteiligen, die auch von unserem Staat profitie-
ren, denn auch ich bin der Meinung, daß nur jene Steu- Nach der Rede Cerns erhob sich Tronde von seinem
ern erhoben werden sollten, die reichen, um die Kosten Hetstuhl. "Schluß. Es reicht !", donnerte er durch die
zu decken. Jedoch werden die Zölle alleine nicht alles Halle, wodurch sich einige, die sich in Rage geredet hat-
auffangen können. ten, noch wütender wurden, doch die meisten bemerkten
Schiffe, Waffen und Ausrüstung für die Thinggarde ver- befriedigt, daß ihr alter Hetmann "zurück" war – die
schlingen noch einiges mehr. Hat jemand vielleicht seltsame, fast schon gleichgültige Haltung bisher paßte
noch ein paar weitergehende Vorschläge ?" so gar nicht zu ihm. "Ihr fordert, auf dem Hjalding be-
reits erfahren zu wollen, weshalb es erforderlich ist,
Die Jarlin von Premjastad, Eindara Fjolnirsdottir, mach- weitere Steuern zu erheben, und nicht damit zu warten,
te daraufhin den Vorschlag, daß die Jarltümer für die bis das Hjalding abgeschlossen ist – ihr sollt euren Wil-
Ausrüstung ihrer Leute im neuen stehenden Heer Thor- len haben. Doch es ist spät geworden und uns allen
wals, der Hjalsgarde, selber aufkämen. Doch noch im- knurrt der Magen. Das Hjalding ist auf morgen vertagt."
mer glaubten einige, unter ihnen Cern Ragnarsson, Tronde stapfte kopfschüttelnd aus der Halla.

Duell der Hetmänner


Am dritten Abend des großen Herbsthjaldings. den Naskheimer Kontor die nötige „Munition“ heranzu-
schaffen.
Beim Verlassen des Swafnir-Tempels trafen die beiden Die beiden Boten schienen schon erfolgreich gewesen
Hetmänner aufeinander, die am zweiten Tag so anein- zu sein – der Schankraum begann, sich mit neugierigen
ander geraten waren: Thurgan ‚Eichenfuß’ Jörgeson und Zuschauern zu füllen. Hocherfreut, daß das ansonsten
Yngvar ‚der Bär’ Raskirson. für Außenstehende recht langwierige – und aufgrund
Die Hetgardisten am Ausgang hielten ein wachsames der wenigen Nachrichten, die währenddessen nach
Auge auf die beiden, hatte es doch schon des öfteren draußen dringen auch langweilige – Hjalding endlich
handfeste Diskussionen im Anschluß auf ein Hjalding eine kurzweilige Abwechslung zu bieten hatte, schwoll
gegeben. Doch Yngvar, der Hetmann der Wellenstür- das Murmeln in kürzester Zeit zu einem erwartungsvol-
mer, legte dem Hjallander nur seine mächtige Hand auf len Brausen an. Angespannt achtete man auf die beiden
die Schulter, schaute ihm in die Augen und sprach: Kontrahenten, um nur ja keine Geste oder gar ein Wort
"Eichenfuß, wir haben da noch etwas zu klären, wegen zu versäumen.
der „popelfressenden Idioten“. Laß es uns gleich klären, Auch die beiden Hetmänner genossen offensichtlich die
wo immer du willst. Es muß nur genug Brannt vorhan- Abwechslung vom Hjalding, welches seit gestern
den sein." Abend doch viel eher einer Buchprüfung im Handels-
Thurgan grinste Yngvar freundlich an: kontor ähnelte, womit Yngvar, wie er freimütig grum-
"Das wohl, Yngvar. So folgt uns. Wo wir hingehen, gibt melnd kundtat, nicht viel anfangen konnte.
es genug Brannt, um dich drin zu ersäufen." „Was des einen Axt und Feuer, sei des anderen Feder
Fröhlich lachend gab er Yngvar noch einen freund- und Tinte.“ setzte er deutlich vernehmbar in die Runde.
schaftlichen Klaps auf die Schulter und humpelte dann Thurgan, auf den der Seitenhieb gemünzt war, ließ nicht
voran durch den Matsch des verregneten Marktplatzes lange auf sich warten und wendete sich jovial an seinen
nach Osdan, in Richtung der Sturmkinder-Ottaskin, be- Widersacher: „Das ist richtig, Yngvar. Umsomehr freue
gleitet von der Jarlin Eindara Fjolnirsdottier und der ich mich darüber, daß ICH wenigstens EINES davon
narbenübersäten Hetfrau der Brandrächer, Maike Da- beherrsche !“
rasdottir. Allgemeines Gelächter und viele „Das wohl !“-Rufe er-
Dort angekommen, wandte er seine Schritte schnur- schollen und zeigten auf, daß das Duell wenigstens in
stracks linkerhand zur Taverne, in der um diese Tages- die Vorrunde gegangen war. Yngvar hob zu einer Erwi-
zeit noch nicht viel Betrieb war. Warteten doch viele auf derung an, doch just da wurde das frische Faß mit
dem Marktplatz vor dem Swafnir-Tempel, um zu erfah- Naskheimer Honigbrannt hereingebracht. So verzichtete
ren, was es Neues vom Hjalding gab. Yngvar auf eine Antwort, nahm statt dessen am Tisch
Zwei von seinen hier anwesenden Leuten sandte Thur- Platz und bot Thurgan mit einem einladenden Blick an,
gan sofort los, die Kunde zu verbreiten, während sich das gleiche zu tun. Nachdem dieser es ihm nachgetan
die anderen gleich anschickten, dem Wirt beim Umbau- hatte, sprach wieder Yngvar: „Die Regeln des Duells
en der Tische zu helfen und aus dem gegenüberliegen- sind sehr einfach: wir trinken beide gleichzeitig und wer

