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WOLFGANG BLÜMEL
Herausgegeben von
Claus Haebler und Günter Neumann
Bayerische
Staatabib\iothek
Mond\en
Als Habllitationsschrift
auf Empfehlung der Philosophischen Fakultät der Universität zu
Köln gedruckt mit Untersrünungder Deutschen Forschungsgemeinschaft
VORWORT
Im Herbst 1976 wurde von der Philosophischen Falrultät der Universität zu Köln
eine frühere Version des vorliegenden Buches als Habilitationsschrift angenommen.
Die damalige Fassung bestand aus einem analytischen Teil, der Phonologie, Mor·
phologie und Wortschatz der inschriftlichen Oberlieferung der aiolischen Dialekte
enthielt, und einem Materialteil, in dem die bis in Jüngste Zeit publizierten In-
schriften der aiolischen Dialekte gesammelt und durch Glossare und Konkordan-
zen erschlossen waren . Von einer Veröffentlichung des Inschriftenkorpus habe
ich Abstand genommen, teils aus Kostengründen, teils weil sich mir keine Mög-
lichkeit bot, die Verläßlichkeit der publizierten Lesungen durch eine Autopsie
zu überprüfen, nicht zuletzt aber auch, weil von Berufeneren , Epigraphikern des
Ln- und Auslands, Sammlungen der Inschriften ftir Teilbereiche der aiolischen
Dialekte angelegt und kontinuierlich durch Neufunde, Revision früherer Lesun-
gen und Diskussion unsicherer Lesungen ausgebaut werden. Das Fehlen einer um-
fassenden Neuedition der aiolischen Dialektinschriften kann allerdings durch bi-
bliographische Hinweise auf verbesserte Lesungen von in den lnscriptiones Grae-
cae publizierten Inschriften und eine Liste der in dem vorliegenden Buch zitier-
ten, nicht in den Inscriptiones Graecae enthaltenen Inschriften, wie ich sie im
Registerteil beigefügt habe, nur unvollkommen kompensiert werden. Die Glossare
jedoch, ein wichtiges Arbeitsinstrument flir die weitere
, Forschung, sollen dem-
nächst an anderer Stelle veröffentlicht werden .
Aus dem analytischen Teil der älteren Fassung habe ich die Untersuchung des
Wortschatzes der aiolischen Inschriften herausgenommen ; sie soll unter Einbe-
ziehung auch der literarischen und der lexikographischen Überlieferung zu einem
späteren Zeitpunkt publiziert werden. Hier wird nunmehr das Kernstück meiner ~
Untersuchungen, die Laut- und Formenlehre der aiolischen Dialektinschriften ,
der Öffentlichkeit vorgelegt. Die Drucklegung hat sich durch mancherlei Ums~n
de, auf die ich teilweise keinen Einfluß hatte, stark verzögert, aber ich nahm die
Gelegenheit wahr, das Manuskript einer eingehenden Überarbeitung zu unterzie-
hen, bei der die bis Ende 1979 erschienene Literatur zu den hier zur Diskussion
stehenden sachlichen Problemen eingearbeitet werden konnte. Unverändert blieb
lediglich das in der Einleitung erläuterte methodisch-theoretische Konzept, das in
seinem Entwurf auf das Jahr 1975 zurückgeht. Jüngel'e Strömungen der Phono-
logie, etwa in der Abstraktheitsdebatte, Gegenströmungen wie die "natural pho-
nology" und Strömungen außerhalb des Modells der gene rativen Grammatik, auch
im Bereich der Morphologie, konnten nicht mehr beriiicksichtigt werden.
Für Ratschläge und fördernde Kritik in verschiedenem Stadien der Entstehung
dieses Buches habe ich meinem Lehrer, Jürgen Untermann, ferne r Marga Reis,
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PS. Es ist mir eine angenehme Pflicht, einen weiteren Dank auszusprechen: an.läß-
lich eines Besuches im Institut Femand-Courby, Lyon, im Frühjahr 1982 zeigte
sich Paul Roesch so großzügig, mir das Manuskript seines kurz vor der Veröffent-
lichung stehenden Buches "Etudes beotiennes" sowie weitere Ergebnisse seiner Fo
schungen über boiotische Inschriften zugänglich zu machen. Noch während der
Drucklegung dieses Buches konnte ich dadurch eine Anzahl von falschen Lesun·
gen eliminieren und revidierte Lesungen berücksichtigen.
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INHALTSVERZEICHNIS
A. EINLEITUNG
2. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.5 Phonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
§ 14. Repräsentationsebenen. § 15. Reihenfolge der (Anwendung der)
phonologischen Regeln. § 16. Generative Phonologie und Dialekto logie.
§ 17. Kritik. § 18. Neuansatz. § 19. Schwächen.§ 20. Anwendung auf
die Beschreibung der aiolischen Dialekte.
2.6 Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
§ 21. Generative Morphologie.
B. PHONOLOGISCHER TEIL
3. Phonemsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.1 Matrix der distinktiven Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
§ 22. Vokale und Gleitlaute. § 23. Konsonanten.
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4.6 Kontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.6.1 Kontraktion gleicher Vokale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
§ 69. Kontraktion gleicher Vokale.
4.7 Monophthongierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
§ 73. Übersicht über Monophthongierungsprozesse in den aiolischen Dia-
lekten.
4.7 .1 Monophthongierung im Boiotischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
§ 74. Monophthongierung /ey/ - (~ : )- [i: ). § 75. Monophthongierung
/ow/ - [u:1. § 76. Monophthongierung /oy/ - (ü:l. Delabialisiemng
(ü: I -t. (i: I in Lebadeia und Khaironeia. § 77. Monophthongierung /ay/
... I~: I· . .
4.7.2 Monophthongierung im Thessalischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
§ 78. Monophthongierung /ey/ - (~ : ), /ow/ ... (q : ).
4.10 Metathese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
§ 88. Metathese: Beschreibung. § 89. Diskussion.
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7.1.3
•
Palatalisierte Geminaten im Thessalischen • • • • • • • • • • • • • • • • 118
§ 131. Diskussion der Beleglage. § 132. Indirekte Argumente flir die
Frage der Fortsetzung palatalisierter Verschlußlaute im Thessalischen.
§ 133. Zw Palatalliierung von /th/: der Name der Thessaler. § 134. Pala-
talis.ierte Sibilanten. § 135 . Zusammenfassung.
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C. MORPHOLOGISCHER TEIL
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..
10.2 Prasens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
10.2.1 Verbalklasse I: Thematische Verben • • • • • • • • • • 0 • • • • • • • 0 163
§ 17 9. Beispiele flir die Ableitung einzelner Formen. § 180. Belege.
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10 .4 .4 Aorist II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
§ 2 13. Athematische und thematische Aoriststämme. § 214. Belege für
Formen des thematischen Aorists.
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D. REGISTER
I. Textmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
1.1 Verbesserte Lesungen und Re-editionen von IG-Inschriften . . . . 276
1.1.1 Lesbische Inschriften. 1.1.2 Thessalische Inschriften. 1.1. 3 Boioti-
sche Inschr iften.
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A. EINLEITUNG
§ l. Altgriechische Dialekte sind in der Neuzeit bereits seit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts Gegenstand zahlreicher und umfangreicher Untersuchungen gewesen.
Die Beschreibung dieser Dialekte, wie sie sich etwa in den Standardwerken von
Bechtel und Thumb-Scherer niederschlägt, hat sich jedoch stets darauf beschränkt,
die charakteristischen Merkmale eines jeden Dialekts aufzuzählen und auf Grund
von historischen, geographischen, sprachvergleichenden und sprachhistorischen
Oberlegungen eine Gliederung in drei oder vier Hauptgruppen zu versuchen.
Bei dem Vergleich der altgriechischen Dialekte untereinander mit dem Ziel, ihre
Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen, hat man jeweils einzelne, flir
besonders charakteristisch gehaltene Erscheinungen (Vorkommen und Entwick-
lung einzelner Laute oder Lautgruppen, Vorhandensein oder Fehlen morpho·
logischer Elemente, Verbreitung lexikalischer Einheiten) gegenübergestellt und
ihre Verteilung oder Entwicklung zum Kriterium der Klassifikation gemacht.
Auch die jüngeren, an sprachgeographischen Methoden orientierten Arbeiten sind
noch nicht so weit fortgeschritten, daß sie in größerem Stil diese auf isolierte
Merkmale ausgericMete Betrachtungsweise verlassen und sich die Erkenntnisse
der strukturalistischen Sprachwis.senschaft zu eigen gemacht haben, die ,Sprache'
als ein in sich geschlossenes System defmiert und den Vergleich isolierter Eie·
mente aus verschiedenen sprachlichen Systemen ohne Berücksichtigung der Stel·
lung dieser Elemente in dem zugehörigen System als methodisch unzulässig ver-
wirft. Nun trifft es ohne Zweifel zu, daß die mangelhafte Überlieferung der grie·
chischen Dialekte ihrer vollständigen und systematischen Beschreibung beträcht-
liche Hindernisse in den Weg legt, aber es erscheint doch der Versuch legitim,
zwei oder mehr Dialekte so umfassend wie möglich zu beschreiben und anschlie-
ßend zu vergleichen, indem den Elementen des einen Systems die entsprechen·
den Elemente des anderen Systems gegenübergestellt werden. Erst dadurch wird
es möglich, die die Dialektforschung interessierenden Fragen, wie z.B. die nach
dem Umfang der Gemeinsamkeiten, dem Ausmaß und der Natur der Divergen-
zen zwischen verwandten Dialekten oder die nach dem Grad der Verstehbarkeit
von Dialekten untereinander, zu beantworten.
In der vorliegenden Untersuchung soll nun erneut versucht werden, die Gruppe
der aiolischen Dialekte grammatisch zu beschreiben und die übereinstimmungen
und Unterschiede zwischen den Einzeldialekten festzustellen. Im Rahmen dieser
Zielsetzung wurden hinsichtlich des zu berücksichtigenden Materials und des Um-
§ 2. Das sprachliche Material, das die Grundlage flir die vorliegende Untersuchung
bildet, bleibt in der Regel auf die durch Inschriften überlieferten Texte beschränk
weil unter den Quellen, die flir eine Untersuchung der altgriechischen Dialekte in
Betracht kommen, die epigraphischen Dokumente noch am ehesten verläßliche In·
formation bieten. Der Wert nicht-epigraphischen Materials (literarische Texte,
Kompendien antiker Grammatiker, Glossare, Zitate und Anspielungen antiker
Dichter) wird durch verschiedene Faktoren - Probleme der Überlieferung, Zwei-
fel an der Authentizität, Schwierigkeiten der chronologischen Einordnung - be-
trächtlich gemindert. Daher kann nur nach einer gründlichen Untersuchung der
inschriftlichen Texte und einer umfassenden Beschreibung des sprachlichen Mate-
rials, das sie bieten, beurteilt werden, ob bestimmte grammatische oder lexika-
lische Erscheinungen, die an literarischen Texten beobachtet werden, einem Dia-
lekt zugewiesen werden können oder nicht. Das Interesse gilt hier also vornehm-
lich den Inschriften, andere Quellen werden nur zur Ergänzung herangezogen.
lm Sinne dieser Einschränkung wird nicht der Anspruch erhoben, die Standard-
werke der griechischen Dialektologie in Bezug auf das Aiolische entbehrlich ge-
macht zu haben; nach wie vor sind aus ihnen vor allem ftir die Diskussion um
die historische Einordnung einzelner lexikalischer Einheiten aus der nicht-epi-
graphischen Oberlieferung aufschlußreiche Informationen zu gewinnen. Die Re-
levanz der hier vorgenommenen grammatischen Darstellung wird jedoch von
dem nicht-berücksichtigten Material nicht beeinträchtigt.
Unter den aiolischen Dialekten werden, in Obereinstimmung mit der bereits auf
die Antike zurückgehenden Tradition und als Arbeitshypothese, die Dialekte Les-
bisch, Thessalisch und Boiotisch verstanden. Inschriften dieser Dialekte sind über-
liefert flir das Lesbische auf den Inseln Lesbos, Nasos und Tenedos, in der klein-
asiatischen Aiolis sowie in einigen Städten Kleinasiens außerhalb der Aiolis, flir
das Thessalische in Thessalien in den Gebieten Pelasgiotis, Perrhaibia, Thessaliotis,
Histiaiotis, Tetras Phthiotis, Magnesia und - in geringer Anzahl - Achaia Phthiotis,
für das Boiotische in Boiotien und in Oropos. Die geographische und die chrono-
logische Einordnung dieser Inschriften stützt sich zunächst auf extralinguistische
(epigraphische, archäologische, historische, kunsthistorische) Evidenz ; gegebenen-
falls werden linguistische Argumente in die Diskussion eingebracht.
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dige Grammatik zu erstellen, noch dadurch vergrößert, daß das Korpus aus einer
rel;ativ kleinen Anzahl von Texten teilweise geringen Umfangs besteht, die dar-
übcer hinaus auch noch von häufig wiederkehrenden, formelhaften Satzmustern
geprägt sind. Im Hinblick auf diese besondere Situation habe ich mich entschlos-
sen, die Beschreibung der aiolischen Dialekte auf den phonologischen und mor-
ph10logischen Bereich zu beschränken und den syntaktischen Teil vorläufig aus-
zuklammern.
2. Methode
2.1 Theoretischer Rahmen
§ 4. Für die grammatische Beschreibung der aiolischen Dialekte wird die Theo-
rie der generativen Grammatik zugrunde gelegt, die die Ansprüche, die heute vor
allem innerhalb der deskriptiv-synchronen Sprachwissenschaft an eine linguistische
Theorie gestellt werden, am adäquatesten erflillt. Gegenüber der sogenannten tra·
ditionellen Grammatik liegen die Vorzüge der generativen Grammatik nicht etwa
in einer neuen Technik der Beschreibung sprachlicher Fakten, sondern vielmehr
in ihrer Fähigkeit, die innere Struktur einer Sprache und ihr Funktionieren ex-
plizit zu machen. Ausgehend von einer breiten theoretischen Basis ist sie in der
Lage, sprachliche Phänomene zutreffend und umfassend zu beschreiben und zu
erklären . Durch die formalisierte Darstellungsweise wird ein höherer Grad an
Klarheit und Präzision erreicht. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine neue
Darstellung von zum Teil wohlbekannten Fakten gerechtfertigt.
Der Anspruch der generativen Grarnmatiktheorie, herkömmlichen Sprachtheorien
wissenschaftstheoretisch und methodisch überlegen zu sein, ist von verschiedener
Seite diskutiert und begründet worden und soll hier nicht weiter theoretisch aus-
gefUhrt werden ; vielmehr soll versucht werden, durch praktische Erprobung eine
Rechtfertigung zu liefern. Die vorliegende Untersuchung versteht sich nicht als
Exemplifizierung der generativen Grarnmatiktheorie, vielmehr dient ihr das Mo-
dell der generativen Grammatik als Instrument zur Beschreibung eines gegebenen
sprachlichen Materials. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß gewisse sprach-
liche Fakten, die hier erörtert werden , ihre Rückwirkung auf die Theorie haben
können, aber das primäre Interesse gilt der Erstellung einer Grammatik, nicht
der Darstellung der ihr zugrunde liegenden Theorie. Daher will ich mich im fol-
genden darauf beschränken, zunächst zwei Fragenkomplexe aus dem Bereich der
generativen Phonologie zu diskutieren, die für die vorliegende Arbeit von beson-
derer Bedeutung sind, nämlich das Problem der Abstraktheit zugrundeliegender
Repräsentationen und das Verhältnis zwischen synchroner und diachroner Regel-
folge, und dann das methodische Konzept der generativen Grammatik in den hier
relevanten Teilbereichen der Sprachbeschreibung (Phonologie und Morphologie)
skizzieren.
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2 Kiparsky (1968b, 1971, 1973b), Kisseberth (1969), Hyman (1970), Brame (1972), Vago
(1973), Schane (197 3: 78ff.), Mayerthaler (197 4: 5 3ff., 78ff.).
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eine solche Annahme als unnötig und durch die Theorie der generativen Gram-
matik nicht zu rechtfertigen kritisiert und daher verworfen. Ein vielzitiertes Bei-
spiel aus dem Sanskrit mag die Kontroverse verdeutlichen.
§ 6. Von einem synchronischen Standpunkt aus gesehen wird im Sanskrit [k] vor
einigen [ a1zu [~1 palatalisiert, vor anderen nicht. Eine mögliche und plausible
Lösung, die der [k] "' [c] Alternation Rechnung trägt, bestünde darin, zugrunde-
liegendes /e/ anzusetzen und durch eine phonologische Regel zugrundeliegendes
/k/ vor /e/ in [c] überzuführen. Durch eine spätere Regel würden sämtliche /e/
unabhängig vom Kontext in [a) verwandelt, da phonetisches [e] im Sanskrit
nicht vorkommt {abstrakte Lösung). Kiparsky lehnt die Möglichkeit einer sol-
chen absoluten Neutralisation ab und schlägt stattdessen vor, fli.r alle phonetischen
[a] zugrundeliegendes /a/ anzusetzen. Er stellt dann eine allgemeine Regel auf,
durch die [k) vor [a] zu ( c] palatalisiert wird, und weist allen (k], die nicht pala-
talisiert werden, ein diakritisches Merkmal zu, das sie als Ausnahme von der Pala-
talisations-Regel kennzeichnet (konkrete Lösung).
ln der Beurteilung dieser beiden in Bezug auf ihre deskriptive Adäquatheit gleich-
wertigen Analysen ist die konkrete Lösung Kiparskys jedoch deshalb geringer zu
bewerten als die abstrakte,
( 1) weil sie unnatürlich ist: Palatalisierung vor [a) ist kein natürlicher Prozeß ;
(2) weil sie ad hoc und arbiträr ist; es ist keine eindeutige Entscheidung darüber
zu erzielen, ob die lexikalischen Einheiten mit einem Merkmal zu versehen
sind, die die Palatalisations-Regel durchlaufen, oder eher die, die von ihrer
Anwendung ausgeschlossen bleiben sollen;
(3) weil sie nicht so einfach wie möglich ist: zur Ableitung der Oberflächenfor-
men sind mehr Regeln erforderlich als bei der abstrakten Lösung;
(4) weil sie explanativ inadäquat ist : sie versäumt es, die Bedingungen, unter
denen es zu einer Oberflächenalternation kommt, explizit zu machen.
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bar sind. Die Argumentation gipfelt in der Forderung, daß abstrakte, d.h. sich in
der Oberflächenebene nicht manifestierende, Segmente und absolute Neutrali-
sierung in die Theorie der generativen Grammatik mit einbezogen werden müssen,
weil nur dann bestimmte Lösungen der Forderung nach Natürlichkeit, Plausibili·
tät, Erklärungsadäquatheit und psychischer Realität gerecht werden können.
§ 10. Diese Annahme ist seitdem von verschiedenen Seiten 4 modiftZiert und prä-
zisiert worden, aber auch heute noch von einer sicheren Fundierung weit entfernt.
Bislang scheint festzustehen, daß die Regeln in der synchronen Grammatik einer
Sprache dann die relative Chronologie historischer Prozesse in dieser Sprache re-
kapitulieren, wenn sie geordnet sind und wenn keine Veränderungen des Regel-
umfangs, der Regelordnung (durch Umordnung), der Anzahl der Regeln (durch
Zusammenfall oder Verlust von Regeln) oder der zugrundeliegenden Repräsen-
4 Cf. Kiparsky (1965 , 1968a, 1970, 1971 ), Schane (1973: 83, 9lf.), King (1969).
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§ 11. Wie staik die Diskussion in diesem Bereich aber noch zwischen extremen
Positionen schwankt, wird daian deutlich, daß auch eines der wesentlichen Kon-
zepte der generativen Grammatik, durch das der Isomorphismus zwischen der
chronologischen Abfolge von Lautwandeln und der sequentiellen Ordnung von
Regeln der Grammatik gestört werden konnte, in Zweifel gezogen worden ist.
Während man früher davon ausgegangen war, daß im Falle einer sprachlichen
Veränderung die neue Regel prinzipiell an jeder Stelle der Grammatik, also auch
vor bereits bestehende Regeln , eingefUgt werden konnte, hat King (1973) zu zei-
gen versucht, daß sämtliche Beispiele, die bisher für einen Regeleinschub in der
Mitte der Grammatik herangezogen wurden, u.a. auf falschen Analysen beruhen
und von falschen Annahmen über die Prinzipien, die die Richtung von Regelum-
ordnungen bestimmen, ausgehen. Er kommt zu dem Schluß, daß neue phono-
logische Regeln nur an einer Stelle der Grammatik hinzugefügt werden können :
am Ende der Folge der phonologischen Regeln, aber vor den phonetischen Re-
geln.
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ten verstanden, die der Grammatik eines früheren Stadiums der Sprache entnom-
men sind 7, sei es, daß diese Grammatik auf direkten Zeugnissen basiert, sei es,
daß sie durch Rekonstruktion erschlossen ist. Zwar scheint die Verwendung histo-
rischer Evidenz in einer synchronen Grammatik mit der Forderung nach metho-
discher Konsistenz nicht vereinbar zu sein, aber wenn es vorkommt, daß Regeln,
Regelordnung und Repräsentationsebenen einer strikt nach synchronen Prinzi-
pien aufgestellten Grammatik historische Prozesse, die chronologische Abfolge
dieser Prozesse und die Elemente, die an diesen Prozessen beteiligt sind, mit einer
Genauigkeit reflektieren, die nicht mehr nur auf Zufall beruhen kann, dann er-
scheint es legitim, in einer Umkehrung des von Halle vorgeschlagenen Einfach-
heitskriteriums historische Daten als heuristisches Prinzip bei der synchronen Be-
schreibung toter und unvollständig überlieferter Sprachen zu verwenden , für die
kein native speaker als Infonnant zur Verfugung steht. In diesem Sinne werden
in der vorliegenden Untersuchung Konstrukte der historisch-vergleichenden Sprach
wissenschaft, nämlich systematisch-phonologische Segmente und Merkmale der
rekonstruierten indogennanischen Grundsprache, als Kriterium ftir die Angemes-
senheit der systematisch erschlossenen Fonnen und für die Bewertung alterna-
tiver Möglichkeiten der Beschreibung, schließlich auch als zusätzliche lnfonna-
tion bei mangelnder synchroner Evidenz herangezogen. Sie ennöglichen damit
im Hinblick auf eine möglichst umfassende Grammatik der aiolischen Dialekte
Generalisierungen und Einsichten in Regularitäten, die ohne sie auf Grund des
unvollständigen Materials nicht zu erzielen gewesen wären.
7 Eine solche Präzisierung ist gegenüber Einwänden wichtig, wie sie z.B. Mayerthaler (I 974 :
56) vorgebracht hat : eine Identität von historisch belegten und zugrundeliegenden For-
men dürfe schon aus methodischen Gründen nicht gefordert werden, denn historisch be-
legte Formen stellten grundsätzlich Oberflächenformen dar, zugrundeliegende Formen
aber abstrakte Einheiten der phonologischen Tiefenstruktur. Aber erstens wird eine solche
Identitätsforderung überhaupt nicht erhoben, sondern es werden lediglich Übereinstim-
mungen festgestellt, und zweitens werden diese Übereinstimmungen nicht zwischen histo-
risch belegten und zugrundeliegenden Formen, sondern zwischen den phonologischtn Re-
präsentationen historisch belegter Formen und zugrundeliegenden Formen festgeste[t. Die
fllr die Gegenüberstellung herangezogenen Elemente haben also denselben Grad an ,\b-
straktheit.
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strukturellen und der historischen Seite des Sprachsystems hat z.B. Wurzel {1975 :
26 2) folgendermaßen formuliert :
,.Jede stattfindende Sprach veränderung setzt eine ganz bestimmte Konstellation von syn·
chron·grammatischen Regularitäten voraus, so dilß man von einer eingetretenen Veränderung
auf eine ganz bestimmte Form dieser Regularitäten vor der Veränderung schließen kann.
Diese Form der Regularitäten ist durch ein unabhängiges Kriterium, den Verlauf der Sprach·
geschichte, als die Form ausgewiesen, in der die Grammatiken der SprecherjHörer, in denen
sich ja die Sprachveränderungsprozesse vollziehen, tatsächlich gespeichert sind. Die so er·
mirreiten grammatischen Regular/täten haben also ,.psychologische Realität". Andere mög-
liche Formen der Regularitäten, bei deren Voraussetzung die eingetretenen Sprachverände·
run.gen nicht erk/iirbar sind, werden ®mit ausgeschlossen. "
2.5 Phonologie
§ 14. In der vollständigen generativen Grammatik einer gegebenen Sprache ist es
Aufgabe der phonologischen Komponente, den in der syntaktischen Komponente
erzeugten Oberflächenstrukturen eine phonetische Repräsentation zuzuweisen.
Zwischen diesen beiden Komponenten liegt die morphologische Komponente,
in der, wie weiter unten ausführlicher erläutert wird, den Wörtern eines Satzes
die richtige Flexionsform zugewiesen wird.
Der Aufbau der phonologischen Komponente und die mit der phonologischen
Analyse verknüpften Probleme sind von anderer Seite (z.B. Schane 1973, Mayer-
thaler 1974, Hyman 1975) ausführlich dargestellt worden und sollen hier nicht
rekapituliert werden. Im Hinblick auf die Ziele, die in der vorliegenden Unter·
suchung verfolgt werden, soll nur fUr drei Fragenkomplexe eine Standortbestim-
mung vorgenommen werden : die Aufstellung zugrundeliegender Repräsentationen,
die Ordnung der phonologischen Regeln und die Anwendung der generativen Pho-
nologie auf die Dialektologie.
Zugrundeliegende phonologische Repräsentationen sind eine Abstraktion aus syn-
chron beobachtbaren, regelmäßigen phonologischen Alternationen auf der Oberflä-
chenebene (cf. § Sff.). Falls keine Alternation vorliegt, ist die zugrundeliegende
Repräsentation mit ihrer Oberflächenform identisch. Für die Erstellung der zu-
grundetiegenden Repräsentation gelten die Kriterien der Einfachheit und der ex-
planativen Stärke: es wird jeweils die Form als zugrundeliegend ausgezeichnet,
die eine Erklärung der auf der Oberflächenebene alternierenden Formen durch
Regularitäten auf der abstrakten Ebene, eine einfache Ableitung der alternieren-
den Formen durch phonologische Regeln und die Beschreibung signiflkanter Pro-
zesse durch diese Regeln ermöglicht. Als zusätzliches Hilfsmittel werden mit ge-
wissen Einschränkungen (cf. § 12ff.) auch diachrone Evidenzen herangezogen.
§ lS. Die phonologischen Regeln, durch die die Oberflächenformen von ihrer
zugrundeliegenden Repräsentation abgeleitet werden, sind in der Reihenfolge
ihrer Beschreibung im phonologischen Teil dieser Arbeit geordnet nach dem Typ
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§ 16. Die Prinzipien für die Anwendung der generativen Phonologie auf die Dia-
lektologie wurden im wesentlichen bereits von Halle (I 962: 343) bestimmt :
.,Since grammars consist of ordered sets of Statements, differences among grammars are due
to one or both of the fo/lowing: (a) different grammars may contain different rules; (b) dif
ferent grammors may have differently ordered rules. "
Seitdem haben sich zwei verschiedene Methoden der Erforschung von Dialekten
herausgebildet:
(I) Man geht davon aus, daß die Grammatiken der zu beschreibenden Dialekte
dieselben zugrundeliegenden Formen haben. Die Grammatik ein es Dialekts
wird als Ausgangspunkt genommen, um die Grammatik eines verwandten
Dialekts durch Hinzuftigung, Tilgung oder Umordnung einer im Verhältnis
zur Gesamtgrammatik kleinen Anzahl von Regeln zu beschreiben. Der Grad
der Verschiedenheit von Dialekten stellt sich dar in der Anzahl u nd der Art
solcher Regelveränderungen (Saporta 1965, Vasiliu 1966, Saltarelli 1966,
Kiparsky 1971).
(2) Für jeden Dialekt werden unabhängig vollständige Grammatiken aufgestellt
und erst anschließend einem Vergleich im Hinblick auf Gemeinsamkeiten
und Unterschiede unterzogen. Gemeinsamkeiten sind daran erkennbar, daß
die verglichenen Grammatiken einige Regeln gemeinsam haben; Unterschiede
manifestieren sich darin, daß die verglichenen Grammatiken dieselben Regeln
in verschiedener Ordnung haben, daß eine Grammatik zusätzlich e Regeln hat
oder daß beide Grammatiken völlig verschiedene Regeln haben (Becker 1967,
King 1969).
§ 17. Beide Methoden sind fli.r eine adäquate Beschreibung von Dialekten unzu-
länglich: die erste, weil sie in unzulässiger Weise voraussetzt, daß Dialekte sich
nicht in den zugrundeliegenden Formen unterscheiden , und nicht nur ausschließt,
äaß in einem der Dialekte gegenüber dem anderen eine Restrukturierung der zu-
grundeliegenden Repräsentation eintritt, sondern offensichtlich auch, daß ein Dia-
lekt allein nicht ohne Rekurs auf einen anderen beschrieben werden kann, die
zweite, weil es innerhalb der gegenwärtigen Theorie der generativen Grammatik
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lekte manifestieren. Merkmale, die flir die aiolischen Dialekte als spezifisch und
charakteristisch angesehen werden, sich aber nur auf Grund von Vergleichung mit
anderen griechischen Dialekten oder indogermanischen Sprachen spezifizieren las-
sen, können nicht berücksichtigt werden. So lassen sich auf der Basis des Aioli-
schen allein keine Argumente fli.r die Erschließung von Sonantischen Liquiden
und Nasalen oder von Labiovelaren im Proto-Aiolischen gewinnen. Auch eine
Reihe von lexikalischen Einheiten, denen das Prädikat aiolisch auf Grund exter-
ner Evidenz (Aiolismen bei Horner, Grammatikerberichte, literarische Belege) zu-
gewiesen wird, ist hier nicht behandelt. Auf der anderen Seite jedoch kann eine
erschöpfende Beschreibung von Dialekten nicht auf die Feststellung der Gemein-
samkeiten dieser Dialekte verzichten. Dazu gehören dann auch Erscheinungen wie
die Hauchrnetathese, die Vokalkünung nach Osthoffs Gesetz oder morphologische
Prozesse wie die Reduplikation, auch wenn sich ihre Verbreitung nicht auf die
aiolischen Dialekte beschränkt.
2.6 Morphologie
§ 21. Bei der Beschreibung der Morphologie einer Sprache wird unterschieden
zwischen der Wortbildungsmorphologie, die Regeln flir die Kornposition und
Derivation neuer Wörter enthält, und der Flexionsrnorphologie, die den Wörtern
eines Satzes die richtige Flexionsform zuweist und sie fli.r die phonologische Inter-
pretation vorbereitet. Die Darstellung beschränkt sich im folgenden auf die Fle-
~onsrnorphologie; die Diskussion der semantischen und syntaktischen Probleme,
ohne deren Klärung eine umfassende Beschreibung der Wortbildungsmorphologie
einer gegebenen Sprache nicht möglich ist, soll einer späteren Untersuchung vor-
behalten bleiben.
Die Regeln der morphologischen Komponente operieren auf voll spezifizierten
syntaktischen Strukturen; ihre Resultate dienen als Eingabe zu den phonologischen
Regeln. Daraus ergibt sich, daß die morphologische Komponente einer Grammatik
im Prinzip nur im Zusammenhang mit der syntaktischen und phonologischen Kom-
ponente adäquat beschrieben werden kann. Soweit mir bekannt ist, ist die syn-
taktische Komponente weder für die aiolischen Dialekte noch überhaupt flir das
Standard-Altgriechische bisher umfassend beschrieben worden. Dieses Versäumnis
soll auch an dieser Stelle nicht behoben werden ; ich gehe im folgenden von der
Voraussetzung aus, daß eine syntaktische Oberflächenstruktur vorliegt, die die
lexikalischen Einheiten in Form von phonologischen Merkmalmatrizen und sämt-
liche für die Satzstruktur und damit auch für die korrekte morphologische Form
'
der Wörter relevanten Informationen in Form von nicht-phonologischen Merkmal-
spezifikationen enthält.
29
00046245
Diese summarische und auf den Rahmen der vorliegenden Arbeit zugeschnittene Darstel-
lung soll lediglich die hier eingenommene Position verdeutlichen und enthält sich der Stel-
lungnahme zu offenen oder strittigen Problemen. Für eine eingehende Erörterung und Dis-
kussion der mit dem Aufbau der morphologischen Komponente in einer generativen Gram-
matik verknüpften Fragen sei auf folgende Arbeiten verwiesen: Bierwisch (1967), Wurzel
(1970), Wurzel (1975), Kastovsky (1972), Kastovsky (1973), Kiefer (1973), Kiefer (1975b).
30
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B. PHONOLOGISCHER TEIL
3. Phonemsystem
3.1 Matrix der distinktiven Merkmale
§ 22. Vokale und Gleitlaute
Vokale Gleitl.
.
1 I: e e: a a: 0 o: u u: y w h
silbisch silb + + + + +
+ + + + + - - -
konsonantisch kons - - - - - - -
- - - - - -
sonantisch son + + + + +
+ + + + + + + +
lang lang - + - - + - +
+ - + - - -
hoch hoch + + - - - - - - + + + +- -
tief tief - - - - + + - - - - - - +
hinten hint - - - - + + + + + + - + -
rund rund - - - - - - + + + + - + -
nasal nas - - - - - - - - - - - -
aspiriert asp - - +
§ 23. Konsonanten
Sonanten Obstruenten
1 r mn p b ph t d th k g kh s z
silbisch silb - - - - - - - - - - - - - - -
konsonantisch kons + + + + + + + + + + + + + + +
sonantisch son + + + + - - - - - - - - - - -
hoch hoch - - - - - - - - - - + + + - -
tief tief - - - - - - - - - - - - - - -
hinten hint - - - - - - - - - - + + + - -
rund rund - - - - - - - - - - - - - - -
nasal nas - - + + - - - - - - - - - - -
koronal kor + + - + - - - + + + - - - + +
anterior ant + - + + + + + + + + - - - + +
lateral lat + - - - - - - - - - - - - - -
stimmhaft sth + + + + - + - - + - - + - - +
dauernd dau + + - - - - - - - - - - - + +
aspiriert asp - - - - - - + - - + - - + - -
Die Spezifikation der distinktiven Merkmale in obiger Matrix entspricht der Standardtheorie
(Chomsky-Halle 1968). Spezifische Probleme, die sich aus der phonologischen Strukt ur des
Altgriechischen ergeben, sind bei Sommerstein (1973) und Aitchison (1976) diskutiert.
31
00046245
§ 25. In Randgebieten Thessaliens hat das archaische Alphabet sich jedoch noch
weit in das 4. Jahrhundert hinein behauptet. So werden in der Inschrift Helly
1979b aus Olosson (Perrhaibia) ftir [e :] und [ o: ) Schriftzeichen des archaischen
(€ resp. o) und des ionischen Alphabets (et resp . w) verwendet:
[e :] 'EA.XavoKpciT€\ Z. 6/7 , AaJ,loa{)€ve\ Z . 8/ 9 gegenüber 'Efet{)iO[a)\ Z. 13/ 14,
'Ep€U<W€LWV Z. 12 8
[o:) row€iöv Z. 16, <l>aA.avvaiöv Z. 6 (o unsicher) gegenüber MvA.aiwv Z. 9, ßap-
J.!Evwv Z. 10 etc.
In ähnlicher Weise treten in Pharsalos (Tetras Phthiotis) im 4. Jhdt. flir (e :] und
[o: ] noch e und o des archaischen Alphabets neben rt/et und w /ov des ionischen
Alphabets auf:
le :] vU<aae neben av€{)rtKev McD 168 (Mitte 4 . Jhdt.) 9
[o :) Eöa[av]öpö 'Aaavöpö neben apxoJJTwv IG 9 ,2:24 1 (4. Jhdt.).
Im folgenden werden nunmehr einige Probleme der graphischen Repräsentation,
die sich aus dem Verhältnis zwischen archaischem u nd ionischem Alphabet und
aus der Schreibung bestimmter Lautverbindungen ergeben, diskutiert.
8 Die Gen.PI.-Formen ' EpetKwelwv und r ovvelöv Z. 16 werden von Helly (1979 b: 175 ) zu
einem hypothetischen Nom. auf ·ew~ ('Epeudvew~ resp. rovvew~ ) gestellt, können aber
auch zu einem Stamm auf -eu ~ gehören (§ 263), wi.e er von Helly selbst al.s belegt zitiert
wird : ' Epeucwru.; resp. r ovvn k .
9 Auffallend ist jedoch ny ephe/kystikon in avt""'KEV.
10 Zu et vgl. § 46.
11 Zu Tl = I ~: I < Iay ) vgl. § 77, zu zwischen et und Tl schwankenden S"chreibungen vgl. § 39.
32
00046245
des Künstlers ist in Sprachcharakter ('A1roXXo6 ( • • ·)) und Orthographie (e1ro'1ue) nicht·
thessalisch.
McD 330 (Larisa, 1. H. 2. Jhdt.)
JJ.Tt Z. 12. 1m übrigen ist regelmäßig et geschrieben.
McD 347 (Larisa, Anf. 2. Jhdt.)
EÖfl Z. 27 ,33. lm übrigen ist regelmäßig et geschrieben.
McD 357 (Larisa, Anf. 4. Jhdt.)
nQTeiöwvt Kpavaiwt nuXaiwt
McD 1179 (Museum Larisa, Fundort unbekannt, Ende 2. Jhdt.)
EOfl Z. 44, öucaoritpwv Z. 46. Im übrigen ist regelmäßig et geschrieben.
AD 1960 Xpov . I 82 (Krannon)
Ati Noriwt
McD 311 (Krannon , 2. H. 3. Jhdt.)
rop-ywt ~L}J.OU cf>apoaAiWt Z. 2/3
Der Text, ein Proxenie-Dekret, ist in Orthographie und Sprachcharakter (pelasgiotisch·)
thessalisch, lediglich der Name des Proxenos weist die orthographischen und grammati·
sehen Merkmale seiner Heimatstadt Pharsalos auf.
12 In IG 7:2418 (Thebai, Mitte 4. Jhdt.) und IG 7 : 3055 ( Lebadeia, 4. Jhdt.) schwankt die
Schreibung noch zwischen u und oo (cf. § 75).
13 Lesung nach Lejeune (1941 : 58ff.).
McD 1177 (gefunden in Peiraieus, aber wohl aus der Pelasgiotis; 4. Jhdt.)
eöwKruev, ®rwt, rrpoararev6vrwv etc.
SEG 2:264 (gefunden in Delphoi, aber wohl aus der Pelasgiotis; 1. H. 3. Jhdt.)
'A-yr]aavö[, aber et in €ßöeJ,J.eiKovra, 'Avrt-y€vetc; etc.
GHW 4545 (Atrax, Ende 4./Anf. 3. Jhdt.)
'J\rrXwvt 'EröoJ,J.aiw
GHW 4784 (Atrax, 3. Jhdt.) 14
Lli Tptrooiw
IG 9,2:426a (Pherai, 3. V. 5. Jhdt.)
cJ>paat.p:flöac;
Möglicherweise stammt die Inschrift - wie die Stele selbst (Jeffery 1961 :98) - von einen
nicht-thessalischen Künstler und scheidet d.a nn für die vorliegende Problemstellung aus.
McD 213 (Pherai, 4. Jhdt.)
€5wKa~v. E>flßalwt, 'Axaiwt
Unter den Inschriften aus Pherai, die von Bequignon (1964: 400ff.) publiziert worden
sind, finden sich zahlreiche Belege ftir Tl und w, aber die hier zitierte Inschrift Nr. 8 ist
die einzige im ionischen Alphabet , die keine dem Thessa.lischen fremde grammatische
Merkmale aufweist.
IG 9,2:417 (Pherai, 3. Jhdt.)
ÖWpOV, TfKVWV etc. (aber €t in OVf~tK€)
IG 9,2:405 (Anf. 4. Jhdt.)
'A~PtJov€rw Mavtx€w
Diese Inschrift wurde in der Nähe von Skotussa (Pelasgiotis) gefunden, wird aber von Lejeuc
(1941 : 63ff.) wegen des Genetivausgangs /'{):/ und der Schreibung w Pharsalos zugeschrie·
ben.
IG 9,2:234 (Pharsalos, 3. Jhdt.)
Nucr]parewc; Z. 18, · l aJJ.1]Via.wc; Z. 57, ·HpaKA.eiöac; Z. 72. Im übrigen wird
regelmäßig et, ou geschrieben.
IG 9,2:240 (Pharsalos)
avet'J1]Ke, 'AaKA1]1rtWt
IG 9,2:244 (Pharsalos, 4. Jhdt.)
cJ>opJ,J.iwv (aber €t in ovetJelKaev)
McD 167 (Pharsalos, Anf. 4. Jhdt.)
Lrpw[t'A.oc;] (aber et in [ovetJ]eiKaev)
McD 168 (Pharsalos, Mitte 4. Jhdt.)
äpxwv, avet'J1]K€V (neben f, Cf. § 25)
IG 9,2:1228 (Phalanna, 3. Jhdt.)
ITapJ,J.evlwv OapJJ.evlwvoc; Z. 2 (aber OapJ,J.evioov Z. 87), ' HpaKXewaiat Z. 10.
Im übrigen wird regelmäßig et, ou geschrieben.
Helly 1979b (Olosson, 1. H. 4. Jhdt.)
flapJ,J.evwv etc. (aber et für [e:]), § 25
DGE 607a (K.hyretiai, 5. Jhdt.)
G.vt1t'h7K11 etc. (mit Ausnahme von f/rroliae durchweg 11 ftir [e] und [e: D
14 Die beiden Belege aus Atrax verdanke ich dem freundlichen Hinweis von B. Helly.
34
00046245
Aus diesem Material ergibt sich folgendes Bild: in verschiedenen Städten der Pelas·
giotis und der Perrhaibia treten seit dem 5. Jhdt. bis zum Ende der Aufzeichnung
von Inschriften im Dialekt sporadisch die Schreibungen Tl und w statt et und ov
für [e :] und [o :] auf. Eine signifikante Häufigkeit dieser Schreibungen ist nur in
Pharsalos (Phthiotis) zu verzeichnen; ein lndiz dafür, daß die Häufigkeit nicht
auf den Zufällen der Überlieferung beruht, kann darin gesehen werden, daß -
wie bereits oben an Hand von McD 311 angedeutet - für die Schreibung des Na·
rnens eines Bürgers aus Pharsalos diese Konvention auch in der Pelasgiotis berück·
sichtigt wird.
35
00046245
Gleichfalls aus dem Thessalischen liegen einige Belege flir die Genlinierung von
[m) sowohl nach langen wie nach kurzen Vokalen vor. Schwyzer (1959: 237f.)
37
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sieht darin einen Reflex der Tendenz zur Bildung geschlossener Silben im Tnessa-
lischen.
Ao.II.J'aTepa<; McD 347. 16, tlfli1Jl6..Tept IG 9,2: 1235. 1, McD 346.2 , McD 361.4,
Clflii.JlaTpeiac; IG 9,2: 572.3
IJJJOilJLEjov IG 9,2 :427.3 (Jwä.pa McD 318, SEG 25:667, V/-LÖ4Ja ZPE 1974 :28
im archaischen Alphabet 18)
Oav<4l.J,Lot IG 9 ,2: 517 .1 0
[XP]Ei/-L/-LaTa McD 330.13 (aber XP€4J.0..Tovv McD 310.31/32, XP€4J.CLT€00t IG
•
912:5 13.6; X[P]€1-LaTa IG 9,2: 1226.6/7 im arch . Alphabet)
~AMv IG 9,2:1229.20 (gegenüber boiot. oßeMv IG 7:1739.8)
KaTt'U/-L/-LEV IG 9,2:517.44 (aber KaT~E/-LEV Z. 21)
38
00046245
wic klung beruht, sondern in jedem der beiden Dialekte unabhängig und aus ver-
schiedenen Gründen eingetreten ist. Bartonek fUhrt u.a. folgende Argumente an :
(1) die betroffenen Phoneme haben eine verschiedene Herkunft und eine ver-
schiedene Stellung im Vokalsystem des jeweiligen Dialekts;
(2) Ursachen und Dauer der Vokalhebungsprozesse in beiden Dialekten sind ver-
schieden ;
(3) im Thessalischen unterliegen die mittleren (langen) Vokale /e :/ und fo:f dem
Hebungsprozeß, im Boiotischen nur /e:/.
§ 36. Zugrundeliegendes /e:/ und /e :/ als Resultat der h-Assimilation (sog. Er-
satzdehnung, § 90) und der Kontraktion (§ 69) werden nach der Einführung des
ionischen Alphabets zu Beginn des 4. Jhdt.s nach einer kurzen Periode des
Schwankens (cf. IG 7:2418, Mitte 4. Jhdt.) et geschrieben:
/e:/ -+ [<::],
deren erste Anzeichen bereits zwei Jahrhunderte früher durch die Schreibung I-
statt e ('A-y ~ J.f.OvOa\ IG 7 :2456) greifbar sind.
. .
I I: ~ ~: e e: ~ ~: a a: 0 o: 0• o:
•
u u: u u:
hoch + + + + - - - - - - + + + + + +
tief - - + + + + - - - -
mitt + + + + + + - - + + + + - -
hint - - + + + + + + + +
rund - - + + + + + + + +
lang + - + + + + + - + - + +
/e:/ -+- (~ :) = EL
Im Gegensatz zum Thessalischen bleibt zugrundeliegendes und aus phonologischen
Prozessen entstandenes /o: / = w unverändert.
§ 39. Seit dem Abschluß der Vokalhebung (Mitte 4. Jhdt.) werden im Boioti-
schen zwei e-Qualitäten unterschieden,[~:] aus /e:/ (§ 36) und[~:] aus / ay/
(§ 77), die in der Orthographie durch EL resp. Ti bezeichnet werden. Auf einer
Reihe von Inschriften ist eine Vertauschung dieser Schreibungen zu beobachten,
die von Buttenwieser (1911 : 31) und Thumb-Scherer ( 1959: 21) attischem oder
hellenistischem Einfluß zugeschrieben wird. Diese Interpretation muß sich aber
mit den Einwänden auseinandersetzen, daß der früheste Beleg, r1J.LEV SEG 25:553.
6,8, bereits in das 4. Jhdt. datiert wird und daß in einer Reihe von Fällen schwan-
kende Schreibungen auf jeweils derselben Inschrift bezeugt sind; es trifft aller-
dings zu, daß die Hauptmasse der Belege aus der 2. Hälfte des 3. Jhdt.s stammt.
Ti statt €L
fiJ.Lev SEG 25:553.6,8, IG 7:523.3 statt ELJ.I.EV IG 7:523.6
tfl DGE 462.a30 statt tEL Z. a1 5
VJflvr(t11 DGE 462.a 10 statt rpT,vetTTl Z. a22
KO.TaaKevaa.Jel.,., DGE 462.a8/9 statt KaraaK.evaa!Jeiet Z. a 17/18
rroral)LKftTW SEG ! :358.15 statt rroral)LKeirw
ne~~avria SEG 25:553.4/5 statt ne~Xaveia
ä.~v~e IG 7:1737.12 statt ä.rreiv~e (eiv~av JG 7:2418.24)
ötare~il IG 7:2383.17 statt 5tare~ei (vgl. ötare[~]i IG 7:280.2)
40
00046245
eL statt f1
eipeßevra<: IG 7:1719.9, BCH 1936 :177ff. Z. 31/32 statt flpeßevra<: (cf. flpeßet
DGE 462.a38, flpeßdUTl Z. alO, flpeße'iaav Z. a13, 7ipeow IG 7:2383.11)
Secl3e'iv Kabirenheiligtum 1940 Nr. 4.1 statt 9etßilu (9etß1iwv IG 7:2405.14)
1TpOTetvi E. 78:12.9 statt 1TP01T1Vl IG 7:1739.14
Twa-ypelwv IG 7:522.10/11 statt Tava-ypfiwv IG 7:519.5
§ 40. Im Rahmen einer erneuten Hebung wird um die Mitte des 3. Jhdt.s das
aus /e:/ entstandene[«::](§ 36) (wie bereits in der I. Hälfte des 4. Jhdt.s («: :)
aus /ey/, § 73) zu [i:].
PR (2) Vokalhebung im Boiotischen
+silb
+hoch
~ief
-+ [-mitt]
+mitt
- hint
+lang
[c::] -+ [i:)=t
Belege:
1Tape'i<: DGE 485.40
•
1Tapt<; ibid. z. 48
NwJ,.Letviw IG 7:3081.1 : NwJ,.Lwiw ibid. Z. 1
avn-1TOL€'i1'T/ IG 7:3080.4 : €K·1Touwvßt DGE 462.a24
d-ytp€J.L€V IG 7:4136.4
A.etrwp-yip.ev IG 7:3083.24
§ 41. Parallel zu der Hebung von je:/ zu [«::] ist in Boiotien auch eine Hebung
von kurzem /e/ zu (~]oder [i] vor Vokal zu beobachten: im archaischen Alpha-
bet wird an Stelle von € häufig €L oder r, im ionischen Alphabet überwiegend L
geschrieben (cf. Thumb-Scherer 1959: 19f.).
Archaisches Alphabet:
ßew'i<: E. 75:63 (Gefaß), 9ewa6oro<; IG 7:2733 (Akraiphia), &~€<:
SEG 24:368 (Thebai), 9eW')'ira IG 7:2565 (Thebai)
ave"eLW Ptoion 1971 Nr. 245, Nr. 249, Ptoion 1943 Nr. 5, IG 7:1671
(Plataiai), AD 1930/31 :106 (Thebai), BCH 1926 :390 Nr. 4 (Thespiai)
(gegenüber aveßeav IG 7:2455 Thebai, Ptoion 1943 Nr. 1)
'Ap~LK'Ar€<: IG 7: 1888.a5 (Thespiai), OpoK'Ar€<: ibid. Z. f7
Ionisches Alphabet:
ßw<: IG 7:552.4 (Tanagra)
ave"LW IG 7:2723.1, 4158 (Akraiphia), IG 7:3087.1 (Lebadeia)
€will IG 7:3193.5 (Orkhomenos)
41
00046245
L statt e
vw.vloKwc: Roesch 197 1 Z. 13 statt veavioKwc; (cf. veavloKwv Z. 18,2 1) (Thespiai:
i.a€rw SEG 22:407 .2 1 statt €a€rw (Thisbai),
42
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wird man - gegen Buttenwiesec - annehmen müssen, daß die Verteilung der
Schreibungen e und L eher verschiedene graphische Konventionen als die unvoll-
ständige Ausbreitung eines Lautwandels reflektiert: das im gesamten Boiotischen
durch die Hebung von /e/ vor Vokal entstandene[~]. flir das im ionischen Alpha-
bet kein eigenes Zeichen vorhanden war, wird in der Regel im Südwesten durch
e, in den übrigen Gebieten durch L bezeichnet.
Die Hebung /e/ --+ [ ~] in Teilbereichen des Thessalischen (§ 45) stellt nicht eine
boiotisch-thessalische Gemeinsamkeit dar, sondern beruht auf unabhängiger Ent-
wicklung.
§ 4S. Wie im Boiotischen (§ 4lff.) wird auch im Thessalischen durch die gele-
gentliche Schreibung' für e eine Hebung von [e] zu[~] vor nicht-hohem Vokal
belegt. Diese Aussprachevariante , deren früheste Belege bis in das 4. Jahrhundert
reichen, bleibt auf die Histiaiotis, Kierion und den gebirgigen Teil der Pelasgiotis
beschränkt.
Beispiele:
~t.Oc: IG 9,2:458.1 (Krannon, 3. Jhdt.), BCH 1970: 16lff. Z. 1 (Matropolis, 3.
Jhdt.), aber ~eoi IG 9,2:1229.37 (Pha1anna), ~eoic: IG 9,2:581 (Larisa),
E>eO"(eivet IG 9,2:504.6 (Larisa)
"f€11Wvll BCH 1970: 161ff. Z. 3 (Matropolis), "f€11Wt ibid. Z. 4/5, aber "f€11eäc:
DGE 606.3 (Mopsion, Pelasgiotis)
Ntwra IG 9,2:461.15 (Krannon), Arovreim IG 9,2:414.a9 (Pherai)
'Epax'N.o<: IG 9,2: 258.12 (Kierion), K'Aiavöpec: BCH 1970: 16lff. Z. 11 (Matro-
polis), Kf..w11[11lO]awc: IG 9,2:281.12/ 13 (Matropolis), Kf..WJ.Laxoc: IG 9,2:416.1
(Pherai)
§ 47. Auf den Inschriften und in der literarischen Überlieferung des Lesbischen
schwankt die Schreibung für [o] vor [m] am Wortanfang zwischen o und u:
44
00046245
Inschriftliche Belege:
OJ.LO"Acrrflp.eva IG 12,2:6.35 (4. Jhdt.)
OJ.LO[Xo-yewwt] ibid. z. 32/33
blJ..L]a. IG 12,2:526.b3 1 (4. Jhdt.)
op.Ovoc.cw IG 12,2 S: 136.b33 (Delos 2. Jhdt.)
VJ.LOAO"'tia<:: DGE 644.13/14 (Aigai Mitte 3. Jhdt.)
iJJ.,ta IG 12,2:32.11 (archais.)
iJJ..t[a] IG 12,2:29.10 (archais.)
VIJI)iw<: IG 12,2:69.a6 (archais.)
Literarische Belege:
OJ..ta'YlJ[ Alk 115.al4
OJ..Ltr\A.H Alk 117 .b29 (cf. ÖJ..Lt'AA.o<: Etym.m. 658.55)
VJ..LaALK[ Sa 30.7, Sa 103.8
VIJIJt Sa 94.13
ÜJ.,tw<: Sa 58.21
VJ..LW[ Alk 1.14
ÜJ.LOt BalbiUa (Memnon Nr. 31.3)
Nach Bechtel (1921: 27) gehört "die Verdumpfung des o vor J..t" ,,zu den sicher
bezeugten Tatsachen der Lautgeschichte". In der Alexanderzeit sei o noch erhal-
ten und vom 3. Jhdt. an zu v geworden; in den Handschriften und Papyri der
Lyriker habe die Aussprache des Alexandrinischen Zeitalters ihren Niederschlag
gefunden. Die sichere Bezeugung eines manifesten Lautwandels [o] ~ [u] vor [m]
am Wortanfang wird jedoch in Frage gestellt
(1) durch die literarischen Belege OJ..La'YtJ[ , oJ.,ti'AA.et, die Bechtel noch nicht bekannt
sein konnten:
(2) durch den Beleg OJ..LOVOtav im 2. Jhdt., an dessen Stelle nach Bechtel VJ..LOVOc.cw
zu erwarten wäre;
(3) durch den Umstand, daß v an Stelle von obislang überhaupt nur in Formen,
Ableitungen oder Komposita von ÖJ.LO<:: belegt ist.
Möglicherweise verbirgt sich hinter der schwankenden Schreibung lediglich eine
Hebung [o] -+ [ 9 ], ftir die verschiedene graphische Repräsentationen gewählt wur-
den, wenn nicht überhaupt der größte Teil der Schreibungen mit v auf den Ein-
fluß von Grammatikerberichten über "aiolisches" v statt o zurückgeht : für die
archaisierenden inschriftlichen Belege iJJ.,ta, iJJ.,toiw<: und flir den Balbilla-Beleg ist ein
solcher Einfluß sehr wahrscheinlich, und flir die literarischen Belege (die sämtlich
der Papyrus-Oberliefe rung entstammen) zumindest in die Oberlegungen einzube-
ziehen.21 Zu bedenken ist schließlich noch, daß der einzige inschriftliche Beleg,
der auf Grund seines Alters eine Entscheidung über die Glaubwürdigkeit der Gram-
21 Wie hoch der Einfluß der Lehrmeinung antiker Grammatiker auf die Oberlieferung ver-
anschlagt werden muß, hat Niekau (1974) an Hand von 1Ja6o~ (1Ja6wv Sa 2.5, lla6w Sa
lOS .al codd. , 1Ja6wt L- P, V.) statt Öa6oc; gezeigt .
