Sie sind auf Seite 1von 813

Der Beitrag der Ostslawen zur

Weltkultur (Esskultur)
Platz 12
https://www.youtube.com/watch?v=YvGDafHwVjo
Ostslawische Küche
Suppen-Kultur:
борщ / щи, Pilzsuppen, уха (Fischsuppe), Milchsuppen, süße Suppen, kalte
Suppen: Okroschka, Swekolnik, Sauerampfer Suppe…

Esskultur*
Brei-Kultur: Водка
Buchweizengrütze, Hirse, Grieß,
(+ Sakusska Kultur!):
Reis, Graupen (Perlgraupe),
* Gesamtheit der das Essen betreffenden
Hafergrütze, Erbsengrütze, Pilaw… Gewohnheiten und Gebräuche
Platz 12 Ostslawische Küche/Esskultur
http://restaurant-samowar.de/speisekarte/

Suppen-Kultur:
борщ / щи, Pilzsuppen, Milchsuppen, süße Suppen, kalte Suppen:
Okroschka, Swekolnik, Sauerampfer Suppe

Viel Eingemachtes und Saure Milchprodukte:


Eingelegtes: eingelegte Quark, Kefir,
Früchte, Marmeladen, „Smetana“…
Salo, Kaviar, Kraut, Pilze
(Reizker, Butterpilze, Pfifferlinge,
Steinpilze, Birkenpilze, Hallimasche, Frühstück: deftig und
Täublinge)
sehr herzhaft (Neben
Olivier (Russischer Kompott, Kissel, kalten, werden immer
Salat), Cholodez (Sülze), Kwas, Mors auch warme gereicht)
„Hering unter dem Blinys, Piroggen…
Mantel“…
Poldnik
Brei-Kultur: ("five o'clock"?)
Гречка (Buchweizengrütze), просо
(Hirse)… wird mit Butter, Zucker Водка
und Milch verfeinert (+ Sakusska Kultur!):
Ostslawische Küche: Belarus‘
1. Ganz oft diente als Basis ein Rezept aus einer
fremden Volksküche (litauischen, polnischen,
jüdischen).
2. Seit dem 18. Jh. ist die Kartoffel für die
Belarussen dem Brot mindestens ebenbürtig
(„второй хлеб“). So werden die Belarussen von
ihren Nachbarnvölkern auch oft gern neckisch
"Bulbaschi" genannt (bel. für "bulba" – Kartoffel).
3. In der belarussischen Volksküche sind ganz
wenige Nachtische zu finden. Sie werden häufig
durch Beeren, Früchte, Honig und Quark ersetzt.
Ostslawische Küche: Belarus‘
4. Gemüse legt man in Belarus vornehmlich in
Salzlake, nicht in Essig ein.
5. Babka (Kartoffelkuchen), Zeppeline
(Hackfleischklöße), Blinis (Pfannkuchen
unterschiedlicher Dicke), Draniki (herzhafte
Kartoffelpuffer), Haladnik (kalte Suppe aus
Sauerampfer), Akroschka (kalte Gemüsesuppe),
Borschtsch (Suppe aus roter Beete und Kohl),
Kalduny (gefüllte Klöße)…
Ostslawische Küche: Ukraine
1. Küche der Ukraine beeinflusst auch die anderen
Länder, besonders jedoch die russische Küche.
2. Borschtsch, die reichhaltige Gemüsesuppe, wird meist
mit Rüben zubereitet (auch mit Zwiebeln, Tomaten,
Kartoffeln, Möhren, Weißkohl sowie Rindfleisch).
3. Eine weitere typische russisch-ukrainische Suppen-
Spezialität ist die dickflüssige, säuerliche und pikante
Soljanka. Es gibt drei verschiedene Arten der Soljanka
- je nachdem ob die Hauptzutaten Fisch, Fleisch oder
Pilze sind. Auch enthält die Suppe grundsätzlich
immer Gewürzgurken, oftmals Kohl, Mixed Pickles,
Dill und (kurz vor dem Servieren!) saure Sahne oder
Schmand.
Borschtsch (борщ)
Ostslawische Küche: Ukraine
4. Gekochte Teigtaschen „Vareniki“ werden meist
mit Hackfleisch, Weißkohl, Speck, Kartoffeln,
Käse, Quark oder auch mit Obst gefüllt.
https://www.youtube.com/watch?v=ene3yZTZNVE

5. Kvas ist ein mit Kohlensäure versetztes slaw.


Getränk, welches aus Malz, Roggen und Wasser
hergestellt wird.
http://odessamama.de/
Ostslawische Küche: Russland
Die russisch-orthodoxe Kirche hat viel zur kulinarischen
Tradition und zur Kochkultur Russlands beigetragen. Sie
sieht vier Fastenzeiten vor, die je zwischen zwei und
sechs Wochen dauern. Daneben fasten strenggläubige
orthodoxe Christen auch noch jeden Mittwoch und
Freitag, ebenso an mehreren kirchlichen Feiertagen.
Während dieser Fastenzeiten ist jeglicher Verzehr von
Milchprodukten, Butter und Fleisch tabu. Auch der
Verzehr von Fisch wird von der orthodoxen Kirche nur
an bestimmten Fastentagen erlaubt. Durch diese strenge
Fastentradition gibt es in der russischen Küche eine
Vielzahl rein vegetarischer Rezepte obwohl die russische
Küche ansonsten von Fleisch und Wurst geprägt ist.
Ostslawische Küche: Russland
• Kascha wird aus Buchweizen, Haferflocken, Roggenschrot
und Maisgrieß gekocht
• Schtschi (щи) - die herzhafte Kohlsuppe
• Sakuski - eine Reihe von Kleinigkeiten, die man zum Wodka
verzehrt (Tapas). Diese Sakuski bestehen bspw. aus Lachs,
Stör, Blinis mit Kaviar, Hering “unter dem Pelz” (aus roter
Bete zubereitet), sauren Gurken, Sauerkraut, eingelegtem
Knoblauch, Auberginenpüree, Salat aus Meeresalgen,
Tomaten und Gurken mit Sauerrahm oder Wurst- und
Bratenaufschnitt. Auch Piroschki (Teigtaschen mit
Sauerkraut, Hackfleisch oder Kartoffeln gefüllt).
• Pelmeni
• Kissel (eingedickter Fruchtsaft), Mors (Fruchtsaftgetränk aus
Beerenobst)
Die Geschichte des Wodkas
• Laut russischen Chroniken, entstanden im Russland des 12. Jhs. erste
Brennereien. Zunächst wurde Wodka für medizinische Zwecke
verwendet.
• Die Massenproduktion vom Brot-Wein (хлебное вино) begann Mitte
des 15. Jhs. Um das russische Heer unterhalten zu können, führte Zar
Iwan III. ein Staatsmonopol auf die Wodka-Produktion ein.
• Seit 1751 war die Wodka-Steuer mit zeitweise bis zu 40% die
wichtigste Einnahmequelle russischer Zaren. Erst seit dem 18. Jh.
ging das Wort „Wodka“ in den allgemeinen Sprachgebrauch über.
• Ende des 19. Jhs. veröffentlichte der russische Chemiker Mendelejew
seine Doktorarbeit über die Verbindungen von Spiritus mit Wasser.
Ihm wird die Erfindung der Formel für einen vollkommen reinen
Wodka zugeschrieben. Demnach sollte ein ausgewogener Wodka 40
Volumenprozent Alkohol enthalten. 1894 erklärte Zar Alexander III.
dies zum Standard für den russischen Wodka.
Wie trinkt man mit den Russen zusammen
Wodka?
1. Man trinkt Wodka zu einem guten Anlass (повод).
2. Traditionell bevorzugt man in Russland einen reinen (nicht
aromatisierten) Wodka. Die ideale Wodka-Temperatur liegt
zwischen 5 und 7°С.
3. Wodka trinkt man nie allein! (3)
4. Serviert wird Wodka in kleinen 5 cl Gläsern (стопка).
Mindestens die ersten zwei bis drei Gläser mittrinken. Eine
geöffnete Wodka-Flasche wird auf jeden Fall geleert.
5. In Russland trinkt man Wodka „bis zum Boden“ (rus.: до
дна!). Man sollte sein Wodka-Glas erst auf dem Tisch
abstellen, wenn es leer ist.
6. Trinksprüche! Während eines Trinkspruchs hebt man sein
Wodka-Glas hoch und hält es so lange, bis der Trinkspruch zu
Ende ist.
7. Nie (!) nur sein eigenes Glas mit Wodka nachfüllen (das ist
sehr taktlos!), sondern allen anderen mit einschenken!
Warum verkraften die Russen sehr viel
Wodka und bleiben dennoch am Leben?
• Wenn man Wodka trinkt, muss man unbedingt fetthaltige
Speisen zu sich nehmen (Aber! nicht zu viele Teigwaren
oder Süßigkeiten zu verspeisen!). Sakusski – kleine
Vorspeisen – sind ein wichtiger Teil russischer Trinkkultur
(etwas Salziges: Salzgurke, eingelegte Pilze, ein Stück Brot
mit Speck, Kaviar). Das größte Problem von Europäern,
besteht darin, dass sie den Wodka zu sich nehmen, ohne
etwas dazu zu essen!
• Nicht nippen! In einem Schluck trinken! Nicht durch den
Mund, sondern durch die Nase ausatmen.
• Trinken Sie am nächsten Morgen nach dem Gelage ein Glas
Salzwasser oder die Salzlauge von eingelegtem Gemüse
(рассол) auf nüchternen Magen – das ist das wirksamste
althergebrachte Volksmittel gegen Kater und
Kopfschmerzen.
Wodka - Treibstoff der russischen
Seele?
Russischer Wodka: Mythos ...

Stolz:
WIR können DAS!
(SIE – nicht!)
https://www.youtube.com/watch?v=0MHBWlc45DI
1.00 – 5.00

Ästhetik:
Es ist schön!
Identität:
Das ist unseres!
https://www.youtube.com/watch?v=KQFMdldmLbw
https://www.youtube.com/watch?v=9QHBBYf-l-U
... und Wirklichkeit

http://de.rbth.com/multimedia/infographics/2013/07/26/was_und_wie_haeufig_wird
_in_russland_getrunken_25143
... und Wirklichkeit
60-70% aller Verbrechen in Russland, darunter
Morde, finden im Rahmen häuslicher Gewalt
statt. Die am häufigsten verwendeten Werkzeuge
sind dabei Hocker, Messer, Vasen und Pfannen.
Das häufigste Mordmotiv - familiäre Konflikte
während der Feiertage. Nach Angaben der
Moskauer Polizei werden 43% aller Verbrechen
in der Hauptstadt im Zustand der Trunkenheit
begangen. Bezogen auf ganz Russland können
weitere 20-25% addiert werden. Die meisten
Morde werden am 5-6 Januar und während der
Mai-Feiertage begangen.
http://www.aif.ru/society/safety/1062383
Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur
Platz 12 Banja als Übergangsschwitzkultur

Finnische Sauna

Russische Banja

Hamam
Die Banja (Баня)
• Banja besetzt in der heutigen Kultur der
Belorussen, Russen und Ukrainer einen enormen
Stellenwert;
• Blockhaus aus Holz Traditionell wird das
Badehaus mit einem Holzofen beheizt (heiße
Steine);
Aufguss mit Birkensud in
der Banja, Verwendung der
Birkenzweige (веник)
• Die traditionelle Banja umfasst neben dem Schwitzraum
auch noch einen Erholungsraum.
• Im Unterschied zur finnischen Sauna ist das russische
Wenikbad wegen der großzügigen Birkensud-Aufgüsse viel
feuchter und wirkt dadurch noch einmal wärmer.
• Für den Aufguss werden Birkenzweige ein bis zwei Tage
lang in Wasser eingeweicht. Im Sommer werden oftmals
frisch gepflückte Zweige verwendet.
• Gegen Ende eines Banjasgans schlagen sich die Gäste der
Banja mit Bündeln von eingeweichten Birkenzweigen den
Körper bzw. den Rücken ab. Dies regt die Blutzirkulation
ab.https://www.youtube.com/watch?v=gwVFqurWzqw
• Kleine Snacks und Bier gehören in Russland zu einem
gelungenen Saunagang. Diese stehen im Ruheraum
bereit.
• Ein Filzhut bedeckt die Köpfe der meisten Badegäste.
Dieser soll Gesicht und Kopf vor allzu großer Hitze
schützen.
Der Ablauf
1. Duschen (der Fettfilm verzögert eine tiefe Reinigung!).
2. Danach sollte gründliches Abtrocknen folgen (Wer mit feuchter
Haut in die Banja geht, schwitzt später!)
3. Das Birkensud-Wasser wird auf die heißen Steine des
Banjasofens geleert, dadurch verbreitet sich eine intensive
Feuchtigkeit im Holzraum. Die in Bündel zusammengefassten
Zweige, die vorher im Aufgusswasser aufweichen, werden dazu
benutzt, den Körper sanft abzuschlagen. In der Banja ist es
durchaus üblich, den Rücken des Nachbars abzuschlagen.
Neben der klassischen Quaste aus Birkenzweigen werden auch
Lindenzweige, Eichenzweige oder Tannenzweige verwendet.
4. Abschließend folgt die Ruhephase.
Trinken Sie in der Pause ausreichend Wasser oder mineralreiche
Getränke. Wer es den russischen Gastgebern nachmachen möchte,
greift zu Bier und Häppchen.
Richtige Abkühlung nach der Sauna
https://www.youtube.com/watch?v=6FbktObWd-U
Die Sauna als gesellschaftliches
Zentrum
• In Russland ist die Sauna ein integraler Bestandteil der
Alltagskultur: Man geht in die Sauna, um Freunde zu treffen
oder um Geschäftliches zu besprechen. Das Schicksal der
Sowjetunion wurde im Jahr 1991 angeblich während eines
Banja-Besuchs vom Präsidenten Russlands, Weißrusslands und
der Ukraine besiegelt.
• Während in Deutschland und Österreich der Relax- und
Wohlfühlmoment im Mittelpunkt steht, liegt der Fokus in
Russland eher auf der Sauna als soziale Drehscheibe. So gilt
zwar auch in Russland das ungeschriebene Gesetz, dass in der
Sauna leise gesprochen werden muss – gesprochen wird
allerdings unentwegt, anders wie in Österreich, wo in der Sauna
meist Stille herrscht.
• Vor allem Männer nutzen die Banja als eine Art Kneipenersatz.
https://www.youtube.com/watch?v=NIJk-8wi-HE
Platz 11 Volkskunst:
ukr. Petrykiwka-Malerei + rus. volkstümliche Malerei
• Die Petrykiwka-Malerei (Петриківський розпис) ist ein
volkstümlicher Ornamentstil, ein origineller Stil der
dekorativen Malerei in der Ukraine, der vor Jahrhunderten
in der Nähe des heutigen Dnipro entstanden ist.
• Die Petrykiwka-Malerei wird als immaterielles Kulturerbe
(2013) in der Liste des immateriellen Kulturerbes der
Menschheit der UNESCO gelistet*.
• Die ukrainische, volkstümliche Petrykiwka-Malerei ist
reich an Symbolik und zeugt von einer sorgfältigen
Beobachtung der lokalen Flora und Fauna:
• http://www.unesco.org/culture/ich/en/RL/petrykivka-decorative-painting-as-a-phenomenon-of-the-ukrainian-ornamental-folk-art-00893

*Zur Prüfung: Für alle ostslawische Meisterwerke des immateriellen Erbes der Menschheit:
Was ist das? Wo befinden sich das? Warum?
Петриківський розпис
Петриківський розпис
Russische volkstümliche Malerei
• Keramik aus Gschel
(Гжель) Delfter Keramik (?)
Tablettmalerei aus
Schostowo und Tagil –
(Жостовская / Тагильская
роспись) - Lackmalerei http://students.uni-vologda.ac.ru/pages/pm10/sna/zhostovo.html

auf Metalltabletts.
• Dymkovo Spielzeug
(дымковская игрушка)
• Chochloma (Хохлома)
Хохломская роспись:
Farben-Mix aus Gold, Schwarz, Rot
http://vasi.net/community/all/2010/11/20/khokhloma.html
Kitsch Chochloma
Platz 10 Ostslawische Filme. Filmkunst.
Christine Engel [Hrsg.] „Geschichte des sowjetischen und russischen Films“
Stuttgart,1999: (s. Moodle).

2006: Остров* (Die Insel): Regie Pawel Lungin


(Deutsch Untertitel):
http://www.ref-sg.ch/news/datei/d1009.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=5N05t9nZ84I 1967: Вий*: Regie Елена Захарчук
https://www.youtube.com/watch?v=zyg0WUsY9HI

Andrej Tarkowskij Filme:


• 1964–66: Andrej Rubljow* Ukrainische und belarussische
• 1972: Солярис (Solaris)* Filme: (s. Moodle)
• 1979: Stalker*

Russian Movies with English Subtitles:


https://www.youtube.com/playlist?list=PL9M6sOhyT_j94GnWmDhYpSI4beMnqcRIs
• Собачье сердце
• Садко
• Бриллиантовая рука
• Берегись автомобиля
• 12 стульев
• Белое солнце пустыни
u.a.*obligatorisch ansehen
Zeichentrickfilme (Top 4)
1. Der Igel im Nebel (Ёжик в тумане) 1975 (Juri Norstein)
2003: Tokio Laputa Animationsfilmfestival: №1 Animationsfilm aller Zeiten
https://www.youtube.com/watch?v=tx72b5pXXYM (eng)
https://www.youtube.com/watch?v=l7MtRPpMZ8U (de)
https://www.youtube.com/watch?v=_Rugwd8ZNHY (rus)

2. Winnie Pooh (Винни Пух) 1969


https://www.youtube.com/watch?v=z89n9LHBnP4 (de+untert.)
https://www.youtube.com/watch?v=Bn5swOZ1EYk (ru)

3. Tscheburaschka (Чебурашка) 1966


https://www.youtube.com/watch?v=R-3Wr5pOPtM (de)

4. Hase und Wolf / Na, warte! (Ну, погоди!) 1969


https://www.youtube.com/watch?v=uLSO2pFIJQI
Platz 9 Ostslawische Literatur:
Klassische Literatur, Schriftsteller : (s. auch Moodle)

1. Ivan Franko (Іван Франко) (1856-1916) ukr.

2. Lev Tolstoi (Лев Толстой) (1828-1910) . rus

3. Fjodor Dostojevski (Фёдор Достоевский) (1821-1881) rus.


4. Michail Bulgakov (Михаил Булгаков) (1891-1940) rus.
5. Nikolai Gogol (Николай Гоголь) (1809-1852) ukr./rus.
6. Jakub Kolos (Якуб Колас) (1882-1956) bel.
7. Anton Tschechov (Антон Чехов) (1860-1904) rus.
Platz 9 Ostslawische Literatur:
• Ukrainische Literatur:
http://eeo.uni-klu.ac.at/index.php?title=Ukrainische_Literatur
• Russische Literatur:
(s. Moodle)
• Belarussische Literatur:
(s. Moodle)
Klassische Literatur,
Klassische Literatur, Dichter: (s. auch Moodle)
1. Taras Schewtschenko (Тарас Шевченко) (1814 -1861) ukr.
2. Janka Kupala (Янка Купала) (1882-1942) bel.
3. Sergei Jessenin (Сергей Есенин) (1895-1925) rus.
4. Lesja Ukrajinka (Леся Українка) (1871-1913) ukr.
5. Alexandr Puschkin (Александр Пушкин) (1799-1837) rus.
6. Maksim Bahdanowitsch (Максiм Багдановiч) (1891-1917) bel.
Platz 8
Russische klassische Musik

1. Pjotr Tschaikowski/Пётр Чайковский (1840-1893)


2. Sergei Rachmaninow/Сергей Рахманинов (1873-1943)
3. Igor Strawinski/Игорь Стравинский (1882-1971)
4. Sergei Prokofjew/Сергей Прокофьев (1891-1953)
5. Dmitri Schostakowitsch/Дмитрий Шостакович
(1906 - 1975)
Platz 7 Russische und ukrainische Volkskulturen:
Kosaken-Kultur und Semeiskije
Kosaken-Kultur (ab dem 16. Jh.): Bei Wehrbauern
handelte es sich um Bauern, die von ihrer Obrigkeit
zur Ausübung militärischer Tätigkeiten verpflichtet
wurden und im Gegenzug meist einige Privilegien
erhielten.
Die meisten Wehrbauern in russischen und
polnischen (Polen-Litauen) Diensten waren Kosaken,
die in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen
Meeres eine eigene Gemeinschaft und Kultur
entwickelt hatten.
Kosaken
• Kosaken waren Gemeinschaften freier
Reiterverbände, zu denen sich flüchtige russische,
belarussische und ukrainische Leibeigene
zusammenschlossen.
• Seit dem 16. Jh. wurden Kosaken in der polnisch-
litauischen Grenzverteidigung eingesetzt.
• Im 17. Jh. wurde eine autonome ukrainische
Staatsformation, der „Kosakenstaat“ Saporoger
Sitsch gegründet.
Kosaken
• Bis zum 18. Jh. waren sowohl russische als auch
ukrainische Kosaken vom Zarenreich teilweise
unabhängig.
• 1775 wurde das freie Kosakentum endgültig
aufgehoben.
• Die Kosaken wurden als freie Kavallerieverbände
in die russische Armee integriert.
Lienzer Kosakentragödie
(Tragödie an der Drau)
Lienzer Kosakentragödie
Semeiskije (семейские)

http://www.liveinternet.ru/users/smart50/post200762419/
Semeiskije (семейские)
Die Semeiskije sind eine Gemeinschaft von "Altgläubigen" von
etwa 200.000 Menschen östlich des Baikalsees.
Im 17. Jh., nach der Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche,
wurden die Altgläubigen in verschiedene Regionen Russlands
und nach Sibirien während der Regierungszeit von Katharina II
verbannt (die Vorfahren der Semejskie hatten im 17. Jh. die
liturgischen Reformen des Patriarchen Nikon nicht
angenommen).
Die Semeiskije sprechen einen Dialekt des Russischen mit
Elementen des Belarussischen, Ukrainischen und Burjaten.
Die alten Rituale wurden weiter auch unter der orthodoxen
Schisma (Glaubensspaltung) praktiziert, die alltäglichen
Aktivitäten basieren auf staken innerfamiliären Bindungen sowie
strengen moralischen Prinzipien.
Die Semeiskije haben ihre traditionellen Bräuche, eigenes
Handwerk, Häuser, Malerei, dekorative Kunst sowie Essen und
Musik.
Die alltägliche und geistliche Kultur wurde 2001
von der UNESCO unter der Bezeichnung „Der
Kulturraum und die mündliche Kultur der
Semeiskije” in das das UNESCO-Welterbe
ergänzende Programm „Meisterwerke des
mündlichen und immateriellen Erbes der
Menschheit” aufgenommen.
Wetka (Belarus‘)
Platz 6 Ukrainischer und russischer Barock
Kiewer Sophienkathedrale (XVII Jh.)
Im 17. Jh. entstanden
Knospen- oder birnenartige Kuppeln
Ukrainischer (Kosaken-) Barock
• Ukrainischer Barock ist im 17. Jh. entstanden.
• Knospen- oder birnenartige Kuppeln.
• Schlichte Formen und moderate Ornamentation.

„In der Architektur stehen Festlichkeit, dynamische


Plastik der Formen, Bildhaftigkeit der Fassade und
der Silhouette, unerwartete Effekte der Anordnung
usw. an erster Stelle“Lioudmila Millaeva
Wydubitschi-Kloster (ukr. Видубицький монастир)
Dreifaltigkeitskirche (Kiewer Höhlenkloster)
Bestimmte Merkmale des ukrainischen
Barocks wurden vom verwandten
russischen Naryschkin-Barock
übernommen (s. russischer Barock)
Ukrainische Barock Wandmalerei

«Троицкая надвратная церковь, фрагмент росписи внешних стен, ведущих к Святым вратам»
участника Xverbina - собственная работа. Под лицензией CC BY-SA 3.0 с сайта Викисклада -
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%D0%A2%D1%80%D0%BE%D0%B8%D1%86%D0%BA%D0%B0%
D1%8F_%D0%BD%D0%B0%D0%B4%D0%B2%D1%80%D0%B0%D1%82%D0%BD%D0%B0%D1%8F_%D1%8
6%D0%B5%D1%80%D0%BA%D0%BE%D0%B2%D1%8C,_%D1%84%D1%80%D0%B0%D0%B3%D0%BC%D0
%B5%D0%BD%D1%82_%D1%80%D0%BE%D1%81%D0%BF%D0%B8%D1%81%D0%B8_%D0%B2%D0%BD%
D0%B5%D1%88%D0%BD%D0%B8%D1%85_%D1%81%D1%82%D0%B5%D0%BD,_%D0%B2%D0%B5%D0%B
4%D1%83%D1%89%D0%B8%D1%85_%D0%BA_%D0%A1%D0%B2%D1%8F%D1%82%D1%8B%D0%BC_%D
0%B2%D1%80%D0%B0%D1%82%D0%B0%D0%BC.jpg#/media/File:%D0%A2%D1%80%D0%BE%D0%B8%D
1%86%D0%BA%D0%B0%D1%8F_%D0%BD%D0%B0%D0%B4%D0%B2%D1%80%D0%B0%D1%82%D0%BD%
D0%B0%D1%8F_%D1%86%D0%B5%D1%80%D0%BA%D0%BE%D0%B2%D1%8C,_%D1%84%D1%80%D0%B
0%D0%B3%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D1%82_%D1%80%D0%BE%D1%81%D0%BF%D0%B8%D1%81%D0%
B8_%D0%B2%D0%BD%D0%B5%D1%88%D0%BD%D0%B8%D1%85_%D1%81%D1%82%D0%B5%D0%BD,_%
D0%B2%D0%B5%D0%B4%D1%83%D1%89%D0%B8%D1%85_%D0%BA_%D0%A1%D0%B2%D1%8F%D1%8
2%D1%8B%D0%BC_%D0%B2%D1%80%D0%B0%D1%82%D0%B0%D0%BC.jpg
Russischer Barock
• westlich orientierter Petrinischer Barock
(Петровское барокко) → Peter-und-Paul-Kathedrale
• ↓Moskauer Barock (Naryschkin-Barock,
московскоe барокко) Anf. der 18.Jh.

