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RANGJUNG DORJE

III. Karmapa (1234 – 1339)

Rangjung Dorje wurde abends im Jahre 1284 auf dem Dach eines Hauses in Tingri Langkor
in Südtibet zu Beginn des aufgehendes Mondes geboren. Schon kurz nach seiner Geburt
nahm er die Lotusposition ein und rief: "Der Mond geht auf!" Seine Mutter nahm dies eher als
schlechtes Zeichen und warf Asche auf seinen Mund. Jedoch sein Vater erinnerte sich an
die Worte von Karma Pakshi und verbot ihr ein solches Verhalten.
Als Folge auf die Reaktion der Mutter sprach der Junge erst wieder im Alter von drei Jahren.
Später in diesem Alter bat er seine Spielkameraden ihm einen Thron aus Rasenstücken zu
bauen. Er hockte sich darauf und begann einen schwarzen Hut herzustellen. Er setzte ihn
auf und erklärte, er sei der Karmapa.

Seinen Spielkameraden belehrte er nun, sie würden sich am Kreislauf der Geburten und
Tode (Samsara) erfreuen, was er bereits hinter sich gelassen habe. Die Spielkameraden
liefen weg und erzählten ihren Eltern was geschehen war und was sie gehört hatten. So
nahmen ihn die Eltern auf eine Pilgerreise zum Standbild des Buddha in Tingri. Als er die
Statue erblickte, entstand ein Regenbogen, der mit seinem Körper verschmolz. Er lernte die
buddhistischen Grundregeln von seinem Vater und kannte bereits das Alphabet, bevor es
ihm erklärt wurde. Er hatte viele reine Visionen während des Schlafes.

Mit fünf Jahren erzählte er seinem Vater, er wolle unbedingt den Siddha Urgyenpa treffen.
So reisten sie zusammen an dessen Wohnort. Einen Tag vor ihrer Ankunft hatte Urgyenpa
einen Traum, in dem Karma Pakshi erschien und ihm ankündigte, dass sie am nächsten Tag
eintreffen würden, um ihn zu besuchen. Am nächsten Morgen sprach Urgyenpa zu seinen
Schülern über die große Wahrscheinlichkeit für ein solch glückliches Ereignis. Sie bauten
einen Thron und bereiteten eine große Prozession vor. Das Kind traf ein in Begleitung seines
Vaters und schritt direkt zu seinem Thron, um sich dort niederzulassen. "Wer bist du, dass
du dich auf dem Thron meines Meisters setzt ?" fragte ihn der Siddha. "Ich bin der berühmte
Lama Karmapa!" antwortete der Junge. Urgyenpa wollte nun von ihm wissen, welche Art von
Beziehung vor diesem Besuch zwischen ihnen bestand hatte, worauf der kleine Junge sagte:
"Einmal ist ein großer Siddha zu mir gekommen. Das warst du, du hast mir damals von
deinen Pilgerreisen in diesem wunderbaren Land mit Namen Indien erzählt." Dann kletterte
er von seinem Thron und verbeugte sich vor dem Siddha. Er erklärte, dass er in seinem
früheren Leben dessen Lehrer war, aber dass er in diesem Leben zum Schüler von
Urgyenpa würde. Nun wurden die genauen Details über Karma Pakshi`s Weissagung
herausgesucht und es war kein Zweifel, dass dieses Kind der Karmapa war.

Er erhielt nun vom Siddha Urgyenpa die Einweihungen zu Chakrasamvara, Hevajra,


Kalachakra und Vajrakilaya, ebenso die speziellen Instruktionen zur Vajrapani-Praxis. Mit
sieben Jahren erhielt er die frühe Form der Ordination von Künden Sherab im Tor Phuwa
Kloster und studierte die Pratimoksharegeln unter der Leitung von Urgyenpa. Während einer
hohen Ermächtigung durch den Siddha Urgyenpa erblickte er seinen Meister in der Form von
Chakrasamvara. Etwas später erschienen die Großen Schutzgottheiten Mahakala und
Ekajata vor ihm und trugen ihm auf, möglichst rasch nach Tsurphu zu reisen.

