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SAN SALVADOR - PETER BICHSEL

Die von Peter Bichsel verfasste Kurzgeschichte „San Salvador" (1964) handelt von einer über die Jahre erkalteten Ehe. Um die
Sehnsucht nach Wärme zu erfüllen spielt Paul, der Hauptprotagonist, mit dem Gedanken seine Frau Hildegard sowie seine Kinder
zurückzulassen, um der Monotonie und Sinnlosigkeit seines Lebens ein Ende zu setzen.

In die Handlung der Kurzgeschichte wird unmittelbar mit dem vermehrten Ausprobieren, Entleeren und Befüllen seiner neuen Füllfeder
eingeführt. Dabei füllt Paul einen Bogen mit dem Satz „Mir ist es hier zu halt", welcher mit einer Erklärung, dass er nach Südamerika
will, weitergeführt wird. Abgesehen davon füllt Paul die Zeit des Wartens auf die Rückkehr seiner Frau vom Kirchenchor mit
Aufräumen, durch die Zeitung Blättern, das Radio Ein- und schließlich wieder Abzuschalten während sein Blick immer wieder zur Uhr
abschweift. Später malt er sich die Reaktion seiner Frau auf seinen verfassten, hinterlassen Brief aus. Dabei stellt er sich vor, wie
seine Frau nach Hause kommt, den Brief ließt, aufgebracht die Situation durchlebt und sich schlussendlich mit der Situation zufrieden
stellt. Die Handlung wird damit abgeschlossen, dass er überlegt wem er sonst noch einen Brief schreiben könnte, wiederholtem Lesen
und Analysieren der Gebrauchsanweisung sowie der Rückkehr seiner Frau Hildegard, die ihn nach deren Kindern fragt.
In der Erzählung, die durch das personale Erzählverhalten aus Pauls Perspektive charakterisiert wird, beschreibt der Er-Erzähler die
verschiedenen belanglosen Tätigkeiten Pauls zeitdennend in einer sachlichen und monotonen Erzählhaltung. Der erste Teil der
Kurzgeschichte (Z.1-27) beschreibt die Außenperspektive bzw Handlungen Pauls während der Zweite (Z.28-42) seine
Innenperspektive bzw. seine Fluchtphantasie illustriert. Schlussendlich wird in einem dritten Teil (Z.43-53) wieder in die
Außenperspektive zurückgeführt. Der Umfang der Kurzgeschichte ist sehr gering. Sowohl der Anfang als auch das Ende sind offen,
wodurch auch die Figuren nicht weiter eingeführt werden. Der Handlungsverlauf ist dennoch stark steigend, wobei der Wendepunkt
gleichzeitig das Ende ist, und den Augenblick eines Dilemmas im Alltag einer gewöhnlichen Familie illustriert. Während Paul sich in
seinen Gedanken (im Konjunktiv) Vorausdeutenden ausmalt, ist der Rest der Geschichte zunächst zeitdeckend, und nach einem
Zeitsprung (vgl. Z.15) schließlich meist zeitraffend verfasst.
Zudem weist der Text einen Wechsel zwischen stark verschachtelten und stark verkürzten Sätzen auf. Man kann feststellen, dass sich
die Satzlänge verringert, umso näher die Rückkehr Hildegards rückt. Dies verdeutlicht die sich steigernde innere Unruhe, Nervosität
und Resignation des Protagonisten Pauls während es ihm immer klarer wird, dass er sein Vorhaben nicht mehr wird verwirklichen
kann. Gestützt wird dieser Aspekt durch mehrere Ellipsen (vgl. Z.50; Z.23f), die zum einen die Gedankenfetzen widerspiegeln und
zum anderen eine gewisse angespannte Atmosphäre vermitteln. Die bereits benannte Prokrastination wird hingegen von zeilenlangen
Aufzählungen (vgl. Z.1-6) charakterisiert, unterdessen Paul zum einen abgelenkt und gedankenverloren, zum anderen jedoch
bestimmt wirkt. Diese Wirkung wird durch viele sich wiederholende Elemente (vgl. Z.25, Z.14 und 50) verstärkt.
Ein weiterer, sich durch die ganze Kurzgeschichte ziehender Faktor, ist die komplizierte Beziehung zwischen Hildegard und Paul. Ihr
Verhältnis scheint am Boden, ein Indikator hierfür wären die Worte „Sich damit abfinden“ (Z.37 f) die Paul seiner Frau in den Mund
legt, nachdem er davon fantasiert auszuwandern und seine Familie hinter sich zu lassen. Auch die Liebe Hildegards scheint durch die
Alltagsroutine wie verloren, die einzige Verbundenheit stellen die Kinder (vgl. Z.52) und die vergangenen Jahre dar. Aus dem Text geht
hervor, dass sich die beiden wie auswendig zu kennen (vgl. Z.39-42). Anzumerken ist, dass kein direkter Dialog zwischen Hildegard
und Paul vorliegt. Jedoch kann man aus den sehr präzisen Schilderungen Pauls bis hin zum Haare aus dem Gesicht Streifen
(vgl.Z.41f. und 53) eine sehr vertraute Beziehung rückschließen. Dies steht im Kontrast zu der mangelnden Kommunikation des
Ehepaars, Paul stellt es schließlich so dar, als wäre seine Frau zumindest anfangs von seinem Plan überrascht (vgl. Z.37f.). Es liegt
kein direkter Dialog zwischen den Protagonisten Paul und Hildegard vor. Dennoch ist relativ schnell klar, dass der Familienvater seine
Wunschvorstellungen, die vorerst durch den Kauf des Füllers realer erschienen, nie in die Tat umsetzen wird. Gegen Ende liest er
nochmals die Gebrauchsanweisung des Füllers und lässt seine ursprüngliche Intention wie zum Abschied revue passieren.
Der Titel der Geschichte, „San Salvador“ der übersetzt so viel wie „Heiliger Retter bzw. Erlöser“ bedeutet, ist zusätzlich ein bewusst
ausgewähltes Element. Er ist der Name einer der größten Städte Mittelamerikas - einem der Orte, zu dem die Hauptfigur zu gerne
entfliehen würde. Dieser symbolisiert folglich dessen überwältigendes Drängen nach einem Neuanfang, der für Paul fast einer
Erlösung gleichkäme.
Der bereits erwähnte Füllfederhalter stellt in der Kurzgeschichte das Leitmotiv dar. Für Paul scheint er wie ein Schlüssel zur Freiheit,
wie eine Möglichkeit der für ihn eintönigen Routine als Familienvater und Ehemann zu entgehen.

Somit kann abschließend gesagt werden, dass es Peter Bichsel gelungen ist, die fehlende Kommunikation und die damit verbundene
Unzufriedenheit im Alltag vieler Paare realistisch und ansprechend zu veranschaulichen.

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