↙Спасская церковь в Уборах Московской


области
Екатерининский дворец

• Elisabeth-Barock (Елизаветинское барокко↑, Rastrelli‘s


Barock), 1730er-Jahren.
Platz 5 Unierte (griechisch-katholische)
Kirche
• Die größte heute bestehende mit Rom unierte
Kirche ist die Ukrainische griechisch-katholische
Kirche in der Ukraine.
• Kirchenunion von Brest im Jahr 1596 zwischen der
orthodoxen Kirche des Polen-Litauens und der
römisch-katholischen Kirche
1. Liturgie nach byzantinischem Ritus
2. Jurisdiktionsprimat des Papstes

1596 1589 Moskauer Patriarchat


Orthodoxie im Osten (1589 erklärte der Moskauer
der Rzeczpospolita Synod die Errichtung des
Patriarchats)
Barbarakirche in Wien

cityabc.at https://www.flickr.com/photos/russianchild007/3737738673
Platz 4 Malerei der Witebsker Kunstschule
• Jehuda Pen (1854-1937) war ein Maler und Lehrer
und dabei eine der wichtigsten Figuren der Jüdischen
Renaissance in der weißrussischen Kunst zu Beginn
des 20. Jhs.
• Marc Chagall (1887-1985) gilt als einer der
bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts.
• Kasimir Malewitsch (1879-1935) Hauptvertreter der
Russischen Avantgarde, Wegbereiter des
Konstruktivismus und Begründer des Suprematismus.
• Wassilij Kandinsky (1866-1944) war ein Künstler des
Expressionismus und einer der Wegbereiter der
abstrakten Kunst.
Marc Chagall
Marc Chagall wurde am 7. Juli 1887 in dem
Dorf Liosno nahe der weißrussischen Stadt
Witebsk als Sohn jüdischer Eltern geboren.
„Die Erinnerung“ 1914
(histnet.ch)
„Окно. Витебск“ 1908
(marc-chagall.ru)
Fauvismus* / Expressionismus + weissrussischer und
russischer Volkskunst + jüdischer Mystik +
Surrealismus

* Der Fauvismus war eine Stilrichtung in der Kunst, die zu


Beginn des 20. Jahrhunderts entstand. Dieser Stil stammte aus
Frankreich und in französischer Sprache bedeutet fauves "wilde
Tiere" oder "wilde Bestien".
„Смерть“ 1908
(marc-chagall.ru)
„Я и деревня“ 1911
(marc-chagall.ru)
„Продавец скота“ 1912
(marc-chagall.ru)
„Через окно“ 1913
(marc-chagall.ru)
„Straße in Witebsk“ 1914
(1001art.net)

„Мясник“ 1910
(marc-chagall.ru)
„Witebsk. Der Bahnhof “ 1914
(marc-chagall.ru)
„Der verwundete Soldat“ 1914
(home.arcor.de/fr22.f/galerie/am/chagall)

„Красный еврей“ 1915


(marc-chagall.ru)
„Der Zeitungsverkäufer“ 1914 "Война" 1915
(marc-chagall.ru)
(artcyclopedia.org)
„Über Witebsk“ 1914
(david.juden.at)
„Окно в сад“ 1917
(marc-chagall.ru)
„Сон в летнюю ночь“ 1939 „Время - река без берегов“ 1930 - 1939
(marc-chagall.ru) (marc-chagall.ru)
„Die gelbe Kreuzigung“ 1943
(http://www.evpfa-costadelsol.de)
„Рай“ 1960 „Каин и Авель“ 1960
(marc-chagall.ru)
„Роспись плафона
для Парижской
оперы“ 1963 - 1964
(marc-chagall.ru)
Deckengemälde von Chagall:
Palais Garnier - Opéra National de Paris
„Витражное окно для Кафедрального собора
„Цикл из 9 витражей для церкви по заказу семьи Рокфеллеров“ Чичестера“ 1978
1960 (marc-chagall.ru) Glasmalerei von Schagall (marc-chagall.ru)
1914

„Художник над Витебском“


1982 - 1983
(marc-chagall.ru)
„Война“ 1964 - 1966
(marc-chagall.ru)
Platz 3 Ostslawische Kirchenmalerei, Ikonen
Die Kirchenmalerei ist Teil der dem Christentum verpflichteten
bildenden Kunst, es ist das Kultbild der Ostkirchen, besonders
der orthodoxen Kirchen.
• Ikonen sind kirchlich geweihte Bilder. Diese Art von Kunst
wurde in Griechenland, Bulgarien und besonders in Russland
gepflegt. Rund um das 11. Jh. entstanden die
Ikonenmalschulen, wobei der erste Mittelpunkt in Kiew war,
danach Nowgorod, später Wladimir, Twer und Moskau.
• Seit dem 16. Jh. wurden schon Zünfte der Ikonenmaler
gegründet, im 17. Jh. wurde das Ikonen-Amt etabliert und im
19. Jh. gab es in Russland große Unternehmer-Werkstätten.
Die bekanntesten russischen Ikonenmaler waren Feofan Grek
und Andrej Rubljow.
• Die Ikonen werden auf einem speziell vorbereiteten Holz mit
traditionell hergestellten Eierfarben gemalt und nie mit einer
Unterschrift des Künstlers versehen.
https://www.youtube.com/watch?v=6drE_FD0hBc
Dreifaltigkeitsikone von
Andrej Rubljow
(Троица)

Verehrung: sich
bekreuzigen, sich
verneigen und die
Ikone küssen.
Ikone
• Die Ikonen dienen der Vergegenwärtigung
christlicher Wahrheiten.
• Sie werden als Christusikonen, Marienikonen,
(Gottesmutterikonen), Apostelikonen oder
Heiligenikonen dargestellt. Gottesmutter Maria ist
neben Christus-Darstellungen das wohl häufigste
Darstellungsmotiv der Ikonenmalerei.
Ikonen: Maltechnik
(Enkaustik und Tempera)
• Die Enkaustik ist eine künstlerische Maltechnik, bei der in
Wachs gebundene Farbpigmente heiß auf den Maluntergrund
aufgetragen werden.
https://www.youtube.com/watch?v=Z9Bbnn-plfc
http://www.orthodoxicon.eu/enkaustikmalerei/enkaustik-ikonen.html
http://www.youtube.com/watch?v=DNGMsk1zNwc

• Mit Tempera (Eitempera) werden Farben bezeichnet, deren


Pigmente mit einem Bindemittel aus einer Wasser-Öl-
Emulsion gebunden werden.
https://www.youtube.com/watch?v=tqTuG0h8SEg
Bilderkanon (Mittelalterliche Ikonen)
Kanon: Gestik, Mimik, Farbgebung usw.:
• die Figuren sind frontal und axial dargestellt
(Einzelikonen),
• zweidimensional,
• goldfarbener (silberner) Hintergrund,
• nicht realistisch,
• die Beischriften, oft Schriftrollen (Bücher) in den
Händen der Heiligen,
• nicht signiert
• Den Ikonen werden zahlreiche "Wunder" über die Jahrhunderte
zugeschrieben (wundertätige Ikone - чудотворная икона).
Ikonen dienen grundsätzlich zum Schutz. Man glaubt auch, dass
einige Ikonen heilige Kräfte hätten:
So, z.B. ist "Gottesmutter von Kasan“ eine der berühmtesten
Ikonen Russlands. Nach der Überlieferung soll die Ikone in der
Nähe von Kasan 1579 von einem kleinen Mädchen in den Ruinen
ihres niedergebrannten Hauses gefunden worden sein, nachdem ihr
die Gottesmutter im Traum erschienen sei. Die Wunder begannen
schon, als die Ikone ins Kloster gebracht wurde. Zwei Blinde, die
daran teilgenommen haben, konnten ihre Augen heilen.
• 1904 wurde das Original aus dem Kloster gestohlen, sein
Schicksal ist bis heute unbekannt.
• Im 17. Jh. wurden aber zwei weitere Kopien von der Ikone
erstellt, die auch als heilige und wundertätige sich erwiesen
haben. Zu Ehren der beiden Kopien wurden Kathedralen
errichtet - eine in Moskau auf dem Roten Platz (Собо́р
Каза́нской ико́ны Бо́жией Ма́тери), andere in St. Petersburg,
wo diese Kopien auch aufbewahrt werden.
Gottesmutter
von Kasan
Ikonostase
• Bildergeschmückte Wand in orthodoxen Kirchen,
die Ikonenbilderwand, die Trennwand.
• Ikonostasen wurden in Holz ausgeführt.
• Der symbolische Sinn der Ikonostase: eine
symbolische Darstellung des Himmels.
• Drei Geheimnisse des christlichen Mysteriums: die
Taufe, die Eucharistie und die Auferstehung → die
drei Teile der Ikonostase: die Mittel- (=Königstür,
Tür der Barmherzigkeit), die Süd- und die Nordtür.
Die Königstür ist „der Eingang in die göttliche
Welt“ (Mariä Verkündigung)
Ikonostase
• Der untere Teil der Ikonostase: geschnitzte Szenen
aus dem Alten Testament
• Das Wichtigste am oberen Teil der Ikonostase ist
der Fries* mit den Rebenblattornamenten -
Symbol der Eucharistie.
• Die Krönung der Ikonostase ist der gekreuzigte
Christus.
• In der Mitte hängt (vom Betrachter aus) rechts die
Mitteltür eine Christus-Ikone, links eine Ikone der
Gottesmutter.
*ein schmaler Streifen, der einer Umgrenzung, Abgrenzung, Gliederung und Dekoration von Teilen eines Bauwerks dient
http://pravoslavie.by/page_book/liturgicheskij-smysl-ikony

Архангельский собор. Московский Кремль. XVII в.


Platz 2 Russisches Ballett
• Begründer des klassischen russischen Balletts
im 19. Jahrhundert war der Franzose Marius
Petipa (1819 - 1910).
Die Tänzerin Agrippina Waganowa trug die von
ihm entwickelten Grundlagen des russischen
klassischen Balletts, auf denen er seinen
Unterricht aufgebaut hatte, zusammen und gab sie
in Form eines Handbuches an die Eleven des
Sankt Petersburger Marientheaters weiter.
• Mit dem brillanten Impresario Sergei
Diaghilew und Michail Fokin, einem
herausragenden Choreographen, hielt das
russische Ballett im Jahre 1909 triumphalen
Einzug nach Europa. Die beiden brachten ein
Ballettensemble der Kaiserlichen Ballettschule
von Sankt Petersburg nach Paris.
Ballets Russes
• Die Ballets Russes gelten als eines der bedeutendsten
Ballettensembles des 20. Jahrhunderts. Sie wurden
1909 von dem russischen Impresario Sergei Djagilew
gegründet.
• Die Choreografen der Kompanie, wie Michel Fokine,
Léonide Massine und George Balanchine, legten den
Grundstein für das moderne Ballett, während Tänzer
wie Vaslav Nijinsky und Anna Pawlowa zu
internationalen Stars der Ballettszene avancierten
https://www.youtube.com/watch?v=YW01o9x0Alc

• Nach Djagilews Tod im Jahr 1929 wurde die Kompanie


aufgelöst.
Ballets Russes
Russisches Ballett
• George Balanchine (1904–1983), russisch-amerikanischer Balletttänzer und
Choreograf
• Mikhail Baryshnikov (* 1948), russischer-amerikanischer Balletttänzer und
Choreograf
• Vaslav Nijinsky (1889–1950), russischer Balletttänzer und Choreograf, Star
der Ballets russes von Djagilew. Nach ihm ist der Nijinsky-Preis benannt.
• Rudolf Nurejew (1938–1993), russischer Balletttänzer und Choreograf
• Mathilda-Maria Kschessinskaja (1872–1971), russische Balletttänzerin,
Prima Ballerina Assoluta. Der letzte Zar Russlands, Zar Nikolaus II. war von der anmutigen
Primaballerina Kschessinskaja so begeistert, dass er ihr 1904 eine eigene Villa in Auftrag gegeben hatte.
• Anna Pawlowa (1881–1931), berühmteste russische Balletttänzerin,
Ballerina
• Maja Plissezkaja (1925–2015), russische Balletttänzerin und Choreografin
• Galina Ulanowa (1910–1998), russische Balletttänzerin, Prima Ballerina
Assoluta
Russisches Ballett der Gegenwart
Diana Wischnjowa (Диана Вишнёва) (1976) ,
Swetlana Sacharowa (Cветлана Захарова) (1979)
und Sylvie Guillem (1965) - die berühmtesten und
bestbezahlten Tänzerinnen der Gegenwart.

Russisches Ballett der Gegenwart:


1. Kirow-Ballett, Sankt Petersburg
2. Bolschoi-Ballett, Moskau
3. Russisches Staatsballett, Moskau
Platz 1 Ecclesia Orthodoxa Russica =
Ostslawisch-orthodoxe Gemeinde
• 988: Taufe der Kiewer Rus→ Pax Orthodoxa
• 1054: Spaltung des Christentums in orthodoxe und
katholische Kirche
• 1453: Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen;
Russland versteht sich nun als führender orthodoxer
Staat (als Drittes Rom).
• Als Russisch-Orthodoxe Kirche werden zumeist die
autokephale orthodoxe Kirche von Moskau und
Russland (Patriarchat von Moskau und ganz Russland)
und die ihr nachgeordneten Kirchen einschließlich der
Diözesen der Diaspora bezeichnet.
• Der Patriarch als Vorsteher hat seinen Sitz
im Danilow-Kloster in Moskau.
Die Kirche Kiews wurde als Teilkirche des Patriarchates
von Konstantinopel verwaltet.
Metropolitensitz war erst Kiew, ab 1326 Moskau.
1448 eine faktische Trennung von der byzantinischen
Mutterkirche.
1596 Kirchenunion von Brest
1590 die Errichtung des neuen Patriarchats in Moskau

1054
988
Kirchenreform:
0 1 1652 Altgläubige
2 3
Kirchenunion von
Brest 1596

„Entwicklung Christentum“ von Modifiziert: Burgs - Übersetzung von File:Linaje cristiano.png ins Deutsche. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über
Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Entwicklung_Christentum.png#/media/File:Entwicklung_Christentum.png
Altgläubige
• Als Altgläubige (старообрядцы) werden
diejenigen bezeichnet, die die Kirchenreform
unter Nikon, Patriarch von Moskau zwischen
1652 und 1666, nicht mitvollzogen haben.
• Lange Zeit wurden die Altgläubigen Raskolniki
(Abspalter) genannt. Sie selbst betrachten sich
allerdings als Bewahrer ursprünglicher russisch-
orthodoxer Traditionen. Die Altgläubigen gehören
natürlich auch zu den Orthodoxen, nur nennen
sich die „offiziellen“ Orthodoxen православные
– Rechtgläubige.
Altgläubige
Russisch-Orthodoxe Kirche
• Zur Russisch-Orthodoxen Kirche gehören als
abhängige Teilkirchen die Belarussisch-Orthodoxe
Kirche, die autonome Ukrainisch-Orthodoxe
Kirche u.a.
• Mehr als 150 Mio. orthodoxe Gläubige weltweit:
Patriarchat von Russland (mit Ukraine und Belarus):
mehr als 100 Mio. (Patriarchat von Rumänien: 20
Mio.; Kirche von Griechenland: 10 Mio.; Patriarchat
von Bulgarien und Serbien: je. 8 Mio.; Patriarchat
von Georgien: 3. Mio. …)
Orthodoxe Kirche
Autokephale Kirche
• Die orthodoxen Landeskirchen sind in der Regelung ihrer inneren
Angelegenheiten voneinander unabhängig, d.h. autokephal.
• Die autokephalen Kirchen haben gemeinsamen Glauben,
Gottesdienst sowie eine gemeinsame kirchliche Ordnung und leben
dies durch Konzelebration auch sakramentaler Gottesdienste und
durch Synoden, die Angelegenheiten von gesamtorthodoxer
Bedeutung behandeln.
• Das Erzbistum von Konstantinopel hat als Ökumenisches
Patriarchat den Ehrenvorrang ohne jurisdiktionelle Kompetenzen,
kann jedoch in gesamtorthodoxen Angelegenheiten die Initiative
ergreifen.
• Es gibt drei Weihegrade des höheren Klerus: Diakon, Priester und
Bischof. Innerhalb dieser Weihegrade gibt es weitere Abstufungen
(beim Bischof z. B. Weih- bzw. Titularbischof ohne eigene
Diözese, Erzbischof, Metropolit oder Patriarch). Während die
Bischöfe aus dem unverheirateten Klerus gewählt werden, können
Priester und Diakone verheiratet sein.
Autokephale vs. autonome Kirche

http://www.bible.ca/orthodox-church-autocephalous-hierarchy-organization.htm
Orthodoxe Kirche
Die orthodoxe Kirche verwendet als zentralen Bekenntnistext
das Glaubensbekenntnis von Konstantinopel aus dem Jahre 381.

Will man die Lehre der orthodoxen Kirche von der römisch-
katholischen und reformierten Dogmatik abgrenzen, so wird man
v.a. die Ablehnung eines Jurisdiktionsprimates des Papstes und
seiner Unfehlbarkeit, die Ablehnung der unbefleckten
Empfängnis Mariens, die Hinzufügung des »Filioque« (d.h. dass
der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn [= filioque]
hervorgegangen sei) ins Glaubensbekenntnis, etliche Differenzen
in der Sakramentenlehre und die Ablehnung des Fegefeuers
aufzählen. Von den Protestanten trennt die Orthodoxen v.a. ein
anderes Amtsverständnis (besonderes Priestertum vs.
Predigeramt), die Heiligen-, Reliquien- und Bilderverehrung
sowie Unterschiede in der Sakramentenlehre.
Orthodoxe Kirche
Typisch für orthodoxe Frömmigkeitsmentalität ist
zudem eine sehr enge Bindung an die Tradition –
neben der Bibel spielen die Texte der Kirchenväter
in Predigt und Katechese eine bedeutende Rolle,
außerdem eine stärkere Zulassung des Gefühls im
Frömmigkeitsleben, was sich auch in einer stärkeren
Hinwendung zu mystischen Gebets- und
Meditationsformen (Herzensgebet) äußert. Dadurch
haben auch die Klöster Einfluss für das Leben
kirchlich gesinnter Familien.
Liturgie
Im Zentrum des kirchlichen Lebens steht die
eucharistische Liturgie: mit symbolhaften Handlungen,
Kerzen, Weihrauch, Ikonen, Hymnen, Musik (meist nur
Vokalmusik) und ihrer langen Dauer von ca. zwei bis
drei Stunden soll sie den Gläubigen aus der profanen
Welt heraus und in die Sphäre des Heiligen hineinführen.
Höhepunkt ist die Teilnahme an der Eucharistie, die in
Gestalt von Rotwein und gesäuertem Brot mit dem
Löffel gereicht wird. Brot und Wein werden im Sinne
der Realpräsenz als Leib und Blut Christi verstanden.
Das nach Ende der Liturgie an alle verteilte Brot
(Antidoron) ist gesegnetes, aber nichteucharistisches
Brot.
Wichtigste Elemente der religiösen Praxis
Kindertaufe: Es wird die Kindertaufe mit Übergießen
des ganzen Körpers, sofortiger Spendung des Chrisma
(vergleichbar der Firmung) und nachfolgendem
Eucharistieempfang auch des Kleinkindes praktiziert.
Die Ehe gilt als vom Priester gespendetes Sakrament
und wird mit dem Ritus der Krönung begangen, der
die Heiligkeit der Ehe darstellen soll.
Der Bestattungsritus am offenen Sarg mit letztem
Kuss für den Verstorbenen soll „Trauerarbeit“ und
Abschied unterstützen.
https://www.youtube.com/watch?v=ie11f57AwNg (29.00)
Feste
Zentrale Feste des Kirchenjahres sind Weihnachten, das am 25.
Dezember gefeiert wird, das allerdings bei den Ortskirchen mit
julianischem Kalender (vor allem Russland, Serbien, Palästina, Berg
Athos) auf den gregorianischen 7. Januar fällt, Epiphanie (6. Januar),
Ostern, Pfingsten und Mariä Entschlafung am 15. (bzw. 28.) August.
Während die meisten autokephalen (unabhängigen) Kirchen den
gregorianischen Kalender für die feststehenden Feste übernommen
haben, blieb man für die Osterfestberechnung beim julianischen
Kalender, um das Osterfest gemeinsam zu begehen.
So kommt es im Vergleich zu den Christen westlicher Tradition zu
Terminverschiebungen, die sich aus den jährlich differierenden
Abweichungen von julianischer Zeitberechnung und astronomischem
Sonnen- und Mondlauf ergibt.
Außerdem darf in der orthodoxen Kirche Ostern nicht mit jüdischem
Pessah zusammenfallen, da Jesus nach Pessah auferstand (was im
Westen nicht mehr beachtet wird). Den hohen Festen gehen
Fastenzeiten voraus.
Krjuki/Snamennyj Gesang
(Крюки / Знаменное пение)

• Krjuki oder Snamjona, auch Altrussische Neume


bezeichnet die Notenzeichen in der Notation des
altrussischen Kirchengesanges, Snamennyj Gesang
genannt. Die Krjuki stehen aus historischer Sicht in
Verbindung mit der byzantinischen Notation bzw.
deren Notenzeichen.
• In der Russischen Kirche sowie in allen Orthodoxen
Kirchen herrschte die Einstimmigkeit, durch
verschiedene Arten (von syllabischen bis zu
melismatischen) und Monodietypen (snamennyj,
demestwennyj, putewoj Raspew) vertreten.
https://www.youtube.com/watch?v=AbvkZnjJFzc
Orthodoxe Kirchenbauten
(UNESCO Weltkulturerbe)
• Holzkirchen von Kischi
• Kathedrale von Wladimir, Kirchen und Klöster
von Susdal und Kidekscha
• Kloster in Sergijew Possad
• Auferstehungskirche in Kolomenskoje
• Kloster Ferapontow
• Kloster Nowodewitschi
• Altstadt von Jaroslawl
• Holzkirchen in den Nordkarpaten
Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad

• Eines der bekanntesten russisch-orthodoxen


Klöster.
Der Beitrag der Ostslawen zur Weltkultur
(Top 12)
1. Ostslawisch-orthodoxe Gemeinde
2. Russisches Ballett
3. Ostslawische Kirchenmalerei, Ikonen
4. Malerei der Witebsker Kunstschule
5. Unierte (griechisch-katholische) Kirche
6. Ukrainischer und russischer Barock
7. Russische und ukrainische Volkskulturen: Kosaken-Kultur
und Semejskie
8. Russische klassische Musik
9. Ostslawische Literatur
10. Ostslawische Filme
11. Ostslawische Volkskunst:
ukr. Petrykiwka-Malerei + rus. volkstümliche Malerei
12. Ostslawische Ess- und Trinkkultur
Themenliste: Der Beitrag der Ostslawen zur Weltkultur
Thema Quellen
Esskultur (Ostslawische Küche) PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
 Irina Carl: Russisch kochen –
Gerichte und ihre Geschichte.
 W.W. Pochljobkin: Nationale Küchen.
Die Kochkunst der sowjetischen
Völker. Moskau, Leipzig 1988.
 Marion Trutter: Culinaria Russia:
Russland, Ukraine, Georgien,
Armenien, Aserbaidschan. Hamburg
2007.
Petrykiwka-Malerei und russische PP Der Beitrag der Ostslawen zur
volkstümliche Malerei Weltkultur (Moodle).

http://www.unesco.org/culture/ich/en/RL/petrykivka-
decorative-painting-as-a-phenomenon-of-the-
ukrainian-ornamental-folk-art-00893

 Schweinfurth, Philipp: Geschichte der


russischen Malerei im Mittelalter.
Haag, 1930.
 Leek, Peter: Russische Malerei. New
York, 2012, E Book (Online-Zugriff,
UB Wien).
Ostslawische Filme PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
 Christine Engel [Hrsg.]: „Geschichte
des sowjetischen und russischen
Films“ Stuttgart,1999.
Ostslawische Literatur PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
 Russische Literatur (Moodle).
 Ukrainische Literatur (Moodle).
 Belarussische Literatur (Moodle).
Russische klassische Musik PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
 Die Musik in Russland (b.1917)
(Moodle).
Kosaken-Kultur und Semeiskije PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).

http://www.unesco.org/culture/ich/en/RL/cultural-
space-and-oral-culture-of-the-semeiskie-00017

https://www.uibk.ac.at/schnittstelle-
kultur/arbeitsbereiche/kulturkontakte_konflikte/kosaken/

http://www.srf.ch/sendungen/kultur-kompakt/die-
renaissance-der-kosaken
Ukrainischer und Russischer Barock PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Unierte (griechisch-katholische) Kirche PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Malerei der Witebsker Kunstschule PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Ostslawische Kirchenmalerei, Ikonen PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Russisches Ballett PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Russisch-Orthodoxe Kirche PP Der Beitrag der Ostslawen zur
Weltkultur (Moodle).
Themenliste und Quellen

(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)

Heidnisches Pantheon bei den Ostslawen und das Heidentum in der


Ostslavia heute:

Thema Quelle

(Ost)Slawisches Heidentum,  PP
slawisches heidnisches
Pantheon, spezifische Götter
der Ostslawen: Hauptgötter
aller Slawen (Svarog,
Svarožić/Dažbog, Perun,  Zdenek Vana „Mythologie und
Veles/Volos, Jarilo und Lada, Götterwelt der slawischen Völker. Die
Chors/Chers, Simargl, geistigen Impulse Ost-Europas“. Teil 1-2.
Mokosch, Trojan/
Triglaw…). Dämonen,
Märchenwesen,
Naturgeister…