Seite 8 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


als erster vom Stuhl kippt, hat verloren.“ „Gut Yngvar. Yngvar schüttete den Brannt in sich hinein, ohne groß
Und Eindara wacht darüber, daß sich nicht aus Verse- Wirkung zu zeigen, während Thurgan bei jedem Thin
hen einer mit seinem Gürtel zufällig in der Stuhllehne genußvoll schmatzte und sich die Lippen leckte. Der
verfängt.“ Antwortete Thurgan mit fröhlichem Grinsen, süße Honigbrannt war schon immer ganz nach seinem
während Eindara, die Rechtsprecherin, nun seitlich am Geschmack gewesen.
Tisch Platz nahm. Und so war inzwischen die ganze Schenke mit in das
„Laß deinen Gürtel ruhig um, Thurgan – du brauchst ihn Lied eingefallen. Oh ja – das Lied hat viele Strophen
jetzt nicht extra abmachen, um deine Redlichkeit zu und es lassen sich bei der einprägsamen Melodie auch
beweisen. Dann können wir dich nachher besser dran gut neue dazu erfinden.
raustragen, wenn du nicht mehr sitzen kannst.“ Nach der achten Strophe fingen die beiden Duellanten
„Wäre mir jetzt sowieso zu umständlich, alter Knabe. an, zwischendurch mit ins Lied einzustimmen, nach der
Bis ich die Gürtelschnalle aufhätte, habe ich dich schon elften Strophe stießen sie mit den Thins an.
lange unter den Tisch gesoffen.“ Fürwahr, hier saßen zwei erfahrene Zecher. Sie hatten
„Du brauchst aber lange, um eine Gürtelschnalle zu öff- schon eine Menge Brannt weggeschluckt, die für einen
nen, Thurgan...“ Mittelreicher schon schwere Bewußtlosigkeit, wenn
„Ist ja auch kein Wunder – so, wie du mich zum Lachen nicht gar den Tod bedeutet hätte und ließen sich immer
bringst, Yngvar.“ noch mal einschenken.
Die Stimmung im Schankraum heizte sich auf. Gröhlen Nach der sechzehnten Runde aber machte sich der
und Lachen überall zeugten Beifall für das Wortgefecht, Brannt doch langsam bemerkbar. Thurgan konnte die
wie es eines echten Hjaldingers würdig war. Allseits Melodie nicht mehr so richtig halten – wobei nicht ge-
wurden Wetten abgeschlossen und Aufforderungen für sagt sei, daß er es vorher schon konnte.
nachfolgende Trinkduelle ausgesprochen. Eine Runde später hatte auch Yngvar so langsam seine
Inzwischen war das frische Faß angestochen und Cern Probleme mit dem Text.
Ragnarson – Hetmann der Sturmkinder – sowie Thurek Jetzt fing das Wettsaufen an, wirklich Arbeit werden.
Hardredson – der Svafdûner Hetmann – überwachten, Man sah es den beiden an, daß der Naskheimer nicht
daß auch nichts daneben geschüttet wurde. mehr so gut schmeckte, wie am Anfang. Thurgans Au-
"Dann laßt uns beginnen. Auf Thorwal, du Holzwurm !" gen begannen, langsam glasig zu werden, während
ließ Yngvar verlauten und Cern gab das Zeichen zum Yngvar sich bemühte, sich immer noch nichts anmerken
Beginn des Wettsaufens. Ganz nach alter Sitte ging der zu lassen.
erste Trinkspruch auf Thorwal, dem sich Thurgan natür- Nachdem der Naskheimer zum neunzehnten Male sei-
lich anschloß. nen Weg in die unersättlichen Kehlen der Hetleute ge-
„Auf Thorwal und auf Ex, alter Rostkratzer !“ funden hatte, hob Thurgan auf einmal seinen Arm und
Im Hintergrund stimmte ein Skalde das alte Trinklied ringsum verstummten alle überrascht.
von Torstor Om an: Thurgan hob zu sprechen an:
„Ynnnwaah... – eins wolllde isch dih noch saaahhhjen:
Wenn Torstor Om den Schneidzahn wirft,
dehn Pobelfressscher... den nehme isch jedschd zu...,
- Oje, oje, hum -
zzzu..., zzuurüg ! Heheheheh...“
dann springt das ganze Deck von Bord,
Schwer stützte er sich mit der linken Hand auf dem
- Oje, oje, hum -
Tisch ab und versuchte, sich zu erheben, um Yngvar die
denn Torstor ist ein ganzer Mann,
Hand zu schütteln. Doch die Bewegung war zu viel.
dem nur Lialin was sagen kann.
Seufzend rutschte er vom Stuhl auf dem Boden, wo er
- Oje, oje, hum -
sich schwach bewegend mit einem einfältigen Grinsen
- Oje, oje, hum !
auf den Lippen liegen blieb.
Wenn Torstor Om die Kelle hebt
- Oje, oje, hum - Nach einem Augenblick brach der Tumult aus – der
ein jeder Kerl rein leer ausgeht, Kampf war zuende. Alles schrie durcheinander, Hochru-
- Oje, oje, hum - fe mischten sich mit Enttäuschung, Wetten wurden ein-
denn Torstor säuft die Fässer aus gelöst, weitere Trinkduelle eröffnet. Einige klopften
und geht noch geraden Schritts nach Haus dem noch sitzenden Yngvar auf die Schultern, was er
- Oje, oje, hum - schweren Blickes über sich ergehen ließ. Cern und Thu-
- Oje, oje, hum ! rek ließen es sich nicht nehmen, Thurgan jetzt persön-
lich ins Waschhaus zu schleppen.
[…]
Umgeben von lachenden Zuschauern begannen sie,
Jeweils zum Beginn der Strophe ließen sie sich ihre fri- Thurgan zu entkleiden, um ihn in einem Zuber mit eis-
schen Thins reichen, die sie beim Refrain in einem Zug kaltem Wasser wieder munter machen, doch schließlich
leerten. trat Eindara vor.

Ausgabe: Frostmond 2652 nJL Seite 9


„Ach was, das dauert mir zu lange !“ Mit diesen Worten Möge das Hjalding bisher für die breite Masse noch
stemmte die rüstige Greisin den trunkenen Hetmann wie nicht sonderlich interessant verlaufen sein – die Feiern
einen Rübensack hoch und ließ ihn in den großen Zuber ringsum entschädigten dafür voll. Inzwischen hatte sich
klatschen, daß das kalte Wasser alle Zuschauer ringsum das Duell auch in der Stadt herumgesprochen und zahl-
benäßte. lose Neugierige drängten sich mit in den Schankraum,
Einen Augenblick lang beruhigte sich das Wasser im auf daß er fast zu platzen drohte.
Zuber wieder, dann begann es wild zu brodeln. Ab- Nach gut einer Stunde kam Thurgan auch endlich wie-
wechselnd durchbrachen Hände, Arme und Beine die der in den Schankraum gehumpelt. Trocken und wieder
wogende Wasseroberfläche, bis schließlich irgendwann etwas nüchterner, aber immer noch deutlich blaß um die
Thurgans wild prustender Kopf auftauchte und krampf- Nase. Unter Hochrufen und Schulterklopfen bahnte er
haft nach Atem rang. sich seinen Weg zu seinem siegreichen Kontrahenten,
Eindara zog ihn am pelzbesetzten Kragen zu sich heran, um ihm auch noch zum Erfolg zu gratulieren, was Yng-
gab dem immer noch japsenden links und rechts eine var auch huldvoll über sich ergehen ließ, denn inzwi-
schallende Ohrfeige und tauchte ihn kraftvoll wieder schen saß er mit einem seligen Lächeln um die mit
unter. Schweinfett verschmierten Lippen in seinem hohen
Nach einer Minute begannen Thurgans Bewegungen un- Stuhl und prostete immer noch jedem Gratulanten mit
ter Wasser schlaffer zu werden und alle Blicke richteten seinem Thin zu, wobei sich allerdings inzwischen jedes
sich nun auf Eindara, die ihn immer noch mit steinerner Mal ein Großteil des Inhaltes über Boden, Stuhl und
Miene unter Wasser gedrückt hielt. Sorgenvoll näherte Yngvar ergoß.
sich ihr nun Thurek Hardredson und richtete seinen fra- Man wollte wohl in Sorge verfallen, ihn jetzt nicht mehr
genden Blick auf sie. zu dicht an ein offenes Feuer zu setzen, auf die Gefahr
„Das wollte ich immer schon mal machen.“ beschied sie hin, daß er dann wahrlich explodieren würde, bei dem
ihm knapp. Aber dann erbarmte sie sich schließlich vielen Brannt, der er inzwischen geschluckt hatte.
doch und holte Thurgan unter lautem Beifall wieder an Der Verlierer ließ sich in der Zeit nicht lumpen und so
die Luft. wurde ein Faß nach dem nächsten aus dem Naskheimer
Mächtiges Schnaufen und Keuchen, gefolgt von gewal- Kontor herübergeschafft, bis weit nach Mitternacht auch
tigen Spautfontänen kündeten davon, daß Thurgan noch die unentwegtesten Zecher rund um den schon friedlich
lebte, wenn man auch momentan eher den Eindruck hat- im Stuhl
te, ein verendender Wal wälze sich im Zuber. schlummernden
Die Roßkur hatte ihn immerhin wieder soweit munter Yngvar auf die Bänke
gemacht, daß er sich alleine am Zuberrand festhalten sanken. Das Hjalding
und die weißhaarige Jarlin mit bösen Blicken bedenken würde sich wohl erst
konnte. Diese, inzwischen auch kräftig vom Zuberwas- morgen Mittag wie-
ser durchfeuchtet, ließ sich davon aber wenig beein- der richtig mit
drucken und trat wieder näher an den Zuber, um Thur- Hetleuten füllen.
gan erneut am Kragen zu packen.
Dann brach der Schalk in ihren Augenwinkeln durch: Doch eines
„Schließlich habe ich wegen dir eben meine Wette ver- war gewiß:
loren, Bursche. Nicht mal richtig trinken kannst du !“ Die näch-
Dann gab sie ihm noch einen kräftigen Klaps vor die sten Mon-
Stirn, um ihn anschließend freundschaftlich die nassen de würde
Haare zu zerstrubbeln. man
Nun endlich half man dem vor Kälte bibbernden Het- Thurgan
mann aus dem Zuber, um ihn anschließend in die Gäste- nicht
jolskrim zu schleifen, wo man ihn in trockene, warme mehr mit
Kleidung stecken würde. Um alleine zu gehen, war er einem Thin
immer noch zu betrunken. voll Naskhei-
Der Rest machte sich wieder auf in den Schankraum, mer in der
um den Sieger gebührend zu feiern. Hand sehen.
Dieser saß inzwischen auf einem erhöhten Stuhl in der DER war
Mitte und prostete mit dem Thin in der Rechten ständig ihm erst
allen möglichen Gratulanten zu, während er mit der mal über –
Linken an einer fetten Schweinekeule nagte. das wohl !
Zwischenzeitlich wurden weitere Verlierer diverser
Trinkduelle Richtung Zuber verfrachtet und beträchtli-
che Wettgewinne wechselten den Besitzer.

