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Werkstoffkunde

Wärmebehandlung der Stähle

Dr. Roland Palkovits


BWIB, WS 2022/23
Wärmebehandlung
Ziele

Die mechanischen Eigenschaften von Stählen können durch Wärmebehandlung gezielt


verändert werden.
→ Festigkeit, Härte, Zähigkeit, Verschleißbeständigkeit,
Zerspanbarkeit (Fräsen, Drehen), Eigenspannungen
Fast nicht beeinflusst wird der Elastizitätsmodul (wird von den Bindungen zwischen den Atomen
bestimmt und gibt an, wie sehr ein Werkstoff unter mechanischer Belastung elastisch nachgibt.

Schritte der Wärmebehandlung


• Werkstück wird aufgeheizt
• Temperatur eine Zeit lang konstant gehalten
• Abkühlung (langsam oder schnell, ev. mit Zwischenhalt)
• erneute Erwärmung und Abkühlung

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Temperaturführung
Erwärmen & Abkühlen
Rand und Kern werden unterschiedlich
schnell erhitzt.
Anwärmen: Zeit, bis der Rand die
Solltemperatur erreicht hat.
Durchwärmen: Temperaturausgleich
zwischen Rand und Kern.
Halten: bis die gewünschten Vorgänge
abgelaufen sind.

Temperaturführung bei Wärmebehandlungen

2 Gruppen der Wärmebehandlung


▪ Glühbehandlung: langsamen Erwärmung und langsame Abkühlung, Werkstoff im
Gleichgewicht (energetisch günstiger Zustand).
▪ Härten: schnelle Abkühlung, Werkstoff nicht im Gleichgewicht
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Glühbehandlungen
Eisen-Kohlenstoff Zustands-
diagramm:
Glühbehandlung nach Engell-Nielsen

• Kohlenstoffgehalt
• Zementitgehalt
• Temperatur
• Glühfarbe
• Anlassfarbe: Farbe blanken
Stahls, wenn 2 Stunden langsam
erwärmt wird (anlassen). → bildet
sich Oxidschicht aus (Interferenz-
farbe)
• Phasen: Punkte, an den die Linien
beginnen, mit Buchstaben benannt
(A: Schmelzpunkt von Eisen)
• Temperaturen der
Glühbehandlungen

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Glühbehandlungen
Normalglühen

Beim Normalglühen wird der Stahl in seinen „normalen“ Zustand gebracht.

Vorgangsweise im Engell-Nielsen Zustandsdiagramm


Stahl wird auf 30 bis 50°C oberhalb der Linie GOSK für ca. 30 Min. erwärmt und
anschließend langsam abgekühlt.
G: polymorphe Umwandlungspunkt von Eisen
K: 6,7% C-Gehalt
O: steht für magnetisches Verhalten

Das Normalglühen bewirkt eine zweifache Phasen- und Gefügeumwandlung:


Ausgangszustand → Austenit → Ferrit + Zementit

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Glühbehandlungen
Normalglühen

Wenn man Stahl mit z.B. 0,4% C-Gehalt von


Raumtemperatur auf Normalglühtemperatur
bringt, kommt man wieder in den Punkt 3.
(Austenitgebiet mit γ-Mischkristallen)

Beim Normalglühen entstehen kleine, feine


Körner. → zäher Stahl mit mittlerer
Festigkeit und wenig inneren Spannungen

Anwendungen
Stahlguss, Baustähle
Langsame Abkühlung von Stahl mit 0,4% C (C40E)

Bei zu hohen Temperaturen bilden sich große Austenitkörner mit geringerer Zähigkeit und
Festigkeit.
Bei niedrigen Temperaturen tritt kein Normalglüheffekt auf.

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Glühbehandlungen
Weichglühen
Durch Weichglühen wird der Stahl weich gemacht. Dieser lässt sich gut umformen und
zerspanen. Es entstehen kugelförmige Karbide.

Vorgangsweise
Stahl wird für einige Stunden unterhalb der Linie PS (bis 0,8% C) bzw. um die Line SK
(>0,8% C) erwärmt und anschließend langsam abgekühlt.