Das Heidentum in der - PP


Ostslavia heute:
- alle Internet und Literaturquellen.
Erinnerungsfeste der
Voreltern (Dedy, Radunica),
Kupalje
(Sommersonnenwende),
Masleniza (Butterwoche),
Koljady. Aberglaube der
Ostslawen.
Ostslawen im 9.–13. Jh.
(Kiever Rus)
Ostslawen im 9.–13. Jh. (Kiever Rus)
Traditionelle PERIODISIERUNG ostslawischer
Geschichte (auch die der Kultur und des Schrifttums):
1. Kiever (= vormongolische) Epoche (E. 9.‒13. Jh.):
• 862: S.g. „Rurik Staat“ ca. 862 – 882: Machtergreifung in
Nowgorod durch Rurik (Рюрик);
• 1240: Mongolen (Tataren) erobern Kiew ‒ Ende der Kiewer Rus´.
2. Wladimir-Suzdal´ Epoche (13.‒14. Jh.)
3. Moskauer Epoche (E. 14.‒16. Jh.)
Nestorchronik / Laurentiuschronik
Jahr 852: Rus‘ wird das erste Mal in der Chronik erwähnt.
Jahr 862: In der Fassung der Laurentiuschronik wird über die
s.g. Einladungslegende berichtet:
«Sie verjagten die Waräger über das Meer und gaben ihnen
keinen Tribut und begannen, sich selbst zu regieren. Und es
gab unter ihnen kein Recht, und Sippe stand auf gegen
Sippe, und es waren unter ihnen Fehden, und sie begannen
wider einander zu kämpfen. Und sie sprachen zueinander:
"Wir wollen uns einen Fürsten suchen, der über uns
herrsche und gerecht richte». Und sie gingen über das Meer
zu den Warägern, zu den Rus‘, denn so hießen die Waräger
„Rus‘“, wie andere Schweden heißen, andere Norweger und
Angeln, andere Gotländer: so auch diese…“
https://youtu.be/IMrtly_TbY0
Nestorchronik / Laurentiuschronik
«…Und es sprachen die Rus, die Tschuden, Slowenen
(Ilmenslawen), Kriwitschen und Wes: „Unser Land
ist groß und reich, doch es ist keine Ordnung in
ihm; so kommt über uns herrschen und gebieten.
Und die drei Brüder wurden erwählt samt ihren
Sippen, und sie nahmen alle Rus mit sich und
kamen. Rurik, der ältere, ließ sich in Nowgorod
nieder, der zweite Sineus am Weißen See (Belo
Osero), der dritte Truwor in Isborsk. Und nach
diesen Warägern wurde das Land um Nowgorod
‚Rus‘ genannt, und die Nowgoroder sind vom
warägischen Geschlecht, früher nämlich waren sie
Slowenen».
Laurentiuschronik

http://expositions.nlr.ru/LaurentianCodex/_Project/page_Show.php?list=19&n=16
Kiever Rus (vormongolische Zeit)
• Beginn der Staatlichkeit bei den Ostslawen im
Norden des Siedlungsgebiets ‒ Nowgorod ↓
(Stadtstaat, Wahlfürsten, Patriziermacht)
• 862 - Machtergreifung in Nowgorod durch
Rurik (Рюрик). ↓*Normannische Theorie! ↓
• Über ostslawisches Siedlungsgebiet führte der
berühmte Weg von den Warägern zu den
Griechen (nach Byzanz). ↓*Normannische Theorie! ↓
Weg von den Warägern zu den Griechen

http://www.kriegsreisende.de/mittelalter/waraeger.htm
Kiever Rus‘
862 Ende des IX. Jahrhunderts ‒13. Jh.
Nowgorod

Minsk
882
Oleg

Kiew
Kiever Rus (vormongolische Zeit)
• Nach der Berufungslegende herrschten drei
Brüder, Skandinavier, über die ostslawischen,
finnougrischen und baltischen Stämme im
Norden: Rurik (Hrørekr) ‒ in Nowgorod, Sineus
(Sikniutr) ‒ in Beloozero, Truwor (Thorwardr) ‒
in Izborsk.
• So wurde die Dynastie der Rurikiden gegründet,
die über Ostslawen/Russen bis Ende des 16. Jh.
herrschte.
Normannische Theorie:
• Vermutet wird der Ursprung der Rus‘ in den skandinavischen Ländern zur
Zeit der Expansion der Wikinger (der Waräger),

• stützt sich hauptsächlich auf die Nestorchronik (Geschichte der


vergangenen Jahre, Повесть временных лет).

• In Skandinavien und Island nannte man die russischen Länder noch bis
ins 13. Jh. „Großschweden“(!).

• In der Nestorchronik steht:

"Und sagten die [Slawen] zu sich: Suchen wir uns einen Knjaz, der über uns
herrschen und über uns gerecht richten soll. Und sie gingen nach Übersee zu
den Warägern, zu den Rus. Jene Waräger nannten sich Rus‘ wie andere sich
Schweden nennen und wieder andere Normannen oder Angeln und noch
welche Gotländer. So auch diese."
Normannische Theorie
Die Nestorchronik enthält außerdem eine Liste
mit Namen der Waräger-Fürsten und den
Gesandten nach Byzanz, die allesamt
skandinavische Wurzeln haben wie Rürik,
Haskuldr, Dyri, Helgi, Ingwar.

Slawische Namen tauchen in der Liste erst ab


944 auf. Auch archäologische Funde
untermauern die normannische Theorie.
Normannische Theorie

• In der UdSSR wurde alles Skandinavische in


der ostslawischen / russischen Geschichte
totgeschwiegen.

• Diese quantitativ begrenzte Oberschicht (Fürst,


seine Umgebung und Leibgarde) wurde von
Skandinaviern innerhalb weniger Generationen
assimiliert.
Dynastie der Rurikiden
• Rjuriks Sohn IGOR (Ingvar) wurde Fürst
sowohl von Nowgorod als auch von Kiew.
• † 879 Rjurik …

S. «Zeittabelle (Kiewer Rus)» (Moodle)!


http://vk.com/video?gid=67537489&z=video-67537489_167950123 Zeittabelle (Kiewer Rus)
Kiever Rus‘ 862
882
Machtergreifung in Nowgorod durch Rjurik
Kiew als Großfürstensitz der Rurikiden-Dynastie

http://statehistory.ru/3893/Podborka-kart-Drevney-Rusi-9-14-vekov/ 879 †Rjurik


907 Heereszug von Fürst Oleg gegen Konstantinopel
Handelsvertrag mit Byzanz
941 Igor übernahm die Macht in Kiew.

946 Nach Chronikbericht kam Igor zu Tode ‒ als er und seine Garde
zum zweiten Mal Tribut von Drewljanen eintreiben wollte.
Olga (Helga) hat nach dem Tode ihres Mannes die Regentschaft
für den kleinen Sohn Swjatoslaw übernommen.
955 Olga unternahm eine Reise nach Konstantinopel und hat sich
dort evtl. taufen lassen.
978 Machtergreifung in Kiew durch Wladimir
? 988 Taufe der Kiewer Rus´.
1015 † Wladimir (Wassilij) Swjatopolk übernahm die Macht. Er ließ
Boris und Gleb umbringen (sie sind somit die ersten ostsl.
Märtyrer, denen die erste ostsl. Märtyrervita gewidmet ist), dann
auch Swjatoslaw.
1019 Jaroslaw (der Weise) übernahm die Großfürstenmacht und
Kiew. Unter Jaroslaws Herrschaft kam es kulturell zur einer
Blütezeit. 1054 †Jaroslaw
In dieser Zeit entstand vermutlich die älteste osl.
Gesetzessammlung "Russkaja Pravda"
1067 Älteste Erwähnung von Minsk in einer Urkunde
1097 Zusammenkunft der Fürsten der Rus´ in Ljubetsch
1113 Krönung von Wladimir Monomach zum Großfürsten von Kiew.
1125 †Wladimir Monomach.
1147 Älteste Erwähnung von Moskau in einer Urkunde.
1169 Andrej Bogoljubskij erobert Kiew. 1174†Andrej Bogoljubskij
1223/24 Sieg der Mongolen (Tataren) an der Kalka

1236 Mongolische (tatarische) Invasion unter Batu (Baty)


1237 Rjasan´ erobert
1238 Suzdal´ und Wladimir erobert.
12.1240
http://www.kriegsreisende.de/mittelalter/waraeger.htm

Quelle: Welt der Slawen, S. 202


Ereignisse der ostslaw. Geschichte in chronologischer
Reihenfolge:
a. Rjurik
b. Älteste Erwähnung von Kiew in einer Urkunde
c. *Oleg
d. *Igor
e. Wladimir
f. Taufe der Kiewer Rus´.
g. *Jaroslaw
h. Gesetzessammlung "Russkaja Pravda„
i. Älteste Erwähnung von Minsk in einer Urkunde
j. Älteste Erwähnung von Moskau in einer Urkunde
k. Kiew erobert ‒ Ende der Kiewer Rus´
Liste des UNESCO-Welterbes (Weltkulturerbes):
Altstadt von Weliki Nowgorod mit Kreml und Sophienkathedrale
(1992)

http://www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=916096&page=110
Kreml - oder Detinez, wie man ihn
in Nowgorod im Altertum genannt
hatte, der vom Fürsten Jaroslaw
dem Weisen gegründet wurde, - ist
der älteste von den in Russland
erhalten gebliebenen Kreml (zum
ersten Male wird er in der Chronik
1044 erwähnt).

Das Freilichtmuseum für


Holzarchitektur „Witoslawlitzy“

Liste des UNESCO-Welterbes


(Weltkulturerbes):
Altstadt von Weliki Nowgorod mit Kreml
und Sophienkathedrale (1992)
Sophienkathedrale Allweisheit Gottes, 1045-1050 - ist ein monumentaler Dom, der Sophia
der Allweisheit Gottes geweiht, das vom Fürsten Jaroslaw dem Weisen, seinem Sohn
Wladimir und dem Bischof Luka als das öffentliche Gotteshaus gegründet wurde. In der
südlichen Galerie befinden sich die Gräber der bedeutenden Nowgoroder – Fürsten,
Bischofe, Stadtoberhäupter.
UNESCO-Welterbe in Ostslavia
Nationalpark
Belovezhskaya
Pushcha (Belarus)

Ausgedehnter Waldkomplex,
Rückzugsort der letzten Wisente
und anderer großer Säugetiere
http://www.ardmediathek.de/tv/Sch%C3%A4tze-der-Welt/Nationalpark-
Belovezhskaya-Pushcha-Bial/3sat/Video?documentId=5864016&bcastId=1512718

UNESCO-Welterbe in Ostslavia:
Wo? Was? Warum?
http://bp21.org.by/en/index_old.html
Literatur
• H. Brachmann: Slawische Stämme an Elbe und Oder. Berlin 1978.
• Z. Goląb: The Origins of the Slavs. A Linguist’s View. Columbus (Ohio)
1992. - R. Jakobson: Slavic Gods and Demons. In: R. J. Selected Writings
VII. Contributions to Comparative Mythology. Studies in Linguistics and
Philology, 1972-1982. Ed. by Stephen Rudy, with a preface by Linda R.
Waugh. Berlin, New York: Mouton 1985, p. 311. – Ders.: Linguistic
Evidence in Comparative Mythology. In: a. a. O., p. 1232. – Ders.: The
Slavic God Veles and His Indo-European Cognates. In: a. a. O., p. 33-48. -
L. Moszyński: Die vorchristliche Religion der Slaven im Licht der
slavischen Sprachwissenschaft. Köln, Wien: Böhlau 1992. - F. Graus: Die
Nationenbildung der Westslawen im MA. Sigmaringen 1980. - H. Ludat:
An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Köln, Wien: Böhlau 1971. - H.
Ludat: Slaven und Deutsche im Mittelalter. Köln, Wien:
• Mify narodov mira : enciklopedija; v dvuch tomach / glav. red. S. A.
Tokarev Teil: 1: A - K Moskva , 2003.
• Mify narodov mira : enciklopedija v dvuch tomach / glav. red. S. A.
Tokarev. Teil: 2: K – Ja. Moskva, 2003.
Literatur
• Russkaja mifologija: enciklopedija / [sost., obscaja
red. i predisl. Eleny Madlevskoj]Moskva : ·Eksmo
[u.a.], 2006.
• Böhlau 1982. - Váňa, Zdeněk: Svět dávných Slovanů.
Praha 1983 (Z. Váňa: Die Welt der alten Slawen.
Praha 1983). – ders.: Welt der Slawen. Leipzig, Jena,
Berlin 1986. - ders.: Mythologie und Götterwelt der
slawischen Völker . Stuttgart 1992. - ders.:
Einführung in die Frühgeschichte der Slawen.
Neumünster 1970. – K. W. Struve: Die Ethnogenese
der Slawen aus der Sicht der Vor- und Frühgeschichte,
in: Ethnogenese europäischer Völker, hg. v. W.
Bernhard u. A. Kandler-Pálsson. 1986 S. 297-321.
Literatur
- L. Léger: La mythologie slave. Paris 1901.
- A. Brückner: Mitologia polska. W. 1924.
- V. Jagić: Zur slavischen Mythologie, Archiv für slavische Philologie 37,
Berlin 1920, S. 292-511.
- V. J. Mansikka: Die Religionen der Ostslaven. I. Quellen. Helsinki
1922.
- K. H. Meyer: Fontes historiae religionis Slavicae. Berolini 1931.
- E. Wienecke: Untersuchungen zur Religion der Westslaven. Leipzig
1940.
- S. Urbańczyk: Religia pogańskich Słowian. Kr. 1947.
- R. Jakobson: Slavic Mythology, Funks and Wagnalls Standard
Dictionary of Folklor, Mythology and Legend, Bd. 2, 1950, S. 1025-
1028
- W. Antoniewicz: Religia dawnych Słowian, in: Religie świata, W. 1957,
S. 319-402.
- H. Łowmiański: Religia Słowian i ich upadek (w. VI-XII), W. 1979.
- A. Gieysztor: Mitologia Słowian. W. 1982.
http://eeo.uni-klu.ac.at/index.php?title=Kiewer_Rus
Kiewer Rus
Während der Ausdruck ›Rus′‹ (russ.) als Bezeichnung einer Ethnie wie auch für einen Staat, der
zwischen dem 10.–13. Jh. zwischen Volchov und Ladogasee im Norden und dem Dnjepr-Becken im
Süden lag, von den Quellen gestützt wird, ist die Bezeichnung „Kiewer“ auf den Wunsch der
Historiker des 18. Jh. zurückzuführen, in diesem einen Staat mit Kiew als Zentrum und Hauptstadt zu
sehen. Ein solcher hat jedoch nie existiert. Die Besiedlung Kiews und des mittleren Dnjepr hat um ca.
900 durch aus dem Norden kommende Waräger bzw. ›Rus′‹ auf der Suche nach neuen
Handelswegen zum Schwarzen Meer (unter Umgehung des Chasarenreiches und des Reiches der
Wolgabulgaren) stattgefunden.

Kiew empfahl sich als Standort aufgrund seiner guten Ost-West-Verbindung und der Möglichkeit,
von der Dnjeprmündung in 48 Stunden zu Schiff nach Byzanz gelangen zu können. Damit begann
insofern eine neue Form der Besiedlung ostslawischer Gebiete durch die Waräger, als dass eine
Rückkehr ins angestammte Gebiet von hier aus nicht mehr leicht möglich war. Im 10. Jh.
intensivierten sich die Handelsbeziehungen der K. R. mit Byzanz, ebenso nahmen von hier
ausgehende bewaffnete Überfälle auf Byzanz zu, und es kam zu ersten Ansätze einer
Christianisierung des Gebietes und der herrschenden Elite in Person der Fürstin Ol′ga.

Ihr Sohn Svjatoslav Igorevič konnte sich mit dem Steppenvolk der Petschenegen verbinden und
strebte um 970 eine Verlegung des Herrschaftsgebietes in die Donauregion an, zu der es jedoch nicht
kam. Auf Svjatoslavs Tod folgte ein Nachfolgekampf unter seinen Söhnen, den der in Novgorod als
Fürst eingesetzte Vladimir Svjatoslavič mit warägischen Hilfstruppen, die er später zur Unterstützung
Basileios' II. in den byzantinischen Erbfolgekrieg entsandte, gewann. Vladimir gelang es, in Kiew einen
stabilen Fürstensitz zu errichten, nicht zuletzt unter Indienstnahme der Religion.

Etwa um das Jahr 988 nahm er für sich und sein Volk das Christentum byzantinischer Prägung an
und konnte zum Dank für die entsandten Truppen die „purpurgeborene“ byzantinische Prinzessin
Anna als Braut heimführen (Taufe der Rus). Deren Hofstaat bildete wohl den Grundstock für die
Christianisierung der Rus, da dieser, wenn nicht einen Metropoliten, so sicher einen Bischof und
Priester mitführte. Vladimir begann nicht nur mit dem Bau einer steinernen Kirche und eines
repräsentativen Fürstensitzes in der Kiewer Oberstadt Vyšhorod, sondern auch mit dem Anlegen
eines großen Walls und befestigter Ortschaften, um das Umland vor Einfällen der Steppenvölker zu
schützen.
Nach Vladimirs Tod 1015 brach der bereits unter seinen Söhnen schwelende Bürgerkrieg vollends
aus, der erst Anfang der 1020er Jahre beendet war, als die überlebenden Jaroslav Vladimirovič in
Kiew und Mstislav Vladimirovič in Černihiv zu einer Politik der friedlichen Koexistenz fanden. Unter
Jaroslav begann eine monarchistische Phase in Kiew, in deren 30jährigem Verlauf die Stadt zu einem
Abbild Konstantinopels ausgebaut wurde und byzantinische Bautechniken sich in der gesamten Rus
auszubreiten begannen. Der daraus resultierende Reichtum Kiews ebenso wie die Tatsache, dass sich
dort der Metropolitensitz befand, haben wohl dazu beigetragen, dass die Stadt auch in der Jaroslavs
Tod (1054) folgenden Phase ein begehrter Fürstensitz war, ohne dass jedoch der Titel Großfürst
jemals an einen Kiewer Fürsten verliehen worden wäre.

Beherrschend für das 11. Jh. war die Bedrohung der Rus durch das Steppenvolk der Polovcer. Die
zahlreichen sog. Fürstentage, deren prominenteste 1070 in Vyšhorod zur Versöhnung der Söhne
Jaroslavs und der Kanonisierung des Brüderpaares Boris und Gleb und 1097 in Ljubeč stattfanden,
waren Verhandlungen ganz nach Art der Steppenvölker: Sie wurden hoch zu Ross in freier Natur
begangen und dienten sowohl der Einigung über Einflussbereiche als auch der Vereinigung der
Truppen gegen die Polovcer. In dieser Zeit entwickelte sich die Idee von der Verwandtschaft aller
Fürsten als von einem Vater (d. i. Vladimir Svjatoslavič) abstammende Brüder (russ. brat =
Bruder/Cousin), die einander, dem Seniorat entsprechend, untertan sind und sich gemeinsam der
äußeren Feinde erwehren. Der Kult um die beiden im Nachfolgekrieg 1015 ermordeten Söhne
Vladimirs, Boris und Gleb, erfuhr deshalb ab 1070 besondere Förderung, ihre Ermordung durch ihren
Halbbruder Svjatopolk Izjaslavič (oder Jaroslav Vladimirovič selbst?) wurde zum Märtyrertod stilisiert.

Eine letzte ruhige Periode erlebte das Kiewer Fürstentum unter Vladimir Vsevolodovič Monomach
(1113–25), der mit der Verteilung der Fürstentümer an seine Söhne, die dort gleichsam als seine
Stellvertreter regierten, die machtpolitischen Bedingungen für ein Ausweiten der Besiedelung der
Rus schuf. In der seiner Herrschaft folgenden Zeit setzte sich der Prozess der Herausbildung
unterschiedlicher Fürstentümer auf dem Gebiet der K. R. fort. Als Ende der K. R. gilt das Jahr 1242, als
Kiew durch die Mongolen zerstört wurde.

Franklin S., Shepard J. 1996: The Emergence of Rus, 750–1200. London (=Longman History of
Russia 1). Pritsak O., Shevchenko I. (ed.) 1988/89: Proceedings of the International Congress
Commemorating the Millenium of Christianity in Rus′-Ukraine. Harvard Ukrainian Studies 12/13. Rüß
H. 1987: Das Reich von Kiev. Hellmann M. (Hg.): Handbuch der Geschichte Rußlands Bd. 1, I.
Stuttgart, 199–430.
(Cornelia Soldat)
http://www.russland.websiteportal.de/geschichte/teil_i2.html
859
Nowgorod wird erstmals in einer Chronik erwähnt.

Mitte 9. Jh.
Es entstanden normannische Herrschaften in Nowgorod unter dem sagenhaften Rjurik (um 862;
schwedischer(?) Wikinger; Rurik oder Rus; Gründer des Russischen Reiches; Rjurikiden) und in Kiew
unter Askold und Dir (Hauptstadt der Waräger-Fürsten wurde Kiew).

867 - 886
Nachdem Bulgarien mit Byzanz Frieden schließen mußte (813), konnte Kaiser Basileios I. mit der
Missionierung der Slawen und Bulgaren beginnen. Kyrill dehnte seine Missionstätigkeit bis nach
Rußland aus, und allmählich konnte ganz Osteuropa für das griechische Christentum gewonnen
werden (Die Bedeutung des griechischen Bruderpaares aus Saloniki Kyrillos [Cyrill(us); eigentlich
KonstanXn; * 826/27, † 869] und Methodios [Method(ius); * um 815, † 885] liegt in den
Übersetzungen aus dem Griechischen; Schaffung einer eigenen slawischen Literatur [.Slawenlehrer"];
Heilige; Patronen Europas seit 1980; Fest: 14. 02.). Während die römische Kirche an der lateinischen
Gottesdienstsprache festhielt, konnten die Slaven den Glauben und Gottesdienst in ihrer
Muttersprache empfangen.

879
Oleg (skandinavisch-russischer Fürst; † 912 oder 922) übernimmt die Herrscha] in Nowgorod.

882
Oleg erobert Kiew und unterwarf ostslawische und finnische Stämme in Zentralrußland. Die
Vereinigung dieser beiden am Nord-Süd-Handelsweg gelegenen Umschlagplätze unter Verlagerung
des politischen Zentrums nach Kiew bedeutete die Entstehung des Kiewer Reiches (Kiew war
Hauptstadt bis 1169). Die Kiewer Rus ist die früheste staatliche Bildung der Ostslawen.

bis 10. Jh.


Die Wikinger gingen sprachlich in ihrer Umgebung auf. Die wesentlichen Einflüsse kamen aus
Byzanz.

911
Ein Feldzug gegen Konstantinopel brachte Oleg eine hohe Tributzahlung. Das auf Handel
beruhende Staatswesen regelte die Beziehungen zu Byzanz in einem ersten günstigen
Handelsvertrag.

912 - 945
Igor wird Fürst von Kiew (* 877, † 945 von Drewljanen bei Tributeinziehung erschlagen; Sohn
Rjuriks). Er unterwarf die ostslawischen Stämme der Ulitschen und der Drewljanen.

941, 944
Igor zog gegen Byzanz.

962 - 972
Unter dem Großfürsten von Kiew Swjatoslaw I. († 972 im Kampf gegen Petschenegen gefallen)
zeigte Kiew seine erste ungestüme Machtentfaltung in Feldzügen gegen noch unabhängige
ostslawische Stämme.

um 965
Swjatoslaw I. unterwarf die Chasaren und Wolgabulgaren.

967 - 971
Swjatoslaw I. unterwarf das Donaubulgarische Reich. Donaubulgarien konnte gegen Byzanz nicht
gehalten werden.

978 - 1015
Wladimir der Heilige ist Großfürst von Kiew (* um 956, † 1015; Sohn Swjatoslaws).

981
Wladimir der Heilige eroberte Gebiete von Polen und dehnte die Herrschaft Kiews über alle
ostslawischen Stämme aus.

988
Eine bis in die Gegenwart nachwirkende Entscheidung war die Taufe und damit die Übernahme
des Christentums orthodox-byzantinischer Prägung durch Wladimir den Heiligen, der sich mit der
"pupurgeborenen" byzantinischen Prinzessin Anna (Schwester Basileus' II.) vermählte (Gegenleistung
für seine Hilfe im Kampf gegen die Bulgaren).
bis 11. Jh.
Die ehemalige normannische Führungsschicht ging im Slawentum auf.

1016
Als Fürstentum Tmutorokan geriet die Krim in den Machtbereich der Kiewer Rus.

1019 - 1054
Rußland erreichte unter dem Kiewer Großfürsten Jaroslaw I., dem Weisen (Mudryj) (Sohn
Wladimirs; * 978, † 1054) den Höhepunkt seiner ersten Kulturblüte und seiner poliXschen Macht
(ersetzte Blutrache durch Wergeld [Russkaja Prawda]; enge dynastische Beziehungen zu Westeuropa
und Skandinavien).

1031
Jaroslaw der Weise erobert Galizien von den Polen.

1036
Jaroslaw der Weise besiegt die Petschenegen.

1037
Nach dem Vorbild der Hagia Sophia von Konstantinopel läßt Jaroslaw etwas vergleichbares und
Eigenes ausdrückend in Kiew bauen, die Metropolitankirche der heiligen Sophia.

1037 - 1448
Während Kiew zuerst wohl dem Patriarchat von Ochrid (Bulgarien; die russische Kirche hat sich
wahrscheinlich von der Taufe an in jurisdiktioneller Abhängigkeit vom Patriarchat Konstantinopel
befunden; in der Regel wurden Griechen als Metropoliten von dort entsandt) unterstand, gehörte es
nunmehr als Metropolie zum Ökumenischen Patriarchat (Konstantinopel). Dies eröffnete der Rus' die
geistlichen und theologischen Schätze des "Neuen Rom".

1108
Der Kiewer Fürst Wladimir II. Monomach (Urenkel von Wladimir der Heilige; * 1053, † 1125)
gründet Wladimir an der Stelle einer alten slawischen Ansiedlung.

ab 12. Jh.
Als Hauptursache für den Verfall Kiews gelten der Niedergang seines Handels infolge der Sperrung
des Dnjepr-Wegs durch die Kumanen (Polowzer; Kiptschak), das Fehlen einer eindeutigen
Erbfolgeregelung und das Erstarken der einzelnen russischen Territorien.