Seite 10 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


Frieden zwischen Adler und Wal
Der nächste und sogar der darauffolgende Tag war ge- nicht zu gewinnen war und nur immer weiteres Leid
prägt von Rechenexempeln, Zahlenreihen, Rechnungen und Trauer über unsere Familien bringen würde, ganz
und Gegenrechnung, Erklärungen ... gleich, wie viele ihrer Schiffe wir überfallen und wie
Kaum einer der Hetleute hatte damit gerechnet, daß es viele ihrer ‚Einrichtungen' niedergebrannt würden.
dermaßen viel zu berücksichtigen galt, um einen Staat Ihr alle habt mittlerweile die Skalden davon singen hö-
"funktionieren" zu lassen. Außer den Jarlen gab es nur ren, daß eine thorwalsche Gruppe unter Führung meiner
wenige, die sich noch am dritten Tag über Tabellen und Tochter Jurga erst nach Kyndoch und dann von dort ins
Zahlenkolonnen beugten – weitaus die meisten der Het- Horasreich aufbrach. Diese Gruppe hat Großes für
leute vergnügten sich in Thorwal-Stadt; auch und nicht Thorwal geleistet und ihre Namen werden für immer in
zuletzt wegen Ermangelung ausreichender Kenntnisse den Sängen der Skalden weiterbestehen - denn sie sorg-
im Bereich der Rechenkunst. ten für den Frieden und die Beendigung eines immer
Am späten Nachmittag dieses dritten Tages (des vierten weiteren Blutvergießens. Sie handelten einen Friedens-
des Hjaldings) hatte sich kaum etwas geändert. Noch vertrag zwischen dem Horasreich und Thorwal aus, der
immer waren die Lager scheinbar gespalten, lediglich dieses unglückselige Kapitel in unserer Geschichte be-
die Erkenntnis darüber, daß der Staat weitaus mehr Geld endet."
bräuchte, als von den meisten gedacht, hatte sich in den
Köpfen festgesetzt – immerhin aber verstummten die Die klare und ausdrucksstarke Stimme Jurgas erklang:
Vorwürfe, Tronde würde sich selbst bereichern wollen, "Hiermit erklären die Völker der Hjaldinger und Hora-
nicht aber diejenigen, daß der Weg zu einer Nation der sier im Namen der Göttinnen Travia und Tsa ihren Wil-
falsche sei. len zum Frieden. Jegliche Kampfhandlungen sind ab
"Hetleute, Jarle ! Ihr habt in den vergangenen Tagen er- dem Tag der Unterzeichnung zu unterlassen. Ihre Ho-
fahren, wie es um den Staat Thorwal steht. Tragt dieses raskaiserliche Majestät Amene Firdayon und Hetman
Wissen heim in eure Ottaskins, in eure Dörfer, in eure Tronde Torbenson bekräftigen ihren Willen durch fol-
Jarltümer. Euch Jarle fordere ich auf, bis zum nächsten gende Handlungen:
großen Herbsthjalding Jarlthings abzuhalten, in denen Die gegenseitig besetzten Gebiete sind sofort dem je-
ihr mit all euren Hetleuten über weitere Einnahmen für weils anderen Staat zu übergeben.
den Staat beratet. Diese Ergebnisse stellt dann in einem Die Inseln der Olportsteine gehen von der Hand der
Jahr hier vor. Bis dahin werden wir versuchen, mit den HPNC wieder in die Gewalt des freien Volkes der
Geldern auszukommen, die durch die Kopfsteuer und Thorwaler über, sowie die Besitzungen im Südmeer von
die Zölle hereinkommen und denen, die durch die der Hand der Nordleute wieder in den Besitz des wie-
Selbstausrüstung der Hjalsgarden wegfallen. Doch wenn dererstandenen Horasreiches zurück.
nach diesem Jahr keine Ergebnisse von Euch vorgelegt Weiterhin bedauert das Horasiat den Angriff auf die un-
werden und die Einnahmen die Kosten nicht decken schuldige Bevölkerung der Stadt Thorwal, die im Zuge
können, dann laßt ihr mir keine andere Wahl, als neue der Vergeltung auf den Angriff auf die Städte Drôl und
Steuern festzulegen. Ihr wollt ständige Vertreter eurer die ‚Seestute' erfolgten. Diesen Angriff bedauert das
Jarltümer beim Obersten der Hetleute wissen. Gut. thorwalsche Volk wiederum aufrichtig.
Wenn ihr dies so wollt, so soll dies so geschehen. Doch Ebenso bedauert der Oberste der Hetleute die Verluste
ich weise darauf hin, daß auch diese Leute wieder dem der Horasier bei den Angriffen auf die Stadt Grangor.
Staat Geld kosten werden. Zudem werden sie sich mit Zur Linderung der Kriegsschäden erhalten thorwalsche
der Zeit euren Jarltümern gegenüber entfremden. Daher Händler im Horasreich eine Aufhebung der Zölle, sowie
schlage ich vor, daß, jährlich zum Herbsthjalding, ein die HPNC auf thorwalschem Gebiet dasselbe, auf einen
Wechsel der Vertreter stattfindet. Doch nun zu einem Zeitraum von zehn Jahren !
anderen Thema, dem wichtigsten dieses Hjaldings." Weitere Handelserleichterungen mögen noch ausgehan-
Tronde holte tief Luft, denn er wußte, daß die nächste delt werden. Die Kaperbriefe der HPNC sind ab sofort
Bekanntgabe wieder Zwist und Hader bringen würde ungültig und jedweder Angriff auf ein thorwalsches
und doch hatte er keine Wahl. Schiffe wird als Akt der Piraterie betrachtet, der vergol-
"Hjaldinger ! Die vergangenen Jahre waren geprägt von ten werden kann. Ferner verpflichtet sich die HPNC
Kampf und Tod, seitdem das Horasreich in Thorwal keine Walfangschiffe in thorwalschen Gewässern zu un-
einfiel, Städte zerstörte und die Olportsteine besetzte. terhalten. Der Oberste Hetmann Tronde Torbensson ga-
Zu recht haben wir uns verteidigt und die Horasier be- rantiert derweil für die Unversehrtheit der Besitzungen
kämpft, wo es uns möglich war. Doch wir mußten ein- der HPNC im Ort Goldshjolmr. Der HPNC wird erlaubt,
sehen, daß der Kampf gegen dieses übermächtige Reich ihre bisherigen Besitzungen auf den Olport-Steinen für

