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DOI 10.1515/9783110456356-004
76 Denisa Bordag und Thomas Pechmann
den inkongruenten Bedingungen. Das lässt sich mit einem Zwei-Ebenen Modell
wie dem von Levelt, Roelofs & Meyer (1999) gut erklären. Im kongruenten Fall wird
durch Bild und Distraktorwort derselbe generische Genusknoten aktiviert. Im
inkongruenten Fall dagegen werden zwei Genusknoten aktiviert und der inad-
äquate muss gehemmt werden, was den kognitiven Aufwand erhöht und somit Zeit
kostet.
Das Modell von Levelt, Roelofs & Meyer (1999) ist ein seriell-modulares Mo-
dell, das davon ausgeht, dass die Lemma-Ebene und die Wortformebene nicht
miteinander interagieren, bzw. dass es kein Feedback von der Wortformebene
zurück zur Lemmaebene gibt. Das ist der wesentliche Unterschied zu einem in-
teraktiven Feedback-Modell wie dem von Dell (1986), das genau diese Interaktion
annimmt. Bei Dell kann Wortforminformation Einfluss auf die Lemmaaktivierung
haben, nicht aber in dem Modell von Levelt, Roelofs & Meyer (1999). Für die
Genusverarbeitung heißt das konkret, dass der Einfluss phonologischer Form auf
die Genuszuweisung in einem interaktiven Feedback-Modell leicht zu beschreiben
ist. Ein seriell-modulares Modell dagegen nimmt an, dass die Genusinformation
nach vollständigem Erwerb einer L1 direkt beim Lemma gespeichert ist, ohne dass
auf Wortforminformation zurückgegriffen wird.
Model: Dijkstra & van Heuven 2002). Es wird weiterhin angenommen, dass die
Sprachsysteme sich auf unterschiedlichen Stufen der Aktivierung befinden kön-
nen und dass letztlich die Aktivierung der verwendeten Sprache höher als die
Aktivierung der anderen Sprache(n) sein muss (Paradis 1981; Grosjean 1988). Die
Faktoren, die den Grad der Aktivierung beeinflussen, sind dabei verschiedene.
Grosjean (1997, 1998) nimmt an, dass sich ein mehrsprachiger Sprecher in un-
terschiedlichen Sprechmodi (language mode) befinden kann abhängig davon, wie
stark das L1-System relativ zum L2-System aktiviert ist. Im bilingualen Modus sind
beide Sprachen aktiv, aber die Zielsprache ist stärker aktiviert. Sprecher befinden
sich beispielsweise in diesem Modus, wenn sie sich mit jemandem unterhalten,
mit dem sie Code-Switching durchführen oder mit dem sie zwischen zwei Sprachen
frei wechseln können. Während einer solchen Form von Konversation werden
Wörter und Phrasen oder Sätze aus beiden Sprachen produziert, obwohl eine stets
die Basissprache bleibt. Im Gegensatz dazu ist beim monolingualen Modus auf
Grosjeans Kontinuum hauptsächlich eine Sprache aktiv, während die andere zu-
mindest teilweise deaktiviert ist. Für L2-Sprecher wird allerdings angenommen,
dass sie nicht umhinkönnen, dass ihre L1 wenigstens zum Teil aktiviert bleibt und
damit einen Einfluss auf die L2-Produktion ausübt. Der Grad dieser L1-Aktivierung
kann dann die Stärke des L1-Transfers oder der L1-Interferenz bestimmen.
Zahlreiche experimentelle Studien belegen die Interaktion zwischen den L1-
und L2-Systemen auf der semantisch-konzeptuellen und phonologischen Ebene
(De Groot 1992; De Groot, Dannenburg & Van Hell 1994; Singleton 1999; Dijkstra,
Grainger & van Heuven 1999; Costa, Caramazza & Sebastian-Galles 2000), sodass
diese Interaktion allgemein akzeptiert wird. Die Repräsentationen auf der kon-
zeptuellen Ebene sind vorsprachlich und vor allem bei Konkreta wird angenom-
men, dass ihre Konzepte von den Sprachsystemen geteilt werden, bzw. dass sie in
ihren semantischen Merkmalen überlappen (z. B. bei einigen Abstrakta, vgl. Dis-
tributed Feature Model, De Groot 1992). Beim Erwerb einer neuen lexikalischen
Einheit in der L2 muss also kein neues Konzept erstellt werden, sondern die schon
verfügbaren Konzepte werden mit einer neuen Wortform sowie entsprechender
sprachspezifischer Information (beispielsweise Genus) auf der Lemmaebene
verknüpft. Auf der Ebene der phonologischen Formen sind es dann vor allem
Kognate (z. B. calendar und Kalender im Englischen und Deutschen), bzw. deren
phonologische Merkmale, die zwischen den Sprachsystemen geteilt werden.