Bei langsam abgekühlten Stählen liegt der Kohlenstoff in Form von Zementit vor
(lamellen- bis blattartig).
Je mehr Kohlenstoff ein Stahl enthält, umso mehr Zementit entsteht. Der Stahl wird
hart und spröde. Ab 0,8% C lassen sich normalgeglühte Stähle nur wenig umformen
und zerspanen.
Durch Weichglühen wird der lamellenartige Zementit in viele kleine kugelförmige
Zementitkristalle umgewandelt, die von Ferrit umgeben sind.

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Glühbehandlungen
Weichglühen

Der Zementit ändert sich nicht. Es ändert sich


nur die Form der Zementitkristalle.

Dieser ist in Ferrit eingebettet, ist weich und


lässt sich plastisch gut verformen.

Gefüge eines Stahl mit 0,8% C:


normalgeglüht (links), weichgeglüht (rechts)

Anwendungen
Stähle mit höherem Kohlenstoffgehalt (> 0,5%).
→ Können dadurch leichter bearbeitet werden.

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Glühbehandlungen
Spannungsarmglühen

Prinzip
Die Eigenspannungen des Werkstücks (mechanische Spannung ohne äußere Krafteinwirkung)
werden dadurch minimiert.
• Erwärmen des Stahl auf 550 bis 600°C für 2 Stunden
• langsame Abkühlung
→ Stahl wird sehr weich; elastische Dehnungen („Verspannungen“) werden in plastische
Dehnungen umgewandelt.
• Das Gefüge (Kristallgitter) bleibt dabei unverändert.

Anwendungen
• spröde Werkstoffe werden belastbarer
• Reduktion des Verzugs beim Zerspanen

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Glühbehandlungen
Andere Glühbehandlungen

Hochglühen
Der Austentitanteil wird erhöht. Es wachsen große, grobe Kristalle (Körner) aus der
Schmelze
→ Vorteil beim Zerspanen, aber die Zähigkeit sinkt

Diffusionsglühen
unterschiedliche chemische Zusammensetzungen werden durch Diffusion ausgeglichen,
Nachteil: größere Körner, die Zähigkeit sinkt

Rekristallisationsglühen
Rekristallisation nach vorangegangener Kaltverformung, besonders bei Nichteisenmetallen
verwendet

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Härten
Vorgänge im Stahl – Sehr langsame Abkühlung

Unter Härten werden alle Wärmebehandlungen von Stählen zusammengefasst, bei denen
Stahl bis in das Austenit-Gebiet erwärmt wird, eine bestimmte Zeit dort gehalten wird und
dann so schnell abgekühlt wird, dass Härte und Festigkeit zunehmen.

1. Stahl wird bis ins Austenitgebiet (kfz)


erwärmt (30-50°C oberhalb der GS-
Linie) → ca. 830°C, der gesamte C löst
sich im Austenit.
2. Temp. 10-30 Min halten, C verteilt sich
gleichmäßig durch Diffusion.
3. Langsame Abkühlung bis bei 790°C die
GS-Linie erreicht ist. → Ferritkristalle
beginnen aus dem Austenit zu
kristallisieren. Diese wachsen bis zur PS-
Linie (723°C). Aus Austenit bildet sich Eisen-Kohlenstoffdiagramm (Ausschnitt): Stahl C40E
(0,4% C), zwischen 600 und 900°C finden die meisten
Perlit. Veränderungen statt.
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Härten
Sehr langsame Abkühlung von Stahl

Für die Härtung sind die Temperaturen A1 und A3 wichtig!


A steht für halt, frz. arrét – Haltepunkt beim Aufheizen/Abkühlen, entspricht
Wärmeenergien, die bei der Phasenumwandlung frei werden.
Ac1 & Ac3: (c: chauffage) → Aufheizen
Ar1 & Ar3: (r: refroidissement) → Abkühlen
A3-Temp.: Temperatur, bei der sich beim langsamen Abkühlen zuerst Ferritkristalle bilden.
A1-Temp: Temperatur, bei der sich Perlit bildet.