1113 - 1125
Den sich unter Jaroslaws Söhnen anbahnenden Niedergang und die Zersplitterung des Kiewer
Reichs vermochte für kurze Zeit der Großfürst von Kiew Wladimir Monomach aufzuhalten und führte
es zu einem letzten Höhepunkt seiner Macht. Sein politisches und geistliches Testament
"Ermahnung" ist eines der bedeutendsten Werke altrussischer Literatur.

1113
Entstehung der "Nestorchronik" ("Erzählung der vergangenen Jahre"; älteste überlieferte
russische Chronik; dem Mönch Nestor [* um 1056, † um 1114] des Kiewer Höhlenklosters
zugeschrieben; verarbeitet im christlichen Sinne ältere griechische Quellen, slawische Mythologie
und die sagenhafte Frühgeschichte des russischen Reiches; von A. Ludwig v. Schlözer [1735 - 1809]
ins Deutsche übersetzt).

1147
Jurij Dolgorukij (* 1090, † 1157; Sohn Wladimir Monomachs; erbte das Fürstentum Rostow-
Susdal; eroberte Kiew) gründete Moskau (wird erstmals urkundlich in einer Chronik erwähnt) und
ließ den ersten Kreml errichten.

1155 - 1157
Der Kiewer Thron, dauernd umkämpft, verlor sein Prestige. Jurij Dolgorukij war sein letzter starker
Großfürst.

1169
Kiew hört als Hauptstadt der Kiewer Rus auf zu existieren.

1185
Der Fürst von Nowgorod Igor Swjatoslawitsch (* 1151, † 1202) verliert seinen Feldzug gegen die
heidnischen Kumanen.

um 1185
Entstehung des "Igorliedes" in Kiew (russisches Heldenlied; Byline [episches Lied mit historischen
und legendenhaften Stoffen; mündliche Überlieferung]; frühchristliche Dichtung mit heidnischen
Elementen; Heldensagen der Bojaren "Helden" und Gefährten, der Bogatyri "Recken").

ab Mitte 12. Jh.


Es entstanden starke Teilfürstentümer und es begann die Zeit der Mongolenherrschaft (1169 -
1462).

http://www.eibispace.de/862.html

862
Die am Ilmen-See versammelten Stämme ernennen den Waräger Rjurik zum gemeinsamen
Fürsten. Zunächst ist die Residenz im Städtchen Ladoga, bald in Novgorod.
Die Sage weiß noch von zwei Brüdern Rjuriks zu berichten: Sineus und Truvor, die die Gegend am
Weißensee bzw. um Izborsk herrschen. Nach ihrem Ableben fallen aber auch diese Gebiete an Rjurik.

879
Bei seinem Tod hinterläßt Rjurik nur einen minderjährigen Sohn, Igor. Die Regierung übernimmt
ein Krieger und Verwandter Rjuriks, Oleg. Seine wesentliche Tat war die Eroberung Kiews und damit
die erste Vereinigung der Rus'.
Oleg stellt ein großes Heer auf und zieht von Novgorod nach Süden. Smolensk und Ljubetsch
werden erobert. Die Mauern von Kiew allerdings zwingen ihn zu einer List. Er schickt Gesandte zu
den beiden Kiewer Anführern, Askold und Dir, und läßt ihnen ausrichten, eine Handelskarawane
erwarte sie am Fluss zu Verhandlungen. Die beiden fallen darauf hinein und kommen zum
Treffpunkt. Schwer ist die Überraschung, als sie sich von Olegs Soldaten umringt sehen. Oleg stellt
ihnen den kleinen Igor vor als den "einzig wahren Fürsten". Askold und Dir überleben die
unangenehme Begegnung nicht, Oleg hat Kiew damit erobert und erklärt es im Jahre 882 zur
Hauptstadt der Rus' - jetzt ist der von Historikern geprägte Begriff Kiewer Rus gerechtfertigt. Erstmal
jedenfalls.
Im Osten der Rus' liegt das Khanat (Kaganat) der Chasaren. Ihnen sind bisher etliche der Stämme
in Reichweite der Rus' tributpflichtig. Oleg allerdings gelingt es, in den Folgejahren die Stämme der
Drevljanen, Severjanen ("Nördlinge") und Radimitschen für die Rus' zu "gewinnen".

907
Oleg unternimmt einen neuen Feldzug gegen Konstantinopel. Als die russischen Schiffe die Stadt
umringt haben, bitten die Byzantiner unter Kaiser Leo VI. um Frieden: Byzanz zahlt jährlichen Tribut
an Kiew, die russischen Händler dürfen zollfrei die byzantinischen Märkte benutzen; außerdem
erhalten die Russen uneingeschränktes Nutzungsrecht der Badeanstalten im Kaiserreich.

912-945
Fürst Igor kommt nach Olegs Tod auf den Thron. Ein Aufstand der Drevljanen wird
niedergeschlagen, mit den an der Südgrenze einfallenden Petschenegen wird ein Friede geschlossen.
Im Zuge der Angliederung weiterer Landstriche an die Rus' im Süden nähert sich die russische Grenze
nicht nur der Grenze des Chasarenstaates, sondern auch den byzantinischen Kolonien auf der Krim
und an der Schwarzmeerküste. Dies ruft in Konstantinopel Missmut hervor - ausserdem verlangen
die russischen Händler zusätzliche Privilegien. Daraufhin kommt es 941-944 zum Krieg zwischen den
beiden Reichen, in dem das gefürchtete griechische Feuer die russische Flotte zerstört. Als die Russen
mit neuen Kräften und den verbündeten Ungarn erneut anrücken, wird 941 ein Friede geschlossen,
der den alten im Wesentlichen bestätigt.
Auch den Stamm der Ulitschen kann Igor in die Rus' eingliedern.
Als Igor 945 zum Eintreiben der Tributzahlungen im Land der Drevljanen unterwegs ist, wird er
von dortigen Unwilligen ermordet.

945-962
Da Igors Sohn Swjatoslaw minderjährig ist, regiert Igors Ehefrau, Fürstin Olga aus der Stadt Pskow.
Sie führt ein effizierteres Steuersystem ein und läßt sich in Byzanz taufen; allerdings bleibt die
Bevölkerung im wesentlichen weiterhin heidnisch (ihr Hauptgott heißt Perun); die vom deutschen
Kaiser Otto I. erbetenen Missionare werden aus Kiew hinausgejagt.

962-972
Regierungszeit des Fürsten Swjatoslaw:
964-967 verwüstet und erobert er das Reich der Chasaren. Dieses Kaganat mit der Hauptstadt Itil
erstreckte sich vom Kaukasus bis an Don und Wolga, und hatte u.a. die Wolgabulgaren, die Jassen
und die Kassogen (die heutigen Osseten bzw. Tscherkessen im Kaukasus) als Vasallen.
967 folgt ein Feldzug gegen Bulgarien. Die Neutralität des Byzantinischen Reiches wird durch das
Versprechen gewahrt, die Siedlungen auf der Krim nicht anzugreifen. Der Zug ist erfolgreich - bis an
den Unterlauf der Donau erstreckt sich nun das Gebiet der Rus. Dort liegt auch die starke Festung
Perejaslawez, wohin Swjatoslaw sogar seine Residenz verlegt.
Das Glück ist leider nicht immerwährend, denn 970 verlangt der neue byztantinische Kaiser
Johannes, dass die Russen die Donau verlassen. Im folgenden kurzen Krieg siegen die Russen - doch
dieser neue Friedensvertrag hält nicht lange, denn schon 971 hat der Kaiser ein neues Heer
aufgestellt und führt an den Osterfeiertagen einen Überraschungsfeldzug nach Bulgarien durch. Fürst
Swjatoslaw wird bei der Flucht aus der belagerten Festung Dorostol verletzt. Im Juli wird Friede
geschlossen: Die Russen ziehen von der Donau ab und versprechen, dort nicht mehr einzufallen. Ihre
Eroberungen am Schwarzen Meer dürfen sie allerdings behalten.
Darüber hinaus verspricht der Kaiser dem Fürsten Beistand gegen die Petschenegen, denn deren
Territorium müssen die Russen beim Rückzug ungemütlicherweise durchqueren. Dieses Versprechen
aber ist falsches Spiel: heimlich bezahlt der Kaiser die Petschenegen sogar dafür, die Russen
aufzuhalten. Und so kommt es zum Kampf, der der letzte Swjatoslaws sein wird.
Swjatoslaws Schädel wird danach vom Petschenegen-Khan Kurja wiederverwendet - als
Trinkgefäß.

972-980
Fürst Jaropolk:
Wenig ruhmreiches ist hier zu verzeichnen. Jaropolks Brüder Oleg und Vladimir regieren die
Provinzen der Drevljanen bzw. Novgorod, und beide streben nach Ablösung von der Kiever
Zentralgewalt. Jaropolk zieht mit einem Kiever Heer ins Drevljanenland, und bei einem Gefecht auf
der Burgbrücke in Ovrutsch kommt (der gerade mal dreizehnjährige) Oleg ums Leben. Vladimir,
kaum, dass er diese Nachricht erhält, flieht zu den Warägern. Er kann dort ein Heer
zusammensammeln und erobert zunächst Novgorod zurück. Mit einem noch größeren Heer zieht
auch er von Novgorod gegen Kiev. Dort hat Jaropolk aber wenig Rückhalt, und so kann Vladimir
Geheimabsprachen mit den Edlen halten, die Jaropolk überreden, an Verhandlungen teilzunehmen.
Kaum dort, wird er erschlagen.

980
Der neue Großfürst Vladimir hat die Rus' weiterhin gegen die Petschenegen zu verteidigen. Zu
diesem Zwecke baut er ein Warnsystem auf, das aus Ketten von Wachtürmen besteht, die jeweils in
Sichtweite zueinander stehen. Entdeckt ein Wachposten den anrückenden Feind, kann er mit
Lichtzeichen die Warnung weiterleiten, und in wenigen Minuten ist die Nachricht in der Hauptstadt.
Außerdem erkennt Vladimir die Zeichen der Zeit: Fast ganz Europa gibt das Heidentum auf. Er
möchte die Rus' dabei nicht isolieren, und lädt Missionare aller wesentlichen Religionen vor: Muslime
von den Wolgabulgaren, Juden aus dem Chasarenreich, Orthodoxe aus Byzanz sowie Katholiken aus
Deutschland. Das Alkoholverbot der Moslems hält er für unvereinbar mit den russischen Sitten. Er
entscheidet sich schließlich für das orthodoxe Christentum, und teilt dem Kaiser in Konstantinopel
mit, er lasse sich gerne taufen, wenn er im Gegenzug dessen Tochter Anna heiraten kann. Anna
jedoch läßt den Verehrer sitzen, und so greift er 988 Chersoness (Korsun) an, eine Kolonie der
Byzantiner auf der Krim, die er mit Unterstützung des dortigen Hohepriesters Anastas erobert: Ein
Pfeil landet in Vladimirs Lager mit dem Tipp, die Hauptwasserleitung zu sperren. Nach der Besetzung
von Chersoness wird Anna gegen ihren Willen ("lieber sterbe ich") mit Vladimir vermählt; der
Großfürst wird in Chersoness getauft, die Stadt daraufhin den Byzantinern zurückgegeben. Nicht ganz
so einfach war die Christianisierung der ganzen Bevölkerung zu vermitteln; insbesondere der Norden
blieb noch lange dem Heidentum treu. In Kiev ließ Vladimir die Statuen der heidnischen Götter um
Perun entfernen und auf deren Hügel eine Kirche, die des Heiligen Vasilij, errichten. Am nächsten Tag
wurde am Dnjepr eine Massentaufe veranstaltet.
996 wird der Bau des Doms der Heiligen Gottesmutter (Bogorodiza) vollendet. Weil für diese
Kirche 10 Prozent der fürstlichen Einnahmen verbraucht wurden, hieß sie auch "Desjatinnaja" (die
Zehnte). Parallel führte Vladimir eine Art Schulpflicht ein.

1015
Mit dem Tode Vladimirs wird eine Zeit eingeleitet, die von Machtkämpfen, Dezentralisierung,
Zerfall der zentralen Regierungsgewalt, der Rus' überhaupt geprägt ist, nur der gerühmte Jaroslaw
der Weise kann noch einmal eine wirklich bedeutende Rolle spielen. Erst 300-400 Jahre später, im
Kampf gegen die mongolische Besatzungsmacht, kann sich langsam wieder ein gemeinsamer Staat
ausbilden, in dem dann aber Moskau die Führungsrolle übernehmen wird, während Kiev dann gar im
Feindesland liegt, im Königreich Polen-Litauen.
Aber zunächst, anno 1015, muß noch die Kiever Thronfolge geklärt werden. Im wesentlichen
stehen drei Kandidaten zur Auswahl:
Jaroslaw, Fürst zu Novgorod, der gerade dabei war, eine Verschwörung gegen Vladimir zu
schmieden;
Boris, Sohn aus Vladimirs Ehe mit Anna, Lieblingssohn seines Vaters sowie Favorit der Kiever.
Zum Zeitpunkt des Todes Vladimirs stand er gerade im Feld gegen die Petschenegen;
Swjatopolk, Sohn Jaropolks, ungeliebter Stiefsohn Vladimirs. Verheiratet mit der Tochter des
polnischen Königs Boleslaw I.

Zunächst ergreift Swjatopolk die Macht und erkauft sich mit Geschenken die Gunst der Kiever. Er
läßt die Prinzen Boris sowie Gleb (Fürst in Muromsk) töten, was für allgemeine Empörung sorgt. Der
noch verbleibende Jaroslaw, der von Novgorod aus, mit Hilfe der Waräger, nach Kiev zieht. Die
beiden Heere treffen sich im Winter 1016 am Dnjepr, bei Ljubetsch. Swjatopolks Truppen gehen
größtenteils zugrunde, als sie irrtümlicherweise auf das zu dünne Eis eines zugefrorenen Sees
gelangen und einbrechen. Swjatopolk flieht nach Polen.
1017 besetzt Jaroslaw Kiev und schließt mit dem deutschen Kaiser Heinrich II. ein Bündnis gegen
Polen. Inzwischen hat auch Swjatopolk wieder genügend Truppen beisammen und greift Kiev an;
Jaroslaw flieht nach Novgorod. Die Kiever Bürger wiederum vertreiben die Polen aus der Stadt,
müssen dafür aber noch eine Plünderung ertragen. Jaroslaw, der in Novgorod neue Truppen
gesammelt hat, zieht wieder nach Süden; Swjatopolk will zu den Petschenegen fliehen. Am Fluß Alta
kommt es 1018 zur Schlacht, die Swjatopolk verliert. Dieser flieht daraufhin wieder nach Polen und
stirbt dann auf dem Weg in die Tschechei.

http://www.kiew-info.de/historie.html

Ende des 9. Jahrhunderts begann die Epoche der Kiewer Rus´. An dieser Stelle – „Rus“ heißt nicht
„Russland“. Es war zu der damaligen Zeit die Vereinigung von ostslawischen Stammesverbänden. Erst
im Laufe der späteren Jahrhunderte bildeten sich die Nationalitäten mit eigenen Sprachen: Russen,
Ukrainer und Weißrussen. Die Historiker sind sich bis heute nicht ganz einig, ob die „Rus“ ein
ukrainischer oder russischer Staat gewesen ist. Wie dem auch sei, nach dem sich die slawischen
Ländereien vereint hatten wurde Kiew zur Hauptstadt und dem Zentrum für wirtschaftliche politische
und geistige Beziehungen unter anderem mit Bagdad, Byzanz (heute Istanbul), Rom.

Die erste Blüte erlebte Kiew im 10. Jahrhundert. Durch die verkehrsgünstige geografische Lage der
Stadt, verlief hier der legendäre Handelsweg „ Von den Warägern zu den Griechen“. Das ermöglichte
einen regen Handel mit dem nahen und fernen Ausland. Großfürst Wladimir (980-1025)
beschleunigte die Entwicklung der Stadt. Nach seiner Taufe wurde das Christentum als Staatsreligion
eingeführt. Unter der Herrschaft vom Wladimir des Großen wurde Kiew zu einer Stadt mit Palästen
und Befestigungsanlagen. Damals muss Kiew sehr beeindruckend gewesen sein, denn sie zählte zu
den reichsten und größten Städten Europas.

Nach dem Tod des Großfürsten ging Kiew in den Besitz von seinem Sohn Fürst Jaroslaw den
Weisen (1019-1054). Er war sehr bemüht die die Kultur und Bildung in Kiew zu fördern, daher ist
diese Bezeichnung ist durchaus gerechtfertigt. In seiner Zeit wurde die prächtige Sophienkathedrale
errichtet. Kiew war ein wichtiges politisches Zentrum und durch geschickt gestiftete Ehen fest in
Europa integriert. Seit dem 1051 die Kiewer Höhlenklöster gegründet wurden, nahm Kiew die
geistige Führungsrolle in der osteuropäischen Christenheit ein. Zu dieser Zeit gab es in Kiew bereits
400 Kirchen und schätzungsweise 100 000 Einwohner.
Leider kam Ende 1240 ein großer Einschnitt. Unter der Führung von Batu Khan, einem Enkel von
Dschingis Khan wurde die Stadt nach langen Kämpfen von den Mongolo- Tataren eingenommen und
beinahe vollständig zerstört.

http://www.dreizackreisen.de/kiewer-rus-ukraine
Über die Flüsse Osteuropas gelangten die Nordmänner vom Baltikum aus bis ans Schwarze Meer.
Hier lockte das reiche Konstantinopel, die Hauptstadt des Oströmischen Reiches.

Aber die Wikinger bestritten ihren Lebensunterhalt nicht nur mit Mord und Totschlag. Schnell
lernten sie, dass die Erhebung von Tributen und ein halbwegs friedlicher Handel bedeutend
lukrativer sein konnte. Schließlich funktionieren beide Erwerbsarten nur, wenn es genug
Überlebende gibt.

So bildete sich entlang der Ströme Osteuropas ein Netz von Handelsstationen eindeutig
skandinavischen Charakters. Hier wurden Güter zwischengelagert, Tribute eingesammelt und Handel
mit der ansässigen slawischen Bevölkerung getrieben – Honig und Pelze z.B. waren in Byzanz und
weiter im Arabischen Kalifat begehrte Artikel.

Warägischer Adel ließ sich an diesen Goldadern dauerhaft nieder, es kam zur allmählichen
Symbiose zwischen Slawen und Skandinaviern. Nowgorod im Norden und Kiew am Dnepr wurden zu
Entstehungszentren frühstaatlicher Gebilde. Mögen dabei auch die Waräger anfänglich treibende
Kraft und Führungsschicht gewesen sein, so wäre dieser Prozess ohne den Willen der slawischen
Mehrheit kaum so erfolgreich und auf Dauer durchzusetzen gewesen.

Über einen langen Zeitraum wurde der skandinavische Anteil an der Entstehung der Kiewer Rus
von der russischen und späteren sowjetischen Geschichtsschreibung verschwiegen und geleugnet.
Gegenteilige Meinungen, öffentlich geäußert, konnten zum Ende der Karriere oder Schlimmeren
führen. Heute wird mit diesem Kapitel der Geschichte weit pragmatischer umgegangen.

Eine der wenigen, wenn auch unsicheren Quellen für die Anfangszeit des ostslawischen Reiches ist
die "Erzählung der vergangenen Jahre" des Kiewer Mönchs Nestor – daher auch kurz "Nestorchronik"
genannt. Danach vereinigte der Rjurikide Oleg im Jahre 882 die Herrschaftsgebiete Nowgorods und
Kiews und machte Letztere zur "Mutter aller Städte der Rus". 955 dann ließ sich Fürstin Olga (Helga)
in Konstantinopel taufen, bat aber gleichzeitig vier Jahre später Otto den Großen um Priester zur
weiteren Verbreitung des Christentums unter ihren Untertanen.

Trägt Olga noch einen germanischen Namen, so zeigt sich die fortschreitende Assimilierung der
einstigen Waräger bei ihrem Sohn Swjatoslaw (962-972) – eindeutig ein slawischer Name.

----------------------------------------------------------------------------

Exkurs: Wladimir I. Swjatoslawowitsch


Fürst Wladimir I. (ukr. Volodymyr) nimmt in Bezug auf seine Abstammung und seinen
Machthunger eine besondere Stellung in der Geschichte des Fürstengeschlechts der Rjurikiden ein.

Geboren um 960 n. Chr. als unehelicher Sohn des Fürsten Swjatoslaw und einer Dienerin dessen
Gemahlin konnte dieser nach Swjatoslaws Tod dennoch ein bedeutendes Amt in der Rus
übernehmen. Nach dem Ende des Vaters wurde die Rus dreigeteilt; es entstanden die
Teilfürstentümer Kiew, Nowgorod und Polozk. Wladimir wurde zum Regenten des Teilfürstentums
Nowgorod erhoben, welches schon immer mit Kiew um die Vorherrschaft in der Rus rang. In Kiew
betraten Jaropolk Swjatoslawowitsch und dessen Bruder Oleg in Nachfolge ihres leiblichen Vaters
den Fürstenthron.

Die Differenzen zwischen Kiew und Nowgorod wurden nun stärker, und auch Polozk wurde von
diesen Rangeleien in Mitleidenschaft gezogen. Um nicht zwischen beiden beiden Mächten zerrieben
zu werden und eine stabilisierende Verbindung mit einem der konkurrierenden Nachbarn
einzugehen, entschied sich der Polozker Fürst Rogwolod, seine Tochter Rogneda mit einem der
beiden Fürsten zu vermählen. Und ließ ihr die Wahl. In der Chronik "Ereignisse der vergangenen
Jahre", auch als Nestorchronik bekannt, wählt sie mit den Worten: "Einer Sklavin Sohn will ich nicht
entschuhen, aber Jaropolk will ich".

Als Wladimir von dieser Antwort erfährt, sammelt er ein Heer, erobert Polozk, läßt Fürst
Rogwolod und dessen beide Söhne töten und heiratet Rogneda gewaltsam. Dann marschiert er
weiter auf Kiew, welches er kampflos einnimmt, zieht Jaropolk an den Verhandlungstisch, läßt ihn
ermorden und ist damit alleiniger Herrscher der nunmehr wieder vereinigten Kiewer Rus.

In seiner Herrschaft wird die Rus vergößert und durch zahlreiche Burgstädte gesichert. Er tritt zum
Christentum über, was ihm später den Beinamen "der heilige" einbringt und verbreitet dieses im
ganzen Reich. Später wird er die Rus unter seinen 12 Söhnen aufteilen, was maßgeblich zum
Niedergang der Kiewer Rus beitragen wird. Er stirbt am 15. Juli 1015.

----------------------------------------------------------------------------

Wladimir machte, nachdem er sich im Machtkampf gegen seine Brüder Oleg und Jaropolk I.
durchgesetzt hatte, das byzantinische Christentum zur Staatsreligion. Damit war zum Einen für die
Rus der Weg zum respektablen Staatswesen geebnet, zum Anderen aber auch die Weichen gestellt
für die besondere kulturelle Entwicklung im Osten Europas.

Ihre höchste Blüte erreichte die Kiewer Rus unter Jaroslaw dem Weisen (1019-1054). In Kiew
begann der Bau der Sophienkathedrale, Ilarion wurde erster russischer Metropolit und das Recht
wurde kodifiziert. Folgenschweres Problem blieben jedoch die regelmäßigen Kämpfe um die
Thronfolge. Auch der Versuch Jaroslaws, die Erbregelung zu ändern, indem die Herrschaft nicht mehr
vom Vater auf den ältesten Sohn, sondern den nächstältesten Bruder des Vaters überging, brachte
keine Lösung. Nun bekriegten sich Onkel und Neffen.

Die Rus begann, unaufhaltsam zu zerfallen. Susdal im Nordosten wurde neues Machtzentrum
neben Nowgorod, während sich im Südwesten der Schwerpunkt nach Galizien- Wolhynien
verlagerte. Aggressive Reiternomaden aus den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres behinderten
den Nord-Süd-Handel, eine wesentliche ökonomische Existenzgrundlage des Reiches.