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99 Götterläufe zu nutzen. Im Gegenzug erhält das thor- Gnadenfrist bekommen. Bis zum Frühjahrshjalding ha-
walsche Volk eine gleiche Nutzungsfrist für die von ih- ben sie Gelegenheit, von hier zu verschwinden. Sind sie
nen in Besitz genommene Insel Bilku . dann immer noch da, werden sie von der Thinggarde
Schlußendlich erkennen die Völker ihre Interessenge- und jedem von Euch, der mir folgen will, gejagt. Nicht
biete gegenseitig an und garantieren, daß diese vom an- einer von ihnen wird seine Heimat lebend wiedersehen !
deren nicht angerührt werden ! Mögen die Götter diesen Mein Wort – euer Pfand !"
Vertrag segnen !" Einen Augenblick war es so ruhig, wie auf einem To-
Jurga ließ das Pergament sinken und sah erwartungsvoll tenschiff. Dann ertönten vereinzelte Hochrufe, die von
in die Runde. immer mehr Leuten aufgegriffen wurden – nicht nur
von den Hetleuten und Jarlen, sondern auch von den
"So sieht der Vertrag aus. Entscheidet darüber, ob wir Skalden und Zuschauern auf den Galerien. Irgendje-
ihn annehmen oder nicht." sprach Tronde zur Versamm- mand stampfte mit den Füßen auf, doch war es nicht
lung. Seine Tochter fügte hinzu: "Laßt euch zuvor noch auszumachen, wer es war, denn innerhalb kürzester Zeit
sagen, daß dies alles ist, worauf sich die Horasier ein- erbebte die riesige Halla geradezu von dem Stampfen
ließen. Entweder, er wird so angenommen, oder der unzähliger Füße und den Rufen aus etlichen Kehlen.
Krieg geht weiter. Ein Schachern um weitere Vertrags- Jurga war mittlerweile hinausgeeilt, um den Gesandten
punkte ist nicht möglich." aus dem Horasiat Bescheid zu geben, doch Tronde ver-
harrte direkt unter dem Torbogen der Halla.
Wenige äußerten sich begeistert von diesem Vertrag, Langsam drehte er sich um. Sein Blick schweifte über
doch den meisten kam er genehm. Nur einzelne Hetleu- die größtenteils begeisterte Menge, glitt über die Galeri-
te rebellierten gegen diesen Vertrag und nannten Tronde en mit den tobenden Besuchern, erfaßte die riesige,
und seine Unterhändler Jurga Trondesdottir und Beorn weiße Pottwalfigur, die von der Decke hing und blieb
Laskesson Verräter. Der sonst so ruhige Beorn sprach dann auf seinem Hetstuhl in der Mitte der Halla hängen.
sich vehement für den Vertrag aus und war sogar bereit, Anschließend versuchte er, in so viele ihm zugewandte
es auf ein Swafnirurteil ankommen zu lassen. Gesichter zu blicken, wie es ihm möglich war. Er war
gerührt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte er den
Marada „die Wölfin“ Gerasdottir wollte schon wieder Eindruck, daß Thorwal doch noch einig werden konnte,
aufspringen und Beorn Laskesson eine Erwiderung ent- einig in einer thorwalschen Nation. Dazu war es zwar
gegenschleudern, die sich gewaschen hätte, doch ihre noch ein langer, ein sehr langer Weg, doch der Grund-
Jarlin Firnlind Saehntildottir hielt sie zurück. "Laß es stein war gelegt und die Hetleute bewiesen gerade eben,
gut sein", zischte diese ihr zu. daß sie auch weitestgehend einig sein können, wenn sie
Es stellte sich heraus, daß Marada und die Hetfrau der nur wollen. In Trondes schwerem Aufseufzen vermeinte
‚Brandrächer’-Otta Maike Darasdottir welche der weni- die hinter ihm stehende Bridgera Karvsolmfara etwas zu
gen waren, die sich offen gegen den Friedensvertrag verstehen, das so klang wie: "Meine Hjaldinger." Doch
stellten. Weitaus die meisten stimmten für dessen An- ganz sicher war sie sich nicht. Trondes Gesicht verstei-
nahme, was die Kriegsmüdigkeit der Thorwaler unter- nerte und er drehte sich abrupt um und verließ nun end-
strich – vor einem Jahr wären wohl mehr als die Hälfte gültig die Halla.
aller Hetleute und Jarle dagegen gewesen, dessen war
sich Tronde sicher. Am Morgen des 6. Tages im Schlachtmond lief hinter
"Ihr wollt also den Frieden annehmen ?" rief er halblaut Jurgas "Sturmgleiter" eine stolze Schivone in den Hafen
in die Menge, während er sich wieder erhob. Seine ein. Der Hafen barst schier vor Leibern, alle wollten se-
Stimme blieb ausdruckslos und es war nicht herauszu- hen, wer da gesegelt kam. Kommandos schallten vom
hören, ob er sich darüber freute oder nicht. Einzig, als Schiff her über das Wasser. Unruhe entstand, geschürt
ihm ein von der überwältigenden Mehrheit gerufenes von den Gegnern des Friedensvertrages. Zwar standen
"Das wohl !" entgegen donnerte, stahl sich ein schmales die horasischen Matrosen in Reih und Glied an der Re-
und fast wehmütiges Lächeln auf sein Gesicht. Nur für ling ihres Schiffes, aber konnte man wirklich sicher
die Umstehenden in seiner unmittelbarsten Umgebung sein, daß hinter den Stückpforten nicht eine tödliche
war zu vernehmen, daß er den Ruf leise wiederholte: Überraschung wartete ?
"Das wohl." Eine Barkasse löste sich von der Schivone und hielt auf
"So wollen wir den horasischen Abgesandten rufen, der den Kai zu. Am Bug stand stolz und aufrecht der Admi-
mit seinem Schiff auf unsere Antwort wartet !" verkün- ral Ralman von Firdayon-Bethana und hielt eine in allen
dete Jurga Trondesdottir. Farben schillernde Fahne in der Hand – die Fahne der
Als sie hinauseilen wollte, wurde sie von ihrem Vater, Friedfertigkeit.
der sie am Handgelenk festhielt, daran gehindert. "Eines Eine ungewöhnliche Stille legte sich über die Menge,
noch, bevor wir den heutigen Tag beschließen und der als das Boot anlegte und der Admiral allein den Kai
Gesandte geholt wird. Niemals werden in thorwalschen betrat. Tronde erwartete ihn bereits; um ihn herum stan-
Gewässern Walmörder geduldet, doch sollen sie eine den sämtliche Priester der Stadt. Geraume Zeit muster-