Lama Nyenre Gendün Bum, der in Tsurphu lebte, hatte zur selben Zeit eine klare Vision von
Avalokiteshvara, der ihm mitteilte, dass die neue Wiedergeburt des Karmapa erschienen sei.
Schon bald traf Karmapa Rangjung Dorje dort ein und wurde mit grossen Ehren in dem
Kloster empfangen, dass er zur Zeit seiner ersten Inkarnation gegründet hatte. Lama Nyenre
übertrug ihm die Sechs Yogas des Siddha Naropa und die detaillierten Instruktionen zur
Verwirklichung von Mahamudra, ebenso die volle Ermächtigung in das Mula Hevajra Tantra.
Karmapa hatte dabei die Vision seines Meisters umgeben von allen Meistern der Kagyüpa-
Übertragungslinie. Noch einmal erschien ihm die Gottheit Ekajata, um einen trockenen
Spross zu überreichen, den er einpflanzte. Daraus wuchs später ein grosser Baum.
Er studierte die Alten und die Neuen Tantras und die Riten der Chöd-Praxis. Mit 18 Jahren
erhielt er die volle Ordination von Sakya Schönnu Changchub, er studierte die
Mönchsregeln. d. h. die Gelübde der Vinaya und die Praxis der Gottheit Tara. Er reiste zum
großen Karma Gön Kloster, das er in seiner ersten Inkarnation gegründet hatte, und liess
dort einen kleinen Tempel und ungefähr eine halbe Tagesreise entfernt die Einsiedelei von
Lha Ten errichten. Der neue Tempel fing plötzlich Feuer während einer Zeremonie. Der
junge Lama löschte das Feuer, indem er eine Handvoll Reis in die Flammen warf und
Mantras rezitierte.

Er reiste an einen Ort mit dem Namen Rong Tsen Kawa Karpo, welcher der
Meditationsgottheit Chakrasamvara geweiht ist. Diesen Ort hatte er in einer früheren
Inkarnation für Pilger zugänglich gemacht. Dann besuchte er Nenang, wo es infolge von
Kämpfen sehr unsicher geworden war. Karmapa vermittelte zwischen den verfeindeten
Gruppen und beendete alle Kämpfe.

Nachdem der Frieden wieder hergestellt war, kehrte er erneut nach Zentraltibet zurück, wo
er einen Kommentar zum Mula Hevajra verfasste. Er studierte die Lehren der Grossen
Vollendung; (Dzogchen, Maha Ati oder Ati Yoga) das Kalachakra-Tantra und andere hohe
Lehren der Kagyüpa. Er vervollständigte sein Wissen über die allgemeine buddhistische
Philosophie. Von Lama Ba Re lernte er den grundlegenden Text zur Medizinwissenschaft,
von Tsultrim Rinchen die Lehren des Guhyasamaja Tantra und von Rigdzin Kumaraja die
"Herztropfen-Essenz" des Vimalamitra, ebenso wie die Geheimlehren der Niguma. Karmapa
kehrte nach Tsurphu zurück and verweilte in der Pema Chung Tsong Einsiedelei, wo er sich
zur Meditation zurückzog. In einer Vision erschien Siddha Urgyenpa, um ihm alle
besonderen Instruktionen von Karma Pakshi zu übertragen. Er führte ihn in die inneren und
geheimen Lehren des Siddha Tilopa ein.

Auch Guru Padmasamhava erschien vor ihm und segnete ihn. Als er seine Meditation
fortsetzte, konnte er die Auflösung aller Planeten und Sterne der inneren und äusseren
Sphären beobachten, was ihn inspirierte, eine astrologische Abhandlung zu verfassen.
Hieraus entstand später ein neues astrologisches System in Tibet. Auf einem Bergkamm
hinter dem Tsurphu Kloster gründete Karmapa ein neues großes Kloster mit zahlreichen
Meditationshöhlen, das er Dechen Yangri nannte. Dort verfasste er eine weitere Abhandlung
zur Astrologie mit dem Namen:"Die verborgene Innere Bedeutung" (tib. Zabmo Nangdön) Er
reiste nach Südtibet und gründete eine Einsiedelei in Nakphu. In den Provinzen Kong, Lung
und Ral lehrte er die Menschen und gründete ein großes Kloster in Trak Ru in der Nähe von
Bhutan. Im Jahre 1326 besuchte er Lhasa, um dort ausführlich zu lehren, zu segnen und
einzuweihen.