Als die vordringenden Mongolen 1240 Kiew zerstörten, setzten sie nur den effektvollen
Schlusspunkt unter eine Entwicklung, deren Ende sich schon lange am Horizont abgezeichnet hatte.
Themenliste und Quellen

(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)

Kiever Rus (vormongolische Zeit):

Thema Quelle
Kiever Rus (vormongolische  PP;
Zeit):
 Traditionelle
Periodisierung  Zeittabelle Kiever Rus';
russischer Geschichte,
 Weg von den
Warägern zu den  Einführung in die Osteuropäische Geschichte
Griechen,
(S.135-138; 230-234);
 Normannische Theorie,
 Dynastie der
Rjurikiden,
 Ereignisse der ostsl.
Geschichte (Kiever  Kiewer Rus' - Kurze Geschichte: Internetquellen
Rus‘) in zeitlicher
Reihenfolge
 Welchen geografischen
Raum umfasste die
Ostslavia (Kiever
Rus)?
Liste des UNESCO- - PP
Welterbes (Weltkulturerbes):
 (Weliki) Nowgorod - http://whc.unesco.org/en/list/ (eng.)
(Russland),
 Nationalpark
Belovezhskaya - http://www.swr.de/schaetze-der-welt/nationalpark-
Pushcha belovezhskaya-pushcha-bialowieza-polen-folge-257/-
(Belarus/Polen) /id=5355190/did=6905926/nid=5355190/oy0jt0/index.html
Zeittabelle (Kiewer Rus)

http://vk.com/video?gid=67537489&z=video-67537489_167950123

862 Machtergreifung in Nowgorod durch Rjurik


879 †Rjurik
907 Heereszug von Fürst Oleg gegen Konstantinopel
Handelsvertrag mit Byzanz
Igor übernahm die Macht in Kiew.
941 Heereszug von Fürst Igor gegen Konstantinopel
945 Vertrag mit Konstantinopel
946 Nach Chronikbericht kam Igor zu Tode ‒ als er und seine Garde zum zweiten
Mal Tribut von Drewljanen eintreiben wollte.
Olga (Helga) hat nach dem Tode ihres Mannes die Regentschaft für den kleinen
Sohn Swjatoslaw übernommen.
955 Olga unternahm eine Reise nach Konstantinopel und hat sich dort evtl. taufen
lassen.
967 Heereszug Swjatoslaws gegen Bulgaren.
971 Swjatoslaw wird vom Kaiser von Byzanz besiegt und zum Räumen der eroberten
bulgarischen Gebiete gezwungen.
972 Bei der Rückkehr nach Kiew überfallen Petschnengen sein Heer, er kommt dabei
zu Tode: †Swjatoslaw
978 Machtergreifung in Kiew durch Wladimir
988 Taufe der Kiewer Rus´.
15.7.1015 † Wladimir (Wassilij)
Nach seinem Tode wurde das Land unter seinen Söhnen aufgeteilt.
Swjatopolk übernahm die Macht. Er ließ Boris und Gleb umbringen (sie sind
somit die ersten osl. Märtyrer, denen die erste osl. Märtyrervita gewidmet ist),
dann auch Swjatoslaw.
1017 Jaroslaw erlitt zunächst eine Niederlage.
1019 Jaroslaw siegte gegen †Swjatopolk, der an seinen Verwundungen starb. Jaroslaw
übernahm die Großfürstenmacht und Kiew. Unter Jaroslaws Herrschaft kam es
kulturell zu einer Blütezeit.
In dieser Zeit entstand vermutlich die älteste osl. Gesetzessammlung "Russkaja
Pravda"
1037 Beginn des Baus der Sophien-Kathedrale in Kiew
1043 Jaroslaws Heereszug gegen Konstantinopel
1046 Handelsvertrag mit Byzanz
1054 †Jaroslaw
Auf dem Kiewer Thorn wechselten sich nun stärkere und schwächere Großfürsten
ab. Es gab keine direkte dynastische Abfolge.
1097 Zusammenkunft der Fürsten der Rus´ in Ljubetsch
1113 Krönung von WLADIMIR MONOMACH zum Großfürsten von Kiew
1125 †Wladimir Monomach. Es beginnt erneuter Kampf um die Macht.
1147 Älteste Erwähnung von Moskau in einer Urkunde.
1169 Fürst Andrej Bogoljubskij erobert Kiew
1174 †Andrej Bogoljubskij
1223(?24) Sieg der Mongolen (Tataren) an der Kalka
1236 Mongolische (tatarische) Invasion unter Batu (Baty), einem Enkel Dschingis-
1237 Chans.
1238 Rjasan´ erobert
6.12.1240 Suzdal´ und Wladimir erobert.
Kiew erobert ‒ Ende der Kiewer Rus´.
Schrifttum der Ostslawen

Kiever Rus: Glagoliza, Kirilliza,


altostslawische Literatur

Wladimir–Suzdal´ Rus´
Themenliste
• Kiever Rus
- Kyrillo-Methodianische Mission (Glagoliza, Kyrilliza)
- Slavia Orthodoxa
- Diglossie
- Drei KSL. Einflüsse
- KSL. Schrifttum (Originalwerke, Übersetzungsliteratur,
Apokryphenschrifttum)
• Wladimir–Suzdal´ Rus´
- Weiße Monumente von Wladimir und Susdal
- Geschichte des Schrifttums (13.-14. Jh.)
https://www.facebook.com/TribesPeople/videos/1906701216255913/?t=75
Kyrillo-Methodianische Mission
• Fürst Rastislav (846-870) (Mährerreich, Großmähren,
Великая Моравия – heutig. Slowakei) strebte (aus
politischen Gründen) eine eigenständige Diözese an,
was Papst Nikolaus I. ablehnte.
• Dann entschied sich Rastislav für die Annahme des
Christentums aus Ostrom (Oströmische Reich,
Byzantinisches Reich).
• Er wandte sich an den byzantinischen Kaiser mit der
Bitte um die Zusendung von Missionaren, die das
Christentum in slawischer Sprache verkünden
konnten.
Kyrillo-Methodianische Mission
• Brüder KONSTANTIN (KYRILL) und METHOD:
Hochgebildete Söhne eines byzantinischen Beamten
aus Thessaloniki (Солунь), dort lebten damals
zahlreiche Slawen - Sprecher von bulgarisch-
mazedonischen Mundarten.
• Sie stellten für Alt(kirchen)slawisch eine eigene
Schrift her, die sog. Glagoliza (863?), deren
Herkunft bis heute nicht geklärt ist.
• G. breitete sich ab 886 auch im Bulgarischen Reich,
der Kiewer Rus, Serbien und Kroatien aus.
http://p-beseda.ru/?image&id=193
Kyrillo-Methodianische Mission
• Westrom ließ nur die drei sog. heiligen Sprachen
für die Missionierung zu: Hebräisch, Griechisch
und Latein.
• Ostrom (Byzanz) gestattete auch den Einsatz von
Volksidiomen.
• Die Brüder mussten nach Rom fahren und sich vor
dem Papst verteidigen. Auf einer solcher Fahrten
starb KONSTANTIN (KYRILL) 869.
• Nach METHODS Tod 885 wurden seine Schüler
aus Großmähren vertrieben und die östliche
Liturgie verboten.
Kyrillo-Methodianische Mission
• Am Ohrider See, im 1. Bulgarischen Reich entstand
das erste Zentrum der altkirchenslawischen
Schrifttradition nach der Vertreibung der Schüler von
KYRILL und METHOD: KLEMENT, NAUM,
ANGELAR u.a., aus Großmähren. In dieser Ohrider
Schule entstand auch im 10. Jh. die Kyrilliza, nach
dem Vorbild der griechischen Majuskelschrift
(s.g. Großbuchstaben).

• Der heilige Naum lebte an der Wende vom 9. zum 10.


Jh. Zusammen mit dem heiligen Kliment von Ohrid
gehörte er zu jenen Mönchen, die Methodius bei
seiner Mission im Großmährischen Reich
unterstützten. Von dort vertrieben, gründete er 895 das
Kloster «Sveti Naum».
Ohridsee

http://www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=1082721
Ohrid : church of Sveti Jovan
Sveti Naum - Kloster

http://viaterra.net/photopages/2003-2007/macedonia.htm?lg=de

http://www.swr.de/schaetze-der-
welt/stadt-see-und-umgebung-
von-ohrid-mazedonien-folge-
274/-
/id=5355190/did=6902014/nid=1
Der heilige Naum 3831248/owge58/index.html
Kyrilliza und
Majuskelschrift

http://chernov-trezin.narod.ru/azbuka.htm
Ostslawischer Raum der Gegenwart:
Schriften
• Belarussisch, Russisch und Ukrainisch halten noch
immer an der aus der griechischen entwickelten
kyrillischen Schrift fest.
Schriftreform 1708-1710
• Peter der Große führte 1708-1710 eine Schriftreform
durch. Bürgerliche Schrift (гражданский шрифт)
(graždanskij šrift)
• Trennung zwischen bürgerlichem und
kirchenslawischem Alphabet: die bürgerliche Schrift
für weltliche Bücher.
• Peter 1. ließ Betonungs- und Abkürzungszeichen
sowie einige Buchstaben ζ (ksi), ψ (psi), ω (omegа)
verschwinden und vereinfachte so den weltlichen
Schriftverkehr.
• Neue Buchstaben э (Spiegelung des Buchstaben Є)
und я (ein rundes Ѧ ohne mittleres Bein) eingeführt.
http://zen-designer.ru/articles/410-alfavit-shrift-nachertanie?start=1

Kirchenslawisches
Alphabet, das sich
nur schlecht für den
Buchdruck eignete,
durch modernisierte
bürgerliche (graždanka)
abgelöst.

Das alte Alphabet


durfte aber nach wie
vor in der Kirche
verwendet werden
(bis heute).
Russische Rechtschreibreform von 1918:
• Die russische Orthographie wurde vereinfacht;
• Abgeschaffte Buchstaben: i ˃ и, ѣ ˃ е, ѳ ˃ ф, ѵ ˃ и;
• ъ bezeichnet [j] zwischen Konsonanten (ъ am
Ende des Wortes)
Аа Бб Вв Гг Дд Ее Жж
Зз Ии Іі Кк Лл Мм Нн
Оо Пп Рр Сс Тт Уу Фф
Хх Цц Чч Шш Щщ Ъъ Ыы
Ьь Ѣѣ Ээ Юю Яя Ѳѳ Ѵѵ

• Seit 1943 stand Ё als siebenter Buchstabe im russischen Alphabet;

• Й wurde 1934 als elfter ins russische Alphabet aufgenommen.


33

(33 Buchstaben)
Ukrainisches Alphabet (33 Buchstaben)
Ukrainisches Alphabet
Ґ: Das Ґ (g) wird nur in wenigen Wörtern, z.B.: бог [bog]
(Gott) verwendet. Das ukrainische Г steht für das
deutsche "H" wie in habe.
i, Ï, и, й: I ist ein normales I, Ï wird wie "ji"
ausgesprochen. Das ukrainische и ist ein [y] und
entspricht dem russischen "ы". Das kyrillische Zeichen
"ы" gibt es im ukrainischen Alphabet nicht.
Є wie das [je] gesprochen wird.
Das ukrainische Schriftsystem benutzt einen Apostroph
(’), der zwischen einem Konsonanten und einem Vokal
geschrieben wird: rus. семья und ukr. сiм'я [ssim'ja]
(Familie).
Im Ukrainischen werden die Ёё, Ъъ, Ыы, Ээ nicht
benutzt.
Belarussisches Kyrillisches Alphabet (34)
Аа Бб Вв Гг Дд Дж Дз Ее Её Жж Зз
дж дз джала (Stachel)
дожджд (Regen)

Іі Йй Кк Лл Мм Нн Оо Пп Рр Сс Тт

Уу ў Фф Хх Цц Чч Шш Ыы Ьь Ээ Юю Яя

’ : вар’ят
Apostroph
ъ,и,щ
Textbeispiel (bel.):
Аўстрыя — федэратыўная
дзяржава, аб'ядноўвае дзевяць
самастойных земляў. Дзеючая
канстытуцыя была прынята ў
1920 годзе і ў другі раз
уведзена ў 1945 годзе.

Кіраўніком дзяржавы
з'яўляецца Федэральны
прэзідэнт, абіраецца на 6 гадоў.
Урад узначальвае Федэральны
канцлер. Члены ўрада
прызначаюцца прэзідэнтам.
Textbeispiel :
Ukrainisch „Буття 12-13“ Russisch „Бытие 12-13“ Deutsch „Genesis 12-13“

І земля траву видала, ярину, И произвела земля зелень, Und die Erde ließ aufgehen
що насіння розсіває за траву, сеющую семя по роду Gras und Kraut, das sich
родом її, і дерево, що её, и дерево, приносящее besamte, ein jegliches nach
приносить плід, що насіння плод, в котором семя его по seiner Art, und Bäume, die da
його в нім за родом його. І роду его. И увидел Бог, что Frucht trugen und ihren
Бог побачив, що добре воно. это хорошо. eigenen Samen bei sich selbst
hatten, ein jeglicher nach
seiner Art. Und Gott sah, dass
es gut war.

І був вечір, і був ранок, день И был вечер, и было утро: Da ward aus Abend und
третій. день третий. Morgen der dritte Tag.
1 2 3
1. В начале сотворил Бог 1. На пачатку стварыў Бог 1. На початку Бог створив
небо и землю. неба і зямлю. Небо та землю.
2. Земля же была 2. А зямля была нябачная 2. А земля була пуста та
безвидна и пуста, и тьма і пустая і цемра над порожня, і темрява була
над бездною, и Дух безданьню, і Дух Божы над безоднею, і Дух
Божий носился над лунаў над вадою. Божий ширяв над
водою. 3. І сказаў Бог: хай будзе поверхнею води.
3. И сказал Бог: да будет сьвятло. І сталася 3. І сказав Бог: Хай
свет. И стал свет. сьвятло. станеться світло! І
4. И увидел Бог свет, что 4. І ўбачыў Бог сьвятло, сталося світло.
он хорош, и отделил Бог што яно добра, і аддзяліў 4. І побачив Бог світло,
свет от тьмы. Бог сьвятло ад цемры. що добре воно, і Бог
5. И назвал Бог свет днем, 5. І назваў Бог сьвятло відділив світло від
а тьму ночью. И был днём, а цемру ноччу. І темряви.
вечер, и было утро: день быў вечар, і была раніца: 5. І Бог назвав світло:
один. дзень адзін. День, а темряву назвав:
6. И сказал Бог: да будет 6. І сказаў Бог: хай будзе Ніч. І був вечір, і був
твердь посреди воды, и да цьвердзь пасярод вады, і ранок, день перший.
отделяет она воду от хай аддзяляе яна ваду ад 6. І сказав Бог: Нехай
воды. вады. станеться твердь посеред
(Книга Бытие 1:1-7) (Быцьцё 1:1-7) води, і нехай відділяє
вона між водою й водою.
(Буття 1:1-7)
Kiever Rus:
Taufe der Kiewer Rus´
altostslawische Literatur.
Wladimir–Suzdal´ Rus´
Slavia Orthodoxa:
Taufe der Kiewer Rus´ 988. Fürst Wladimir.
• Laut Nestorchronik weilten 985 Vertreter verschiedener
Glaubensrichtung am Hofe Wladimirs: des Islam, der
römisch- und der griechisch-katholischen Kirche sowie
des Judaismus.
• Mit dem byzantinischen oströmischen Glauben
übernahm Rus´ auch die Sprache der Kirche und des
Glaubens, das Altkirchenslawische (=Altbulgarische),
старославянский, староцерковнославянский.
• Bulgarien tritt somit als Vermittler-Kultur für Kiewer
Rus´ auf ‒ von hier kommt der Ritus und seine
Sprache, die auch die alleinige Sprache der
Schriftkultur sein wird und für alle orthodoxen Slawen
(auch für Rumänen).
988: Wladimirs Taufe

Крещение князя Владимира в баптистерии.


Радзивилловская летопись.
Крещение в баптистерии дружины
князя Владимира
Der Taufe von Rus´ folgten allerdings noch
einige Jahrzehnte, gar Jahrhunderte des
Doppelglaubens, denn die Wurzel des alten
Heidentums hielten sich (im Verborgenen)
hartnäckig.

Einheitliches Kulturareal - Slavia


Orthodoxa (alle orthodoxe Slawen):
einheitliche schriftliche Kultur mit der
gemeinsamen Schriftsprache
Kirchenslawisch.
Slavia Orthodoxa
Slavia Orthodoxa vs. Slavia Latina
bzw. Slavia Romana (nicht-
orthodoxe Slavia) und
Westeuropas.

Feier der orthodoxen Taufe der Kiewer Rus


(27. 7. 2018)
https://russian.rt.com/ussr/video/540157-kreschenie-rusi-ukraina-kiev
http://supercook.ru/religion/religion-13.html

http://mapinmap.ru/wp-content/uploads/2014/03/europe_relig.jpg

Orthodox:
80 % Russen,
80 % Belarussen,
76 % Ukrainer.
Katholiken:
religion.in.ua
15 % Belarussen
Unierte: 14 % Ukrainer
Slavia Orthodoxa: Schriftliche Kultur
• Ausgesprochene sakrale Ausrichtung der schriftlichen Kultur ‒
daher Fehlen von eigentlichen belletristischen Genres.

• Fester und hierarchisch angeordneter Genrekanon, in dem die


obersten Ränge von liturgischen u.ä. Textsorten eingenommen
werden.

• Erstaunliche Stabilität in Zeit und Raum, bedingt durch die


prinzipielle Anbindung der Schriftkultur an den ‒ orthodoxen ‒
Glauben (jegliche Veränderung kann als Häresie ausgelegt
werden).

• Prinzipielle Anonymität der Werke, deren Anfertigung dem


Seelenheil, nicht der privaten Berühmtheit dienen sollte.

• Sprachsituation der sog. Diglossie etc.


Diglossie: Schriftsprache Kirchenslawisch vs.Volkssprache
• Koexistenz zweier Sprachsysteme, die streng getrennte Anwendungsbereiche haben
und somit nie in eine Konkurrenzsituation kommen. Daher kann diese Art der
Zweisprachigkeit sehr stabil sein. Solche diglottische Situation nimmt man für die
Orthodoxe Slavia an ‒ mit der für das gesamte Areal gemeinsamen Schriftsprache
Kirchenslawisch und der jeweiligen Volkssprache (Idiom), die fast ausschließlich
mündlich verwendet wurde.

• Ein weiteres Spezifikum der ostslawischen Sprachgeschichte stellt die Existenz


einer sog. Amtssprache dar – auf der Basis des Idioms. Dies widerspricht an sich der
Konzeption der Diglossie – denn die Sprachsituation bei den Ostslawen im
Mittelalter müsste dann als Triglossie bezeichnet werden: Kirchenslawisch +
Amtssprache im schriftlichen, Idiom im mündlichen Bereich (s. GFL) .

• Diese Situation (Di- bzw. Triglossie) verändert sich allmählich erst ab dem 17. Jh.,
ihr Ende tritt mit den Petrinischen Reformen ein.
Die sog. 3 ksl.(sudsl.) Einflüsse
• Unter dem 1. südslawischen Einfluss wird die Annahme
des Christentums der byzantinischen Prägung durch die
Ostslawen verstanden, und damit die Annahme des
Kulturmodells der Orthodoxen Slavia.
• Zwischen M. d. 14. – M. d. 16. Jh.s finden bestimmte
Prozesse und Reformen der Schriftsprache in Russland
statt, die unter dem Begriff „2. südslawischer Einfluss“
zusammengefasst werden.
• B. A. Uspenskij führte noch den Begriff des 3. ksl.
Einflusses ein. Darunter versteht er den kulturellen
Einfluss von Gebildeten aus den ostslawischen Gebieten,
die über längere Zeit zu Polen-Litauen gehört haben. Diese
Menschen kommen im 17. Jh. in immer größerer Zahl
nach Moskau und bringen mit sich ein anderes Kultur-,
Schrift- und Sprachenmodell.
KSL. SCHRIFTTUM - Chroniken
Der Kiewer Staat brauchte auch eigene
Historiographie – so entstehen Chroniken, die auch
sprachlich eine spezifische Textsorte darstellen: in
ihnen vereinen sich – nicht beliebig, sondern nach
bestimmten Regeln – Elemente sowohl des
Kirchenslawischen (= südslawisch) als auch die des
ostslawischen Idioms (Dialekts).
Povest´ vremennyx let (Nestorchronik)
„Erzählung der vergangenen Jahre“
älteste Chronik der Ostslawen (!)
Nestorchronik
• Entstehungszeit 1113-1118 in Kiew als Kompilation
einiger vorausgehenden Quellen.
• Inhalt: Bericht über die älteste (ost)slawische
Geschichte; NESTORCHRONIK wird als die älteste
und wichtigste ostslawische Chronik betrachtet, die als
Quelle für viele spätere bzw. lokale Chroniken diente.
• Kompilator – Abt Silvester des Vydubickij Kloster in
Kiew (2. Fassung). Ab 1230 Nestorchronik genannt
(Mönch Nestor als Kompilator der 1. Fassung).
• Mehrere Fassungen/Abschriften bekannt: Erhaltene
Abschriften seit dem 14. Jh.: Laurentiushandschrift
(1377), Hypatiushandschrift (Anfang 15. Jh.).
• Beginnt in biblischer Zeit / endet 1117.
• http://krotov.info/acts/12/2/pvl.html Rus. Übers.
• http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00043511_00001.html De
KSL. SCHRIFTTUM - Originalwerke:
СЛОВО О ЗАКОНЕ И БЛАГОДАТИ
(Predigt am Gesetz und Gnade)
Genre: Belehrendes Werk einen kirchlichen Würdenträgers
Zeit: 1037–1050; älteste Abschrift – 15. Jh.
Autor: Dies ist einer der wenigen Texte der ältesten
Epoche, von dem der Autor bekannt ist: Kiewer Metropolit
Hilarion – der 1. Ostslawe in diesem Amt
Historischer Kontext: Regierung eines der größten Kiewer
Fürsten Jaroslaws des Weisen († 1054).
Inhalt: Vergleich vom Judaismus / Altem Testament
(Zakon) und dem Christentum / Neuen Testament
(Blagodat´) – bei gleichzeitiger Glorifizierung der Macht
des Fürsten: für die Orthodoxie übliche Verbindung der
himmlischen und der irdischen Macht.
KSL. SCHRIFTTUM - Originalwerke:
СКАЗАНИЕ О БОРИСЕ И ГЛЕБЕ
Genre: Märtyrer Vita (1. Text dieses Genre bei den
Ostslawen) – allerdings sind die Hl. auch Fürsten
charakteristisch für die Orthodoxe Slavia ‒ Sakralisierung des Monarchen
Zeit: Jh.-Wende v. 11.–12. Jh.; älteste Abschrift – 12. Jh.
Inhalt: Bericht über den Märtyrertod zweier Brüder, die
vom eigenem Bruder im Kampf um das Erbe ihres Vaters,
Vladimirs d. Hl., ermordet wurden. Die Kanonisierung
von Boris und Gleb begann 11-12. B.u.G. sind populärste
(alt)russischen Heiligen (auch für die katholische Kirche
als Heilige anerkannt).
Mehrere Kirchen und Klöster in Ostslawia sind nach den
beiden Heiligen benannt, Stadt Borissoglebsk (Russland)
Kirche der Heiligen Boris und Gleb (Hrodna, Belarus, vor 1183)
2004 wurde die Kirche
in die Tentativliste* des
UNESCO-Welterbes in
Weißrussland
aufgenommen

Eine Tentativliste ist die nationale


Vorschlagsliste von Kultur- und
Naturdenkmälern der einzelnen
http://belvisit.com/kolozhskaya-cerkov.html
Staaten, die jeweils die Objekte
enthält, die der Staat dem
Welterbekomitee zur Aufnahme in
die UNESCO-Liste des Welterbes
vorzuschlagen beabsichtigt.
KSL. SCHRIFTTUM - Originalwerke:
ЖИТИЕ ФЕОДОСИЯ ПEЧЕРСКОГО
Genre: Heiligenvita (1. ostslawischer Text dieses
Genre)
Zeit: 1. Viertel d. 13. Jh.s; älteste Abschrift – 15. Jh.
Kommentar: Kiewer Höhlenkloster ist das älteste
und berühmteste Kloster der Kiewer Epoche
ХОЖДЕНИЕ ИГУМЕНA ДАНИИЛА
1. osl. Pilgerbericht → genaue topographische
Angaben + apokryphisches und legendäres
Material.
Übersetzungsliteratur
GESCHICHTE DES JÜDISCHEN KRIEGES von Josephus Flavius
Zeit: E. 12. Jh.s; älteste Abschrift – 15. Jh.
ALEXANDRI(D)A
Zeit: evtl. schon 12. Jh.; Beispiel eines sog. Wandersujets: dieser Text
war in der gesamten Slavia Orthodoxa verbreitet – im 15. Jh. kommt
aus Serbien nach Russland eine neue Redaktion dieses Textes
Inhalt: legendäre Biographie Alexanders des Großen
ПОВЕСТЬ О ВАРЛААМЕ И ИОАСАФЕ
Zeit: evtl. 12.Jh.; älteste Abschrift – 13. – 14. Jh.
Inhalt: christianisierte Biographie Buddhas; indisches Original –
persische Version – arabische Übersetzung – georgische Version –
griechische Version gelangte nach Rus´.
ПОВЕСТЬ ОБ АКИРЕ ПРЕМУДРОМ
Zeit: ursprünglich aus Babylon-Assyrien (7. Jh. v. Chr.) – über Orient
nach Byzanz, von dort nach Kiewer Rus´; älteste Abschrift – 15. Jh.
Inhalt: moralisch-belehrende quasihistorische Narration.
APOKRYPHENSSCHRIFTTUM
Sakrales Schrifttum das nicht zum kanonischen gehört (z.B.
Apokalypse, legendäre Texte). Einige dieser Texte gehörten zu den
von der offiziellen Kirche verbotenen (indizierten).
СЛОВО О ПОЛКУ ИГОРЕВЕ (IGORLIED)
Genre: Epos; Zeit: Protograph verm. E. 12. – A. 13. Jh.s – falls echt; gefundene
Abschrift verm. 16. Jh.
Inhalt: Bericht über einen misslungenen Heereszug eines lokalen Fürsten von
1185.
Charakteristika: sehr poetischer, gekonnt bearbeitetet Text, der auch Kenntnis
der ostslawischen vorchristlichen Kultur sowie der ostslawischen Geschichte
beim Verfasser voraussetzt.
ПРАВДА РУССКАЯ
Genre: Der älteste Rechtscodex der Ostslawen (!)
Zeit: Umstritten, datiert auf die Zeit Jaroslaws des Weisen (1.H.11.Jh.s); älteste
Abschrift 1292. Charakteristika: bearbeiteter Rechtstext ohne ksl. Elemente.
Weltkulturerbe Ostslawia:
Sophienkathedrale u. Höhlenkloster Lawra Petschersk (Kiew)
• Lawra wurde 1990 von der UNESCO zum
Weltkulturerbe erklärt.
• Befindet sich südlich vom Stadtzentrum Kiew am
Fluss Dnjepr und wird in obere und untere Lawra
unterschieden.
• Sophienkathedrale + unterirdische Höhlen, die ab
1051 n.Chr. von Mönchen künstlich angelegt wurden.
• Die Höhlen dienten damals als Zellen für die Mönche
und später als Bestattungsorte für die geistige Elite.
• Heute liegen hier die mumifizierten Heiligen in
Särgen http://lavra.ua/3dtour/index.html
13.–14. Jh.: Wladimir-Suzdal´ Rus´
• Nach dem Fall Kiews verlagerte sich das Zentrum des
ostslawischen Staates weiter nach Norden – in das
Gebiet von Wladimir-Suzdal´, bevor im späteren 14.
Jh. der Aufstieg Moskaus beginnt.
http://www.euratlas.net/history/europe/1200/de_index.html