Wie für die semantische und phonologische Ebene wird auch für die gram-
matische Ebene angenommen, dass L1- und L2-Repräsentationen parallel aktiviert
werden und dies eine potentielle Quelle interlingualer Interferenz ist. Das
grammatische Genus stellt dabei eines der wenigen grammatischen Merkmale dar,
bei denen der Einfluss der L1 auf die Verarbeitung in einer L2 systematisch und in
mehreren Sprachen untersucht wurde.
Genuserwerb und -verarbeitung in einer L2 79
hrad (m), dann wird durch die L2 (Deutsch) der feminine Genusknoten, durch die
L1 (Tschechisch) jedoch der maskuline Genusknoten aktiviert. Der Zielgenus-
knoten hat dadurch einen hoch aktivierten Konkurrenten, dessen Aktivierung er
übertreffen muss, um selegiert zu werden. Dieser längere Selektionsprozess ver-
ursacht die längeren Benennungslatenzen. Wenn das Genus aus der L1 stärker
aktiviert ist, wird es ausgewählt und der Lerner macht einen Genusfehler.
Die Beobachtung, dass das L1-Genus die L2-Genusverarbeitung beeinflusst
(vgl. auch Bordag 2006; Lemhöfer, Spalek & Schriefers 2008) ist aus mindestens
zwei Gründen wichtig. Erstens zeigt sie, dass die L1- und L2-Systeme auch auf der
Ebene der grammatischen Kodierung interagieren. Zweitens unterstützen die
Ergebnisse die Annahme einer Genusrepräsentation, bei der (zumindest) Spra-
chen mit demselben Genussystem (wie Deutsch und Tschechisch) ein Set von
generischen Genusknoten teilen. Wenn die zwei Sprachen separate Genusknoten
hätten (vgl. Costa et al. 2003), hätte der Umstand, ob ein bestimmtes Wort und sein
Übersetzungsäquivalent dasselbe oder ein unterschiedliches Genus haben, kei-
nerlei repräsentationelle oder funktionale Implikationen. Ein Wettbewerb um die
Selektion wird nur zwischen Kandidaten erwartet, die einem Merkmalset (be-
stehend z. B. aus den drei generischen Genusknoten) mit derselben Funktion
zugehören.
La Heij et al. (1998) haben im L1-Niederländischen keinen Genuskongruenz-
Effekt gefunden, wenn in einem Bild-Wort-Interferenz-Experiment die Bilder le-
diglich mit einem Nomen benannt wurden. In der L1 wird die Abwesenheit des
Effekts bei bare-noun Benennungen so erklärt, dass in dieser Bedingung das
Genus zwar aktiviert, nicht aber selegiert wird, weil es für die weitere Enkodierung
nicht gebraucht wird (Roelofs et al. 1998). In den von uns durchgeführten Expe-
rimenten mit L1 Tschechisch und L2 Deutsch konnten wir einen Genuskongruenz-
Effekt jedoch auch bei bare-noun Benennungen beobachten. Das von uns beob-
achtete abweichende Befundmuster könnte dadurch erklärt werden, dass Über-
setzungsäquivalente dasselbe Konzept aktivieren, was zu einer starken Konver-
genz der Aktivierung auf dem gemeinsamen Genusknoten (in der kongruenten
Bedingung) oder starken Konkurrenz zwischen den entsprechenden Genusknoten
(in der inkongruenten Bedingung) auf der Lemmaebene führt. Bei den Bild-Wort-
Interferenz-Experimenten in der L1 dagegen haben die Bilder und die Distraktoren
unterschiedliche Repräsentationen, die auch von unterschiedlichen Richtungen
aus aktiviert werden (bei Distraktoren anfangend mit den orthographischen
Formen, bei Bildern mit Konzepten), was zu einer geringeren Ausprägung von
Konvergenz, bzw. Divergenz der Aktivierung an den entsprechenden Genusknoten
führen kann.