Beim ganz langsamen Abkühlen aus dem Austenitgebiet beginnt sich bei A3 der
Ferrit zu bilden. Die Ferritbildung setzt sich bis A1 fort (Perlitbildung).

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Härten
Schnellere Abkühlung von Stahl
➢ Langsame Abkühlung (Luft)
Diffusion und Umwandlungen sind verlangsamt; Ferritbildung 10 bis 30°C unter A3 und
Perlitbildung 10 bis 30°C unterhalb A1-Temperatur.

➢ Etwas schnellere Abkühlung (bewegte Luft)


Umwandlungstemperaturen 100 bis 150°C unterhalb A3 bzw. A1.

➢ Mittelschnelle Abkühlung (Ölbad)


Nur noch die kleinen C-Atome können diffundieren. Es bildet sich ein neues Gefüge aus
Ferrit mit eingelagerten Fe3C-Kriställchen (Bainit).

➢ Schnelle Abkühlung (Abschrecken in Wasser)


Fe und C-Atome können nicht mehr diffundieren, d.h. Austentit kann bis Raumtemperatur
abgekühlt werden. Zwischen 300 und 100°C bildet sich Martensit (trz-Kristallstruktur) aus.
Der gesamte C ist darin gelöst. Der Stahl wird hart aber auch spröde (klassische Härtung).

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Härten
Zeit-Temperatur Umwandlungsdiagramm (ZTU)

Ein ZTU-Diagramm zeigt an, nach welcher Zeit (Z) bei welcher Temperatur (T) welche
Umwandlungen (U) stattfindet.

Stahl wird dabei immer bis in das Austenitgebiet erwärmt, die Temperatur eine bestimmte
Zeit gehalten und anschließend abgekühlt. Dafür gibt es zwei prinzipielle Methoden:

➢ Kontinuierliche Abkühlung
Es wird ohne Unterbrechung abgekühlt.
➢ Isotherme Temperaturführung
Härtung bei konstanter Temperatur.

Am besten können Phasenumwandlungen im Temperatur-Zeit Diagramm dargestellt werden.

Bei zu hohen Temperaturen bilden sich grobe Austenitkörner mit schlechten


Gefügeeigenschaften. Bei zu niedrigen Temperaturen gibt es keine Austentbildung und somit
keine Härtung.

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Härten
ZTU-Diagramm
Wärmebehandlung mit kontinuierlicher Abkühlung
Stahl wird von Raumtemperatur bis ins
Austenitgebiet erwärmt (30-50°C
über A3-Temperatur), eine gewisse
Zeit gehalten und kontinuierlich (mit
unterschiedlichen Geschwindigkeiten)
abgekühlt.

Wärmebehandlung mit isothermer Temperaturführung


Stahl wird vom Austenitgebiet auf
mittlere Temperatur abgekühlt, und
eine Zeit lang gehalten, bis die
gewünschten Vorgänge im Stahl
abgelaufen sind. Anschließend wird
auf RT abgekühlt.
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Härten
ZTU-Diagramm für kontinuierliche Abkühlung
Temperatur-Zeit Verläufe
mit Umwandlungen von Stahl
mit 0,4% Kohlenstoff.

▪ Temperatur und Zeit werden im Diagramm aufgetragen (Zeitskala nicht real!).


▪ A1- und A3-Temperatur werden als gestrichelte Linie dargestellt.
▪ Mit dem Abkühlen beginnt die Zeit Null. In den Abkühlungslinien werden die
Umwandlungen eingetragen.
Zur besseren Übersicht der Zeitskala wird diese logarithmisch dargestellt.

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Härten
ZTU-Diagramm für kontinuierliche Abkühlung

Die abgelesenen Punkte der


mittlere Abkühlkurve aus der
vorigen Seite werden in ein
Diagramm mit logarithmischer
Zeitskala aufgetragen.