• WSR - russisches Fürstentum im Nordosten des


Reiches mit der Hauptstadt Rostow (ab 1054), dann
Suzdal (1125); dann Wladimir (1157). Andrei
Bogoljubski (Fürst von Wyschgorod bei Kiew und ab 1157
Großfürst von Wladimir und Susdal).
• Diese Führungsposition konnte Wladimir-Suzdal (ab
1242 Großfürstentum) bis zum Tod Alexander
Newskijs (1263) halten; danach wurde es durch
Fehden innerhalb der Fürstenfamilie geschwächt und
von dem ehemaligen Teilfürstentum Moskau beerbt.
s.g. Goldener Ring in Russland

http://buchungscenter.kneissltouristik.at/buspronet/reisebeschreibung.php?id=127
0&session=1294675886&art=R&templatezusatz=_org
Weiße Monumente von Wladimir und Susdal
Белокаменные памятники Владимира и Суздаля
Seit 1992 ist die Suzdal Kreml, die Kathedrale der Geburt der
Mutter Gottes und St. Euthymiusklooster, zusammen mit fünf
anderen Denkmälern auf der Welterbeliste der UNESCO.
Kathedrale der Geburt der Mutter
Gottes (Suzdal)
Wurde von 1222 bis 1225 in Kalkstein erbaut,
von 1528 bis 1530 erneut errichtet.

https://structurae.de/fotos/111894-muttergottes-geburts-kathedrale
St. Euthymiusklooster
Спа́со-Евфи́миев монасты́рь (1352/16 Jh.)

http://www.swr.de/schaetze-der-welt/wladimir-susdal-und-kideksha/-
/id=5355190/did=5980956/nid=5355190/w22ed/index.html
Weiße Monumente von Wladimir und Susdal
Белокаменные памятники Владимира и Суздаля (12 Jh.)
• Mariä-Entschlafens-Kathedrale, Goldenes Tor,
Demetrius-Kirche (Wladimir)
• Boris-und-Gleb-Kirche (Kidekscha)
• Bogoljubski-Kloster und Mariä-Schutz-und-
Fürbitte-Kirche an der Nerl (Bogoljubowo)

http://artclassic.edu.ru/catalog.asp?ob_no=15744&cat_ob_no=12518
Boris-und-Gleb-Kirche (Kidekscha)
Mariä-Entschlafens-Kathedrale (Wladimir)
Goldenes Tor, Demetrius-Kirche (Wladimir)

http://www.eu-asien.de/Russland-
Informationen/Touristeninformationen/Goldener-Ring-Russland/Wladimir- http://www.poezdka.de/113/Russland/goldener-ring/wladimir/demetrius-kathedrale.html
Ehemalige-Hauptstadt-Russland/Goldene-Tor.html
Bogoljubski-Kloster (Bogoljubowo)

http://lubovbezusl.ru/publ/istorija/suzdal/t/38-1-0-1205
Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kirche an der Nerl
Церковь Покрова Св. Богородицы

(Bogoljubowo)

http://www.laa.spoe.at/artikel/oleg-deripaska-baut-gedenk-kapelle

http://tzarskiy-khram.narod.ru/pok.html
GESCHICHTE DES SCHRIFTTUMS (14. JH.)
СЛОВО О ПОГИБЕЛИ РУСКЫЯ ЗЕМЛИ
(Der Bericht über den Niedergang des Russischen Landes)
Genre: „Slovo“ – moralisierend-belehrender Text
Zeit: verm. 1230-er; Abschriften aus dem 15./16. Jh. –
als Vorspann vor der Vita (Житие) des Fürsten
Aleksandr Newskij (†1263)
Inhalt: poetische Klage über den Niedergang von Rus´
– mit Ausblick auf die Größe und Reichtum des
Landes und seine frühere Stärke.
GESCHICHTE DES SCHRIFTTUMS (14. Jh.)
ЗАДОНЩИНА (= hinter Don-Fluss)
Genre: literarische Bearbeitung des Berichts über den
1.Sieg über die Tataren 1380, errungen vom
Moskauer Fürsten Dmitrij Donskoj (†1389).
Autor: Sofonij Rjazanec (= Einwohner von Rjazan´),
Pfarrer.
Zeit: E. 14. Jh.s; 5 Abschriften aus d. 15.-17. Jh.
Charakteristika: Auffallende Parallele zum Text /
Struktur / Stil von Igorlied (s.o.) – wobei der Autor
bei weitem nicht das literarische Niveau der Vorlage
erreicht.
2. SÜDSLAWISCHER EINFLUSS
Bewusste Archaisierung der Schriftsprache mit dem erklärten Ziel, diese von
der Volkssprache, weitestgehend zu „reinigen“ und zu entfernen.
Im späteren 13. Jh. setzt in Bulgarien eine Reform der Kirchenbücher ein, da
die Schriftsprache – durch die fehlende Kodifizierung des KSl. – viele
Elemente der Volkssprache aufgenommen hat.

Auch bei der Ostslawen setzte im späteren 14. Jh. eine Reform der
Kirchenbücher ein, die, um die dignitas (Würde) der Kirchensprache
wiederherzustellen, bewusste Archaisierung der Sprache und Hebung des
Stilschlüssels anstrebte.

Man nennt diesen Stil auch „плетение словес“ (= das Verweben der Wörter /
Sprache). Diese Phase dauert bis ins 16. Jh. an.
Ikonenmalerei des 13.-14. Jh.s

Ab dem 10. Jh., nachdem Russland


christlich geworden war, wurde es das
Zentrum der traditionellen Ikonographie.
Byzantinische Maler reisten nach
Russland, um die Herrlichkeit der
Ikonen zu zeigen; rasch entwickelten http://campus.udayton.edu/mary/resources/German/Ik
onen.html

sich dort Schulen mit eigenem Die Verklärung,


charakteristischen Stil, darunter jene von Theophanes, der Grieche

Pskov, Nowgorod, Moskau und Tver.


Andrei Rublev (1360/70-1430), der bei
dem byzantinischen Meister
Theophanes, dem Griechen, studierte,
gilt als der größte der russischen Maler.
Letztes Drittel des
Entschlafen der Gottesmutter, 13. Jh.
13. Jhs.
Malschule Pskow Malschule Nowgorod

Königstür mit der Darstellung der


Mariä Verkündigung und den
hl. Kirchenvätern Johannes
Chrisostomus und Basilius d. Gr.
Die Große Ikone der Gottesmutter von Tolga Gottesmutter vom Höhlenkloster
13. Jh. Rostov, Suzdal? Um 1288, Kiew
http://www.icon-
art.info/location.php?lng=de&loc_id=1&mode=img&sort=time&page=2

Erzengel Michael Christus Pantokrator Erlöser auf dem Thron mit den
Ende des 13. Jhs., Ende des 13. Jhs., erwählten Heiligen
Jaroslawl Twer' (?) Ende des 13. bis Anfang des 14. Jhs.,
Nowgorod
Ikonenmalerei 15. Jh.
Im 14. Jh. stieg Moskau allmählich zum politischen, kulturellen
und orthodoxen Zentrum Russlands auf und sah sich nach dem
Fall Konstantinopels als Nachfolgerin von Byzanz.

Anfänglich wurden byzantinische Künstler in die Stadt geholt,


in späteren Jahrhunderten aus ganz Russland und dem Balkan.
So entstand in den Ikonenwerkstätten ein Mischstil aus
national-volkstümlichen, byzantinischen und westeuropäischen
Merkmalen.

Bis ins 17. Jh. verfielen die anderen Malzentren in Russland zu


bedeutungslosen, provinziellen Werkstätten. Eine Ausnahme
bildet Jaroslavl, deren Schule noch unter Kiever Tradition
entstanden war und später durch Moskau beeinflusst wurde.
Dies wird besonders durch ihren recht prachtvollen Stil
deutlich.
Theophanes der Grieche Heilige Mutter vom Don
1380er-1390er
Феофан Грек 1330-1410?

Erlöser Verklärung-Kirche, Nowgorod 1378


Andrej Rublew

• Der ehrwürdige Ikonenmaler Andrej Rubljow (Rublew) wurde um 1360


geboren. Von der Geschichte sind lediglich seine Meisterwerke
festgehalten: mehrere Ikonen und Fresken an verschiedenen Orten
Russlands. Im Jahre 1405 beteiligte sich der hl. Andrej zusammen mit
Feofan Grek an der Herstellung der Ikonostas und der Wandmalerei für
die Verkündigungs-Kathedrale des Moskauer Kremls.
• Durch seine Begabung als Ikonenmaler und zahlreiche Werke wurde er
der berühmteste Ikonenmaler seiner Zeit. So malte er 1408 zusammen mit
Daniil Tscherny die Wladimirer Kathedrale Mariä-Entschlafung aus. Die
Fresken dieser Kathedrale sind bis zum heutigen Tage erhalten. Dazu
gehören die Darstellung des Jüngsten Gerichtes und die Ikonostas. Die
letzten bekannten Arbeiten des Andrej war die Wandmalerei in der
Erlöser-Kathedrale des Moskauer Andronikow-Klosters. Nach seinem
Tode wurde er als Heiliger verehrt.
Muttergottes von Wladimir Muttergottes
Himmelfahrt Christi
Ende des 14. bis Anfang des 15. Jhs. 1408
1408
Kathedrale
Mariä-Entschlafung
Wladimir

http://samomandria.com.ua/uspensky_sobor_vladimir
Kathedrale Mariä-Entschlafung
(Wladimir)

http://samomandria.com.ua/uspensky_sobor_vladimir
Kathedrale Mariä-Entschlafung
(Wladimir)

http://samomandria.com.ua/uspensky_sobor_vladimir
Kathedrale Mariä-Entschlafung
(Wladimir)

http://samomandria.com.ua/uspensky_sobor_vladimir /
Die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale in der Stadt Wladimir.
Die Deesis-Reihe 1408
6 4 3 1 2 5 7

http://www.icon-art.info/author.php?lng=de&author_id=1

1. Erlöser in den himmlischen Mächten


2. Johannes der Täufer
3. Erzengel Michael
4. Apostel Petrus
5. Apostel Paulus
6. Evangelist Johann
7. Johannes Chrysostomos (Иоанн Златоуст)
Андрей Рублёв
(ca. 1360 – 1430)

Sein berühmtestes Werk, die für das


Dreifaltigkeitskloster Troitse-Sergiewa-Lawra in
Sergijev Possad (ehem. "Sagorsk") geschaffene
"Heilige Dreifaltigkeit des Alten Testaments",
zählt zu den herausragenden Meisterwerken der
christlichen Kunst.
Troiza Dreifaltigkeit 1410-1411
In den zwanziger Jahren des 15. Jh. malte
der ehrwürdige Andrej zusammen mit
Daniil Tscherny unter der Leitung des ehrw.
Abtes Nikon von Radonesh die
Dreifaltigkeits-Kathedrale des
Dreifaltigkeits-Lawra aus und arbeitete
auch für die Ikonenwand. Die berühmte
Ikone der Lebensspendenden Dreifaltigkeit
wurde von Andrej Rubljow zum Lobpreis
des ehrwürdigen Wundertäters Sergius mit
dem Segen Nikons geschaffen.

Das Hundertkapitalkonzil des Jahres 1551


erhob diese Darstellung zum Urtyp der
Ikone der Allheiligen Dreifaltigkeit.
• Besuch der drei Engelsboten
bei Abraham und Sara,
Erscheinung der Trinität

• Drei Engel, Tisch (Altar), ein


Kelch (göttliche
Opferlamm), Stab,
Handbewegungen
(Segensgeste)

• Der Sohn/Vater, links? der


Heilige Geist, rechts vom
Sohn

http://ria.ru/religion/20141223/1039849206.html
Nowgorod Kiew Suzdal …?

Nowgorod

Wladimir
Suzdal
?

Kiew

http://statehistory.ru/3893/Podborka-kart-Drevney-Rusi-9-14-vekov/
Nowgorod Kiew Suzdal Moskau

Nowgorod

IX. Jh.
Wladimir
14. Jh. Suzdal
? 13.-14. Jh.

Moskau
Kiew XII. Jh.

?
http://statehistory.ru/3893/Podborka-kart-Drevney-Rusi-9-14-vekov/
11.-12.
Jh.
WSR - russisches Fürstentum im Nordosten des Reiches mit der
Hauptstadt Rostow (ab 1054), dann Suzdal (1125); dann Wladimir
13.-14. Jh.
(1157).

?
1090 - Juri Dolgoruki: Fürst von Rostow/Suzdal, Großfürst der Kiewer Rus und
1157 Gründer von Moskau (erste Erwähnung 1147). Sohn - Andrei Bogoljubski.
1238 Die Mongolen unter Batu Khan eroberten Wladimir.
1240 Sieg des Fürsten von Nowgorod Alexander Newski über die Schweden an
der Newa (daher der Beiname). 1242 Sieg (Ledovoe poboišče) von
Das Fürstentum Wladimir-
Alexander Newski über den Deutschen Orden am Peipussee (Čudskoe ozero)
https://www.youtube.com/watch?v=-nRev9FvsBU&nohtml5=False . Er gilt als russischer Nationalheld
Suzdal … war ein großes
und ist ein Heiliger der orthodoxen Kirche. Fürst von Wladimir (ab 1252). Fürstentum unter den
1255 † Chan BATU. Folgestaaten der Kiewer
1263 † Alexander NEWSKIJ. Sein jüngster Sohn DANIIL bekommt Moskau als Rus und der mächtigste
Erbteil – Beginn der Moskauer Dynastie, der es nach und nach gelingt, ostslawische Staat
immer mehr Macht und Territorium auf sich zu vereinen. zwischen der zweiten
1299 Verlegung des Sitzes des Metropoliten (Oberhaupt der russischen Kirche) Hälfte des 12. und dem 14.
von Kiew nach Wladimir. Jahrhundert*.
1328 Verlegung des Sitzes des Metropoliten nach Moskau.
1380 1. Sieg über die Tataren – unter dem Moskauer Fürst Dmitrij Donskoj: * Andreas Kappeler: Russische
Schlacht am Schnepfenfeld (Kulikovskoe pole/Kulikovskaja bitva) in der Geschichte. München 2008
Nähe von Don, daher der Beiname. Dieser Sieg hat zwar noch keinen
http://www.euratlas.net/history/europe/130
Bestand, er läutet aber den Befreiungsprozess ein. 0/de_index.html
1389 † Dmitrij Donskoj
ca. 1275 AUFSTIEG DES GROSSFÜRSTENTUM LITAUEN
- 1341 GEDIMINAS der Große, Gründer der Dynastie der Gediminiten Große ostslawische
Sprachgebiete gehen an Litauen (heutige Ukraine, Belarus, Teile Russlands)
Der Mönch Chrabăr

„Über die Buchstaben“ (um 900)


(Übersetzung: Marina Sharlaj/Holger Kuße)

I. Früher als die Slawen noch Heiden waren und keine Bücher hatten, lasen und wahrsagten
sie mit Hilfe von Strichen und Schnitzen.
II. Als sie aber Christen wurden, versuchten sie die slawische Sprache mit römischen und
griechischen Buchstaben niederzuschreiben, ohne einer Ordnung zu folgen. Aber wie kann
man mit griechischen Buchstaben „Bogъ“ oder „životъ“ oder „selo“ oder „crьkovь“ oder
„čaanie“ oder „širota“ oder „jadь“ oder „ọdru“ oder „junostь“ oder „jazykъ“ und andere
diesen ähnliche Wörter gut schreiben? Und so ging es viele Jahre.
III. Dann aber ließ Gott, der Menschenfreundliche, der alles lenkt und das menschliche
Geschlecht nicht unwissend lässt, sondern alle zur Erkenntnis und Erlösung führt, seine
Gnade über dem slawischen Volk walten, und schickte ihm den Heiligen Konstantin, den
Philosophen, der (als Mönch) Kyrill genannt wurde, einen gerechten und wahrhaftigen Mann.
Und er schuf 38 Buchstaben, einige nach griechischem Vorbild, die anderen aber der
slawischen Sprache entsprechend.
Mit dem ersten Buchstaben begann er wie im griechischen Alphabet. Sie beginnen nämlich
mit „alpha“, er jedoch mit „az“. Und so beginnen beide mit „a“. Und wie diese ihr Alphabet
schufen, indem sie die Hebräer nachahmten, so schuf er seines, indem er die Griechen
nachahmte. Denn bei den Hebräern ist der erste Buchstabe „aleph“, was „Lernen“ bedeutet.
Und wenn ein Kind zur Schule gebracht wird, so sagt man ihm: „lerne“, und das heißt
„aleph“. Und die Griechen übernahmen das und sagten „alpha“1. Und damit wurde der
hebräische Ausdruck der griechischen Sprache angepasst, nunmehr sagte man statt „Lernen“
„Suche“. „Suche“ heißt ja auf Griechisch „Alpha“. Und so, ihnen folgend, erfand der Heilige
Konstantin den ersten Buchstaben „az“. Aber weil „az“ der erste Buchstabe war, den Gott
dem slawischen Volke gab, um denen, die für das Wissen die Buchstaben lehren, die Lippen
zu öffnen, wird er mit weit geöffneten Lippen ausgesprochen, während die anderen mit leicht
geöffneten Lippen auszusprechen sind.
IV Dies sind die slawischen Buchstaben, und so soll man sie schreiben und aussprechen: A,
B, V ...
V Andere sagen dagegen: „Wozu hat er 38 Buchstaben geschaffen, man kann doch mit
weniger auskommen, so wie die Griechen mit 24 (Buchstaben) schreiben.“ Aber sie wissen
nicht (genau), mit wie vielen Zeichen die Griechen schreiben, denn sie haben 24 Buchstaben,
aber damit werden ihre Bücher nicht voll, und sie fügten noch 11 Diphtonge und 3 Ziffern
hinzu: 6, 90 und 900. So kommen 38 zusammen. Auf diese Weise und nach diesem Vorbild
schuf der Heilige Kyrill 38 Buchstaben.
VI Wieder andere sagen: Wozu brauchen wir slawische Bücher? Diese haben ja weder Gott
noch die Engel geschaffen, und es gab sie nicht von jeher wie die hebräischen, römischen und
griechischen, die seit alters her bestehen und gottgefällig sind. Noch andere glauben, dass
Gott selbst uns die Buchstaben geschaffen hat. Doch sie, die Verfluchten wissen selbst nicht
was sie da sagen, (wenn sie vorbringen,) dass Gott befohlen habe, dass die Bücher nur in drei
Sprachen geschrieben werden sollen, wie es im Evangelium steht: „Und so wurde die
Aufschrift auf Hebräisch, Römisch und Griechisch geschrieben“, von Slawisch war aber keine
Rede, deswegen seien die slawischen Bücher nicht von Gott.
Was sagen wir oder was entgegnen wir solchen Narren? Wir wollen aus der Heiligen Schrift
antworten, so wie wir es gelernt haben, dass alles der Reihe nach von Gott kommt, nicht

1
Tatsächlich bedeutet „Aleph“, der Name des ersten Buchstaben des Alphabets, im Phönizischen und Hebrä-
ischen „Rind“. Es gibt allerdings eine ähnlich lautende verbale Imperativform, die „lerne!“ bedeutet.

1
jedoch alles auf einmal. Gott schuf weder zuerst die hebräische noch die römische noch die
griechische, sondern die syrische Sprache, die Adam gesprochen hat, und die dann von Adam
bis zur Sintflut, und von der Sintflut bis zu der Zeit gesprochen wurde als Gott die Sprachen
verwirrte beim Turmbau zu Babel, wie es in der Heiligen Schrift geschrieben steht. Als die
Sprachen getrennt wurden, wurden, so wie die Sprachen getrennt wurden, auch die Sitten und
Gebräuche, Vorschriften und Gesetze wie auch das Wissen unter den Völkern aufgeteilt: die
Ägypter erhielten den Ackerbau und die Perser, Chaldäer und Assyrier die Astrologie, die
Magie, die Medizin, Zauberei und alles Wissen, das menschlich ist. Die Hebräer aber
erhielten die Heiligen Schriften, in denen geschrieben steht, wie Gott Himmel und Erde schuf
und alles auf Erden und den Menschen und alles der Ordnung nach, so wie es (in der Schrift)
geschrieben steht. Die Griechen bekamen die Grammatik, die Rhetorik und die Philosophie.
VII Aber vorher hatten die Griechen keine (besonderen) Buchstaben (für ihre Sprache),
sondern die brachten ihre Sprache stattdessen mit phönizischen Buchstaben zu Papier. Und so
ging es viele Jahre. Dann aber kam Palamedes und erfand, beginnend mit „alpha“ und „beta“,
bloß 16 Buchstaben für die Griechen. Kadmos aus Milet fügte zu diesen noch 3 Buchstaben
hinzu. Somit schrieben sie lange Zeit mit 19 Buchstaben. Danach erfand Simonides 2
Buchstaben, Epichar der Deuter fügte noch 3 weitere hinzu und so kamen 24 Buchstaben
zusammen. Nach langer Zeit entwickelte Dionysius der Grammatiker noch 6 Umlaute, und
dann ein anderer noch 5 und noch ein weiterer 3 Ziffern.
So trugen viele Leute in vielen Jahren 38 Buchstaben zusammen. Später, nach langer Zeit,
fanden sich auf Gottes Gebot hin 70 Männer, die die Heilige Schrift aus dem Hebräischen ins
Griechische übersetzt haben. Aber für die Slawen schuf allein einer, der Heilige Konstantin,
(als Mönch) Kyrill genannt, die Buchstaben und übersetzte innerhalb weniger Jahren die
Schriften. Sie waren viele und brauchten viele Jahre – 7 schufen Buchstaben und 70
übersetzten. Und auch deshalb sind die slawischen Buchstaben heiliger und anbetungs-
würdiger, denn sie wurden von einem Heiligen geschaffen, während die griechischen von
heidnischen Hellenen geschaffen wurden.
VIII Wenn aber jemand sagt, sein Werk sei unvollkommen, da es noch heute verbessert
werde, so ist darauf folgendermaßen zu antworten: genauso wurden auch die griechischen
Arbeiten von Aquilius und Simmach und dann von vielen anderen verbessert. Denn es ist
leichter, hinterher etwas zu verbessern als etwas Neues zu schaffen.
IX Fragt man nämlich die griechischen Schreiber: Wer hat eure Schrift geschaffen oder eure
Bücher übersetzt und zu welcher Zeit, dann werden das nur wenige wissen. Wenn man aber
die slawischen Schreiber fragt: Wer hat eure Schrift geschaffen oder eure Bücher übersetzt, so
werden es alle wissen und antworten: der Heilige Konstantin, der Philosoph, der Kyrill
genannt wird. Er hat gemeinsam mit seinem Bruder Method die Buchstaben geschaffen und
die Bücher übersetzt. Denn die leben noch, die sie gesehen haben. Und wenn man fragt, zu
welcher Zeit das gewesen ist, so wissen sie es auch, und werden antworten, dass es zu der Zeit
von Michael, dem byzantinischen Kaiser, und Boris, dem bulgarischen Fürsten, sowie
Rostislav, dem Fürsten von Mähren und Kocel, dem Fürsten von Pannonien war, im Jahre
6363 nach der Erschaffung der Welt.
Х Es gibt aber auch andere Antworten, die sagen wir an einem anderen Ort, jetzt aber reicht
die Zeit nicht aus. Solches Wissen, Brüder, gab Gott den Slawen. Ihm sei Lob und Preis und
Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

2
Herausgegeben von
M,A,XIMILIÀN BRÂUN . P,A,UL DIELS . DIETRICH GERH,{RDT
JOSEF H.A.NIK,q.. ¿,LOIS SCHMÂUS
INHALT
unter der Schtiftleitung von
I. AI{TIKEL Seite
ER\Y{N KOSCHMIEDER
GenoNon, Jorr¡,N¡c voN: Einige fehlendo Teile der Fragmenta Chilianda-
rrca. t7r
GanlNnn, Joue¡¡+ vor: Zum Prol¡lem der Nomenklatur der altrussischen
Neumen. 300

Gnnren, Ilonsr-JÛnerx: Vsevolod M. GarËin als Vorläufer des russischen


Symbolismus 246
'wor,rcal¡c: Ein Brief A. N. veselovsl<ijs an Theodor Bonfey to4
Glsnrr.Elrrv,
Gnrvnc, Fn¿rz: Zur Cyrillo-Meühodianischen Frage 337

Ifeonovrcs, Ll:szl-ó: Zur Deutung einiger Stellen in Gunduliós ,,Dubrav-


ka", . 253
ITonnerscn, Olrx.t: Die polnische Sprache impolyglotten W'örterbuch von
A. Calepino t46
Jer<scnn, Hen¡ln : Probleme der slovenischen Akzentforschung. 97
I{oscrnrrnonn, EnwrN: Primäre und sekundäre Funktionen .,.. 409
I(oscnrrruo¡R,, ERwrN: Zur Definition und Benennung sprachlicJrer Zei.
chen und ihrer Funktionen (Teil II) 28
I(osrov, I{rnrr,: Bulg. dial. travajaram und itaÌ. h'auagliarø 168
Leunn, Rnrnua¡¡r: Zur Gestalt Ivan Babiðevs in Oleüas R,oman ,,Za,vist"' 45
LuNr, llon.tcn G.: Old Church Slavonic Syllabic Liquids 350
Mlcu, Otro: ]Iandschriften und seltene Bücher in den drei größten Biblio-
theken der UdSSR, 428

317
Mr¡rzscsr<n-MÈrSr, Ar.¡'nno: Über den Ilinteren Wendischen Zirkel des
@ Otto Harrassorvitz, Viesbadcn, 1962
,A.lle Rechte vorbehalten
sächsischen I{url<reises . 185,225