Lerner, deren L1 kein oder kein ausgeprägtes Genussystem aufweist, wie zum
Beispiel das Englische, stehen vor einer noch größeren Herausforderung. Einige
Genuserwerb und -verarbeitung in einer L2 81
Autoren nehmen an, dass L2-Lerner nach der sogenannten kritischen Periode
(Singleton 2005) keine grammatischen Merkmale mehr erwerben können, die es in
ihrer L1 nicht gibt (z. B. Hawkins & Franceschina 2004). Die experimentelle Evi-
denz ist hier allerdings nicht eindeutig. Tokowicz & MacWhinney (2005) stellten
z. B. in einem Experiment, in dem elektrophysiologisch ereigniskorrelierte Po-
tentiale (EKP) gemessen wurden, fest, dass Lerner des Spanischen mit L1 Englisch
schon in Anfangsstadien des Spracherwerbs Sensibilität für Genuskongruenz-
verletzungen zeigen. Die Autoren nehmen an, dass grammatische Eigenschaften,
die in der L1 abwesend sind, in der L2 gegebenenfalls sogar schneller erworben
werden können als grammatische Eigenschaften, die es in der L1 zwar gibt, die
aber im Konflikt mit L2 Parametern stehen. Auch die Studien von Gillon et al.
(2010) und Keating (2009) mit L2-Lernern des Spanischen und von Foucart &
Frenck-Mestre (2012) mit Lernern des Französischen zeigen eine Sensibilität
englischer Muttersprachler für die Genuskongruenz, obwohl auch sie Unter-
schiede zur muttersprachlichen Performanz festgestellt haben. Zugleich zeigen
aber neuere Studien zum prädiktiven Genusgebrauch, dass Lerner mit einer L1
ohne ausgeprägtes Genussystem in Eyetracking (Visual World) Experimenten
keine oder nur sehr reduzierte Fähigkeiten zeigen, aufgrund der Genusmarkierung
am Determinierer das darauf folgende Nomen zu antizipieren (Grüter, Lew-Wil-
liams & Fernald 2012; Dussias et al. 2013).
Weiterhin belegen Studien aus jüngerer Zeit, dass cross-linguistische Unter-
schiede bzw. Ähnlichkeiten in syntaktischen Regeln die Verarbeitung in einer L2
im Allgemeinen und Genuskongruenz im Besonderen beeinflussen. Sabourin &
Haverkort (2003) und Sabourin & Stowe (2008) stellten fest, dass die L2-Genus-
verarbeitung der L1-Genusverarbeitung ähnlicher ist, wenn der Transfer von L1-
Verarbeitungsroutinen möglich ist und wenn es Regelmäßigkeiten in der Ge-
nuszuweisung zwischen L1 und L2 gibt. Ihre Schlussfolgerungen basieren auf EKP-
Daten von deutschen und romanischen Lernern des Niederländischen. Während
es eine (fast perfekte) Eins-zu-eins-Genuskorrespondenz zwischen deutschen und
niederländischen Neutra gibt sowie eine Zwei-zu-eins-Korrespondenz zwischen
den deutschen Maskulina und Feminina und den Niederländischen Nomen mit
de-Artikel, müssen Sprecher des Französischen, Italienischen oder Spanischen
eine Eins-zu-viele (bzw. zwei)-Genuszuweisung durchführen. D. h., auch wenn die
Anzahl der Genera in den romanischen Sprachen dieselbe wie im Niederländi-
schen ist, ist die Genuszuweisung komplexer als zwischen dem Deutschen und
dem Niederländischen. Die Ergebnisse von Sabourin & Stowe (2008) zeigen, dass
beide Versuchspersonengruppen für Genuskongruenzverletzungen sensibel wa-
ren. Die EKP-Muster der deutschen Muttersprachler waren jedoch denen der
niederländischen Muttersprachler ähnlicher. Diese Beobachtung weist darauf hin,
dass dieselbe Anzahl von Genera in der L1 und in der L2 allein nicht automatisch
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zu einfacherem Genuserwerb führt, verglichen mit der Situation, wenn sowohl die
L1 auch als die L2 eine unterschiedliche Anzahl von Genera haben.