45
00046245
mati.kerberichte über lesb . [u] flir [ o] herbeifUhren könnte, OfJOAO'Yiac; aus Aigai,
von einer Inschrift stammt, die neben (kleinasiatisch-)aiolischen auch dialekt-
fremde Merkmale (iJK.oaoov, Dat.Pl. -OL\) enthält.
§ SO. KiarionfKierion
Kiarion lautet der Name der Stadt auf lokalen Inschriften des 2. Jhdt.s {ältere
Belege fehlen):
Kw.pioL IG 9,2:258.2
Kw.p,[ IG 9,2:260.b 1
46
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[oy-+ ey1
o-Stämme
Dat.Pl. rei<: BCH 1970: 161 ff. Z. 2, wrei<: ibid. Z. 4, n5rec.c: ibid. Z. 8, OLKaareip-
pec.c: Helly i.V. Z. 12, reic: lU}reic: ibid. Z. 13.
47
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48
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:Ewtlveat~ IG 7: 1390
Al.oUawv IG 7 :2820.9, 'O'AwVIJ1TLX<X IG 7:2786.13, erx.{'AJ.OOoc; BCH 1936 :
27ff. z. b31, no'AwvaTpOTW IG 7:557.4
vuiiv DGE 462.a5, livWVIJO. lG 7:3352.4, ~twvwvaaa7'71 IG 7:686.3
Einmal ist auch wv statt ov arn Wortanfang belegt: wuu,;i IG 7:3377.6.
Die zwar nicht konsistente, aber häufige neue Schreibweise läßt darauf schließen,
daß sich zwischen koronalen Konsonanten {[-hoch], [-hint]) und [u] ((+hoch],
(+hint]) der palatale Gleitlaut [y] ([+hoch], (- hint]) als Obergangslaut gebildet
hat (vgl. auch § 139).
-silb +kons
+silb
-kons -hoch
+hoch
0 ~ +hoch I -hint - +hint
-hint +kor
+rund
-rund +ant
0 ~ [y] zwischen koronalen Kons. und [u]
Buck (1968:24) zieht, wohl mit Recht, als Parallele die Aussprache von engl. u
in cube heran {obgleich ein Beispiel wie duke angemessener wäre). Abzulehnen
ist die Interpretation von wv als (ü] (Shipp 1965: 308f., Ruipchez 1972: 161);
für die Schreibung von [ü) wird im Boiotischen bereits seit dem 4. Jhdt. der Buch-
stabe v verwendet.
(1) aml:
Thess. Sofern nicht die apokopierte Form ä.1T verwendet wird, lautet die Präpo-
sition im Thessalischen der Pelasgiotis Q.mj (aw IG 9,2:594.2,3. Jhdt.,
Ö.1TVaT{>\'Aavro~ IG 9,2 :517.23, Ende 3. Jhdt.); im 2. Jhdt. ist a1Tv durch
amS ersetzt (IG 9,2:414 passim, Pherai).
Lesb. Im literarischen Lesbisch wird ausnahmslos ä.mj verwendet (vgl. Index
bei Voigt). Auf der ältesten Prosainschrift steht Q.mj (ä.~L IG 12,2:
1.15, 5. Jhdt.) ; im 4. Jhdt. wird aw noch in ä.1TVMIJ€llat IG 12,2: 6.45
verwendet, ist aber in IG 12,2:526 (Eresos) bereits durch ä.1To ersetzt
(a1Toß<ivJ7v Z. a19/20, a1TOÖoawc; Z. a22 , ä.1T<ryovwv Z. d21 etc.). Danach
wird ausschließlich ä.1To verwendet, bis in nachchristlicher Zeit in archai-
sierenden Inschriften Q.mj wiederbelebt wird (aw IG 12,2:67.10, ä.1TIJooxa,
0.1TIJoeooaßat IKyme 19, awrovov IG 12,2:244.8/9 , '1TV Balbilla Memnon
Nr. 28.2, 31.1 ).
Boiot. 0.11'6 (ohne Ausnahme)
(2) -y{IIVJ.lCU:
Thess. 'YWvJ.lCU. in -yWtletret IG 9 ,2: 517.22/ 23, SEG 27:202.26/ 27 (Ende 3. Jhd1
-yWtlet(r}€t IG 9,2 :5 15.12 (2. Jhdt.), 'YUIIJJ.lEvaviG 9,2: 51 7.45 (Ende 3.
Jhdt .) (alle aus Larisa), 'YUIIJJ.lEvat BCH 1970 : 161 ff. Z. 5 (Matropolis,
3. Jhdt.),jünger -yivoJ.lcu. in ['Ytlvetret IG 9,2:5 12.20/2 1 (2. Jhdt.), McD
337.32 (1. H. 2. Jhdt.), 1TQ{J'YWOJ.lEVOt\ ibid. z. 35/36, OVJ.l1TOfYW€tTet27
ibid. Z. 36, 'YWOJ.lEVO\ IG 9,2:553 passim (1. Jhdt.).
Lesb. -ylvoJJru. in -ywe[r]a[t] Alk 117b.29, -yliiTJTCU. IG 12,2:528.6
Boiot. -yivovJ.lTI in z.B. -yivovarh} BCH 1936: 177ff. Z. 29, -yiwrr] IG 7: 1737.5,
rrap-yWtlwvrh} IG 7:207. 11 / 12, 'YWwVJ.l€VOV (§ 52) IG 7:3303.6 28.
(3) ÖWJ.la:
Thess. iWvJ.La (OvtiJ.laTa IG 9,2:517.21, BCH 1970: 16lff. Z. 10, 'OvtiJJapxcx:
IG 9,2:234.30) und ÖVOJ.la in 'OvoJJax'Ae"ir; AD 1973/74 Xpov. 571 Z . lC
(Larisa, 2. H. 3. Jhdt.).
Lesb. Im literarischen Lesbisch ÖIIVJ.la (cf. WvVJ,laoa[a]v Alk 129.8, errwvVJ.LaO·
aav Alk 129.5). Auf den Inschriften ÖVOJ.la (OvOJ.laror; IG 12,2:15.30,
Ende 3 . Jhdt.) und ÖWJ.la (IG 12,2 :68.7, rrpoaowJJao6eatJcu. IKyme
19.7, beide nachchristlich).
Boiot. ÖVOVJ.la (ohne Ausnahme).
27 Oie Form ist entweder fwch gelesen oder verschrieben; zu erwarten wäre uu1JnortlwTtl
(Lejeune 1941 : 79).
28 Zur Bildung vgL auch M660UIJTJ (ou1roM66oU11"'1 SEG 1:132.12, M66ouu~ IG 7: 3054.6).
50
00046245
(2) i.Epck
Thess. iep6<:, ißp- nur in ißpOV'Toic: IG 9,2:46l.b25 (Krannon, 2. Jhdt.)
Lesb. lpoc;
Boiot. lapoc; durch zahlreiche Belege bereits seit Beginn der Überlieferung ver-
treten ; die Formen mit iep-29 können aber nicht ausschließlich dem Ein-
fluß der Koine zugeschrieben werden (wie es bei Buttenwieser 1911 : 33
und Buck 1968: 24 geschieht). In Bezug auf die älteren wird man sich
fragen müssen, ob sie als Entlehnungen (aus dem Attisch-Ionischen?)
oder als Relikte der thessalisch-boiotischen Gemeinsamkeit aufgefaßt
werden müssen.
§ 56. Wechsel ofa: Oll/dlla
Thess. Pelasgiotis: Qll 30
Perrhaibia: in Phalanna auf Grund des Einflusses aus der Pelasgiotis Oll
(z.B. Olle~eKe IG 9,2:1236, Olle~eu<ew IG 9,2: 1233) neben ava (z.B.
twe~eU<e DGE 616a), in IG 9,2:1229 auf der gleichen Inschrift wech-
selnd (oryprupdll Z. 40/41, oryp(J){)€1l Z. 31, aber all'Te~ei Z. 32); in Mylai
Olle~eix.aell Biesantz (1965: 32) Nr. 56; in Khyretiai ä.vil~ICTl DGE 607a.
Histiaiotis: nur ein Beleg: t.we~KEil IG 9,2:299 (4. Jhdt.)
Thessaliotis : twa (ayypal/Jat IG 9,2:258.11, ä[lla-yp ]a(cp€ijuev IG 9,2: 260.a3)
Phthiotis (Pharsalos: Oll (olle!JeiKaell IG 9,2:244.4) neben dvd (z.B. twe-
IJeiKaell IG 9,2:237.1, dv€1J(e]Kav IG 9,2:241.1/2)
Magnesia: Oll (61l€19eKe IG 9,2: 1098 Alifak/ar, OlleiJeU<e IG 9,2: 1127
Demetrias 31) neben ava (~e~[ IG 9,2:1203 Korope)
Lesb. Im literarischen Lesbisch Oll; auf älteren Inschriften Oll (0-yK<ipv~at IG
12,2 S:2.6, OlleiJeKe DGE 639, ovaAiaKovrac; IG 12,2:7.4/5), seit dem
4. Jhdt. durch äva verdrängt (in IG 12,2:645 0-yKapvaaerw Z. a37 ne-
ben alla-ypal/Jru. Z. a44/45 , avaXwJ.LQ. Z. b65; t.w€X[w]ll IG 12,2:526.a25).
Ln archaisierenden Inschriften ist Oll wiedereingeführt (ovre~ll IKyme
19.8 etc., ovre[~]Kovtec: IG 12,2: 108.8/9, Ollara~eiaac; IG 12,2:255.8).
Boiot. ava (ausschließlich)
29 h(,)~pov BCH 1926:387 Nr. 2 (Thespiai, 5. Jhdt.), hupa SEG 24:361.2 (Khorsiai, Anf.
4. Jhdt.), !Epapxcu DGE 482.1 (Thespiai, um 300); an Stelle von le(P)apxlovro~ in BCH
1926:401 Nr. 18.1 ist la(p)-zu lesen (Hinweis von P. Roesch), Lepew~ IG 7:352.1 (Oro-
pos) ist keine boiotische Form. Die Herkunft der Votivstatuette AJA 1962:381 mit hupc5,
Ko.IJ~/p6' (6./5. Jhdt.) ist nicht bekannt, ihre Zuweisung zum Boiotischen daher nicht zwin-
gend.
30 IG 9,2:575 (Larisa, 5. Jhdt.) mit llve~iK~ kann wegen ro6e statt TOllE von der poetischen
Sprache beeinflußt sein; in IG 9,2 :5 97 (Larisa, 3. Jhdt.) ist llve""'Ke" wegen ny ephelkysti·
kon nicht authentisch; in IG 9,2 :598 (Larisa, 3. Jhdt.) steht llve""'K~ neben der thessaü-
schen Form ove "~'Ke.
31 In dem Gebiet um Demetrias ist der Verlauf der Grenze zwischen der Pelasgiotis und
Magnesia umstritten ; eine eindeutige Zuweisung von lJ.ve~iKe der Inschrift AAA 1974:74 -
fli.r die als Fundort Pagasai angegeben wird - ist daher nicht möglich.
51
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52
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vorderen Lauten - aber nur nach Konsonanten - wird etwa zur gleichen Zeit
im Boiotischen vor [u) der Gleitlaut [y] eingefügt. Beide Prozesse weisen in eini·
gen Aspekten Oberemstimmungen auf, aber es erscheint fraglich, ob eine Bezie·
hung im Sinne einer Gemeinsamkeit hergestellt werden kann.
Entgegen der herkömmlichen Meinung werden durch die übrigen Wechsel von
Vokalqualitäten keine Lautwandel [o > u), [a > o) , [e > o) dokumentiert:
(1) ami (im Thessalischen und im älteren Lesbischen) und cl1TO sind zwei ver-
schiedene Lexeme (vgl. zuletzt Garcia-Ram6n 1975: 50 mit weiterer Litera-
tur, gegen Panagl 1975: 425ff.). Das gleiche gilt ftir öv neben ava und 01r
neben €1ri.
(2) -yiJJUJ.I.CU. im Thessalischen und Boiotischen gegenüber -yivoJ.I.CU. im Lesbischen
ist eine Neubildung nach bekannten Mustern (Schwyzer 1959: 698).
(3) ÖJJUJ.I.a neben ÖJJOJJ.a beruht nicht auf einer inneraiolischen Entwicklung, son-
dern geht auf eine im Griechischen weiter verbreitete (aber unerklärte: Le-
jeune 1972: 190 Anrn . 3), voreinzelsprachliche Bildung zurück.
(4) "ApTap.Lc:, ia.poc: im Boiotischen und vereinzelt im Thessalischen beruhen
auf westgriechischem Einfluß.
( 5) Der Wechsel zwischen [o] und [a] in Zahlwörtern reflektiert verschiedene
Varianten teils der Vertretung idg. silbischer Sonanten, teils bestimmter
Kompositionstypen; die Einzelheiten der Abgrenzung zwischen phonologi·
sehen und morphologischen Ursachen sind noch nicht übereinstimmend ge-
klärt.
lastung von der Anwendung der Kürzungsregel ausgenommen sind, oder durch
Regelordnung Rechnung getragen werden: die Regelfolge, durch die lesb. /-o:nti/
in /-o:ysi/ überfUhrt wird (vgl. §§ 117ff., 179), ist nach der Kürzungsregel an-
zuordnen .
In der Folge von einem langen Vokal und einem Gleitlaut vor der Wortgrenze
wird im Lesbischen und Thessalischen der Gleitlaut getilgt (§ 99), im Boiotischer:
der lange Vokal gekürzt (§ 62).
§ 61 . Anwendungsbeispiele
( 1) Part. Präs. der e-Verben
/phile:+nt+/ -+ /philent+/ lesb. aiep"(erevreaat IG 12,2: 527.40
thess. KaroiXevreaat IG 9,2:5 17.14
(2) 3. Pl.Med. der e-Verben
/phile:+ntay/ -+ (philentay] lesb. 1Tw'Aevr·at Alk 130.b18
thess. elj>(i.vype~ew IG 9,2:5 17.4 1
Zu Formen des Part.Präs. und der 3. Pl.Med. der e-Verben mit langem Vokal vor der
Folge von Sonant und Obstruent (lesb. 6ivvr)~~Tt~;, KaTotKT!~~Twv, thess. KOwavtl~~Touv {?),
lesb. ~PfiiiTCll , 11poil0f!IITC11 etc.) vgl. § 234.
(3) Imp.Pl. der e-Verben
/kale :+nton/ -+ (kalenton] lesb. KaA.evrov (§ 187)
(4) Akk.Pl. der ä-Stämme (§ 246)
/ tukha:+ns/ -+ / tukhans/
(5) 2. Sg. und 3. Sg. der e-Verben (§ 182)
/ phile:ys/ -+ /phileys/
/phile:yt/ -+ /phileyt/
(6) Dat.Pl. der ä- und o-Stärnme
/tuk.ha :ys/ -+ / tukhays/ (§ 246)
/nomo:ys/ -+ / nomoys/ (§ 250)
(7) Nom .Sg. der ew-Stämme (§ 263)
/ basile: ws/ -+ (basilews]
(8) /a:wso:s/ -+ /awso :s/ (§ 92)
54
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Anwendungsbeispiele:
Dat .Sg. der vokalischen Stämme
/ tukha:y/ --? boiot. / tukhayl (§ 246)
/ nomo:y/ --? boiot. /nomoyl (§ 253)
Im Dat.Sg. des Stammes auf /o:/ (§ 269) bleibt der lange Vokal erhalten, weil zwischen
Stammauslaut und Endung eine Silbengrenze liegt; vgl. [e)lpwl' nTwlot DGE 541.1. Zum
Ausgang der 3. Sg.Konj. vgl. § 166.
Da im Ausgang des Dat.Sg. der o-Stämme auch nach der Einführung des ionischen
Alphabets zu Beginn des 4. Jhdt.s noch gelegentlich -w' geschrieben wird (§ 253),
muß der KUrzungsprozeß etwa in diese Zeit oder frühestens in die 2. Hälfte des
5. Jhdt.s datiert werden. Damit ergibt sich zwischen dem Boiotischen einerseits
und dem Thessalischen und Lesbischen andererseits eine zwar nicht inhaltliche,
aber doch chronologische Obereinstimmung der Prozesse, durch die auslautende
Langdiphthonge eliminiert werden.
55
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§ 6S. Der Befund flir eine Devokalisierung von /i/ im Lesbischen ist uneinheitlich
und widersprüchlich. Aus dem literarischen Lesbisch können als Belege herangezo-
gen werden (§ 110):
tr€pp, ew vor Vokal gegenüber trepi, evi vor Konsonant
n€ppap.o<:; neben npiap.o<:;.
Sonst ist [ri] vor Vokal erhalten: fitepiac;, trOT'I'ipwv etc. (cf. Harnrn 1957: 25f.).
In anderen Fällen wird i nach r nicht geschrieben: trdpt.pVpoc; (mehrere Belege)
neben troptpvpto<:: , llpyvpoc; statt *ap"(vpto<:;, und es gibt keine Möglichkeit zu ent-
scheiden, ob [i) hier spurlos geschwunden ist oder devokalisiert wurde, und, falls
letzteres zutrifft, ob eine Palatalisierung und Geminierung (wie etwa in ä"(KUppa
Alk., thess. ap"fvppoc) eingetreten ist und wodurch dann die augenscheinliche
Depalatalisierung und Degeminierung bedingt ist. Verschiedene Aspekte einer
Erklärung aus metrischen Gegebenheiten werden von Harnrn ( l.c.) diskutiert ;
56
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Garcia-Ram6n {1978b: 413) hegt zwar keinen Zweifel, daß in rrop..pvpo<;, äp-yu-
po<; palatalisierte (geminierte) Sonanten vorliegen, läßt aber die Frage, wann die
Vereinfachung (zu -p-) eingetreten ist, offen.
An Stelle der Lautfolge [di-] am Wortanfang steht im literarischen Lesbisch einige
Male [dz-] (~a, ~aA.e~cu etc., § 128) gegenüber 8t.tiJJ.etrrrov, St.tix17TCU etc. Auch hier
werden metrische Erfordernisse eine Rolle gespielt haben; der Erklärungsversuch
Hamms (1957: 26), daß 8t- erhalten sei, wo das -a von 8td elidiert wurde, kommt
nicht ohne die Annahme von unmotivierten Ausnahmen aus und bleibt daher
unbefriedigend.
Aus der inschriftlichen Oberlieferung des Lesbischen stehen nur zwei Belege zur
Verfligung: 'A-yeppavwr; und rrepp aürwv (§ 110). Für zwei weitere Beispiele aus
hellenistischer Zeit, die Hooker (1977: 87f.) im Anschluß an Bechtel (1909: 31)
wieder in die Diskussion gebracht hat, ..üwvuoo<; statt ..üwvt5oto<; aus Myrina und
b.p-yvpa statt b.p-yvpw. aus Aigai, stellen sich die gleichen - ungelösten - Proble-
me wie flir rropcpupor;, l:J.p-yupor; bei den Lyrikern.35
§ 66. Aus dem Boiotischen werden gewöhnlich (Bechtel 1921: 234, Thumb-
Scherer 1959: 20) ..üaJJ.arpor; IG 7:890, 'A!ppoöioa IG 7:854, (K)a.pioa DGE
462.a68 etc. als Belege fUr eine Devokalisierung von /i/ (und anschließenden
Schwund von /y/) herangezogen. Dagegen hat sich bereits Salmsen ( 1904: 491f.)
skeptisch geäußert: ..ÜaJJ.arpor; und Ka.pioa können mit den Suffixen -o-, -ä- aus
den zugehörigen Götternamen gebildet sein, und 'A!ppoöloa kann entweder auf
einen Fehler des Steinmetzen oder den Einfluß der Koine zurückgehen. 'A!ppoöloa
und die häufiger belegte Form 'A!ppoöwia gegenüber 'A!ppoötrla IG 7:3303.3 sind
auch schon auf Grund der Assibilation nicht echt boiotisch.
§ 67. Als Fazit dieser Übersicht ergibt sich, daß die Devokalisierung von /i/ zwi-
schen einem Konsonanten und einem Vokal im Thessalischen regelmäßig durch-
geführt ist, im Lesbischen nur in einigen Fällen und nur nach einem Sonanten
auftritt und im Boiotischen fehlt. Die Beurteilung dieses Befundes bereitet
Schwierigkeiten. Man wird sich fragen müssen, (1) ob eine den aiolischen Dia-
lekten ursprünglich gemeinsame i-Devokalisierungsregel aufgestellt werden kann,
(2) wie deren Anwendungsbereich zu definieren ist und (3) wie die Befunde in
den bezeugten Stadien der aiolischen Dialekte zu beurteilen sind: hat der Anwen-
dungsbereich eine Extension im Thessalischen oder eine Restriktion im Lesbischen
erfahren? Garcia-Ram6n (1975: 81f.) tendiert im Rahmen seiner historischen
Untersuchung zu der Auffassung, daß erst nach der Ab.wanderung der zukünfti-
gen Boioter im Thessalo-Lesbischen sekundäres /y/ zunächst nur nach /r/ und
/d/ eine Palatalisierung bewirkt habe und daß nach der Ausgliederung des späte-
ren Lesbischen aus dem Thessalo-Lesbischen im Thessalischen neue palatalisierte
57
00046245
Geminaten aus /yI nach /1, n, s, t/ entstanden seien. Soweit es das Boiotische
betrifft, wird man sich dieser Beurteilung anschließen können. In der Grammatik
des Boiotischen hat es eine i-Devokalisierungsregel nicht gegeben. Gegen die An-
nahme einer Palatalisierung nur von /r/ und /d/ durch sekundäres /y/ im Thessalo
Lesbischen sprechen aber folgende Argumente :
{1) Die Beispiele für die Devokalisierung von /i/ nach /d/ am Wortanfang im
Lesbischen entstammen der Sprache der Lyrik und sind vermutlich metrisch
bedingt. Die Bedingungen für das Auftreten von i-Devokalisierung nach ei-
nem Sonanten (nicht nur nach /r/) sind noch nicht erforscht; möglicher-
weise trifft zu, daß die Lyriker "von der Reduzierung des - L- in der leben-
digen Sprache gelegentlich aus metrischen Rücksichten Gebrauch (machen)"
(Hamm 1957: 26). In der durch Inschriften belegten Periode des Lesbischen
aber hat die i-Devokalisierungsregel wahrscheinlich nicht mehr bestanden:
der Monatsname 'A-yeppavt.O<; kann eine Reliktform sein, und das hellenisti-
sche rr€pp aiJrwv ist in Anbetracht von rrepi 'ArpoJ.Jilrw IG 12,2 S:2. 19
(Mytilena, Ende 4. Jhdt.) wohl eine archaisierende Bildung.
(2) Falls es zutrifft, daß im älteren Lesbischen durch Devokalisierung /y/ nach
einem Sonanten entsteht, wird man doch die Unterschiede in der Palatali-
sierung durch sekundäres /y/ zwischen dem Thessalischen und Lesbischen
nicht übersehen können. Im Thessalischen wird die Folge /TRyV/ in /TRV/
überführt, während im Lesbischen zwischen dem Konsonanten und dem So-
nanten /e/ eingefügt wird: thess. rpia > rpa gegenüber lesb. IIpla- > IIeppa-.
In ähnlicher Weise divergiert die Realisierung der zugrundeliegenden Folge
/-trya/: dem thess. -rappa (Aaiio]rappa § 113) steht lesb. -reppa (Mreppa)
0
gegenüber.36
{3) Die Phoneme / r/ und /d/ bilden keine natürliche Klasse. Es ist daher schwer
zu rechtfertigen, daß die Palatalisierung in beiden Dialekten ursprünglich auf
diese beiden Konsonanten beschränkt geblieben sein soll.
Dieser Befund läßt neben der geradlinigen und vereinfachenden Deutung Garcia-
Ram6ns weitere Interpretationen zu: die Entstehung von sekundärem /y/ und
die anschließende Palatalisierung kann ( 1) im Thessalischen und Lesbischen un-
abhängig voneinander ("einzeldialektisch" Schwyzer 1959: 274) erfolgt sein oder
{2) in der Periode der thessalo-lesbischen Gemeinsamkeit bereits in gewissem
Umfang eingetreten sein und nach der Trennung der beiden Dialekte im Thessa-
lischen ausgedehnt, im Lesbischen - wie im Falle der Assibilation / {i/ -+ /si/
(§ 136f.) oder im Falle der Entwicklung palatalisierter geminierter Sonanten
(/mofta/ -+ /moyra/, § 111) - durch Transformation und Depalatalisierung zum
Abschluß gebracht worden sein.
36 HeUy (1970a: 263 A3) versucht, thess. --ro.ppo. aus ·reppa herzuleiten. Ein Wandelfe > a)
ist innerhalb des Thessalischen aber nur für Kierion (§ 50) bezeugt.
58
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4.6 Kontraktion
Anwendungsbeispiele:
lnf.Präs.Akt. im Lesbischen (§§ 223, 226}
/ag+e+en/ ~ /age:n/ li:yrw
/kaJe:+en/ -+ /ble:n/ Ka'Arw
Präs.Med. 3. Sg.Konj. der e-Verben
/phile:+e:+tay/ ~ /phile:tay/ im Lesbischen(§ 187)
37 Vgl. Heubeck
. (1979a: 246 mit weiterer Literatur).
•
59
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Aor.Pass. 3. Sg.Konj.
/ti:ma:+the:+e:+/ -+ / ti :ma:the::tf im Lesbischen, Thessalischen (nicht im
Boiotischen), § 217
Gen.Sg.
/nomoo/ -+ /nomo: / im Lesbischen, Boiotischen
Dat. Sg.
/poli+i/ -+ /poli: / im Lesbischen, Thessalischen, Boiotischen
§ 70. In der Folge von /a:/ und jo:f oder /o/ in zugrundeliegenden oder (duJch
Gleitlauttilgung) abgeleiteten Formen tritt im Lesbischen und Thessalischen -
aber nicht im Boiotischen - meist Kontraktion zu [a:] ein.
PR (10) Kontraktion von /a:o:/, /a:o/ im Lesb. und Thess.
+silb +silb
+tief -hoch
-+ [ 1]
+hint -tief
+lang +hint
1 2
fa:f /o: / -+ [ a:]
ja:/ /.o/ -+ [ a:]
Die deutlichsten Belege ftir die Kontraktion /a:o:/, fa:of -+ lesb. thess. [a:] stam-
men aus der Flexion der ä-Stämme (§ 245ff.):
Gen .Pl. /poli:ta:+o: n/ -+ lesb.thess. [poli:ta :n]
lesb. rroA..irw IG 12,2: 15.30, tl1ess. rro'A.Lräv McD 337.36
gegenüber boiot. 1TOALrd.wv IG 7:3 169.7
Gen.Sg.mask. /tamia:+o/ -+ lesb.thess. [tamia:]
lesb. rap.ia IG 12,2 5:115. 18, thess. 'AA.etla IG 9,2:517.2
gegenüber boiot. rapiao IG 7:3 172.25.
Im Boiotischen tritt in den Folgen /a:o:/, fa:of keine Kontraktion ein. Vgl.
Nom.Dual. [tukha:o :], ferner rrepiaaor; (-a BCH 1936: 18lff. Z. 22, -wv SEG
15:332. 1), la.Ovrvr; DGE 462.a5 , KaA..A..tlp<iöv IG 7: 1888.c2, 'A-yA..atJfJwpw IG 7:
27 19.6, 'A-yA.awvor; IG 7:3068.3, D17awvia BCH 1940/41 : 42 Z. 3.
§ 71. In einigen Appellativa und Eigennamen erscheint die Folge /a:o/ teils kon-
trahiert, teils unkontrahiert:
(1) A..äor; bleibt als Appellativum und als zweites Kompositionsglied in Eigenna-
men unkontrahiert, als erstes Kompositionsglied wird es im Laufe der durch
Belege überschaubaren Zeit kontrahiert.
60
00046245
38 Cf. Hoffmann (1893: 296), Schulze (1897: 202), Bechtel (1921: 174f.).
39 Porzig (1954: 154): "westgriechisch" , Buck (1968): "IWunl form with dialectal colouring"
(39), ,.Thess. lloTe!Öoüv' with native T but -oü~ from Att. -w111" (58). Die Interpretation
von -ouvt als Koine-Einfluß kommt aber ftir die älteren Belege (-övl im arch. Alphabet,
5. Jhd t.) nicht in Betracht.
40 Z.B. IG 9,2:307.2 (Histiaiotis), IG 9,2:638.7 (Pelasgiotls), McD 636, IG 9,2:1266 (Per·
rhaibia). 'Ep#-ldo Xl?ovlou IG 9,2 :471 und GHW 3579 (Museum Larisa) ist wohl in 'Ep·
~do<u> X{)ovlou zu ergänzen. - Die Annahme einer Form ,.thess. Ep~auo~" (Hoffmann
1893: 587, Lejeune 1972: 182) stützt sich lediglich auf IG 9,2:716, wo Lolling und Hoff-
mann (NI. 36) 'Ep~atiou lesen, Kern hingegen ' Ep~alou , und IG 9,2:695 'Ep~dou (Kern),
EPMAIOT = · Ep~a(u)ou (Hoffmann Nr. 35). Sonst ist die Form ' Ep~dou durch eine Viel-
zahl von Belegen gesichert. - hep~a IG 9,2 :356 stammt, wie mir B. Helly (GHW 4076)
freundlicherweise mitteilt, wohl nicht aus Amphanai in der Pelasgiotis, sondern aus Pagasai,
und bleibt fli.r eine Beurteilung des Thessalischen der Pelasgiotis außer Betracht. Zu prüfen
wäre auch, ob es sich dabei um eine vollständige Wortform handelt: in McD 194 ist Ar·
vanitopoulos' Vorschlag einer Ergänzung in · Ep~d[ ou (lies: hewd(61) X"ovlou) zitie.r t.
61
00046245
lieh auf einem Nominativ ''EpJ.LäcK weist, wie er auch flir das Boiotische 41
vorausgesetzt werden muß 42•
(3) Die Entsprechung von ..~ewp6c;" ist ftir keinen der aiolischen Dialekte aus
dem Gebiet und der Zeit des jeweiligen Dialekts nachweisbar. Aus Magnesia
am Maiandros werden die Formen ~ewpot, ~ewpowt, ~ewpotc; IG 12,2 S:
138 = IMagnesia 52 dem Lesbischen zugerechnet, ~eovp6c;, ~eovpo'ic;, ~eovpa
ö6K.ov IMagnesia 26 dem Thessalischen und ~14P~ !Magnesia 25. 1 (9IBP[
der Stein, cf. Feyel 1942: 9f.) dem Boiotischen. Hinzu kommen ~ewp- in
etrtre~ewpilK.rW IKyme 19.18/ 19 {röm. Zeit) flir das Lesbische, möglicher-
weise auch tMapot IPergamon 4.1 (von Hoffmann 1893 Nr. 146 unter den
lesbischen Inschriften abgedruckt), und schließlich ~w.wp6c;, vorausgesetzt
durch !Jw.wpl.av SEG 1:115.6 (Oropos, um 200 v.Chr.) flir das Boiotische.
Bader (1972: 226) zieht für die Rekonstruktion einer aiolischen Grundform *t)f4fwpd
nur boiot. {Jw.wplav, thess. t)foupc:k und lesb. frrtrft)fwP.fJ~<rw heran. Sofern die oben
zitierten Belege nicht überhaupt nur versch.iedene Ausprägungen einer Angleichung der
aus dem Ionischen oder Attischen entlehnten Form l)ewpoc; darstellen (Frisk GEW s.v.)
wäre nach der Kontraktionsregel für das Lesbische {Jeäpoc; als authentisch anzuerken-
nen (und l)ewpoc; zu verwerfen), für das Thessalische gleichfalls t)fdpoc; zu erwarten
(und t)foupoc; a.ls hybride Bildung zu interpretieren) und für das Boiotische ßw.wpoc;
der restituierten Form ßtapoc; vorzuziehen. Sämtliche Belege aus Magnesia wären dann
als nicht repräsentativ für den jeweiligen Dialekt anzusehen.
(4) Als Entsprechung von boiot. oav-, wie es - neben einmaligem oao- - häufig
in Personennamen auftritt (Thumb-Scherer 1959: 27), ist auf lesbischen In-
schriften ow-, auf thessalischen nur oov- belegt: owrilpw., OWTTlPI.av, ow~ev
roc; IG 12,2:645 (Ende 4. Jhdt.), OWT'flpl.av IG 12,2: 15.37, OWT'flpa lG 12,2
202.2, r.woi5~oc; IG 12,2:532.2 etc. neben einmaligem oav- in l;avMw
IG 12,2 S:125.5,14 (Eresos, 2. Jhdt .) und der Kunstform oawT'flpla auf
archaisierenden Inschriften aus der Zeit nach Christi Geburt (IG 12,2:67.12,
IG 12,2 S:124.12) im Bereich des Lesbischen, oovreipac; IG 9,2:515.5 (2.
Jhdt.), r.ovreipt IG 9,2:237.2 (3. Jhdt.), l;ovoU<paret IG 9,2: 628.3 (3. Jhdt.
62
00046245
4.7 Monophthongierung
§ 73. Innerhalb der aiolischen Dialekte werden nur im Boiotischen sämtliche
Diphthonge der Monophthongierung unterzogen. Im Thessalisthen werden nur
/ey/ und /ow/ monophthongiert; im Lesbischen werden Diphthonge vor /y/ re-
duziert, bleiben aber in anderen Umgehungen erhalten.
43 Die hybride Form llw~; ist aus boiot. d~; und att.-ion. ew~; kontaminiert.
63
00046245
Aus diesen Belegen läßt sich entnehmen, daß /ey/ seit dem 5. Jahrhundert über
(~ : 1 , das durch die Schreibung t- im archaischen Alphabet repräsentiert wird , zu
[i:1 monophthongiert wurde. Dieser Prozeß ist in der 1. Hälfte des 4. Jhdt.s ab·
geschlossen (cf. 'AJ.«pa&lo, ('Apt)arortrdv~ IG 7: 2427); Schreibungen mit et
an Stelle von t nach dieser Zeit sind nicht mehr phonetisch:
~a-ypO.!JJet FS Navarre 1935 : 353 Z. 11 statt ea-ypaljlt IG 7: 1739.11
~J.lßd.aet ibid. Z. 10 statt €J.lß<iat IG 7:1739.10
Ka.ra(Xi'Aet ibid. Z. 5 statt Karaßa'At BCH 1936: 181ff. Z. 13
[ aa!p(i.1'Aeta.V IG 7: 1729.11 statt aa!p(i.'Ata.V IG 7: 1727.8
<i1Te'Aeta.Vapei)a IG 7: 1737.11 statt Ö.1T€Ata.V0.J.L€tJa {cf. 6ta'Atdva.a[ ~]
IG 7:3172.57)
f wOTe'Aeta.V IG 7:2409.5 {neben ao!p(l.Ata.V) statt fwOTe'Ata.V IG 7:1726.6/7
Schreibungen mit v für [u] vom Ende des 3. Jahrhunderts und aus dem 2. Jahr-
hundert sind dem Einfluß der Koine zuzuschreiben.
PR {11) Monophthongierung von /ey/, fow/ im Boiotischen
+silb -silb 1
-hoch -kons +hoch
- tief +hoch ahint
ahint ahint +lang
1 2
/ey/ ~ [i:]
/ow/ ~
[u:1
Zugrundeliegendes und aus /o:y/ abgeleitetes (§ 62) /oy/ wird vor Konsonanten
und vor der Wortgrenze zu [ü:) monophthongiert.
64
00046245
In der Stellung vor Vokal bleibt /oy/ erhalten (cf. BotwTo~, 1rOUDjltva IG 7: 3337.10) oder
wird reduziert (e1roltaf E. 76:63 neben e1rolaf IG 7:1873, 1rouwallfVO~ IG 7:2849.5 neben
hoEwf BCH 1926: 428 Nr. 54.4).
Der Monophthongierungsprozeß hat sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahr-
hunderten erstreckt. Parallel zu der Schreibung ae für / ay/ und /a:y/ (§ 77) ist
seit dem Beginn des 5. Jhdt.s flir /oy/ und /o:y/ die Schreibung oe (neben ot),
die wohl eine offenere Aussprache des zweiten Elements des Diphthongs bezeich-
nen soll, nachweisbar. Belege sind besonders häufig in Tanagra, treten abe..r auch
in allen übrigen Städten, aus denen Inschriften im archaischen Alphabet überlie-
fert sind, auf:
'Apwaro{)oevoc:. IG 7:585 .a7 (Tanagra, 5. Jhdt.)
Koepavoc:. ibid. Z. dl
ßwvuaöe IG 7 :550 (Tanagra, 5. Jhdt.)
röe Kaßipöt IG 7:3917 (Thebai, 5. Jhdt.)
Kaßipöe IG 7:3962 (Thebai, 5. Jhdt.)
ßaJ.Uleveröe IG 7: 1689 (Plataiai, 5. Jhdt.)
röe ßrö[tit] Ptoion 197 1 Nr. 246 (Akraiphia, Anf. 5. Jhdt.)
Die häufigere Schreibung ot bleibt auch im ionischen Alphabet vorerst noch be-
stehen ; daneben tritt gelegentlich die Schreibung v = [ü:] auf (z.B. IG 7: 552,
4. Jhdt.), die in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts zur Regel wird (Bechtel 1921 :
223). Im Ausgang des Dat.Sg. der o-Stämme ist -v für -ot (= [-oy] aus [-o:y] -wt,
§ 253) nach einer Periode des Schwankens (cf. IG 7:3172, IG 7 :4136, DGE
485 mit Schreibung -ot/· v nebeneinander) erst zu Beginn des 2. Jahrhunderts
regelmäßig durchgeflihrt.
+silb 1
-silb
-hoch +hoch
-ko ns e+konsJl
-tief -mitt
+mitt
+hoch
-hint
I _ ## J
-hint
+hint +lang
1 2
/oy/ -+ [ü:] vor Konsonant oder Wortgrenze
Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung (zuletzt Rix 1976: 47) interpretiert Buck
(1968: 32) die Schreibung v als [ ö: ).
Anwendungsbeispiele:
ßwJJtlaöe IG 7: 550 (arch.Alph.)-+ ßtwvtiawt BCH 1974 : 175ff. Z. 4 (ion.Alph.,
Ende 4. Jhdt.)-+ ßtwvooaot BCH 1974 : 180ff. Z. 2 (Mitte 3. Jhdt.) -+ ßtwvat5av
BCH 1974: 189f. Z. 3 (2. H. 3. Jhdt.)
Kaßlpöt IG 7:2457 -+ Kaßlpöe IG 7: 3962 -+ Kaß{pv IG 7:3583.1/2
S Blümel, Die aiolischen Dialekle 65
00046245
nophthongiert) wurde, läßt sich nicht feststellen, weil die Quantitäten von a gra-
phisch rticht unterschieden werden .
•
Ataxpövf>a~ IG 7:550.1 (Tanagra, 5. Jhdt.)
'Aßacooopo<: IG 7:612 (Tanagra, 5. Jhdt.)
Maqvrata DGE 440,2 (Tanagra, 6. Jhdt.)
['A}#.t€WOKA€iä€ IG 7:590 (Tanagra, 5. Jhdt.)
räc ~dp.arpL IG 7:1671 (Plataiai, 6./ 5. Jhdt.)
Eine Münzaufschrift aus dem letzten Viertel des 5. Jahrhunderts mit Ti= ( ~:)
für älteres at (9EBH(ON) ftir älteres 9EBAION) liefert den frühesten Beleg ftir
das Resultat der Monophthongierung von /ay/ (und gleichzeitig den Beleg ftir die
Verwendung des Buchstabens H ftir [ ~ : ) bereits einige Zeit vor der Einführung
der anderen Buchstaben des ionischen Alphabets, cf. Head 1891 : 37). Im 4.
Jhdt. ist noch ein Schwanken der Schreibung zu beobachten ([T)eXeoTij<><; IG
7:2427.5, 1. H. 4. Jhdt.; IG 7:2418: 'AXu~ijOt Z. 5, aber 'AXu~alwv Z. 18, Mitte
4. Jhdt.), aber man wird davon ausgehen können, daß die Monophthongierung
von /ay/ - auch am Wortende: Me-yaXfl BCH 1940/41 :42 Z. 2, Mitte 4. Jhdt. -
abgeschlossen war und konservative Schreibungen mit at wie in lepapxat DGE
482.1 (4./3. Jhdt.), roep-yerat<: IG 7:4261.12 neben a>ep-yeTfl~ IG 7:4260.11
(beide 2. H. 3. Jhdt.) nicht mehr den aktuellen Lautstand wiedergeben.
fiLin Kfll SEG 1: 104.7, eV€P'YETfiL~ IG 7:4259.14/ 15 stellt - wie VL statt v aus
Ot (§ 76) - einen Kompromiß zwischen den Schreibungen Tl und at dar.
Spätestens für das 5. Jahrhundert 44 ist auch der Beginn einer Monophthongierur
/eyI -+ [ ~:] durch die Schreibung E statt E' im archaischen Alphabet nachweis-
bar:
' McD 1048 (Phalanna, 5. Jhdt.)
l[ .]E[PO'Y]Ev€a
MvXioeCK IG 9,2:250 (Pharsalos, 5. Jhdt.)
'
[n]E[,]t9öv€CK IG 9,2: 1240 (Phalanna, 5. Jhdt.)
Auf der im archaischen Alphabet aufgezeichneten Inschrift IG 9,2:1202 (6./5.
Jhdt.) aus Korope (Magnesia) begegnen folgende Schreibungen:
E für [e:] in 1TEVTEqovra, J.tE, 0Ap€XETCU, t9EXE
•
E für [ey] oder [e' ] in [1rap ]~~GE
t für [ey] in a1TÜ1CU?
Schwyzer (DGE 603) ergänzt [1ra.p ]~~GE des Steins in [1ra.p ]~~GE(c.} und stellt da-
mit eine Endung /-ey/ wieder her, wie sie ursprünglich auch zu erwarten ist; da
aber [e:] konsequent E geschrieben ist, besteht kein zwingender Anlaß, in
[1rap]~~GE (falls hier tatsächlich die 3. Sg.Fut. von ,,€xw" vorliegt 4 5) eine Korrek
tur vorzunehmen. Die Schreibung E kann vielmehr als Beleg für die Monophthon
gierung /ey/ -+ [~: ]herangezogen werden. a1Ti:Gcu (cf. a1TEtGCU McD 326.11,
Argura 6. Jhdt.) ist nach Kern (ad IG 9,2: 1202) möglicherweise schon auf dem
Stein in a1T[ E]iGcu korrigiert 46•
Seit der Einführung des ionischen Alphabets wird nicht mehr zwischen [e:] und
[ey] und zwischen [o:] und [ow] unterschieden . Der fehlenden Differenzierung
in der neuen Orthographie muß also der Abschluß der Monophthongierungspro-
.
zesse vorangegangen sem.
PR (15) Monophthongierung von /ey/, /ow/ im Thessalischen
+silb -silb 1
-hoch -kons +hoch
-tief '+hoch ahint
ahint ahint +lang
1 2
/ey/ -+ [~:]
/Qw/ -+ [q:]
44 Cf. Morpurgo Davies (1965 : 242ff., 1968a: 100), dort auch über Zeugnisse, die eine noch
frühere Datieru.ng als möglich erscheinen lassen.
45 A. Morpurgo Davies weist mich (brieflich) darauf hin, daß man aus Gründen des syntak-
tischen Parallelismus einen Infinitiv erwarten müßte, in Anbetracht von -aa.t in chioat elti
Ausgang -ae aber doch sonderbar wäre. Jeffery (1961 : 402) liest ohne nähere Diskussion
· · · Iex~ t.
46 Die bislang publizae.r ten Abbildungen der Inschrift lassen eine unzweüelhafte Beurteilung
des epigraphischen Befundes nicht zu. Falls Kerns Beobachtung nicht zutrüft, könnte eiJ!
Vorschlag vo n A. Morpurgo Davies in Betracht kommen, wonach t monophthongiertes
(ey) in einer Zeit wiedergibt, in der die Schreibung noch nicht festgelegt war und der Zu
sammenfall mit zugrundeliegendem /e:/ noch nicht eingetreten war.
68
00046245
47 Der isolierte Beleg <1>e6lö DGE 637 (5 . J hdt .) aus der kleinasiati.schen Aiolis reicht nicht
aus, eine genereUe Monophthongierung fey/ - (e: 1zu beweisen.
48 Ba.rtonek (1961 : 138, 1966: 82f.) ruhrt folgende Argumente an : (i) Fehlen von Ersatzdeh·
nung auf Grund phonologischer Prozesse, (ü) Fehlen einer Schließung langer Vokale,
(üi) Entstehung neuer Diphthonge durch phonologische Prozesse.
49 Zu (a~l und Io~ 1 in der kleinasiatischen Aiolis vgl. § 27 .
50 Zu "(evelw Alk 298.10 (aber "'ftlll')ov Alk 120.9) aus /genewyon/ vgl. zuletzt Slings
(1979 passim).
69
00046245
Nach Forssman steht der Befund der Inschriften in Widerspruch zu dem der alt-
lesbischen Lyrik: für das aus /ey/ vor Sonant entstandene [e:], das in den Texten
der Lyriker 11 geschrieben wird, finde sich als Entsprechung in den älteren In-
schriften so gut wie regelmäßig et, das offensichtlich flir [ey] stehe. Die Schrei-
bung der mehrere Jahrhunderte jüngeren Inschriften gebe offenbar eine geschieht·
lieh ältere, die der Lyriker eine geschichtlich jüngere
•
Lautung wieder ; daher müss(
die Lautung [e:] auf einen kleinen Kreis (eben den der Dichter Sappho und Al·
kaios) beschränkt gewesen und bei der nächsten sozialen Umschichtung zugrunde
gegangen sein. 51 Demgegenüber hat aber Hodot ( 1977) gezeigt, daß auf lnschrifteJ
im lesbischen Dialekt aus der Troas bereits vor der allgemeinen Einführung des
ionischen Alphabets -EO- (aus /-eyyo-/) im Ausgang des patronymischen Adjek-
tivs geschrieben wird:
in 'A1ToAMvW<u{at} ~JJ.I.I.t [rö] '11T1TOKAEÖ' SEG 27:795
'11r1TOKAEÖt
npot?o€ö in AIJP'AÖ ITpot?oeö KeßPflviö SEG 27 :793
Diesen Belegen wäre hinzuzufügen
'Epp.~a~ DGE 639.2 (Neandreia, Anf. 5. Jhdt.).
Damit ist der Nachweis erbracht, daß et in der Schreibung des Ausgangs der
Patronymika im ionischen Alphabet (-e~) keinen Diphthong repräsentiert, son-
5 1 Jm Anschluß an Forssman interpretiert auch Hooker (1977: 5lf.) "'TJ· statt "ft· - das eine
in der Geschichte der griechischen Dialekte völlig anomale lautliche Entwicklung darstel-
le - als Element einer künstlichen LiteratW'sprache, das von den ,Normen' des Griechi·
sehen, soweit sie aus den Inschriften deutlich würden, zu trennen sei.
70
00046245
52 Ande.rs Ruijgh (1977: 257): nicht aus /-e:wya/ , sondern mit dem (nicht-idg.) Suffix
f-eyyo-1 gebildet.
71
00046245
Schreibung 'lL
brq..te>..nta~IG 12,2:243.5
JJO:yetPflta~ IG 12,2 S:125.10/ ll
olK1iLW~ IG 12,2 S:3.15, olK17Wra~ IG 12,2:15.25 (Ende 3. Jhdt.)
1Tpo7avTJWV IG 12,2:527.37 (3. Jhdt.)
ICaV!?ta IG 12,2:13.1
ip1)wv IG 12,2:73.5, lp11ta IG 12,2:645.b6
Die Reduktion des Diphthongs /ay/ war bereits von Bechtel ( 1921: 17f.) fest-
gestellt worden , die Reduktion von /ey/ ist von Forssman-Hodot genauer unter-
53 Literarische Belege: dpxaw{ Alk 67 .5 , tiiJJ}vaov Sa 111.2, dll'l'(aov Alk 129.5, "A~Ka.O~
Alk 401 Ba, " Tppaov Alk 129.13.
72
00046245
sucht worden. Hier wird erstmals auch eine Reduktion von /oy/ in der Entwick-
lung des Ausgangs des Gen.Sg. der o-Stämme im Lesbischen vorausgesetzt. Ohne
Zweifel würde umfangreicheres Belegmaterial dieser Hypothese mehr Gewicht ver-
leihen; da aber auch keine Gegenbeispiele vorliegen, wird - wie in § 251 ausführ-
licher gezeigt wird- flir die Entwicklung /-oyyo/ ~ [-o:] eine neue Erklärungs-
möglichkeit eröffnet.
(2) 1. Sg. ~L neben I(JÖ.p.L, 3. Sg. r.päuJL neben lpÖ.OL (§ 195); lpäot ist auch auf
einer Inschrift des 5. Jhdt.s (IG 12,2:268) bezeugt.
(3) Für die 1. Sg. von ä- und ö-Verben werden Formen wie -y{Aatp.L und ooK.{p.OIIJ.l.
von Grammatikern bezeugt (§ 182).
In Anbetracht der uneinheitlichen Beleglage könnte man geneigt sein, das gesamte
Phänomen der i-Epenthese als ein Problem der Textüberlieferung und der Glaub-
würdigkeit antiker Grammatiker zu betrachten, wenn ihm nicht der Beleg ai.p.L-
oewv von einer der ältesten lesbischen Inschriften eine gewisse Authentizität
verliehe. Die Lautform von alp.to~ (sofern at tatsächlich einen Diphthong be·
•
73
00046245
zeichnet) stellt aber selbst ein Problem dar: erstens wird die Relevanz von a(JJ.t·
in Mytilena durch ilJ.U· in Assos (il~I.IJ.El>I.IJ.VOL, il~ieKra, fl~ixoov lAssos 3, 4 ./3.
Jhdt.) und Aigai (rpt17~ta[ DGE 644.7, 3. Jhdt.) 55 in Frage gestellt, und zwei·
tens setzt die Annahme einer Diphthongierung von [(h)e:mi-1 zu [aymi· 1 einen
Wandel [e: > a: 1 voraus, der im Lesbischen ohne Parallele ist (vielmehr bleibt
f,at ,sagt' Sa 109 erhalten). Die Vermutung Schulzes (1897: 904f.), daß [e:1
am Wortanfang zu [a:1 geöffnet wurde oder auf Grund seiner offenen Artikula-
tion mit [a: 1 zusammenfiel, bleibt unbeweisbar. Somit läßt sich auch über Alai·
OOO<; kein sicheres Urteil fallen: der gemeingr. Name 'HaiOOO<; könnte im Lesbi·
sehen zu Aiolo&x geworden sein und die Grammatiker könnten ihre Kenntnis
von der Form AlaiOOo~ aus - uns verlorenen - Texten der lesbischen Lyriker
gewonnen haben, aber alp.t· ist nur in Mytilena bezeugt, während flir die klein·
asiatische Aiolis, woher auch der Vater des prominentesten Vertreters dieses Na-
mens stammt, wohl n~t· angenommen werden muß.56
Für die übrigen Beispiele aus der Konjugation athematischer Verben wird man
eine Erklärung durch paradigmatischen Ausgleich ('y€'Ant.~J.t statt -ye'AäJ..Lt nach 2.
Sg. 'YfAat~, 3. Sg. -y€'Aat etc.) nicht ausschließen können. Falls man nun - trotz
alledem - nach einer Erklärung der i·Epenthese durch einen manifesten Laut·
wandel sucht, wird man Zusammenhänge mit Palatalisierungsprozessen nicht
übersehen können. Auffallend ist nämlich, daß i-Epenthese nur bei den hinteren
Vokalen /a/ und /o/ auftritt, nicht aber bei /e/: KUA€1./J.t kommt nicht nicht vor.
Andererseits bietet die indirekte Oberlieferung der literarischen Texte -'TlJ..I.J..I.' statt
-'TlJ..I.' (KdA17J..I.J..I.L, tp/.'A17J..I.J..I.t § 187 Anm. 168); somit spiegeln die - von der Norm
abweichenden - Ausgänge der 1. Sg. athematischer Verben "'17J..I.J..I.L, -ai.IJ.t, ·OI.IJ.t
exakt die Verteilung Gemination/ Diphthongierung als Resultat der Depalatali·
sierung palatalisierter Sonanten(§ 108) wider (vgl. auch§ 121).
§ 86. Ober die in § 85 aufgeftihrten Fälle von i·Epenthese hinaus wird in den
Papyri der literarischen Texte und von den Grammatikern at statt ä (und 17 ?)
überliefert (cf. Braun 1950, Page 1955: 23f., 84f., Hamm 1957: 24f.)
(1) im Nom.Sg. mask. ä-Stämme , z.B. Alo'Aooat~ Alk 38a.5, Kpovil>at~ Alk
38a.9, 'Arpeibat~ Herodian. I 239,
(2) in Formen des s-Aorists, z.B. E.rr€patoe Alk 38a.8, liJ..LVatOat Sa 94.10.
Da in diesen Fällen die Schreibung at statt ä weder regelmäßig bezeugt wird
(cf. E.rrr6äoev Sa 31.6 cod. , E.rrroataev pap. und E.rrrdata'e Sa 22. 14 pap.) noch
55 Vgl. auch fillvuv IKyme 11 .5 (3. Jhdt.) mit einer (flir das Ionische charakteristischen)
Assimilation t-v > v-v.
56 Abzulehnen ist Hoffmanns (1893: 420f.) Vermutung, daß nach der Übersiedlung der
Familie Hesiods von dem aiolischen Kyme nach Boiotien am Anfang des 7. Jhdt.s aus
der aiol. Lautform Al<JlOOo~; nach boiotischem Lautgesetz "Holoöoc; und durch Volks·
etymologie 'HulOOoc; geworden sei. Im Boiotischen ist der Eintritt der Monophthongie·
rung von /ay/ erst seit dem Ende des 6. J hdt.s nachweisbar (§ 77).
74
00046245
§ 87. Nach geläufiger Auffassung (Thumb-Scherer 1959: 33, 96, Schwyzer 1959:
276, Lejeune 1972: 227 Anm.) entstehen in den aiolischen Dialekten i-Diphthon-
ge vor der Folge ,s + Obstruent'. Folgende Belege kommen in Betracht:
Lesb.: rraA.aiora: [rra"A]aiora[v]lG 12,2:14.2
-K.OWTO<: in Ordinalzahlen (§ 290)
Thess.: rrpewßeia: rrpeto{3eia<: IG 9,2:517.12 (Larisa Ende 3. Jhdt.)
Boiot.: rrpw-yai<;: Nom.Pl. rrpto-yee<: IG 7:2418.6, -eie<: ibid. Z. 18, rrpw-yei[e<:)
BCH 1901 : 135ff. Z. 5 , Akk.Pl. rrpto-yeia<: SEG 1:132.5, SEG 25:
556.3/4, rrpto-yet[ IG 7:1720.6; vgl. auch trpw-yovrepv<: SEG 23:271.30
alorea BCH 1900: 70ff. Z. 16
1T€1TOWJJT€WOL DGE 485.7
. 9u).p€tOTO<; IG 7:3172.167/168, 169
Keiner dieser Belege ist geeignet, eine auch nur sporadische Diphthongierung eines
Vokals vor der Folge von s und Obstruenten in den aiolischen Dialekten plausibel
zu machen.
rra'Aalara (falls richtig ergänzt) aus dem 3. Jhdt. braucht keine lesbische Ent-
wicklung zu sein; -cu- ist auch andernorts und literarisch bezeugt (cf. LSJ, Frisk
GEW s.v. rraA.aom). In der literarischen Überlieferung des Lesbischen bieten die
Codices rraA.aorav und rraA.cuorav (Alk 350.6); eine eindeutige Klärung der Fra-
ge, welche von beiden Formen die authentische ist und welche durch den Ein-
fluß einer fal schen Grammatikerdoktrin in die Oberlieferung eingedrungen ist,
steht noch aus.