Seite 12 Abhängig – parteiisch - regelmäßig


ten sich die beiden Männer, ehe der Admiral die Hand Swafnir." "Bei Swafnir !" antwortete die Menge. Und
ausstreckte. "Travia zum Gruße ! Ich, Ralman von Fir- gleich darauf erscholl das unvermeidliche "Das wohl !"
dayon-Bethana, Sondergesandter Iihrer horaskaiserli- Ergriffenheit bemächtigte sich Tronde. "Die Zeit dieses
chen Majestät Amene Horas, bin hier, um für meine Kampfes ist nun vorbei. Möge sich ein solcher Zwist
Herrin diesen unseligen Konflikt zu beenden, auf daß und Hader zwischen Horasreich und Thorwal nicht wie-
wieder Frieden herrschen möge zwischen unseren Völ- derholen. Und mögen die Handelsbeziehungen zwi-
kern !" "Ich, Tronde Torbenson, Hetmann der Hetleute, schen unseren Ländern gedeihen, auf das wir alle davon
heiße dich willkommen. Bitte sei mein und des thorwal- profitieren können." Mit einem Ruck riß Tronde den
schen Volkes Gast, in Travias Namen !" überwältigten horasischen Gesandten an seine Brust und
Wieder war ein Augenblick absolute Stille, während der klopfte so kräftig auf dessen Rücken, daß ihm die Luft
nur die anbrandenden Wellen zu hören waren. Jemand aus den Lungen gepreßt wurde. Dadurch war der Frie-
rief "Das wohl !" in die Stille hinein, woraufhin dieser den nicht nur formal auf dem Papier gesiegelt, sondern
Ausdruck dutzendfach wiederholt wurde. Die Menge nun auch nach alter thorwalscher Tradition beschlossene
teilte sich nun respektvoll, als Tronde den horasischen Sache. Jubelnd verteilte sich die Menge, um Bier, Met
Gesandten in den Traviatempel führte, denn so war es und Brannt aus den Kellern und Vorratsräumen zu ho-
ausgemacht: Der Friedensvertrag sollte im Horasreich len. Und während die Skalden die ersten Sagas erklin-
verhandelt und in Thorwal unterzeichnet und gesiegelt gen ließen, wurden die Feuer zum Braten der Festoch-
werden – dies aber nur im Traviatempel, da diese Göttin sen entzündet.
von beiden Völkern gleichermaßen verehrt und geachtet Einige Ottas aus dem Norda verließen Thorwal noch in
wird. "So laß uns den Frieden besiegeln, den wir ausge- derselben Stunde. Verbitterte und haßerfüllte Menschen
handelt haben !" fuhr Tronde im Inneren des Tempels schmiedeten bereits an künftigen Plänen. Auch die Het-
fort. frau der Brandrächer-Otta von Hjalland verließ die
"So sei es.", kam die knappe Antwort des Admirals. Un- Stadt. Ihre Ankündigung kam für viele nicht unerwartet:
ter dem Segen der Traviapriester unterzeichnete und "Der Krieg ist erst dann vorbei, wenn alle Toten gerächt
siegelte Ralman von Firdayon-Bethana den ausgehan- sind."
delten Friedensvertrag. Als Tronde ebenfalls zur Feder Ähnlich sprach sich auch Marada Gerasdottir aus, bezog
greifen wollte, sprach der Admiral: "Laßt uns in Euren ihren Unmut aber auf Tronde und Jurga. Trotz dieser
Swafnirtempel gehen, damit all Eure anwesenden Het- düsteren Ankündigungen wurde gefeiert und alsbald er-
leute den Friedensschluß beiwohnen können." Über- schienen auch die horasischen Seeleute vom Schiff des
rascht nickte Tronde, andere murmelten geradezu un- Admirals, um dem Fest beizuwohnen. Unter ihnen auch
gläubig über dieses großmütige Angebot, das man ei- mehrere Rahjapriester, in leichte Pelzgewänder gehüllt,
nem Horasier niemals zugetraut hätte. In der riesigen die von Meisterhand an delikatesten Stellen mit halb-
Halla war es trotz der mit hineingekommenen vielhun- durchsichtigen Stoffen versetzt waren. Sie vergewisser-
dertköpfigen Menge totenstill, als unter dem an der ten sich, daß der Überfall auf die ‚Seestute’, mit dem
Decke aufgehängten Holzbildnis Swafnirs zuerst Tron- der unglücksselige Konflikt zwischen Thorwal und Ho-
de und dann Jurga den Friedensvertrag unterzeichneten. rasiat begann, wirklich nur von Friedlosen begangen
Als sich danach Tronde und Ralman die Hände reichten, wurde, und daß ein jeder aufrechter Thorwaler diese Tat
trat Bridgera Karvsolmsfara hinzu und verkündete, wo- verabscheute.
bei ihre Stimme verstärkt durch den Hohlkörper des Am nächsten Tag berief Tronde den Kriegsrat ein.
Idols bis nach draußen schallte: "Es ist vollbracht ! Be- Doch dies ist eine andere Geschichte, die auch ein ande-
graben sei Hader und Zwist ! Es herrsche Frieden, bei res Mal erzählt werden soll.

Weg in die Friedlosigkeit ?


... der Jubel dröhnte durch die gewaltige Tempelhalla. Schließlich entdeckte er sie, als sie gerade wutentbrannt
Friede ! Viele der sijdthorwaler Hetleute umarmten sich zwei Tempelwächter zur Seite stieß und den Torflügel
erleichtert. Doch in dem ganzen Trubel fehlten einige ... aufriß, um nach draußen zu eilen. So schnell es ihm sein
Thurgans Augen glitten suchend umher, während sein Holzbein erlaubte, humpelte er durch die feiernde Men-
unter dem mächtigen Schnurrbart zu einem schmalen ge, doch kam er nicht so richtig vom Flecke, da man
Strich zusammengekniffener Mund seine Sorge offen- auch ihn ständig umarmen, auf die Schulter klopfen,
barte: Wo war Maike Darasdottir abgeblieben ? Die oder Hände schütteln wollte. Aber er konnte sehen, wie
Hetfrau der Brandrächer-Ottajasko würde doch wohl kurz nach Dara auch Ôle Swafgardson, der hjallandi-
hoffentlich keine Dummheit begehen wollen. sche Swafnir-Priester, den Torflügel durcheilte.

