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Deutsch Lea Gottschalk

Interpretation „Hauptsache weit“

In der Kurzgeschichte „Hauptsache weit“ von Sibylle Berg, erschienen 2001 in dem
Sammelband der Autorin „Das Unerfreuliche zuerst“, reist der Protagonist, ein junger Mann,
durch Asien und schildert mittels der personalen Erzählhaltung seine Erfahrungen und
Gefühle. Mit ihrer Kurzgeschichte möchte Berg vermutlich die Kontradiktion zwischen
Vorstellung und Wirklichkeit aufzeigen.

Im ersten Abschnitt wird die vorherige Situation des Jungen beschrieben, er hat die Schule
beendet und möchte nun reisen, bevor er später wahrscheinlich in London einen kreativen Job
ausüben wird (vgl. Z. 1–5).
Der zweite Abschnitt befasst sich mit der momentanen Situation, in der er sich befindet und
beschreibt, wie unwohl und einsam er sich in der fremden Umgebung fühlt. Ihm bekommt das
einheimische Essen nicht und er sehnt sich nach deutschen Fernsehstars (vgl. Z. 22) und fühlt
sich, als ob er gar nicht existieren würde, wenn ihm nichts Vertrautes umgibt.
Zuletzt wendet sich die Geschichte und der Protagonist entdeckt zufällig ein Internetcafé, dass
es ihm ermöglicht seinen Freunden zu schreiben, seine E-Mails zu lesen. Für einige Stunden
fühlt er sich wieder wohlbehalten und geborgen.

Charakteristisch für Kurzgeschichten, ist der Anfang des Textes in der meist bereits
begonnenen Handlung, als Leser tritt man direkt ins Geschehen ein. Ein weiteres zutreffendes
Merkmal ist die plötzliche Unterbrechung des Lebens des Protagonisten, durch ein
„besonderes“ Ereignis, wie hier der Aufbruch zur Reise bzw. die Tatsache, dass er sich bereits
auf der Reise befindet. Übermittelt wird diese Veränderung durch einen Tempuswechsel nach
dem ersten Abschnitt.
Die Geschichte wird durch einen heterodiegetischen Erzähler dargestellt, erkennbar daran,
dass er selbst nicht in der Geschichte vorkommt, aber die Gedanken des Jungen
kennt z.B. („Das ist wie tot sein, denkt der Junge“ Z. 31–32).
Bereits die Überschrift verweist, in Verbindung mit dem ersten Satz, auf die Sehnsucht und
Rastlosigkeit des Jungen. Er möchte von Zuhause weg, möchte etwas Neues erleben, seinen
Alltag hinter sich lassen und einfach dem derzeitigen Leben entfliehen. Seine anfängliche
Vorfreude schwindet aber bereits kurz nach seinem Aufbruch und wird durch zunehmende
Enttäuschung und Trauer ersetzt. Er fühlt sich fremd, so als ob er nicht mal mehr existieren
würde und seine starken Gefühle werden mit Hyperbeln („Dann gibt es ihn nicht“ Z. 29, „Das
ist wie tot sein […]“ Z. 31) untermalt. Die Realität ist eine völlig andere, als die, die er sich
zuvor vorgestellt hatte, Er wollte „[…] entspannt mit Wasserbüffeln spielen […], in
Straßencafés sitzen und cool sein“ (Z. 43–45).
Seine gegenwärtige Situation gleicht nicht der, die er sich erhofft hatte, was ihn nur noch
mehr in Trauer und Unzufriedenheit versetzt. Dies ist das erste Mal, dass er mit Enttäuschung
umgehen muss (vgl. Z. 3) und dass er Erfahrungen außerhalb seines gewöhnlichen Umfeldes
macht. Sein Wunsch cool zu sein (vgl. Z. 45), sich abzuheben, kollidiert gleichzeitig mit der
Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Er ist überfordert mit all der Unzufriedenheit und der Tatsache, dass er sich mit sich selbst
und der wirklichen Realität auseinandersetzen muss, weshalb er anfängt zu weinen („Jetzt
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weint er doch […]“ Z. 36-37). Die Stimmung des Textes und die des Protagonisten ändert
sich jedoch zum Ende hin, da er sich für „[..] ein paar Stunden […] (Z. 58) wieder aufgehoben
fühlt und durch eine Metapher ([…] taucht in den Bildschirm ein […] Z. 57) wird dem Leser
noch einmal verdeutlicht, wie vertieft der Junge hierbei ist und völlig aufzugehen scheint. Die
Welt um ihn herum und die noch zuvor aussichtslose Situation vergisst er dadurch, dass er
nun einigen Freunden antworten und seine E-Mails lesen kann.

Abschließend ist pointiert festzuhalten, dass die Eingangsthese, der oben durchgeführten
Interpretation standhielt. Berg zeigt das Zerwürfnis der Gefühle und Sehnsucht nach etwas
Neuem, gerade nach dem Schulabschluss, bei jungen Erwachsenen auf und gleichzeitig auch
den klaren Unterschied zwischen Realität und Vorstellung. Wir malen uns meist
unerreichbare Dinge aus und setzen zu hohe Erwartungen, während wir nicht mit
Enttäuschung, Gefühlen der Einsamkeit umgehen können oder bereit sind sich mit uns selbst
auseinanderzusetzen. Die jugendliche Naivität führt uns dazu, an unserer romantisierten
Vorstellung festzuhalten und jegliche Abweichung davon als frustrierend zu verzeichnen.
Sybille Berg macht also auf den klaren Unterschied zwischen diesen beiden Welten
aufmerksam.

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