-K.owro<; in lesbischen Ordinalzahlen ist nicht restlos geklärt. Nach einer plausib-
len und weithin akzeptierten Hypothese geht -K.owro<: auf *-K.ovoro<: , eine Um-
bildung von - zu erwartendem - -K.ooro<: nach -Kovra, zurück (Buck 1968: 96f.,
Lejeune 1972: 139).
rrpew{3eia (Ende 3. Jhdt.) stehen zwei Belege mit rrpeo- gegenüber (rrpeo{3eiovv
IG 9,2:506.22 2. Jhdt., rrpeoßevrav McD 1179.47 Ende 2. Jhdt.), und es ist
schwer zu entscheiden, welche von beiden Schreibungen die authentische ist. Für
rrpeo- spricht allenfalls die größere Häufigkeit - was in Anbetracht der geringen
75
00046245
Zahl an Belegen nicht stark ins Gewicht fällt - und das Argument, daß die Sehre:
bung 1TP€La- durch -EL- der folgenden Silbe beeinflußt sein könnte. Im übrigen
ist die Etymologie der Sippe von "1Tpeaßuc;/1Tp€aßaic;" und das Verhältnis der in
den griechischen Dialekten bezeugten Formen zueinander noch nicht in allen
Einzelheiten geklärt und daher auch keine definitive Entscheidung über die Quant
tät von L in boiot. 1TPW"feVC: möglich. Wahrscheinlicher aber als die Hypothese
einer Entstehung von sekundärem [ey] vor ,s + Obstruent' im Thessalischen und
Boiotischen (auf lesbischen Inschriften ist ausnahmslos 1Tpeaßeuc; belegt) ist d ie
Annahme von zugrundeliegendem /ey/ (wie im Dorischen und Nordwestgriechi-
schen) zumindest für das Boiotische (so Buck 1968: 73, Lejeune l.c.); sämtliche
Belege sind jünger als die Monophtho ngierung /ey/ ~ [i:]. Falls man auch für
das Thessalische einen zugrundeliegenden Diphthong annehmen will, böte sich
die Möglichkeit, 1TP€La- = [pr~:s-) als authentisch anzuerkennen und die jüngere
Form 1rpea- als von der Koine beeinflußt zu interpretieren.
Olarea stammt von einer poetischen, nicht im Dialekt abgefaßten Inschrift . Im
Boiotischen steht faar- (fciarwc; IG 7:3170 .3, faarouK.plrw IG 7:2246 , faariac;
AD 1966: 145f.). *
1T€1ToWVT€WOL neben 1T€1TLT€U6VTeaat in der gleichen Zeile ist entweder Schreib-
fehler oder enthält die Schreibung et flir [~ J(so Bechtel1 921: 2 17, Buck 1968: 22).
~Laroc;: neben ...pEwroc; steht auf der gleichen Inschrift (Z. 27 , 36/37) ~earoc;
ferner -I{!Tlar oc; in E>t.&rnlaroc; SEG 3:361.9 und llrwt.&rnlaroc; ibid. Z. 17 und
-I{J€OT· in E>t[o]I{J€ar[i0ac;] IG 7:3192.4 3 u nd ~eariao IG 7: 1752.5 . Wie auch im-
mer der Wechsel der Quantitäten (et/fl - e) bedingt sein mag, ftir eine Interpreta-
tion von Et als Diphthong [ey] bleibt kein Raum.
4.10 Metathese
§ 88. In zugrundeliegenden Formen wird eine Folge von Dental und /i/ vor der
Wortgrenze umgekehrt.
Die Entdeckung dieser Regel geht auf Kiparsky (1966) zurück : ,.I ... propose that an early
sound change took place in Greek whose effect was to invert word-final i with preceding
dental consonants (which were presumably palatalized in this position." {p. 1 12). - Eine
Andeutung in dieser Richtung hatte offensichtlich auch schon W. Schulze gemacht (Schwy-
zer 1959: 842 ad661).
Mit der Umstellung wird / i/ devokalisiert und bildet mit dem Vokal der vorletz·
ten Silbe einen Diphthong(§ 84 ).
PR (17) Metathese
strukturelle Beschreibung:
+kons +silb
[+silb] +ant +hoch ##
+kor -hint
1 2 3 4
76
00046245
§ 89. Gegen die Metathesenregel könnte eingewendet werden, daß sie nicht plau-
sibel sei und ein umstrittenes Problem der griechischen Morphologie auf mecha-
nische Weise durch ein ad hoc formuliertes Lautgesetz zu lösen versuche. Solchen
Einwänden könnten folgende Argumente entgegengehalten werden:
(I) Metathesen sind in der griechischen Lautgeschichte relativ häufig (cf. Schwy-
zer 1959: 265ff., Lejeune 1972 passim).
(2) Ein Indiz flir die prinzipielle Möglichkeit einer Erscheinung wie der oben
formulierten Metathese ist die I-Epenthese, durch die möglicherweise vor
einem /i/ der Folgesilbe ein I-Diphthong geschaffen wird (§ 85).
(3) Kiparsky erklärt durch die Metathesenregel nicht nur die Entwicklung pri·
märer Personalendungen in thematischen und athematischen Paradigmen,
sondern auch den Ausgang des Dat.Pl. der ä-Stärnrne, die Akzentuierung
des Typs Lok.Sg. oücot vs. Nom.Pl. olKOL und Kai aus Kari.
(4) Kiparsky deutet an , daß die Metathese möglicherweise in Zusammenhang
mit Palatalisierungsprozessen gesehen werden müsse: eine Form wie legeti
könne die Satzsandhi-Alternanten legeti##C und legety##V gehabt haben.
77
00046245
Auf legety könne dann die gleiche Regel operiert haben wie auf m orya,
banyo: etc. und Metathese zu /egeyt hervorgerufen haben.
Einer der wesentlichen Vorzüge der Metathesenregelliegt darin, daß sich mit
ihrer Hilfe die Endungen der 2. und 3. Sg. Präsens nicht nur der thematischen ,
sondern auch der athematischen Verben (sog. aiolische Flexion) unter Verzicht
auf fragwürdige Zusatzhypothesen auf einfache Weise ableiten lassen (§ 182ff.):
them. /leg+e+ti/ _.. /legeyt/ (--.. [legey])
athem. /phile:+ti/ _.. /phile:yt/ c-.. [philey])
Es soll jedoch nicht bestritten werden, daß es ftir diese Regel keine direkten Be-
lege gibt. Die zugrundeliegenden Formen, die ihr als Eingabe dienen, sind durch-
aus plausibel, lassen sich aber nicht aus dem überlieferten Material erschließen.
Solange keine unabhängige Evidenz hinzukommt, erfilllt die Metathesenregel
nicht den von Kiparsky erhobenen Anspruch, einen realen historischen Prozeß
zu beschreiben, sondern bleibt abstrakt.
Der Tatsache, daß die Assimilation zwischen /h/ und einem Sonoranten unabhängig von der
Reihenfolge dieser Segmente im Lesbischen und Thessalischen immer in einer Gemination des
Sonoranten (und im Boiotischen in einer Dehnung des vorangehenden Vokals} resultiert, wird
bei Dressler-Grosu (1972: 27) durch Formulierung einer Spiegelbildregel Rechnung getragen.
Lejeune (1972: 129) und Kiparsky (1967) setzen eine Metathese (/Rh/ -+ /h R/ etc.) ·vor·
aus, so daß die Assimilation im Lesbischen und Thessalischen immer regressiv, im Solotischen
immer progressiv verläuft.
§ 92. Anwendungsbeispiele:
(1) /Vhy/ ~ / Vyy/
/genesya/ ~ /genehya/ (§ 140f.) ~ /geneyya/ ~ lesb. [gene:a] (§ 81)
/telesyo: / ~ lesb. [tele:o: ] re"Aei.w/re"AT,w (§ 81)
/tosyo/ ~ / tohyo/ ~ /toyyo/ (§ 83, 251)
Die Assimilation /o hy/ ... foyyf wurde begünstigt durch die Existenz von palatalisierten
geminierten Sonanten auch nach /o/ im Thessalo·Lesbischen (lesb. !JOppa § 111 , thess.
Kdppo~ § 11 3}.
79
00046245
5.2 Gleitlauttilgung
5.2.1 fwf am Wortanfang
§ 93. Aus der inschriftlichen Oberlieferung des Lesbischen , die mit einigen spär-
lichen Fragmenten bis in das 6. Jahrhundert v.Chr. zuriickreicht, lassen sich keim
Argumente fll.r die Entwicklung von /w/ am Wortanfang gewinnen: auf lnschrifte:
im archaischen Alphabet sind Belege weder flir die Schreibung noch fUr die Ver-
nachlässigung von [w] = f nachweisbar und auf Inschriften im ionischen Alpha-
bet kommt f (oder ein Ersatz flir f) nicht vor (f ist aber auch im ionischen
Alphabet nicht vorgesehen). Die Inkonsequenzen in Schreibung und prosodischer
58 /parawsa:/ Kiparsky (1967: 623f.), Ruiperez (1972: 159), nicht mit Frisk (GEW s.v.
rrapewl) / parawsya/ , denn f-y-1 hätte Spuren hinterlassen müssen.
59 e'xwa (belegt in den Formen e'xeu'e Sa 96.27, xeuarw Alk 362.3) ist, wie Hettrich (1976
gegen Kiparsky (1967 : 627ff.) nachgewiesen hat, nicht ein s-Aorist (aus • je-khew+s+/},
sondern ein alter Wurzelaorist.
80
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Ausnutzung in den Texten der lesbischen Lyriker lassen die Vermutung zu, daß
[w1 auch schon im 7. Jhdt. kein lebendiger Laut mehr gewesen ist (Thumb-Scherer
1959: 92f., Buck 1968: 46).
§ 94. Wie die Untersuchungen von Parry (1932: 30ff., 1934: 140ff.) und Hooker
(1973, 1977: 23ff.) ergeben haben, muß aber in der Sprache der lesbischen Lyri·
ker die Kenntnis von historischem, in der lebenden Sprache ihrer Zeit bereits ge-
schwundenem [w] noch vorhanden gewesen sein. Sowohl Sappho als auch Alkaios
nutzen die prosodischen Eigenschaften von anlautendem [w] (Hiatvermeidung, Po·
sitionsbildung) entsprechend den metrischen Erfordernissen aus: 31 Fällen der
Vernachlässigung von Digamma stehen nur 5 Fälle von Digamma-Wirkung gegen-
über. Die lesbischen Dichter verwenden hierbei, wie Homer, Elemente einer -
mündlichen - Tradition poetischer Diktion, in der bestimmte Formeln und
Phrasen noch die Spur des historischen Digamma bewahrten. Die genauen Vor-
bilder lassen sich jedoch nicht nachweisen, nicht nur weil zu wenige Texte der
lesbischen Lyriker erhalten sind, sondern auch weil sie einer von der Homers
unabhängigen poetischen Tradition entstammen können.
In den Papyri und Codices der lesbischen Lyriker werden - authentische und
erfundene - Spuren von historischem [w1 graphisch auf verschiedene Weise be-
zeichnet:
(1) ß vor [ r1 am Wortanfang
Oie Schreibung ß für historisches [w) vor [r) am Wortanfang (z.B. in ßpooov, ßpaowo<:,
ßp<iKoc;) ist erst in der Oberlieferungsgeschichte (nicht später als im 3. Jhdt.
v.Chr.) in die Texte der lesbischen Lyriker eingeführt worden, zunächst, um die
metrische Dehnung der vorangehenden Silbe zu kennzeichnen, dann aber auch
in Analogie zu dem ,prosodischen' ßp· in Kontexten, in denen keine metrische
Dehnung vorlag (Hooker). Es handelt sich dabei um eine rein graphische Konven-
tion, die weder zu dem Schluß berechtigt, im Lesbischen (der Lyriker) sei [w]
vor [r1 spirantisch geworden 60, noch darüber Aufschluß gibt, was im 7. Jhdt.
im Lesbischen gesprochen (und geschrieben) wurde. Vorbilder für diese neue
Orthographie sind in Dialekten zu suchen, die nach der Einführung des ionischen
Alphabets älteres f durch ß fortsetzen (vgl. Chadwick 1972), möglicherweise so-
gar im Boiotischen, wo [w] am Wortanfang erhalten ist und f vor Vokal, aber ß
vor [r1 geschrieben wird (BpaJ.Uc; IG 7:1888.al gegenüber fapp.lxw lG 7:2809.3,
Bpa.v[i1<Sac; IG 7:3068.8 gegenüber fdpvwv IG 7:3171.14, cf. Solmsen 1898).
Die Frage allerdings, ob die antiken Grammatiker und Philologen das Boioti·
sehe als einen Vertreter des Aiolischen ansahen und ihre Beobachtungen am
Boiotischen auf die aiolischen Dichter übertrugen, und woher es kommt, daß f
60 Diese Auffassung wird etwa von Schwyzer (1959: 225), Buck (1968: 51), Rix (1976: 62)
vertreten.
und seine graphischen Stellvertreter in die Texte von Sappho und Alkaios 61 ein-
gefUhrt wurden , aber nur in verschwindend geringem Umfang in die Homers, be-
darf einer eigenen Untersuchung.
(2) f
Die Schreibung f fmdet sich in Formen des Personalpronomens und des Posses-
sivadjektivs der 3. Person (f€, fUJev, foi, foiat, fov). Die meisten Belege stam-
men aus einem Traktat des Grammatikers Apollonios Dyskolos (vgl. dazu auch
Gallavotti 1942), die übrigen (Sa 5.6, Alk 358.5; rot und re mit der Schreibung
r fti.r f bei Balbilla, Memnon Nr. 28) sind von ihm beeinflußt (Parry). Weiter-
hin wird von dem Grammatiker Tryphon fPit~e'' fti.r Alkaios bezeugt (cf. Alk
410 Voigt, zu der Schreibung ~oupf1~e'' der Handschriften Morocho Gayo 1979:
(3) V
Nach einem Vokal wird, nach dem Vorbild von (auch inschriftlich belegtem)
OaJW aus /dewso:/, VaV~ aus /naswos/ (§ 92), V geschrieben: avara (nicht a.Uarc
Alk 70 .12 (cf. Hiersehe 1978), ropfl~€ (Pap., €ÜPf/~€ V.) Alk 179.2, EVtO€ Balbill:
(Merrmon Nr. 28. 11 ) 62•
(4) 0
Außer in Formen des Personalpronomens ist in den Fällen, für die nach Parry
Digamma-Wirkung angenommen werden muß, Digamma am Wortanfang vor einer
Vokal nicht geschrieben.
1TA.€VfJ.Ova
(f)olvwt Alk 347.1
V7ro (f)Ep-yov Alk 140.15
rA.waaa {f)E(f)are Sa 31.9 (dazu auch Hiersehe 1966).
§ 95. In den aiolischen Dialekten des Mutterlands läßt sich die Entwicklung von
/w/ im Anlaut vor Vokal noch auf den Inschriften verfolgen.
Im Thessalischen wird f bis zum 4. Jhdt. ohne Ausnahme 63 geschrieben:
faaruclu IG 9 ,2: 575 .3 (Larisa)
feKe&lp~ IG 9 ,2 :662 {Larisa)
61 Auffallend ist allerdings die Tatsache, daß in den erhaltenen Texten für Sappho fast aus-
schließlich (Jp- überliefert wird (a bweichend nur das - auch vo n Grammatikern als aioliscl
bezeichnete - pe~oc; Sa 22.3, cf. Frisk GEW s.v., Voigt ad Sa 22 mit weiterer Literatur),
bei Alkaios hingegen p- auch in Wörtern geschrieben wird , die historisch (w) im Anlaut
haben: p&nac; Alk 141.4, pf)a Alk 34.7 (al>er ßpü. Herodian. 11 2 14 , (Jpail>lw~ Alk 129.
22).
62 Probleme bereitet allerdings der Name Evpual'Aao~ IG 12,2:526d passim (Eresos 4. Jhd t.)
gegenüber boiot. I'Ep )u(a )l'Aaoc; IG 7:2560. 1. Liegt in dem (nicht nur im Lesbischen be-
legten) Element eupv- eine Umbildung nach evpvc;, eine Metathese aus fepu- oder eine
Fortsetzung von - durch Prothese entstandenem - e-fpu- vor? (Cf. Frisk GEW s.v. epu~Ja
Bader 1978, bes. p. 170).
•
63 Zu iP'Ya~aro cf. § 203.
82
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83
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Die historisch-vergleichende Grammatik hat längst für die - meisten der - oben
zitierten lexikalischen Einheiten die Folge */sw/ im Anlaut rekonstruiert ; /s/ vor
dem Gleitlaut wurde dann über /z/ zu /h/ (§ 140f.). Noch nicht eindeutig geklärt
ist allerdings die Frage, wie die weitere Entwicklung von /hw/ verlaufen sei. Die
bündige Regel Teyssiers ( 1940: 141 f.) , daß altes af- im archaischen Alphabet
durch f h , f oder h (für "f sourd" ), im ionischen Alphabet durch einfache Aspi-
ration bezeichnet werde, geht nicht auf: im archaischen Alphabet ist auch EA.t-
qöv[iö] bezeugt, im ionischen Alphabet stehen fEKaaroc; und EKaaroc;, fi.Owc; und
iOwc; nebeneinander. Daher sind auch Erklärungsversuche , die einen Schwund
von /w/ nach /h/ (Rix 1976: 62 , 76) oder eine Transposition /hw/ > /wh/ (mit
stimmlosem /w/) und - durch Nachlassen der Artikulation - eine Entwicklung
zu einem stimmlosen Hauchlaut (Lejeune 1972: 133f.) annehmen, für das Boia-
tische revisionsbedürftig. Wenn zugrundeliegendes /w/ arn Wortanfang im Boioti-
schen erhalten bleibt und regelmäßig f geschrieben wird, die Schreibung flir den
Reflex von /hw/ im ionischen Alphabet aber zwischen f und 0 schwankt, kann
daraus nicht mit Thumb-Scherer (1959: 29) oder Buck ( 1968 : 48) der Schluß
gezogen werden, daß aspinertes f durch h abgelöst worden sei oder früher als
anderes f geschwunden sei, sondern lediglich, daß ein mit zugrundeliegendem
/w/ nicht identischer, aber vergleichbarer Laut entstanden ist. Dieser Laut läßt
sich, wie es bereits von Schwyzer {1959 : 226f.) und Buck mit dem Hinweis auf
engl. which angedeutet wurde, als gerundetes oder labialisiertes (h] ([h]) beschrei-
w
ben. Die Frage allerdings, ob die Schreibungen in den beiden Alphabeten (fh,
f, h, 0 bis zum 5. Jhdt ., f , 0 seit dem 4. Jhdt.) als Zeugnisse der Entwicklungs-
stufen [hw] und [h] interpretiert werden müssen, läßt sich nicht mit Bestimmt-
w
heit beantworten ; es ist nicht auszuschließen, daß der Lautstand [ßj bereits zu
Beginn der Oberlieferu ng erreicht war.
69 Für fa6elav PMG 654.iv24 ist die Lesung nicht gesichert (Page 1953 : 47).
84
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5.2.2 j wj im Wortinnern
§ 97 . Im Wortinnern wird /w/ in allen drei aiolischen Dialekten - zu verschiede·
nen Zeiten - ohne kompensatorische Veränderungen getilgt, wenn davor eine
Silbengrenze liegt; /w/ als Bestandteil eines Diphthongs bleibt erhalten (zur For-
mulierung der Regel vgl . § 103).
Das Wort ftir " Mädchen" lautet auf boio tischen Inschriften stets 1<6pa (IG 7:587 arch. Alph.,
IG 7:7 10- 7 12 ion. Alph., und öfter) 70 • Daher kann Kwpa im Korinnatext (PMG 654.a i49,
iii2 1, cf. aber auch KOPTJ PMG 692 (2)a1 ) nicht authentisch sein, sondern ist entweder in der
Oberlieferung ftir Ktlpfo. eingesetzt (so Nachrnanson 1910: 143ff., Bechtel 1921: 229f.) oder
einer literarischen Tradition entlehnt (so Page 195 3: 49).
Lesb . 7 1 eveKO. geht wegen myk. e-ne-ka nicht auf •evfeKa zurück; die Schreibungen evveKa
in literarischen (z.B. Sa 67 .a5, aber eveK( o.l AIJc 306 i col. ll.22) und inschriftlichen (z.B.
IG 12,2 S:7.8 neben häuf~gerem eveKa, z.B. IG 12 ,2 :645.a38) Texten des Lesbischen sind
dahe.r keine Spuren der Erhaltung von -vf- (wie Bechtel1921 :14f. vorschlägt), sondern
Hyperaiolismen nach metrisch gedehntem hom. eÜieKo. (Lejeune 1972: 159 A3). ln der glei-
chen Weise ist Looo- (looo ~owt IKyme 19.15 , 1. Jhdt. n.Chr.) aus /wiswo+/ (cf. boiot.
fwfOli LQo<; DGE 440,12A) eine aiolisierende Bildufl8 nach dem Vorbild von hom. wo<; (Le·
jeune 1972: 136 A2). Im Lesbischen ist sonst nur !oo- belegt: tow<; IErythrai 122.35, !oo-
1Tv&ov IG 12,2 S: 138. 14, 'loo<; Sa 31.1, toav Sa 68.a3 (roo<; Sa 111.5 aus metrischen Grün-
den, cf. Hooker 1977: 46).
ln AIJc 283.5 erfordert das Metrum ftir t(e .lvo.1TaTo.<t> Länge der ersten Silbe (Hinweis von
A. Morpurgo-Davies). Weitere Belege liegen weder aus der literarischen noch der inschrift-
lichen Überlieferung vor (et evtoe IG 12,2:528.13, tevlo"eu v IErythrai 122.7, tevto. IG
12,2 S: 138 .33 können nicht als maßgeblich angesehen werden), so daß nicht zu entschei-
den ist, ob auf dem Papyrus tevv- oder tew- geschrieben war. Solange überzeugende Bele-
ge für kompensatorische Wandel auf Grund der TilguiJ8 von /w/ ausstehen, wird man auf
die Erkläruf18 durch metrische DehnUIJ8 zurückgreifen müssen.
Oie einzige Ausnahme bildet , wenn die Herleitung von HeUy (1973: I 61ff.) zutrifft, im
Thessalischen der Ortsname Gonnos/ Gonnoi ("Je mamelon, les mamelons" ) aus •rovfo<;;
r ovvo<; ist im 5. Jhdt. bei Herodotos (VII, 128 , 173) und seit dem 4. Jhdt. auf Inschriften
belegt (vgl. auch rouvev<; < • r ovf(!l)<; im homerischen Schiffskatalog, (1 7 48). Es erscheint
problematisch, angesichts von lesb. 'Yovo. AIJc 347.5 und der Vielzahl sonstiger widerspre·
ehender Belege (cf. Sechtel 1921 : 14f., 138f., 228f., Lejeune 1972: 158f., 222f.) eine aio-
llsche Entwicklung " -vf- > -w -" auf diese eine Etymologie zu stützen.
Auf lesbischen Inschriften kommt f im Wortinnem nicht 72 und auf thessalischen
nur selten ('Afi.Oa.v McD 375.2, 6dföv IG 9,2 :236. 1, 5. Jhdt.) vor; auf boioti-
70 Vgl. auch Kopin <; IG 7 :3643 (5. Jhdt.) und öfter, ll.w oKOp{iJ(U) IG 7: 3193.10 und öfter
(weitere Belege bei Thumb-Scherer 1959:30). ll.t.DoKOupU TJ <; IG 7: 2444.[b10, ll.woKOup l-
6a<; IG 7 : 3525 sind nicht authentisch, aUein schon weil ersatzgedehntes 1o:] im Boioti·
sehen w geschrieben werden müßte. - ln dem in Thebai gefundenen Epigramm IG 7:
2533 aus der 2. Hälfte des 4. Jhdt .s ist nach Ebert (1972 : 147ff.) in Z. 4 Kop{Jt•
U o.<;
(nicht Kop feUo.<; ) geschrieben. Da der Text keine Merkmale des boiotiscben Dialekts auf-
weist und aus älterer Zeit auf boiot ischen lnschrüten keine Form oder Ableitung von
• K6pfa nachweisbar ist, kann Kopße{l!a<; nur als Fortsetzung einer dialektfremden Form
Kop fe{l!o.<; interpretiert werden.
7 1 Aus thessalischen und boiotischen Dialektinschriften liegt kein Beleg vor.
72 Arena (1971 : 47) zitiert aus Caskey-Beazley (1954: li 15) die Inschrift " Af6<; eines in
Smyrna gefundenen ,.ostgriechischen (aioUschen)" Geflißes aus dem 6. Jhdt. als Beleg
85
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86
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Lesb. /-eyyos/ -+ /-~ : yos/ -+ [~ : os] arch. Alph. -€0<:, ion. Alph. -ew~ § 81
/-ayyos/ -+ /-a:yos/ -+ [-a:os] § 82
/-oyyo/ -+ /-o:yo/ -+ /-o:o/ § 83
Im Lesbischen ist in Ausgängen von Flexionsformen d~s Optativs wie 3 . PI.
[-oyyen] in €J,JJJ.evO«:v IG 12,2:6.19 die Anwendung der Diphthongreduktions-
regel durch die funktional e Belastung {/oy/ als Kennzeichen des Optativs) blok-
kiert.
Im Nominativ des Zahlworts "drei" ist als zugrundeliegende Form / trey+es/ an-
zusetzen. Da im Lesbischen die Oberflächenform [tre:s] rpei.~ (Belege § 289) mit
dem Digraph e' ftir [c:: :] geschrieben wird, kann die Ableitung nicht durch Til-
gung von /y/ zwischen Vokalen erfolgt sein - weil die entstehende Lautfolge
/ee/ zu [e:] hätte kontrahiert und dieses [e:] mit dem Buchstaben Tl hätte ge-
schrieben werden müssen - , sondern nur durch Diphthongreduktion von /ey/ -+
[c:: :]. sei es in /treyes/, sei es in / treyyes/ mit einer sekundären Gemination von
/y/. In der handschriftlichen Oberlieferung von Grammatikerberichten (Herodian.
ll 416.9, Choirob. An. Ox. ll 267.10) wird die Schreibung rpii~ verwendet (vgl.
§ 80). Die entsprechenden Formen im Thessalischen (rp€i.~) und im Boiotischen
(rpi.~) lassen sich durch Monophthongierung ableiten: thess. /ey/ -+ [c:::] (§ 78),
boiot. /ey/ -+ [~ : ] -+ [i:] (§ 74).
Die frühesten Belege flir die Wirkung dieser Regel sind im 5. Jhdt. in den Dativ-
ausgängen der vokalischen Stämme, sowohl in Formen des Nomens wie in sol-
chen des Artikels, und in Konjunktivausgängen der 3. Person Singular nachweis-
bar. Am Ende des 4. Jhdt.s sind alle auslautenden Langdiphthonge reduziert"';
von dieser Zeit an geben Schreibungen mit _, nicht mehr den aktuellen Lautstand
wieder.
74 Auf den lesbischen Inschriften IG 12,2:1 (2 . Hälfte des 5. Jhdt.s) und IG 12,2:645
(4. Jhd t.) stehen noch ungekürzte und gekii.rzte Formen nebeneinander.
87
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In dem lesbischen Ausgang der 3. Pl.Präs.Konj . war durch die Entwicklung von
/ns/ sekundär die Folge von einem langen Vokal und einem Gleitlaut entstanden
{1-o:+nti/ ~ /-o:nsi/ ~ [-o:ysi]), die entweder auf Grund der morphologischen
Belastung {lange Vokale als charakteristisches Merkmal des Konjunktivs) oder
auf Grund der Regelordnung nicht die Vokalkürzungsregel (§ 60) durchlief, wo-
durch der Konjunktivausgang mit dem des Indikativs identisch geworden wäre,
sondern durch die in ihrem Anwendungsbereich auf das Wortinnere erweiterte
Gleitlauttilgungsregel reduziert wurde ([-o:ysi] ~ [-o:si] § 166). Eine weitere
Anwendung der Gleitlauttilgungsregel an Stelle der Vokalkürzungsregel wird bei
der Behandlung von Formen der 2. und 3. Sg. der e-Verben im Lesbischen dis·
kutiert (§ 183).
88
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McD 311.8) eine Parallele, entstammt aber einer Inschrift im Mischdialekt (§ 251 ).
Somit sind diese Belege nicht geeignet, eindeutig nachzuweisen, daß im Thessa-
lischen - oder zumindest im Kerngebiet des Thessalischen - [h) arn Wortanfang
auch in der Schrift bezeichnet wurde. Dieser Befund wäre in Anbetracht der ge-
ringen Zahl überlieferter archaischer Inschriften nicht bemerkenswert, gäbe es
nicht auch Belege für das Fehlen der Schreibung h auf Inschriften im archaischen
Alphabet:
o IG 9,2:250.1 (Pharsalos); SEG 25:661.2 (Pelasgiotis); IG 9,2: 1098.4,
McD 1023.3 (Magnesia)
SEG 27:183.2, 3 (Pelasgiotis)
KOt 76 IG 9,2: 1027 .a2 (Pelasgiotis)
-EpaKX€i" SEG 25:661.1 (Pelasgiotis)
ApJ.J.OViat McD 356 (Pelasgiotis)
-
Ot • DGE 607a.2 (Perrhaibia)
a DGE 605.2 (Magnesia)
Wenn man auch Texte, die durchweg von literarischer Tradition geprägt und daher nicht un-
bedingt repräsentativ fllr den thessalischen Dialekt sind, in die Betrachtung einbezöge, wäre
die Liste um u.a. IG 9,2:255 (a, 01'', ooa, oa'), McD 1121 (eßac;, tK.OJJav, T11epavopoc;), McD
722 (o[a)c;) zu erweitern.
Der Stein, der die lnschrüt ZPE 1974: 28 (Atrax, 6. Jhdt.) trägt, ist vor T von TBPll:TA ab-
gebrochen. Ob die Ergänzung Peeks zu [h)ußplCTTa gerechtfertigt ist, läßt sich nicht mit Sicher-
heit entscheiden.
Die Existenz von [h] am Wortanfang, erkennbar an dem Eintreten von Assimila·
tionsprozessen, wird erst seit dem Ende des 3. Jahrhunderts durch Belege nach-
gew1esen:
0
Keines dieser Wörter ist auf einer Inschrift im archaischen Alphabet belegt.
Ein eindeutiges Fazit aus dieser Obersicht über die Schreibung von h im Thessa-
lischen zu ziehen ist nicht möglich, vielmehr kommen verschiedene Interpreta-
tionen in Betracht:
(1) Im Thessalischen existierte der Hauchlaut am Wortanfang, wurde aber im
archaischen Alphabet nicht regelmäßig geschrieben (aber dagegen spricht
..
er'- an Stelle von e!J' - ۧa.' in McD 1121).
(2) Der Hauchlaut fehlte nur in Formen des Demonstrativpronomens (o, a, ol,
ai., vgl. auchKOtIG 9,2:458.6 , 3. Jhdt.). In DGE 607a aus Khyretiai kann
76 Auf dem Stein ist K.OI geschrieben. Der Punkt deutet darauf hin, daß hier Elision (KoL)
und nicht Krasi.s vorliegt.
89
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das Fehlen der Schreibung von [h] darin begründet sein, daß der Buchstabe
H zur Bezeichnung von [e) und [e:) diente (§ 26), aber die Erklärung für
das Fehlen von h in Epax:\Et und Ap1Jovicu bleibt im Rahmen dieser Hypo-
these offen.
(3) Alle Inschriften mit der Schreibung von h sind nicht thessalisch im engeren
Sinne, sondern stammen aus Randgebieten oder zeigen dialektfremde Ein-
flüsse. Die Nichtbezeichnung des Hauchlautes auf Dialektinschriften aus der
Pelasgiotis und der Perrhaibia ist (a) rein graphischer Natur oder (b) der
Nachweis dafür, daß [h1 am Wortanfang - wie im Lesbischen - nicht exi-
stierte (die Belege fti.r Assimilationsprozesse durch [h-1 müssen dann dem
Einfluß der Koine zugeschrieben werden).
77 Ein weiteres Argument fllr die Psilose tlihrt Paton ad IG 12,2:82 an: "~KMov propter
psilosin Aeolicam per E non H redditur" (vgJ. auch Schmitt 1977 : 82). Es sei angemerkt,
daß das Zahlwort fllr ,hundert' auf lesbischen Inschriften nur als lKarov auf einer In-
schrift des 2. Jhdt.s aus Miletos belegt ist (§ 289).
90
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sehen Redaktion der Texte der lesbischen Lyriker; inwieweit jedoch inschrift·
liehe Belege, die nur bis in das 5. Jhdt. zuriickreichen, die Nachrichten der Gram·
rnatiker und die Editionspraxis der Alexandriner Rückschlüsse auf die Sprache
der lesbischen Lyriker selbst zulassen 78 , kann an dieser Stelle nicht untersucht
werden.
§ 102. Im Boiotischen wird (h] am Wortanfang bis in die 1. Hälfte des 4. Jahr-
hunderts in der Regel bezeichnet.
h =§
ruapov DGE 440,12A (1. V. 7. Jhdt.?)
h= 8
hw.pov IX;E 440,10 (4. V. 7. Jhdt.)
he(? IG 7:605
he[PJ.L ]ia.~ IG 7:626
ht1Tapxa IG 7:635
htOJ.Lflliöt IG 7:2455 (6./5. Jhdt.)
hw.po' IG 7:3585, 3942, 3944, 4014ff. 79
h€aiä.t. E. 77:60 (6. Jhdt.)
ho IG 7:2731, Ptoion 1971 Nr. 232 (2. H. 6. Jhdt.)
h=H
hm1rapxia IG 7:636
•
hlPLXO~ IG 7:1888.g6 (2. H. 5. Jhdt.)
•
ha')'eawöpo~ IG 7:2547
•
Mpöt IG 7:2734
hepiJ.ala IG 7:2889
htpJ.Löv IG 7: 3233
htpciva Wilhelm Urkunden 246
ruepa, h<iJ.La SEG 24:361 (Anf. 4. Jhdt.)
ho1T11P BCH 1940/41 :42 Z. 4 (Mitte 4. Jhdt.)
Weitere Belege sind bei Sechtel ( 1921 : 225) zitiert.
Der Buchstabe H wird im ionischen Alphabet zur Bezeichnung von [he] und
[he:] am Wortanfang beibehalten und bis zum Ende des 3. Jhdt.s in von Göt·
ternamen abgelei teten Personennamen (cf. Knoepfler 1974: 243f.) weiterverwendet
ht hvöeKa SEG 24:361 (Anf. 4. Jhdt.)
hp/).!li BCH 1926:421 Nr. 39
hJ,Itrra SEG 24:36 1.15/ 16
hpOK:>.iOao IG 7:2468 (1. H. 4. Jhdt.)
78 VgJ. zu dieser Frage zuletzt Hooker (1977 : 13ff.).
79 Sämtliche Belege stammen aus dem Kabirenheiligtum bei Thebai. Die Schreibung flir
(h) wechselt zwischen 8 und H.
91
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hpax>..ewao IG 7:2429
hpoowpw IG 7:2724b (Ende 4 . Jhdt.)
hpOOOTO~ 80 BCH 1946: 476f. Z. 13 (Mitte 3. Jhdt.)
hpaxAi&.JJ BCH 1974 : 193 Z. 3
hpax>..eio~ AD 1916: 218f. Z. 13, 74 (ca. 200 v.Chr.)
hpwt BCH 1905: 102 Nr. 3
hpax >..wa~ E. 77:59.1
Nach Sechtel (1921: 225) konnte der Hauch in der Elision und in der Krasis ignoriert wer-
den : err' 'A"'(eo{fa IG 7:2883, err ' ' A"'(lTopl~L IG 7 :2884.
Die lnscluift SEG 24:361 enthält mehrere Belege für die Sclueibung H (s.o.), aber in VÖPUlL
Z. 8 ist wider Erwarten der Hauchlaut nicht bezeichnet. Sollte die Erklärung darin zu su-
chen sein, daß nicht (hu-), sondern (yu-) (cf. wvU:, § 52) gesprochen wurde?
~ons
ilb ] ... 0 I [+son L [+silb]
[
lwl -+ 0 zwischen einem Vokal , Gleitlaut oder Sonanten und
lhl ... 0 einem Vokal
Die Kontext bedingung "nach einer Silbengrenze" ist mit den Notationskonventionen der ge-
nerativen Phonologie nicht formalisierbar.
Oie Tilgungsregel flir Gleitlaute im Wortionern ist nach der h-Assimilationsregel
(§ 90) anzuordnen .
80 Für diesen Namen schwanken die Schreibungen im ionischen Alphabet zwischen hp66o·
TO~ und Elp660To~ (cf. IG 7 Index s.v.).
92
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93
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Die Entwicklung von Konsonanten- und Gleitlautverbindungen mit fyf und /s/ gehört zu den
meistdiskutierten Problemen der griechischen Phonologie (vgl. an neuerer Literatur u.a. Allen
1957/58, Diver 1958, Hamp 1959, Kiparsky 1967, Hart 1968, Cowgill1969, Nagy 1970:
101ff., Ruiperez 1972, Adams 1972, Lejeune 1972: 79f., lOOff., 155f., L6pez Eire 1977,
Brixhe 1978, Risch 1979). Es würde über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinausgehen,
sämtliche - teils nur geringfligig divergierende, teils kontroverse - Standpunkte zu diskutie-
ren. Die folgende Analyse deckt sich in Teilbereichen mit bereits bekannten Lösungsversu-
chen, auch wenn dies nicht eigens vermerkt ist; im übrigen wird versucht, die einzelnen Pha-
sen der Entwiclc.lung zu begründen und ihren Zusammenhang mit anderen, weniger umstritte-
nen Prozessen aufzuzeigen.
§ I 07. Der palatalisierte geminierte Lateral {/ü/) wird von dem nichtpalatalisier-
ten Lateral graphisch nicht geschieden, aber es ist zu vermuten, daß eine Depala-
talisierung (ohne kompensatorische Veränderungen) eingetreten ist:
PR (27) +kons +kons
+son +son
+hoch +hoch
-hint -hint
+lat +lat
1 2
/ü/ / 11 /
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laff/ ~
/ayr/ /aMt/ -+ /ayn/
/off/ -+ /oyr/ /onit/ -+ /oyn/
/iff/ -+ /ihr/ /inft/ -+ /ihn/
fett/ -+ /ehr/ /eftlt/ -+ /ehn/
/uff/ -+ /uhr/ /unn/ -+ /uhn/
Die Depalatalisierung von palatalisierten Sonanten stellt somit eine progressive
Dissimilation dar: nach den Vokalen /i/, /e/, /u/ wird der durch die Depalatali·
sierung entstandene Gleitlaut zu einem nicht-palatalen Segment (das im folgen·
den an benachbarte Segmente assimiliert wird), nach den Vokalen /a/, /o/ behält
der Gleitlaut das palatale Merkmal (und bildet mit dem vorangehenden Vokal
einen Diphthong). Die Merkmalstheorie der generativen Phonologie bietet aller·
dingskeine Möglichkeit, diesen Sachverhalt adäquat zu beschreiben: /i/ ((+hoch]
[-hint ]), /e/ ([-hoch] [-hint]) und /u/ ([+hoch] [ +hint]) bilden keine natürliche
Klasse, obwohl sie, wie /y/ ([+hoch) [-hint]), palatalisierende Wirkung haben84•
Der durch die Depalatalisierung entstandene Gleitlaut /h/ assimiliert im Lesbi·
sehen an den folgenden Sonanten (Geminierung), im Boiotischen an den voran-
gehenden Vokal (Ersatzdehnung) (§ 90).
95
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h-Assimilation
/ihr/ -+ lesb. /irr/ boiot. /i:r/
/ehr/ -+ /err/ /e:r/
/uhr/ -+ /urr/ /u: r/
/ihn/ -+ /inn/ /i: n/
/ehn/ -+ /enn/ /e :n/
/uhn/ -+ /unn/ /u:n/
§ 109. Anwendungsbeispiele:
(1} zugrundeliegende Repr. /alyos/
Pala talisierung /aüos/
Depalatalisierung [ allos]
Oberflächenform lesb. äA.A.oc; (äXA.ov Sa 129.b}
boiot. äA.A.oc; (äA.A.T/ BCH 1936: 177ff. Z. 13)
(2) zugrundeliegende Repr. /krin+yo: /
Palatalisierung /krifrfl o :I
Depalatalisierung / krihno: /
h-Assimilation lesb. [krinno:]
boiot. [kri:no:]
Oberflächenform lesb. KpiPvw (KPWVOJ.l€Vat Alk 130.b 17)
•
boiot. Kpivw (kein Beleg)
Formen mit einfachem -v- von lesbischen Inschriften (oWJ<.pLVOJ.l€VOt IErythrai
122. 15, EKpwov IG 12,2: 19 .3) sind nicht authentisch.
(3) zugrundeliegende Repr. /ager+yo: /
Pa1atalisierung /ageifo: /
Depalatalisierung I agehro :I
h-Assimilation lesb. [agerro:]
boiot. [age:ro:]
Oberflächenform lesb. a:yeppw (a:yeppw Etym . m. 8. 13}
boiot. a:yeipw (a:yEipw Korinna PMG 654a iii. 25,
a:y"tpEJ.l€V IG 7: 4136.4, § 40)
(4} zugrundeliegende Repr. /phan+yo: /
Palatalisierung / phaMto: /
Depalatalisierung [phayno: ]
Oberflächenform lesb. I{Xlivw (I{XliVflrat IG 12,2 S:l38.22)
boiot. I{Xlivw ('Pf1v€tTf/ DGE 462.a22, § 77)
§ 110. Im literarischen Lesbisch ferne r mit geminierten Sonanten aus Sonant plus
zugrundeliegendem /y/
96
•
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äi.ppeL Alk 363.2, f:yepprw Alk 48.12, ip.eppeL Sa 1.27, KAwvo[ Alk 117b.40a,
Mre(p )pav Alk 298.23, J.I.Ereppa inc. auct. 2 85 , Xeppwvoc; Alk 42.9
und mit geminierten Sonanten aus Sonant plus sekundärem /y/ (§ 64ff.)
lleppaJJ.w(L) Alk 42 .2, flepaJJ.OW Sa 44. 16 (metrisch gekürzt nach West 1973)
gegenüber flpL<iJJ.W Alk 298.8, trepp( Alk 44.5, trep(p)€x,ow'a Sa 96.9, treppox.cx;
e
Sa 106, €vv 'Ax.ep( Sa 65.10 (gegenüber (v )t lJuJJ.L<iJJ.evot [At ]ßavwrw (L) Sa
2.3/4).
Aus den Inschriften ist 'kyeppaviw IG 12,2:527.27 (gegenüber boiot. 'A-yptw-
viw IG 7:3348.1 ), tr€pp aiJrwv lKyme 102.8 hierherzustellen.
Die Realisierung von Sonant plus zugrundeliegendem /yI nach [ u] ist in der lite-
rarischen Überlieferung des Lesbischen nicht einheitlich (inschriftliche Belege
fehlen), aber die Gemination überwiegt 86:
a-yKuppa( Alk 297.2 (pap.; li-yKupat Alk 208.9 cod.), 6rpuvv[ Alk 149.3, J.I.E'Ya-
Mweo inc. auct. 5.1 (-uvveo L-P, -uveo Voigt), ~üvov Alk 129.3, Karatax.vvw-
p.ev Alk 6.13, o}I.Olpllppw Herodian. li 949.2.
Von O.ßupw (O.ßupet Alk 70.3) ist die Etymologie nicht gesichert.
§ 111. Die Realisierung von zugrundeliegendem /aRy/ und /oRy/ als [ayR] resp.
[oyR] ist durch die literarische Oberlieferung des Lesbischen gut gesichert, cf.
u.a.
ßaivw: €tr( €)ßa.we Sa 44.14
eratpa: eratpat Sa 142; eraipatc; Sa 160.1
J,l.atVOJ.I.aL: (J.I. )aWOJ.1.€VOV Alk 10.6
JJ.<iKatpa: JJ.<iKatpav Sa 95.9; JJ.<iKatpa Sa 1.13 etc.
J.I.EAawa: J.I.EAaivac; Sa 1.10 etc.
J.I.Oipa: J.l.(ipa Alk 112.12 etc.
/)voLpoc;: 6votpe Sa 63.1
cpai.vw: I{XJi.voJ.I. 'at Sa 31.16 etc.
x.aipw: x.aipw Sa 22.14 etc.,
aber vereinzelte Belege widersprechen:
JJ.6ppav Sa S 261 A fr. 2 i. 10 (in einem Zitat aus Sappho innerhalb eines
Sapphokommentars, cf. Gronewald 1974). Die Bedeutung dieses Beleges wird
durch die Tatsache unterstrichen, daß JJ.Oipa bisher nur für Alkaios sicher be-
zeugt ist. 87
<l>avv-88 in <l>avva-y6pa IKyme 66.3 (gegenüber gemeingr. <l>awa-yo-yac;),
<l>avvo1JeJ.I..(Öcx; IErythrai 81.15, 20 l.c49, 418.
85 Cavallini (197 5/77: 6lf.) verteidigt die Lesung lltTeppo. gegen Voigt, die wegen )lleTPta.Ko.(
Sa 29a.2 die u.a. in Etym.m. 587,12ff. überlieferte Form lltTeppo. flir pseudoaiolisch hält.
86 a.
Lejeune (1972: 155f.), Rix (1976: 61 ), gegen Arena (1965 ), Ruiperez (1972: 151).
87 In Sa 64.14 kann /-«lt[ in 1-Wiloo. oder 1-WilPo. ergänzt werden, und )1-«lipo.v S 276(2) col.
i. 45 stammt wohl aus einem Kommentar zu Sappho.
88 Gegen Bechtel (1921: 37), Thumb-Scherer (1959 : 95) zu trennen von ~o.tvVT}~.
Bayorlsche
Staatsbibliothek
München
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89ln IG 9,2 :514.5 gibt Kern in der Majuskel-Abschrift KTPION an und korrigiert in Kiip{p)o
In McD 337 stehen sich #CVpwv Z. 29 und KVPf!'! Z. 45 gegenüber. SEG 27:202.22 schließ-
lich bietet #CVpwv, IG 9,2 :512.5 (K)upwv. Alle Belege stammen aus Larisa und sind in das
ausgehende 3. und das 2. Jahrhundert zu datieren.
90 Die Inschrift wurde iu Dodona gefunden, stammt aber wohl aus Mondaia: e1ftKO(var a.t
Mov(6Ja.ta.räv ro KOwdv ... . Mondaia war im 3. Jahrhundert vermutlich noch eine perrhai-
bische Stadt (Helly l979b: 179ff.).
91 Vgl. jetzt auch Heubeck (1978b).
92 Xai·( o Jrappa Salviat-Vatln (1971 : 26,33), Xa'Y( el )rappa Helly (1970a).
98
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oovppavra McD 310.22 (Krannon) läßt sich als Part.Präs. eines denaminati-
ven Verbums /do:r+ya:+/ -+ / do:ffa:+/ erklären. 93
Koppo~ (Koppov SEG 27: 183.3, Atrax 6./ 5. Jhdt., cf. Kopp4Jd.XOt IG 9,2:
513.13 Larisa, Gen. MeveK6ppov McD 174.1 Pharsalos 4. Jhdt., NtK6ppa~
IG 9,2:517.62 Larisa)94 gegenüber boiot. Kotpa- in Koipavo~ IG 7:639,
Kotpard.OaolG 7:537.a2 (aber Koppwaoa[<;) IG 7:1793. 1) ist aus /koryos/
abzuleiten. 95
Xoppwvve~ IG 9,2:234.69 (Pharsalos) setzt, wie Heuheck (1978b : 97) ge-
zeigt hat, einen Personennamen *Xoppiovv, dieser ein Appellativum *xop-
po~ aus /khoryos/ voraus.
'Apxawou McD 347.38 (Larisa) interpretiert Helly (l970a: 279) als Dat.Sg. eines Femini-
nums auf (Nom.) -ww ([-r]oü t.ti -roii CS>ovlou Ka.l -rä 'Apxa.vvou "pour Zeus Phonios et pour
Archann6"); ein Nomen auf -vwv > -vvov (Dat. -vvou) sei aber in gleicher Weise möglich.
Salviat- Vatin (1971: 9- 34) lesen (. )ou t.cl -roii CS>ovlou Kci-r -rci 'Apxcivvou und übersetzen:
"a Zeus Phonios, le long du doTTUZine d 'Archannos"; der Gen.Sg. eines o.Stamrnes kann aber
in Larisa nicht den Ausgang -ou haben. Für den Deutungsversuch, dem Helly den Vorzug
gibt, ließe sich möglicherweise auch thess. a ö.vvw (A.kk. avvwv IG 9,2:877.2 Larisa) heran-
ziehen.
SEG 27 :183.4, Atrax 6./5. Jhdt.) ist wohl eher zu dem (ausschließlich)
favve lac; (favvelav
in Thessalien und Boiotien vorkommenden Namenselement fapvo- (boiot. (f)apvelac; IG
7: 4199, fapvwv IG 7:3171.14) zu stellen als zu Alvelac; , Alvlac;.
Folgen von Sonant und sekundärem /y/ (§ 64):
IIavacivvw.w~ IG 9,2: 580.12 (Larisa), IIavaavvtcio[t] IG 9,2:414.a7 (Pherai)
Kpavovvvo~ (zu Kpavvovv): Kpavovvvovv 96 IG 9,2:458 .2/3, [Kp ]avvovvwt
•
ibid. Z. 7, Kpavvovvwvv IG 9,2:460.11 , Kpavovvvwt~ IG 9,2:46l.a7,
__ Kpavvovvwt lG 9,2: 517.48, Kpavovvwvv McD 311.2
_..:._
93 Durch die Gleichsetzung von 6wpaw mit 6wpew (Buck 1968: 125f.) wird -pp-nicht
erklärt; die Form eines Aorists /do:r+s+/, die ebenfalls vorgeschlagen wurde (Fränkel
195 6: 91f.), paßt nicht in den Kontext. Falls 6ouppav -ra zu lesen und 6ooppav sei es
als Infinitiv zu interpretieren ist (was höchst zweifelhaft erscheint, weil als Form des
Infinitivs 6ovppa}lev zu erwarten wäre), sei es als Nomen 6wpeav .,Geschenk", bleibt
die Möglichkeit einer Herleitung von -pp- aus fryf u.nberührt . Zur Erklärung von 6ovp-
paJ.Ct vgl. im übrigen Lejeune (1941 : 74f.).
94 Den von Solmsen (1909: 76 Al ) unter Vorbehalten zitierten Beleg Koipoc; aus Larisa
habe ich nicht verifizieren können.
95 Heuheck (1978b) zieht wegen NtKoppac;, Kolpavoc; , Ko1"0a-ra6ac; und außerhalb des
Boiotischen und Thessalischen belegter Namen mit dem Element Koppa· einen Ansatz
•kor!a als Form des Appellativums für ,Heer' im Urgriechischen vor; zu dem Gen.
Mevei<Oppou gehöre ein Nom. MeveKoppac;, und das Auftreten von ·i· statt ·a- als Korn·
positionsvokal in Koppl,Jaxoc; lasse sich durch Parallelen wie MOfPw~eJII'lc; stützen. Dem
steht aber der Beleg Koppov entgegen, den Heubeck nicht herangezogen hat; unter der
Annahme ein.es o-stämmigen Koppoc; bereiten der Kompositionsvokal in K.opp{JJ.axoc;
und der Genitivausgang in Mevei<Oppou weniger Probleme (der Gen. eines mask. 4-Stam-
mes müßte im Thessalischen den Ausgang -a, allenfalls -ao aufweisen, § 248). MeveKJJppoc;
in auch auf einer Inschrift vom 4. oder Anf. des 3. Jhdt.s aus Atrax (AD 1973/74
Xpov. 584) belegt.
96 KPANOTNNOIN Iapis.
99
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100
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§ 114. Ln zugrundeliegenden Folgen von einem Sonanten und /s/ zwischen Vo-
kalen wird, wenn eine der folgenden Silben den Wortakzent trägt und wenn kei·
ne Morphemgrenze zwischen dem Sonanten und /s/ liegt, /s/ sonorisiert und so
assimiliert, daß im Lesbischen und Thessalischen der Sonant geminiert wird und
im Boiotischen der vorangehende Vokal gedehnt wird . Die Morphemgrenzen· und
die Akzentsitzbedingung sind für Formen des s-Aorists aufgehoben (für das s-Fu·
tur liegen keine Belege vor).
Diese Beschreibung repräsentiert in ihren Grundzügen den jüngsten Forschungsstand (soweit
er das Aiolische betrifft), wie ihn Miller (1976) - für Liquide plus / s/ - dargestellt hat. Nach
einer kritischen Diskussion der Forschungsgeschichte kommt Miller zu dem Ergebnis, daß die
bereits 1888 von Wackernagel und Solmsen erkannten Lösungen im wesentlichen richtig
waren.
s-Sonorisation (§ 140)
/s/ ~ /z/ zwischen einem Sonanten und einem Vokal
In der generativen Phonologie stehen bislang keine Notationskonventionen für Morphemgren-
zen· und Akzentsitzbedingungen und für morphologisch bedingte Ausnahmen von diesen Be-
dingungen zur Verfügung.
z-Abschwächung (§ 141)
/z/ ~ /h/
h-Assimilation (§ 90)
/VRh/ -+ lesb. thess. /VRR/, boiot. / V:R/
Die Assimilationsregel ist im Lesbischen vor der Akzentverschiebungsregel (§ 158)
anzuwenden.
§ 115. Anwendungsbeispiele:
vgl. ferner /angel+s+a+/ (Ao rist) -+ lesb. thess. /angella+/ , boiot. / ange:Ba+/
lesb. dyyeAAa- €travyeAAa[~.u:vo~) IG 12,2:528.16
Oberflächenform thess. ayyeAAa- €tra"("(€AA<l1J€VO~ McD 310.26
boiot. ayyetAa- €trav[ "f]€tAa[IJ ]€vw~ SEG 3:358.4/ 5
98 Vgl. ferner lesb. et{XJa Sa 96.12, Sa 73.a9. Eine Grundform /worsanos/ (Frisk GEW s.v.
oopa.&JO~ : •(f)op aa&JO~) läßt sich aus dem aiolischen Material nicht erschließen.
99 Überliefert sind oppa.vo~e11
• •
auf dem Ostrakon •
(Sa 2.la) nach <ier Lesung von Norsa,
wpci11w Sa 1.11 , Alk 355 , Sa (oder Alk) S 286 coL ii. 6 und öpd.11w Sa 52, Sa 54,
Alk 338.1. Oie Varianten wpcillw und öpci11w sind an ihren jeweiligen Belegstellen me-
trisch gesichert. Boiot. wJ)(lJid.;, att. otipa&.oci.;: lesb. 1Jppa110~ passen ohne Schwierigkeit
in die ausreichend gesicherte Opposition nicht-aiol. ,langer Vokal +einfacher Sonant':
aiol. ,kurzer Vokal+ geminierter Sonant', so daß gegen die Lesung oppa110~11, die von
den meisten Editoren nur im kritischen Apparat gewürdigt wird, aus linguistischer Sicht
kein Einwand besteht . Oie Form öpavo~ läßt sich durch weitere Belege für - metrisch
bedingte - Geminatenvereinfachung rechtfertigen: nepd,.ioco Sa 44.16 neben neppas.tw<t>
Alk 42.2, 6 wxeli.ID1~ Alk 69.2 neben inschr. xeli.X- (xeli.Moru<; IG 12,2: 498.9). Um-
stritten ist allerdings die Erklärung von wpa.vo.; : die Hypothese Wackernagels (1916:
136), daß wp· nur irrtümliche Schreibung für opp· sei, um die Länge de.r ersten Silbe
zu bezeichnen, hat weithin Anerkennung gefunden, enthält aber, worauf Hooker (1977 :
84ff.) mit Recht aufmerksam gemacht hat, eine ent scheidende Schwierigkeit : gemi·
nierte Sonanten sind in der antiken Tradition immer als so typisch aiolisch angesehen
worden, daß sie gelegentlich sogar eingeführt wurden, wo sie nicht gerechtfertigt waren;
der umgekehrte Fall jedoch, daß sie durch einen langen Vokal und einfachen Sonanten
ersetzt wurden, ist bisla.ng nicht bekannt. Eine überzeugende Erklärung für wpa.vo<:
steht also noch aus; ob nämlich der Vorschlag Hookers, wpavo~ könne eine aus dem
Solotischen entlehnte Form sein, das Richtige trifft, mag dahingestellt bleiben.