Der mongolische Herrscher Tokh Temur, der in China herrschte, lud Karmapa ein. Dieser
folgte seinem Wunsch und reiste via Tsurphu dorthin. Er setzte seine Reise fort und gelangte
nach Dam Shung in Kham, (Osttibet) wo es plötzlich unerwartet zu schneien und zu donnern
begann. Karmapa meditierte über die Vorzeichen für ein solches merkwürdiges Ereignis und
fand heraus, dass dies den baldigen Tod des mongolischen Herrschers ankündigen würde.
Er kehrte nach Tsurphu zurück und verbrachte den Winter dort. Während dieser Zeit schickte
er die chinesischen Repräsentanten, die sich bei ihm aufhielten, um seine Reise nach China
vorzubereiten, auf eine Pilgerreise in die verschiedenen Teile von Tibet. Am Frühlingsanfang
im Jahre 1332 machte sich Karmapa wieder auf den Weg nach China. Als er in Kham eintraf,
beschloss er mit der Hoffnung den Herrscher Tokh Temur noch vor seinem Tode
anzutreffen, die Reise zu beschleunigen. Aber als er in Chin Chow On in China eintraf,
entdeckte er mithilfe von plötzlichen Lichtblitzen am Himmel, dass es schon zu spät war. So
ließ er ein Zeltlager errichten und führte die Todesriten (Phowa und Bardo) aus. Dann wurde
die Reise fortgesetzt und sie erreichten den Tai-Ya-Tu Palast im Jahre 1332. Der Herrscher
war tatsächlich an dem Tage verstorben, wo es geblitzt hatte. Rinchen Pal, der damals den
Palast verwaltete, hieß den Karmapa in Gegenwart der Mitglieder der königlichen Familie,
den Ministern, den Mönchen und allen Praktizierenden offiziell willkommen. Er wurde hoch
geehrt und gab dann seinen Segen. Er machte eine Prophezeiung über Rinchen Pal, der
tatsächlich später einen Unfall erleben sollte.

Nach einem Monat begann Rangjung Dorje mit großen Zeremonien und Riten zum
Gedenken an den verstorbenen Herrscher. Sein Bruder Toghon Temur war zum Nachfolger
bestimmt, aber die Astrologen schlugen eine halbjährige Wartezeit vor. E-le Temur sollte in
der Zwischenzeit das Amt des Regenten ausführen. Im Jahre 1333 wurde der neue
Herrscher von Karmapa in einer Zeremonie inthronisiert, er erhielt zusammen mit seiner
Familie Einweihungen und Segen.

Dafür gab ihm der neue Herrscher den Titel "Der Kenner des Dharma, der Buddha
Karmapa". Hunderttausende von Menschen nahmen an diesem äußerst glücksverheißenden
Ereignis teil. Im Jahre 1334 kehrte Karmapa nach Tibet zurück und gründete auf dem Weg
dorthin viele neue Klöster. Er besuchte Riwo Tse Nga, den großen Berg und Pilgerort von
Manjushri in Westchina. Dort vollzog er viele Riten und erblickte den Bodhisattva in einer
Vision.

Er traf im Jahre 1335 in Tsurphu ein. Er besuchte Nya und reiste zu allen Kagyü Klöstern,
um den Dharma zu stärken. Während er dort die Avalokiteshvara Einweihung gab, erschien
über den Köpfen der Leute ein Regenbogen und es regnete Blumen. Viele Bönpos und
Nicht-Buddhisten in dieser Region wurden auf diese Weise rasch bekehrt
Zur selben Zeit brach dort ein Krieg aus zwischen den Provinzen Wang Jo und Myi Wa. Eine
große Reisegruppe mit Kaufleuten, die eine Yakherde mit 3000 Tieren begleiteten, wurden
dabei festgenommen und bedroht. Karmapa intervenierte und schützte sie. Er half den
verfeindeten Parteien bei der Errichtung eines gemeinsamen Friedensortes und erklärte
ihnen die Wichtigkeit von mitfühlendem Handel im alltäglichen Umgang. So kehrte er nach
Karma Gön zurück.

Alle Schutzgottheiten des nordöstlichen Tibets, besonders von Mi Nya, baten den Karmapa
zu bleiben und den Dharma weiter zu verbreiten. So lehrte er weiterhin im Jahre 1335 in der
Dam Provinz von Kham, kehrte aber noch im selben Jahr nach Tsurphu zurück.
Er erhielt eine weitere Einladung nach China. Als er sich in der Nähe von Lhasa aufhielt,
besuchte er das große Samye Kloster und den berühmten Chim Phu Tempel, wo er fünf
Monate lang in tiefer Meditation verweilte. Er begegnete Padmasambhava in einer Vision
und erblickte das geheime Mandala der Dakinis. Er veranlasste die Vorbereitungen für einen
Neudruck der kompletten Ausgabe der buddhistischen Schriften, des Kanjur und Tenjur.