Weitere Studien zeigen, dass die Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede in der
morphosyntaktischen Realisierung der Genuskongruenz zwischen der L1 und der
L2 ebenfalls eine Rolle spielen. Foucart & Frenck-Mestre (2011) verglichen die
Sensibilität französischer Muttersprachler und fortgeschrittener Lerner des
Französischen mit L1 Deutsch bei Genusverletzungen in unterschiedlichen mor-
phosyntaktischen Kontexten. Während die EKP-Ergebnismuster bei Singular-No-
minalphrasen bestehend aus einem Artikel und Nomen in L1 und L2 Französisch
gleich waren, unterschieden sich die L1 und L2 Ergebnismuster bei Plural-No-
minalphrasen, die aus einem (genus-unmarkierten) Artikel, einem (genus-mar-
kierten) Adjektiv (entweder voran- oder nachgestellt) und einem Nomen bestan-
den: In den letzteren Kontexten zeigten die Lerner keine Sensibilität für die
Genusverletzungen. Die Autoren hypothetisieren, dass der Unterschied in den
Ergebnissen zwischen den Kontexten entweder auf generell größeren Erwerbs-
schwierigkeiten bei Adjektivkongruenz beruht (auch z. B. Sabourin & Haverkort
2003), oder durch die Tatsache bedingt ist, dass die deutschen Nominalphrasen
im Plural keine Genuskongruenz aufweisen und dieser Unterschied zu französi-
schen Nominalphrasen im Plural dann zu Genus-Verarbeitungsschwierigkeiten
führt.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass grammatische Strukturen und
Merkmale schneller und richtiger erworben und verarbeitet werden, wenn die
Merkmale und/oder grammatischen Regeln von L1 und L2 nicht im Konflikt stehen
(Foucart & Frenck-Mestre 2012).
eines Wortes die Genusselektion auf der grammatischen Ebene bei der Bildbe-
nennung beeinflusst.
Vor dem Hintergrund der probabilistischen Beziehung zwischen Wortform
und Genus im Deutschen (vgl. Köpcke & Zubin 1983) wurden drei Gruppen von
deutschen Substantiven zusammengestellt: 1) genus-typische Nomen (feminine
Nomen, die auf -e enden, z. B. die Blume), 2) genus-atypische Nomen (maskuline
und neutrale Nomen, die auf -e enden, z. B. der Käse oder das Auge, sowie Fe-
minina, die auf einem Konsonanten enden, z. B. die Burg) und 3) ambige Nomen
(maskuline und neutrale Nomen, die auf einem Konsonanten enden, für die diese
Endung gleich wahrscheinlich ist, z. B. der Tisch oder das Buch). Verwendet
wurden zwei experimentelle Methoden: Bildbenennung und Grammatikalitäts-
urteile. Bilder bekannter Objekte wurden entweder lediglich mit einem Nomen
oder mit einem Größenadjektiv + Nomen benannt. Grammatikalitätsurteile
mussten zu solchen Phrasen gefällt werden, die ein Demonstrativpronomen mit
einer falschen Genusendung beinhalteten, die jedoch typisch für den Auslaut des
Substantivs war (z. B. *diese Auge) oder ein Demonstrativpronomen mit einer
falschen Genusendung, die atypisch für den Auslaut des Substantivs war (z. B.
*dieses Blume). Darüber hinaus kamen in dem Experiment auch gleich viele
korrekte Phrasen als Filler vor. Die durchgeführten Experimente ergaben ein-
deutige Ergebnisse. Es gab keinen Effekt des Substantivauslauts im Deutschen als
L1, weder bei der Bildbenennung noch bei den Grammatikalitätsurteilen. Ande-
rerseits wurde ein robuster Effekt in der L2 beobachtet, sowohl bei tschechischen
als auch bei englischen Muttersprachlern, bei der Bildbenennung ebenso wie bei
der Grammatikalitätsentscheidung. Die Versuchspersonen waren am schnellsten
(und machten die wenigsten Fehler), wenn sie in der L2 genusmarkierte Nomi-
nalphrasen produzierten bzw. beurteilten, die aus der genus-typischen Gruppe
kamen, und am langsamsten (mit den meisten Fehlern), wenn der Kopf der No-
minalphrase ein Substantiv mit einer genus-atypischen Endung war.