Photomechanische und photographische rViedetgabe jedet.{rt nut mit


Mijlr-rR, Luoolr : Tat'janas Traum. 387
ausd¡ùcklicher Genehmigung dcs Vedages, jedoch wird getverblichen Prccrrro, R,rcc¡l¡o : Die historisch-philologischo Bedeutung der kirchen
Unternehmen die Ânfertigung einet photomecbanischen Vervicltäl¡i-
gung (Photokopie, Mikrokopie) für der inûerbetrieblichen Gebrauch
slavischon Tradition I
nachNlaßgabe des zwischcm demBötsenverein des deutschen Buchhan- Polovró, Ive¡r: Die Berührungen des Südslavischen uncl des Nordslavi-
dels und dem Bundesvctband der Deutschen Industrie abgeschlossenen
Rahmenabkommens gestattet, riøerden dÌe Gebühren durchVertmarkeo
schen in Noricum, in Pannonien und in Dazien . . , , . 69, 118
cnttichtet, so ist eine À{atke im Betrâge vor 0,10 DM zu yerlenden Pnrronr,, rrnr,rrlur: Die slavische r(eramil< im r,vikingischen skandinavien 5s
Gedmckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Ilurnr,, Mrnxo: Prir¡rus Trubal an der l1¡iener Universität 42g
Gesamthe¡stellung: Flubert & Co., Göttingen
Scrnreus, A¡ors: Dositej Obradoviés Autobiographie . . . . Bgõ
Printed in Germany
Scrtirz, Josnpu: Die balkanslavische Landnahme im Lichte einiger Ge-
ländebezeichnungen . 4g7
I8r
\r1
{.1 '
iìi

li{¡¡$...
\v.4 )z
-^ !<R!ttliag\
',':'
Seite

zwei Akzentuierungs-
Srrnvnr,ov, Gnoncn Y.: Dio Wechselwirkung von 359
typen cler Partizipien PrËiteriúi Passivi
Dialel<ten
srrnnnn, zoztsnaw t Das Zahhvort ðotyrde3at in clen lemkischen Betloutung tler kirchenslavisehen
TscrrrZnwsru, DutîrìtJ: Zur slavischen Bibliographio ''' rfÍo Die historisch-philologische
IJNnneeur, Bonrs o.: Ein baltisches Lehnrvort, irn Mosliovitischen Iluß.
346 1
land ..
342
Verr,le.rvr, Aronú: Jeterú et jedinir .
Vn.txa, Josrp: Das westliche Verbreit'ungsgcbiet der serbokroatischen
I(yrilliza irn 12. und 13. Jahlhundert ...
115

TT. BESPIT,ECHUNGEN

ßrrlgarischeVolksdichtrrng.I.IveNov:Brilgarskinaroc]nipesni.-P'Dr- finden. Von


334
ot, Birlgarski folklor (Ar-ors Scrrulus)
^*"tt
es möglich,
Cuwrsrlrr,L.:Wie]o3órzeczyu.istoécilvsztrrceiinneszkiceliterac]<ie großen Teil
222
(Hnrrmcu I{ulrsruenN) I(ultur deÏ slavischen Völkel zum Ausdruck blingenclen Doku-
der
Grúcl<i izvotí za bulgarskata istorija Bcì' IV (Gnoner Scnrscnr<olr) " ' mente cinleitend zu bestimmen: eine Einheitlichkeit, die demjenigen
Ivró,P.:Dieserbo]<roatischenDialekte'Ihrestrukturundllntwicl<lrrngl 108 entgchen kann, del sich dem Problem rnit, andersaltigen Kliterien
(He.nar,o Jexscun)
nähert. Ðie linguistische l)ntersuchung macht jedoch n¡r eine Fhase
K-{r,rrÁx, B.: Die russischen Lehnrvörter im l\¡ogulischen (trVolreexc d.el klitischen Forschung aus und wird in del vollständigen Auslegung
326
W. Scur,.tcurEn) ,. .
ei¡es Textes die Philologie uiernals garÌz er:setzen kömren. Anclerseits
Kozrr<owsnr, E.: Miçdzy prawd4 i ploi;kq (Flnrlrnrcn I(uxsrlrenw) ' ' ' '
106
ist clie Philologie, obschon sie ein besondeles Ziel verfolgb n¿i'mlich
orvescn, I{.: Einführung in die l{onfessionskunde der oÎthodoxen
Ilirche
331 ilas genaue uird volle Yelstänclnis der Dokurlente ihrer -
Natur nach
(JorrllrN vort G¡l,ollnn) ' '..
eine gemischte lVissenschaft,, in die velschiedene
-
iVlethoden einströmen.
214
Poecrolr, Il.: The Poets of Russia 1890-1930 (JoulrNIrs llor'rnusnN)
Gelacle del Mangel einer theoretischen Einigung zrvischeu diesen ver-
Porovró, L: Geschichto d.er serbokroat'ischen Splache (Joslrn ScnÙrz) 2t7
schiedenen lVlethoden der',,einsttömenden lVissenschafben" hat irn
SoNN, A.: Ilandbuch der litauischen Sprache' Lesebuch und
Glossal
330 vor:liegenden llall die lJirtersuchung über das slavische Mittelalter
(Dnv'rx Iloscultrnorn) . ...
elschrvert.
Tnuuðpv,O.N.:ProischoådenienazvanijdomaËnichZivotnychvslav- ttl
janskich iazyl<aclt (Josnrn ScnÜrz)' Wie hätte in del Tat der Slavist jene begriffliche l{armonie erreichen
hönnen, clie sein \Yelk auszcichnen sollte, rvenn cr gleichzeitig die
Ilolschturgsrlittel eiirer clie Linguistik ablehnenden Ästhetih, einel für
die Plol¡lene der Ästhetik rverrig zugänglichen Kulburgeschichte und
die der Liuguistik handhaben mußte, in der die Gegenüberstellung von
folluncl ,,SpL&cìre" clas Velständnis für die im 'Iext vollzogene
der clirekt odel indirekt mit dem hier behandelten
ogischen Probleme scheint, uns jeder alÌgcmein-
e Litelatur übel die stilistische, Iinguistische oder
ùìrerflüssig.
1 \Yelt rler Slavcn
Iìrccerloo Prccnro Die historisch-philologische Bedeuúung der kilchenslavischen Tradition 3
2

dialektische Synthese behinderte? Es war unvelmeidlich, daß die Das förderte die Beibehaltung der ursprünglichen einheitlichen
philologische Forschung enta,rtete und ihl wahres ZieI aus den Augen Anschauung über die Probleme der slavischen ,,X'amilie", ließ aber
verloï, indem siebald dem Übergewicht der einen, bald dem del anderen auch ihre inneren Widersprüche augenscheinlicher werden. Dabei
sie fördernden Dnergien nachgab. Bei einem Rückblick auf die handelt, es sich eigentlich um'Widersprüche, die mit der Einstellung
Studien 2 müssen wir heute die größten Verdienste der slavistischen der gesamten modernen Kultur zusa,mmenhängen und von den Roma-
Schule zuerkennen, die mit Ursprung und. Entwicklung auf romanti- nisten und Germanisten noch mehr als von den Slavisten gefühlt und
schem Boden steht und mit dem großartigen lMerk von V. Jagió ihren beklagt wurden (infolge des westeuropäischen Kulturgebietes, in dem
Höhepunkt erreichte, gerade deshalb, weil sie (trotz ihrer Neigung zur sich die Werke eines Croce und- eines Vossler, die Linguistik von n'. de
Allgemeinbildung, von der Sprachgeschichte bis zur nthnographie, Saussure, bis zur Stilforschung und dem New Criticism und der neuen
Literatur- und Kunstgeschichte) an die Möglichkeit einer philolo- kritischen Stellungnahme entwickeln konnten, die jedoch eine neue
5.
gischen, von geschichtlichem Bewußtsein getragenen Synthese glaubte. Synthese anstreben) Das zähere li'esthalten der Slavistik an der ein-
Diese Vitalität der romantischen Tradition, die trotz der bemelkens- heitlichen Anschauung der Romantik hat aber auf lange Zeit iene
werten Beiträge d.es Positivismus zu den slavistischen Studien bis scharfe Abgrenzung der Methoden verhindert, riie dagegen z.B. den
zum Anfang des 20. Jh.s währte, findet ihre Erklärung in der Romanisten die Möglichkeit gab, die ästhetische Kritik von der kultur-
besonderen kultulellen Lage der slavischen Länder. Es rvurde in der geschichtlichen oder von der linguistischen Analyse schärfer zu trennen.
Tat von jenen, die die Slavistik zu definieren suchten, mehr als einmal Abgesehen rron jeder theoretischen Stellungnahme rührt die aus-
auf das enge Band hingewiesen, das in den slavischen Ländern zwischen gesprochenere Spezialisierung in anderen Sektoren der modernen
Philologie und Patriotismus besteht3. Da die slavische Philologie Aus- Philologie auch von der Tatsache her, daß der ,,kulturelle Hinter-
druck eines um die Wende des 18. Jh,s gereiften kulturellen Selbst- grund", in den sich jede Detailforschung notwendigerweise einfügen
bewußtseins ist und wed.er mit der klassischen Philologie noch mit der muß, für die Kultur des \Mestens geeigneter (und daher allgemein
Gelehrtentradition des lateinisch-germanischen Europa (vom Huma- annehmba,r) erscheint als für die des Ostens: in der schwierigsten Aus-
'Walther
einandersetzlrng, z.B. über das Rolandslied oder über von der
nismus bis zum Barock) viel unmitteibare Verbindung hat, kann sie
mehr als ihre Schwestern, die romanische und germanische Philologie
- Vogelweide, wird der Ausleger der Texte nicht vor solchen Unklar-
als Tochter der Romantik bezeichnet werdena.
- heiten über die geschichtlichen und linguistischen Verhältnisse stehen,
wie sie dagegen bei jeder Forschung über das Igorlied oder über das
2 Die Notwendigkeiú dioser lÍbersicht, wird derzeit lebhafü empfunden, und Leben von Konstantin und Method auftreten.
ein Boweis dafiir sind die in den einzelnen Ländern nach dem IV. Slavisten- Da wir die praktischen Gründe der allgemeinen Unsicherheit bei
kongreß organisch durchgeführüen Forschungen. Bezüglich der italienischen
Tradition sohe man die imposante Zusammenstellung der Dokumentation von slavistischen Studien anführen (viele Slavisten besonders im Westen
Arturo Cronia in La conoscenza del mondo slavo in ltalia, Bilancio storico- fürchten noch heute, daß ihre Mühe von einem - kultur-
bibliografico di un millennio (Padova 1958, 793 S.). -historischen Enzyklopädismus beeinträchtigt rverde),veraltetenkönnen wir nicht,
3 Die diesbezüglichen Bemerkungen sind besonders glücklich folmuliert von
And¡é Mazon, Lo patrimoino commun des études slaves (Revue des Études umhin, die Tatsache hervorzuheben, daß, theoretisch gesehen, solche
Slaves I\¡, l-2, lS24): ,,Nullo part les philologues n'ont fait, en politique, Unsicherheiten der gesamten gegenwärtigen Kultur und nicht nur
d'aussi grandes choses que chez les Slaves. . ." (S. 129). einem einzigen Fachgebiet anhängen.
a Gowiß dtirfen die im \4/esten im 16. bis 18. Jh. vollzogenen slavistischen
tr'orschungen nicht unterschäúzt werden. Was F. Wollman zusammenfassend
lVas die Studien über das slavische Mittelalter anbelangt, ist in der
als ,,Zeílalter des humanistisch-barocken Slavismus" bezeichnet, findet den praktischen philologischen Arbeit das Zusammenfließen der Methoden
klarsten Ausdrucl< nach der Meinung des Verfasser im Erfolg des Werkes 5 Einen ausgezeichneten Versuch, dio Er.fahnurgen der. Philosophen
-
von Mauro Orbini:- Il regno degli slavi (vgl. X'. Wollman, Slovansúví v _. und
Linguisten im Hinblick auf das súilistische Problem zri vereinigen, findlen wir im
jazyl<ovð literárním obrození u SÌovanù, Prag 1948; im besonderon S.27; kürzlich erschienen werk von Galvano della volpe: critica ãel gusto, Mailand
siehe auch meine Rezension in ,,Ricerche Slavistiche" VIr, 1959). Weder Orbini 196_0; besonderes Augenmerk verdient das 2. Ifupitel:
noch die slavistische Aktion der Propagancla Fide können als direkte Vorgänger ,,La, Chiave somantica
della poesia".
der ,,Slav. Philologie" von Dobrovsky gelten.
4 Rrcc¿.noo Prccrrro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 5
Die historisch-philologische
cler Linguistik, d.er literarischen Kritik und d.er politisch-kulturellen
Geschichte auch durch die verschiedene geschichtliche Entwicklung
des ,,Slavismus" gehemmt, worden, d.h' durch jeno ,,slavische Idee",
die als unmittell¡arer Abkömmling des romantischon Gedankens del
slavischen Philologie den ersten begrifflichen Inhalt verlieh. Durch das
Eindringen der einzelnen nationalen Bewegungen in den allgemeinen
ethnisch-philologischen Patriotismus ist das slaviscire Mittelalter
(im besonderen d.as ost- und südslavische) zu einer Art, Eroberungsland
geworden, so daß man das als altrussisch oder altserbisch, altbulgarisch
oder altmazed.onisch betrachtet hat, was zum gemeinsamen Gut eines
der nationalen Kultur vora,ngegangenen Zeiíalters hätte lvcrden
können6.
Philotogie verdränge'
Dies bedeutete eine Verminderung der Voraussetzungen für die
Schon diese erste Bruchstelle deutet auf eine methodologische Ver-
Möglichkeit einer umfassenden Drfolschung des mittelalterlichen
wirrung hin. Weder die Linguistik noch die politische und liter¿rische
Slaventums auf linguistischem Gebiet, d.h. im Bereich derjenigerr
Geschichtsschreibung hat vom theoretischen Standpunkt aus die
Wissenschaft, die unteï den mit der Philologie zusarnmenhängenden
- Existenz eines slavischen Mittelalters im Sinne einer ,,horizonta1en",
Komplementärl,vissenschaften In lrnssler Zeit die größte Berechti-
- cl.h. über den Nationen liegenden Dimension geleugnet, aber ihre
gung hat, auf eine Synthese hinzuzielen. Aus dieser ideologischen Atmo-
Methoden sind in der konkreten Erforschung dieser geschichtlichen
sphäre heraus hat sich die slavische Linguistik unter dem Einfluß der'
Wesenheit nicht zusammengeflossen. Hätten die Linguistik, die poli-
allgemeinen Indogermanistik rnehr auf Iìekonstluktion der vor- und- tische Geschichte und die Literaturgeschichte in Einklang den Weg
protohistorischen Tatsachen konzentrielt als auf die dokumentierte der nationalen Geschichte eingeschlagen und. mit gleicher Beweis-
sprachgeschichte ?. Letzteres Gebiet rvurde zr¡.ar nicht velnachlássigt, führung den Gesamtbegriff eines mittelalterlichen Slaventums abge-
jedoch hat sich ein organischer Beil,rag der' linguistischen stuclien zu
lehnt, so wäre eine fruchtbare Zusammenarbeit in dieser Richtung
den philologischen praktisch nur. auf die altkirchenslavische Phase entstanden. Die Geschichte der slavischen Nationalliteraturen hat
bezogen. Es hanclelt sich hierbei um eine ßeschränkung, die gleich- sich jedoch nicht genügend auf die Geschichte der einzelnen Literatur'-
zeitig sowohl auf linguisl,ische lìichtungen a,ls auch auf solche dor sprachen gegründet, während- die Sprachhistoriker ihrerseits diachro-
politisch-Iiteralischen Ïlistorih zurückgeht. Die Linguisten haben in nische Rekonstruktionen mit lftiterien einer abstral<ten Linguistik
6 Die cht'onol0gischen Begrenzungen änclern sich von del katholischen zur ausgearbeitet haben, indem sie das lYort von der geschichtlich konkre-
orthocloxen slavia: s'il r,r'elden die altrussische LiteraLur t¡is zurrr 18. Jh. zur ten Sprache des Textes trennten, um es in herkömmliche grammati-
mittelalterlichenrechnen, nicht abcr die sog. ,,literatura staropolsl<a". Das enge kalische Schemata einzufügen. Das gilt für eine ganz bestimmte Phase
Band z.çr,ischen philologischen und l<ultr-rrgeschichtlichen Zusammenhängcn r'vird der linguistischen Studien, die sich auf die frühen Anfänge der Slavistik
an cler serbisch-kroatischen l{ultur evident,: clie br-rlgarisch-serbischen ,,clamas-
kinari,, wie die Literai,ur.werl<e clcr ]\{önche von Raða, z$'ischen clem 17. und tief auswirkte. Drst heute strebt man ernstlich nach einer Nieder-
1g. Jh., zählen.w'ir noch zu d.en rnittelalterlichen, nicht aber dieLitelatur des schrift, von Geschichten der Literatursplachens. Die Trennung von
16, Jh.s in Dalmatien. literarischer Historiographie und Linguistik hat also für das slavische
? Im großen uncl ganzen gilt das auch fär' die u'ichtigelen Ergcllnisse clcr
moclernen l{omparatistik (i.vie die Grarrrmaile comparée des langues slaves t'on Mittelalter nach der altkilchenslavischen Phase zu linguistischen
André Vaillanl, Paris 1950-1958; vgl. die Rezension von Cl.Maver in Synthesen geführt, die nicht d,irekt an die vornehmlich philologische
,,Ricelche Slavistiche" I, 1

kommen auf dio Alfänge u


einanderfolge ¿11g mstþecl sincl die in den Heften ,,Voprosy jazyl<oznanija,, 1g54-1g55
-..8, liesb_eltiglich
Einheitlichl<eit- ist. geführlen Disl<ussionen au fschlußreich.
Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 7
6 I{rcc¡n¡o Prccnro Die historisch-philologischo

Kritik anknüpftenÐ. J)ie Literaturgeschichte ihrerseits hat ihre Los-


lösung von der Linguistik betont, besonders infolge der in unserem
Jahrhundert zunehmenden Einflüsse einer ästhetischen Einstellung,
.rvelche die Bedeutung der Sprache als objektive historisch-soziale
flstitution in stillschv'eigender Voraussetzung
leugnete.
Die Slavistik des 20. Jh.s stand daher vor der methodologischen
Unmöglichkeit, die Ergebnisse der IJntersuchungen des vorangegan-
genen Jahrhunderbs zusammenzufassen, hauptsächlich deshalb, weil
das Vertrauen zu dem Dokument an sich, d.h. zu dem primären Objekt
der philologischen lJntersuchung, verlolengegangen war.
Die tr'orscher der politischen Geschichte und der Kulturgeschichte
haben mit Recht danach gestrebt, slavische, lateinische oder grie-
chische, arabische oder germanische Dokumente auf die gleiche Dbene
zu stellen, so daß ein Historiker der slavischen Welt heute eigentìich
nicht mehr als ,,Slavist" definiert'werden kann. Obwohl die Literatur-
historiker in unmittelbarerem und engerem (wenn auch nicht aus-
schließlichem) Kontakt mit dem slavischen Dokument standen, haben Bervegung, die Tätigkeit des Opojaz und die darauf fblgende Ent-
auch sie den Wert der philologischen Forschung verringert, indem sie wicklung derBewegung duÌch das Werk einesTrubetzkoy oder R,. Ja,kob-
eine auf dem ästhetischen Urteil, d.h. auf außergeschichtlichen Unter- son und der Prager Strukturalisten gaben dem Studium des Textes in
scheidungskritelien gegründete kritische Methode zur Anwendung seiner materiell-geistigen Struktur, d.h. als Ergebnis einer linguisti-
brachten 10. schen Tätigkeit, die in ihrer Dynamik als èuépyeta, d'h. als expressive
Von den Kritikern und. Literaturhistorikern mangels schöpferischer Synthese d.er Beziehung z'rvischen Geist und Natur aufgefaßt war,
Eigenart (d. h. mangels poetischer Begabung) vernachlässigt, von den rveite Möglichkeitenll.
Die Schwierigkeiten, unter denen sich die Tätigkeit der lt'ormalisten
e Z.B. 'rvird die Diskussion über dio Anfänge der modernen bulgarischen abwickelte, und ihr zu plötzliches Verschwinden vom lussischen Schau-
Sprache schwerlich ùber das Allgemeine platz verhinderten jedoch das volle Ausreifen dieser l(eime auf slavisti-
eines Paisij oder eines Sofronij keine schem Gebiet. Die tr'ormalisten selbst empfanden die Dringlichkeit des
widmet,. Wer kann heute mit Genauigk
garskaja angoben, in denen die Lokalsprache vorherrscht? Und in wieweit Problems der Geschichtlichkeit des linguistisch-künstlerischen Aus-
i.öu.ren v'ir uns F,echenschaft ablegen über die Neuerungen, die das I{yriako- drucks anfänglich kaum, so daß ihr Beitrag zum Studium der mittel-
clromion enthält, v'orin Sofronij ausdrücklich erklÉirt, er habo ,,na bolgarskij alterlichen Texte eher geringfügig gewesen ist. Die formalen Forschun-
prostij" schreiben wollen? gen wurden so von einem früheren ästhetischen Urteil abhängig, das
10 Auf die Fehlerhaftigkeit einer solchen llinstellung wird von Antonino
Messina- von sich aus eine Anwendung auf den größten Teil der ältesten slavi-
¿¡,ntischer schen Texte ausschloß 12.
orler teil-
als ZieI
nnd be-
rn stehú untor dem persönlichon Eindruck, den sie
und gliederü, wolche notwendigerweise dem Text
hingegen ,,. . . die Ilritik, die sich'werkes
v'issenschaftlich
nennett kann, n¡rjene ist, welche dio wahre Bedeutung eines erforscht
und imstande ist,, zu bewoisen, daß dieso und keine andere aus clen Elementen
hervorgeht,, ¿us denen das Werl< besteht . ' ." (S. 397-399).
8 R,rccarrDo Prccruo Bedeutung der kirchenslavischen TÌadition I
Die historisch-philologische