100 O.elpne (ex -are), b.e/ptrra,, O.e{pan, Mpare codd., Lobet-Page und Voigt lesen aeppere.
O.eppa1e wohl versehentlich bei Rix (1976: 79).
102
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(4) Ein Beispiel flir die Realisierung der zugrundeliegenden Folge /ms/ ist nur
bei einem Grammatiker belegt: €v€SJS.taro lo. Gramm. II. 10.
103
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104
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§ 118. Die herkömmliche Erklärung geht davon aus, daß sowohl die Diphthongie-
rung im Lesbischen wie auch die Ersatzdehnung im Boiotischen verschiedene Aus-
prägungen der Spirantisierung von /n/ (Lejeune 1972: 129, ähnlich Meillet 1899)
oder der Nasalierung des vorangehenden Vokals (Schwyzer 1959: 287f.) seien.
Diese Erklärungen, vor allem die sogenannte " Vokalisierung von v zu , .. (Schwy-
zer), und die Parallelen aus anderen Sprachen, die für den als ungewöhnlich er-
achteten lesbischen Wandel [n > y] herangezogen werden, sind jedoch höchst
unbefriedigend .
Unter einem ganz anderen Gesichtspunkt hat Safarewicz (1939) - und in ähn-
licher Weise auch Ruiperez (1968) - das Problem der Entwicklung von lesb. /ns/
diskutiert: Es sind zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden, /ns/ im Wortinnem
und /ns/ arn Wortende . Mit dieser Unterscheidung geht Hand in Hand die Her-
kunft von /s/: im Wortionern resultiert /s/ aus der Assibilation von / t/ vor /y/
und / i/ und ist folglich höchstwahrscheinlich palatal (/§/), am Wortende (z.B. in
der Endung des Akk.Pl. uhd im Nom.Sg. maskuliner Partizipien) ist es ursprüng-
lich. Der dem .palatalen /§/ vorangehende Nasal wurde gleichfalls palatalisiert; da-
durch entstand eine Opposition /-M/ : / ns/, die im Lesbischen durch Generalisie-
rung der palatalen Dublette (und in allen anderen Dialekten durch Generalisie-
rung der nicht-palatalen Dublette) beseitigt wurde. Schließlich verlor /n/ seine
konsonantische Qualität und wurde zum Gleitlaut / y/, der mit dem vorangehen.
den Vokal einen Diphthong bildete (/pa-Ma/ -+ / paysa/ wie /phafrito:/ -+
/phayno :/).
§ 119. Auf der Grundlage dieses Erklärungsversuchs läßt sich die Entwicklung
von abgeleitetem und wortschließendem /ns/ in den aiolischen Dialekten folgen-
dermaßen beschreiben:
(1) Im Boiotischen wird /n/ durch den Verlust der Okklusion vor /s/ und /§/ +-
fty/ zum Gleitlaut /h/ (cf. (4}}, der an den vorangehenden Vokal assimiliert
(§ 90); /§/ wird depalatalisiert (§ 126).
(2) Im Thessalischen und Lesbischen wird /n/ vor /§/ +- /ty/ palatalisiert.
103 Cf. Braun (1932), Lejeune (1933a), Pavese (1967), speziell zur Verteilung und Ober-
lieferung dieser Aiolismen bei Pindar: Verdier (1972).
105
00046245
+h h] +kons
[+kons] -+
[ _.;ct. I _ +hoch
n 4Unt
(3) Die Opposition zwischen /ns/ im Wortinnern und / ns/ am Wortende wird neu-
tralisiert, indem /ns/ palatalisiert wird.
(4) In der Fortsetzung von /ns/ divergieren Thessalisch und Lesbisch:
Im Thessalischen bleibt /ns/ - wie durch lyl palatalisierte Konsonanten - erhal-
ten ; die Palatalität dieser Folge wird graphisch nicht bezeichnet.
Auf die Erhaltung der Palatalität von /fts/ weist möglicherweise die Schreibung oo statt vo
in dem Part.Aor.Fem. hrtveßeuoaooa GHW 4742 (Atrax). Eine Assimilation (ns > ss) wäre
im Griechischen ohne Parallele, während eine Int erpretation von oo als (s(s)) als Resul-
tat einer Assimilation oder Tilgung von (nj in der palatalen Folge (ns) plausibler erscheint.
In /ns/ vor der Wortgrenze wird lfl/ getilgt (§ 157).
Im Lesbischen wird / fl/ durch den Verlust der Okklusion vor /s/ zum Gleitlaut
/yI und /SI wird depalatalisiert. Abweichend von der Depalatalisierung palatali-
sierter geminierter Sonanten (§ 108) wird aber hier der Gleitlaut nicht gegen
den vorangehenden Vokal dissimiliert, sondern bildet, auch mit le/, einen Di-
phthong (Jens/ -+ /eys/ gegenüber /enfl/ -+ /enn/).
PR (30) n-Abschwächung
+kons +kons
•
+son ~on
-kons
ahoch ahoch
4Unt
ahoch I - +kor
-nas
+nas +ant
+kor +dau
/ft/ ... ly/ vor ls/ im Lesbischen
/n/ ... /h/ vor ls/ im Boiotischen
§ 120. Anwendungsbeispie/e:
lesb. /paM.a/
Assimilation
thess. [paMa)
lesb. /pay§a/
n-Abschwächung
boiot. /pahSa./
h-Assimilation boiot. /pa:Sa./
lesb. [paysa)
Depalatalisierung
boiot. [pa:sa)
lesb. 1Tatua muuav IG 12,2:498.6
Oberflächenform thess. mivua mivua~ McD 337.37
boiot. 1räua 11'äuav IG 7:4136.5
Part.Präs.Fem. /arkhont+ya/ -+ lesb. /arkhoysa/ iipxOt.ua, thess. /arkhonSa./
iipxovoa, boiot. /arkho:sa/ iipxwua § 233
Part.Aor .Fern. /arksant+ya/ -+ lesb. /arksaysa/ /ip~a.t.oa, thess. /arksaßSa./
/ip~avoa, boiot. /arksa:sa/ /ip~aua
Nom.Sg. "Muse" /mont+ya/ -+ lesb. /moysa/ Moioa (Sa 127), thess. /moߧa/
Movua (kein Beleg), boiot. /mo:sa/ Mwoa (Mwoawv BCH 1936:
181ff. z. 14)
lesb. /nomon~/
Neu tralisierung
thess. /nomon~/
lesb. /nomoy~/
n-Abschwächung
boiot. /nomohs/
Tilgung thess. /nomo~/
lesb. [nomoys]
Depalatalisierung
thess. [nomos]
h·Assimilation boiot. [nomo:s]
lesb . VOJ.lOL'
Oberflächenform thess. VOJ.laf; § 250
boiot. vOJ.lW'
104 Die Form e4Jl auf Inschriften aus Bo iotien (IG 7:3969 arch. Alphabet; IG P :402- 403
- cf. Jeffery 1961 : 91 , 94 Nr. 3c - , ein auf der Athener Akropolis gefundener boiot.
Lebes vom Ende des 7. Jhdt.s) mit et = (eyJ ist ungeklärt.
109
00046245
§ 123. Die Resultate aus den Assimilationsprozessen Sonant plus s und s plus
Sonant im Wortionern werden durch den Kontrast ,Kurzvokal plus geminierter
Sonant' im Lesbischen und Thessalischen und ,Langvokal plus Sonant' im Boioti·
sehen gekennzeichnet. Für eine Reihe von lexikalischen Einheiten läßt sich ein
ebensolcher Kontrast konstatieren, ohne daß es möglich wäre, synchron eine ge-
meinsame zugrundeliegende Repräsentation anzusetzen. Nur durch historisch·
vergleichende Analyse lassen sich einige dieser lexikalischen Einheiten auf eine ur-
sprüngliche Folge ,/s/ plus Sonant' zurückführen (Beispiele 1- 5); für die übrigen
hat man verschiedene Folgen von einem Sonanten und einem weiteren Element
/ln/, /ls/. /sn/) zu rekonstruieren versucht, ist aber noch zu keinem abschließen·
den, allgemein anerkannten Ergebnis gelangt.
(1) *ghesl- ,.tausend"
lesb. xeXX- in xeXMar~ IG 12,2:498.9, cf. xtXXwt Herodian. II 604.31 ,
605.8 105
thess. xeXXwt (xeXXia~ IG 9,2: 1229.29) 105
boiot. xeO...wt (xeiXL17 IG 7 :3172.74)
(2) •asmes ,.wir"
lesb. liJJJJe~ Sa 24 .a3
•
boiot. äJ,J.e~ (aJJ.ewv IG 7:2383.9)
.
(3) *ghesr-106 Hand"
lesb. xepp a Alk 58.21 107
thess. xeppo~ McD 347.17
boiot. xetpt·1Teöa~ IG 7:2420 .28
(4) •wosnä (cf. ai. vasna-, lat. venum) 108 ,.Kaur•
lesb. l>vva (övvat~ lG 12,2 S:136.bl7)
boiot. wva (ev-wvdv IG 7:3287.7, VOJ,J.C.:.>Vav IG 7: 3171.43, f1TWVWV FS
Navarre 1935: 353 Z. 8)
(5) *phawes-no· (zu *phawos, lesb. boiot. ~ " Licht") "leuchtend"
lesb. ~wo~ (~vvov Sa 34.2)
boiot. cpd.ec.vo~ (4>divo~ BCH 1946: 476f. Z. 11 , IG 7: 1751.8, <I>aec.v~
IG 7:3287.2, SEG 23:271.17)
105 TfHUXlAW4~ IG 12,2 :526.a10 (4. Jhdt.) aus dem lesbischen Eresos und (rp)aKwxiA.a SEG
26:672.27 (2. Jhd t.) aus dem thes~lischen Larisa sind keine authentischen Formtn des
jeweiligen Dialekts. Zu (xe )A.lo'~ Alk 63.7, 6wxe>Jo,~ Alk 69.2 vgl. Hamm (1957:20,42).
106 Cf. Rix (1976:78).
107 Cf. ferner xep;>eo{ Sa 90a c:ol. 11.21 , x~oiJaiCfpa Sa 101.1; sämtliche inschriftlitten
Belege (z. B. xe{pwJJO~ IG 12,2 S: 139.11/ 12, xelPOTOVTJV IG 12,2 S: 136.b7, (x )eqo·
rov{a~; IG 12,2:526.b25 Eresos, 4. Jhdt.) sind keine authentischen Formen des Oll·
lekts.
108 Cf. Lejeune ( 1972 : 123); Zweifel am Anlaut / w/ bei Chadwick (1972 : 29).
110
00046245
(6) "Säule"
lesb. or<iA.A.a (ord.A.A.av IG 12,2: 15.33)
109
thess. ord.A.A.a
, (ord.A.A.a<: IG 9,2:517.21)
boiot. oräA.a (ord.A-17 BCH 1901: 359ff. Z. 8)
(7) Rat"
"
lesb. (36A.A.a ({36A.A.a IErythrai 122.1)
thess. (36AA.a 110
boiot. ßwM. (ßwA.a IG 7:529.1)
(8) ,,Mond"
lesb. a€A.avva (o€A.d.vva Sa 168B.1)
•
boiot. o€AäJJa (o€Mva<: PMG 690.9)
(9) Quelle"
"
lesb. Kpd.vva (Kpd.vvav IG 12,2: 103.1)
thess. Kpavva (Kpavvovv)
(10) "schulden"
lesb. ()p€A.A.w (Cxp€AA17" IG 12,2:67.7)
boiot. (;.p€iA.w ((;.p€iA.t IG 7: 1738.4)
(11) .,wollen"
lesb. (36A.A.op.cu ([ß]6A.A.op.a[t] Sa 22.19)
thess. ߀A.A.op.cu (߀AA€tT€t IG 9,2:5 17.20)
boiot. ßdA.op.17 (߀iA€tT17 DGE 485.2)
109 In aTciAa. DGE 605.2 (5. Jhdt.) im archaischen Alphabet kann Einfachschreibung der
Doppelkonsonanz vorliegen.
110 Kein direkter Beleg aus dem Thessalischen. Slings (1975: !Off.) hält wegen (JouA· in
Auro(Jot.IAew~ IG 9,2:234.101 (3. Jhdt.) und IG 9,2:536.1 (1. J hdt.), BouAI.Otlvew~
IG 9,2:517.60 (3. Jhdt.), A!Yrd(JouAo~ IG 9,2:517.73 einen Wandel von •[In) nach [o)
zu [o:l) für möglich. Solange aber die Entsprechu.ng von lesb. {JoAAa, boiot. {JwM im
Thessalischen nicht belegt ist, vermag die Annahme eines solchen, durch keine unab-
hängige Evidenz gestützten Wandels nicht zu überzeugen.
111
00046245
Die Palatalisierungsregel ist nach den Regeln flir die Entwicklung von /s/ anzu-
wenden: /s/ wird vor /y/ über /z/ zu /h/ (§ 140f.) und unterliegt nicht der Pala-
talisierung.
Die Entwicklung von palatalisierten Obstruenten im Thessalischen wird wegen
der besonderen Problematik der Beleglage getrennt behandelt (§ 13lff.).
PR (3 1) Depalatalisierung (Labiale)
+kons +kons
-son -son
+hoch +hoch 2
-hint -hint -+ -hoch
- kor [-h!ch]
-kor +kor
+ant +ant
+sth +sth
1 2
/pp/ -+ [pt1
PR (32) Neutralisierung
+kons +kons
-son -son
1 2
+hoch +hoch
+kor +kor
-hint -hint
+ant +ant
-kor -kor
- ant -ant
1 2
lW -+ ;dd;
/kk/ -+ /H/
Palatalisierte stimmlose Dentale werden zu /H/, palatalisierte stimmhafte Dentale
zu /dz/ transformiert. 111
111 Zum Konzept der Transformation in PaJatalisierungsprozessen vgJ. Risch (1979).
112
•
•
00046245
PR (33) Transfonnation
+kons +kons
-son ~n
+hoch +hoch
..-hint 4lint
+kor +kor
+ant +ant
asth asth
-dau -dau
1 2
/dd/ ~ /dt/
lffl ~ lU!
Eine alternative Lösuna. die ohne die Annahme einer Transformation im Boiotischen lU'
kommt, wird in I 135 diskutiert.
PR {34) Depalatalisierung
+kons
-son
-+ [4loch]
+hoch •
-hint
ldt/ ~ /dz/
/H/ ~ /ts/
Die durch die Depalatalisierung entstandenen Konsonantenfolgen /dz/ und /ts/
werden im Lesbischen regressiv, im Boiotischen progreuiv assimiliert (§ 146):
/dz/ -+ lesb. /zz/, boiot. [dd)
/ts/ -+ lesb. [ss ), boiot. [ tt)
§ 128. Nach dem Zeugnis antiker Grammatiker (vgl . Meister 1882: 129f.) wurde
r im Aiolischen o6 = [zd I gesprochen . ln Obereinstimmung mit dieser Lehre wird
in der Oberlieferung der literarischen Texte des Lesbischen o6 für die - historisch
als ursprünglich rekonstruierte - Folge /zd/ in öo6oc: (geschrieben iJo6oc: in Sa 2.5, vgl
§ 4 7 Anm. 21) und ioM.vet (Sa 31 .3 , vgl. auch Kano6C.We[ t I Sa 43 .7, ETTio60JIOv Alk
75.8) sowie für das Resultat der Palatalisierung von / dy/, /gy/ geschrieben: VOIJi00€1
Sa 58.23, !ppovrio6rw Sa 130.4; daneben tritt aber auch tauf: E1TUrAatovra Sa
37.2, imoteu~aoa Sa 1.9 (cod ., imao6e[u~cuoa] pap.), t1rratcw inc. auct. 10.1. 112
In den Textausgaben sind überlieferte Schreibungen mit t in o6 konjiziert, wie
etwa in
Sa 31.3 loMvet L-P, V.: tavH, itwet cod.
Sa 111.7 1Jio6wv V. : IJEtwv L-P, IJEitwv cod.
Alk 72.5 TTa..pAtio6et L-P, V.: TTa..pMtet pap. sscr. o6
Alk 347.6 li..o6et L-P, V.: ätet cod.
Alk 374 KW1Jtio6ovra L-P, V. : KWIJtitovra cod.
Von der Lehre der Grammatiker oder dem Vorbild zeitgenössischer Textausga-
ben der lesbischen Lyriker beeinflußt wird auch auf aiolisierenden Inschriften
o6 geschrieben:
1TpooOIIVSJtio6eo!Jcu IKyme 19.7/8 (Kaiserzeit) neben t in VOIJitwv z. 17/ 18,
äoSJEJJttoioa Z. 20 u.ö.
aoTTtio6e( 0I Memnon Nr. 29.5 (Balbilla)
x!Jio6ov Memnon Nr. 30.1
Am Wortanfang hingegen wird - entgegen der Lehre der Grammatiker, die als
Beispiele nur die Formen 1;6eü~, o6tiyov, o6&yoc: anführen - regelmäßig t ge·
schrieben:
Zeü~ Alk 200. 10 , Zeü Alk 69.1
ZE!pUPWt Alk 327.3
tW<w Alk 130b.2, tw11v Alk 148.7.
Ferner tritt - ausschließlich in den literarischen Texten - t· für 6t- auf, wem
(i] zwischen (d] am Wortanfang 113 und einem Vokal aus metrischen Gründel
seine silbische Qualität verlier~ ; der entstehende Gleitlaut [y I führt - wie zu-
grundeliegendes /y/ - zu einer Palatalisierung:
ta Sa 63.4 , Alk 45.3
tdßcu[ ~] Alk 38.a3
112 Das Zahlenverhältnis zwischen d iesen beiden Schreibußien wild gelegentlich (Thunb-
Scherer 1959: 96, Hoffmann 1893: Sll) !0 angedeutet, daß t gegenüber o6 häufger
sei, aber genaue Untersuchungen liegen nicht vor.
113 Zu 6' im Wortinnern vgl. Au6u:w • )lu:dya:nJ Sa 132.3 (Paae 19SS : 132 Anm. 2) In
Alk 333 oli'O( -yap bl)pc.:nro'( 61D1r-rpo" lesen L-P und V. b~pw"w (Jegen Bechtll
1921 : 16: b~W1f<HD,), 10 daß die Notwendi&keit einer zweisilblaen Meuuna 'Ol
6lonpc111 entfallt; val. auch Paae (19SS : 312).
114
00046245
tcUe~(USa 27.6 •
§ 129. Die bisherige Forschung hat diesen Befund häufig ( vgl. z.B. Schwyzer
1959: 331, Lejeune 1972: 113) so interpretiert, daß durch die Palatalisierung
von /dy/, /gy/ im Lesbischen eine Folge /dz/ entstanden sei, die durch Metathese
zu [zd] geworden und so mit ursprünglichem /zd/ zusammengefaU.!n sei. 115 Diese
Hypothese ist anfechtbar, weil sie mit einem Lautwandel operiert, der eigens ftir
diese Hypothese postuliert wird , aber sonst keine Parallele hat (/ts/ wird zu ( tt)
oder [ss] assimiliert, fällt aber nie mit [st] zusammen). Ein anderer Lösungsver-
such scheint daher gerechtfertigt : im Lesbischen wird / dz/ aus /dy/, /gy/ - durch
regressive Assimilation wie in / ts/ ~ [ss] - in /zz/ überführt. An der Silben-
grenze wird ein Verschluß gebildet , so daß /zz/ im Wortionern als [zd) (mit einer
Silbengrenze zwischen (z] und (d]), am Wortanfang als (dz] (mit einer Silbengren-
ze vor [d]) realisiert wird . Für beide Varianten wird als graphische Repräsentation
t auf den Inschriften (t- und -of>-/- t· in der später als die Inschriften entstande-
nen handschriftlichen Überlieferung) verwendet.
Man mag gegen diese Interpretation einwenden , daß bei einer biphonematischen
Analyse des Graphems t ein breiteres Spektrum graphischer Variatio n auch auf
den Inschriften - wie etwa of> pf> ot im Thessalischen und Boiotischen - zu er-
warten wäre. Aus dem Lesbischen sind aber nur wenige Inschriften im archai-
•
schen Alphabet oder aus der Zeit kurz nach der Einführung des ionischen Alpha·
bets überliefert, so daß das Fehlen von orthographischen Varianten auch in dem
geringen Umfang des zur VerfUgung stehenden Korpus begründet sein kann . Auf
der anderen Seite hat diese Interpretation folgende Vorzüge :
114 Trotz des häuf~gen Vorkommens von 6w.(·), AID· fuhren Hoffmann (1893 : 514) und
Schwyzer (1959 : 330) Zcu"wlltiD( IG 12.2:96.5 (4., möglicherweise
•
auch 3. Jhdt., cl.
Hodot 1976: 32 Anm. 5S) als Beleg flir t- aus 6,- auf den Inschriften an. ZIDw(aiD()
DGE 70S (ca. SOO v.Chr.) aus dem ionischen Phokai.a flihrt Garcla-Ram6n (197S : 89)
auf aiolisches Substrat zurück.
liS Teodorssons (1979) Vorschlag, daß im Proto<Jriechischen der Reflex der Palatalisie·
rur~g von /dy/ , /gy/ und di.e ursprür~gliche Folge /zd/ zu der Zeit der EinfUhrurig des
Alphabets vorübergehend in ein clusttr J3d3) = t zusammengefallen seien und eine di·
vergierende Entwicklung zu Jd : ), Jdz J und (zdJ in den versch.iedenen Dialekten eilige-
treten sei, versucht zwischen den verschiedenen Positionen zu vermitteln, berücksichtist
aber weder die besondere Problematik von t am Wortanfar~g im Lesbischen noch die
Tatsache, daß [zdJ Im Thessalischen und Boiotischen nicht mit [ddJ zusammer~gefallen
ist(§ 31).
115
•
00046245
( 1) Sie vermeidet die Schwierigkei t - die Sechtel ( 192 1: 34f.) nicht beseitigen
konnte - ,daß (dz) aus zugrundeliegendem /dy/ bereits zu [zd ) oder [z) gewor-
den sei, als unter bestimmten metrischen Bedingungen in der poetischen Sprache
von neuem (dz] durch die Devokalisierung von (i] zwischen (d] und Vokal ent-
stand. Beide Palatalisierungen liegen vor Beginn der Überlieferung, so daß eine
chronologische Trennung hypothetisch bleibt. Wie ferner das Thessalische lehrt,
ist es nicht zwingend anzunehmen, daß die primären und die sekundären Palatali-
sierungen zu verschiedenen Resultaten fUhren .
(2) Sie vermeidet die Ungereimtheit, die bereits Hoffmann (1 893: 512) kritisierte,
neuerdings aber wieder Hooker (1977: 18) in Kauf nimmt, daß die Graphem-
kombination o6 den Laut [z], das Graphem t aber die Lautfolge (dz) bezeichne.
{3) Sie steht im wesentlichen mit der Lehre der Grammatiker in Einklang, die
einen Anlaß sahen, den Unterschied zwischen dem Lautwert von t im Lesbischen
und dem in allen anderen griechischen Dialekten hervorzuheben. Lediglich zu den
Nachrichten der Grammatiker über o6 am Wortanfang steht sie in Widerspruch,
aber da diese Leh.re auch in den Texten der Lyriker weder Bestätigung noch Reso-
nanz findet, steht zu vermuten, daß sie nicht mehr als eine falsche Verallgemeine-
rung von Beobachtungen über o6 im Wortionern darstellt.
§ 130. Anwendungsbeispie/e:
116 Zum Nominalstamm / psa:phing+/ vgl. Dat. Sg. .Pd.ptnt IG 12,2:526.a16. /n/ der Suffix·
silbe muß in der Entwicklungsstufe /·inzd·/ geschwunden sein.
117 Fllr einen Nominalstamm / psa:phins+/ wie im Lesbischen gibt es im Boiotischen l~inen
Anhaltspunkt; der Schwund von / n/ wäre auch im Boiotischen - wo es keine Entviclt-
lunautufe /-invJ-/ gibt - schwer zu rechtfertißen.
116 •
-
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118
00046245
1rvrEWTECJI Z. 16 statt 1rE1rEio!)eCJI (§ 172}. Daher ist die Möglichkeit nicht au•
zuschließen, daß auch -oo- in tiooa1rep Z. 19, tiooovv Z. 41 und 1rpaoot~J& Z.
17 nicht authentisch fUr den thessalischen Dialekt ist 119• Alle übrigen Belege für
&ocx sind jünger oder nicht dialektecht 120• Von anderen Korrespondenzen wie
lesb. Kapvoow (tryKapuooerw JG 12,2:64S.a37) : boiot. Kapoorrw (cf. Kapovt<i-
1/l}w BCH 1892: 458ff. z. S},lesb.!puXaoow (6ta~Xciooet IG 12,2 5:121.25) :
boiot. 4p00Mrrw (6~Xcirn IG 7:207.9, cf. re-'#lopov~ SEG 23:271.66) ist
das thessalische Äquivalent nicht belegt.
(2) Von Fortsetzungen von /dy/, /gy/, insbesondere von der Gruppe der Verben
auf lesb. -~w/boiot. .Uw, sind aus Gebieten, die flir die Betrachtung des Thessa-
lischen in Frage kommen, bezeugt:
Pelasgiotis
EVEI{J(WioooeviG 9,2:517.12 (Ende 3. Jhdt.)
Thessaliotis
eU(W(ll(a6iv IG 9,2:257.8/9 (arch. Alph., S. Jhdt.)
Tc:u; die Tatsache, daß bei du Umsetzung in den thessalischen Dialekt das tmperfectum
ob/iquum in der indirekten Rede verwendet werde, gewährleiste die Authentizitit von
JtOT'f6ÜTo als syntaktisches Merkmal des Thessalischen. Das Auftreten von parallelen
Konstruktionen in der Sprache Homers sei somit als .,Aiolismus" zu Interpretieren. Aber
wie sind die lautlichen Probleme zu lösen? Ruiperez bestreitet, daß im Thessalischen
entsprechend einer ,,aiolischen·· Lautentwicklung •~ron6ttl~To zu erwarten sei, da man
als Zeugnis aus d em Thessalischen nur über Personennamen ('A~~ua~. K~~ua~) verfl)ge.
Et verweist dabei auf Thumb·Scherer (1959 : 59), geht aber nicht darauf ein, daß dort
auch 6w~t als fllr das Thessalische wie fllr das Lesbische bezeugt zitiert wird. Zur Ab·
leitung von 6etlet dur ch eine für das Thessalische und Lesbische gemeinsame Gleitlaut-
assimilation - wodurch •~roTe6~ti~o als die lautlich authentische Form wahrscheinlich
gemacht wird - vgl. im übrigen § 90ff. - Hock (1971 : 23Sff.) hii.lt •or~6Ü'J'o wegen
des Fehlens der Kontraktion fllr sekundäl. Neben einem Stamm 6ev- wie in 6ttlt, habe
lieh ein Stamm 6t· herausgebildet, JO daß eine Thcssalisierung von 11pooe6~iro einfach
•~rort6~iro ergeben haben müßte. Der Stamm 6t· k ö nne auch vorliegen in 6ev,.a~110~
McD 310.21 (Akk.PI.), faUs tv aus to entstanden sei. Hock beruft sich dabeiauf Thumb·
Scherer (1959 : SS ), wo Formen wie K~~v~ra.,.pav, K~~v6 a,.atla etc. aus K>.~o- zitiert
werden, es aber fllr zweifelhaft gehalten wird, ob 6~ti,.atll0~ dazu gehörig sei. Für die
Erklälung von 6tu,.a~vo~ (statt ·6~oo,.a~110~) geeigneter scheint eine andere Parallele zu
sein : wie im Thessalischen zum Stamm 6tv- ein Partizip 6ev,.atll0~, wird im Boiotischen
zum entsprechenden Stamm 6,,. ein Partizip 6tiJJ1110~ gebildet. Diese Obereinstimmung
legt auch eine Oberprüfung der herkömmlichen Auffassung nahe, boiot. 6~ij,tll0~ sei nach
dem Muster nordwestgriechischer Partizipien von vtrba contracta (Typ ~eCl>.,ij,ta.oo() ac-
bildet (vgl § 181).
119 Auf der mit IG 9 ,2 :517 etwa gleichzeitigen Inschrift SEG 27 :202 ist Jtpaoovv z. 14
schon wegen des einfachen ·o· verdächtig. Von weiteren dialektfremden Formen die·
ser Inschrift ließen sich a.nfllhren 6t6oor~w Z. 16 statt 6t6oo"tw, ICilpwv Z. 22 statt
rtiJppov, ord~av >.' "lC111 Z. 24/ 25 statt o'J'd>.~Clll N."iwlv.
UO öooa IG 9 ,2: 258. 10, IG 9,2 :460.5, McD 337.26, alle 2. Jhdt. Die Inschrift McD 209
mit öoo( a~ J Z. 6 wird zwar in das 4. Jhdt. datiert , ist aber n icht im reinen (ost·)the..
allsdien Dialekt abgefaßt (XPfl,.aaow statt XP~~cinoot, ffpo(~vicw statt "PO(tllllr.Clll).
119
00046245
Histiaiotis
OU<a~erou Helly i.V . Z . 14 (Ende 3. Jhdt.)
1T€~0Ü ibid. z. 7
Zu dem Imperfekt iv€t.pa.vioooEv (dem ivE~Vt~ov Z . 5 des in Koine abgefaßten
Paralleltextes entspricht) müßte ein Präsensstamm •c(XJJ'wo- gehören, der sich
aber nur als sekundäre Neubildung rechtfertigen läßt 121 ; gleichfalls eine Neubil
dung - nach dem thessalischen Aoristausgang -aEv ( § 21 0) - ist der Ausgang
·O€V, über dessen Authentizität vorläufig kein sicheres Urteil möglich ist, so daß
mindestens ein Indiz darauf hinweist, daß ivE.pa.vioooEv, wie andere Formen die-
ser Inschrift (s.o.), keine authentische Form des thessalischen Dialekts ist.
Durch i~~avaxaMv wird - unter der Voraussetzung der Einfachschreibung von
Doppelkonsonanz im archaischen Alphabet - oo
wie im Boiotischen als Ent-
sprechung der "-~w"- Verben zumindest für den thessalischen Dialekt der Thessa-
liotis belegt. In Anbetracht der zahlreichen nicht-( ost)thessalischen Elemente in
•
der Sotairos-Inschrift (c'wyupta statt l:ipyuppa, x.p€paow statt X,Piparwot, Gen .
Sg. -ö statt -ow, lnf. -iv in i~~avaxdMv statt ·EPEV, nc: statt KtC:, raüra statt r<iiJf)
wird man wohl zögern, diesen Befund als repräsentativ flir das gesamte Thessa·
lische ansehen zu wollen (wie etwa Buck 1968: 71 es tut : "there is no evidence
against its-being general Thessalian"). Belegmaterial aus der Pelasgiotis oder der
Perrhaibia liegt aber - wenn man von der oben diskutierten Form iVEc(XJJ't000€11
absieht - nicht vor ; daher entbehrt auch eine Scheidung in Ostthessalisch mit
einer Metathese ldzl (aus ldyl, lgyl) _. [zd] gegenüber Westthessalisch mit einer
progressiven Assimilation ldzl _. [dd), wie sie Garcia-Rarn6n (1975: 88f.) vor-
nimmt, jeder Grundlage .
Auf der in Philia gefundenen, aber im Dialekt der Histiaiotis abgefaßten Inschrift
ist ~ offensichtlich als Entsprechung von boiot. oo
und lesb. ~/ oo (boiot. 1TEO·
o~ § 130, lesb. lnschr. oU<ci~ovn IG 12,2: 526.a27) aufzufassen. Die Graphemfolge
tc5 ist aber sonst auf thessalischen Insch riften nicht belegt, so daß ihre lautliche
Interpretation Schwierigkeiten bereitet. Für [zd ] aus ls+d/ wird in der 2. Hälfte
des 3. Jhdt.s in der Pelasgiotis ~. im 4. und 3. Jhdt. in Pharsalos po und m ögli·
eherweise auf einer Inschrift des 4 . oder 3. Jhdt.s aus Matropolis (IG 9 ,2:281)
gleichfallspogeschrieben (§ 3 1); man kann daher nur vermuten, daß to
[zd) re-
präsentieren solL Unter diesen Umständen würde, ftir das Ende des 3. Jhdt.s und
nur für die Histiaio tis, [zd] als Realisierung von ldy I, /gy I vorauszusetzen sein.
121 Bechtel ( 1921 : 189) und Buck (1968 : 72) ziehen eine Wechselbeziehung thess. iJA.po.llio·
ow = att. tJA.pavltw in Betracht, wie sie auch in att. o.pdrrw = boiot . oopci66\.o1 (PMG
690. 3), boiot. oppcirrw (Gramm., cf. PMG 687) = att. oppcitw, kret. rrpti66w = rrpcioaw/
rrptirrw vorliege. Auch auf boiot. rcirrw (lrarrov Korinna PMG 654a i20) neben rti66w
(rti66eo"f) Roesch 1971 Z. 15 , lrrtra66ÖJAella E. 78 :06.13/ 14) wäre in diesem Zusam·
menhang hinzuweisen. Ausgangspunkt flir die Neubildung der Präsensstimme waren
Aoriste auf -t·, die aber im Thessalischen gleichfalls nicht authentisch sind (§ 203).
Der von Bechtel fUr die Rechtfertigung von .pavl.oow geforderte Aorist i".,dV&tG4 ist
f\ir das Thessalische somit ebensowenig beweiskräftig wie I~Mtd~~TW IG 12,2 S:
120.17 (Eresos, 2. Jhdt.) fUr das Lesbische.
120
00046245
121
00046245
123 Arena {1969 : 12f.) nimmt an, daß die archaische Schreibunge der Münzlegende ~E-eA
einen von lt h) verschiedenen Laut repräsentiere. Die Hauchdissimilation könne dann,
nachdem drr unprungliche Lautwert nicht mehr bewußt gewesen sei, dwch falsche
Interpretation der Schreibung entstanden sein. Es fallt schwer, sich vorzustellen, daß
es fUr den Stammesnamen der Thessaler im Thessalischen selbst keine ltontinu.ierlic:he
Tradition gegeben haben sollte und daß ein Lautwandel auf Grund eines Mißverständ-
nisses der Orthographie eingeueten sei.
122
00046245
thess. (tth] Rechnung trägt; besteht in dem Ansatz einer zugrundeliegenden Folge
/thy/, die sich im Thessalischen unter Beibehaltung der Aspiration zu der Gemina-
ta [tth), in den übrigen Dialekten einschließlich des Boiotischen zunächst unter
Verlust der Aspiration zu /ty/ und weiter zu boiot. [tt], lesb. ion. [ss] entwickel-
te. Die Hypothese, daß die Aspirata /th/ im Thessalischen noch - wie im Myke-
nischen (Lejeune 1969} - weniger empfanglieh für eine Palatalisierung gewesen
sei, findet zwar weder in den beiden anderen aiolischen Dialekten (/meth+yo+s/
-+ boiot. [ mettos ], lesb. [ messos] § 130}, noch in einem anderen griechischen
Dialekt des I. Jahrtausends eine Parallele, ermöglicht aber eine einfache Ablei·
tung der belegten Formen:
thess. boiot. lesb. u.a.
zugrundeliegende Repr .tl4 /phethyalos/ /phethyalos/ / thethyalos/
Deaspiration /phetyalos/ /thetyalos/
Palatalis./Geminierung /phetthalos/ /pheffalos/ /thetfalos/
Transformation /phefSalos/ /thefSalos/
Depalatalisierung /phetsalos/ / thetsalos/
... Assimilation /phettalos/ / thessalos/
Hauchdissimilation /petthalos/
Oberflächenform llert?aM~ 4>erraM~ 8eaaaM~
124 Es wird schon seit langem vermutet (Hoffmann 1893: 499, Sechtel 1921 : 154f., van
der Velde 1924:67), daß neT.,aAo(' und seine Entsprechungen in anderen Dialekten
möglicherweise zu der Wurzel idg. •gWhedh· zu stellen ist, die im Boiotischen durch
~oTot; (in euloptoTo<;, § 87 ) aus /pheth+to+/, sonst im Griechischen durch "foo~o"0-4
(Hesych.) aus /theth+ye+/, ~ooao"a' (Hesiod. u.a.) aus /theth+sa+/ vertreten ist (an·
ders Cuny 1910/ 11). Zum SuffiX ·alo· vgl. Schwyzer (1959 : 483), Arena (1969 : 13),
Sechtel (1921 : 154), Risch (1974 : llO).
123
00046245
tisch: (1) Für die von der regelgerechten Entwicklung ·ts· > ·ss· im Thessalischen abweichten·
den Belege verweist Heubeck auf Garela-Ramon (1975 : 83), wo · rr- in 1rirrapH, als analo•·
gisch zu 1fETPOtntp ll; a , 1fETp a-youvou erklärt wird und Eigennamen wie Barrapaxtw , Ko~ .
~aVTTot nicht in Betracht gezogen werden, weil itue Etymologie unklar sei. Eine Ersetzurng
von ·oo · in der für das Thessalischc postulierten Form •1ftooaptt durch -rr- in Analogie
zu 1rnpo- leuchtet aber nicht unmittelbar ein. (2) Die Begründung, warum die Hauchdissi-
milation im Boiotischen in anderer Form verlaufen sei, bleibt offen. (3) Eine nominale
-yalo·Ableitung von einer Verbalwurzel wäre singulär, aber eine nominale -alo·Ableitung von
einem mit -y- suffigierten Verbalstamm fände möglicherweise in ll'aaaaMt zu lMSaaw (?, WJI.
Chaotraine 1979: 245) eine Parallele.
§ I 3S. Zusammenfassung
Die herkömmliche Au ffassung, daß im Thessalischen palatalisierte Verschlußlaute
wie im Lesbischen durch [ss] bzw. [zd] vertreten seien, ist .nicht haltbar. Wenn
man davon ausgeht , daß bei anderen Palatalisierungsprozessen wie der Assibila-
tion oder der Entwicklung von /tw/ im Thessalischen die Okklusivität der be-
troffenen Verschlußlaute bewahrt bleibt und daß durch sekundäre Palatalisierung
palatalisierte Verschlußlaute entstehen, ist es konsequent anzunehmen, daß auch
durch zugrundeliegendes /y/ palatalisierte Verschlußlaute im Thessalischen (zwi-
schen Vokalen) erhalten geblieben sind. Formen, die eine Transformation zu
Sibilanten und Depalatalisierung aufweisen , müssen dann als rezent oder nicht
authentisch interpretiert werden : tiooo<:, rrpdoow und '(XJJ'ioow auf der mit
Koine-Elementen durchsetzten Inschrift IG 9 ,2:517, weil gerade in der Pelasgiotis
sekundäre Palatalisierung stark ausgeprägt ist , und auch rr€~0Ü , c5tKa~€rov, weil
in der Histiaiotis auch /tw/ -. /tt/ in rr€rrap€\ und sekundäre Palatalisierung in
n€c50ca.ioo vertreten sind. Für die Perrhaibia, wo keine Assibilation zu verzeichnen
ist, die Thessaliotis, wo €~~av(JJ(d6iv belegt ist, und die Tetras Phthiotia, wo se-
124
00046245
iJcundäre Palatalisierung nachweisbar ist, kann prinzipiell der gleiche Befund wie
in der Pelasgiotis vorausgesetzt werden; denkbar wäre allerdings auch, daß in An·
betracht des Fehlens von sekundärer Palatalisierung (vgl. Ö.fYYvpc.a statt liiY'{Vppa)
auf der Sotairos-Inschrift aus Thetonion (Südrand der Thessaliotis) -cS(cS} in
E~~avaxaötv bereits flir die depalatalisierte Geminata [dd] wie im Boiotischen
steht.
Die für die Ableitung einer zugrundeliegenden Folge von Obstruent und /y/ er-
forderlichen Regeln und ihre Verteilung unter den aiolischen Dialekten sollen
an dem Beispiel von / ty/ demonstriert werden:
7.2 Assibilation
§ 136. Im Lesbischen wird ein auf einen Vokal oder einen Sonanten folgendes
/t/ vor /i/ palatalisiert, zu /§/ transformiert und als [s1realisiert. ·
PR {35) Palatalisierung von /t/ vor /i/
+kons
-hoch
+silb
--hint
-+ {+hoch1I [ +son] _ +hoch
+kor
-hint
+ant
-sth
/t/ -+ /f/ zwischen Vokal oder Sonant und /i/
PR (36) Transformation (cf. PR 33) im Lesbischen
+kons
+hoch
-hint
+kor -+ [ +dau]
+ant
-sth
-<lau
/f/ -+ /SI
Depalatalisierung (PR 34)
/§/ -+ [s]
Im Dativ Singular der nt-und !-Stämme steht (t] unassibiliert vor (i] (cf. lesb.
61Xd~ovn lG 12,2:526.a27 , 1/JCl.o(Jia}Jan IG 12,2 S: l38.20). Die Wirkung der Assi-
bilationsregeln ist hier entweder durch analogjsche Prozesse wieder rückgängig
gemacht worden (das den Stamm charakterisierende /t/ ist in Analogie zu den
übrigen Formen des Paradigmas wiedereingeflihrt worden), oder die Anwendung
der Assibilationsregeln ist blockiert, wenn zwischen / t/ und /i/ eine Morphem-
grenze liegt:
/psa:phismat+i/ -+ [psa:phismati).
Als SufflX der femin inen nomina actionis wird auch im Thessalischen und Boioti-
schen /si/ verwendet {thess. tiyypEOL~ McD 337.40, 6dat~ McD 310.31 ; boiot.
ijpEOL~ IG 7:2383. 11, tiviJEOL~ E. 78:04.9, €vKo'Aal/lt~ BCH 1936: 177ff. Z. 32);
/si/ ist hier jedoch nicht aus älterem /ti/ entwickelt (cf. boiot. EihpELTL~ in EVrp{-
rLip(!wrö IG 7:3467 , 5. Jhdt., EV1pELTLh~iE~ BCH 1904: 430 Nr. I , 2. Jhdt.), son-
dern beruht möglicherweise - vor allem in weitverbreiteten Termini der Wirt-
schafts- und Rechtssprache (cf. ti'Atxn~ IG 7:2420.21, ä.'Aoowv DGE 462.bS 1,
ä.tr66oot~ IG 7:3172.5, ä-yopaoot~ DGE 462.a21) - auf Substrateinfluß (Ruijgh
1977: 261f.).
126
00046245
§ 137. Du Eintreten der Palatalisierung von /t/ vor /i/ und die Beschränkung
innerhalb der aiolischen Dialekte auf das Lesbische werden häufig (zuletzt Rix
1976: 89) als Einfluß des Ionischen erklärt, aber die Parallelen zu den Resul·
taten anderer Palatalisierungsprozesse müssen in die Überlegungen einbezogen
werden: die Fortsetzung von / ty/ und / tw/ bzw. /tu/ unterliegt im Lesbischen
einer Transformation und Assimilation zu einem (geminierten) Sibilanten, wäh·
rend im Thessalischen und Boiotischen die Okklusivität erhalten bleibt (§ 135,
139). Vor / i/ palatalisiertes /t/ müßte also im Thessalischen als [f], im Boiotischen
mit Depalatalisierung als [ t] repräsentiert werden, so daß die Palatalisierung selbst
als eine allen aiolischen Dialekten gemeinsame Erscheinung aufgefaßt werden
kann und das Lesbische nur in der Transformation eine von den beiden ande-
ren Dialekten abweichende Entwicklung eingeschlagen hat.
§ 139. Eine hinsichtlich des Resultats und der Verbreitung vergleichbare Assibi·
lation von / t/ ist auch vor /u/ zu beobachten :
/he :mitu+/ -+ Jesb. /he :misu+/ c$tov<: (zu ai· statt f/· vgl . § 85)
/petur+/ -+ lesb . /pesur+/ neovpe<; .
Dem lesb. alp.tov<: entspricht im Boiotischen efsurr~ (e!J,ur[rov] BCH 1936:
181ff. Z. 13, hp.trra mit h für [he:] SEG 24:361.15/ 16), das Äquivalent im
Thessalischen ist nicht belegt.
hllüOoll IG 9,2: 1222. 1/ 2 (es wäre zu prüfen, ob die Ergänzuns Kerns in h"wfa)ov Ober·
halpt gerecht fertigt Ist ) von der geographisch Magnesia zugerechneten Insel Tri.keron kann
in Anbeu acht der Divergenze n zwischen dem Dialekt vo n Magnesia und dem Thessalischen
nicht als zweifelsfreies Zeugnis für das Thessalische (und eine Entwicklung / tw/ - fss) im
'Th:ssalischen) herangezogen werden.
•
127
00046245
Dem lesb. rr€oupt:<: (rreoupa Memnon Nr. 31.7 Balbilla) entspricht im Boiottsch.en
und Thessalischen rrer-rap€<: (Belege§ 289). Die Opposition (s] : (tt] in a"ip.tav<:/
€tJ.ltTTO<:, rreoupt:<:/rrirrap€<: resultiert aus verschiedenen phonologischen Prozes-
sen, die auf verschiedenen zugrundeliegenden Repräsentationen operieren: im
Lesbischen wird der zugrundeliegende Konsonant / t/ vor /u/ zu [s] assibiliert,
während im Thessalischen und Boiotischen die zugrundeliegende Konsonanten-
folge / tw/ in dem geminierten Konsonanten (tt] überführt wird 115 :
lesb. /he:mitu+/ -+ /he :misu+/
thess. boiot. /he: mitwo+/ -+ /he:mitto+/ '
Jesb. /petur+/ -+ /pesur+/
thess . boiot. /petwar+/ -+ /pettar+/ 126
Abweichend von dieser Analyse wird von manchen Forschern 127 für das Lesbische
eine Form rr€oaup€<: 128 angenommen , die sich jedoch auf keine direkten Zeugnisse
stützen kann : in IG 12,2:82.3 ist in der Lücke vor ]upt:<: nicht genügend Raum
für vier Buchstaben (Bechtel 1921: 72, gegen Wyatt 1975: 255), so daß in Ober-
einstimmung mit dem Beleg aus dem Balbilla-Epigramm [ rr€a Jupt:<: zu lesen ist.
Das in einer Hesych-Glosse als aiolisch bezeichnete rr€aaupt:<: ließe sich dann als
eine Form interpretieren , die in Analogie zu gemeingr. r€aoap€<; aus dem ur-
sprünglichen lesb . rreaup€<; gebildet wurde.
Mit der Assibilation von /t/ vor /u/ hat das Lesbische einen Prozeß fortgesetzt,
der im Boiotischen in späterer Zeit durch den Gleitlauteinschub (§ 52) nur ein-
geleitet wurde. Es läßt sich allerdings nicht entscheiden, ob im Boiotischen die
Schreibung t zwischen einem koronalen Konsonanten und [u] wie etwa in rc00xa
den Gleitlaut [y) selbst bezeichnet ([ tyu-]) oder die Palatalisierung des Konso-
nanten ([fu-) aus (tYu-], vgl. thess. rn für [H]).
128
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PR (37) s-Sonorisation
+kons
+kor
+ant
+dau
L-sth
/s/ ... /z/
§ 141. Abschwächung
Zwischen einem Vokal und einem Vokal , Gleitlaut oder Sonanten und am Wort-
anfang vor einem Vokal , Gleitlaut oder Sonanten wird /z/ zum Hauchlaut /h/.
PR (38) z-Abschwächung
+kons -kons
-son +son
- tief +tief
+kor
+ant
-kor
-ant
I {[;~b]} _ [+son]
+sth -sth
+dau -<lau
- asp +asp
/z/ ... /h/
In der Formalliierung mit dem Me.rkmalsystem der generativen Phonologie erscheint de.r
Wandel von (z) zu (h) a.ls ein außerordentlich komplexer - und daher unnatürlicher - Pro-
zeß. Wenn (h] statt als Gleitlaut als ein Konsonant spezifiziert würde (cf. § 149), ergäbe
sich eine beträchtliche Vereinfachung (Sommerstein 1973: 95 , Aitchison 1976 : 186, 190).
1Jlgung
§ 142. Anwendungsbeispiele:
Die Fälle, in denen entgegen den oben genannten Regeln [s] zwischen Vokalen
auftritt, sind durch analogische morphologische Prozesse und durch Regelordnun!
zu erklären:
(I) Suffucanlautendes [s] ist in Kontexten, in denen ihm eine morphologisch
relevante Funktion zukam - so z.B. in den s-Tempora (Aorist und Futur)
der Verben mit vokalischem Stammauslaut - , wiedereingeführt worden
(vgl. auch Risch 1956).
(2) Oie Assibilationsregeln § 136 sind nach den Regeln für die Entwicklung von
zugrundeliegendem /s/ anzuordnen.
7.4 Assimilationsprozesse
130
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Anwendungsbeispiele:
/e-leg+sa+/ --. [eleksa-] thess. X€~avro<: IG 9,2:512.24
boiot. €f...e~av DGE 546.3
/theos#dotos/ --. [theozdotos] (§ 31) lesb.
thess. 9eo~6row IG 9,2:459.12
boiot. E>w~6rw IG 7:2718.7
/e-komid+sa+/ --. /ekomitsa+/ § 146
§ 144. Hauchassimilation
Aspirierte Verschlußlaute werden vor Nicht-Aspiraten deaspiriert, nicht-aspirierte
Verschlußlaute werden vor aspirierten Verschlußlauten und /h/ aspiriert.
PR ( 40) Hauchassimilation
129 In den Namen von Fremden ist (pt) erhalten: 'Apxa.pera 1\emwala. Ka.hu6ou11la. IG
9,2:458.3/5, 1\e!I'[Tllla.)~ 'A(XKl]#U>U ' T1ra.ra.io~ IG 9,2:6.6.
131
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[bd ~ dd]
Thess. €r~€J.L€ixovra (§ 33) SEG 26:672.34 neben €~€J.L€ixovra SEG 2:264.77
[tk ~ kk]
Thess. tr6KKt130 IG 9,2:5 17.12
Vgl. boiot. trOK Kar6trra~ DGE 485.10
[dg -+ gg]
Thess. UVJ.Ltroyyiv€LT€t McD 337.36, n-owypal/IUJ.L€vot~ (§ 33) IG 9,2: 1228. 18
Vgl. boiot. Ka -yäv IG 7:524.7 (mit Einfachschreibung der Geminata)
[tp ~ pp]
Thess. Katr n-avr6~ IG 9 ,2:5 17.20 {mit Einfachschreibung Katravr6~ McD 337.
29)
[kt ~ tt]
Thess. OTTov SEG 26:672.13
Vgl.lesb. ÖTn 131 IG 12,2: 1.16
(gd ~ dd]
Thess. oMOa. GHW 5346
[kp -+ pp]
Vgl. lesb. Ö1rtrw~ IG 12,2:67.4, ö1ma IG 12,2:645.ä47, Ö1rtrat IG 12,2 S:2.30,
Ö1rtrOL IG 12,2: 14.11
lesb. [ss]
/ts/ ~
boiot. [tt]
/dz/ -+
lesb . /zz/
boiot. [dd]
130 lfO'T·~« aus lfOÖ·~« nach § 143, zu lfo6 vgl. JJio-rroo-t IG 9,2 :5 17.13.
131 •ot·kwi > •ok-kwi > •ok·ti > otti (Ruijgh 1977 : 261 gegen Lejeune 1972: 31 1).
132
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Anwendungsbeispiele:
(1) s-Aorist (§ 201ff.)
zugrundeliegende Repräsentation /komid+sa+/
Stimmassimilation /komitsa+/
lesb. [komissa-]
Assimilation
boiot. [komitta-]
lesb. KO~-ttCJaa- (-a~aL IG 12,2:29.9)
Oberflächenform
boiot. KO~-ttrra- (-~-tevot IG 7:2405.12)
(2) Depalatalisierung (§ 130)
/ pra:k+yo :/ -+ / pra:tso:/ -+ lesb. [pra:sso: ], boiot. [pra:tto:]
/ped+yo+s/ -+ /pedzos/ -+ lesb. [pezdos], boiot. [peddos]
Wenn man darauf verzichtet, im Boiotischen eine Transformation /H! -+ /ts/, /dd/ -+
/di/ anzunehmen (§ 135), we.rden durch die Depalatalisierung keine Eingaben flir die
Assimilationsregel erzeugt.
Aus dem Thessalischen liegen keine sicheren Belege für Assimilation von /ts/,
fdz/ vor (zu Aoristformen vgl. § 203, zu l:Jaao<:, rrpaaaw, cpavlaaw vgl. § 13lff.).
§ 147. Assimilation [st -+ tt] im Boiotischen?
Für eine regressive Assimilation [st -+ tt} im Boiotischen werden u.a. von
Schwyzer (1959: 216) die Formen
€rre IG 7:3054.7, IG 7:3170.13, AD 1916: 218f. Z. 32
lrrw Aristoph. Ach. 911, Platon Phaidon 62a
ömr~ortA.a Strattis Phoinissai 3
'At-yl(~)~ow IG 7:2852 (nach Perpillou 1974: 400)
angefUhrt. Sämtliche Belege sind problematisch.
Was €rre (Präposition und Konjunktion) angeht, ist eine Herleitung aus •eva-re
> •ea-re keineswegs gesichert (Frisk GEW s.v. lare) - zumal auch nicht *e~X: >
ei<:, sondern ev, im Boiotischen vertreten ist; auf jeden Fall müßte €rrav Ka IG
7:3172.49, E. 77:04.20/21 und erri. Ka IG 7: 1778.4, DGE 462.a11, AD 1916:
220f. Z. 43, E. 77: 04.8 etc. in die Überlegungen einbezogen werden. lrrw aus
• fw-rw wird durch die inschriftliche Überlieferung nicht bestätigt, aber auch
nicht widerlegt: das aus dem gleichen Stamm gebildete nomen agentis flarwp
(flarwp JG 7:3 172.64, fiarope<: IG 7:1779.7, AD 1916: 218f. Z. 48) ist nicht
echt boiotisch, sondern ein aus dem Ionischen stammendes Kulturwort (Thumb-
Scherer 1959: 29 gegen Bechtel 1921 : 306). Im Gegensatz zu Ö1Ttr~onf...a aus
dem Komikerfragment ist -a~- in Karoma~e SEG 22:404, ·oa~O..o<: IG 7:1880.4
erhalten, und 'At-yl.~ow steht in einer poetischen, nicht im boiotischen Dialekt
abgefaßten Grabinschrift. Gegen die Annahme einer Assimilation [st -+ tt] im
Boiotischen spricht auch die Erhaltung von [zd:] 9eoaoor<K und 9€60or<K sind
verschiedene Bildungen (§ 31 ).
133
00046245
7.5 Dissimilationsprozesse
Z5.1 Hauchdissimilation
§ 149. Innerhalb eines Wortes werden zwei durch das Merkmal [+asp] spezifi·
zierte Segmente {d.h. die aspirierten Verschlußlaute /ph/, /th/, /kh/ und der Gleit
laut /h/) dergestalt dissimiliert, daß das erste seine Aspiration verliert (der Ver-
lust der Aspiration ist bei /h/ gleichbedeutend mit Schwund) und das zweite un-
verändert bestehen bleibt.
Die umständliche Formulierung .,durch das Merkmal (+asp) spezifizierte Segmente" rührt
daher, daß in dem Merkmalsystem der generativen Phonologie aspirierte Verschlußlaute und
der Gleitlaut [h) nicht unter einer Merkmalspezifikation zusammengefaßt werden können.
Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, daß Deaspirierung eines Verschlußlauts lediglich
Verlust eines Merkmals bedeutet, Deaspirierung des Gleitlauts (h) aber mit seiner Tilgung
gleichzusetzen ist. Die Merkmalstheorie müßte also so erweitert werden, daß der offenkun·
dige Zusammenhang zwischen diesen beiden Deaspirierungsprozessen auch in der formalen
Darstellung zum Ausdruck kommt und sie dadurch vereinfacht (vgl. auch Lightner 197 3,
Miller 1974: 217 ); Aitchison (1976) schlägt daher eine SpezifiZierung von (h) als Konso·
nanten ([+kons), [+dau), [+asp)) vor.