Ausgabe: Frostmond 2652 nJL Seite 13


Auch Ôle wußte um das Temperament der rachsüchti- „Böse wird das noch enden mit Maike und ihren Leuten,
gen Hetfrau, die im thorwaler Feuersturm fast ihre ge- wenn sie weiter so auf Blut aus sind. Doch es wird ihr
samte Familie verloren hatte. Blut sein, was fließt !“
Endlich hatte Thurgan es geschafft und trat aus dem Nun war es höchste Zeit, das Ruder selbst in die Hand
Tempel. Dara war nicht zu sehen, aber Ôle saß auf der zu nehmen, also faßte Thurgan seinen Entschluß:
Treppe und hielt sich die blutende Nase. „Hier herum zu stehen und Löcher ins Hafenbecken zu
„Was ist geschehen ?“, fragte der Eichenfuß. starren bringt uns leider keinen Finger weiter. Wir müs-
Ôle schaute schräg zu ihm hoch, „Ich trat kurz nach ihr sen zurück nach Hjalland. Es wird eine Weile dauern,
auf die Treppe und hielt sie am Arm fest, um mit ihr zu bis unserer heißblütigen Freundin bewußt werden wird,
reden und sie zu beruhigen, bevor sie einen nicht wieder welchen Schritt sie gehen muß, um den eingeschlagenen
gutzumachenden Fehler begeht. Womit ich nicht ge- Weg wirklich weiter zu verfolgen – und dann möchte
rechnet hatte war, daß sie mir ohne Vorwarnung so kräf- ich dabei sein !“
tig die Faust auf die Nase setzte, daß ich nur noch Ster- Ermunternd klopfte er dem Priester auf den Rücken.
ne sah und sie überrascht losließ. Als ich wieder klar „Rasch, Ôle. Unsere Leute sollen die ‚Krakatauer’ see-
sehen konnte, war sie bereits in der Menge verschwun- klar machen. In spätestens zwei Stunden möchte ich
den.“ aufbrechen.“
Thurgan zerquetschte einen Fluch zwischen den Zäh- Während der über zehneinhalb Spann große Swafnir-
nen, während aus Ôles Nase immer noch ein rotes Rinn- Geweihte sich seinen Weg durch die Menge bahnte,
sal floß. „Zeige einmal her,“ meinte der Hetmann, wäh- wandte sich Thurgan an die greise Jarlin Premjastads.
rend er des Priesters Nase untersuchte, indem er sie hef- „Eindara, bitte sprich mit Tronde. Ich möchte nicht
tig hin und her bog. plötzlich seine Hetskaris auf meiner Insel haben. Mache
Er ließ erst ab, als der Priester ihm mit der Faust ebenso ihm klar, daß wir mit dem Problem alleine zurecht-
kräftig vors Schienbein hieb. „Gebrochen ist sie Swaf- kommen.
nirseidank nicht – Du kannst Dir also Deine Schönheit ...hoffe ich.“ Fügte er leise hinzu.
erhalten, mein Freund.“ „Ich auch, mein lieber Thurgan, ich auch. Bei Swafnirs
Ôle funkelte ihn von oben herab böse an, als er auf- schneeweißer Fluke...“, antwortete sie und gab Thurgan
stand. „Um das festzustellen, bräuchtest Du mir aber ihrerseits einen aufmunternden Klaps auf den Arm. Und
nicht die Nase ganz abreißen, Kleiner !“ Während er so verließ ihn auch Eindara Fjolnirsdottir mit Ziel
sein blutgetränktes Hemd auszog, um es sich anschlie- Swafnirtempel, während Thurgan sich leise vor sich
ßend unter die Nase zu pressen, ließ Thurgan seinen hinfluchend auf den Weg zu seinem Schiff machte, wel-
Blick über den weitläufigen Marktplatz schweifen, die ches hier irgendwo unter den vielen auf dem Strand lie-
Hoffnung nicht aufgebend, daß er sie doch noch entdek- gen mußte.
ken würde. Doch dem war nicht so. Ôle hatte seine Ge-
danken erraten. „Ich die Sturmkinder-Ottaskin und ihr * * *
beide den Hafen.“ näselte er unter seinem zusammenge- Schweigend ritten sie lange Zeit nebeneinander den
rollten Hemd hervor, dabei auf die alte Jarlin Premja- ausgetretenen Weg entlang, bis die oberste Swafnir-
stads zeigend, die gerade aus dem Torflügel trat, wäh- Priesterin Hjallands schließlich die Stille brach: „Weißt
rend er auch schon die Treppenstufen heruntersprang du schon, wie du mit den Brandrächern reden wirst ?“
und sich seinen Weg durch die immer größer werdende, Düsteren Blickes wandte der Eichenfuß sich seiner
neugierige Menge bahnte, die den Jubel im Tempel Schwester zu. „Ich weiß nicht, wie sehr sie Maike auf-
richtig als Ende des Hjaldings deutete und nun gierig gestachelt hat, aber ich erwarte das schlimmste.“
auf Nachrichten wartete. Ungemütlich rutschte er im Sattel hin und her.
Thurgan sah nur Eindara an und seufzte: „So komm’. Es würde nicht leicht werden, die Brandrächer von ihren
Laß uns den Ärger suchen ...“ Rachegedanken abzubringen. Denn es waren allesamt
* * * Hjaldinger, die im horasischen Salamanderfeuer Heim,
Familie oder Zukunft – meist alles zusammen – verloren
„Und ?“, fragte der Einbeinige. hatten und nur darauf sannen, ihre Rache zu nehmen.
„Nichts. Als ich in der Ottaskin ankam, waren schon Ein bunt zusammengewürfelter Haufe waren sie gewe-
lange keine Brandrächer mehr da. Ich habe gleich unse- sen. Voller Trauer, verletzt, verkrüppelt und gedemütigt,
re Leute losgeschickt, weiter in der Stadt nach ihnen zu als sie vor dreieinhalb Jahren nach dem großen Brand
suchen, aber bisher ohne Erfolg. Und hier im Hafen ?“ auf Hjalland eine neue Bleibe gefunden hatten. In dem
Ôle schaute zu Thurgan und Eindara herunter, doch in uralten Ort Hegarshavn, wo vor über zwei Jahrtausen-
ihren enttäuschten Gesichtern stand nicht die Antwort, den die ersten Hjaldinger auf Hjalland anlandeten und
die er erhofft hatte. ihre Siedlung gründeten. Jahrhunderte später wurde der
Der Eichenfuß zerkaute schon wieder einen Fluch zwi- Ort zu klein für die gewachsene Gemeinde und man
schen den Zähnen. gründete im Norda der Insel an einer besser geeigneten