▪ Bei ganz kleinen Zeiten ist die


Temperatur kaum gesunken
(Start: ca. 830°C)
▪ Bei mittleren Zeiten läuft die
Kurve durch die eingezeichneten
Punkte.
▪ Bei ganz langen Zeiten erreicht
die Kurve Raumtemperatur.

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Härten
ZTU-Diagramm für kontinuierliche Abkühlung

Verschieden schnelle
Abkühlungskurven von Stahl
mit 0,4% Kohlenstoffgehalt
(logarithmisch aufgetragen).

Sichtbar sind zeitlich


versetzte Kurven. Die
schnellen Abkühlungen sind
links (kurze Zeiten), die
langsamen Abkühlung
rechts (lange Zeiten)
eingezeichnet.

ZTU-Diagramme für kontinuierliche Abkühlung werden entlang der Abkühlungslinien oder


parallel dazu gelesen.

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Härten
ZTU-Diagramm für kontinuierliche Abkühlung

ZTU-Diagramm mit integrierten


Gefügeumwandlungen
6. Kurve von rechts (langsamste
Abkühlung): Ferritbildung beginnt
knapp unter A3. Beginn und Ende der
Perlitbildung knapp unter A1.
5. Kurve: Ferrit- und Perlitbildung sind
zu niedrigeren Temperaturen verschoben.
4. Kurve: Ferritbildung bei 710°C
(weißer Punkt), Perlitbildung zwischen
670 und 620°C (hellgrauer Punkt).
3. Kurve: nur C-Atome diffundieren,
Bainit (dunkelgrau) und Martensit
(schwarz) erscheinen. F: Ferritbildung
2. Kurve: nur Bainit- und Martensitbildung, Fe und C-Atome können fast nicht mehr diffundieren. P: Perlitbildung
B: Bainitbildung
1. Kurve: Abschreckung, keine Diffusion, Martensitbildung bei 350°C M: Martensitbildung
A: vorhandener Austenit
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Härten
ZTU-Diagramme – Bsp.

Unlegierter Stahl mit 0,35% Kohlenstoff


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Härten
ZTU-Diagramme – Bsp.

Niedriglegierter Stahl mit 0,34% C, 1% Chrom und 0,4% Molybdän


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Härten
ZTU-Diagramme – Bsp.

Niedriglegierter Stahl mit 0,5% C, 1% Chrom und 0,4% Molybdän


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Härten
Interpretation der ZTU-Diagramme

➢ Besteht das Gefüge zur Gänze aus Martensit, dann ist die Härte bei
einem bestimmten Stahl immer gleich – egal wie schnell er abgekühlt
wird.

➢ Die größte beim Härten erreichbare Härte (Härte des Martensits)


hängt fast nur vom Kohlenstoffgehalt ab und kaum von den
Legierungsbestandteilen.

➢ Die notwendigen Abkühlgeschwindigkeiten, um einen Stahl zu härten,


hängen ganz entscheidend von den Legierungsbestandteilen und vom
Kohlenstoffgehalt ab.

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Härten
Auswirkungen in der Praxis
Stahlproben mit dickeren Querschnitten können nicht so schnell von der Austenitisierungs-
temperatur abgekühlt werden wegen der begrenzten Wärmeleitung.

▪ Aus praktischen Gründen


wird das mittlere
Zeitintervall aufgetragen,
das zwischen 800 und
500°C verstreicht (t8/5-
Zeit).

▪ Es wird zwischen 3
verschiedenen Abkühlmedien
unterschieden, und zwischen
der Abkühlung am Rand (1%
des Durchmessers unter der
Abkühlungsdauer zylindrischer Proben aus un- & niedriglegierten Stählen
Oberfläche) und im Kern. beim kontinuierlichen Abkühlen aus dem Austenitgebiet

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Härten
Auswirkungen in der Praxis – Bsp.

Kontinuerliche Abkühlung eines


Zylinders, wenn dieser von
Austenittemperatur (830°C) in
Wasser abgeschreckt wird

Die Messung beginnt bei


800°C und endet bei 500°C.
Die Abkühlung geht aber bis
RT weiter.