Dabei müssen folgende Bedingungen gegeben sein:
(1) Die Aspiraten dürfen durch nur ein syllabisches Segment voneinander ge·
trennt sein.
Eine adäquate Behandlung dieser Kontextbedingung müßte mit dem Begriff der Silbe
arbeiten ("die Aspiraten müssen in aufeinanderfo lgenden Silben stehen"). Dieser Be·
griff ist aber in der generativen Phonologie bisher nicht eingeflihrt und mit ihren No-
tationskonventionen nicht darstellbar.
134
00046245
(2) Die Aspiraten müssen dem Wortstamm angehören; Aspiraten in Flexiven und
Kompositionsmorphemen haben keine di~imilatorische Wirkung auf Aspira·
ten im Stamm.
Miller (197 4) hat unter Hinwei.s auf das Postulat von Cho msky-Halle (1968: 364)
(.,processes operating within formatives normally also apply across a formative bound·
ary " ) die theoretischen Implikationen einer Restringierung von Regeln auf bestimmte
Formative diskutiert, aber auf eine Formalisierung verzichtet. Die unten verwendete
Spezifikation mag als ein Versuch betrachtet werden, die Tatsache, daß die Dissimila·
tio nsregel nicht über die Gre nzen einer Wurzel (Grenzsymbol +)oder eines Stammes
(Gre nzsymbol =) hinaus operiert, formal darzustellen und steht zur Diskussion, bis
in der Theorie de.r generativen Pho nologie eine Einigung in dieser umstrittenen Frage
erzielt ist. Zuletzt hat Dressler (1976) die Probleme diskutiert, die sich aus der Frage
der Relevanz von Morphemgrenzen flir phonologische Prozesse und der m öglichen Kon·
sequenzen flir die Notationskonventionen der generativen Phonologie ergeben.
PR ( 42) Hauchdissimilation
PR (42.1) Deaspirierung von Verschlußlauten
+kons] {+)
[+kons] -+ [- asp] I+ _ CoV1Co (+) [+asp X = J
135
00046245
§ 1S l. A nwendungsbeispiele:
( I) Präsensstamm zu der Wurzel / the:+/
zugrundeliegende Repr. /thi-the :+/
Hauchdissimilation / tithe:+/
lesb. [tithe:-] rit9et (§ 193)
Oberflächenfonn
boiot. [tithe :-] rit9em (§ 193)
(3) Perfekt
zugrundeliegende Repr. '/khe-khre:+/
Hauchdissimilation [kekhre:-]
Oberflächenform boiot. K€Xfl€'· (tc€XPE'[J.l]€11ci.WII SEG 22:432.10)
§ 152. Ein dentaler Verschlußlaut wird vor einem dentalen Verschlußlaut zum
Dauerlaut dissimiliert.
PR (43) Dissimilation von dentalen Verschlußlauten
+kons
+kons
-son
-son
~ [+dau] /_ +kor
~-kor
+ant
+ant
-dau
137
00046245
Die Regel flir die Dissimilation von dentalen Verschlußlauten ist vor den Assi- ·
milationsregeln anzuwenden: durch die Assimilation / ts/ --. [tt] (§ 146) und
die Verschlußlautassimilation (§ 145) abgeleitetes [tt] bleibt erhalten.
Anwendungsbeispiele:
le-dikad+the:+/ --. [edikasthe:-] lesb €8cxciaiht IG 12,2:526.a30
/de-dikad+tayl __. [dedikastay] lesb. 8ta8e8ixaarat IG 12,2 S: 139.20
/e-psa:phid+tayl --. [epsa:phiste:] thess . €1/J~aret IG 9,2:517.17
/ke-kornid+tay I --. [kekorniste: ] boiot. K€KO/J.LOTT/ IG 7:3171.29
7.6 Tilgungsprozesse
§ 153. Tilgung in Konsonantengruppen: fCts __. Csf
In der Folge lts/ wird nach einem Konsonanten lt/ getilgt.
/nts --. nsl
/phile:+nt+sl __. /philentsl --. /philensl (§ 120, 235)
/pant+s/ --. lpansl (§ 120)
lphile:+nt+ya/ --. lphilenf§al --. /philen§al (§ 120, 235)
/kts --. ksl
/wanakt+sl --. [wanaks] boiot. fcivax' (§ 28) DGE 538.4
Anwendungsbeispiele:
Nom. Sg. /psa:phismat+0/ -+ [psa:phisma]
lesb. 1/Jdcpc.opa IG 12,2: 15.32
thess. 1/Jdcpc.opa IG 9,2:258.11
boiot. 1/JCI.Apwpa DGE 462.a 11
Präs. 1nd. 3. Sg. /ark.h+e+ti/ -+ /arkheyt/ -+ [arkhey] (§ 179)
1esb. ti,pxet IG 12,2:1.19
thess. mrapxet McD 310.10
boiot. lipxt IG 7:317 1.40
Impf. 3. Sg. /e-ekh+e+t/ -+ [e:khe]
lesb. ilxe IG 12,2:529.13
thess. ELXE McD 337.40
boiot. ELXE
Nom. Sg. Part. Ntr. /ekh+o+nt+0/ -+ [ekhon] (§ 234)
lesb. exov lAssos 3.7
..
thess. exov
boiot. exov IG 7:2421.4
§ 158. Inschriftliche Texte sind nicht mit Akzentzeichen versehen und können
daher keinen Aufschluß über den Wortakzent der gesprochenen Sprache geben.
Nach der übereinstimmenden Aussage antiker Grammatiker wurde aber im ,,Aioü-
139
•
00046245
sehen" in allen Wörtern außer den Präpositionen und Konjunktionen der Wort-
akzent so weit wie möglich vom Wortende zurückgezogen, nämlich auf die vor-
letzte Silbe, wenn die letzte lang war, sonst auf die drittletzte (Barytonese). Der
größte Teil der Papyrusüberlieferung literarischer Texte steht in Einklang mit die-
ser Doktrin, während die ältesten, von den Granunatikern noch nicht beeinfluß-
ten Dokumente der Überlieferung, das Ostrakon aus dem 3. Jahrhundert v.Chr.
(Sa 2) und der P. Haun. 301 (Sa 98a) keine Akzentzeichen tragen. 134
Wie in der Frage der Beurteilung der lesbischen Psilose liegen also auch hinsicht-
lich der lesbischen Barytonese keine direkten Zeugnisse vor, die die Nachrichten
der antiken Grammatiker bestätigen könnten. Es gibt jedoch ein phonologisches
Argument, das ftir die Beurteilung der Akzentverhältnisse in den aiolischen Dia-
lekten und damit auch im Lesbischen herangezogen werden kann: zugrundelie-
gendes /s/ wird zwischen einem Sonanten und einem Vokal stimmhaft, wenn
die akzenttragende Silbe folgt (§ 140). Formen wie lesb. JJ.rwvoc; aus zugrunde-
liegendem /me:ns+6s/ setzen voraus, daß der Akzent nicht vom Wortende zurück-
gezogen war, weil sonst die s-Sonorisations-Regel nicht hätte angewendet werden
können. Wenn es also im Lesbischen eine Regel gegeben hat, durch die der Akzen
zum Wortanfang hin verlagert wurde, kann sie nur eine low-leve/ rule gewesen
sein, die nach den phonologischen Regeln angewendet wurde. Unter diesem Vor-
behalt wird hier - entsprechend der weithin üblichen Praxis in der Edition lesbi-
scher Texte - in der Lesung lesbischer Wörter Barytonese durchgeflihrt und da-
ftir folgende Akzentverschiebungsregel aufgestellt 135 :
Akzentverschiebung im Lesbischen
V -+- [ +akzent)
I (1) _ Co { ~! C 1 V} Co #
(2) # C0 _ X#
134 Zu dem gesamten Komplex der Barytonese im Lesbischen vgl. Hamm (1957 : 42ff.),
West (1970), Hooker (1977 : 18ff.).
135 Die Formalisierung der Regel ist vo n Voyles (1974 : 70 ) übernommen.
140
0
00046245
C. MORPHOLOGISCHER TEIL
Die Kategorie Dual ist in der Zeit, die durch inschriftliche Texte dokumentiert
wird, innerhalb der aiolischen Dialekte sicher nur im Boiotischen belegt: €rroiaa-
Täv (§ 208) 5. Jhdt., ave~eTäv (§ 2 11) 5.- 3. Jhdt., 5apX)J.Ctw, OKrupCLW (§ 246)
4. Jhdt., Se{3ai6, fa-yavw , AwaKopow (§ 250) 5.-4. Jhdt., 'A€{3€-r€, xopa-yeiaaVT€
(§ 255) 4.- 3. Jhdt. Nach Hoffmann (1893 : 537) sollen auch auf einer fragmen-
tarischen Inschrift des 6. Jhdt.s aus Neandreia Dualformen belegt sein (§ 246) -
wogegen sich Bechtel ( 1921 : 65) skeptisch äußert - und damit den Fortbestand
des Duals in der kleinasiatischen Aiolis nachweisen.
§ 161. Nominalklassen
Nomina werden nach Flexionsmerkmalen in zwei Klassen unterteilt:
Nominalklasse I: Vokalische Stämme
Nominalklasse 11: Nicht-vokalische Stämme
Nominalklasse I umfaßt
(1) die femininen und die (weniger häufigen) maskulinen Nomina mit Stammaus-
laut fa: / und die mit dem stammbildenden Suffix /ya/ abgeleiteten Nomina,
(2) die maskulinen und neutralen Nomina mit Stammauslaut /o/.
Die Zusammenfassung von ä- und o-Stämmen in eine Klasse wird durch die weit-
gehende - teilweise auch durch analogische Prozesse bedingte - Identität der
Endungen gerechtfertigt.
Nominalklasse 11 umfaßt Nomina aller drei Genera, die mit einem einheitlichen,
von dem in Nominalklasse I verschiedenen Satz von Endungen flektiert werden.
Nach der Art ihres Stammauslauts werden sie unterteilt in
(1) Stämme auf Verschlußlaut
(2) Stämme auf /s/
(3) Stämme auf Sonant
(4) Stämme auf /e:w/
(S) Stämme auf /i/ und fu/
(6) Stamm auf /o: /
Die Zugehörigkeit der Stämme auf /i/ und /u/ zu der Klasse der ,Nicht-vokalischen Stämme'
läßt sich n'lr mit Hilfe der historischen Grammatik begründen: in einer vorgeschichtlichen
Periode des Griechischen endete der Stamm auf Grund des Ablautwechsels /ey/i/, /ew/u/ an
einigen Pandigmastellen auf einen Gleitlaut.
Futur, Sn für Aorist I, Sm flir Aorist U, SIV für Aorist Passiv und Sy für Per fekt
Das Verhältnis zwischen diesen Stämmen ist meist phonologisch oder morpho lo-
gisch bestimmbar, zum großen Teil jedoch nur unter Heranziehung diachrone r
oder komparativer Evidenzen; in einigen Fällen ergänzen sich Stämme ohne er-
kennbare Beziehung zueinander zu einem Paradigma (Suppletivismus). Da die
vorliegende Darstellung auf das Material , das in den aiolischen Dialekten belegt
ist, beschränkt bleibt, wird wegen der Unvollständigkeit der vorliegenden Quellen
auf eine Analyse, die über die lexikalische Auflistung der einzelnen Stämme hin-
ausgeht, verzichtet.
MR ( 1) Reduplikation
SB ## [+kons] [+siJb] X
SV 1 2 3 4 -+ 1 2 [iJ 2 3 4 I [ [+Präs Jl
e [+Perf]j
Der Stamm des lmperfekt, Aorist, nicht-reduplizierten Perfekt und Plusquam-
perfekt Indikativs besteht aus dem jeweiligen Tempusstamm und einem präfi-
gierten Element, dem Augment ([Aug]). Das Augment wird bei konsonantisch
anlautenden Stämmen durch Iei, bei vokalisch anlautenden Stämmen durch Deh-
nung des Vokals lexikalisiert.
MR (2} Augmentation
I [- [+kons ]]
[Aug] -+ [[ +l:ng]] [+silb]
In bestimmten Formen des Präsens von Verben der Verbalklasse I in allen drei
Dialekten und von den Verben der Verbalklasse II im Boiotischen tritt ein vo-
kalisches Segment, der Th emavokal , zwischen Stamm und Endung. Diese Eigen-
schaft wird im Lexikon durch das inhärente Merkmal [+them] bezeichnet. Wei-
terhin fmdet sich der Themavokal zwischen dem charakterisierten Stamm und
der Endung in bestimmten Formen des lmperfekts, Futurs, Aorists und Perfe kts
von Verben aller Verbalklassen.
Folgende Formen werden mit Themavokal ("thematisch"} gebildet: im Prä>ens,
Futur und Aorist II der Indikativ, lmperativ und - soweit vertreten - der Opta-
144
00046245
tiv sowie die infmiten Formen, im Imperfekt der Indikativ und im Perfekt die
infmiten Formen. Der Themavokallautet Iei in der 2. Sg., 3. Sg., 2. Pl. und im
Infmitiv, sonst lol.
MR (3) Themavokal
(+3 . Pers.] [- Pl]
e I (+2.Pers.]
(+them] -+ (+lnf]
MR (4} Präsensbildung
[+Präs] -+ 0 I _]81
(2} Futur
Das Futur wird durch das Sufftx l s/ repräsentiert, das bei Verben der Verbalklas-
sen I, Ilund V an den Stamm S 1, bei Verben der Verbalklassen 111 und IV an
den Stamm Sm antritt.
MR (5} Futurbildung
(+Fut] -+ s I _]8
(3} Imperfekt
Das Imperfekt wird durch das Augment gekennzeichnet, das dem Stamm S1 präfi-
giert wird.
MR (6} Imperfektbildung
[+Impf] -+ [ Aug) I s1 [ _
(4} Aorist
Im Aorist sind mehrere, sich größtenteils gegenseitig ausschließende , lexikalisch
determinierte Bildungsmöglichkeiten zu unterscheiden: Verben der Verbalklas-
sen 1, 11 und IV, die über keinen besonderen Stamm S111 verfügen, bilden den
Aorist aus dem Stamm S1 oder S11 und dem SuffiX lsl (Aorist I oder s-Aorist).
Verben, die einen Stamm s111 haben, bilden den Aorist aus diesem Stamm, der
mit dem inhärenten Merkmal [+them) versehen ist (Aorist 11 oder starker Aorist).
Verben der Verbalklasse Ill verwenden zur Bildung des Aorists drei Möglichkei-
ten: (1) den Stamm Sm und das TemporalsuffiX lkl, (2) den Stamm Sm und
das TemporalsuffiX lsl, (3) den Stamm Sm ohne TemporalsufflX.
Die TemporalsuffiXe lsl und lkl werden in den Formen des Indikativs, des Im-
perativs, des Optativs Medium und im Partizipialstamm um ein vokalisches Ele-
ment, Iai, erweitert. 136
Die Formen des Aorist Indikativs sind mit dem Augment(§ 163) versehen.
MR (7) Aoristbildung
MR (7 .1) Aorist der Verbalklassen I, ll und IV
(S) Perfekt
Verben, die über keinen besonderen Perfektstamm (Sy) verfügen, bilden das Per-
fekt aus dem Stamm S1, der im Aktiv um das SufflX lkl erweitert wird, wenn
der Stamm nicht auf einen Obstruenten auslautet. Im Boiotischen sind Formen
des Partizips Aktiv, teilweise auch fmite Formen, unsuffigiert.
Das SufflX lkl wird - wie im Aorist - um das vokalische Element Iai erweitert.
Finite und infinite Formen des Perfektstammes sind durch Reduplikation oder
Augmentation charakterisiert.
MR (8) Perfektbildung
146
00046245
(2) Konjunktiv
Dei Konjunktiv wird in der 2. Sg., 3. Sg. und 2. Pl. durch das Sufftx le:l, in allen
anderen Personen durch das Sufftx lo:l repräsentiert.
MR ( 10) Konjunktivbildung
e: I {[+3. Pers.] [-Pl]}
[+Konj] _. o: [+2. Pers.]
[+Opt] -. { ~e: I
t:
[- Pl][+Akt]} I [-them]
§ 166. Die Formen der 3. Sg. Konjunktiv in den einzelnen Dialekten und die
mit kurzen Vokalen gebildete Konjunktive im Lesbischen werfen besondere Pro-
bleme auf, die im folgenden genauer untersucht werden sollen.
Kiparsky ( 1966) hat zu zeigen versucht , daß bei den thematischen Verben der
Ausgang der 3. Sg. Konjunktiv im Aiolischen le:yl (und nach Eintritt der Glei~
lauttilgung § 99 le:l) laute und sich durch die Metathesenregel (§ 88) von zu-
grundeliegendem l+e:+ti/ ableiten lasse.
1m Lesbischen ist der Ausgang /e:y/ möglicherweise in der literarischen Oberlie-
ferung ( .?t;>.:ru[ Alk 98.2), sicher aber auf den Inschriften IG 12,2: 1 und IG
12,2: 4, die aus der zweiten Hälfte des 5. und der ersten Hälfte des 4. Jhdt.s
stammen und damit zu den ältesten lesbischen lnschriften gehören, nachweis-
bar: Konj. Präs. 8Erit IG 12,2:4.11 , !?t''Artt ibid. Z. 15, Konj. Aor. li €~€'A~t
IG 12,2: 1.12, a~t ibid. Z. 15. Von der zweiten Hälfte des 4 . Jhdt.s an
tritt gemäß der Gleitlauttilgungsregel an seine Stelle der Ausgang /e:/: .?€'Art
IG 12,2:73.2, €J.II.L€V77 IG 12,2:6.3, KaTci'YTf lG 12,2: 526.a2 1, der durch die Haupt-
masse der Belege nachgewiesen wird. Der regelgerechten Entwicklung des Aus-
147
00046245
gangsder 3. Sg., /e:y/ __. /e./ , läuft die des Ausgangs der 3. Pl. parallel: in frü-
her Zeit entspricht der 3. Sg. /e:y/ im Plural /o:ysi/ : rPd.tpwLOL lG 12,2: 1.3, [ tK-
KoXa?T]rwwt ibid. Z. 3/4 , rwwoKWWL IG 12,2:645.a39 (vgl. auch dvardJ€ww t
lPergamon 159 .6). Nach dem Eintritt der Gleitlauttilgung lautet der Ausgang der
3. PI. /o:si/ : dvarpa'(J€wot IG 12,2 S: 121.22, avaropEut1€wot IErythrai 122.53,
?Totiwot IG 12,2:529. 15, €wot IErythrai 122.20, €1Tan€XXwot IG 12,2 S: 138 .36,
rwwot IG 12,2:498.18. Nach der Vokalkürzungsregel (§ 60) hätte der Ausgang
/o:ysi/ in /oysi/ überführt werden können, wäre dann aber von dem Ausgang der
3. PI. Indikativ nicht mehr zu unterscheiden gewesen. Um die Opposition· Indi-
kativ: Konjunktiv zu bewahren, wurde /o:ysi/ zu /o:si/ wie fe:y/ zu /e: / gekürzt
(§ 99).
Im Thessalischen sind in der 3. Sg. Konjunktiv thematischer Stämme ausschließ-
lich Formen auf /e: / belegt: t1€X€ IG 9,2:1202.4/ 5 (6./5. Jhdt.), EXEL SEG 27:
202 .12/ 13 (Ende 3. Jhdt.), KaTEVEKEL McD 337:27,43 ( I. H. 2. Jhdt.), KaTE1Tfi-yEL
McD 330.10 (Anf. 2. Jhdt.). In der Zeit, in die der Beleg tJ€M datiert wird , sind
in Flexionsausgängen des Nomens (Dat. Sg. der ä- und o-Stämme) Langdiphthonge
in der Regel noch erhalten. Wenn man also zur Erklärung der Konjunktivausgänge
den Beginn der Gleitlauttilgung nicht - wie Kiparsky es tut - wesentlich früher
ansetzen will , als er in den Dativausgängen der vokalischen Stämme belegt wird,
muß man im Thessalischen auf eine Herleitung des Ausgangs /e: / aus /e:y/ ver-
zichten.
Im Boiotischen endet die 3. Sg. Konjunktiv durchweg auf /e:f, geschrieben -€t
(ä"fEL SEG 22:407.1 7, OWEL AD 1916: 218f. Z. 30) und -17 (z.T. auf derselben
Inschrift neben -€t: KaraoKEuaot1€i17 DGE 462.a8/9, KaraOKEvaotJEiEL Z. a17/ 18,
vgl . § 39) 137• Für eine Anwendung der Gleitlauttilgungsregel gibt es- was Kiparsk)
übersehen hat - im Boiotischen keine Belege, vielmehr werden Langdiphthonge
am Wortende gekürzt(§ 62). Das bedeutet, daß /e :/ nicht aus / e:y/ abgeleitet
werden kann. Als weitere Schwierigkeit kommt hiilzu , daß bereits im 5. Jhdt.
ein Konjunktiv auf /e:/ belegt ist: ?Ti€ lG 7: 3467.4. Es spricht somit alle Wahr-
scheinlichkeit daftir, daß in den aiolischen Dialekten in der ältesten durch in-
schriftliche Texte belegten Zeit zwei verschiedene Ausgänge in der 3 . Sg. Konj.
existiert haben , /e :y/ im Lesbischen und fe: / im Thessalischen und Boiotischen .
Der thessalisch-boiotische Ausgang der 3. Sg. Konj. läßt sich nur auf eine zugrun-
deliegende Form /+e :+t/ (Konjunktivzeichen + Sekundärendung) zurückführen 138
und steht damit in Gegensatz zu der entsprechenden Form im Lesbischen (l+e:
+ti/, Konjunktivzeichen + Prirnärendung). In der 3. PI. wird der Konjunktiv in
•
137 In IG 7:3172.145 (Z. 45 der Nummerierung in IG) aus Orkhomenos (Ende 3. J hd t.)
liest Dittenbezger (so auch Bechtel 1921: 224) liOK!Sld6bl-. P. Roesch gibt nach einer
Oberprüfung des Steins (cf. E. 76:85) die Lesung lioK!Sl<ilili (eL) an ; der Buchstabe 1-
ist sonst auch nur auf lnschrüten im archaischen Alphabet vertreten.
138 Cf. Schwyzer (1959 : 661, 791 ), Szemerenyi (1970 : 239), Buck (1968: 119), Bader
(1976: 33), Watkins (ablehnend 1969: 60f., 124f., zustimmend 1976: 26).
148
00046245
allen dtei Dialekten mit der Primärendung gebildet: /+o :+nti/ (lesb. -yp{hpwwt,
thess. KaTOU<€iOUVth IG 9,2:514.3, boiot. exwv-&t IG 7:3169.6/7).
Nach Hamm (1957: 166) ist in der Papyrusüberlieferung literarischer Texte des Lesbischen
., von..,..,,, dem Ausgang der 3. Sg. Konj., mehrfach getilgt (z.B. in Elx11 Alk 5.6, Alk 249.7,
MI!TI Alk 6.10); ..,.., sei als die alte Form mit Sekundärendung zu interpretieren. "Die For·
~n mit .,.. (nämlich auf den Inschriften) ,,müßten also, falls das ..,.., der Pap.-Oberlieferung
nicht nur auf d ie Schreiber zwückgeht, Angleichung an den allgemeinen Sprachgebrauch
darstellen." In der Tat hat der älteste Papyrus, Pap. Haun. 301 (3./2. Jhdt. v.Chr.), -TJ ohne
Tilgung des ., (exfl Sa 98.a3). Falls die Papyri hier ein authentisches Merkmal des lesbischen
Dialekts der Zeit der Lyriker überliefern, könnte die Bildung der 3. Sg. Konj . mit Sekundär-
endung als eine Eigenschaft aller aiolischen Dialekte interpretiert werden; im Lesbischen
müßte dann in der Zeit zwischen den Lyrikern und der Niederschrift der ältesten überlie-
ferten Inschriften (5.- 4. Jhdt.) eine Restrukturierung eingetreten sein.
Bei athematischen Stämmen wird im Thessalischen und Boiotischen der Konjunk-
tiv durch /e:/ in der 3. Sg. gekennzeichnet:
' McD 326.2 (6. Jhdt.), ouv<i€r[a]t
thess. a:rri€ IG 9,2:1222.3 (5. Jhdt.), olbö€
IG 9,2:1226.9 (5. Jhdt.), vU<<ia€ McD 168.4 (4. Jhdt.), -ywtiEtTEL IG
9 ,2:517.22/23, SEG 27:202.26/27 (Ende 3. Jhdt.), -ytvti€t(T}€t 139 IG 9,2:
515.12 (2. Jhdt.), Kara07raaEt IG 9,2:1229.27 (2. Jhdt.).
boiot. Ka-&wT<iEt IG 7: 1739.10, drroow€t IG 7:3 172.154.
Die thessalischen Belege äm~, 6lliot:, 6uvat:T(a)t stammen von Inschriften im archaischen
Alphabet, das Vokalquantitäten nicht unterscheidet; in der Inschrift McD 168 wird (e: ) in
b.ve\}rjKt:ll durch 1), in vtKaue aber durch e bezeichnet. Wenn die Form -ywtietut gegenüber
-yivetut (Belege § 53) athematisch gebildet ist und in ihrer Authentizität wegen der späten
Bezeugung nicht angezweifelt wird, gibt es keinen triftigen Gru.nd, nicht auch das Konjunk-
tivzeichen E des archaischen Alphabets als (e:) zu interpretieren. In !Magnesia 26.24 ergibt
dann die Korrektur von t1rwTeaTat des Steins in t1rwTdeTat noch immer keine grammatische
Form.
Im Lesbischen wird die 3. Sg. Konj. Akt. der e-Verben mit dem Suffix /e:/ ge-
bildet (vgl. Ind . TTOEL : Konj. 1T0'71 § 187), im Medium ist in der 3. Sg. die Fonn
des Konjunktivs mit der des Indikativs auf Grund der Kontraktion /e: e:/ -+ / e:/
identisch (Ind. ß6P11Tat : Konj . cl:mTat § 187). Bei den ä-Verben stimmen die Form
der 3. Sg. lnd. und Konj. im Medium gleichfalls überein (lnd. ci.J..IIptTTOTäTat : Konj .
epärat § 188). Abweichend vom Thessalischen (vgl. ouvd€T(a]t) wird bei anderen
athematischen Verben mit Stammauslaut /-a: / die Opposition zwischen Indikativ
und Konjunktiv durch die Opposition der Vokalquantität bezeichnet (lnd. OtivaTat :
•
Konj. ouvärat § 196), und die Pluralfo nnen ow<itJ.LE-&a (flir owäp.e-&a ?, cf. § 196
Anm. 203) und OVVä[VTUL] scheinen darauf hinzuweisen, daß die Länge des .
stammauslautenden Vokals nicht auf einer Kontraktion mit einem Konjunktiv-
suffiX beruht, sondern als Konjunktivzeichen morphologisiert ist.
Im Konjunktiv des s-Aorists stehen im Lesbischen zwei verschiedene Bildungen
nebeneinander, ohne daß sich eine chronologische oder morphologische Vertei-
lung erkennen ließe:
139 rJNTEIEI lapis, 'YIWet[T)Et Kern.
149
00046245
§ 167. Der von antiken Grammatikern (Choirob. in Theod 87.30ff. , 265 .22ff. ,
Greg. Cor. 1repi AloAi.öo' 26) als aioUsch bezeichnete und bei Homer gut bezeugte
Optativ des s-Aorists auf / ·ey·/ ist innerhal.b der aiolischen Dialekte nur im Lesbi·
sehen und nur mit wenigen Formen belegt:
140 In Z. 9 dieser Inschrift liest Moretti (1966 : 293) [~r)w110w' und interpretiert diese Form
als 3. PI. eines Konjunktivs zu ~rwvw .,trinken". Als 3. PI. eines Konj.Präs. wäre jedoch
•rrwvww1/~rwvwa' zu e.r warten ; im Aorist ist - wie aus aV#-1-rrw-& Alle 40lb hervorgeht
- ein athematischer Wurzelaorist •e-rrw·v anzusetzen, zu dem die 3. PI. eines kunvoka·
Uschen Konjunktivs *rrwou11 lauten müßte (falls nicht überhaupt der Stamm rr1-o· ver·
wendet wurde, cf. Frisk GEW s.v. nwvw).
150
00046245
3. Sg. [ö ]LCU5€~€te
IG 12,2: 527.57 {3. Jhdt.)
[rE]A.€a€te Sa 76.2
3. PI. [KaA.eaa]EWJJ IG 12,2 S: 114.26 {3./2. Jhdt.)
Das Problem der Herleitung dieser Formen ist seit langem umstritten und kann
auch heute noch nicht als gelöst betrachtet werden.141 Wahrscheinlich ist von
einem mit /s/ suffigierten Stamm auszugehen, der - analog zu /-oy-/ der thema-
tischen Stämme - um ein Optativsufft.x /-ey-/ erweitert ist und mit sekundären
Personalendungen versehen wird, die den gleichen Umformungs· und Ausgleichs·
prozessen unterliegen wie im Aorist Indikativ (3. Sg. Opt. /deyksey-t/ ersetzt
durch /deyksey-e/ wie lnd . /edeyks·t/ durch /edeyks-e/).
Im übrigen sind im Optativ des s-Aorists lediglich belegt ßo'A'A€Vaatro auf einer
relativ jungen Inschrift aus Milet (IG 12,2 S:139.9) und €~-t[~-t]Evat auf einer In-
schrift des 3. Ihdt.s aus Matropolis (BCH 1970: 161 ff. Z. 8). ßo'A'AEvaatro könn·
te , da mit dem sog. aiolischen Optativ nur Aktivformen gebildet werden, dem les-
bischen Dialekt zugerechnet werden , aber solange keine eindeutigen Belege vor-
liegen, ist nicht auszuschließen, daß es sich um eine Koine-Form handelt. €~-t[~-t]E·
Vat wird von Helly (1970b : 170f., 174) als eine Form der 3. Sg. Opt. Aor. (mit
Geminatenvereinfachung für *€IJI..I.€ vvat) interpretiert, aber man wird sich dann
mit der Frage auseinandersetzen müssen , ob Bildungen auf /-s-ey-/ wie die gleich·
falls im 3. Jhdt. belegte lesb. 3. Sg. öLCU5€~€t€ im Thessalischen nicht oder nicht
mehr vertreten waren.
•
§ 168. Die Kategorie Genus wird formal durch je zwei verschiedene Reihen von
Personalendungen für Aktiv und Medium-Passiv zum Ausdruck gebracht. Medium
und Passiv werden nur in den Tempora Ao rist und Futur differenziert: im Aorist
wird das Passiv entweder durch das Sufftx / the :/ , das an den Stamm S1 tritt, oder
durch die Verwendung des Stammes $yv charakterisiert, im Futur tritt an den
charakterisierten Passivstamm das Futursufftx /s/ .
Die Verteilung von je zwei Personalendungsreihen für Aktiv und Medium-Passiv
wird in zwei Fällen durchbrochen : die Formen des Aorists Passiv haben aktive
Endungen, die Futurformen des verbum substantivum haben mediale Endungen.
MR ( 12) Passivbildung
[+Pass] -. { ~/-1 Stv} I [+Aor]
141 Eine Übersicht über die umfangreiche Literatur bis 1966 enthält der Forschungsbericht
von CaJboli (1966 : 190- 196) (wo Thomas 1961 nachzutragen ist). An seitdem erschie-
nenen Stellungnahmen sind zu nennen Taillardat (1967}, der ·Hy·e als DesiderativsuffJx
(dessen Nullstufe in ai. · S·Y -D vorliege) deutet , Wathelet (1970: 310f.) und Rix (1976:
233).
151
00046245
I 0.1. 4 Endungen
rmi
If [+them]}
[-them] I [+ 1. Pers.]
f(stha) I [- them]\ I [ p ]
l Si J + . ers. I [-PI]
2 +Akt
+Präs
0 -+- {eti I [+Perf]} I [+3 . p ers.] I +Fut
+Perf
men I (+1. Pers. ] -Opt
te I [+2. Pers.] I [+PI]
{nti
enti} I (+3. Pers.]
n I [+1 . Pers.]
142 Zur Frage der Verwendung der Sekundärendung in der 3. Sg.Konj. im ThessalisClen,
Boiotischen (und Lesbischen?) vgl. § 166.
152
00046245
thi
{0
I [+Aor 11}\.1 I [+2 . Pers.l
I [-PI] [ +Akt ]
to: I [+3 . Pers.} I +lmp
lesb. nton 1
boiot. { nto: f
I (+3. Pers.] I [+PI]
MR {19) Infinitivendungen
thess. boiot. men
lesb. {thess.) en I [+them] [+Präs ]
I +Aor II I (+Akt]
0 -+ Iesb. rn } I [- them] I (+lnf]
menay
ay I [+Aor I]
sthay I [- Akt]
153
00046245
154
00046245
(7) In der 3.Sg. Aor. wäre auf Grund des allgemeinen Bildungsschemas (sekun-
däre Endungen in den Vergangenheitstempora) die Endung / t/ zu erwarten und
hätte folgende Ausgänge ergeben: / +s+a+t/, /+k+a+t/ . Nach§ 155 muß jedoch
der auslautende Verschlußlaut und damit das Personenkennzeichen getilgt wer-
den; zur eindeutigen Charakterisierung wird daher der "Themavokal" /a/ durch /e/
ersetzt.
....
155
00046245
Die Endungen -vn, -vat, -li'To werden am Ende von § 173 diskutiert. Was ctie En-
dungen -v"t, -v"w.f-v"ew, -v"o angeht, so hat der Erklärungsversuch Schulzes
(1933: 399), die Aspiration(" statt r) in den boiotischen und thessalischen
Endungen der 3. PI. sei in Analogie zu der 3. Pl. des verbum substantivum, €v-
"i147, eingeftihrt worden, Eingang in die verschiedenen Handbücher gefunden.
€v"i selbst sei durch eine Hauchversetzung aus /henti/ 148 abzuleiten; die ent-
sprechende Regel muß, da sichere Parallelen außerhalb des Paradigmas des ver-
bum substantivum fehlen , ad hoc formuliert werden:
Hauchversetzung im Thessalischen und Boiotischen:
+kons
-silb +kor
5
## - kons V C +ant V-+134[+asp] 6
+asp -dau
-sth
1 2 3 4 5 6
/hen ti/ -+ [en thi 1
Im Thessalischen und Boiotischen muß dann eine Restrukturierung eingetreten
sein: [-nth- 1der abgeleiteten Form [enthi] wurde zum charakteristischen Merkma
aller Endungen der 3. Person Plural und ersetzte /nt/ der zugrundeliegenden For-
men.
Schmidt (1968 : 2f. , 1975: 4lf.) fuhrt Belege an, die darauf hinzuweisen scheinen, daß im
Thessalischen Hauchversetzung in umgekehrter Richtung (vom Wortionern zum Wortanfang)
ver laufen ist : ha~ (a)o McD 72 1 (Magnesia, 5. Jhdt.) und rrpovpdr: .. 'I'Poup&r: aus *rrpo-
hopo~ (mit Bader 1972 gegen Schmidt nicht aus *rrpo- fopo~. sondern aus *rrpo-aopd~ ).
hawao als eine authentische Form des thessalischen Dialekts anzuerkennen weckt jedoch
Bedenken, (1) weil der Beleg nicht aus dem eigentlichen Thessalien stammt, sondern aus
Magnesia, (2) weiJ im Thessalischen der Ausga.ng des Gen. Sg. de.r mask. ä-5tämme -a, nicht
-ao, (§ 248) lautet, (3) weiJ im Kerngebiet des Thessalischen h vermutlich nicht geschrieben
wird (§ 100). Der Name "Hades" hat wahrscheinlich im Thessalischen, wie die gleichzeitig
belegte Form 'A f~av McD 375 .2 aus Argura zeigt, übe.r haupt keine Hauchversetzung er-
fahren. Die Belege flir npovp&~ und Verwandte sind älter - und daher eher dem authenti-
schen Thessalischen zuzurechnen - als die flir .ppovpd~ : im 3. Jhdt. oö~rrpovpoc, ö.pxcwpovpel·
oa~ IG 9,2: 1058a, ö.pxlrrpovpor:, npovpo{ DGE 600, im 2. und 1. Jhdt . .ppovpol, oo~.ppovpoc,
ö.px~~.ppovp eloa~ IG 9,2 :1059, 1060, 1061 , 1064, McD 559 , 652 .
§ 172. Die seit dem 3. Jhdt. vereinzelt auftretenden Endungen -vn, -IITO statt
-vt9t, -vt9o im Boiotischen, z.B. in
twrit9eli'Tt IG 7: 3198.3,11 (Orkhomenos), AD 1916 : 220f. Z. 28 (Koroneia),
IG 7:3352.3 (aber -v"t E. 78:03.3, cf. § 194 Anm. 193) (Khaironeia)
147 Diese Form war von Schulze zunächst nur vermutet worden, ist aber inzwischen im
Thessalischen (s.o.) und Boiotischen (PMG 692 (rr. 3,4.9) tatsächlich belegt.
148 Zugrundeliegende Form /s+enti/ - /zenti/ -+ / henti/ (§ 140 - 14 1).
156
00046245
§ 173. Die Erklärung von t? (statt r) in den Endungen der 3. Pl. des Aktivs und
des Mediums aller Verben als Aspirata, die auf Grund einer analogischen Aus-
breitung von der - durch Hauchversetzung entstandenen - Form der 3. PI. des
verbum sobstantivum ihren Ausgang genommen habe, enthält eine gravierende
Schwäche: anlautendes /h/ (aus der ursprünglichen Wurzelgestalt *s·) in verschie·
denen Formen des verbum substantivum wird sonst im Griechischen getilgt, hier
aber zur Grundlage eines Lautwandels gemacht, dessen Wirkung in keinem weite-
ren Fall sicher nachgewiesen werden kann. So hat auch Garcia-Ram6n ( 1975:
65 mit Anm. 4) an den mit dieser Hypothese verbundenen Schwierigkeiten An-
stoß genommen und -vt?at, -vt?o, -vt?t "selon toute vraisemblance" als Analogie-
bildungen zu ·IJ€\?a, -o\?e erklärt. Aber auch wenn man von dem Manko absieht,
daß ·IJ€~a und -o~e für das Thessalische zwar mit einiger Zuversicht postuliert
werden können , aber nicht tatsächlich belegt sind, wird nicht deutlich, nach wel·
chem Muster die Aktivendung -v~L gebildet ist; das prinzipielle Problem, mit wie
hoher Wahrscheinlichkeit eine Analogiewirkung der Endungen der 1. und 2. Per·
son Plural auf die der 3. Person Plural im Aiolischen - als der einzigen unter den
altgriechischen Dialektgruppen - angenommen werden kann, wird überhaupt
157
00046245
§ 175. Buck (1968: 21) sieht einen Zusammenhang zwischen - €t = -at und dem
War;del von a zu e am Wortende in thess. oti = oui. Die Präposition oti ist aber
159
00046245
wohl in der gesamten Pelasgiotis und in Phalanna vertreten (cf. ~Ii McD 310.
10/ 11 Krannon, IG 517.12 Larisa, McD 330.12 Larisa, ~c.er€XEt IG 9,2:46l.a4
Krannon, 5c.eoOJpEip.Eva IG 9,2: 122?.38/39 Phalanna) ; weder die geographische Be·
schränkung von EL statt at (auf Larisa) noch die morphologische (auf Verbale n-
dungen) finden durch die Annahme eines thessalischen Lautwandels (a > e] eine
hinreichende Erklärung.
Nach Thumb-Scherer {1959:7 1) ist in Larisa der lnf. Aor. Akt . auf ·Oat und der
mediale lnfmitiv auf -ol'Jat nach dem Infmitiv auf -Ew in -oEw bzw. ·OiJEw um·
gestaltet worden ; der thematische Ausgang ·EW müsse daher auch in der· Petasgioti:
einmal vorhanden gewesen sein. Diese Hypothese trägt weder der Beschränkung von
EL auf Larisa noch dem Auftreten von ELin nicht-infmitivischen Endungen Rech-
nung; sie wird auch dadurch nicht wahrscheinlicher, daß sie mit einer Form als
Muster des analogischen Wandels operiert, flir die nicht die geringste Evidenz an-
geflihrt werden kann (§ 223).
Schwyzer {1959), der p. 194 EI an Stelle von at vor J.1. und in einigen Verbal·
endungen noch als unerk.lärt bezeichnet, trägt p. 809 Anm. 2 folgende Erklärung
vo r: Ausgangspunkt sei kaum ein alter Dativ *-(o)l'JEt gewesen, sondern wo hl der
nicht belegte Inf. Aor. Pass. auf *·(o)iJEw = -sth f n {vgl. lesb. -l'J1w); danach sei
analog -oiJEw in den medialen Infinitiven, -OEW im Inf. Aor. Akt, -viJEw und ·TEL
im Ind . Präs. Med . eingeflihrt worden. Diese Erklärung setze voraus, daß -<U in
Larisa etwa ~gesprochen werden konnte. Wie Schwyzer selbst bemerkt, ist der
Ausgangspunkt, ein lnf. Aor. Pass. auf -(o)iJEw, im Thessalischen von Larisa nicht
belegt (sondern nur -iJEt·J.I.EV § 229), und die Voraussetzung, daß ·at in Larisa den
Lautwert [ ~:)hatte, läßt sich durch keine Evidenz plausibel machen.
Haudry {1975: 136) sieht in ·Et des Infinitivausgangs -oiJEt-v die Fortsetzung
einer alten, aus dem Indogermanischen ererbten Dativendung (als Dublette von
-<:u in -ol'Jat). Damit würde ausschließlich der Dialekt von Larisa eine hochalter-
tümliche lnfmitivbildu ng bewahren , die aus komparatistischen Gründen wohl
vermutet werden kann, aber sonst im Griechischen nicht nachweisbar ist. Gegen
den Erklärungsversuch spricht auch, daß -EL der finiten Endungen nicht berilck·
sichtigt wird.
§ 176. Solange nicht neues Material oder neue Gesichtspunkte in der Beurteilung
des vorliegenden Materials beigebracht werden kö nnen, ist wohl kein Fortsdlritt
in der Lösung des Problems möglich . Vorläufig ist völlig unklar,
(1) ob den larisäischen Endungen die gleichen Vorformen zugrundeliegen wie den
entsprechenden Endungen in anderen Teilen Thessaliens oder ob die D.ver·
genz bereits in der zugrundeliegenden Repräsentation vorausgesetzt weiden
muß;
{2) falls identische zugrundeliegende Formen angenommen werden können, wie
alt der Wandel ist, der hinter der Schreibung €t an Stelle von at vermu:et
werden kann ;
160
00046245
(3} ob dieser Wandel tatsächlich auf Larisa beschränkt ist (aus der Histiaiotis
und der Phthiotis liegen keine Belege vor);
(4} in welchem chronologischen und/oder ursächlichen Zusammenhang die Er-
weiterung der Plural- und Infinitivendungen um -v mit dem vermuteten Wan-
del steht: ob in diesen Endungen -at durch -ew ersetzt ist oder ob die An-
fUgung von -v unabhängig von dem Wandel des vorangehenden Diphthongs
erfolgte, und , wenn letzteres der Fall sein sollte - obwohl ny ephelkystikon
dem Thessalischen fremd ist - , ob die Anfügung von -v vor dem vokalischen
Wandel erfolgte (und ihn möglicherweise auslöste) oder danach ;
(S) aus welchen Gründen die Erweiterung um -v überhaupt erfolgte und, damit
verknüpft, ob diese Erweiterung von einer der Endungen ihren Ausgang ge-
nommen hat und wie die analogische Ausbreitung verlaufen ist.
15 1 Der Aorist von (ä.1ro-, iv-) >..o-yi66oJJrt müßte in Koroneia mit + .nicht "'TT·, gebildet sein
(§ 202).
von -rw durch-v-zu -vrw (wie im Boiotischen) und einer Ersetzung des Aus-
gangs -w durch -ov vorliegt, und daß flir -a~ov eine einfache Pluralisiemng durch
letztere der beiden Verfahrensweisen angenommen werden kann. Die Begründung
fiir die unterschiedliche Behandlung der beiden Endungen und die Ersetzung von
-w durch -ov bleiben dabei offen.
§ 178. Den jüngsten Versuch, Ursprung und Chronologie der zur Diskussion ste-
henden Endungen zu klären, hat Garcia-Ram6n (1978a) unternommen. . . Nach
. .
einer kritischen Diskussion einiger frühere r Lösungsversuche rekonstruiert er die
Entstehung von -vrov, -a~ov folgendermaßen : die proto-aioüschen Endungen
-vrw, -va~w, die zu den Singularendungen ·TW , -a!Jw neugebildet sind, werden,
bedingt durch den Iautgesetzlichen Schwund des Pluralmorphems - v- in der Me-
dialendung -va~w, in einer zweiten, äußeren n-Erweiterung zu -vrwv, -a~wv um-
geformt. Diese Neuerung ist nach der (räumlichen) Trennung des Boiotischen von
Aiolischen eingetreten, also dem Thessalischen und Lesbischen gemeinsam oder
- da Belege aus dem Thessalischen fehlen - vielleicht nur flir das Lesbische cha-
rakteristisch. Im Sandhi treten flir die neugeschaffenen Endungen zwei Varianten
auf, -vrwv, -a~wv vor Vokal, -vrov, -a~ov vor Konsonant nach Osthoffs Gesetz,
von denen nach einem Zeitraum der Koexistenz im Lesbischen die Formen mit
kurzem Vokal verallgemeinert werden .
(1) Aus der Akzentuierung der Formen Imp. 3. Pl. ~a'AA.eu6vrov Alk. 5.10 (L- P),
a:yovrov Alk 30.3 (L-P) in der Papyrusüberlieferung zieht West (1970: 195) den
Schluß, daß die Endung -vrov im Lesbischen gebildet wurde, als die Barytonese-
Regel (§ 158) nicht mehr wirksam war. Das Alter und die genaue Lokalisierung
der Zurückziehung des Akzents im Aiolischen, von der antike Grammatiker beriet
ten, sind bislang umstritten, aber wenn es sich dabei um ein Merkmal des Les-
bischen handeln sollte - woflir manche Argumente sprechen - , wäre auch -vrov
eine spezifisch lesbische Bildung. Diese Interpretation empfiehlt sich ohnehin so
lange, wie der thessalische Befund nicht bekannt ist.
(2) Nach Garcia-Ram6ns Analyse wäre im Boiotischen die Endung 3. PI. Med.
*-a~w < *-va~w zu erwarten. An ihrer Stelle ist die - formal mit der entspre-
chenden aktiven übereinstimmende - Endung -v~w belegt (s.o .).
(3) Der Themavokal in lesb. 3. PI. Med. -e · a~ov bereitet Schwierigkeiten. Wenn
-a~ov auf eine Pluralisierung von 3. Sg. - a~w zurückgeht, wäre, analog zu Akt.
-E·Tw : -o-vrov, als Themavokal -o- zu erwarten (·e-a~w : *-o-{v)a~ov).
162
00046245
10.2 Präsens
10.2.1 Verbalklasse 1: Thematische Verben
§ 179. Folgende Ableitungen sollen die geläufigsten Formen verdeutlichen:
(1) Ind. Akt. 3. Sg.
lesb.
zugrundeliegende Repräsentation thess. /arkh+e+ti/
boiot.
Metathese /arkheyt/
Verschlußlauttilgung /arkhey/
thess.
Monophthongierung . t /arkhe:/
b010 •
Vokalhebung boiot. /arkhi:/
lesb. li.pxet
Oberflächenform thess. li.pxet
boiot. li.pxt
(2) Ind. Akt. 3. PI .
lesb.
zugrundeliegende Repräsentation thess. /arkh+o+nti/
boiot.
Assibilation(§ 120, 171ff.) /arkhonÜ/
Transformation lesb. /arkhon~i/
164
00046245
§ 180. Belege:
lnd . Akt. 3. Sg. /+e+ti/ ~ lesb. thess. boiot. /+ey/ ~ thess. boiot. /+e:/ -+ boiot.
/+i :/
lesb. /ey/ lipxet IG 12,2:1. 19
thess. /e:/ 5evet McD 337.27, €7TßdaKet McD 347.8,
imapxet McD 310.10
boiot. /i:/ lipxt IG 7:3171.40, EXL DGE 462 .b39,
tJ,.petN. IG 7:1738.4
lnd . Akt. 3. Pl. / +o+nti/ ~ lesb. / +oysi/, thess. boiot. /+onfi/
lesb . /oysi/ [d]7Tayy€XXotat IG 12,2:15.15, €xotat
ibid . z. 22
thess. / onfi/ imapxovt'Jt McD 337.42
boiot. /onfi/ [li]Pxovt'Jt BCH 1937:217ff. Z. 34, [dva·
J.LCJ.LVci]aKovt'Jt IG 7:2405 .9
Konj . Akt. 3. PI. / +o:+nti/ -+ lesb. / +o:ysi/, boiot. / +o :nfi/ ~ lesb . / +o:si/
1esb. / o:ysi/ -ywwaKwtat IG 12,2:645 .a39, 'YP~WL
IG 12,2:1.3
/o:si/ [d]7Toar€XXwaL IG 12,2 S: 136.b50,
e7Tayy€A.Xwat IG 12,2 S: 138.36
boiot. /o:nfi/ €xwvt'JL IG 7:3 169.6/7 , 5wwvt'JL IG
7:2228.5, 0.J.L~7TWVt'JL E. 78:06.18/ 19
Konj. Med. 3. Sg. /+e:+tay/ ~ lesb. thess. /+e :tay/, boiot . / +e:trr:/
lesb. /e :tay/ 5eliqrat IG 12,2: 18.16, li"(T1rat IG
12,2:4.9
165
00046245
166
00046245
154 Die Lesung des Belegs und Oatieru~ und Lokalisierung der Inschrift sind von B. HeUy
korrigiert.
167
00046245
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß auch eine Form des langvokalischen Konjunktivs
(wie KClTOtK~:iov""') vorliegen kö nnte. Ein Indiz kö nnte zugunsten einer Interpretation als
Konjunktivform angeführt werden: in einem arebaisehen Gesetzestext wäre eine Folge von
Ko nditionalsätzen durchaus zu erwarten. Die syntaktische Struktur könnte dann aus Kon-
junktiven in den Nebensätzen und Infinitiven in den Hau ptsätzen bestanden haben. Eine
Konjunktivform liegt in 6wÜ Z. 2 vor, Infinitivformen treten mehrfach auf: f !J.IJ.EII Z. 2, 3,
7, 13, a'll'e'Wat Z. 11. Wenn somit wahrscheinlich gemacht werden kann (oder sich bestätigen
sollte), daß 'll'poKa')...eov-'a' qua Konjunktiv nicht no twendigerweise thematisch gebildet ist,
entfaJlt Hocks einziger Beleg flir thematische Flexion der i-Verben und damit auch ftir den
sekundären Ursprung de.r athematischen Flexion im Thessalischen der Pelasgiotis.
Im Boiotischen der inschriftlichen Überlieferung werden die Entsprechungen der
lesbischen und thessalischen athematischen Verben mit Stammauslaut -e, -ä, -ö
thematisch nach Typ (3) flektiert ; athematische Flexion ist nicht sicher nachweis>
bar .
Nach Garcia-Ram6n (1975 : 71) können die Partizipien auf -EliJ.EIIO~ im Boiotischen entwe-
der der Kontraktion aus -e·€1J.EIIO~ wie in den nordwestgriechischen Dialekten oder der Be-
wahrung des ursprünglichen athematischen Typs ·e!J.el/0~ wie im Thessalischen ode.r Lesbi-
schen zugeschrieben werden. ,,Die Partizipien auf -EI-,.,.evo~ im Boiotischen" sind zwei For-
men: ö.6 uce~ei/OtC: Aristoph. Ach. 9 14 und 6 e~ell0 t<; lG 7:2858.3/4 (Koroneia, 3. Jhdt.).
Das Zeugnis des Aristophanes flir das Boiotische ist kaum beweiskräftig; in Anbetracht der
zahlreichen Belege flir thematische F lexion von 6elw (6 ~:l~:t IG 1: 1739. 16, DGE 462.a36,
BCH 1936: 18lff. Z. 26, ( 6 J~: lTJ DGE 462.a26, ö ~:( lTJ J ibid. Z. a21 , 6~:li1J.€" SEG 1: 132.12,
6~:w11Twc: ibid. Z. 15) bleibt die Annahme, daß allein das Partizip 6~:/JJevoc: ein Relikt der
athemat ischen Flexionsweise, die das Boiotische einst auch gekannt haben müsse, repräsen-
tiere, mit dem Vorwurf der Spekulation behaftet. Nach der communis opinio (Bechtel
192 1: 283, Thumb-Scherer 1959: 18, Buck 1968: 124) liegt Einfluß des ftir die nordwest-
griechischen Dialek1e charakteristischen medialen Partizips auf -~:/JJ~:vo~ (delph. Ka')...~:/JJevoc:)
vor (vgl. aber § 131 Anm. 11 8 zu thess. 6€UIJ.€1/0C: ) ; Hock (197 1: 188f.) hingegen hält eine
besondere Entwicklung • -eo- > • -e- in offenen Silben hier ftir wahrscheinlicher. ln öo11ele'
(3. Sg. Konj.) gegenüber gleichzeitigem 6oKlet, öoKet ist die Länge des stammauslautenden
Vokals singulär(§ 191 Anm. 185).
§ 182. Zur Verdeutlichung der athematischen Flexionsweise der sog. verba con-
cracta im Aiolischen sollen die Ableitungen der wichtigsten Formen des Präsens
Indikativ Aktivs vorgestellt werden.
Flexionstyp vx.t..ru.u: Präs. lnd . Akt.
1. Sg. 2. Sg. 3. Sg.
zugrundeliegende Repr. /phile: +mi/ /phile:+si/ /phile: +ti/
Metathese § 88 /phile:ys/ /phile:yt/
Vokalkürzung § 60 /phileys/ /phileyt/
Verschlußlau ttilgung /philey/
Monophthongierung thess. /phile:s/ / phile:/
Vokalhebung thess. /philtpni/ /phil<;~ :s/ /phil~ :/
Oberflächenform lesb. '{XATUJ.L vxf...etc: !(Jt.AEL
thess. f{X.A €t+J.L f{X.A €LC: f{XAEL
168
00046245
Die Paradigmen der ä- und ö-Verben werden durch dieselben Regeln abgeleitet.
Präs. lnd. Akt. 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg. 3. Pl.
lesb. I{JC.A17J.H I{JC.AEtc; I{JC.AH I{JC.A€LOL
lesb. TiJ,J.Ü/J.L riJ,J.atc; T{IID.t TiJ,J.atOL
lesb. OTEI{J(iVWJ.I.L OTE!p(iVOtc; OTE<f/(ivOL OT€!p(iVOWL
Diese Paradigmen werden auch von antiken Grammatikern 155 den Alo'Aeic; zuge-
schrieben:
1T617JJ..L 1TO€tc; 1TO€L 156
-y€ AatJ,I.L157 -y€A.atc; -y€A.at
158 ÖOK{pot 159.
OOKiJ,J.WJ,J.L OOKiJ,J.OLc;
155 Belege fUr die Paradigmen von ä- und ö-Verben bei Grammatikern sind zitiert bei Meister
(1882: 175ff.), Hoffma.n n (1893: 574ff.), Lobe! (1927: xxviü und xlli).
15 6 P. Bouriant 8 IV.22 {cf. Lobe! 1932), möglicherweise aus einer Grammatik der grie-
chischen Dialekte, mit mehreren Zitaten aus Sappho und Alkaios.
157 ~~und -o~t {vgl. Anm. 158) durch i-Epenthese (§ 85 ).
158 6oK/slw~Jt He.rodian. II 825.4 und ö fter (cf. auch Sa 52), Memnon Nr. 29.11 (Balbilla);
159 cf. P. Oxy. 469 12ff. [ 6oK~ I#It Sa 56.1 cod. , 6oKillw~Jt Voigt (coni. Letronne).
160 opOPfl pap., .p&pet Gow; .pdpet Theok.r. 30.32.
161 nolf! in IErythrai 122.21 ist nach Boüüaert (1954: 365 A3) eine ,quasihaplographie' flir
noif!(Tat>. Eine Medialform hatte auch schon Sechtel (1909: 9 ) gefordert.