Die L2-Daten zeigen, dass die phonologische Form der Substantive die Ge-
nusselektion auf der grammatischen Ebene beeinflusst. Sie unterstützen daher ein
Modell, welches eine Interaktion auf den Ebenen der phonologischen und
grammatischen Enkodierung annimmt,wie z. B. das interaktive Aktivationsmodell
von Dell (1986) oder in diesem Zusammenhang das Independent Network Model
von Caramazza (1997). Im Gegensatz dazu spricht das Fehlen eines Genustrans-
parenz-Effekts in den L1-Ergebnissen für modulare Modelle der Sprachproduktion
wie das von Levelt, Roelofs & Meyer (1999), welches annimmt, dass der Selekti-
onsprozess auf der grammatischen Ebene abgeschlossen ist, bevor die phonolo-
gische Kodierung stattfindet. Diese modulare Verarbeitung geht davon aus, dass
phonologische Merkmale die Selektionsprozesse auf der höheren Ebene der
grammatischen Kodierung nicht beeinflussen.
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Wörter im Wortschatz eines L2-Lerners. Sie sind unbekannt oder sehr niedrig-
frequent, der Sprecher besitzt keine Erfahrung mit deren Umgang und die Dauer
eines vorherigen Kontaktes ist begrenzt oder fehlt.
5 Zusammenfassung: Modellierung
In Bezug auf die Modellierung der Genusverarbeitung in L1 und L2 kann man von
einem Übergang von einem Mechanismus, der sich an der phonologischen Form
orientiert, hin zu einem Mechanismus, bei dem der Wortauslaut kaum oder gar
keine Rolle beim Genusabruf mehr spielt, ausgehen. Entsprechend dieser Hypo-
these benutzt das Sprachsystem eines wenig fortgeschrittenen Lerners phonolo-
gische Hinweise während der Genusselektion, und dieser Mechanismus unter-
stützt gleichzeitig den Erwerb (einiger) grammatischer Merkmale. Zumindest in
dieser Phase wird das Genus nicht als feststehendes Merkmal mit jedem Sub-
stantiv gemeinsam gespeichert, sondern wird jedes Mal neu berechnet auf der
Basis von phonologischen, morphologischen, semantischen oder anderen ver-
fügbaren Informationen, einschließlich der Information über das L1-Genus des
passenden L2-Übersetzungsäquivalentes. Die überzeugendsten Belege für diese
Behauptung lieferte ein Experiment mit tschechischen L2-Deutschlernern (Bordag
& Pechmann 2007). In diesem Experiment wurde sowohl eine Genusinterferenz
durch die L1 als auch der intrasprachliche Transparenzeffekt festgestellt.
Mit zunehmender Sprachkompetenz, durch mehr Sprachkontakt und wach-
sende Erfahrung mit der Sprache wird die Verknüpfung mit dem korrekten Ge-
nusknoten stärker, während die anderen Verknüpfungen, die zuvor zur Unter-
stützung bei der Genusknotenselektion nötig waren, schwächer werden oder ganz
verschwinden könnten (siehe auch Hall & Ecke 2003). Dies ist möglicherweise
charakteristisch für einen Übergang von einem System, das auf einer jeweils
neuen Berechnung beruht, hin zu einem System, das auf einer feststehenden
Speicherung von grammatischen Merkmalen wie dem Genus basiert. Die ver-
schiedenen Sprachproduktionsmodelle scheinen für unterschiedliche Stufen des
Spracherwerbs unterschiedlich gut geeignet zu sein. Während sich mit einem
modularen Modell wie dem von Levelt, Roelofs & Meyer (1999) die vollständig
erworbene Verarbeitung von Sprache adäquat beschreiben lässt, lassen sich in-
teraktive Feedback-Modelle gut auf frühere Stufen des Erwerbsprozess anwenden.
In letzteren Modellen werden nicht nur top-down, sondern auch bottom-up Pro-
zesse zwischen den Stufen der phonologischen Kodierung (hier wird Information
über die phonologische Form des Wortes kodiert) und der grammatischen Ko-
dierung (hier wird der passende Genusknoten selegiert) angenommen. So erlaubt
der Feedback-Mechanismus dieser Modelle, dass die Information z. B. über den
Genuserwerb und -verarbeitung in einer L2 87
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