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Stelle, einem „lieblichen Tal“ (Hjald. „lebjas Dahl“ – „Ein Narr und seine Schwester !“ blaffte Maike feindse-
„Ljasdahl“), die neue Siedlung. lig zurück.
Der alte Ort, benannt nach dem ersten Hetmann, wurde „Der Hersir und seine Priesterin !“ antwortete Eichen-
nie ganz aufgegeben, doch lebten hier nur noch ein paar fuß mit Bestimmtheit und bannte sie dabei festen Blik-
Fischer und Bauern ihr arbeitsreiches aber zufriedenes kes seiner grauen Augen.
Leben. Erst mit der Ankunft der Flüchtlinge erwachte Aus der murrenden Menge drängte sich nun ein blond-
wieder alles aus einem tiefen Schlaf. Alte Langhäuser mähniger Krieger hervor.
wurden endlich instandgesetzt, neue gebaut, die Palisa- „Elendige Verräter ! Verschwindet hier ! Wir werden
de der Ottaskin ausgebessert. nicht noch einmal auf eure falsche Zunge hereinfallen !
Die Flüchtlinge hatten begonnen, sich eine neue Heimat Es sind doch nichts als Lügen und wohlfeile Worte, die
zu schaffen. Doch damit hätte es ein jähes Ende, würden du hier von dir gibst. Du bringst uns nicht dazu, das
sie dem Beschluß des Hjaldings zuwider handeln... Andenken an unsere Lieben, die bei dem feigen Brand-
Magda Jörgesdottir riß ihren Bruder aus seinem Grü- angriff ihr Leben lassen mußten, in den Dreck zu treten.
beln: „Wir sind fast da. Hinter dem Wäldchen kann man Verschwindet hier endlich, bevor ich Euch in Stücke
schon den Ringwall sehen. ...wohlan, Swafnir ist mit haue !!!“ Und mit gezücktem Entermesser und bedroh-
den Mutigen.“ Beherzt faßte sie die Zügel fester, auf al- licher Haltung kam der Krieger auf den Einbeinigen zu,
les gefaßt, was nun kommen möge. bereit, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen.
„Das wohl, das wohl...“, murmelte Thurgan in seinen Thurgan ließ sich davon nicht im geringsten beeindruk-
mächtigen Schnurrbart und schloß wieder auf. ken, sondern musterte den Krieger ausgiebig, bis er
dann zu sprechen anhub.
* * * „Sicher bist du dazu in der Lage, Eigar. ‚Wieder’ muß
Feindselige Blicke allerorten. So manche Faust reckte ich noch hinzufügen, denn ich weiß noch, wie ausge-
sich ihnen entgegen und einige Flüche gellten ihnen hin- hungert und schwach du hier ankamst. Kräftig bist du
terher. geworden, Eigar. Wir haben dich wieder gut aufgefüt-
Doch ließen sich die beiden Geschwister davon nicht tert – das wohl.“
beirren und ritten gemächlich auf die Hethalla zu. Die Thurgans Worte zeigten Wirkung und er ließ den ver-
narbengesichtige Hetfrau der Brandrächer stand derwei- blüfften Eigar stehen, während er sich einem weiteren
len in der Tür. Als sie des Geschwisterpaares ansichtig Mann näherte. „Thornick, wie ich sehe, sind Deine
wurde, verzog sich ihr Gesicht in grimmer Wut und sie Wunden gut verheilt. Haben die Heilkräuter, die du von
schlug vor den beiden heftig die Tür zu. uns erhieltest, ihre Wirkung gehabt. Rudna, ein hüb-
Der Eichenfuß und seine Schwester warteten einige Mi- sches Kleid hast Du an !“, fuhr er im jovialen Plauder-
nuten zu Pferde, ob sie nicht doch wieder herauskäme, ton fort. „Ist das nicht aus den almadischen Stoffen, die
was jedoch nicht geschah. Dafür bildete sich eine Men- ich Euch schenkte ?“
schenmenge um die beiden, viele der Leuten hatten ihre Das zornige Murmeln der Menge verstummte und wich
Waffen dabei und alle schauten grimmig auf die beiden betretenem Schweigen. Plötzlich wurde vielen Leuten
Reiter, während sie den Ring um sie immer enger klar, wer da vor ihnen stand und was er bisher alles für
schlossen. sie getan hatte. Wahrlich keine Taten, für die man ihm
Schließlich wurde es Thurgan doch zu lang und so rief mit der scharfen Klinge danken sollte. Doch Maike
er mit seiner lauten, volltönenden Stimme: wollte sich nicht so leicht geschlagen geben.
„Maike Darasdottir ! Sind dir neben deinem Verstand „Worauf willst Du hinaus, Thurgan ? Wir haben das al-
auch noch das Wissen um Travias Gesetze der Gast- les hier...“
freundschaft abhanden gekommen ?!?“ Völlig überraschend und entgegen seiner bisherigen,
Ein zorniges Murmeln brandete auf, ob dieser kecken gemächlichen Art, wirbelte Thurgan auf einmal herum
Worte, doch verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Der Ring und unterbrach die narbengesichtige mit eiskalter Stim-
wurde nicht mehr kleiner. Alsbald öffnete sich auch me: „Das alles hier habt IHR NICHT selber aufgebaut !
wieder die Tür und die Hetfrau trat in den Türrahmen. Ihr würdet immer noch irgendwo am Bodir in
„Ihr seid hier nicht willkommen !“, rief sie erbost aus. Grassodenhütten hausen und von der Hand in den Mund
„Ihr wart hier einst willkommen.“, sprach Thurgan lapi- leben, wenn wir Euch nicht aufgenommen und Euch
dar, stieg umständlich von seinem Pferd und übergab dann dabei geholfen hätten, DAS alles hier aufzubauen.
die Zügel Magda. Wenige Schritte vor Maike blieb er Auch nach drei Jahren werfen eure Felder noch nicht
stehen und begann, sie zu mustern. genug ab, daß ihr alleine davon leben könntet. Ganz zu
„Was willst du hier ?!?“, stieß sie aus. schweigen von den Kühen, die Euch die Milch, und von
„Mit dir reden. Über dich, was du getan hast, über Euch den Schafen, die Euch die Wolle geben !“ Während er
und was ihr tun wollt.“ Dabei blickte er offen und sprach, humpelte Thurgan nun durch den Kreis und
furchtlos in die feindlich gesinnte Runde. „Wir wollen blickte jeden einzelnen direkt an, der da vor ihm stand.
Euch davon abbringen, Unrecht zu tun.“ Schließlich landete er wieder vor Maike und Eigar.