169
00046245
§ 184. Der im Lesbischen vertretene Flexionstyp äöucf7w beruht auf einer ana-
logischen Übertragung, die von lit. •reMw inschr. re"Aeiw 162 ihren Ausgang ge-
nommen haben muß 163 : in •re"Af7w ist der Ausgang [-e:e/o-] lautgesetzlich aus
/-es+ye-/-es+yo-/ entstanden Uteles+yo-/ -+ /telehyo-/ -+ / teleyyo-/ -+ / tele :yo-/
(§ 80f.) -+ /tele:o-1) und zum Muster flir - soweit aus der Oberlieferung bekannt
ist - Ka"Af7w/K.a.Aeiw 164, äöuc7iw, 1rot}qw geworden . Eine Stütze für diese Erklä-
rung ist in der Tatsache zu sehen, daß der Stamm te/es- auch im Aorist als Vor-
bild flir analogische Neubildungen gedient hat (Kd"Aeaaa,, f1TalV€UUal. nach re"Aea-
aa' 165, cf. § 207).
Garcla-Ram6n (1975 : 7lf.) sieht in thess. KarolKelouvl'), und boiot. 6Cllo&lWeJJev, irrtare.pavwe·
,uv Belege für den thematischen Flexlonstyp, der somit gemein- (und proto-)aiolisch sei.
Thess. Karoucelouvl'), kann aber auch als athematische Bildung mit Konjunktivzeiche.n jo: f
aufgefaßt werden (kurzvokalische Konjunktive sind im Thessalischen nicht belegt), so daß
e.in wichtiges Bindeglied für die Annahme eines den aiolischen Dialekten gemeinsamen Bil·
dungstyps entfällt und die herkömmliche Erklärung der boiotlschen Formen mit langvoka-
lischem Stammauslaut durch Einfluß der aitolischen Kanzleisprache (§ 191 ) nicht erschüt-
tert wird.
§ 185. Wie bereits in § 181 erläutert wurde, fmdet sich in den inschriftlich über-
lieferten Zeugnissen des Boiotischen bei den e-Verben ausschließlich der Fle-
xionstyp .pi>..ew; erttsprechend weisen die spärlich belegten ä- und ö-Verben kur-
162 Zur Schreibung von (e: ) (Ut. 1'!. inschr. et) vgl. § 46.
163 So auch Bechtel (1909: 62f., 1921 : 89), Forssman (1975 : 22f.).
164 Forssmans (1975 : 23) Zweifel an der Echtheit der vo n antiken Grammatikern über·
lieferten Form l«lA~w sind unbegründet : auf den Inschriften finden sieb mehrere, die
Oberlieferung der Grammatiker bestätigende Belege (§ 190).
165 Als lnf.Aor. von ~~w wäre demnach nicht mit Forssman (1975 : 23) die von Jo.
Gramm. m. 6 überlieferte Form ~waat zu erwarten, sondern ~luaaat.
170
00046245
zen Stammvokal und thematische Flexion auf. Die Ableitung der wichtigsten
Formen wird im folgenden beschrieben.
Flexionstyp cp.:Aew im Boiotischen: Präs. Akt. 3. Sg.
Ind. Konj .
zugrundeliegende Repr. /kale+e+ti/ /kale+e:+t/
Metathese /kaleeyt/
Verschlußlauttilgung /kaleey/ /kalee:/
Kontraktion /kale:y/ /kale: /
Vokalkürzung § 62 /kaley/
Monophthongierung § 74 /kale:/
Vokalhebung /kale• :/ /kale• :/
Oberflächenform KaA€t m'Ae'i
Vokalhebung /kali:/ /kali :/
Oberflächenform KaAt
In der 3. Sg. Präs. der e-Verben ist also die Opposition zwischen Indikativ und
Konjunktiv durch mehrere Lautwandel und Kontraktionen zu der Zeit, aus der
die Belege stammen (Ende 3. und 2. Jhdt.), aufgehoben, bei den thematischen
Verben und im Aorist Passiv jedoch erhalten geblieben (them. Verben Präs. 3.
Sg. lnd. (-i:] : Konj. [-e:], Aor. Pass. 3. Sg. Ind. [-e:] : Konj . [-e:e:]).
§ 186. Die Flexion der sog. verba contracta im Aiolischen stellt ein seit langem
umstrittenes Problem dar. Die hier vorgeschlagene Lösung, die mit Hilfe der Meta-
thesenregel, die von Kiparsky ( 1966) aufgestellt, aber weder von ihm selbst noch
von Hock ( 1971) auf diesen Bereich angewendet wurde, die aiolische Flexion als
eine athematische Bildung mit Primärendungen erklärt, scheint mir den gesamten
Komplex am einfachsten und umfassendsten zu beschreiben. Ihr besonderer Vor-
zug liegt darin , daß sie ohne Zusatzhypothesen auskommt, wie z.B. die Annah-
me von Kontraktionen , deren Fehlen oder Eintreten im Lesbischen noch weit-
gehend unklar ist (Hamrn 1957: 29ff.), oder die Annahme von sekundären Endun-
gen (Maniet 1969), die im Griechischen nicht zur Bildung von Formen des Prä-
sens Indikativ herangezogen werden.
Einige Fragen bleiben allerdings noch offen. So ist nicht mit Sicherheit zu ent-
scheiden, ob es im Boiotischen - als einem der drei aiolischen Dialekte - die für
das Aiolische charakteristische athematische Flexion der sog. verba contracta vor
Beginn der inschriftlichen Oberlieferung gegeben hat oder nicht. Die Beurteilung
von Spuren athematischer Flexion in den Texten boiotischer Dichter (Hesiodos,
Korinna) 166 ist schwierig, weil nicht klar ist, ob Boiotismen - Entlehnungen aus
dem gesprochenen Dialekt - oder Aiolismen - Entlehnungen aus einer literari-
schen Kunstsprache mit aiolischen Elementen - vorliegen. Ebenso problematisch
171
00046245
ist das Zeugnis antiker Grammatiker 167, die auch dem Boiotischen athematische
Fo rmen (rapßEf.l.lt, 1TOl€t!Jt, cp(A€4Jt, OÜCEvn, cp(A€VTt) zuschreiben, weil eine siclhere
Basis zur Prüfung seines Wahrheitsgehalts fehlt. Wenn man sich - vomehmlicih
aus dialektologischen Erwägungen - dazu entschließt, ftir ein vorhistorisches
Stadium des Boiotischen athematische " aiolische" Flexion anzunehmen, muß
man auch eine Erklärung daftir fmden , warum dieses Merkmal wesentlich frülher
als in den beiden anderen aiolischen Dialekten verlorenging.
§ 187. Belege
In den zugrundeliegenden Repräsentationen sind der Stammauslaut und die je-
weiligen Suffixe angegeben.
Athematische F/exionstypen: CfJtAT//Jt
167 Zitate bei Meister (1882: 276f.), Hoffmann (1893: 468, 574).
168 Die Papyrus-Texte bieten in der Regel ·!Jt (in Alk 302c.1 ist rd.pßfl!J' auf dem Papyrus
vo n einer secunda manus in r d.pßfl!JIJ' korrigiert), in der Codex-Oberlieferung kommt
nur bei i-Verben - auch die Endung ·IJIJ' vor : Kd.AfJIJIJ' Sa 1.16, lipfliJIJ 't Sa 31.11. Wei-
tere Beispiele für ·IJIJ· sind ~1rOfliJIJ.ev Sa 24.a4 (Pap.), rrerrOT)iJ!Jtvcw; Sa 94.1 7 L- P, rre-
rrOT)iJtvatc; Voigt (Pap.) gegenüber zahlreichen Belegen für -,.,.evo.; (rro~,.,_evo.; Alk 11 7b.
21). In einem Beleg für die Endung der 1. Pl.Med. Uest Voigt tpOpf!!Je ~a Alk 208.a4,
L- P tpOPiliJ.!Je~a (= Alk 326.4). Thumb-Scherer (1959 : 8lf.) interpret ieren ·ll!J· in Ver-
balendungen (und abgeleiteten Nomina wie lidJ)IJIJa, XPiliJ!Ja) als HyperaioUsmus: ,.So
galt "'"' rur "' anderer Dialekte (f·,.,.,.,.,, lill~JH) als ,a.ioUsch' und wurde deswegen nach
langem Vokal geschrieben, wo es metrisch nicht st örte." Damit wird aber die Beschrän-
e·
kung von ·IJIJ.· auf Verben und ihre Ableitungen nicht erklärt; eine Hypothese, die die
phonologischen Bedingungen für das Auftreten von ·IJ!Jt statt ·!Jt nach [e:) berücksich-
tigt, wird in Zusammenhang mit der i-Epent hese (§ 85) erörtert.
169 AVll'fJ<; auf dem Papyrus, von L- P >..tlrrfJt<; gelesen. Die Einsetzung von langen i-Diphthon-
gen in den Endungen der 2. Sg.Ind. ("'Jt<; , ·flw~a. ·at<;, ·wt<;) geht auf Lobet (1927 :
xxviii) zurück, der auf Grund des übertieferlen e'l(f)t<; (in den Codices lx ·fJt <;, 2x · fJ <;,
1x ·et <;) Sa 112.2 die Form AVll'fJ<; in AVll'fJt<; und die übrigen Belege entsprechend gegen
die OberUeferu ng verbesserte. Aull'fJ<; kann aber, wie oben gezeigt wurde, zu einem eigen-
ständigen Paradigma gehören; eine Korrektur der belegten analogen Formen ist nicht
erforderUch.
170 vXAflta"a L- P; cf. auch rrdf)o~a P. Bouriant 8.7 3.
172
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17 1 1TapKal..et IErythrai 121.5 ist keine lesbische Form der 3. Sg.Präs., sondern eine helle-
nistische Form der 3. Sg.Futur (§ 166).
172 Zur Präposition thess. 61i vgl. § 17 5.
17 3 t1TtpOSJ/Jeiol cod., emppOSJ/JeWl L- P. Page (1955: 25 ), e1TI/3POJJ~Wt ci. Voigt.
17 4 li'YPflTa,, ohne Kontext, kann eine Form des Indikativs oder des Konjunktivs sein.
175 1rw>..~VTat ist der einzige literarische Beleg für die 3. PI.Präs.lnd.Med. Das thematisch
gebildete 1rofioVTcu Alk 322 ist eine Entlehnung aus Homer: das Lesbische kennt sonst
nur 1TOTaSJa' in dSJ.pt1fOTaTa' Sa 22.12, tK1Tt1fOTap.ella Sa 55.4 (cf. Lobe11927 : li f.). In
Sa 130.4 , wo die Oberlieferung 1TOT1), 1TOTt bietet, lesen Lobel-Page (= 131.2) 1TOTO.t,
Voigt aUerdings 1TOTfl(u unter Hinweis auf rroreoVTa' und 1TOTTlJJtlla Theok.r. 29.30.
173
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176 Keine sicheren Belege überliefert: Ö1rTQ4<; Sa 38, opo{T0.4<; Alk 143.11 , ovdpTa.t<; Alk 58.21
können auch Partizipien sein.
177 Zu thess. (?) epoU1'a4 vgl. § 191 Arun. 188.
178 ln der Majuskel-Abschrift ist nur Tll.. erkennbar. In Z. 44liest Boüüaert (1954: 369 A3),
syntaktisch korrekt, r{J.lara,. Aus der literarischen Oberlieferung liegt kein Beleg vor:
~aopolraw ' = ~aopolraw'a Sa 96.15 ist Partizip (Page 1955 : 9lf.).
179 xo>..aw' L- P mit der Überlieferung, xci>..aw' Voigt.
180 Die in Dodona gefundene Bleitafel stammt wohl aus Mondaia (Perrhaibia), vgJ. § 112
Anm. 90.
174
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175
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Flexionstyp <pt"A..ew
lnd. Akt. 3. Sg. /-e+e+ti/ -+ boiot. /-i:/
boiot. /-i: / otare["A..]i" IG 7:280.2 (otan:"A..ii § 39), ICa"A..i
IG 7:207.4
1. Pl. /·e+o+men/ -+ 1esb . /-eomen/
1esb. /-eomen/ [avv]re"A..eoJ,.Lev IG 12,2 S: 115.6
3. Pl. /·e+o+nti/ -+ 1esb . /-eoysi/, boiot. /-eonfi/
1esb. /-eoysi/ KaAiow[t] IG 12,2:528.35
boiot. /-eonfi/ Ka"A..eov!Jt IG 7:207 .7
Ko nj. Akt. 3. Sg. /·e+e:+ti/ -+ 1esb. /·ee:y/ -+ /·ee:/
1esb. /·ee:y/ auvre"A..e'T]L IG 12,2 S:l40.15
1esb . /-ee: / avvre"A..e'T] lG 12,2:498.14
/·e+e:+t/ -+ boiot. /-ee:f -+ /-ie: /, /-e:/ -+ /-i: / 185
boiot . /-ie: / ooKiEL
/'-e:I ooKei, ciSLKi
1. Pl. /-e+o:+men/ -+ 1esb. /-eo:men/
1esb. /-eo:men/ Ka"A..ewJ,.Lev IG 12,2 S: 139.88
3. PI. /-e+o:+nti/ -+ lesb. /-eo:si/, boiot. /-io:nfi/
1esb. /-eo:si/ 1TOLEWCJL IG 12,2:529 .15, [oJ..LO'Yv]wJ..LovewaL
IG 12,2 S: 136.b40
boiot. /-io:nfi/ otare"A..iwv!JL IG 7:2405. 13, EKTToLiwv!JL DGl
462.a24
Konj . Med. 3. Sg. /-e+e:+tay/ -+ lesb . /-e:tay/ , boiot. /-e:ttr: /
lesb. /-e:tay/ TTapaKdAT1TaL 186 IG 12,2: 528.7
boiot. /-e : t~: / civrt1ToteiTT1 1G 7:3080.4, E1TLTe"A..ieLT'Tl
E. 77 :04 .6
185 Folgende Formen sind belegt:
IG 7: 3169.11 ~OKIEIKAAJ\JI:TO( Orkhomenos 3. Jhdt.
BCH 1937 : 217ff. z. 6 tirrov Ka 60Kt'l ev KaAAWTOt els.iev Thespiai 3. Jhdt.
E. 77:04. 11 ~Te Ka 6oKelet Koroneia 3. Jhdt.
IG 7:3081.5 eL 6t Ka n~ ö.vnrroteiTTI .•• ef . .. ö.6tKi Lebadeia 2. J hdt.
In der Inschrift aus Orkhomenos hatte Meister (1882 : 278) 6oKlH abgetrennt; Thumb-
Scherer (1959: 23,40) und Buck (1968 : 39f.) fUhren ohne Referenz eine solche Form
als boiot. 3. Sg.Konj. an. Dittenberger (1G) jedoch restitutiert , indem er I vor K in N
•
korrigie.rt, die Formel [el Ka ) 6oKi e(vJ KaAAW70[t d #lt'll ), obgleich eine Form 6oKlet
(mit (i) aus (e), § 41 ) durchaus denkbar wäre (vgl. auch Konj.Med. errtTfAletTTI und tet
§ 197). In Thespiai (6oKei) ist (e J nk ht zu (i) gehoben, sondern mit dem folgenden (e: )
kontrahiert. In der Inschrift des 2. Jhdt.s aus Lebadeia (M lKi) ist (e: J weite.r zu [i: ) ge·
worden. Rätselhaft ist die Länge des Stammauslauts in 6oKel et , analog zu errtre>..letTTI
Z. 6 wäre 6oKlet zu erwarten.
186 Diese Form muß, obwohl sie auch auf eine athematische Bildung zurückgeflihrt wer-
den könnte, wegen Ka >..towt auf der gleichen Inschrift {Z. 35 ) als thematisch interpre·
tiert werden .
176
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Flexionstyp rtJ.ltiw
lnd . Akt. 3. Sg. /-a+e+ti/ ~ /-a:y/
thess. /-a:y/ f.povrat (?) DGE 617,2.a1 188
Imp. Akt. 3. Sg. /-a+e+to :/ ~ boiot. /-aeto:/
boiot. /-aeto:/ iabw SEG 22:407.21
Von ä-Verben sind im Boiotischen belegt die Formen ia€rw und laOVTv<: (§ 236),
beide 3. Jhdt. 189 Aus Inschriften des 2. und 1. Jhdt.s liegen die Formen
aov"Aei.rw AD 1916: 218f. Z. 11 , aov"Ad.rwv AD 1916: 220f. Z. 39, aov"Awv.,Jw
IG 7:3198.14, aov"Awaa AD 1916: 218f. Z. 79, AD 1916: 220f. Z. 9 etc.,
aov"AwVTec: IG 7:3198.6, IG 7:3200.13 etc., aovAELJ.lEV BCH 1895 : 157ff.
z. b7
TI.J.lwaa SEG 1: 132.16, ri.J.l€waa IG 7:2383.18
VU<WVreaat IG 7:2410.6, vU<wVTa E. 77:56, f.viKwv IG 7:3197.1, f.viKwaav
(§ 170) IG 7:3195.4
187 Thematisch wie ~ea>..ewJ,~ev Z. 88 .
188 Die in Dodona gefundene Bleitafel unbekannter Herkunft (Zeit : etwa 3. Jhdt.) wird
für thessalisch gehalten (1) wegen der zweimaligen Schreibung ou für [o:) (aber zwei-
mal ist auch w geschrieben), (2) wegen der Apokope in rrep (die aber auch in einer
Reihe anderer griechischer Dialekte belegt ist) und (3) wegen der eingetretenen Kon-
traktion in tpouTat (das Eintreten von Kontraktionen im Thessalischen könnte aber
erst durch die Interpretation von Formen wie epouTat bewiesen werden). Wegen des
Dativs auf foyf (in a&roi) stamme die Inscluüt aus Kierion. Wenn man sich auf den
Standpunkt stellt, die Sprache dieser Inschrift sei trotz der Inkonsequenzen thessa-
lisch, so bestehen zwei Möglichkeiten, epouTat zu analysieren: entweder man setzt
eine thematische Bildung /ero:ta+e+ti/ voraus und nimmt für die weitere Ableitung
eine Kontraktion an: /ero:ta+e+ti/-. /ero:taeyt/-+ /ero:ta:y/ epoUTät, oder man geht
von einer athematischen Bildung aus: /ero:ta :+ti/ --+ /ero:ta:yt/-+ fero:tayt/ .... /ero:tay/
epooTat. Die bisherigen Kenntnisse vom Thessalischen sprechen eher für die erste Lö-
sung: thematische Bildungen von Verben der Verbalklasse 11 sind in Kierion (Tbessa-
liotis) tatsächlich belegt (§ 181 ).
189 In IG 7:1670.3 (Plataiai, Ende 6. Jhdt.) ist nunmehr zu lesen [e)wop<iovn (E. 80:45).
Das Epigramm ist aber wegen ".&o', ew-, [<1)aJ.~arpo[~) statt <1~arepo~ (§ 260) nicht
dialektecht.
vor, die als kontrahiert den oben zitierten unkontrahierten teils kommentarlos
(Bechtel 1921: 236), teils als nicht dialektal (Thumb - Scherer 1959: 41) ge-
genübergestellt werden. Hock ( 1971 : 190ff.) hingegen hält es für sicher, daß das
Boiotische eine thematische kontrahierende ä-Flexion gehabt habe; Kontraktion
sei in den abseits gelegenen Bergdialekten (Thisbai, Tanagra, Plataiai mit OPAON
TI, lairw, ia6V"Tv~) noch nicht eingetreten. Dem ist entgegenzuhalten, daß die-
se Interpretation (I) die chronologischen Verhaltnisse auf den Kopf stellt (un-
kontrahierte Formen sind früher belegt als die kontrahierten), (2) das regelmä-
ßige Fehlen von Kontraktion in Nominalendungen (-a.o, -awv § 70) nicht berück-
sichtigt, (3) das Auftreten junger Entwicklungen (Schreibung ' statt e in iaerw,
ia.iwrv~. Endung -v~ statt -ot~ in ia6V"Tv~) in den vermeintlich abseits gelegenen
Bergdialekten nicht in Betracht zieht . Für das vorliegende Belegmaterial ist die
Auffassung, daß die kontrahierten Formen nicht authentisch seien, mit gerin-
geren Schwierigkeiten behaftet.
Flexionstyp arei(XLvow
§ 192. Stammbildung
Verben der Verbalklasse III haben als Stanun s1 flir Präsens und Imperfekt den
reduplizierten Stamm Sm (zur Reduplikation vgl. § 163).
Sm s.
/the:+/ -+ / thithe:+/-+ / tithe:+/
/do :+/ -+ / dido:+/
/sta:+/ -+ /sista:+/ -+ /hista:+/
Aus der historischen Grammatik des Griechischen ist bekannt, daß die beiden
Stämme Sm und S1 ursprünglich Ablaut zeigten, dessen Fortsetzung sich in
einem Kontrast der Quantität des Stanunvokals manifestiert: Länge in den Fle-
xionsformen des Aktiv Singular Indikativs und des Konjunktivs, Kürze in den
178
00046245
Rexionsformen des Aktiv Plural Indikativs und des Mediums. Diese Abstufungs-
verhältnisse sind möglicherweise bewahrt in Präs. 3. Sg. [tithe:ti] : 3 . PI. [tithen-
ti] - der Stammvokal kann jedoch auch nach § 60 gekürzt sein - , sonst aber in
den einzelnen Dialekten in der Zeit, aus der die inschriftlichen Belege stammen,
in verschiedenem Ausmaß ausgeglichen und nicht mehr in einer Regel faßbar:
l:>oiot. [didomen] , aber thess. (dido :men], lesb . (dido :n]
boiot. [didosthay] , aber lesb. [dido:sthay].
§ 193. Folgende in entsprechender Weise für alle Verben dieser Klasse geltenden
Ableitungen sollen einige Formen verdeutlichen:
(1) Ind . Akt. 3. Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /thithe :+ti/
Hauchdissimilation /tithe :ti/
Oberflächenform boiot. ri~em
Bei der Ableitung der Form / tithe : ti/ aus zugrundeliegendem / thithe :ti/ wird
die Metathesenregel § 88 im Boiotischen nicht angewendet. Um dieser Ausnahme
Rechnung zu tragen, stellt Kiparsky ( 1966) eine modifizierte Metathesenregel
auf, in der der auslautende Vokal erhalten bleibt:
zugrundeliegende Repräsentation / thithe :+ti/
Hauchdissimilation /tithe :ti/
modiftZierte Metathese /tithe :yti/
Vokalkürzung /titheyti/
Dieser Lösungsvorschlag ist unbefriedigend, weil die modifizierte Metathese nur
zur Ableitung von Formen der 3. Sg. athematischer Verben im Boiotischen be-
nötigt wird und sich sonst in der Grammatik der aiolischen Dialekte nicht recht-
fertigen läßt. Im Lesbischen nämlich (aus dem Thessalischen liegen keine Belege
vo r) läßt sich die zu erwartende Form *ri~et 190 (vgl . let in trpoiet Alk 74 .7) ana-
log zu den (gleichfalls athematisch gebildeten) Formen der Verbalklasse D (§ 182)
und ohne Zusatzhypothesen ableiten :
zugrundeliegende Repräsentation / thithe :+ti/
Metathese / thithe:yt/
Vokalkürzung / thitheyt/
Verschlußlau ttilgung / thitheyI
Hauchdissimilation /ti they I
Die Annahme von lesb. *ri~et wird durch eine weitere Parallele zu der Verbal-
klasse li unterstützt: von einem Grarnrnatiker (Herodian. 11 832.37) wird für
das Lesbische eine Form ri~ bezeugt, die sich zu *ri~et verhält wie troin zu
dem häufigeren Typus cpl"Aet (§ 183):
190 Tl~aw Alk 58.23 ist wegen des ny ephelkystikon keine Dialektform.
179
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§ 194. Belege
180
00046245
neia) (alle Belege aus dem 3. oder 2. Jhdt.). c'J.VTi"e'Tfl IG 7: 3082.3 (Lebadeia, 2. Jhdt.)
ist wohl eher Verschreibung (flir c'J.VTl.,etn) als eine Form der 3. Sg.Präs.Med., weil Me-
d ialformen sonst in diesem Kontext in den stereotypen Formeln der Freilassungsur-
kunden nicht belegt sind und weil die 3. Sg.Med. möglicherweise wie im Lesb. und
Thess. (cf. 6l6o1'aL) mit kurzem Stammvokal (• c'J.VT{!)eTfl) gebildet wwde. Das letzte
Argument allein ist jedoch nicht ausschlaggebend : einerseits ist die Verteilung d er Vo-
kaJquantitäten in der Stammsilbe von athematischen Verben mit Präsensreduplikation
nicht regelmäßig (cf. § 192), andererseits kannetauch flir kurzes (e) stehen (cf. a~
"eWJI statt c'J.ve.,ea.v, O. vel'jmv, § 43).
193 In der Erstpublikation (ZPE 1978: 125f.) und in E. 78:03.3 ist versehentlich Ö.VTMe'"'
gedruckt. Auf dem beigefUgten Photo (Tafel VII) ist N vor 91 deutlich zu erkennen.
194 Die Formen des Konj.A.kt. 3. Sg. 6l6w lG 12,2 S: 136.b22 und ö.va1'i"" IG 12,2 S:
139.99 (beide Belege aus der 1. Hälfte des 2 . Jhdt.s) gehören d er Koine an und sind
fUr die Betrachtung des Lesbischen nicht relevant.
195 Beide Belege stammen von archaischen Weihinschriften aus dem 7./6. Jhdt. Nach
Strunk (1961) enthalten diese Weiltinschriften alte poetische Formeln, die wohl eher
einer vom Aiolischen beeinflußten Tradition als dem bodenständigen Boiotischen ent-
stammen. Damit erklärt sich auch die - aus dem Boiotischen selbst nicht verständ-
liche - Bildung der Form 6l6ot: entsprechend einem gut nachweisbaren Must er ist die
2. Sg.Imp. 6l6ot zu der 2. Sg. Indikativ 6l6ot~ hinzligebildet, die für das Lesbische an-
zunehmen ist und auch von Grammatikern (Herodian. 11 111.18) als aiolisch au!gewie-
sen wird. Damit verwirft Strunk eine auf Brugrnann zurückgehende, auch heute noch
(zuletzt Bader 1976: 66ff.) vertretene Erklärung, nach der 6l6ot als 6L6o+t (Stamm +
deiktische Partikel) zu analysieren ist .
181
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§ 195. cpii~L
lnd . Akt. l. Sg. /pha:+mi/ ~ lesb. /pha:mi/
cpii~' Sa 147 196, cpiitp.'t 197 (§ 85) Sa 88.17
2. Sg. /pha:+si/ ~ lesb. /pha:hi/ 198 ~ /pha:y/
cpiiL Alk 340 199
3. Sg. /pha :+ti/ ~ lesb . /pha:si/ 198
cpiiot IG 12,2:268.3 (5. Jhdt.), cpiito 't 197 (§ 85) Alk 73.5
3. Pl. / pha+nti/ ~ lesb . /phaysi/
'P(liot Sa 166.1 , 'P(lio't Sa 16.2
182
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§ 197.
183
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menden Inschrift IG 12,2 S:l38.10/ ll (= !Magnesia 52.10/ 11) aus dem 2. Jhdt. ist
evn wohl für ean verschrieben (Bechtel 1909: 62, Boüüaert 1954: 372 A2) und in
IT)Ct uuueci eC1C1L lAssos 3.1 ist gleichfalls Verschreibung für eun anzunehmen (Bechtel
1909:8, Boüüaert 1954: 373 A4; anders Hoffmann 1893: 475,5 69 : traut mit Formen-
ausgleichung an ~u-at, ~a-n, ea-p.ev, ea--re angelehnt). Als ursprüngliche Form de.r 3. PL
ist im Lesbischen, analog zum Thessalischen und Boiotischen, eine Ableitung aus /s+en-
ti/ zu erwarten: /s+enti/ - /henti/ -+ jenii/ -+ /ensi/ - fey si/ (cf. auch Strunk 1959);
der verbale Synkretismus, der sich in der Verwendung der Form der 3. Sg. für die 3. PI.
manifestiert, geht auf den Einfluß der Koine zurück (vgl. auch Morpurgo-Davies 1964:
144 mit weiterer Literatur).
207 Im Lesbischen stehen somit kontrahierte und unkontrahlerte Formen nebeneinander;
im Thessalischen sind nur kontrahierte, im Boiotischen nur unkontrahierte Formen be-
legt.
208 etot McD 450.11 und ewwav McD 419 .20 (Gonnoi, 2. Jhdt.) sind Koine-Formen (Som-
mer 1977: 18lf.: Umformung aus el11uav mit der der späteren Koine angehörenden
thematis.chen 3. Pl.Opt. auf -owav) und bleiben für die Betrachtung des thessalischen
Dialekts außer Betracht.
209 Zur Bildung von ev~w vgl. § 177. Daneben ist auch eine thematische Form belegt:
l.c:l(v)~w BCH 1970: 157ff. Z. 18/ 19 (Orkhomenos, 2_ Jhdt.).
184
00046245
10.3 Imperfekt
10.3. 1 Verbalklasse I
§ 198.
lnd . Akt. 3. Sg. /+e+t/ -+ lesb. thess . boiot. /+e/ (§ 155)
lesb. /e/ 17xe IG 12,2:529.13, eoixa~e IG 12,2 S:
143.14
thess. /e/ eixe McD 337.40, erreßaXXe ibid. Z. 20
boiot. /e/ €rre"Pc1pc.Ooe IG 7 :504. 1, w.pe,xe SEG 3:
356.2
3. PI. /+o+n/ -+ lesb . /+on/ 210
lesb. /on/ eoixa~ov IG 12,2 S: 139.34, #rrpa(a)aov
IG 12,2: 15.3 1
Ind. Med. 3. Sg. /+e+to/ -+ lesb . / +eto/
lesb. /eto/ €Xai~er[o ] IG 12,2:526 .a4, Kar[e]"Pevoero
ibid. Z. a14/15
10.3.2 Verbalklasse 11
Thematische Flexionstypen
185
00046245
10.3.3 Verbalklasse V
§ 200.
Ind. 3. Sg. /e-es+t/ -+ lesb. boiot. fe:s/ -+ boiot. /i:s/
lesb. e:s r}c; Sa 44.28, Alk 67.1
boiot. e:s rrapeic; IG 7:3 198.8, IG 7:3379.11, DGE
485.40,43 ,45 (aber -ic; Z. 48) , elc; Korinna
PMG 654 IV 40212
3.Pl. lesb. eon €ov DGE 644.12213
/e-es+an/ -+ boiot. /e:an/
boiot. e:an rrape'iav IG 7: 3173.4/5, DGE 485.22
10.4 Aorist
10.4.1 A orist/: Verbalklassen 1- 11 (s-Aorist}
§ 201. Verben der Verbalklassen I und li bilden den Aorist mit dem Suffix /s+a/
Bei konsonantisch auslautenden Stämmen der Verbalklasse I unterliegen die aus
der Suffigierung von /s+a/ resultierenden Konsonantenfolgen Assimilationsprozes-
sen, die im Phonologischen Teil dieser Arbeit beschrieben sind:
Stämme auf Sonant (§ 114- 115)
/e-stel+s+a+/ -+ lesb. thess. /estella+/, boiot. /este :la+/
/e-men+s+a+/ -+ lesb. thess. /emenna+/ , boiot. /eme:na+/
Stämme auf Verschlußlaut
/e-leg+s+a+/ -+ lesb. thess. boiot. /eleksa+/ (§ 143)
/e-graph+s+a+/ -+ lesb. thess. boiot. /egrapsa+/ (§ 144)
Zur Schreibung der Konsonantenfolgen [ks ], [ps] im archaischen Alphabet vgl.
§ 28.
Besondere Probleme wirft die Klasse der Verba auf lesb. -tw, boiot. (und thess.?)
-ööw auf, in der primäre yo-Ableitungen von Nominalstämmen auf /g/ und /d/
(von denen in den aiolischen Dialekten nur wenige Beispiele zu finden sind) und
zahlreiche sekundäre analogische Bildungen vereinigt sind. Zu den nach ihrer Her-
kunft verschiedenen Stämmen sind Aoriste auf [-ks-] (Präs. /harpag+yo+/, Aor.
/ha:rpag+sa+/ -+ / ha:rpaksa+/) und [-ss-/-tt-] (Präs. /elpid+yo+/, Aor. /e:lpid+sa+/
212 Nach Maoon (1978 : 125); vgl. aber auch fjoo)a Korinna PMG 657.
213 Nach Morpurgo-Oavies (1964: 142f.) kann die Form eov DGE 644.12 aus Aigai (Mitte
3. Jhdt.) nicht als sicherer Beleg flir die 3. PI. des verbum substantivum im Lesbischen
gewertet werden, (1) weil die Sprache der Inschrift ionische Einflüsse zeigt, (2) weil
das Subjekt vo n eov, eine Form im Neutrum Plural, auch eine Interpretation der Verb-
form als 3. Sg. zuläßt und (3) weil eov sich auch als analoge Neubildung nach dem
Must er anderer Imperfekta erklären läßt. Für das ä.lte.re Aiolisch (Sapphos und Alkaios')
sei eine Form fiv in Betracht zu ziehen. Zweifel an der Authentizität der literarischen
Belege für eov (Sa 63.7 , Alk 405) erhebt auch Sommer (1977: 226ff.). Die Form f)oav
in einem de.r .,abnormal" (Lobel) Gedichte Sapphos (Sa 142) ist eine Entlehnung aus
der Sprache des Epos (vgl. § 170).
186
00046245
~ /e:1pitsa+/ ~ lesb. /e:lpissa+/, boiot. /e: lpitta+/) zu erwarten, aber wegen der
Ambiguität des Stammauslauts -~-/.fJö- im Präsens und begünstigt durch sekundäre
analogische Bildungen ist das Nebeneinander dieser verschiedenen Aoristbildungen
in allen griechischen Dialekten in der einen oder anderen Richtung vereinheitlicht
worden.
§ 202. Im Boiotischen bilden die Verben auf .fJöw den Aorist auf [-tt-] (zur
Assimilation /-ds-/ ~ /-ts-1 ~ [-tt-] vgl. §§ 143, 146, zu den Belegen § 208). Ab-
weichend davon treten im Südwesten Boiotiens (Thespiai und Koroneia) Aoriste
auf [-ks-] auf, vgl .:
(!1roXcryirraolhl DGE 462.a23 (Tanagra), IG 7:3 172.39 (Orkhomenos) :
a:rroXcry~aolhl SEG 1:132.22 (Thespiai)114
iapwirraoa BCH 1940/41 :41 Z. 2 (Lebadeia) : iape~aoa IG 7:2876.3/4
(Koroneia), IG 7: 1816.2 (Thespiai)
KaraoKeu<irr17IG 7: 3169.9 (Orkhomenos) : erreoK~e IG 7:2876.8/9
(Koroneia)
Kop.trrap.evot IG 7:2405.1 2 (Thebai) : €KOJJ.L~cip.et?[ a) IG 7: 1737.23 (Thespiai)
€1}1~11a[:ro] IG 7:3054.8 (Lebadeia) : lji~Cij.t[ €]vw E. 78: 18.8 (Thespiai?)
Abweichend von dieser Verteilung bietet die Inschrift E. 77:04 aus Koroneia ö:rro'NYytr·
raii"W z. 15 und e>..M-ytrr<iii"W z. 25 mit --rr-. Nicht als Ausnahme anzuerkennen ist
elliP~e auf einer in Akraiphla gefundenen Weihinschrüt (IG 7:4137) eines Bürgers aus
l.arymna an der Grenze zu Lokris, einem Gebiet, in dem Aoriste auf+ üblich waren.
Die Aoriste auf [-ks-] in einem Teilgebiet Boiotiens sind dem Einfluß benachbar-
ter - westgriechischer - Dialekte zuzuschreiben .
§ 203. Im Thessalischen läßt sich der Stammauslaut der Entsprechungen von lesb.
-~w/boiot. .fJöw nicht mit Sicherheit bestimmen (§ 135). Folgende Aoristformen
sind belegt:
cppovrioat McD 310.29/ 30 (Kran non, 2. Jhdt.), cppo111loew McD 337.28 (Larisa,
2. Jhdt.)liS "
ln~[aro] IG 9,2:602 (Larisa, 5. Jhdt.), lp-ya~aro IG 9 ,2: 1027b (aus Atrax?,
5. Jhdt.)l l6
ljl~~a,.,.€vac; IG 9 ,2:517.9 (Larisa, Ende 3. Jhdt.), ljla[cp] l~aot?et[v] ibid. Z.14
214 IJ.tro>..o"(loa!)J1 DGE 485.10 (Thespiai, 3. Jhdt.) ist eine künstliche Bildung aus einem
Koine-Stamm auf -o- und einer boiotischen Endung.
21 5 Nach dem Ausweis dieser Formen ist in der etwa gleichzeitigen Inschrift IG 9 ,2 :512.12
wohl auch .ppo11(rl )oew zu lesen; für .ppo11(rlo)oew (Bechtel1921 : 154,190, Thumb-
Scherer 1959 : 70, Lejeune 1972: 103) bietet d ie Lücke auf dem Stein auch nicht ge-
aügend Platz.
216 Lesung und Lokalisierung dieser Inschrift sind von B. Helly (GHW 4154) korrigiert.
187
•
00046245
Alle Formen stammen aus der Pelasgiotis, aus anderen Gebieten liegen keine Be-
lege vor.
Neben den Aoristen auf (ks] und [s] sind Formen des Aorist, Futur und Per-
fekt Passivs belegt, in denen der Stammauslaut vor einem mit Dental anlauten-
den Suffix zu [s] assimiliert ist. Diese Assimilation läßt zwar auf einen dentalen
Stammauslaut schließen, aber eine genauere Bestimmung dieses Dentals ist nicht
möglich.
O.:rre'AeutJepeotJ€voa IG 9,2:414 passim (Pherai, 2. Jhdt.)
5oKq..LaotJ€vreoot IG 9,2:1228.19 {Phalanna, 3. Jhdt.)
e~ep-yaotJdoeotJew IG 9,2:5 17. 17 (Larisa, Ende 3. Jhdt.)
€1jlc1pt.oret ibid. z. 17, SEG 27:20 2. 15/ 16
Nach vorherrschender Auffassung bilden die Verben auf "- ~w" im Thessalischen
- wie in den westgriechischen Dialekten - den Aorist auf-~- (van der Velde 1924:
116, Thumb-Scherer 1959: 70, Buck 1968: 115f.). Die schon zu Beginn der
Oberlieferung nachweisbare Form {p-ya~aro scheint diese These zu unterstützen ,
aber die mit beiden Belegen verbundenen Schriftprobleme sind bisher nicht aus-
reichend gewürdigt worden :
•
(1) In €p-ya~aro ist f nicht geschrieben, obwohl dieser Buchstabe noch bis in
das 4 . Jhdt. in Thessalien verwendet wurde .
Es erscheint problematisch, mit u.a. Hock (197 1: 235) eine Tilgung von [w) in der Laut-
folge Iewe) und Kontraktion von Iee 1 zu (e: 1 anzunehmen. Im Thessalischen ist F zwischen
Vokalen bis zum 5. Jhdt. (§ 97), im Anlaut bis zum 4. J hdt. (§ 95), als Bestandteil eines
Diphthongs vor einem Vokal der Folgesilbe (vgl. evfwyhav IG 9,2:257.5, 5. Jhdt.) gleich-
falls bis zum 4. Jhdt. (§ 32) erhalten.
(2) In ep-ya.~aro wird flir die Schreibung von [ks] das Zeichen :::: (sämekh) ver-
wendet, obwohl sonst auf Inschriften der Pelasgiotis im archaischen Alphabet
andere Zeichen oder Zeichenkombinationen verwendet wurden (§ 28).
B. Helly hält es - gegen J effery (1961: 98) - nach einer Überprüfung an Hand einer neuen
Photographie für wahrscheinlich, daß in IG 9,2: 1027b das Zeichen xei und nicht das Zei-
chen sömekh geschrieben war. Damit wäre flir einen der beiden Belege eines der beiden Argu-
mente hinfällig.
Die Verwendung des Zeichens sämekh läßt drei Hypothesen zu:
( 1) Das Zeichen :::: (sämekh) wurde schon ein halbes Jahrhundert vor der generel-
len Obernahme des ionischen Alphabets in der Pelasgiotis für den Lautwert [ks]
eingeführt (so Jeffery 1961: 98).
(2) Das Zeichen :::: steht nicht flir [ks], sondern flir eine andere, noch zu bestim-
mende Lautfolge.
(3) Die Form ep-y~aro ist wegen ihrer graphischen Besonderheiten nicht thessa-
lisch.
Die erste Hypothese ist anfechtbar, weil sie die Singularität der Verwendung von
sämekh unter einer Reihe andersartiger Belege nicht in Betracht zieht und sich da-
188
00046245
mit der Notwendigkeit entledigt, Gründe für das Auftreten der Ausnahme auf-
zuzeigen. Für die zweite Hypothese gibt es nur vereinzelte Parallelen in Inschrif-
ten aus Korinth, Thera und Kreta, wo ::: statt I meist für die Fortsetzung von
/dy/ in /dyews/ verwendet wird (Guarducci 1967: 78,92). Die größte Wahr-
scheinlichkeit hat Hypothese (3) für sich: in beiden Fällen ist F in /e-werg-/
nicht berücksichtigt, und zumindest in einem der beiden Fälle hat ein nicht-
thessalischer Künstler in seiner Signatur ein in Thessallen zu jener Zeit noch nicht
geläufiges Zeichen für [ks] benutzt. Beide Belege sind somit mit solch starken
Zweifeln an ihrer Authentizität behaftet, daß sie als Dokumente des Thessalischen
nicht verwertbar sind.2 17 Die verbleibenden relativ spät bezeugten Formen sind gleich-
falls für das Thessalische nicht repräsentativ : 1/la;p~- im Aorist neben 1/la;pw- (statt
1/ICllpU(-) im Perfekt kann auf den (rezenten) Einfluß nordwestgriechischer Dialekte
zurückgehen (Bechtel 1921: 190). Die Formen von !ppovna- mit einfachem a ent-
stammen wohl der Koine, kommen aber der Lautgestalt, die für das Thessallsche
vermutet werden kann, am nächsten: unabhängig davon, wie der Stammauslaut
' '
der Verben auf "-~w" im Präsens beschaffen war ([dd], [dd] oder [zd]), müßte
die für das Thessalische charakteristische regressive Assimilation mit /s/ - wie
im Lesbischen - [ss] ergeben.
189
00046245
§ 205. Die von Nominalstämmen auf /k/ (von Stämmen auf /t/ liegen keine Be-
lege vor) abgeleiteten Verben auf lesb. -aaw, boiot. -nw (Kapvaaw/Kaporirrw ,
rrpdaaw/rrparrw, cpvXaaow/!/)OVMrrw)220 bilden entsprechend ihrer Derivations-
geschichte den Aorist ausnahmslos auf [-ks-]: lesb. &yKdpv~cu. IG 12,2 S:2.6,
Kapv~d.vrwv IG 12,2:646.a46 , boiot. Kapov~dv~w BCH 1892: 458ff. Z. 5 (Akrai·
phia); lesb. €rrp~e IG 12,2:645 .al4, boiot. €rrp~e IG 7:2420.36 (Thebai); lesb.
cpvX~11 lG 12,2:59.9. Auf Grund sekundärer analogischer Prozesse gehört auch
lesb. rdoaw (/tag+yo+/ hätte zu / tazdo+/ werden mlissen), boiot. rdMw/rdrrw 2:
mit dem Aorist lesb. Kardr~cu. IG 12,2: 529 .8, boiot. rrorera~e lG 7:3083 . I 3
(Lebadeia) (cf. auch thess. €rd~atv 222 IG 9,2:1229.19 Phalanna, 2. Jhdt.) in
die Klasse der Verben mit lautgesetzlichem -oow/-rrw.
§ 206. Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Bild: Verben mit Präsens-
stamm auf (dd] im Boiotischen, [zd] im Lesbischen bilden den Sigmatischen
Aorist - unabhängig von der Ableitungsgeschichte von [dd ]/Lzd] - den Laut-
gesetzen entsprechend auf [tt] im Boiotischen, [ss] im Lesbischen (nur in einem
Teilgebiet des Solotischen auf Grund fremden Einflusses auf [ks ]). Diese Ver-
teilung entspricht der Verteilung der Resultate aus der Dentalassimilation (§ 146)
im Thessalischen, wo die bisher vorliegenden Zeugnisse starken Zweifeln an ihrer
Authentizität unterliegen, ist - unter der Voraussetzung, daß die Assimilation
regelmäßig regressiv verläuft - der gleiche Befu nd wie im Lesbischen zu erwar-
ten . Verben mit Präsensstamm auf (tt] im Boiotischen, [ss] im Lesbischen bil-
den - soweit das beschränkte Material die Feststellung von Regelmäßigkelten
zuläßt - den sigmatischen Aorist entsprechend ihrer Ableitungsgeschichte in
beiden Dialekten auf [ks ); flir das Thessalische ist der gleiche Befund zu erwar-
ten .
190
00046245
Belege :
lesb. reA.eaaatc: IG 12,2:134.8, e1rereA.eaae IG 12,2:69.b4, IG 12,2:528.22,
emreA.€aaavra IG 12,2:242.9, OVV€TEA€00€ IG 12,2 S:17.3,.QlJIJT€AEO-
aavra IG 12,2 :498.22, IG 12,2:500.14224
225 226
T€AE001'/ Alk 36 1 , r€A.eaaat Sa 1.26, eKreA.eaaavrec: Sa 17.5
boiot. emreA.€aawvn IG 7:2410.8, TeA.eaaiar[poroc:] IG 7:2378 .
lesb. elae{e}KaA.eaae !Lesbos 11 8.5/6 (5. Jhdt.), 1rapaKaA.€aaet IG 12,2 S:
140.18, 1rapaKaA.eaaat IKyme 13.16 227; KaA.eaaat Alk 368.1
boiot. aovvKaMaaavrec: DGE 462.a15/16228
Aoristbildungen mit /ss/ haben sich im Anschluß an das Muster reA.eaaat -+
KaA.eaaat im Lesbischen und Boiotischen, aber nicht im Thessalischen, auf Ver-
balstämme mit kurzem auslautendem Vokal ausgedehnt und konstituieren eine
charakteristische Neuerung dieser Dialekte 229:
a:ya- boiot. 'A-yaaat"'(irovoc: IG 7:2718.1, 'A"'(aaatf><ip.ov IG 7:2446.3 230
aive- lesb. e1raiveaaat IG 12,2 S: 143.15 231
€pv- lesb. €pvaaoJlev Alk 167.20
A.oe· lesb. A.oeaacip.evov IG 12,2 S:126.4
6JlO· lesb. [ö]s.L<Saaavrec: IG 12,2:526.b30, OJl6aaavrac: ibid. Z. a16 232
boiot. eaawJlo[ a ]aav SEG 23:27 1.61 (aber thess. 233 OJloaavrec: IG
9,2: 1229.25)
224 Aber (avvre]>.eaavra IG 12,2 5:115 .9/10. ere>.eaev IG 12,2 5:692.14 ist nicht diar
lektecht.
225 re>.eaaTJ cod., re>-eae~ L- P, re>.eaTJ Voigt.
226 rfAeaov Sa 1.27 ist metrisch bedingt. Die Fragmente ]>.eaeu Sa 76.2 und ]>.eaov Sa
60.3 können für die Argumentation nicht herangezogen werden. Morpurgo Davies
(1976) interpretiert das Schwanken zwischen -ss- und -s- im Rahmen eines auch für
die Dative auf -essi/-esi (§ 270f.) postulierten protoaiolischen Lautwandels -ss- > -s-
mit einer späteren Wiederherstellung von Formen mit -ss-.
227 Ka>.eaaarwaav IPergamon 245.86, IG 12,2 S:139.15/16,100 (neben trapatca>.eae~
Z. 51) ist eine hybride Form mit der hellenistischen Endung -rw-aav (§ 177).
228 lai>.eaat IErythrai 122.46, TrapaKa>.eaat IKyme 12.2, (uv)veKa>.eae IG 12,2 S:17.1 und
rraped>.eaav ]Magnesia 25.10 sind nicht authentisch für den jeweiligen Dialekt.
229 Schulze (1 933: 355) konnte den boiotischen Beleg eaaw~o~o(a )aav noch nicht kennen
und hat wohl deshalb den Aoristtyp mit Doppel-s für "eine auf asiatischem Boden voll-
zogene Neuerung der ausgewanderten Äoler" gehalten. Dagegen hat zwar Bechtel
(1921: 91) betont, daß dieses Merkmal "der Zeit vor der Besiedlung der kleinasiati-
schen Küste durch die Äoler" angehört, aber die Frage offengelassen, warum das
Thessalische daran keinen Anteil hat.
230 So mit Sechtel (1921: 285), Thumb-Scherer (1959: 42).
2j1 Aber e1raiveaat IG Ü,2: 18.7, lErythrai 122.34; Fut. etraweaow[t) LAssos 4.2. Lesb.
l traiVTJaat IG 12,2:15.21, IG 12,2:529.9, IErythrai 122.31, boiot. lm'jvewav SEG
1:132.11 können regelge.recht aus dem Stamm mit langem auslautendem Vokal und dem
Aoristkennzeichen /s/ gebildet sein.
232 Dagegen b:rrw~o~Dae Sa 44A.a4.
233 Da auf der gleichen Inschrüt auch (ss) in eaao~o~evav Z. 39/40 vorkommt, gibt es keinen
Grund anzunehmen, daß nicht auch •o,.WaaaVTe~ geschrieben worden wäre, wenn es
191
00046245
§ 208. Belege
lnd. Akt . 2. Sg. /+sa+s/ ~ lesb. /+sas/
lesb. /sas/ (II) err617oa<: Sa 48. 1
3. Sg. /+s+e/ ~ lesb . thess. boiot . / +se/
lesb. /se/ (I) eoixaooe IG 12,2 S: 143.1 2, erreKptJJve
IG 12,2:6.28, arrerrep.l/Je IG 12,2:526.a35,
o[v]'yKareKavoe ibid. Z. a13
(ll) f7T€T€A€00€ IG 12,2:528.22, exetpOT6-
. S: 125.20, otWtK170€ IG 12,2:
Il'J70€ IG 12,2
645 .a24
thess. /se/ (I) €-ypal/Je IG 9,2:5 17.1 8, €oo~e McD
310. 14, e~arreoreA.A.e McD 1179.49
(li) flrroieoe DGE 607a.3
boiot. /se/ (I) €'A.e~e IG 7:283.1 , evefjaae DGE 4 85. 12
avci.ryetA.e IG 7: 41 36.2, am]vt~e (§ 39) IG
7: 1737. 12
(II) erroieoe E. 76:63, err6ewe BCH 1926:
428 Nr. 54 .4, a~iwoe SEG 22:407.3
1. PI. /+sa+men/ ~ boiot. /+samen/
boiot. /samen/ (I) [a]rreor et'A.ap.ev IG 7: 1737.16, [a ]ve-ypa
1/Ja.p.ev ibid. Z. 19
3. PI. / +sa+n/ ~ lesb. thess. boiot. /+san/
lesb. /san/ (I) Kareoixaooav IG 12,2:526.a31 /32,
a?Te"Avoav ibid. Z .a3 1, a(p]~av IG 12,2 S:
114. 12, avci.A.woav IG 12,2: 15.35
(II) rrapexwp'J7oav IG 12,2:6.5
thess. /san/ (II) erroi€oav IG 9,2:257.5/6 (Thessaliotis)
boiot. /san/ (I) eypal/Jav IG 7:3 172.38, e~aljlav IG 7:
685.2/3, wptnav SEG 23:297.3, eiv~av
IG 7:241 8.24
(II) em'wewav SEG 1: 132.11 , ETLIJO.Oall
ibid. Z . 11, ep.io~woav BCH 1937: 2 17ff.
Z.3
diese Form im Thessalischen einmal gegeben hätte (Schulze 1933: 352ff.). Demgegen-
über Jassen sich Vermutungen wie die Strunks (,,Daß das Thessalische als einzige äolisch
Mundart -aa· niemals besessen haben soll, wird man angesichts der Belege im Lesbisch-
Böotischen nicht gern glauben wollen" 1957 : 109) oder Garcia-Ram6ns (,.11 peut ...
s'agir de deux developpements independants, du beotien d 'un cöte et du lesbien de
l'autre, mais l'origine proto-thessalienne de l'innovation est plus VTaisemblable" 1975:
68) nicht durch Belege stützen.
192
00046245
§ 209 . Verben der Verbalklasse IIJ zeigen in den Flexionsformen des Aorists -
wie in denen des Präsens (§ 192) - kontrastierende Quantitäten des Stamm·
vokals: im Aktiv Singular Indikativ und im Konjunktiv erscheint Länge des
Stammvokals, sonst Kürze : boiot. Sg. Ind. ~ÖWK.€ : PI. €5oSJeV.
Aus der Geschichte des Griechischen ist bekannt, daß die Verben ri"""SJL, OWW#JL
und 'l77SJL im Aorist ursprünglich nur in den Formen des Sg. Ind. Akt. das SuffiX
/k+a/ aufwiesen ; in boiot. Sg. €1?€K.e : PI. €t?eav (5. Jhdt.), lesb . ~5wK.e : €ooaav
{4 . Jhdt.) könnte diese Verteilung repräsentiert sein.234 Im Boiotischen sind je-
doch etwa zur gleichen Zeit und arn gleichen Ort auch zwei Belege flir eine 3. Sg.
234 Eine andere Interpretation von boiot. ~6ea.v wird von Sommer (1977: 26lff.) vertre·
ten.
194
00046245
€.J€ (dve.J€ IG 7:3682, AD 1917 : 367 Z . 4 Thebai) überliefert, die als eine ohne
SufflX gebildete Form /e-the:+t/ -+ /ethe:/ interpretiert werden kann.l 35
Das Muster der Stammbildung im Singular Aktiv (langer Stammvokal + SufflX
/k+a/) ist auf die Form der 3. Pl. übertragen worden; soweit die vorliegenden
Belege Rückschlüsse ermöglichen, muß diese Neubildung im Thessalischen be-
reits bei Beginn der Überlieferung vertreten gewesen sein (s.u.). Im Lesbischen
sind bereits bei den Lyrikern und auf einer Inschrift des 6 . Jhdt.s k-Formen
anzutreffen (~t'h/Kav Alk 129.4, ~öwKw Alk 69.3 ; [o)v€1J€Ka[v] Hoffmann
1893 Nr. 179), daneben aber auch noch Formen ohne /k/: eöoow Alk 50.4,
€ooow IG 12,2:3.2 ( 4. Jhdt.). Im Boiotischen schließlich sind Formen der 3.
P\. Aor. von Verben der Verbalklasse III ohne k-SufflX (Typ tive!J€av) vom 6 .
bis zum 3. Jhdt. - im gesamten Gebiet des Boiotischen - nachweisbar, k-For-
men hingegen (Typ dv€1J€ucav) nur zweimal in archaischen Weihinschriften aus
dem Ptoion (Akraiphia), danach erst wieder seit dem 3. Jhdt. und nur in
Orkhomenos (Belege hierzu § 211). Es hat den Anschein, daß diese Verteilung
nicht lediglich auf den Zuflillen der Überlieferung beruht, sondern daß eher die
beiden archaischen Belege als nicht repräsentativ anzusehen sind und somit die
Übertragung des k-Sufflxes auf die Form der 3. Pl. im Boiotischen erst relativ
spät und in einem lokal begrenzten Raum erfolgte.
tweß{Kcw ist belegt auf der Inschrift Ptoion 1971 Nr. 261 (A)vel)l~ec:w T ..A"dvcu (hO)~ i6ae
oo.pio.v wapci wa(Tpo~). die wegen des FehJens der Apokope in wapci und der poetischen
Diktion nicht authentisch zu sein braucht , und in E. 80:02 ... Ot jJf avei){KCW 1'{---J, der
Inschrift einer Vase. In den gleichzeitigen Weihungen von Einheimischen wird sonst immer
die Form lJ.vel)eav verwendet (z.B. Ptoion 1971 Nr.260 ·AKP<lf.IPlie~ avil)eav). In der frag-
mentarischen Inschrift Ptoion 1971 Nr. 248 kann fa)vei){K.ev auch 3. Sg. sein.