1336 machte er sich wieder auf den Weg nach China und weilte auf der Hinreise im Kloster
Tsurphu. Während dieser langen Reise gab er zahllose Zeremonien. Als er im Tai-ya Palast
eintraf, erwartete ihn der chinesische Herrscher am Eingang des Palastes und hiess ihn
herzlich willkommen. Karmapa verbrachte 11 Tage in jedem der Paläste von Tai-ya Tu, Tai-
ya Tsi und Taiya Sri, wo er lehrte und ermächtigte. Im Innern des großen Tai ya Tu Palastes
ließ er ein neues Kloster bauen, das der Kagyü-Tradition gewidmet ist. In Klosterinnern
wurde das Mandala des roten vierarmigen Avalokiteshvara errichtet mit kostbaren
Wandmalereien. Ebenso wurden einige besonders schöne Statuen der grossen Kagyüpa-
Meister aufgestellt. Vom Herrscher erhielt Karmapa eine Residenz mit dem Mandala des
Chakrasamvara. Eine Anzahl von mächtigen Ministern hatte die Befürchtung, durch die
Anwesenheit des Karmapa und den Einfluss der neuen Lehre ihre politischen Ambitionen
nicht mehr durchsetzen zu können. Es gelang ihnen auch einige Tempel in China und in der
Mongolei zu zerstören. Sie verlangten eine sofortige Untersuchung der Affäre. Dies geschah
auch sehr bald und sowohl der Herrscher wie auch Karmapa wurden hierzu eingeladen. Als
Karmapa vorgeworfen wurde, dass er nur die eigenen politischen Ziele verfolge, erklärte
dieser, er sei einzig nach China gekommen auf die Bitte des Grossen Herrschers hin. Falls
sein Besuch Verwirrung stifte, werde er das Land sofort verlassen. Diese Wendung der
Ereignisse erzeugte eine tiefe Trauer in ihm, da die Hoffnung, dass er den Menschen im
Lande mit dem Dharma helfen könne der alleinige Grund für seinen Besuch in China war. Er
hatte keinerlei politische Ambitionen. Der chinesische Herrscher war sehr betrübt und bat
den Karmapa zu bleiben. Nachdem dieser Zeremonien ausgeführt hatte, um eine große
Dürre zu beenden, unter der große Teile des Landes schon seit einiger Zeit litten, deutete
der Karmapa an, dass bald die Zeit gekommen ist, um seinen Körper zu verlassen.

Der Herrscher bat ihn fieberhaft noch länger zu leben, um seinen Aktivität in China fortsetzen
zu können. Aber Karmapa antwortete, dass nun die Zeit für seine Abreise gekommen war. Er
würde später in der Region von Kongpo wiedergeboren, dann nach China zurückkehren und
ihm in seinem nächsten Leben wieder begegnen. Seinem Sekretär mit Namen Könchok
Rinchen teilte er mit, wo und wie man seine nächste Inkarnation finden konnte. Er würde sich
auch selbst rechtzeitig ankündigen. Dann verschied er im Jahre 1339 vor dem großen
Mandala des Chakrasamvara, nachdem er die vollständigen Riten beendet und heilige Pillen
an alle Anwesenden verteilt hatte. Es entstand eine große Trauer.
Als früh am nächsten Morgen die Wächter zum Himmel schauten, konnten sie klar und
deutlich im Vollmond das Antlitz des Karmapa schauen. Sofort wurden die Glocken
geschlagen, um das Herrscherpaar zu wecken. So konnten auch sie noch einmal ihren
Meister vom Palastfenster aus im Mandala des Mondes sehen. Am nächsten Tag wurde ein
Kunsthandwerker gerufen, der ein genaues Ebenbild des Karmapa schnitzen sollten, so wie
es auf der Mondoberfläche erschienen war. Dies Bildnis wurde besonders schön und befand
sich im kostbaren Besitztum des Herrschers. Als der dritte Karmapa Rangjung Dorje
verschied, war dieser 56 Jahre alt.

Literaturquelle: Karmapa, the Black Hat Lama, Nik Douglas & Meryl White, Luzac & Company Ltd., London 1976

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