Härte zylindrischer Proben

Es gibt z.T. erhebliche Unterschiede zwischen Rand und Kern, aber auch langsamere
Abkühlung von Proben mit großem Durchmesser. → Auswirkung auf die Härte

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Härteverfahren
Definition
Härtbarkeit ist die Neigung eines Stahl durch Abschrecken härter zu werden.
Aufhärtbarkeit
Härte von reinem Martensit (maximale durch Härten erreichbare Härte), hängt nur vom C-
Gehalt ab.
Einhärtbarkeit
Tiefe mit der sich Stahl härten lässt (z.B. 50
HRC) . Diese lässt sich vom C-Gehalt und den
Legierungsbestandteilen beeinflussen.
▪ Erst ab ca. 0,2% C-Gehalt sind Stähle
härtbar.
▪ Über 0,7% C steigt die Härte kaum noch
an.
▪ Je höher der Gehalt an Legierungs-
elementen, umso langsamer kann Stahl Aufhärtbarkeit (Rockwellhärte HRC) un- & niedriglegierterer Stähle:
abgekühlt werden um zu härten. Die oberste Kurve ist reiner Martensit
▪ Stähle unter 0,2% C sind gut schweißbar.
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Härteverfahren
Abschreckmittel

• Luft: hochlegierte Stähle


• Gase unter erhöhtem Druck (N2, 5-20 bar): mittelschnelle Abkühlung, ohne Sauerstoff
• Öle: mittelschnelle, gleichmäßige Abkühlung
• Wasser: schnelle Abkühlung, ungleichmäßige Abkühlung, Gefahr von Verzug und
Rissen, Bildung von Dampfblasen
• Polymerlösungen: gleichmäßigere Abkühlung und weniger Verzug als Wasser
• Kochsalzlösung: noch schneller als Wasser, Bildung von Dampfblasen
• Salzschmelzen: gleichmäßige Abkühlung auf mittlere Temperaturen
• Kontakt mit gekühlten Werkzeugen (Presshärten): Kombination aus Formgebung und
Härtung von Blechen

Nach dem Härten wird das Bauteil noch für kurze Zeit auf 100-200°C erwärmt,
um Spannungen und die im Bauteil zu reduzieren. → Anlassen

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Härteverfahren
Konkrete Verfahren und Anwendungen

Direktes Härten
Kontinuierliches Abkühlen aus dem Austenitgebiet ohne Veränderung oder Unterbrechung der
Abkühlbedingungen. → einfach, günstig, aber hoher Verzug und Eigenspannungen bei zu
schneller Abschreckung.

Gebrochenes Härten
Zuerst Abkühlung in Wasser bis ca. 300-400°C, dann Öl. → geringere Eigenspannungen und
Rissgefahr, schwierige Technik.

Warmbadhärten
Werkstoff wird zuerst in einer Salzschmelze bis knapp über der Martensit-Starttemperatur
abgekühlt und anschließend in Öl oder Luft weiter abgekühlt. → geringere Eigenspannungen,
weniger Rissgefahr und Verzug, höherer Aufwand.

Anwendungen
Kugellager, Feilen, Bohrer, Rasierklingen, Messer, Scheren, Zahnräder, Stecknadeln

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Vergüten
Definition

Unter Vergüten versteht man Härten mit nachfolgendem Anlassen


(Erwärmen auf max. 723°C (A1).

Oberhalb von A1 bildet sich wieder tw. Austenit. Der Effekt des Härtens würde wieder
rückgängig gemacht werden.

Prinzipiell können alle Stähle vergütete werden, die zuvor gehärtet werden können.
→ aufwendiger und teurer Prozess
→ Vergüten wird nur dort eingesetzt, wo die verbesserten Eigenschaften des Stahl
benötigt werden.

Anwendungen:
Hochbelastete Federn, Schrauben, Wellen

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Vergüten
Beispiel

Zylinderförmige Stahlproben werden nach der Härtung für jeweils 2 Stunden bei
unterschiedlichen Temperaturen angelassen. Anschließend wird eine Zugprüfung durchgeführt.
Je höher die Anlasstemperatur, umso
niedriger ist die Festigkeit (R) und umso höher
die Zähigkeit (A5, Z).