Das vierte der Verben der Verbalklasse 111, 'iora.p.t, bildet den Aorist ausschließ-
lich mit dem SuffiX /s/.
§ 210. Als Endung der 3. Pl. wird im Lesbischen bei denk-losen Formen / san/,
bei den k-Formen /an/ verwendet, im Boiotischen bei beiden Bildungstypen
/an/ . Die Verhältnisse im Thessalischen bedürfen einer ausführlicheren Erörte-
rung. Folgende Formen sind belegt:
( 1) Pelasgiotis
ov€t'UKev SEG 27:183 .2 (Atrax, ca. 500 v.Chr.)
öveth:ixaev McD 325.2 (Atrax 236, 4. Jhdt.)
235 So mit Schwyzer (1921 : 78, 1959: 741), Thumb-Scherer (1959: 41), Rix (1976: 201).
Dagegen verwirft Fonsman (1968) nach einer ausfUhrliehen Diskussion die Möglichkeit,
in der - im gesamten Griechischen singulären - Form ANE9E eine dem ai. tidhit ent-
sprechende, nicht mit dem Suffix k gebildete Aoristform zu sehen, und spricht sich für
eine Erklärung als fehlerhafte Schreibu03 (Silben-Haplographie für ANE9EKE) aus.
Eine fehlerhafte Schreibu03 für avUU~ee ist belegt : ANE9KE IG 7 :3575,3576 = K.a-
birenheiligtum 1980 Nr. 203, Nr. 341.
236 Oie Herkunft dieser Inschrift ist umstritten: aus Atrax nach dem Herausgeber und zu-
letzt Helly (1979: 243f.), aus Krannon nach u.a. Robert Bull. 1972. 233.
195
00046245
ove~eu<ae[v]
, McD 643.3 (Mopsion 237, 4. Jhdt.)
[€]c5ö[K)atev McD 205.1/2 (Pherai, 2. H. 5. Jhdt.)
€8wKcuev McD 2 13.3 (Pherai238, 4. Jhdt.)
€8WKcuev McD 1177 .2 239 (4. Jhdt.)
eoraoru.ev McD 347.32 (Larisa, Anf. 2. Jhdt.)
eooraoaev GHW 4546 (Atrax)
Endungen dieser Art sind wahrscheinlich zu ergänzen in:
ove~eu<a[ McD 322 (Krannon)
ä.?Te8ouKa[ IG 9,2:506.25 (Larisa, 2. Jhdt .)
(2) Perrhaibia
ove~eiKaev Biesantz ( 1965 :32) Nr. 56240 (Mylai, 2. H. 4. Jhdt.)
ove~et.Kav IG 9,2:1233.1 / 2 (Phalanna, 3. Jhdt .241 )
(3) Phthiotis (Pharsalos)
ove~dKaev IG 9 ,2:244.4 (4. Jhdt.)
[ove~]eiKaev McD 167.1 (4. Jhdt.)
ä.ve~eiKaev 242 IG 9,2:237.1 (3 . Jhdt.)
€8ouKaeJ.L 243 IG 9 ,2:234.3 (3. Jhdt.)
ave~[€]Kav IG 9 ,2: 241.1 / 2 (4. Jhdt.)
(4) Thessaliotis
IG 9,2:257.2 (Thetonion, 5. Jhdt.)
Aus dieser Aufstellung geht hervor, daß der Ausgang der 3. PI. Aor. bei den
Verben der Verbalklasse 111 in der Pelasgiotis in dem frühesten Zeugnis (um die
Wende des 6. zum 5. Jhdt.) -ev, seit dem 5. Jhdt . - mit einiger Wahrscheinlich-
keit regelmäßig - -a-ev/-atev lautete. Ln Pharsalos ist mehrfach -a-ev vertreten ;
mit ä.v€~[ {]Kav ist ein Gegenbeispiel zu verzeichnen, dessen Gewicht aber durch
weitere Besonderheiten der Inschrift IG 9,2:241 (&hreibung ö/w § 25, rot Dat.
Sg. oder Nom. P1.? § 274) gemildert wird. In der Perrhaibia treten zwei verschie-
dene Ausgänge, -a-ev und -a.-v, auf. In der Thessaliotis lautet der Ausgang -a-v,
über die Histiaiotis ist mangels Belegen keine Aussage möglich.
237 Aus einem Grab am Nordabhang des Ossa, abe.r noch innerhalb der Pelasgiotis.
238 Formen wie ~6wKav oder ~6ooav aus Pherai (McD 208.3, McD 210.2, McD 214.1) stam
men von Inschriften, die n.icht im thessalischen Dialekt abgefaßt sind (Verwendung von
v!dc; an Stelle des Patronymikons, Dat.PI. XP~S'ClOI(v) statt XPE'IJ.areool, Gen.Sg. -ö/-ov
statt -o' etc.). Die Herkunft von McD 206, eines Proxeniedelaets der Pheraier für Bür-
ger aus Opus, ist unbekannt; die Sprache der Inschrift ist nicht eindeutig thessalisch.
Die Form ~6wKaS~ Z. 4/ 5 (mit Assimilation vor $epawc;) wird daher hier nicht berück-
sichtigt.
239 Proxeniedekret der Thessaler, in Peiraieus gefunden, aber wohl aus der Pelasgiotis.
240 Die Lesung dieser Form ist durch GHW 4581 korrigiert.
241 Eine Datierung in das 3. Jhdt. wird von Schwyzer (DGE 613) angegeben; nach Sommer
(1977: 259) ist die Inschrift älter.
242 Vgl. IG 9,2 Add. p. XU.
243 ·S~ durch Assimilation vor S~d..
196
00046245
244 FUr freundliche Hinweise, die zur Präzisierung der folgenden Argumentation beitrugen,
bin ich A. Morpurgo-Davies zu Dank verpflichtet.
245 Ein Repräsentant für den Ausgang -av könnte nach Sommer (1977: 259) in ov~~u<a.v
aus Phalanna vorliegen (zur Datierung dieses Belegs vgl. oben Anm. 24 1).
246 Da der Ausgang -<1uv bisher nur in der Pela.sgiotis nachweisbar ist, wird man -<1w als
eine Fortsetzung von -a.ev (wie in ove~eiKo.ev aus Mylai) unter der Annahme einer Ent·
wiclclung [-aen 1-+ ( -ayn 1 interpretieren müssen.
197
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§ 211. Belege
ln Anbetracht der divergierenden Bildungen werden die Belege ftir die einzelnen
Dialekte getrennt aufgeführt.
Thessalisch : lorQ.JJt
Ind. Akt. 3. Sg. / +s+e/ ~
/+se/
f1TEOTM€ IG 9,2 :250.1
3. PI. /+s+a+en/ ~ /+saen/
eooraoaev, eorciOQ.L€11 (§ 210)
Konj. Akt . 3. Sg. /+s+e:+t/ ~ / +se: /
orcioet Helly i.V. Z. 3
Opt . Akt. 3. PI. /+i:+en/ ~ /+ien/
oow 247 BCH 1970 : 161ff. Z . 7
Boiotisch : ri!Jeq.u, oif>wiJ.L, letJ.lt
lnd. Akt. 3. Sg. /+t/ ~ /+0/
ave!J€ IG 7:3682, AD 1917: 367 Z. 4
/+k+e/ ~ /+ke/
dv€.,j€K€ IG 7:3575, ave!JeU<e BCH 1936: 177ff. Z . 24, €oÖI<e
IG 7:3468, EOWK€ SEG 3:356.12, lilpeÜ<€ IG 7:2383.14
1. PI. /+men/
d7T€OOJ.l€11 IG 7: 1737.14
3. Pl. /+an/
ave!Jea.v IG 7 :2455 , ave!JtaV, dve.,jetaJ.I (§§ 41-43)
/+k+an/
ave!JeU<a.v IG 7:3207.1, IG 7:3210.3, €owKa.v IG 7:3 172.19
(Orkhomenos)
3. Dual /+ta:n/
ave!Jeräv IG 7:2229.2, IG 7:3211.2, IG 7 :4160.3 248
Konj. Akt. 3. Sg. /+e :+t/ ~ / +e:/
d1ToOW€t IG 7:3172.154
lmp. Akt. 3. Sg. /+to:/
d1To66rw IG 7:31 72.152/ 153
Boiotisch: lorQ.JJt
lnd . Akt. 3. Sg. /+s+e/ ~ / +se/
mreoraoe IG 7:2383.7
KonJ. Akt. 3. Sg. /+s+e :+t/ ~ /+se :/
Karaordoet FS Navarre 1935 : 353 Z . 6
247 Die Lautfolge (oyen) in de.r zu erwartenden Form 6oüv entwiclcelte sich in Matropolis
Histiaiotis) zu (oyn) wie (ayos) über (ayes) zu (ays) (§ 51 , 68).
248 An Stelle der 3. Dual. wird aber auch die 3. PI. verwendet : lwHtav IG 7 : 2455 (um
500 v.Chr.).
199
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§ 212.
10.4.4 Aorist II
§ 213. Der Aorist II wird aus dem - nicht mit dem Präsensstamm identischen
- Stamm Sm gebildet (zum Verhältnis zwischen Aorist- und Präsensstamm vgl .
§ 162). Es sind zwei Stämme zu unterscheiden: athematische und thematische .
Von athematischen Stämmen sind auf Inschriften der aiolischen Dialekte ledig·
lieh belegt:
-yvw- in lesb. €-yvw IG 12,2:526.a33, IErythrai 122.1, Kara-yvw IG 12,2:526.
c18
ßä· in boiot. eveßa DGE 485.29 249 .
In der folgenden Aufstellung der Belege sind nur noch thematische Stämme be·
rücksichtigt.
249 Neben dem Aoriststamm /Jd· tritt im Boiotischen auch ein sigmatischer Stamm ßa·u·
auf: ev€ßauf Z. 12 der gleichen Inschrift wie eveßa, Fut. eJJ.ßO.ut IG 7: 17 39.1 0.
200
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§ 2ll4. Belege
201
00046245
§ 21S. Eigene Formen für die Kategorie Passiv werden nur im Aorist und inn
Futur (§ 220) von einem besonderen Stamm gebildet, der sich in der Regel ;aus
dem Präsensstamm und dem Suffix / the :/ oder /e:/ zusammensetzt. Die nacln
der Suffigierung von /the :/ eintretenden Assimilations- und Dissimilationsprm-
zesse sind in § § 143- 144 beschrieben. Einige Verben haben zur Bildung des;
Passivs einen eigenen , vom Präsensstamm abweichenden Stamm Stv.
202
00046245
Die historische Grammatik des Griechischen lehrt, daß die SuffiXe / tbe:/ und
/e:/ ursprünglich Ablaut zeigten. Die Küne des SuffiXvokals in dem Ausgang
der 3. PI. Ind. kann auch durch den - diachron rekonstruierten - Ablaut be-
dingt sein; die Aufstellung einer - synchronen - Ablautregelläßt sich aber aus
dem vorliegenden Korpus nicht rechtfertigen. Andererseits ist jedoch nicht aus-
zuschließen, daß die Länge des Suffixvokals im Indikativ Plural analogisch wie-
dereingeflihrt wurde; die jüngst publizierte thessalische Form €1reppa-'eL~[v]
SEG 27:226.6 aus einem unbekannten Ort der Pelasgiotis (2. H. 2. Jhdt.) ist
eine Neubildung mit dem Aoristsuffix /the :/ und der Sekundärendung /en/
(§ 210).
§ 217. Belege
Ind. 3. Sg. /+the:+t/ -+- lesb. thess. boiot. /+the:/
lesb. /the :/ hevilih? lKyme 30.6, €ou((iot9Tl IG 12,2:
526.a30
thess. /the :I öveJ,LerpeitJe[t] McD 347.34, €-yeveit9et
SEG 27 :226.11
boiot. /the:/ flp€t9et DGE 462.a38, €Koupwt9et E.78:
05.9
3. PI. /+the:+nt/ -+- lesb. boiot. /+then/
lesb. / then/ €[~€)7T€J.Lcpt9ev lG 12,2: 15.31/32
boiot. /then/ tooe-ypr1pev IG 7:2390.3 , €oorporevt9ev
E.78: 12.31
/+the:+en/ -+- thess. /+the:en/
thess. /the :en/ €1Teppdt9et~[v] SEG 27:226.6 (§ 216)250
Konj . 3. Sg. /+the:+e:+ti/ -+- 1esb. /+the:y/ -+- / +the:/
lesb. /the:y/ Kara-y[p)€ih7t IG 12,2: 1.1 3
/the:/ <i1Tooeixt911 LKyme 12. 15, ava-ypt1{m IG
12,2 S: 114.19, KaraljJOA{Jiot91] IG 12,2:
526.a 17, arecpcwwt9Tl IG 12,2 S: 139.63,
06ih7 IG 12,2 S: 114.22
/+the:+e:+t/ -+- thess. /+the:/, boiot. /+the:e:/
thess. / the :/ OIJ'YPD.A{J€i IG 9,2: 46l.a10, -yevett9ei McD
310.3 1, <ivret9et IG 9,2: 1229.32, oot9et
McD 337.28
250 Vgl. auch )ov"euv SEG 2:264.5 (§ 210).
204
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10.5 Futur
§ 218.
Akt. l. 5g. /+s+o+o/ -+ lesb . / +so:/
lesb. /so:/ (1) 5tKaoow lG 12,2:526.c12
(II) rt.p.a(o]w lG 12,2:526.cl7/18, rro7iow
IG 12,2: 526.c19
3. 5g. /+s+e+ti/ -+ lesb. thess. boiot. /+sey/ -+ thess. /+se: /, boiot.
/+si :/
lesb . /sey / (1) Karwpvoet IKyme 19.7
(11) d~tcioet IErythrai 121.5, rrapaKaAEO·
O€t 254 lG 12,2 5:1 40.1 8
251 Zu KO.To.o~eeuo.o.,eirr vgl. § 39.
252 b.vo.KOI'W.,wot IG 12,2 S: 139. 13 und ouXXti .,wo~ IErythrai 122.24/25 sind Koine-For-
men.
253 In IG 12,2 S:139.64 ist b.rroKo.To.oT<i.,etev (nicht -rrev) zu lesen (Boüüaert 1954: 368 A2).
254 Zum Stamm ~eo.Xeo-o· vgl. § 207, zur Interpretation von rro.po.~eo.Xeooe' - und rro.p~eaXe'
- vgl. § 166.
205 •
00046245
255 Die Futura von lll"w, 6Ullltvtt IG 12,2 :15.26 undlllllt"towt IG 12,2 :6.29, sind keine
dia.lektspezifuchen Bildungen, sondern folgen einem im Gemeingriechischen weit ver-
breiteten Typ der Futurbildung auf ~w (Schwyzer 1959:784f., Chaotraine 1967:248ff.)
Vgl. auch rraPilt"i auf einer Inschrift aus Boiotien (IG 7: 3083.17/ 18 Lebadeia).
256 Zu hallllW.,waovn vgl. § 172.
257 Vgl. lesb. xd{~!} tVtTat Aßt 36.9 mit in der Oberlieferung eingedrungenem Nasal (Hamm
1957: 131 ); aus den Inschriften sind die nicht mehr dialektspezifuchen Formen 6 ta~~
illfl IKyme 19.28 (Anf. 1. Jhdt. n.Chr.), (ü)woA<illWIO( IG 12,2 :28. 5/6 hierherzustellen.
258 Neben d ieser Dialektform ist xaplrti'Tat IG 12,2 S: l39.56 (2. Jhdt.) eine aiotisierende
Bildung aus dem Paradigma von hellenist. xaptw . Das Vorbild, nach dem Schwyzer
(1959: 785) fragt, gaben die i-Verben ab (cf. Thumb-Scherer 1959: 103):
heUenist . wowiii'Tat : xapwtii'Tat = lesb. rrolrti'Tat : X
X = xap lfiPTat
206
00046245
10.5.2 Verbalklasse V
§ 219. In allen drei Dialekten wird das Futurparadigma von /es+/ mit Medial·
endungen gebildet.
lnd. 1. Sg. /es+s+o+may/ -+ lesb. /essomay/
lesb. eooOIJCU Sa 44A.a5
2. Sg. /es+s+e+say/ -+ lesb. /esse:y/
lesb. eooflt 259 Alk 396
3. Sg. /es+s+e+tay/-+ lesb. /essetay/, boiot. /esset~: /
lesb . eooercu Sa 98 b2 260
boiot. eoo€T1l DGE 462.a5
3. Pl. /es+s+o+ntay/-+ lesb. /essontay/ , boiot. /essonff( :/
lesb . eooovrcu IG 12,2:6.27
boiot. eooov~ Korinna PMG 654 a iü24
lmp. 2. Sg. /es+s+so/ -+ lesb . /esso/
lesb. eooo Sa 1.28
§ 220. Das Futur Passiv wird aus dem Passivstamm (§ 215), dem Tempuskenn·
zeichen /s/, dem Themavokal und medialen Primärendungen gebildet.
lnd. 3. Sg. /+the :+s+e+tay/-+ lesb. /+the:setay/, boiot. /+the:set~ :/
lesb. /the:setay/ [äv]a-yparpfloercu IG 12,2:5.50/5 1
boiot. /the:sett; :/ eo-ypQA(J€loeTfl BCH 1936: 181ff. Z. 19
3. Pl. /+the:+s+o+ntay/-+ lesb. /+the :sontay/, boiot. /+the :son{~ :/
lesb . /the :sontay/ öta'Aul}floovrat. IG 12,2:6.27
boiot. /the: son{e:/ eo-yprup€{OOV~ BCH 1936: 177ff. z. 9
10.6 Perfekt
207
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10.7 Plusquamperfekt
§ 222. Die einzige belegte Form des Plusquamperfekts, lesb . €1Tilara~<e IKyrne
5.16/ 17, lKyme 7.9 , ist gebildet aus dem mit dem Augment versehenen Per-
fektstamm (€-eorä-K-) und der Sekundärendung (-€, wie im Perfekt) (vgl.
Schwyzer 1959: 650, 777).
10.8.1 lnfiniiiv
§ 223. Die Infinitivendungen in den aiolischen Dialekten lauten
im Aktiv
/men/ im Thessalischen und Boiotischen bei thematischen und athemati-
schen Stämmen
261 Schreibung Tl statt et-
208
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§ 224. Im Bereich des Thessalischen ist in der Pelasgiotis und der Perrhaibia
ausschließlich 263 die Endung /men/ vertreten.
In der Thessaliotis zeigen die einzigen Belege für Infinitivformen den Ausgang
/e:n/: tpe1Ty€v IG 9,2:270.2 (Kierion, 5. Jhdt.), e~~avaKaO€v IG 9,2:257.8/9
(Thetonion, 5. Jhdt.). Beide Belege stammen von Inschriften, die nicht oder
nicht einheitlich im thessalischen Dialekt abgefaßt sind: das Grabgedicht aus
Kierion ist von poetischer Diktion geprägt und die im Kanzleistil abgefaßte
Sotairos-lnschrift enthält, wie schon mehrfach gezeigt wurde, eine Reihe von
nicht-thessalischen Elementen.
In der Phthiotis ist gleichfalls nur ein Beleg nachweisbar: exew IG 9,2:234.4
(Pharsalos, 3. Jhdt.).
Aus der Histiaiotis lag bislang kein Beleg vor. Auf dem in Philia gefundenen,
überwiegend im Dialekt der Histiaiotis abgefaßten Sympolitie-Vertrag zwischen
Gomphoi und Thamiai vom Ende des 3. Jhdt.s (Helly i.V.) sind aber nunmehr
zwei Infinitivformen zu tage getreten: e[vat Z. 2 und J,lia-ye[ ']v Z. 6264. ewat
wird man ohne Zweifel fremdem Einfluß zuschreiben können, aber man wird
262 Die Lesung -y[11W)11a' IG 12,2:526.d21 /22 (ebenso DGE 632) mit einer im Lesbischen
sonst nicht belegten Infinitivendung -11a4 bedarf einer Überprüfung. Hoffmann (1893
Nr. 119) liest K statt 'Y und restituiert eine grammatisch korrekte Form K(pl)11w (cf.
Kp[lla(L) Z. alS, (K)p{waL Z. b15).
263 rrpoo1.6e11 DGE 607a auf einem Grabgedicht des 5. Jhdt.s aus Khyretiai ist schon wegen
~rp6~ statt 1rcwl nicht thessalisch.
264 Nach Auskunft von B. Helly ist eine Ergänzung in ~w')'c!(~.e)11 schwierig.
sich fragen müssen, ob durch ~-tia-ye[t]v der Infinitivausgang /e:n/ für die Histiaio-
tis bezeugt wird oder ob diese Form gleichfalls auf dialektfremden Einfluß w-
rückgeflihrt werden muß.
Ein einhelliges Fazit zu ziehen ist nicht möglich. Sicher ist nur, daß in der Pelas-
giotis und in der Perrhaibia (zumindest in Phalanna) /men/ als Infinitivendung
der athematischen und der thematischen Stämme verwendet wurde. In Pharsalos
ist die Endung /en/ bei einem thematischen Stamm gesichert; in den übrigen Ge-
bieten Thessaliens läßt sich die Authentizität der belegten Formen mit Argumen-
ten verschiedener Art in Frage stellen , aber es ist auch nicht auszuschließen, daß
die thematische Endung /en/ ein weiteres der Merkmale konstituiert, durch die
sich die Dialekte der Gebiete Thessaliotis, Histiaiotis und Pharsalos von dem
der Pelasgiotis und Perrhaibia unterscheiden .
In den griechischen Dialekten sind die Endungen / men/ und /en/ größtenteils auf athema-
tische resp. thematische Stämme verteilt, so daß die Ausdehnung der Endung /men/ auch
auf thematische Stämme als eine fll.r die aiolischen Dialekte charakteristische Neuerung an-
gesehen wird. lm lesbischen Zweig des Aiolischen könnte dann die ursprünglich gemein-
same Endung /men/ nach der Trennung vom Festland unter ionischem Einfluß zu /hen/
(aus /sen/) umgestaltet und zu /en/ weiterentwickelt (Garcia-Ram6n 197 5: 67, 1977: 184f.)
lediglich bei den athematischen Stämmen mit kurzem Stammvokal beibehalten und zu /men
ay/ erweitert worden sein.
§ 226. Belege:
Präsens
Verbalklasse /: Thematische Verben
lnf. Akt. /+e+en/ -+ lesb. /+e :n/
lesb. /e:n/ ti:yrw IG 12,2: 4.6, ~th?v IG 12,2:73.2, Korrrw
IG 12,2: 1.19
/+e+men/ -+ thess. boiot. / +emen/
thess. /emen/ KP€VVEJ.L€V lG 9,2:5 17.1 4, J.J.EVEJ.LEV IG 9,2 1229.
27, imapx€~-tev IG 9 ,2:46 l.b20
210
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211
00046245
265 Die Form ( luroli,)lioü~-'~" wirft Probleme auf. Wenn Lesung und Ergänzung gesichert sind
könnte die Länge des Stammvokals durch Ausgleichsprozesse nach der Aufgabe des histt
rischen Ablauts bedingt sein (§ 192) (im Lesbischen ist die Länge des Stammvokals
gleichfalls Resultat einer analogischen Neubildung, § 223), fmdet aber Gegenbeispiele in
thess. ~aK,XPeiJev (s.u.) und boiot. 6tli61Jev.
266 Vgl. Schwyzer (1959: 689).
212
00046245
§ 227. A orist I
Verbalklassen 1- 11 (s·Aorist)
267 Auf der gleichen Inschrift auch mit einfachem -v- geschrieben: ~epwa['J Z. alS , ~eplva&
z.
d 11.
268 Zu twalveooa& vgl. § 207.
2 13
00046245
Verbalklasse 111
§ 228. Aorist Il
269 Daneben auch sigmatisch oTciocu IG 12,2:645.a31 , IG 12,2 S:121.37; ebenso im Thessa·
lischen (oTcioat IG 9,2 :258.12) und Boiotischen (oTdOTJ BCH 1937: 217ff. Z. 6).
270 In 6146u,u~o~ IG 9 ,2: 1202.4 (Korope, 6./ 5. Jhdt.) liegt nach Schwy7.er (DGE ad 603)
und Thumb· Scherer (1959: 57 ) eine Ersetzung von o durch u (wie in ÖIIIJJJa, cf. § 53,
59) vor.
2 14
00046245
§ 230. Futur
Verbalklassen 1- Il/
Inf. Akt. /+s+e+en/ -+ lesb. /+se :n/
lesb. /se:n/ (11) xpvoworw Hoffmann ( 1893) Nr. 153.5/6
(III) avt'Jflorw 211 Hoffmann ( 1893) Nr. 153.6
Verbalklasse V
Inf. /es+s+e+sthay/ -+ lesb . /essesthay/
lesb. essesthay €ooeot'Jru. Sa 56.2
thess. eooeot'Jew IG 9,2:517.16 (Larisa)
§ 232. Perfekt
Der Infmitiv Perfekt Aktiv wird im Lesbischen und Thessalischen thematisch
gebildet, aus dem Boiotischen liegt kein Beleg vor.
ln f. Akt. /+k+e+en/ -+ lesb. / +ke :n/
lesb. /ke:n/ re[t'J]vd.Krw IG 12,2: 526.d15, emret'JewpflKrW
IKyme 19.18/ 19
/+k+e+men/ -+ thess. / +kernen/
thess. /kernen/ et aXovKEIJ.€V McD 337.24
27 1 Hoffmann liest auf dem Abklatsch KAI N8Hl;HN und schwankt in seiner Interpreta-
tion zwischen dv~crrw und K~vM!OTJv . Boüila.e rt (1954: 372 A4) schlägt die Lesung
Kai <6>vl)tiu11" vor. Gegen die Interpretation Hoffmanns spricht, daß 4v6. als Präftx vor
einem Konsonanten nicht apokopiert auftritt, also *Ava.M!OTJv zu erwarten wäre, und
der Vorschlag BoUilaerts muß sich mit dem Einwand auseinandersetzen, daß die - nicht
dialektechte - Variante c\vci statt lfv auf der gleichen Inschrift durch 4v~""'l«lll in Z. 11
belegt ist.
215
00046245
10.8.2 Partizip
§ 233. Der Stamm des aktiven Partizips besteht aus dem charakterisierten Tem·
pusstamm und dem Suffix / nt+/ , der Stamm der medialen und passiven Parti·
zipien aus dem charakterisierten Tempusstamm und dem Suffix /meno+/ .
In den aiolischen Dialekten werden infinite Formen des Perfekts (zum Infrnitiv
vgl. § 232) aus dem mit dem Themavokal versehenen Perfektstamm gebildet ;
im Gegensatz zu den übrigen griechischen Dialekten wird das Suffix /nt+/ auch
zur Bildung des aktiven Partizips Perfekt verwendet. 272
Bei Partizipien werden wie bei Adjektiven drei grammatische Genera unterschie-
den; Formen mit maskulinem und neutralem Genus werden durch verschiedene
Reihen von Endungen charakterisiert , Formen mit femininem Genus zusätzlich
durch SuffiXe: Stämme auf / nt+/ werden durch /ya+/ erweitert, in Stämmen auf
/meno+/ wird der Stammauslaut durch /a: / ersetzt. Die Deklination der Parti-
zipialstämme stimmt mit der der Nominalstämme überein und wird in den ent·
sprechenden Kapiteln der Nominalflexion behandelt ; lediglich die Ableitung von
aktiven Formen des Nominativs Singular soll hier veranschaulicht werden.
Thematische Stämme
Part.Präs.Mask. Nom.Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /arkh+o:+nt/ (§ 244)
Verschlußlauttilgung /arkho:n/
lesb . ti.pxwv
Oberflächenform thess . tipxouv
boiot. tipxwv
Part.Präs.Fem. Nom .Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /arkh+o+nt+ya/ (§ 120)
272 Für das Aiolische in Kleinasien bringt Lehmann (1977: 27) diese Eigentümlichke:t mit
Sprachbund-Einflüssen durch anatolische Sprachen in Verbindung, ohne auf ihre \{eitere
Verbreitung auf Lesbos und dem griechischen Festland einzugehen.
216
00046245
Palatalisierung /arkhonffa/
Transformation /arkhonHa/
Tilgung /arkhon§a/
lesb. /arkhonsa/
Assimilation
thess. /arkhonsa/
lesb. /arkhoy§a/
n-Abschwächung
boiot. /arkhoh§a/
h- Assimilation boiot. /arkho :§a/
lesb. /arkhoysa/
Depalatalisierung
boiot. /arkho:sa/
lesb. äpxowa
Oberflächenform thess. äpxovoa
boiot. äpxw'oa
Part.Präs.Ntr. Nom.Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /arkh+o+nt+0/
Verschlußlauttilgung /arkhon/
lesb. äpxov
Oberflächenform thess. li.pxov
boiot. äpxov
Athematische Stämme
Part.Präs.Mask. Nom .Sg.
zugrundeliegende Repräsentation / phile:+nt+s/ (vgl. § 170)
Vokalkürzung /philents/
Tilgung /philens/
Neutralisierung /philetH/
n-Abschwächung lesb. /philey§/
Tilgung thess. /phile§/
lesb. /phileys/
Depalatalisierung
thess. /philes/
lesb. '{XAetc:
Oberflächenform
thess. '{XA€C:
Part.Präs.Fem. Nom.Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /phile:+nt+ya/
Vokalkürzung /philentya/
217
00046245
Palatalisierung /philenHa/
Transformation /philenf~/
Tilgung /philen~a/
Assimilation /philetHa/
n-Abschwächung lesb. /philey~a/
Depalatalisierung lesb. /phileysa/
lesb. cpc./..etaa
Oberflächenform
thess. cpc./..evaa
Part.Präs.Ntr. Nom.Sg.
zugrundeliegende Repräsentation /phile:+nt+0/
Vokalkürzung /philent/
Verschlußlau ttilgung /philen/
lesb. I{)LAEV
Oberflächenform
thess. cpc./..ev
§ 234. Das Partizip Präsens von Verben der Verbalklasse II mit Stammauslaut
/e:/ wird im Thessalischen der Thessaliotis (im Gegensatz zum Thessalischen
der Pelasgiotis, Perrhaibia und Histiaiotis) thematisch gebildet: huA.öpeovro<" IG
9,2:257.1 (Thetonion, 5. Jhdt.), [arpara-y]eowro<" IG 9,2:258.1 (Kierion, 2.
Jhdt.).
Zur Diskussion von ' vor VT in [orp ara-yJeotVTo~ vgl. § 235.
Im Lesbischen und Thessalischen ist bei einigen Partizipien von Verben der Ver-
ballelasse li Länge des stammauslautenden Vokals vor der Folge von Sonant
und Obstruent erhalten :
lesb. Karoudwrwv IG 12,2:15 .18 (Mytilena, 4. V. 3. Jhdt.), -yuJ.Lvaatdpxrwra
IKyme 102.3 gegenüber KaTOIXeVTT w ]v IG 12,2 S:692.23 (Eresos, 2. Jhdt.)
(o)J.Lov6eVTe<" IG 12,2:6.30 (4. V. 4. Jhdt.), ßat'J6evn IG 12,2:526.a27,
c2/3 (Ende 4. Jhdt.), evep-yer€VTeaat IG 12,2:527.40
l>ivii'T/VT€<" Sa 1.11 , [t'Jeoa ]!i~TWT<;t Alk 298.5 gegenüber cp6pev[ T]e<" Alk 41.1
(1Teal>oJ.L]axevra<" Sa 16.20, )er€VTwv Alk 302.a8 273
thess. KatvavdVTovv BCH 1970: 16lff. Z. 3/4 (Matropolis, 3. Jhdt.)
Eine abweichende Interpretation dieser Form wird in § 235 diskutiert.
Gleichfalls Vokallänge vor der zugrundeliegenden Folge von Sonant und Obstrueli
zeigen die finiten Formen
27 3 Die literarischen Belege, ihre Oberlieferung und die Editionspraxis in den Standardaus-
gaben wurden jüngst ausführlich von Slings (1979 : 263ff.) diskutiert.
218
00046245
219
00046245
tierten sie lediglich eine Konvention, die die Palatalität von Sonanten oder Kon-
sonanten graphisch nicht zum Ausdruck bringe. Eine Palatalisierung von / n/
vor / t/ sei nach allgemeinen phonetischen Erwägungen nicht möglich, daher
müsse [6] in der Folge [VntV] als authentisches palatales Phonem /6./ interpr e-
tiert werden. Die Existenz eines Phonems /ß/ im Thessalischen habe ihre Paral·
lele im Lesbischen, wo sie bereits von Ruiperez auf Grund von z.B. rraiaa <
paftsa < pantya nachgewiesen sei (cf. § 118); die Übereinstimmung könne als
gemeinsame Neuerung des Thessalo-Lesbischen in die Zeit vor der Trennung
der beiden Dialekte zurückverlegt werden.
Damit stehen sich im Hinblick auf die beiden (einzigen bisher belegten) irregu-
lären Partizipien im Thessalischen, Kowaveivrovv und elvreoot, zwei Deutungen
gegenüber: die eine (A. Morpurgo-Davies), die et - wie es zunächst auch nahe·
liegt- als Schreibung ftir [~:]interpretiert und den langen Vokal als Resultat
analogischer Prozesse rechtfertigt, die im Lesbischen gesicherte Parallelen ha-
ben, und die andere (Garcia-Rarn6n), die L von et unter Heranziehung einer
fragmentarisch überlieferten Form ([orpara1]€ot.VToc;-) als Zeichen für Palatali-
tät interpretiert. Garcia- Ram6n verteidigt seine Position gegen A. Morpurgo-
Davies, sieht sich aber selbst gravierenden Einwänden ausgesetzt :
(l) Garcia-Ram6n diskutiert und interpretiert die auf thessalischen Inschriften
belegten Schreibungen flir palatalisierte Sonanten in verschiedenen Umgehungen
(zwischen Vokalen, nach einem Konsonanten und am Wortanfang), geht aber
auf die Frage, die im vorliegenden Zusammenhang im Vordergrund steht, nicht
ein: welche Schreibung wäre ftir einen palatalisierten oder palatalen Sonanten in
der Stellung vor einem Konsonanten anzunehmen? Es ist nämlich nicht zu über-
sehen, daß im Thessalischen L als Zeichen der Palatalität - wenn es geschrieben
wird - immer nach dem palatalisierten Sonanten gesetzt wird, aber niemals da·
vor (wohingegen im Lesbischen für Schreibungen von L vor einem Sonanten oder
s eine Interpretation als Zeichen ftir Palatalität nicht auszuschließen ist, vgl.
§ 12 1).
(2) Garcia-Ram6n rechtfertigt das Fehlen weiterer Belege für die Schreibung
OINT, EINT mit dem Hinweis auf die Variationsbreite der Schreibung palatali-
sierter Sonanten im (gesamten) Thessalischen. Es verdient aber hervorgehoben
zu werden, daß weitere Belege nicht nur auf den diskutierten Inschriften fehlen
(vgl . ra-yev6vrovv, V'Trapxovn, rrpo.,€vrow, rrdvra in IG 9 ,2 :258 , rrdvra, rdA.avrev
in BCH 1970: 16lff.), sondern auch ausnahmslos in der beträchtlichen Anzahl
von Belegen ftir Partizipien athematischer und thematischer Verben aus der Pelas-
giotis, der Perrhaibia und der Phthiotis. Falls man Garcia-Ram6ns Hypothese ,
daß die Schreibung OINT, EINT auf die Existenz von /ft/ weise, zu akzeptieren
bereit ist, wird man die Verbreitung seiner graphischen Repräsentation auf die
Thessaliotis und die Histiaiotis beschränken müssen .
(3) Es ist schwer nachzuvollziehen, warum Garcia-Ram6n lN als Schreibung ftir
ein authentisches Phonem /ft/ interpretiert, das Fehlen der Schreibung IN aber
220
00046245
§ 236. Belege
Präsens
Verbalklasse I
Part. Akt. mask. /+o+nt+/ -+ / +ont+/
lesb . /ont-/ -&€Xwv IG 12,2: 1.14, ötardaowv IG 12,2
S:6.4
thess. / ont-/ ÖtKaoropevföv McD 1023.2, Xetropeliovv
McD 651.2, Xetropeoovro~ IG 9,2:1228.3/4
boiot. /ont-/ exwv SEG 25:540.2, 'YPaJ.I.I.lardxwroc; IG
7:3207.13
Part. Akt. fern . /+o+nt+ya+/ -+ lesb . /+oysa+/, thess. /+onsa+/, boiot. / +o:sa+/
lesb. /oysa-/ V1rapxowa IG 12,2: 15 .25, apJJ.CJtoioatc;
IG 12,2: 14.7/8
thess. /onsa-/ l€petr€Vovoa DGE 616a.3, Xetropeoovoa
McD 346.6
boiot. /o:sa-/ exwoa.v IG 7:2420.19
Part. Akt. ntr. /+o+nt+/ -+ /+ont+/
lesb. /ont-/ fx.ov lAssos 3. 7
boiot. /ont-/ #xov IG 7:2421.4
Pa.rl Med. mask. /+o+meno+/ -+ / +omeno+/
boiot. /omeno-/ ßeU...oJ,J.ev~ AD 1916: 2 18f. Z. 47/48
221
00046245
Verbalklasse 1/
276 Das Gedicht Sa 44 enthält epische Elemente (Page 1955 : 65ff.); die Form ÖIIKa:>o.eo"n~
braucht daher nicht authentisch lesbisch zu sein. Die Codexüberlieferung bietet zwei
weitere thematisch gebildete Partizipien: t1ra.weo11Te~ Alk 348.3, llOX "EoiiT'e~ (llox l'Je üll-
re~ , JJI)"feOIITe~ codd.) Alk 208.a5, die von den Herausgebern (Lobel-Page, Voigt) in
athematische Formen (twa.llleiiTe~ , ,.Wxl'JeiJTe ~) korrigiert werden.
222
00046245
277 Falls in npewoa. keine Verschreibung vorliegt - wie sie etwa durch das vorausgebende
~ woa. hervorgerufen sein könnte - ist wohl eher ein (auch in anderen griechischen Dia·
lekten geläufrger) Übergang vom Flexionstyp -a.w (cf. eT~O.OO.II SEG 1:132.11) in -ew
utZunebmen (Buck 1968: 125, Chaotraine 1967: 239) als ein lautlicher Prozeß ((a > e)
vor (o), Bechtel 1921: 231 , Schwyzer 1959: 728 Al ), fUr den es keine Parallele gibt.
Die kontrahierten Formen npwoa., oouXwoa., oouXwVTel; sind nicht authentisch (§ 191).
278 Zu lhrTO.ll; , .polTa.tl;, övdpTa.tl; cf. § 188 Anm. 176.
279 So mit Forssman (1966: 81); Lobel-Page und Voigt lesen tpwveloa.l;.
280 Vgl. § 191, dort auch zu der kontrahierten Form "'KwVTeoo,.
223
00046245
Verbalklasse Ill
Verbalklasse IV
Verbalklasse V
Part. mask. /es+ont+/ _. lesb. thess. boiot. /eont+/ ...., boiot. /iont+/
lesb . eont- ewv IG 12,2:645.a6, 5a 121.1, €ovn IG
12,2:6.10
thess. eont- €otiv 5EG 27:202 .10, €oJJTo~ IG 9,2:506.6
boiot. eont- ewv IG 7:2383.3, iwv AD 1916: 220f.
Z. 67 (§ 41 , 42)
/ent+/
thess. ent- etJJTeoot BCH 1970: 161ff. Z. 2 (§ 234)
Part. fern. /es+ont+ya+/ _. lesb. /eoysa+/ , thess. /eonsa+/, boiot. /eo:sa+/
_. boiot. /io:sa+/
lesb . eoysa- eoioa~ IG 12,2:27 .4, (Ol.oav Sa 29.h6
thess. eonsa- €6voa~ McD 335.9, AD 1973/74 Xpov .
571 Z. 8
boiot. eo:sa· twoa IG 7:2383.18, iwoa~ IG 7 :3172.56
/entya+/ ...., thess. /ensa+/ (§ 234)
thess. ensa· (€]voa\ IG 9,2:512.22, IG 9,2:515.3,7
224
00046245
§ 2.37. Aorist I
Aorist /: s-Aorist
281 ln Z. 37 der gleichen lnschrüt ist 7I'Otaa[ a~l verscluieben oder falsch gelesen; zu erwar-
ten ist 7I'Oeia[ a~ J.
282 Zu e7rweßeuuauua vgl. § 119.
§ 238. Aorist II
283 Für ovv1)eioa; e statt et auch in KC11)wTde , at wXPeeac; auf der gleichen Inschrift.
226
•
00046245
§ 240. Futur
Verbalklassen 1- l/1
Verbalklasse V
227
00046245
§ 242. Perfekt
228
00046245
ll .l Morphologische Regeln
s /[+mask]
0 /[+fern] /[+Nom]
n /[+ntr]
n /[+Akk]
0 -+
i /[+mask ]}
{ a /[+ntr] / (+Nom]
o: n/[+Gen]
:~s) t{[+mask)}/(+Dat]
{ SI J (+ntr] /[+PI]
[+maskJl
a I [+ntr]
: I [+mask] I [+Nom]
( in I [ +mask] I [ +Dat] } /[+Dual]
229
00046245
n I{[[+fern]
+mask]}
I [+Akk1
0 I [+ntr]
0 -+
es ~n:~:~l} I [+Nom]
a I (+ntr]
o:n I [+Gen]
I [+PI]
essi I [+Dat 1
ns I n:~~~1}
a I [+ntr]
I [+Akk1
e I [+Nom]
I [+Dual]
Die Stämme auf lontl (darunter besonders die thematisch gebildeten Partizipien,
z.B. larkh+o+nt+l), die Stämme auf Sonant (z.B. l pater+/) und die nicht-neutra-
len Stämme auf lsl (z.B. l ateles+l, ldiogenes+l) haben im Nominativ Singular
Maskulinum an Stelle einer Endung als Flexionsmerkmal Länge des SuffiXvokals
Uarkho :ntl -+ [arkho:n], [pate:r], [atele:s], [diogene:s]).
Die Endungen lnl und lnsl im Akkusativ Singular und Plural werden nach Kon-
sonant oder Gleitlaut als Iai resp. lasl realisiert.
Im Nom. Sg. wurde bei den maskulinen ä-Stämmen die Endung /s/ in Analogie
zum Nom. Sg. der - gleichfalls maskulinen - o-Stämme eingeführt.
232
00046245
233
00046245
gang /-a:s/ zu zweisilbigem /-a:o/ umgeformt ; die Umformung muß also zu eimer
Zeit eingetreten sein, in der der Ausgang bei den o-Stämmen noch in allen dr-ei
aiolischen Dialekten einheitlich und zweisilbig war. Man wird daher in der ur -
sprünglichen Form /-osyo/ das Muster der Veränderung sehen müssen 293:
nomos : nomosyo = tarnia: :X
X = tamia:yo
Oie Beleglage für den Ausgang des Gen. Sg. der mask. ä-Stämme ist nur im Les-
bischen einheitlich: /-a:o/ ist regelmäßig zu /-a:/ kontrahiert. 294 lm Thessali-
schen ist gleichfalls Kontraktion eingetreten, während im Boiotischen /-a:o/ in
der Regel erhalten bleibt (zur Kontraktion vgl. § 70).
Folgende Belege liegen aus dem Thessalischen vor:
Ausgang -a:
Pelasgiotis ]vßpiara 295 ZPE 1974: 28 {Atrax, 6. Jhdt.)
Kwea IG 9,2:426a {Pherai, 5. Jhdt.) {cf. § 247 Anm. 290)
AivewacMa IG 9,2:513.12 {Larisa, 3. Jhdt.)
'Ap"'(ea IG 9,2:515.2/3 {Larisa, 2. Jhdt.)
'AA.e~ia Z. 2, 'AA.eoo Z. 2, Tcp.ouviöa Z. 25 IG 9,2:517 (Larisa,
Ende 3. Jhdt.)
'AA.eoo AD 1973/74 Xpov. 571 Z. 4 {Larisa, Ende 3. Jhdt.)
Aap.o{ra McD 330.6 (Larisa, Anf. 2. Jhdt.)
KA.evp.axwa Z. 1, noA.U<Uve(iO]a Z. 4, Aap.€a Z. 6 McD 335
(Larisa, Anf. 2. Jhdt.)
ffi.Haria McD 337.6 (Larisa, 1. H. 2. Jhdt.)
Mvaaia SEG 27:202.3 (Larisa, Ende 3. Jhdt.)
Perrhaibia Xeip.a IG 9,2: 1228.20 (Phalanna, 3. Jhdt.)
'Opeara[. ]a IG 9,2:1236 {Phalanna, 5. Jhdt.)
Lesung und Ergänzung von JI:OPE I:TA.AONE9EKE sind unsicher. 'Opeo-
Ta6a (so die weitgehend akzeptierte Lesung von Lolling) könnte Gen. Sg.
sein; A. Morpurgo-Davies (1968a: 87) hält - da im 5. Jhdt. noch nicht-
kontrahierte Endungen zu erwarten seien - eine Interpretation als asigma-
tischen Nominativ flir möglich, wie er häufig im Boiotischen belegt sei. In
diesem Falle könne der Name eines -yeiJO(O oder einer Phratrie vorliegen. Da-
293 Vgl. Morpurgo-Davies (1968b: 17 mit Anrn. 1); anders Szemerenyi (1956).
294 Vgl z.B. I:11wt)lva IG 12,2:6.36, "Ep11a IG 12,2 :73.4, 'Ep11a-yopa IG 12,2:74.b l5, I:f.#,I-
IJ.Wa IG 12,2 S:l14.8, 'Apxla IG 12,2 :498.4, ' Hpw~a IG 12,2 :526.a37, 'A1ro>..>o.wv~a
IG 12,2: 646.a23, ~awla IKyme 32.2/ 3, 1rpeo{Jewa IG 12,2 S: 143.38, [xopoJoTa'l'a IG
12,2:528.33/34.
295 Die Inschrift ZPE 1974:28 JTBPII:TA. EM1NMAMA weist zwischen A von TBPII:T A
und E von EMI einen senkrechten Strich auf. Die Deutung von TBPII:TA als Gen.Sg.
kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Interpretation Peeks (1974: 28) (,,Da der
Dativ neben elp.l in einer Grabschrift schlechterdings unglaubhaft ist, wird die Senkrecht!
zwischen Alpha und Epsilon Trennur~gszeichen sein, obwohl daflir aus Thessalien nur :
und i •.. bekannt zu sein scheinen .... ") zutrifft.
234
00046245
Ausgang -a.o:
Pelasgiotis 91.(Jpovvihac McD 325.3 (Krannon/ Atrax, 4. Jhdt.}
MeveTTiao McD 3 11.20 (Krannon, 3. Jhdt.)
MapoUeu> IG 9,2 :511 .10 (Larisa, 3. Jhdt.)
J\VKihac Z . 1, (9)epoovvihac Z . 3 SEG 2:264 (unbekannter Ort
der Pelasgiotis, 1. H. 3. Jhdt.)
tovihac, 'AoroKMac GHW 3363 (Skotussa)
Perrhaibia Das Fragment ]oac in )0<19 'A-yeAaeiot IG 9,2: 1229 .5 (Phalanna,
2. Jhdt.} ist als Beleg für den Ausgang des Gen. Sg. der mask. ä·
Stämme nicht verwertbar, weil 0 nicht sicher gelesen ist.
Thessaliotis 'Opeorac IG 9,2:257.11 (Thetonion, 5. Jhdt.)
Magnesia ha.t9 [a ]o McD 72 1 (Demetrias, 5. Jhd t.)
In IG 9,2:5 11.11 ist n etßo>..ao eine Form von ne tßo>..ao~ (cf. netßo>..ao~ IG 9,2:472.9,
n etßo>..ciot IG 9,2: 1228.70), nicht von net ßo>..a~. wie Wackernagel (1916: 161 Anm.) und
Bechtel (1921: 144) vermuten : -M~ ist im Thessalischen - im Gegensatz zum Boiotischen
- nicht belegt. Wahrscheinlich liegt eine Verschreibung (Silbenhaplographie) flir n tttßo·
>..<io<w> (gegen van der Velde 1924: 50 mit der Endung -ow wie in Z. 5 rro>..i~J,ow , Z. 12/
13 Mv( ao4J Jaxeiow, Z. 16 )>..ateww) vor; Hock (1971: 212) zieht eine haplographische
Schreibung fti.r n etßo>..<io<u wegen , im Anlaut des folgenden Wortes in Betracht.
Ausgang -aoc;:
Phthiotis ]viac<; BALxavelov Z . 4, ]KA€acc; 'Aorovoewv Z. 6 IG 9,2:237
(Pharsalos, 3. Jhdt.)
Szemerenyi (1956: 196) und Garcia·Ram6n (1975 : 28) führen NtKla~ als (einzigen) Beleg
fti.r einen Gen. Sg. der mask. ä.Stämme auf /-a:s/ fti.r das Thessalische an. In IG 9,2 :1228
(Phalanna, 3. oder 2. Jhdt.) mit NtKla~ Z. 10 sind jedoch zahlreiche Nominativformen an
Stelle von Genitiv· und Dativformen gesetzt (cf. Schwyzer DGE ad 612, Morpurgo 1961:
99f., Masson 1965: 228). Die Deutung von Nudo.~ als Genitiv und die damit verbundenen
weitreichenden Schlußfolgerungen erscheinen daher höchst zweifelhaft.
235
00046245
In der Pelasgiotis wird auf den ältesten Inschriften aus dem 6. und 5. Jhdt.
(durch )ußp{ara - falls nicht )ußp{arat zu lesen ist - und Kwea - falls die
Inschrift tatsächlich thessalisch ist, cf. § 26 - ) der Ausgang /-a:/ belegt. Im 4 .
und 3. Jhdt. bestehen die Ausgänge / -a:o/ und / -a:/ nebeneinander, wobei ein
leichtes Obergewicht flir /-a:o/ zu verzeichnen ist. Seit dem 2. Jhdt. ist nur
noch der Ausgang /-a: / nachweisbar.
Die Verteilung von / -a:o/ und /-a:/ stimmt mit der Verteilung von /-oyyo/ und
/-oy/, den Varianten des Ausgangs des Gen. Sg. der o -Stämme, überein: der
Ausgang /-a:o/ kommt nur auf Inschriften vor, die auch /-oyyo/ haben, und um-
gekehrt tritt /-a:/ in Inschriften auf, die /-oy/ haben . Da, wie Lejeune gezeigt
hat (§ 252), die Verwendung des Ausgangs /-oyyo/ an Stelle von /-oy/ ein
Merkmal des gehobenen Stils ist , bleibt fUr das Verhältnis von /-a:o/ zu /-a:/
nur eine Erklärung: der nach dem Muster von /-osyo/ neugebildete Ausgang
/-a:yo/ ~ /-a:o/ ist im Thessalischen bereits vor Beginn der Oberlieferung zu
/-a:/ kontrahiert worden. In der Pelasgiotis ist in der Zeit, in der in einer be-
stimmten Sprachebene an Stelle des apokopierten Ausgangs /-oy/ der ältere
Ausgang /-oyyo/ weiterverwendet wird ( 4 .- 3. Jhdt .), auch eine Recharakteri-
sierung des Ausgangs /-a: / zu /-a:o/ zu beobachten. Als Stütze für diese Analyse
kann angeftihrt werden, (I) daß auch im älteren - literarischen - Lesbischen
die Kontraktion /-a:o/ ~ /-a:/ bereits vollzogen ist, {2) daß auch in Pharsalos
eine Neubildung des Ausgangs /-a:/ zu verzeichnen ist (s.u.), (3) daß auch im
Gen. PI. der ä-Stämme Kontraktion eingetreten ist.
Diesem Erklärungsversuch könnte eine alternative Lösung gegenübergestellt
werden : der Ausgang /-a :o/ ist bis in historische Zeit erhalten geblieben. Die
Wechselbeziehung zwischen den Ausgängen des Gen . Sg. der ä- und o-Stämme
ist lebendig geblieben und hat die Anwendung der Kontraktionsregel /-a:o/ ~
/-a: / bis zum 3. Jhdt. dann verhindert , wenn auch die Apokope von /-o/ in
/-oyyo/ nicht durchgeführt war. Diese Hypothese ist aber mit den ältesten Be-
legen auf /-a:/ schwer in Einklang zu bringen. Man müßte sich auf das argumen-
rum ex si/entio zurückziehen, daß neben /-a: / auch / -a:o/ existierte, eben nur
nicht belegt sei. Auch ßupc.aOa liefert keinen stichhaltigen Beweis: im 5. Jhdt.
ist die Apokope in /-oyyo/ bereits vollzogen; die Möglichkeit der optionalen
Recharakterisierung von /-a:/, wie sie von Solmsen gefordert wird, war also be-
reits gegeben. Weiterhin wird durch die Hypothese der Erhaltung vo n /-a:o/ im-
pliziert, daß die formale Parallelitä t zwischen dem Ausgang des Gen. Sg. der ä-
und dem der o-Stämme bis in historische Zeit erhalten bl.ieb ; wie aber das My-
kenische mit den Ausgängen -a-o und -o-jo zeigt, war diese Parallelität bereits
in früher Zeit durchbrachen.
Wenn man die These einer frühen Kontraktion von /-a:o/ im (Ost)Thessalischen
akzeptiert, muß man einräumen, daß 'Opeardöa in der Perrhaibia ohne Schwie-
rigkeiten als Gen. Sg. interpretiert werden kann, aber Formen auf -ao aus Gebie-
ten , in denen der Ausgang /-oyyo/ nicht vertreten war und damH kein Muster
236
00046245
fur die Neubildung von /-a:o/ bot , nicht authentisch sind. Diese Deutung wird
auch durch unabhängige Argumente nahegelegt: 'Opeorao ist mit den bekannten
Problemen der Interpretation der Sotairos-lnschrift belastet und möglicherweise
keine authentische Form des (thessalischen) Dialekts der Thessaliotis ; h~[aJo
kann Element einer poetischen Sprache sein.
ln Pharsalos ist der kontrahierte Ausgang / -a: / vertreten ; daneben ist auch ein
Ausgang /-a:os/ belegt, der aus /-a :/ und /-os/ , der Genitivendung der nicht-voka-
lischen Stämme, neugebildet ist. Für eine Wechselbeziehung zwischen den Gen.
Sg.-Formen der ä- und o-Stämme war in Pharsalos, wo der entsprechende Aus-
gang der o-Stämme / -o: / lautete , die Grundlage nicht gegeben.
lm Boiotischen ist keine Kontraktion eingetreten. Neben dem regulären und
häufig belegten Ausgang / -a:o/ (z.B. in "fPOILSlanorä.o E.76: 13.7, 'APXE'Aail>ao
IG 7 :290.2/3, 'Ap.ovviao IG 7 :504.2, NU<iao IG 7:518.1) sind vereinzelte For-
men auf -a nachweisbar: ~I.J.loviOa Ptoion 1943 Nr. 1 (Ende 6 . Jhdt.), fitoia
IG 7 :2420 (Thebai, 3. Jhdt.) Z. 32, Evpea Z. 34 (neben ~Qil{ao, 'Aili{Jiao etc.),
~wK'AEil>a IG 7:2787.4 (Kopai, 3. Jhdt .), Qu'Aoaria DGE 440,13A (Tanagra,
6. Jhdt.).
237
00046245
der - wie Gen. Sg. /-a:o/ neben /-a:/ - als Neubildung aus dem Stammauslaut
und dem Ausgang /-o:n/ der o-Stämme interpretiert werden kann.
I;ou!6a.ou11 IG 9,2:580. 1 (Larisa, 4. Jhdt.) ist nicht sicher überüefe.r t (9TI~AOTN Kern IG ,
I;OTI~AOTN Lolling, E9TI ~AO TN oder -~~OTN oder -~AOTN Dürrbach, cf. Hoff-
mann 1893:29) und bleibt hier außer Betracht. Auf einem in Peiraieus gefundenen Pro-
xeniedekretder fiET"a>-o l aus dem 4. Jhdt. ist bezeugt I;opo,KIÖ<iwll (K)ai KwnAIÖciwll
McD 1177.5/ 6, aber die Schreibung w statt ou weckt Zweifel, ob diese Formen als authen-
tisch für das Thessalische (der Pelasgiotis) gewertet werden können.