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„Und ihr schimpft mich deshalb einen Verräter und Thurgan sah sich nach allen Seiten um, während er mit
wollt mich in Stücke hauen ?!?“ dem Holzfuß aufstampfte.
„Und doch verrätst du unsere Toten, indem auch und „Wollt ihr das wirklich ?“ Er blickte wieder Maike an,
vor allem du diesem schmählichen Frieden zugestimmt der die Argumente ausgegangen waren. Mit Haß alleine
hast, der uns aufgezwungen wurde. Es wird keinen konnte man keine Sippe ernähren.
Frieden geben, bis alle unsere Toten gerächt sind !“ Die Thurgans Stimme war nun hart wie Stahl: „Ich verlange
jubelnde Zustimmung fiel ziemlich spärlich aus in der eine Abstimmung von euch. Hier und jetzt. Von allen !
Runde, Thurgan wußte Eindruck zu hinterlassen. Wir beide werden jetzt in die Halla gehen und uns auf-
„Wie soll sie denn aussehen, eure Rache ? Wollt ihr wärmen. In einer Stunde werden wir wieder heraus-
weiterhin gegen die Puderdosen kämpfen, bis sie oder kommen und dann wollen wir hören, wie ihr euch ent-
ihr allesamt zu ihren Göttern gegangen seid ?“ schieden habt: für den Verrat am Hjalding und dem
„So ist es !“ antwortete Maike stolz. „Wir werden sie...“ Leid für die Sippe, oder für den Frieden und dem Wohl
Thurgan unterbrach sie wieder: „Ja, WOMIT werdet ihr der Angehörigen.“
sie denn bekämpfen ?!? Mit den Schiffen, die ihr nicht Wortlos öffnete sich der Kreis um die beiden Geschwi-
habt ? WO wollt ihr sie denn bekämpfen ? Auf den Ol- ster zur Halla hin, worauf sie davor ihre Pferde anban-
portsteinen ? Da sind jetzt nicht mehr viele – aber IHR den und eintraten, um sich am Feuer zu wärmen. Von
werdet da sein. Da, wo alle Friedlosen leben. Jawohl, draußen klang nur undeutliches Gemurmel herein.
FRIEDLOS !“ Magda nahm Thurgans Hände. „Bruder, laß uns zu
Wieder stapfte Thurgan durch den Rund, diesmal in er- Swafnir beten, daß bei ihnen die Vernunft obsiegen mö-
schreckte Gesichter blickend. ge.“
„Meint ihr etwa, daß euer Verrat ungesühnt bliebe ? „Das wohl, Schwester, das wohl.“, seufzte Thurgan ...
Richtig, Eigar: VERRÄTER !“, dabei stupste Thurgan
ihm vor die Brust. „Verräter seid ihr dann alle, denn ihr * * *
habt damit den Hjaldingsbeschluß verraten. Wenn ihr Drei Tage später, in der Ottaskin der Hetleute auf den
meint, Euch über das Hjalding setzen zu können, dann Klippen Thorwals.
tragt auch die Folgen dafür. Maike trat vor den Stuhl Trondes, auf dem dieser zu-
Doch wer wird Euch helfen, neue Heimstätten auf den sammengesunken saß. Die Feuer ließen die Falten, die
Olportsteinen zu bauen ? Ihr habt Euch hier eine neue sich in den letzten Jahren in sein bartloses Gesicht ge-
Heimat erschaffen. Wie ich sehe, sind einige von Euch graben hatten, noch tiefer aussehen. Müde und doch mit
schon von Travia gesegnet.“ Dabei zeigte Thurgan auf einem Funken Hoffnung in den Augen blickte er zur
die eine oder andere Frau, die einen kugeligen Bauch narbengesichtigen Hetfrau der Brandrächer auf.
vor sich her schob. „Wollt ihr eure Kinder in der Fried- „Ich ... bin gekommen ...“ Tief atmete Maike durch.
losigkeit gebären ? Wollt ihr so das Andenken an eure „Ich bin gekommen, Tronde, um dir auch mein Wort als
Angehörigen entweihen ? Wer wird sich noch an sie er- Pfand zu geben ..., daß sich auch die Brandrächer an den
innern, wenn nicht ihr, die ihr dann in einen hoffnungs- Friedensschluß halten werden. So, wie es auf dem Hjal-
losen Kampf zieht, aus dem es keine Wiederkehr geben ding beschlossen wurde.“
wird ? Wer wird sich eurer erinnern ?“ Schwer war es ihr trotz allem gefallen, diese Worte aus-
„Wir ehren unsere Toten und wir kämpfen, um sie rä- zusprechen – das sah Thurgan ihr an, obwohl er hinter
chen, wie wir es schon die letzten drei Jahre gemacht ihr stand.
haben ! Was sollte sich daran nun ändern ?“ ereiferte Tronde erhob sich langsam aus seinem Stuhl und blickte
sich Maike wieder. Maike tief in die Augen. Die Erleichterung stand ihm
„Ich habe Augen im Kopf !“ erwiderte der Eichenfuß. ins Gesicht geschrieben. Mit leiser Stimme sprach er zu
„Meinst Du etwa, ich hätte nicht gesehen, wie wenige der Frau: „So gibt es doch noch Hoffnung, daß die
von Euch auf Heerzug waren, während die anderen die Hjaldinger nicht in ihrem eigenen Blute ertrinken wer-
Felder bestellten und die Häuser ausbesserten ? Ver- den. Maike Darasdottir, ich bin froh darüber, den
scheucht dieses Trugbild aus euren Köpfen, Brandrä- Schwur aus deinem Munde zu hören.“
cher. Viele der Horasier, die an dem Brandangriff auf Und erleichtert umarmte er sie, während im Feuerschein
Thorwal beteiligt waren, sind inzwischen tot, die An- Tränen in seinen Augen glitzerten. Die narbengesichtige
führer vor den Küsten Güldenlands verschollen. Die Frau begann zu schluchzen und das ganze Leid der letz-
meisten von Euch haben ihren Frieden mit sich wieder ten Jahre brach sich seine Bahn ins Freie.
gemacht. Ihr habt neue Familien gegründet, neue Häu- Dieser Anblick ist nicht für andere Augen gedacht und
ser gebaut und beackert neue Felder. so verließen Thurgan und Eindara die Halla.
Wollt ihr das alles aufgeben für ein nebulöses Dings
namens „Rache“, das ihr nicht ausführen könnt, weil ihr Draußen wartete Jurga Trondesdottir auf sie:
gar nicht an die Feinde herankommt und dafür noch eu- „Thurgan Eichenfuß – auf ein Wort ...“
re Familien mit ins Leid stürzen ?“ *

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Impressum
REDAKTION
Johannes Beier | johannes@thorwal-standarte.de
[Herausgeber, Website]
Wer den Klang aus dem Horn der Weidener Herzöge ver-
Volkmar Rösner | volkmar@thorwal-standarte.de nimmt, weiß daß Weiden in Gefahr schwebt und wer die
[Druckversion] gleichnamige Postille liest, weiß weshalb dieses so ist. Und
wer schon immer wissen wollte, was sich in den Landen der
Meike Kreimeyer | meike@thorwal-standarte.de Bärenkrone zwischen Auen und Trallop so alles ereignet, dem
[Korrektorat] sei die Postille Fantholi anempfohlen, welche die Bewohner
Kontakt zur Redaktion, Leserbriefe und Freunde des mittnächtlichen Herzogtums getreulich über
eMail: redaktion@thorwal-standarte.de alle dortigen Ereignisse und Entwicklungen unterrichtet.

Online-Auftritt der Standarte


WWW: http://www.thorwal-standarte.de Fantholi #23 - Weiden vor dem Sturm
An dieser Hjalding-Sonderausgabe waren beteiligt:
Die lange Wartezeit hat ein Ende ! Eine neue Ausgabe
A
usgabe20Arne Klingsöhr, Paddy Fritz
Jens der Weidener Provinzgazette ist endlich erschienen !
- Das Hjalding der Hetleute beginnt
Jens Arne Klingsöhr, Frank Mienkuß, Volkmar Rösner
Aus dem Inhalt der Numero XXIII:
- Duell der Hetmänner Auf über 40 Seiten erfährt man von:
André Schunck, Volkmar Rösner - einem Handelsvertrag zwischen Darpatien und Weiden
- Frieden zwischen Adler und Wal - einem Landplacker, der das Herzogtum erpreßt
Jens Arne Klingsöhr, Frank Mienkuß - einem Verlobungswahn in der Sichelwacht
- Weg in die Friedlosigkeit ?
Volkmar Rösner
- und noch vielerlei mehr !
Patrick Fritz | heavyhoagie@NetCologne.de
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RECHTLICHE HINWEISE Fantholi erst richtig deutlich !
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