Beim Anlassen scheidet der trz-Martensit bei


100 bis 200°C feinste Karbidkristalle aus
und wandelt sich in kfz-Martensit um. Bei
höheren Temperaturen wandelt sich der kfz-
Martensit in Ferrit um.
→ Es entsteht ein Vergütungsgefüge:
→ Kleine Ferritkristalle, mit fein verteilten
Karbidkristallen, welche in die Ferritkristalle Vergütungsdiagramm von 50CrMo4-Stahl
eingelagert sind.

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Randschichthärten
Definition, Einteilung
Es werden Bauteile benötigt mit harter Randschicht (0,1-10 mm) und zähem Kern.

Harte Randschichten können die Belastbarkeit und den Verschleißwiderstand erhöhen, sind
aber spröde (Sprödbruch).

Ein zäher Kern sorgt dafür, dass der Kern zuerst etwas plastisch verformt wird, und erst
danach die Randschicht reißt.

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Randschichthärten
Keine Veränderung der chemischen Zusammensetzung

Bauteil wird aus härtbarem Stahl (mind. 0,2% C) im weichen, zähen Zustand gefertigt.
Durch eine geeignete Methode wird es nur dort austenitisert und abgeschreckt, wo er später
hart und verschleißfest sein soll (Rand). Der Kern erwärmt sich dabei nur wenig.

➢ Flammhärten
Eine Acetylen-Sauerstoff Brennflamme wird langsam an der Stahloberfläche entlang bewegt
und bis in die gewünschte Tiefe erwärmt (austenitisiert). Durch eine Wasserdusche wird der
Stahl abgeschreckt. → geringe Kosten, aber langsam

➢ Tauchhärten
Bauteil wird in Bad mit geschmolzenem Salz getaucht und solange erwärmt, bis die
gewünschte Tiefe erreicht ist und anschließend abgeschreckt.
→ nur für bestimmte Geometrien geeignet

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Randschichthärten
Keine Veränderung der chemischen Zusammensetzung

➢ Induktionshärten
Mit einer Induktionsspule wird ein hoher
Wechselstrom in der Randschicht des Bauteils
indiziert (Wirbelstrom). Das Bauteil wird bis in
das Austenitgebiet erwärmt.
Das Bauteil wird langsam durch die
Induktionsspule gezogen und danach gleich
abgeschreckt. Die Dicke hängt von der
Prinzip des Induktionshärtens
Frequenz des Wechselstroms ab (0,1 bis
10 mm).
→ rasches Verfahren, hohe Heizleistung, hohe Investitionskosten, bei Geometrie eingeschränkt

➢ Strahlhärten
Randschicht wird mit Laser- oder Elektronenstrahlen erhitzt und dann abgeschreckt. Die Dicke
hängt von Verweilzeit auf der Oberfläche ab.
→ teuer, nur bei dünnen Schichten geeignet
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Randschichthärten
Veränderung der chemischen Zusammensetzung

Durch Veränderung der chemischen Zusammensetzung wird das Werkstück entweder hart
oder härtbar.
➢ Einsatzhärten
→ bei Stahl < 0,2% C eigesetzt,
Randschicht wird bis 0,8% C angereichert.
Stahl wird in kohlenstoffhältiger Umgebung
(Gas, Pulver, Salzschmelze) bei ca. 950°C im
Austenitgebiet geglüht. C diffundiert in die
Tiefe bis zu 2 mm. Nach dem Aufkohlen
wird der Stahl noch angelassen um die Verlauf des C-Gehalts beim Aufkohlen
Sprödigkeit zu reduzieren.

➢ Nitrierhärten
An der Randschicht bilden sich Nitride aus (AlN, CrN). Stickstoff diffundiert von außen bei
500-600°C in das Bauteil ein (0,5 mm). → geringer Verzug und Eigenspannung, hohe Härte,
gute Gleiteigenschaften.
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