11.2.2 o-Stämme
§ 250. Im Dat. PI. sind zwei Stammausgänge, /-o-/ und /-oy-/, vertreten (§ 254}.
lm Nom./Akk. PI. Ntr. wird der stammauslautende Vokal durch die Endung er-
setzt.
Nom. Sg. /nomo+s/ -+ [ nomos]
lesb. öäJ,Jo<: IG 12,2:6.44
thess. IIOJJO<: IG 9,2:1226.1
boiot. öä.p.o<: SEG 25:540.1
Der Ausgang -e<: im Thessalischen der Histia.iotis ist in § 51 be-
handelt.
Gen. Sg. /nomo+syo/ -+ /nomosyo/
-+ lesb. / nomoyyo/ -+ / nomo:yo/ -+ [nomo:]
h [nomoyyo] -+ [nomoy] (Pelasgiotis, Perrha.ibia)
-+ t ess. /nomo:yo/ -+ [nomo:] {Hist., Thess., Phthiotis}
-+ boiot./nomo:yo/-+ [nomo:)
Zur Herleitung und Verteilung der Ausgänge vgl. §§ 251 - 252.
lesb. MJ,Jw IG 12,2 S: 121.18
thess. rroXeJ,Jow IG 9,2:511.5, XPOIIOL IG 9,2:512.18, "eoi
IG 9,2: 1229.14 (Pelasgiotis, Perrha.ibia)
AuKov IG 9,2:234.5, neöötaiou BCH 1970: 161ff. Z. 15,
EV<wöpeiov IG 9,2:258.4 (Phthiotis, Hist., Thess.}
boiot. öaJ,Jw IG 7:3 172.7
238
00046245
Akk. PI. /nomo+ns/-+ lesb. thess. boiot. /nomons/-+ lesb. [nomoys], thess.
[nomos], boiot . [nomo :s] (§ 117ff.)
lesb. ÖtKaaK01Totc; IG 12,2:6. 14
thess. ra-yo<; IG 9,2:5 17.3, 1TOA€JJO<: McD 3 10.11
boiot. JJewc; BCH 1901: 3 59ff. z. 9
239
00046245
Schematisch läßt sich somit die Entwicklung von / -osyo/ in den aiolischen Dia-
lekten wie folgt darstellen:
aiol. tosyo
aiol. tolyo
Diese Lösung ist in Teilbereichen bereits von K.iparsky (1967) vorgetragen worden, steHt
aber insofern einen Fortschritt dar, als sie erstmals die Beschränkung der Assimilation von
/-ohyo/ zu /-oyyo/ auf das Thessalische und Lesbische begründet und die Entstehung von
/-o :/ im Lesbischen als eigenständige lautgesetzliche Entwicklung (und nicht als Entleh-
nung aus dem Ionischen) erklärt. Damit enthebt sie auch der Notwendigk eit, sämtliche
Genitive auf -oco in der lesbischen Lyrik als Entlehnungen aus Homer zu interpretieren
und erö ffnet die Möglichkeit, sie als Reliktformen aus einer älteren Stufe des Lesbischen
240
00046245
oder als Elemente einer aiolischen, von Homer unabhängigen literarischen TradiHon aufzu-
fa.ssen. Gegenüber anderen Lösungen hat die hier vorgeschlagene den Vorzug, daß sie nicht
- wie etwa die von Rix (1976: 138f.) - mit zwei verschiedenen zugrundeliegenden Endun·
gen (jsyo/ und / so/ ) innerhalb des Griechischen rechnen muß (was auch deshalb wenig über-
zeugend ist, weil in keiner indogermanischen Sprache beide Endungen, / syo/ und /so/, ne-
beneinander vertreten sind) oder - wie etwa die von Schwyzer (1959: 555) oder Chan·
traine (1967: 39) - in der Entwicklung einer einzigen Grundform eine Spaltung (j-osyo/-+
/-oyyo/ und /-oyo/) annehmen muß, ohne in der Lage zu sein, die Bedingungen f\ir die
Spaltung zu spezifiZieren. Ein weiteres Argument f\ir die Annahme einer den aiolischen
Dialekten gemeinsamen Endung kann darin gesehen werden, daß die Ersetzung des Aus·
gangs /-a:s/ im Genitiv Singular der maskulinen ä.Stämme durch /·a:o/ nach dem Vorbild
des entsprechenden Ausgangs der o.Stämme die Gemeinsamkeit und übereinstimmende
Struktur eben dieses Vorbilds voraussetzt.
Gegen eine solche Analyse, die mit der von Kiparsky ( 1967) aufgestellten Gleit·
Iautassimilations-Regel arbeitet , hat Ruip~rez mehrmals ( 1972: 1S2ff., 1979, vgl.
auch Garcia-Ram6n 1975: 70, 100) Einwände erhoben. Lm Mykenischen sei der
Ausgang -o-jo des thematischen Genitivs Singular durch mehr als hundert Belege
in Appellativen, Eigennamen , Adjektiven und Partizipien vertreten; bei Prono-
mina jedoch sei die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß neben -o-jo auch -o-o
als Genitivausgang interpretiert werden könne. Ein ähnlicher Ausgang fmde sich
bei Homer und im Ostthessalischen in der Form -ow und sei auf idg. *-osyo zu-
rückzuflihren . Parallel zu der Entwicklung einer grundsprachlichen Folge von
/s/ und einem anderen Sonanten sei auch für die Fortsetzung von /sy/ eine Ge-
minata, /yy/ , in einem prähistorischen Stadium des gesamten Griechischen zu
erwarten. Damit erhebe sich die Frage, wie die Schreibung -o-jo im Mykenischen
lautlich zu interpretieren sei. Unter den prinzipiellen Möglichkeiten /-oyo/,
1-oyyo/ und /-ohyo/ scheide / -ohyo/ aus graphischen Gründen aus, so daß nur
noch zwischen /-oyo/ und /-oyyo/ eine Entscheidung zu treffen sei' In diesem
Zusammenhang sei hervorzuheben, daß als Resultat der Entwicklung von */sy/,
im Gegensatz zu dem der Entwicklung der Folge von / s/ und einem anderen
Sonanten, keine Ersatzdehnung auftritt. Die Erklärung für diese Divergenz liege
in der relativen Chronol~gie: in /yy/ aus /sy/ zwischen Vokalen sei das zweite
y durch die bereits in mykenischer Zeit abgeschlossene Tilgung von /y/ zwischen
Vokalen geschwunden (während andere Geminaten aus /s/ + Sonant noch erhal·
ten waren), / -oyyo/ somit in mykenischer Zeit zu / -oy-o/ geworden. Die Schrei-
bung -o-jo könne daher entweder als historische Schreibung flir /-oyyo/ oder als
lautgerechte Schreibung flir /-oy-o/ interpretiert werden. Neben dem Ausgang
1-oy-o/ habe ein Ausgang / -oyo/ (mit der Silbengrenze /-o-yo/) existiert, der pace
Lopez Eire durch eine vor allem in unbetonten Wörtern zu beobachtende Verein-
fachung von geminierten Sonanten in bestimmten Pronomina einschließlich dem
Artikel aus / -oyyo/ entstanden sei und durch die Tilgung von /y/ zwischen Voka-
len in /-oo/ überfUhrt worden sei. Eine Scheidung in eine nominale Flexion
U-oyo/) und eine pronominale Flexion (1-oo/ ) sei, wie statistische Untersuchun-
gen zeigten, noch deutlich ausgeprägt in dem homerischen Korpus und , wie es
eine Inschrift des S. Jhdt .s aus Pherai (McD 204) mit Kevo neben tro"Aep.ow be-
16 Blümel, Oie aiotischen Dialekte 241
00046245
Städten der Pelasgiotis 297 und einmal auch in der Perrhaibia 298 bezeugt. Dane-
ben steht der Ausgang /-oy/, der schon im 5. Jhdt. (<l>t.Aop.porot DGE 607
Argura) und in den folgenden drei Jahrhunderten auch in der Perrhaibia
durch zahlreiche Belege nachweisbar ist. Der Ausgang /-oy/ ist aus /-oyyo/ ver-
kürzt. Diese Entwicklung ist zuerst beim Artikel eingetreten, wie sich aus {Je{}.
J)iK roi M.~ow McD 326.1 (6. Jhdt.) ablesen läßt, und über das Adjektiv (<I>IA-
a:ypow Meveoraiot IG 9,2 :1036.3, Gyrton Anf. 3. Jhdt.) bis zum Nomen
fortgeschritten. Noch etwa zwei Jahrhunderte bestanden die Ausgänge /-oyyo/
und / -oy/ nebeneinander, wobei jedoch /-oyyo/ nur in der gehobenen Sprache
erhalten blieb und im 3. Jhdt. völlig aufgegeben wurde.
ln den übrigen Gebieten Thessaliens lautet der Ausgang seit der Zeit der frü-
hesten Belege /-o:/
Thessaliotis <l>tAoviKö IG 9,2:257.1 (5. Jhdt.)
Histiaiotis ne&Sta.iou BCH 1970: 161ff. Z. 15 (2. H. 3. Jhdt.)
Tetras Phthlotis !:öo[civ]opö 'Aoav5pö IG 9,2:241.2/3 (4. Jhdt.)
Magnesia MtAtxiou SEG 27:197 (3. Jhdt.)
lm 4. Jhdt. wird [o:] durch die Vokalhebung (§ 44) zu [q:] = ou (9avAiou DGE
566,3 Pharsalos, Ende 4. Jhdt.).
Durch ' IXqtivö McD 318 (Fundort Krannon, 2. H. 5 . Jhdt.) und 'A'/)<Jovirw Mav1xiw IG
9,2:405 (Fundort Skotussa, 4. Jhdt.) wird die oben skizzierte Verteilung nicht in Frage ge--
stellt. Für die Ilxinos-Stele ist die Herkunft nicht gesichert; nach Biesantz (1965: 146) ge-
hört sie einer krannonisch-ostthessalischen Gruppe an, die durch Reliefs aus Krannon und
aus Peirasia am Ostrand der Thessaliotis gebildet wird. Die Grabinschrift IG 9 ,2:405 wird
von Lejeune - auch mit graphischen Argumenten - Pharsalos zugeschrieben (§ 26) .
•
297 Lejeunes Aufstellung der Inschriften, die einen Genitiv auf -ow aufweisen OG 9,2 :458,
459, 511, 1036, McD 238, 325) ist nunmehr wie folgt zu erweitern: McD 204 JroXtJUJw
(Pherai, 5. Jhdt., neben dialektfremden Merkmalen in teiv6, XCWTÖt, tuplvat), McD 213
rroXEIJ.OW (Pherai, 4. Jhdt.), McD 244 Jooow , EU6uctlow, ' AIJ'Pialow (Pherai), McD 311
;oAtiJ.OW etc. (Krannon, 3. Jhdt.), SEG 2:264 )o1rr1rtlow (3. Jhdt.), SEG 25 :664 'AXetciv-
6pow (Pherai, Ende 3. Jhdt.), AD 1960 Xpov. 182 roi npoupvlow (Krannon), GHW 3363
::.evoopb.vrow etc. (Skotussa), unsicher in McD 347 .3 )1010 (Larisa, Anf. 2. Jhdt., neben
·"' in t:J.e'Npo.lo, Z. 13, l1rffapxt.o.. Z. 26 etc.).
298 l!ielow McD 588.2 (Gonnoi, 1. H. 3. Jhdt.).
243
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244
00046245
Das Nebeneinander von kurzen (1-oys/, /-ays/) und langen (1-oysi/, / -aysi/) Aus-
gängen und ihre Verteilung in den aiolischen Dialekten soll im folgenden näher
untersucht werden.
Der Dativ Plural der o- und ä-Stämme hat auf den Inschriften seit Beginn der
Oberlieferung im Boiotischen und Thessalischen die Ausgänge / -oys/, /-ays/
(boiot. Kopatc: SEG 22:404, Thespiai 5. Jhdt., SE1xuc: AJA 1942: 180, Thebai
5. Jhdt., und Ptoion 197 1 Nr. 124 , 6. Jhdt. - in lokativischer Funktion - ,
!9Ewic: E. 76: 63 , Gefäß 6. Jhdt. ; thess. ra-yoic: McD 326.8, Argura 6. Jhdt. ,
245
•
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'A-yvtd.rat~
McD 168.2, Pharsalos 4 . Jhdt.), im Lesbischen /-oysi/, /-aysi/ (i.Otw-
ratot IG 12,2 :4.13, Mytilena 4 . Jhdt. , EK')'OVOLOL IG 12,2 :5.25 , Mytilena 4. Jludt.)
mit Ausnahme von [Mvr1tA77vaiot~ IG 12,2 :3.1/2 (Mytilena 4 . Jhdt.) und OA.UJ..I·
m1vot~ DGE 644.12/ 13 (Aigai, Mitte 3. Jhdt.) 303•
Die literarische Oberlieferung bietet kein so einheitliches Bild wie die inschri!ft-
liche. Bei der boiotischen Dichterio Korinna, deren Sprache als sehr einfach rund
dialektgetreu gilt (Meillet 1910/ 11:46, Nachmanson 19 10: 13lf.), kommen so-
wohl Formen mit langem (·170L, -üot) wie auch solche mit kurzem (-17~ . -lk) Aus-
gang vor:
orEcp[a 1vvatv PMG 654 i 26
[Ao1V7r17at . . . [xa>.Err 111ow PMG 654 i 29/30
[a1~ava~ PMG 654 üi 44
J.IOU[ ..1MEOOL 304 Aa.ü~ PMG 654 i 34
T ava-ypwEaat AE[ vKorr€rr >.u~ 1 PMG 655 1.3 (-ot~ codd.)
>.c-youpOKw[ ri]Au[ ~ €11011'7)~ 1 PMG 655 1.5 (·Aat~ €1101Tai~ codd.)
cp{A17~ a-yKUA'f10' €AEO~ PMG 660
ln der Sprache der lesbischen Lyriker lauten die Ausgänge im Dativ Plural der
nominalen o- und ä-Stämme /-oysi/, /-aysi/ (-oLOt/atot, -OLow/-a.ww und -ow' /
-ata' vor Vokal). Neben diesen durch eine Vielzahl von Belegen gesicherten
Ausgängen fmden sich in den Handschriften auch Formen auf -ot~/-at~:
XPUOEat~ ev KUALKEOOIJI Sa 2. 14 (Ostrakon, XPUOLatOIJI ev LP., V.)
cpi>.ot~ Sa 44.12
rai~ KaAat~ iJJ.l.I.U. Sa 41 (rai~ KCÜI.ataw ÜJ.IJ.lt LP. , rai~ KaAato ' iJJ.IJ.IW V.)
l)KEAOL ~EOt( ~ Sa 44.21
€parat~ cp6ßcumv Sa 81.4 (€parot~ Aide. PI. LP., V.)
eraipat~ rai~ eJ.lat~ Sa 160
rravroM1rat~ J.IEJ.IELXJ.IEVa XPOio.tow Sa 152 ( rravroMrratat LP., 1Tavroc5a1Tato<t>
V.)
Acißpot~ Aaaaic<~ Sa 100 (5'ä(3pota' ... >.aaiow' LP., V.)
KEi~ 'Awa MJJot~ Sa 55.3 (Kav 'A{lja MJJwt LP., V.)
tw~w1TOL~ Alk 333 (tw~pwrrw LP., V.)
rrAEiorot~ . .. Aaot~ Alk 356 (1TAEiorow ' ... >.a.ata' LP., V.)
303 Die Inschriften IG J 2,2 S: 143 (Lampsakos, Ende 3. Jhdt.) (mJt e<Wrot~ Z. 34, (ot)ovv-
ulot~ Z. 34/ 35) und lErytluai 122 (2. Jhdt.) (mit owvuolot~ Z. 4 aber owvuulotut Z. 11,
XP<h'Ot~ Z. 9, lf.lV..ot~ Z. 18, e<Wrot~ Z. 53) sind nicht rein im lesbischen Dialekt ab ge-
faßt (cf. 1rauav Z. 9 statt 1rCÜuC1v, ü1rapxew Z. 28 statt üJrcipxT)v, #ltrci Z. 30 statt 1re6a,
Ka" Z. 14 statt Kcir, 1ro?..tt Z. 29 statt 1ro"-t in IG 12,2 S: l43; wpvr(a)vtlwt Z. 7/ 8 ge-
genüber 1rpvra~w Z. 12, 1r0Mt Z. 19 statt 1r0"-t, e.ppOIITWClll Z. 24 statt -ooClll, uv?..Ml-
"wu' Z. 24/ 25 statt -t)twu, Z. 43/44, e1lpiuw~ Z. 31 statt ll"(ptow ~ , ~tuClt Z. 46 statt
~< cf?..euuat in lErytluai 122); ilue Belege für Dative auf - ot~ können somit gleichfalls
fremden Einfluß zugesetuieben werden.
304 Die Lesung #'OV( Pt)ci6 toot ist problematisch, cf. Page (1953: 58), Latte (1956: 63).
246
00046245
KOp~a· fiJ aihcu.t:: Alk 308.2 (KOpiJip(ÜUIJI a-yvait:;, KOpV4pÖ.aiJI aUyait:: COdd.)
awOöowi p. ' aiJrcu.t:: Alk 130.b15
ln der Forschung 305 und in der Editionspraxis der Texte der lesbischen Lyriker
überwiegt die MeLiung, daß diese Formen an den meisten Belegstellen ohne
Schwierigkeit zu emendieren seien und im übrigen dort, wo sie durch die Ober-
lieferung gesichert sind, als episch aufzufassen (VJtAOtt::, ~eott::), durch Analogie-
wirkung zu erklären (-att:: vom Artikel auf das Pronominaladjektiv aörat:: über-
tragen) oder in ihrem Vorkommen genau abzugrenzen seien (wie bei Korinna
nur am Versende und nur zusammen mit Nomina auf -owt/-cu.m). Aber das letz-
te Argument ist eine Beschreibung, keine Erklärung, und die beiden anderen
Argumente sind nicht stichhaltig: in der epischen Sprache stellen Formen auf
-ott::/-att:: eine sich immer weiter ausbreitende Neuerung dar (Chantraine 1958:
194ff., West 1971: 176f.) - was eher dafür spricht, kurze Formen als Neue-
rungen auch in der lesbischen Lyrik als echt anzuerkennen. Die Auffassung,
kurze Formen seien vom Artikel auf Pronominaladjektive übertragen, läßt die
Frage offen, warum nicht auch andere Adjektive an diesem Prozeß teilhatten.
Da somit die Erklärungen für Formen auf -Of.t::/-att::, die sich nicht hinwegdisku-
tieren lassen, versagen, muß auch bezweifelt werden, daß sich das unbeküm-
merte Emendieren der übrigen Belege rechtfertigen läßt.
Grundsätzlich läßt die Verwendung von langen und kurzen Formen in den lite-
rarischen Texten der aiolischen Dialekte zwei verschiedene Interpretationen zu:
(1) die auf den Inschriften überlieferten Prosatexte sind als Zeugnis flir den
Dialekt höher einzustufen als die möglicherweise einer poetischen Tradi-
tion verpflichteten und in der Oberlieferung verfalschten literarischen Tex-
te ; daher sind nur die durch inschriftliche Belege gesicherten Formen als
echt für den jeweiligen Dialekt anzusehen (so Page 1953: 5lf.).
(2) der dichterische Sprachgebrauch weicht zwar durch seine größere Freiheit
im Gebrauch alternativer Formen von der durch inschriftliche Zeugnisse
überlieferten Umgangssprache ab, reflektiert aber darin einen früheren, in
der Umgangssprache bereits aufgegebenen Sprachzustand, in dem beide
Formen nebeneinander existierten (so Meillet 1910/ 11: 48ff.).
Die erste Hypothese läßt offen, wie es zu der innerhalb des Aiolischen unge-
wöhnlichen Gruppierung in Boiotisch-Thessalisch mit -<Xt::/ -att:: einerseits und
Lesb1sch mit -otat/ -cu.at andererseits kommt, und ist gezwungen, die abweichen-
den literarischen Belege als unecht zu verwerfen, während die zweite Hypothese
diese Fragen plausibel beantworten kann und ohne Zusatzannahmen auskommt:
das Aiolische besaß ursprünglich zur Bezeichnung der Funktionen des Dativs
und anderer Kasus zwei Ausgänge, -otat/-atat und -ott::/-att::.306 Die langen For-
305 Hoffmann ( 1893: 536, 539f.), Sechtel (1921 : 65f.), Lobet (1925: 38ff.), Page (1955:
67, 208), Hamm (1957: 147f., 149).
306 Zur Vorgeschichte und ursprünglichen Funktion diese.r Ausgänge cf. Rix (197 6: 134,
140f.).
247
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men gaben das Vorbild flir die Bildung der Endung /essi/ in Nominalklasse Il
ab und werden im Sprachgebrauch Korinnas als bodenständiges (nicht von einer
allgemeinen Dichtersprache übernommenes) Element fortgesetzt. Mit der Ver-
einfachung des Kasussystems wurde, wie in anderen griechischen Dialektgrup-
pen, einer der beiden Ausgänge eliminiert, der andere zur Bezeichnung des Da-
tivs, in dem sich die ursprünglich auch formal unterschiedenen Kasusfunktio-
nen vereinigten, bewahrt: im Boiotischen und Thessalischen -otr::/-atr::, im Les-
bischen -atat/-atat, um die Unterscheidung vom Ausgang des Akkusativs Plural
(-<Xc:/-cuc:) aufrechtzuerhalten. In Verbindungen, in denen die Gefahr einer syn-
taktischen Ambiguität ausgeschlossen war und somit keine Notwendigkeit zur
Differenzierung von den Akkusativformen bestand, setzten sich die auch im
Boiotischen und Thessalischen üblichen kurzen Formen durch: so beim Arti-
kel307, der immer eng mit einem eindeutig gekennzeichneten Nomen verbunden
ist, und in gewissem Maße auch beim attributiven Adjektiv (vornehmlich bei den
Lyrikern, selten auf den Inschriften ~- Am Versende, einer der Stellen, an de-
nen besonders häufig Abweichungen von der sprachlichen Norm - seien es
Archaismen oder Neuerungen - anzutreffen sind , werden sogar Nomina mit
kurzen Ausgängen zugelassen. Damit brauchen die Formen des Artikels im Les-
bischen nicht (nach Rix 1976: 141) als aus den langen Formen gekürzt und die
Formen des Nomens nicht (nach Lazzeroni 1968) als Neuerungen unter dem
Einfluß des benachbarten Ionischen aufgefaßt zu werden ; sie sind vielmehr durch
innersprachliche Gegebenheiten bedingt.
§ 255.
Nom. Sg. /payd+s/ -.. /payts/ (§ 143)..., / payss/ ..., [pays]
/khre :mat+0/ -.. [khre:ma] (§ 155)
lesb. 1r<Ü~ Sa 27.4
1/l(icpta[J.t)a IG 12,2:5.52
307 Formen des Artikels haben immer den kurzen Ausgang -ot<;/ -o.t<;, während die vom glei·
chen Stamm gebildeten Formen in Funktion von Demonstrativpronomina den langen
Ausgang zeigen: T(ot]aw Alk 67.5 , Taiat Sa 42.1, 62.5 (cf. auch liTotot Sa 5.11 ). Diese
Verteilung (Toit;/ Tai<; fdr Formen in Verbindung mit durch lange Ausgänge geke~tn·
zeichneten Nomina, TOÜ11/Taiot fUr isoliert gebrauchte Formen) bestätigt die Anllahme
Wathelets (1970: 243ff.), daß in den Formen des Artikels archaische Bildungen mit
ursprünglich kurzen Ausgängen bewahrt sind.
308 Vgl. TOit; TrPWTOtt; Tropwa'!?TJOOIJtvOtot auf einer Inschrift des 2. Jhdt.s aus Kyme
(IKyme 12 .3) und ev Toi<; TrpwTot<; t.wvvalowt Chiton 1979 : 73ff. Z. 9 (Kyme 1. Jhdt.)
248
00046245
§ 258. Adjektive
Nom Sg. mask. /atele:s/
ntr. /ateles+0/ ~ (ateles]
lesb . eTTip.eA.ec: IG 12,2:500.18, eTTcivaVKec; IG 12,2:67.8
thess. ETT~J.t€"A€c; IG 9,2: 1229.29, (]t)IJ.I(XIJ'EC: ibid. Z. 35/36
251
00046245
252
•
00046245
Im Lesbischen und Thessalischen ist im SufflX die Vollstufe des Vokals in allen
Formen des Paradigmas durchgefti.hrt; im Boiotischen lösen die e-stufigen Bil-
dungen (tlaJ,Jltrept) erst gegen Ende des 3. Jhdt.s die null-stufigen (tiaJ,J.arpt)
ab.
Nöm. Sg. /pate:r/
lesb. 1Tcl1T/P Memnon Nr. 29.16; ,bfrrw(p] IG 12,2:645.b40
thess. 1rar€p ' SEG 25:667 , 1rareip IG 9,2:427.1, J,J.dretp McD
376.4
boiot. rrareip BCH 1926: 428 Nr. 54.1 , J,J.dretp IG 7:2471.1 ,
,Jvyaretp DGE 485.42, flarwp DGE 491.18/ 19
Gen. Sg. /pater+os/ ~ [pateros]
lesb. rrarepoc; Mernnon Nr. 29. 16
thess. rra[r]€poc; IG 9,2:475.3/4, J,J.arepoc; IG 9,2:1030.2, tiQ.J.J.-
wirepoc; McD 34 7 .16
boiot. Marepoc; BCH 1970 : 157ff. Z. 10/ 11, tidJ,J.arpoc; DGE
462.a4
Dat. Sg. /pater+i/ ~ (pateri]
lesb . J,J.cirept Sa 104.a2; p(.q]ropt IG 12,2:645.b37
thess. J.J.arept IG 9,2:250.2, tial'pcirept McD 346.2
boiot. Mar€pt IG 7: 1811 , tiQ.J,J.cirept IG 7:3213.1
Marpi BCH 1940/41:41 Z. 2, AdJ.J.arpt IG 7:167 1
Akk. Sg. /pater+a/ ~ (patera]
lesb . ,Jvydrepa IG 12,2:547.2
boiot. rrarepa IG 7:4177.1, J,J.arepa IG 7:3083. 11 , ,Jwrryarepa
E.78:04.15
253
00046245
312 Abweichend davon ist im 2. Jhdt. im Thessalischen die auch in der Koine weit verbrei-
tete Endung /an/ statt /a/ im Akk.Sg. belegt: KLovav IG 9,2 :1229.32,40 (Phalanna).
255
•
00046245
§ 264. In der lesbischen Deklination der Stämme auf /e:w/ sind zwei Paradigmen
zu beobachten:
(1) mit langem Sufflxvokal bei Appellativen im literarischen Lesbisch und auf
den älteren Inschriften;
(2) mit kurzem SuffiXvokal bei Eigennamen im literarischen Lesbisch und bei
Appellativen und Eigennamen auf den jüngeren Inschriften {älteste Belege
auf IG 12,2:526, Ende 4. Jhdt.).
256
00046245
§ 266. Bemerkungen
Dat. Sg. Formen auf -€t (7TOA€t IG 7 :31 73 .5, Orlchomenos 3. Jhdt., 1Tpopp€iO€L
DGE 4 85.2, Thespiai 3 . Jhdt., 7TP()O.{.{JEO€t IG 12,2 S: 122.7, Eresos Ende 3. Jhdt.,
258
00046245
315 Die Wahrscheinlichkeit, daß pace Strunk -Clt- in TC1W aus einer Übertragung vom Akk.PL,
wo der sekundäre Diphthong ·Clt· lautgeschichtlich normal ist, in den Akk.Sg. verstanden
werden kann, wird aber durch das Auftreten von ·Clt· auch im Gen.Sg. auf de.r gleichen
oo"ell
Inschrift (cnroo6at~ Ka' !p(N>Tt~{Clt~ e[AXebrwu) z. 29 ; vgl. [e7r~e)Xela~ oo6ell fA•
Xe{1TW[11 ) IG 12,2:500.6, (IP')AoT~{C1~ ov6ell eXXel7TOIITe~ IG 12,2 S:138.21) in Frage ge-
stellt. Drei weitere Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an: (1) In allen Fällen liegt Ver-
schreibung vor. (2) Der nicht-lesbische Schreiber - die Inschrift wurde in Kalkhadon
gefunden - hat, wie es auch in der Oberlieferung der literarischen Texte vorkommt
(§ 86), lesb. a ,. [a: ) durch at ersetzt. (3) Der nicht-lesbische Schreiber bezeichnet
durch t vor wortschließendem /s/ oder / n/ die - seinem eigenen Idiom fremde - PaJa-
talität dieser Konsonanten (vgl. § 121).
259
00046245
/gluku+os/ ~ [glukuos]
thess. ..,Ep(Jl)or:; McD 347.24
boiot. €-yx€Xwuor:; BCH 1936: 27ff. Z. b31 (§ 52)
Dat. Sg. /gluku+i/ ~ [glukui]
boiot. l:l.EPJ.1.W)316 IG 7:579, Kpei(Jl)t SEG 24 :361.2i
Akk. Sg. Ntr. /gluku+0/ -+ [gluku]
l~sb . "i1Xu IG 12,2:73.6
Nom. Pl. /glukew+es/ ~ [gluke~s ]
boiot. 11"€AEK€€\ SEG 24:36 1.14
Gen. Pl. /glukew+o:n/ -+ [glukeo:n)
lesb. aiJ.J.wewv IG 12,2: 1.9
§ 268. Ein Stamm auf /u: / liegt vor in lesb. xeXMa-rur::: Nom. Sg. xc-XMorwr::
IG 12,2:489.9, Gen. Sg. xe"A)..:f/OTUO\ ibid. Z. 13, Akk. Sg. XEAM0Tl1) IG 12.,2:
504.4.
§ 269.
Gen. Sg. /he:ro:+os/ -+ [he:ro:os]
boiot. hipwor:: AD 1970 Xpov. 229
Dat. Sg. /he : ro:+i/ -+ [he: ro: i]
thess. etpom McD 347.25, McD 652
boiot. hepöt ' Ptoion 1943 Nr. 1, [e]lpwt DGE 541.1 , hpwt
(§ 102} BCH 1905: 102 Nr. 3
Dat. PI. /he:ro:+essi/ -+ [he:ro:essi]
thess. eipoueoot McD 347.39
§ 270. Im Dativ Plural der nicht-vokalischen Stämme ist die Endung /essi/ in
den aiol. Dialekten durch eine Vielzahl von inschriftlichen und literarischen Be-
legen gesichert. Daneben sind auch Formen auf -at überl.iefert, die als Relikte
einer ursprünglichen Endung /si/ in einem vorhistorischen Zustand des Aiolischen
angesehen werden . Als Belege kommen in Frage 317 :
thess. V'Trapxovot IG 9,2:506.38 (Larisa, 2. Jhdt.)
cpvyaow IG 9,2:238.4 (Pharsalos)
316 ~ EPMT Iapis. Iota am Ende von ~EPMT ist nicht geschrieben, obwohl auf dem Stein
noch Platz gewesen wäre.
317 Sechtel (1921 : 180), Thumb-Scherer (1959 : 66), Strunk (1957: 75ff.).
260
00046245
318 Vgl. § 131 Anm. 120, § 171 Anm. 144, § 210 Anm. 238.
319 Eine lnterpretation von öwapxo"o' als 3. Pl.lnd.Präs. wird in § 171 dislcutiert.
320 Vgl. § 100, 131.
321 Cf. Wathelet (1970: 275). A. Morpurgo Davies (1976 : 184 A12) ist von dem Argu-
ment, ny ephelkystikon weise auf ionischen Einfluß, nicht Uberzeugt, aber bereits Bech-
tel (1921: 46) hat argumentiert, daß das "bewegliche v" dem lesbischen Dialekt ur-
sprünglich fremd ist.
261
00046245
sehen auch die Tatsache, daß Formen auf /si/ bislang sicher nur von Monosyl-
laba belegt sind, bei mehrsilbigen Stämmen aber fehlen 322•
§ 271. Nachdem gezeigt worden ist, daß die direkten Zeugnisse ftir eine mut-
maßliche, aus vorhistorischer Zeit erhaltene Endung /si/ im Dativ Plural der
Nominalklasse II mit starken Zweifeln an ihrer Authentizität behaftet sind,
sollen die indirekten Zeugnisse kurz besprochen werden. In den Personenna-
men lesb. ncuat-Kp€wv (ficuaLKpeovr<X" IG 12,2:646.al5 3~ und cl.>pa.ot-at'J€V'Tl~
(<l>pamat'J€vew~ ibid. Z. a37), typologisch alten Komposita mit Kasusform als
Vorderglied, sind Formen eines Dativs Plural auf /si/ von den Stämmen /pant+/
und /phren+/ 324 enthalten. Die einzig plausible Erklärung ist, daß diese Formen
historisch älter sind als die nach den Regeln der aiolischen Grammatik gebilde-
ten Formen rrcivreaat - was inschriftlich und literarisch gut bezeugt ist - und
*4pp€vwat und als Relikte in Eigennamen erhalten geblieben sind.
Von s-Stämmen sind folgende Formen des Dativs Plural belegt:
thess. otrryeveoot BCH 1970: 16lff. Z. 10 (Matropolis 3. Jhdt.)
lesb. errupaveeaat lKyme 13.65 (2. Jhdt.)
r{Xll>avopüaat IG 12,2 :74 .b7 (Mytilena, 3. Jhdt.)
€-r[ €€ ]oot Hoffmann 1893 Nr. 161 Z. 5
livt'Jeaw Sa 2.10
öveweaw Alk 36.6
orl!t'Jeaw Sa 31.6, Sa 126, Sa 158; Alk 10.5, Alk 283.3
wpeat Sa 105 .b l
A. Morpurgo-Davies (1976) hat die Belege aus den lesbischen Lyrikern im An-
schluß an Lobel (1925) so interpretiert, daß die s-Stämme im Gegensatz zu den
übrigen nicht-vokalischen Stämmen ausschließlich den Ausgang -eat hätten, und
argumentiert, daß in einem frühen Stadium im gesamten Aiolischen vor der Bil-
dung und Ausbreitung der Endung /essi/ der geminierte Sibilant /ss/ im ursprüng-
lichen Ausgang des Dat. Pl. der s-Stämme zu /s/ vereinfacht wurde ('yeveaat >
-y€veat)325• Aber unter den acht in Frage kommenden literarischen Belegen ist
322 Umgekehrt haben Monosyllaba aber auch die Endung /essi/: vd~oot Alk 385 (gegen-
über vcuiow), ~roll~oow inc.auct. 16.1 (gegenüber ~rooot) , wdvr€oot( Sa 70. 13.
323 ncwt· in boiotischen Eigennamen wie ncwl·ß<Ho~ IG 7 :1780.2, naot·KpaTfl~ IG 7:
523.4, naol·J.Iaxo~ DGE 485 .39, nao-ap~ro~ IG 7 : 3179.19 braucht nicht allein Dat.Pl.
zu sein, sondern kann auch zu den Wurzeln •kwti- ( flcfot-) und •pa· (nciot·) gehören
(Bader 197 8: 122ff.). nawuilla~ aus der in Metho ne (Magnesia) gefundenen Inschrift
McD 1023 (6. Jhdt.) ist nicht hierherzustellen. Im Thessalischen hätte /pant+si/ zu
(pansi) werden müssen.
324 'PPO..ot aus • phrg-Ji (Schwundstufe, cf. 6ptlow Sa 47 .2 zu llopu) gegenüber dem nach
den vollstufigen Kasus umgebildeten 'IJPEOt Alk 39.a9 (cf. § 270).
325 Chadwick (1979) greift die Argumentation von A. Morpurgo Davies auf, fUhrt aber ~ot
im Dat.PL der s-Stämme auf den Einfluß des Ionischen zurück. Wenn nämlich in dem
Typus 'Y~veoot / ss/ zu /s/ vereinfacht worden wäre, wäre die Unterscheidung zwischen
Singular und Plural im Dativ verlorengegangen.
262
00046245
-eot bzw. -eow an sechs Stellen metrisch gesichert - und das heißt auch: me-
trisch bedingt - , an den beiden übrigen (Sa 126, Sa 158) schwankt die Ober-
lieferung zwischen -ww und -eoot(v)326. Damit stehen die lesbischen Lyriker in
Einklang mit der auch sonst in der griechischen Literatur seit Homer zu beob-
achtenden Praxis, die häufig metrisch unbequemen oder mit dem Metrum über-
haupt nicht zu vereinbarenden Formen auf -eoot von s-Stämmen zu meiden und
sie durch Formen auf -ot oder -eot zu ersetzen (Witte 1914, Chantraine 1958:
206). Aus diesem Grund scheinen mir diese Formen eher einer literarischen Tra-
dition verpflichtet und daher als Zeugnisse flir den aiolischen Dialekt nicht ver-
wertbar.327 Der aiolische Ausgang im Dativ Plural der s-Stämme lautet also -eoot
- wie er in thess. omeveoot belegt ist 328 - und ist zu segmentieren in Stamm·
ausgang /es/ und Endung /si/ . Die Formen auf -eeoot sind sekundäre Neubildun-
gen aus dem re-analysierten Stamm auf /-e/ und der Endung /essi/.
Aus den Reliktformen rraiot und !ppdot in Eigennamen und dem Ausgang /-es-si/
der s-Stämme läßt sich schließen, daß es im Aiolischen vor der Zeit der Oberlie-
ferung eine Endung /si/ für den Dativ Plural in der Klasse der nicht-vokalischen
Stämme gegeben haben muß. Nach einer weithin akzeptierten, auf Wackernagel
( 1903) zurückgehenden Hypothese ist die in historischer Zeit als einzige belegte,
allen drei aiolischen Dialekten gemeinsame Endung /essi/ gemäß der Proportion
-oy : -oysi = -es : -essi gebildet aus der Endung /es/ des Nominativs Plural mask.
fern. und der Endung /si/ des Dativs Plural 329. Gegen diesen Erklärungsversuch
ist eingewendet worden, daß ~in Glied der Proportion, -oysi, im Thessalischen
und Boiotischen nicht vertreten sei. Wie jedoch in § 254 gezeigt wurde, muß
im gesamten Aiolischen der Ausgang / oysi/ neben / oys/ einmal existiert haben.
263
00046245
12. I Demonstrativpronomen
12.1.1 Pronomen 0 a TO
§ 272. Lesbisch:
Sg. 0 a TO Pl. ol ai ra
TW- -
rac; TW - -
TWV -
rav TWV-
TW- ra- TW - -
TOte; -
rate; -
rcxc;
TOV rav TO' •
TOte; '
rate; ra
Einzelheiten der chronologischen Verteilung sind in den entsprechenden Kapi-
teln der Nominalflexion diskutiert.
In IG 12,2:18.18/ 19 ist roiarpora[')'otc;] (Akk. Pl.) zu lesen (cf. IG 12,2 Supp.).
Nach Hodot (1976: 23) ist auf dem Stein zwischen rot und arpora- noch ge-
nügend Platz ftir ein Sigma, so daß in roi[ c;] arpO'Ta- zu ergänzen wäre ; zur Ein·
fachschreibu ngvon ~ in syntaktisch eng zusammengehörigen Verbindungen kann
aber auch auf roiarpara')'otc; = roic; arpar<i')'otc; und €iara>..>..av = €ic; ara>..>..av
IG 12,2:15.33, IG 12,2 S: 121.37 verwiesen werden. Damit werden Thumb-
Scherers (1959: 100) und Garcia-Ram6ns (1975: 56) Interpretation von rot
als Nom . Pl. und die daraus abgeleiteten chronologischen und dialektalogischen
Konsequenzen gegenstandslos.
In der Regel werden Formen des Artikels durch die Partikel ..0€ (im Gegensatz
zu thess. ·11€, boiot. ·Vt, -t) verstärkt. Problematisch ist die Interpretation von
.
TWVOf.LOU, TOIIIIOf.LOU lß
rr[p ]iv rawop.ou IKyme 5.9
')'EII€a!Jat
rrpiv rovvop.[ ou IKyme 6.2
Sollten hier etwa durch Partikeln erweiterte Formen des Artikels vorliegen? Die
Deutung des sich daran anschließenden Komplexes und der syntaktische Kon·
text sind jedoch völlig unklar.
§ 273. Thessalisch:
Sg. 0 a TO Pl. OL• aL
•
ra'
roi./roü -
rac; roi/roü -
TOUV -
rav TOUV-
TOU- ra- TOU - -
TOLC: -
rate; -
TOLC:
TOll '
rav TO roc; '
rac; ra•
Einzelheiten der chronologischen und geographischen Verteilung sind in den
entsprechenden Kapiteln der Nominalflexion diskutiert.
Vokalisch anlautende Formen (o a oi ai) werden auch im archaischen Alphabet
ohne ein Zeichen für den Hauchlaut geschrieben (§ 100). Möglicherweise handelt
es sich dabei nur um eine graphische Konvention .
264
00046245
In der Pelasgiotis und der Perrhaibia sind Formen des Artikels in demonstrativer
Funktion mit der Partikel -ve erweitert:
Ntr. Sg. TOV€ IG 9,2:517.20, IG 9,2:1229.3 1
Akk. Sg. Fern . rave 330 IG 9,2:517.23,45, SEG 27:202.27 331
Ntr . PI. r ave McD 347.8
Dat. PI. rciave McD 244.5
In der Kategorie "belebt" können die verstärkten Formen noch zusätzlich um
die entsprechende Endung der Konsonantstämme erweitert werden:
Gen. Sg. Mask. roiveo<; IG 9,2:517.15
Gen. PI. Mask. rouweovv IG 9,2:5 17.17, McD 347.36
Zur Erweiterung um die Partikel -ve vgl. auch lJooa ouwe IG 9,2:460.5. Im
Boiotischen wird die Partikel ·Vt verwendet: 11porrwi IG 7:1739. 14, IG 7:2405.
10, DGE 485.2 (aus 11po rcu-vi sc. ö.p.epcu). Formen mit der Partikel -öe kom-
men nur in poetischen und in von der Koine beeinflußten Texten vor und sind
nicht authentisch .
§ 274. Die Form TOt in TOt 'A-yutaTCU av€1?[17]Kav IG 9,2:241.1 (4. Jhdt.) wird
gemeinhin als Beleg dafür angesehen, daß der Nom. PI. des Artikels in Pharsa-
los roi gelautet habe. Im Gegensatz zum Ost-Thessalischen (der Pelasgiotis und
Perrhaibia) sei somit im Dialekt der (Tetras) Phthiotis - wie im Westgriechischen
und Boiotischen - die ursprüngliche Form bewahrt geblieben (so zuletzt Garcia-
Ram6n 197 5: 56f.). Zweifel sind jedoch angebracht. Unter Hinweis auf T pox'i·
A.o<; av€th'/K€1J ... TO'i<; 'ArvuiTcu<; McD 168 (Pharsalos, 4. Jhdt.) hat Mastroko-
stas ( 1964: 307 A2) darauf aufmerksam gemacht , daß in dem Text von IG 9,2:
241 der Name der Weihenden fehle ; es sei sehr wahrscheinlich, daß der Oberteil
der Stele mit deren Namen verlorengegangen sei. Trotz der von verschiedenen
Forschern herangezogenen Hesychglosse arvtiircu. KWJ.I.flTcu, -yeirovec; sei mit Kern
TÖL 'A-yuL<ircu zu lesen und als Dat. Sg. aufzufassen. Das Problem kann, solange
nicht der archäologische Befund geklärt ist oder weitere Belege zutage treten,
nicht eindeutig gelöst werden. Es liegt zwar durchaus im Bereich der Möglichkeit,
daß der Dialekt von Pharsalos auch in diesem Punkt nicht mit dem Dialekt der
Pelasgiotis übereinstimmt , aber vorläufig steht eine definitive Bestätigung noch
aus.
§ 275. Boiotisch:
Sg. 6 TO
•
TW -
rac; TW-
TÖt -+ TO'i -+ TV rät -+ ra'i -+ rfl TÖt -+ TOL -+ rii
•
TOV TW TO
330 rdvt ist Akk.Sg.Fem. (nicht Ntr.PI.) mit Schulze (1897 : 883).
331 Möglicherweise ist auch TANNE McD 11 79.52 (in einem fragmentarischen Kontext)
hierherzusteUen.
265
00046245
Bemerkungen:
Nom. Sg.: Anlautender Hauchlaut ist belegt in ho Ptoion 1971 Nr. 23:, IG 71:
2731.
Nom. Pl.: Toi Tai im Boiotischen steht im Gegensatz zu ol ai im Thesstlischem
und Lesbischen.
Gen. PI. Fern.: Im Gegensatz zu dem entsprechenden Ausgang des Nomens
(-awv) lautet die Form des Artikels immer Täv (zu demonstrativem Taww
bei Korinna vgl. Page 1953: 54).
In Lebadeia und Khaironeia entwickelt sich [ü:) zu [i:) (§ 76): Dat. ~· Tei,.
Nom. PI. Tei, Dat. Pl. Tei~.
Weitere Einzellleiten der chronologischen Verteilung sind in den entsprechem-
den Kapiteln der Nominalflexion diskutiert.
Formen des Artikels in demonstrativer Funktion sind um die Partikel-t erwtei-
tert:
TWi lG 7:1739.5
Tou SEG 25:504.a2, BCH 1936: 177ff. Z. 36, Tvi DGE 485.14.
Formen mit der Partikel -Oe (z.B. Täaoe IG 7:3080.3) sind nicht autt:entisch.
y
Nom. Sg. Mask. OVTO~ IKyme 11.15
Ntr. TOVTO - IG 12,2: 15.32, IG 12,2:5.52
Dat. Sg. Ntr. '
TOV1'Wt IG 12,2:6.20
Akk. Sg. Fern. rauTav IKyme 30.5
Gen. Pl. Mask. TOUrWV IKyme 5.14
Fern. '
TavTw IG 12,2: 526.a31
Ntr. TOUrWV IG 12,2:526.a29
Dat. PI. Ntr. TOUrotat IG 12,2 S: 122.22
Akk. Pl. Ntr. -
Tavra IG 12,2:6.6
§ 277. Thessalisch:
In der Pelasgiotis und Perrhaibia werden Formen des Paradigmas von lJII€ (§ 273)
als Demonstrativum verwendet, in der Thessaliotis und der Histiaiotis jedoch der
Stamm Ntr. rovro-: rofrro IG 9,2:260.a3, rairra ibid. Z. a4, r&rovv BCH 1970:
16lff. Z. 5, TlYT€L~ ibid. Z. 8.
Der Stamm ovro- ist im gesamten Paradigma des Mask. und Ntr. durchgeführt.
Nom./Akk. Sg. Ntr. oV7o IG 7:1737.5
Gen. Sg. oihw IG 7:1738.6
Akk. Sg. Mask. OOTOV IG 7:685.2
Nom./ Akk. PI. Ntr. oVTa DGE 462.a20
Gen. PI.
..
OVTWV DGE 462.a37
Akk. PI. Mask. oifrw~ IG 7:4136.4
12.2 Personalpronomina
§ 279.
1. Pers. Sg. A.kk.: thess. J.l(e) IG 9,2:575.1
boiot. €p.€ E.79:02, €p. ' DGE 440,8
2. Pers. Sg. Nom.: boiot. n} DGE 538, DGE ad 538, rovet DGE 445
Dat. : lesb. rot Memnon Nr. 30.5
thess. TOt IG 9,2:1098.2
1. Pers. PI. A.kk .: thess. Qp.p.€ IG 9,2:517.13
Gen.: lesb. Qp.p.ewv IG 12,2 S: 139.29 (aber llp.p.wv Z. 61)
thess. Qp.p.eovv IG 9,2:517.12
boiot. ii.p.ewv IG 7:2383.9
Dat.: lesb. lip.p.t IG 12,2 S:141.5, IG 12,2 S:143.8, IG 12,2
S:139.30 (llp.p.w Z. 48)
12.3 Reflexivpronomina
§ 280. Lesbisch: eavro~
12.4 Possessivpronomina
§ 283.
1. Pl.: lesb. äiJ.IJ.O~
Gen. Sg. Fern. ä,.,.,.,.a~ IG 12,2 S:139.35. Mernnon Nr.
29.15
Refl.: boiot. fo~ foü BCH 1936: 177ff. Z. 29
Poetische Formen liegen vor in he[ .) IG 9,2:250.2 (Pharsalos, 5. Jhdt.,
cf. § 100) und €föt BCH 1908: 445ff. (aus Delphoi, dem Boiotischen
zugerechnet, 6. Jhdt.).
268
00046245
Nom. Sg. Mask. öan~ IG 12,2 S:l41.19, IErythrai 121.10, IG 12,2 S:143.32
Ntr. ÖTTt IG 12,2: 1.16, IG 12,2:73.5
&rn[ IG 12,2:73.8
Nom. PI. Mask. olrwE[~] IG 12,2:526.b29
lm Gegensatz zum literarischen Lesbisch, wo nach geläufiger Auffassu ng der
Stamm OTT- im gesamten Paradigma durchgeftihrt ist, werden im inschriftlichen
Lesbisch beide Glieder flektiert {vgl. olrwE~ aus dem 4. Jhdt.). Daher erscheint
die Ergänzung von 6TTt[ IG 12,2:73.8 in ÖTn[ va] problematisch; die Belege für
öan~ können trotz ihrer späten Bezeugung (3.-2. Jhdt.) und trotz (ö]rn~ Alk
117 .b37 (örn~ konjiziert in Sa 31.2) als repräsentativ anerkannt werden. Zur
Assimilation in örn vgl. § 145.
Boiotisch: ÖaTL~
Nom. Sg. Mask. öon~ FS Navarre 1935 : 357 Z. 10
Gen . Sg. Fern. ä.urwo~ E.77 :04.23
269
00046245
12.6 Relativpronomen
§ 288. Unter den aiolischen Dialekten hat nur das Boiotische seit Beginn der
Oberlieferung ein eigenes Relativpronomen:
Sg. öc; ä ö PI. o'l. a1 li
w• dc; wv dv wv
ol-+v al-+ ~ ol-+ v olc; -+ vc; alc; -+ 7}c; olc; -+ Vc;
öv äv ö wc; äc; ä
335 Die Aspiration ist gesichert durch eop' otf; und Ka~ci
336 Die Grabinschrüt IG 9,2:270 (Kierion 5. Jhdt.) mit hck ist von poetischer Diktion ge-
prägt. Aspirierte Formen auf Inschrüten des 3. und 2. Jhdt.s (z.B. !Je~· Ii McD 347 .29)
sind dem Einfluß der Koine zuzuschreiben.
270
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13. Numeralia
13. 1 Kardinalia
§ 289.
271
00046245
272
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13.2 Ordinalia
§ 290. Zum Wechsel o/a vgl. § 57.
" 1." lesb. 1Tpi:Yro~: -w IPergamon 159.4, -ot~ IG 12,2$:141.17
thess. 1TpoÜTo~: -ov McD 310.36, -av IG 9,2:506.4
boiot. 1Tpäro~: -ov DGE 485 .15, -av E.78:12.16
Zur Opposition lesb. thess. rrpW'ror; : boiot. rrpäTor; vgl. § 71.
8elirepo~: -o~
" 2." lesb. IG 12,2:82.19, -av IG 12,2:526.a 18
thess. 8evrepo<:: -a. McD 310.1, -av IG 9,2:506.5
boiot. 8elirepo<;: -ov DGE 485.16, -w E.78:06.3/4
" 3 ." 1esb. rpiro~: -0<: IG 12,2:82.21
boiot. rpiro<:: -ov DGE 485.17, -w DGE 462.a1 •
" 4 ." lesb. rerapro<:: -a IG 12,2:500.2 (Mathymna, Anf. 2. Jhd t.),
IG 12,2:527.27 (Eresos, 3. Jhdt.), -ov IKyme 102.3. VgL
auch Teropn<: ([T ]hoprw IG 12,2:502.15), rer6praw<:
Theokr. 30.2, Teni[prewv] lAssos 4.3/4
Eine nach rriuuper; und thess. rreTp- zu erwartende Form mit /p/ im
Anlaut ist nicht belegt.
thess. 1T€Tp-: vgl. 1Terpa-yovvov McD 347 .4, 1T€TPMO<: GHW 5346
(Larisa, 2. Jhdt.), 1Terpoeretp€6a McD 346 passim, 1TETPtrev
Helly i.V. Z. 10
boiot. 1T€Tparo~: -ov DGE 485. 18, -av E.78:12.22
274
00046245
275
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D. REGISTER
I. Textmaterial
Das folgende Verzeichnis enthält bibliographische Hinweise auf verbesserte Lesungen utnd
Re-editionen von in den ln.scriptiones Graecae publizierten Dialektinschriften (soweit cdiese
in der vorliegenden Untersuchung zitiert werden).
276
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•
IG 12,2: 499 Charitonidis (1968: 81); Sokolowski (1969) Nr. 127
500 Charitonidis (1968: 81); Buchholz (1975: 74)
503 Charitonidis (1968: 81); Hodot (1976: 44f.); SEG 26: 905 •
504 Charitonidis (1968 : 81); Hodot (1976: 45f.); SEG 26 :906
526 DGE 632; Charitonidis (1968: 83); Hodot (1976: 46)
528 Charitonidis (1968: 84); Hodot (1976: 46f.); SEG 26:907
645 DGE 634 ; Buck (1968) Nr. 27
IG 12,2 S:2 Charitonidis (1968: 3); Hodot (1976: 48ff.); SEG 26:909
3 Charitonidis (1968: 3)
6 Charitonidis (1968: 5); Hodot (1976: 52)
7 Robert REA 1960: 309f.; Charitonidis (1968: 6)
63 Charitonidis (1968: 49); Hodot (1976: 54); SEG 26:911
114 Charitonidis (1968: 80); Hodot (1976 : 57); SEG 26:916
115 Charitonidis (1968: 80); Hodot (1976: 57f.); SEG 26:917
121 Charitonidis (1968: 84) ; Hodot (1976 : 58)
122 Charitonidis (1968: 84); Hodo t (1976: 59)
124 Charitonidis (1968: 84); SEG 27:485
125 Charitonidis (1968 : 84); Hodot (1976 : 59); SEG 26 :918
126 DGE 633 ; Hodot (1976 : 59); Sokolowski (1969) Nr. 124
135 lAssos 5
136 Hodot (1976 : 65)
137 DGE 623 ; IErythrai 122
139 DGE 631; Hodot (1976: 66)
142 lPergamon 245; Hodot (1976: 66)
143 DGE 648; Hodot (1976: 66); ILampsakos 34
147 DGE 636; IErythrai 121
277
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278
00046245
279
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In der folgenden Liste werden sämtliche nach den lnscriptiones Graecae publizierten Dia-
lektinschriften - gegebenenfalls mit Hinweisen auf verbesserte Lesungen und Re-editionen -
aufgeflihrt, die in der vorliegenden Untersuchung zitiert sind.
281
00046245
282
00046245
283
00046245
284
00046245
285
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SEG 26: 675 (McD 340; SEG 13:395 ; Salviat-Vatin Larisa Anf. 2. Jhdt.
BCH 1974: 249ff.), Habicht (1976a:
160 D)
676 (McD 339, SEG 13:394, Salviat-Vatin Larisa Anf. 2. Jhdt.
BCH 1974: 249ff.), Habicht (1976a:
161 EF)
27:183 Atrax 6./5. Jhdt.
184 Atrax 6./5. Jhdt.
197 Demetrias 3. Jhdt.
202 Larisa Ende 3. Jhdt.
205 Larisa Mitte 3. J hdt.
226 Pelasgiotis 2. H. 2. Jhdt.
ZPE 1974: 28 Atrax 6. Jhdt.
UNVERÖFFENTLICHTE INSCHRIFTEN
GHW 1342 Olosson
1754 (Mus. Larisa)
3363 Skotussa
3579 (Mus. Larisa)
4443 (Mus. Larisa) 4. Jhdt.
4519 Pherai 3. Jhdt.
4545 Atrax 4./3. Jhdt.
4546 Atrax
4742 Atrax
4784 Atrax 3. Jhdt.
5346 Larisa 2. H. 2. Jhdt.
286
00046245
287
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291
00046245
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