Da den Studien über das slavische Mittelaltel im obengenannten


philologischen Sinn eine feste Grundlage fehlte, verzichtete man ent-
weder darauf, die einzelnen Texte von einem autonomen, geschicht-
ìichen Standpunkt aus zu betrachten, oder man bediente sich noch ein-
mal der nicht klar deflnierten politisch-soziologischen Hintergründe.
Dieses z'vyeite Verhalten hat bei den sowjetischen Verfassern vor-
geherrscht, aber rvir finden es auch bei Forschern der nationalen
I(ulturen wieder, z.B. in Bulgarien und in Serbien. Nicht selten haben
soziologische und nationalistische I(riterien bei der Ausarbeitung von Zwischen Individuum und Kollektivität,
theoretisch bekennen'wollen.
Literaturgeschichten zusammengewirkt, die sich lyo die ästhetischen zrvischen schöpferischel
Freiheit, und splachlicher Norm sucht man
-
Voraussetzungen und die angemessenere linguistische Ilorschung dialektische Beziehungen anzuerkennen. Die Stilistik als
.nrniútelbare,
(besonders für die Zeit des Mittelalters) fehlten notgedrungen an die Forschungsmethode, in welcher der individuelle Ausdruck auf Grund
-
aus der Romantik st'ammenden Schema,ta einel allgemein geistigen sprachlichen Mittels studiet't wird, erinöglicht
des effektiv ange'rvandten
Geschichte der l{ation oder der Gesellschaft halten mußten. Nachdem immer rveitere günstige Ztgtinge für die Wiedereroberung einer kon-
so das Vorhandensein einer geschichtlichen Entwicl<lung von SerJ¡ien kreten Philologie.
oder Rußland odel Bulgalien angenommen war, behandelte man die Ds ist nicht schrver, die moralische, soziale und endlich auch poli-
rnittelalterlichen slavischen Dokumente als,,Be'weismittel" oder' tisch edle Bedeutung der ideologischen -Annähelung festzustellen, die
,,Ausdtuck" diesel geistigen abstrakten Wesenheit. fn dieser Hinsicht in den stilistischen Studien irnmer deutlicher hervortl:eten. Als ich vor'
können rvir von der Vitalität der rornantischen Tradition bis auf unsere vier Jahren eine Arbeit von V. V. Vinogradov rezensierte, in rvelcher
Tage sprechen. cler hervollagende sowjetische Philologe und Linguist auf dem Gebiet
Genau besehen kann auch das Grundprol¡lern del philologischen del Stilistik ,,Plobleme und allgemeine Aufgaben beim Studium der
Studien über das slavische MittelaÌter auf die Problematih der all- Spra,che del russischen Kunstlitelatur" erörterte, wagte ich es, von
semeinen Linguistik zuräckgeführt werden, die ihrerseits, von Croces dem Dindluck zu spr:echen, daß die lMege der so'ivjetischen und west-
und de Saussules l)arlegung ausgehend, versucht hat, in unserem Jahr'- lichen Linguistik auf dem Gebiet der Stilistik einem gemeinsamen Ziel
hundert die ganze gnoseologische J)ebatte in sich zusa,mmenzufassen. zustreben könnten13. l)ieses Werturteil kann, so scheint mir, durch ein
I Damit sich die Forschung auf den Text an sich, d.. h. auf seine Struktur großes Werk seine Bestätigung finden, das der gleiche Verfassel im
noch eher als auf seine Funktion richten kann, sind theoretische Vor- Jahle 1959 über eJ¡en dieses Thema helausgegeben hatla. Da, wo
aussetzungen nötig, aus denen die Drkenntnis hervorgeht, daß die der V. V. Vinogladov einleitend die ,,tiefbegründete überzeugung" aus-
IJntersuchung unterrvorfene Komposition in ihrer Lage zrvischen det spricht, ,,daß die Studien über die Sprache oder besser gesagt
PersönÌichkeit, des Schriftstellers und der Kollektivität, in die sich die über die stilarten der r{unstliteratur den Gegenstand - einer. besonderen -
Rede danl< der GeselÌschaftlichkeit der Sprache einftigt, ihre autonome philologischen wissenschaft bilden müssen, der so.n,ohl der Linguistik
Eigenart haben l<ann. Jedes ernste philologische Bestreben rvird sich als auch der Litcraturforschung nahesteht, aber doch gleichzeitig
in der Tat um die Beseitigung einel bald von idealistischen, bald von von beiden unterschieden werden sollte,,r5, glaube ich eine Stellung-
positivistischen Thesen geschaffenen Tlennung zrvischen,,IMort," und nahme zugunsten jener konkreten Philologie16 zu erblicken, von der
,,Sprache", zu'ischen Inclividuum und Kollektivität bemühen. Der
Auffassung einer Ästhetik, für die der sprachliche Ausdruck eine indivi-
duelle, von Irall zu tr'all neue Schöpfung ist, so daß jedes Urteil über
den Text auf die Gemütsbewegung zurückzuführen ist, aus del er ent-
spra,ng, jenseits jedes vorherbestehend.en Gesetzes, wird del Philologe
10 R,rcc¡nno Prccrrro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 11
Die historisch-philologische
oben die Rede war, im sinne d.er l{euauswertung des Textes an sich,
in seiner autonomen Individualität17'
Dine zielbewußte Philologie könnte uns also den lMeg nicht nur zu
einem einfachen Kompromiß, sondeLn auch zu einem natürlichen har-
monischen VelhäItnis zwischen den Rechten des Einzelnen und dem
Gesetz der Kollektivität rveisen. I\[an kann die ersteren nicht zu sehr
betonen, ohne in eine asoziale und somit, ungeschichtliche Dinstellung
zu geraten (die Il,eaktionen der Schule von Chicago R,. S. Crane,
Iì. P. McKeon, E. Olson gegen den Nerv Criticism,
- wie er in der
-
ursprünglichen These von lvor A. Richards bis zu K. Shapiro auftritt,
lassen.
wiederholen teilweise, wenn auch weniger heftig, was der marxistische Gerviß sind solche
Hinlr.eise nicht, ausschließlich gültig, denn natür-
Soziologismus den russischen Formalisten entgegenhielt). Man darf lich hindert uns nichts,
zu den zentrifugalen Methoden zu greifen, wenn
aber auch den,,kollektivistische'" Übertreibungen nicht beistimmen' es sich darum handelt,
gerade jene allgemeinen Kenntnisse zu erwel'ben,
clenn jeder Text'würde, wenÌ1 e1 seiner ihm vom Verfasser (oder von den clie ¿ank den Hilfswissenschaften
clie Pfeiler der philologischen Analyse
Verfassern) verliehenen Pelsönlichkeit beraubt lvürde, unverständlich bilden. Um die linguistischerì Tendenzen der Literatur der Rus' der
rverclen und in der Anonymität der kulturgeschichtlichen Hintergründe ersten Jahrhunderte zu rekonstruieren, muß man aus dem Slovo o
untergehen. 7,a,koûei blagodati von Hilarion und aus cler tr'eodosij-Vita des Mönches
Nestor, aus der Povest,' Yremennych let und aus der Russkaja Plavda,
2 aus den verschiedenen Handschriften über Boris und Gleb, aus den
¿lus dem Griechischen übersetzten und den von den Balkanslaven über-
Da d.er gegenwärtige Stand der Studien den ,,Text an sich" zu nommenerì Texten usw. schöpfen. Die gleiche allgemeine Quellen-
neuem Ansehen zu bringen scheint, müssen wir uns darüber klar forschwrg und Auswahl rvird für die Bearbeitung einer politischen
es uns ermöglichen müßte, von der allgemeinen l{onntnis des Milieus und des Geschichte oder einer Literaturgeschichte not'wendig sein. Wenn jedoch
Ausdrucksmittels auf die l(enntnis des Textes überzugehen (S. 124)' cler Philologe das besondere Studium des Skazanie von Boris und Gleb
Da1? Glei vorhat,, rvird er die methodologischen Gtenzen, innerhalb derer er im
) mus und lich
Text die Beweise einer morphologischen oder syntaktischen Ent-
r-änschte stili
rvicklung gesucht hat, und auch die des Historikers und des Literatur-
forschels überschreiten müssen, die im lext das ausgewzùhlt haben,
rvas für eine soziale Beziehung bezeichnend oder auclt was ,,schön"
oder ,,originell" ist. Nicht, was der Text vermittels der ¿ùnderen
Wissensfächer für die allgemeine Rekonstruhtion des Milieus oder d.er
Ausdrucksmittel beigetragen hat,, wird den Philologen interessieren,
sondern was der Text in sich verwirklicht sieht. Das skazanie von Boris
und GIeb wird. somit linguistische, ku-lturelle und auch dichterische
gemäßigü rnoderno Einstellung eignet, sich ebenso gut fiïr die kroatisch-slavi- Elemente enthalten, d.ie nur in ihrem besonderen Verhältnis Wert
s-tische iradition 'rvie fiìr die italionische (die durch das führende \[erk Giov. haben. Boris und. Gleb, Svat
schen Gestalten sein, sond.ern
des Hagiographen erst in ihr
rnittel lebendig werden. Der Philologe lvird, um den Text zu verstehen,
ist.
Rrcc'rnDo Prccsro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 13
12 Dio hisúorisch-philologischo

die Gesamtheit cler semantischen tr'unktionen in Betracht ziehen


müssen18.
Ein ZuschaueL, d.er. d.er Aufführung eines histolischen Dramas bei-
wohnt uncl den schwungvollen schauspieler in Genera,lsuniform mit
rler Hand. zlvischen den I{nöpfen des ÏVaffenrocks fül clen leibhafbigen
lrTapoleon Bonaparte hielte,'rvürde
begehen. Wie könnte el aber das ,,S
er nicht ein .t\[indestmaß an geschic
gilt für d.as ,,Symbol Wort": ein Pseudophilologe, d'er sich in dem
sLaronie d arauf beschränken lvürd e, eine lìeihe phonetischer, rnorpho-
logischer und. syntaktischer Tatsachen festzustellen, befände sich auf
dem Niveau des na,iven Bewundelers von ,,Na,poleon". sicher aber Der Text ist also ein Komplex inclividualisierter Symbole, d. h. von
könnte er d.en Text nicht verstehen, lvenn eI keine vorkenntnisse über die in unllittell¡arer Beziehung mit einem allgemeinen
,,Wör-ber-1l",
den datiYus absolutus, die Reflexivfolmen, clie Gerunilivfunktion des Zeichensystem, somit als,,Splache" velständlich r'velden.
Partizips usw., d.h. über die allgemeine historisierte Norrn der lingu- lVie werden r'vil die ,,Splache" netìnen, in die sich da,s Skazanie r¡on
istischen Symbole besäße' Bo¡is tnd Gle]¡ odcr anclere Texte jenel Zeit einreihen? Beschränken
Nehmen wir: ilgend eine Stelle aus clen Skazanie: rvir uns auf ilie allgeileinen linguistischen Volaussetzungen, nach
rvelchen der philologische Begriff,,sla,visches lVlittelalter" statthaft ist,
. . . Taðe, zabyvr skrrbt st m¡ltr,nuju, t' éÉaaÉe s¡rclce svoe
o slovesi boZii. ,,IZe pogubitr duÉju svoju mene radi i so rverden u,iL sagen, daß es sich um eine ,,slavische Sprache" handelt.
u'ild a,bel unsererl lYissensdrang nicht befliedigen
rnoichr, slovesr, obrjaÉtet¡ ju vl ù'ivot'é vððrném¡, slchra- Diese Ileststellung
l<önncn. Sor'vohl clas Sôudium der besonderen linguistischen Norm als
nitlju..."1e
auch clas der lcultulellen trImv'elt'welden uns auf ein genauer bestimm-
llas nicht ausged.rückte subjekt ist hier ,,Bolis". IJm dern Eigel- tes Gebiet der mittelaltellichen sÌavischen ïVelt ftihlen. Nun müsserr
tlamel' ,,Boris" einen sinn zu geben, $.elden rvir die politische Ge- wir jecloch zrvischen einel nationalen und eincl umfassenderen Ansicht,
schichte ocler die Religionsgeschichte zu HiÌfe nehmen. wenn wir l'ählen. lVenn rvil uns an die'l'elminologie clel historischen Linguistik
\i rvis imirs war, der in Zeit'en der Kämpfe halten, n,eLden l.il sie ,,altrussische" ocleÌ ,,kii:chcnslavische" Sprache
um seineur Brudel Gleb den lVltirtyrertod nennen. frn erstel llall r,¡'issen rvil, I'elchen \,Veg rvil l¡etreten: unsere
er'li d-eswegen heiliggesprochen rvurde' l<ritische Irorschung steht dann unter del Volaussetzung, daß dein
werden r.vir damit nicht die Gestalt des sl<azanie beschrieben haben, Text linguistische, hnlturelle und dichtelische r{räfte zufließen, clie von
sondern nur- sein allgemein-histolisches volbild, ebenso rvie uns die einern mil, dem,,alten Rußlanci" identifizierteir histolisch-sozialen
IMörterbücher nicht die Bedeutung des Adverbs tu,öe, des velbs I(omplex ausgehe'. tr\/enn rvir ciagege' dem Ausclru.cl< ,,kilchcn-
zctbyti, d.es Substa,nlivs sltr,rba usw. in bezug auf.cliese Stelle a,ngeben,
soncler' n'r deu des allgemeinen sprachlichen Übereinkommens.

Gleichge lches clas Vorherlschen d-es elsten


r,r'iude. Iìlement über clas zweiie (russische Reclal<-
Ls ziL. nac:n N. I(. Guclzij, chrestornatija po drevnej russkoj literatule tion) rec
XI-XVII vel<ov (Mosl<au 61955)' S. 43'
I4 Rrccenoo Prccuro Bedeutung der kirchenslavischen l'radiüio[ 15
Dio historisch-philologische
Rein spra,chwissenschaftliche Kriterien rechtfertigen scheinbal den
Verlust cliãses Gleichgewichts nach d.er einen oder der andern Seite hin.

,,europäische", sondern es kommt' darauf a'n, genau


zu sehen, nicht
,rn, ,;*t* in den Texten ist", sond-ern auch die innele Beziehung
zwischen d.en einzelnen Dlementen, d'h' den Text so zu beschreiben,
lvie er ist.

anzufechten, sondern vielmehr datum, zu sehen, ob die ,,kirchen-


slavische Traclition" als solche eine eigene Bedeutung lnat20'
Das Vorherrschen von kirchenslavischen Elementen in den mittel-
alterlichen serbischen, bulgarischen und russischen Texten geht nicht
nur aus besonderen Forschungen, sondern auch aus einigen synthe-
tischen Schlußfolgerungen und fördernden Beobachtungen hervor : Das
Eindringen von Texten aus einem slavisch-orthodoxen Gebiet in das
'wenn es auf die ,,Spïache", im Sinne der allgemeinen Semantik, andere, das Aldauern eines Gefühles der Zusammenhörigkeit durch
bezogen lvird, d.h. wenn es da,zu dient, die kulturellen Symbole ver- die kirchenslavische Sprache, das trotz des fortschreitenden Auf-
schiedener Natur (Religion, Kunst', Politik) zu bestimmen, die der lösungsprozesses derselben bis in die jüngste Zeit ethalten blieb.
Text aufweist. wenn dem so wäre, könnten rvir von einel kirchen- Abgesehen rron der Verbreitung der südslavischen Werke in der Rus'
slavischen Kultur. und einer kirchenslavischen Tradition sprechen. am Anfang ihrer christlichen Existenz, genügt es, an die ansehnliche
Bewegung des ,,zweiten südslavischen Einflusses" zu erinnern. Ifnd
J
diese Tatsache wird u. a. in dem t¡rischen Fall einer ,,Einwander.ung,,
eines Textes aus Rußland nach Bulgarien bestätigt, über den zu
Der. Begriff ,,kirchenslavische sprache" setzt eine kulturelle Ge- berichten ich schon Gelegenheit hatte und der sich schon auf eine
meinschaft voraus, die sich in einer einzigen übernationalen LiteÌatur-
sprache in den slavischen, der slavisch-ot'thodoxen kirchlichen Ge-
richtsbarkeit unterstellten Gebieten ausdr'ückt. Die konfessionelle

20 fch wiederhole
. hier Bemerkungen, clio ich schon in meiner Storia d.ella
leüt.e^r^atura russa antica (Mailand.
.werden also, obwohl sie keine ausge- 1g5g) ausgesprochen habe (s. besonders
s. 142tr.).
,,kilchenslavisches Gebiet,"
sprochenen Synonyma sind, auf ein und denselben Inhalt angewandt, el Baronio-Sl<arga e la Storia di paisij
1954) und La,,Isüorija, slavèno-
ob.r,vohl der eine die sprachliche Auswirkung, der andere die organi- tico-culùurale della Slavia orto-
satolisch-kirchliche betont.
R,tcc-lnno Prccrrro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 17
16 Dio historisch-philologische

Diese Hinweise ergeben sich aus den Texten und beruhen nicht ¿u¡
einer von uns im voraus angenommenen linguistischen kirchen-
slavischen l{orm. An Hand der Texte können wir den Gebrauch ¿u,
Adjektivs ,,slavisch-orthodox" rechtfertigen, mit, dem wir die vo¡
solchen Texten gebildete,,Literatar" deflnieren.
Es geschieht nicht aus Willlcür, daß wir den lVerken des Mönches
Chrabr, des Evtirnij von Trrnovo und d.es Paisij Chilendarskij, des
Biographen des hl. Sava, Domentijan, (in dem wil verschiedene Stellen
aus der berühmten Predigt des Ilarion von Kiev übertragen finden),
oder des Ì(onstantin I(osteneðki (hier sei a,n die ßedeutung der Bio-
graphie des Despoten Stefan Lazarcvic für den Stil des zu.eiten süd-
slavischen Einflusses erinnert) und dem größten Teil der altrussischen
Texte von Ilalion bis zuPachornij und Epifanij Flemudrij, zuAvvaku¡1
und dem Raskol, einen beständigen Zusammenhang mit den Begliffe¡, slavischen mittelalterlichen Texten,
die nicht von d.en religiösen
den expositiven Schema,ta, und den politisch-molalischen Normen der Lehren d"er slavisch-orthodoxen
Kirche herrühren, könnte ohne weiteres
gemeinsarlen slavisch-orthodoxen Cluistenheit, zuelkennen. noch fortges etzt werden Das würde
aber die Legitimität des Adjektivs
Nun elgibt sich aber für uns die Notr¡.endigkeit einer genaueren bezüglich des Kulturgebietes, das uns interessiert
,,slavisch-orthodox"
Begr:iffserklär'ung, danrit rvil vetrneiden, daß unsere Rede in einer i.rrd drs wir unter dem linguistischen Gesichtspunkt als kirchen-
Zu'eideutigì<eit terminologischer Gegensätze verläufl. \Vir hal¡en schon slavisch bezeichnen, keineswegs vermindeln. Auch wenn wir den
gesehen, daß die Bezeichnungen,,slavisch-orthodoxes" unil,,kilchen- individuellen Elementen Rechnung tragen, d.h. den ,,Wött'ern" det
slavisches Gel¡iet" sich auf den gleichen Inhalt, d. h auf dassell¡e Gel¡iet Texte, müssen wir jedoch ihre historische Interdependenz in Erwägung
beziehen, und zrval auf die kirchliche slavisch-orthodoxe Jurisdiktion, ziehen, d.h. ihre gemeinsame ,,Sprache". Und diese Sprache ist keine
im Gegcnsabz zrtr ,,slavisch-l<atholischen", 211 ìvelclìel alle slavischen objektive, vom Text trennbare Institution, sondern der gleichzeitige
Gebiete gehörten, die religiös von clel rörnischen Kirche gefolmt ' Auschuck ihrer Persönlichkeit und ihrer Gemeinschaftlichkeit. In
wuLden. diesem Sinne könnten wir diese Sprache der Texte dem'jazyk chudo-
Einen elsten Dinspruch l<ann man gegen cliese Einteilung erheberr: àestvennoj literatury' (Literatursprache im Sinne ihrer effektiven Ver-
lVarum arlf der kirchlichen Velrvaltung ìoestehen, rvenn 'ivil 'wisseu, daß wirklichung im Text) gleichstellen, welche V. V. Vinogradov betont22.
im slavischen lVlittelalter hultulelle Bervegrurgen und Institutionen Die orthodoxe Slavia ist ein Gebiet mit ihren sozialen, religiösen
l.eÌtlichen lJr:sprungs ihre gloße Bedeutung hatten? Ils ist bel<annt, daß und sprachlichen Eigenheiten und entspricht schließlich einem
ein großer Teii cler lleueren Studien, vol allem in del UdSSR, aber geographisch-kulturellen Begriff. Nicht immer zeigt diese kulturelle
auch in anclelen slavischen Länder:n, gerade diese I'eltliche Kultul in Wesenheit die gleiche Vitalität: bald sehen wir sie in einem slavischen
clel inittelalter'lichen Slavia besonders betont: eine I(ultur, in der die ,,jazyk" (Sprache und Volk) vereint2s, bald verliert sie ihr Empfinden
religiösen 1-Iieralchien tnd ihre I{löster im Iìahmen einer ,,Dialektik für ihre eigene ethnisch-religiöse fndividualität, bald wird sie wieder-
geboren (zur Zeit des ,,zweiten südslavischen Einflusses") und endlich
des I(lassenkarnpfes" gesehen lvelden, die Volrechte verteidigen,
geht sie im 17. Jh. unterza.
l'elchen sich die n'eltliche }lehrheit mit allen, de'- Zeil' und dem Ort
entsplechcnden Ï{ainpfmi'bteln entgegeirzu.sctzen suchbe. I(önnte rnan
die sozialen n{otivc del ikonohlastischen Polemik außel acht, Iassen,
die sclron zu Beginn del Epoche von I(yriÌì und Method die byzan'
tinische Gesellschaft beunruhigen? Und clie nationale lìichtung det'
2 Welt del Slaven
18 Rrcc¡.noo Prccuro Bedeutung cler kircherrsl¿vischen Tradition 19
Die his.bolisch-philologische
Wenn lvir der' ,,olthodoxen Slavia" eine deutliche Interdependenz
mit cler ,,kirchenslavischen Sprache" zuerkennen, werden rvir fl¿s
Recht ha,ben, dem entsprechenden Zusammenhang vott Sprache ¡n¿
I(ultur in den Texten nachzugehen, d.h. lvir können clern Adjektiv
,,sÌavisch-olthodox" eine l<lare philologische Ilunhtion beimessen. I)¿g
Prol¡lem beschränkt, sich demzufolge auf die Nachprüfung des kuÌtu-
rellen Inhalts uncl der r.elrnittelnclen lYilksarnkeit cler Ausclrücke
,,slavisch-orthodox" und,,kilchenslavisch": im Mittelpunkt unserer
Studien steht somit rveder eine abstralrte ,,Kultur" noch eine abstrakte
Sprache, sondern deren effektives Dasein in den Texten jenes Ab-
schnittes des slavischen lr{ittelaltels, deL uns &m rneisten interessielt.
Es handelt sich also im Grunde urn die Definition eines ,,Stiles", im
vollsten Sinne des Wortes.
Es ist bekannt, daß die sonst so veldienstvollen Folschungen ùLrer
den rveltlichen Hintergrund des slavischen l\'Iittelalters auf die große
Schwierigkeit einer ungenügenden Dokumentierung stoßen. ÌVâhlencl Ds handelt sich hier nicht darum, festzustellen, ob die l<ilchlich-
uns die religiöse l(ultur viele Ðol<umente hintelließ, die ihre vorherr- religiöscn Ansichten in der Tal, volhelrschten oder nicht, sondern ihre
schende Funhtion in der mittelaltellichen Gesellschaft (die I(unst des Vor.herrschaft in cler uns bekannten Literatur anzuerl<ennen. Die
Schreibens selbst war in bedeutendem Maße ein Privileg der IVIönche) sporaclischen Einsplengsel von lveltlichen oder sogar antikirchlichen
bestäl,igen, muß die 'weltliche aus spärlich verstreuten Anzeichen Elellenten reichen nicht aus, um das Gesamtbild cler l(ultur, wie es aus
rekonstruielt, lr.erden. lVas die geschichtliche Forschung anbelangt, dem Text hclvorgeht, zu ändern; es handelt sich da nur um Wörter.,
iraben z'n.eifellos jene Gelehr:ten rechb, die sich nicht, allein mit ge- die einel gemeinselrnen Spr:ache entlehnt sind, die Chraktei:istik der
schliebenen Dokumenten abfinden, sondern über diese hinausstreben. letzteren geht aÌ:el daclurch nicht vellolen. lVie rvir das Recht haben,
Es besteht in der Tat, kein Grund, einzig und allein den Belichten der in einem Wörterbuch cler russischen Sprache \4/örter verschiedenen
Ursprnngs einztueihen, tvie tlen'gi, solclat, Éturnt , chu,ligan oder
,,fühlenden Klasse" Glauben zu schenken, und rnit gutem Recht suchen
die Geschichtsforschel aus den Berveisfühlungen der Aristokraten die ban'clit, so l<önnen rvir einer Geschichte der slavischen orthodoxen
Besl,rebungen der Plebejer, aus clen Verurteilungen seitens cler oltho-
Kultur auch rveÌtliche Elernente einverleiÌ¡en. Und wenn wil ,,Ge-
schichte del slavischen orthodoxen Kultur" s&gen, beziehen ryir uns
doxen Prälaten das lVesen clel ketzerischen Anschaulrnger zu elgrün-
auf eine rìeihe von schöpfungen menschlicher Tätigkeit, in .n,elche
den, abel dadurch v¿ird doch aus dern aristokratischen 'Iext kein sich in geschichtliche' Ðeut.ng die sravisch-otrrodoxe
plebejischcr und aus dem olthodoxen liein hetzelischer'. Wenn lvir den - sehr.
Literatur 'nsele'
gut einreihel läßt. -
Text als solchen stuclielen wollen, lnüssen rvil seiner Sbimme Gehör Nachden rvi' festgestellt, h.aben, daß die orthodoxe slavia die
schenl<en. Es handelt, sich nicht um das Einverstandensein mit greifbarste Kulôurtatsache ist,, die uns in Texten l¡eschrieben rvild
u.il
den, r'r'zùs der Text sagt, sondetn claLurn, iiur lichtig und genau zu
velste]ren.
Das Festhalten an der Anschauung einel zentlipetalen Philologie
wird uns auf diese \Meise dazu fühlen, in den Texten die \rorherrschaft
einer kulturellen Atmosphäre anzuelkemren, die v'ir ohne Zögern
,,slavisch-olthodox" welden nennen rnüssen. \4Ias l¡eschleiben uns die
20 R,rcc¡noo Prccsro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 21
Die hisùorisch-philologische
S
d
ti
auch eine entsprechend.e, weder ideologisch von cler slavisch-ortho-
doxen Tradition noch linguistisch von kirchenslavischen Normen be-
dingte Literatur dokumentieren könnten, würden wir vor einer
zweiten Tradition stehen, nicht aber vol der Negierung der slavisc|¡-
orthodoxen-kirchenslavischen Tradition. Beim heutigen stand der
Forschungen ist es jedenfalls nicht nur berechtigt, sondern sogar
geboten, ãaß der Philologe von der kirchenslavischen Tradition, rvis
sie aus den Texten hervorgeht, Kenntnis nimmt'

Die Notwendigkeit einer methodologischen Defrnition d-er tr'or-


schungen über jenen Teil d.er literarischen Kultur des slavischen ist.
Mittelãlters, in ¿em die kirchenslavische Sprache die Funktion der Da sich der ,,zweite südslavische Einfluß" zeitlich mit der neuen
literarischen Sprache hatte, find.e ich in der Äußerung bestätigt, die Bl:itLezeit der Literatur nach dem stillstand des 14. Jh.s deckt,
ein hervorragencler russischer Gelehrter, D. S. Lichaóev, za einigen habe ich von einer slavisch-orthodoxen Wiedergeburt (Rina-
meiner Anschauungen über die zeit des sogenannten zweiten süd- scita slava ortodossa) gesprochen. Diese ruht, auf einer genaubestimmten
slavischen Einflusses machte25. Die Diskussion, die diesbezüglich ent- Grundlage, Das slavisch-orthodoxe Gebiet hatte - im Vergleich auch
zu der katholischen Slavia in der Tat einen großen Teil seiner kul-
stehen könnte, verlöre den größten Teil ihres Wertes, wenn vorher -
turellen Vitalität vetloren, und zu'ar zuerst infolge der Einfälle der
nicht einige terminologische Fragen erörtert würden'
russischen und später der Türken in die byzantinischen
D. S. iichaðev kommt das Verdienst zu, mit seinem Bericht auf Tataren in die
und südslavischen Länder. Am Ende des 14. Jh.s (bis einschließlich
dem letzten slavistenkongreß 26 zur Erweiterung des Horizontes der
studien über den sog. zweiten sùdslavischen Einfluß beigetragen zu das 17. Jh,) blüht die östliche Christenheit (im Sinne eines geo-
graphisch-kulturellen Begriffes wrd nicht nur als kirchliche Organi-
haben. Ilr hat richtig betont, daß diese Drscheinung nicht nur ein
sation) fast unerwartet wieder auf, und zrvar d-ank dern fmpuls der
unmittelbares verhäItnis zwischen der balkanslavischen und der
russischen Länder, in denen bereits die elsten Anzeichen der Hege-
25 D. S.Lichaðev, N monie lVloskaus auftreten. Die südslavischen Autoren, die sich in
in: Trudy otdola drevnor Rußland niederlassen, sind keine Ausrvanderer, sondern übersiecleln
(Moskau-Leningrad 1961), in einen anderen Teil ihrer gemeinsamen geistigen und sprachlichen
scimento osteuroPeo o Ri
1g5g, s. 1g5_1gõ). Ich wünsche nochmals zu betonen, daß meinen ausfüh- Heimat. Darin sehe ich Ansätze einer slavisch-orthodoxen einheitlichen
jeglicho pålemische Absicht fernliegt, denn wenn meine Ausführungen Weltsicht, die auch in späteren Epochen das Festhalten an kulturellen,
"o.rgl'
*"r]grt"rJ eineriTeil d.es positiven Wertes"haben, den Lichaðev ihnen freund' zwischen Rußland, Bulgarien und Serbien besond.ers tragfähigen
lichoiweise zuerl<ennt,, ist' er auf meinen Wunsch zurückzuführen, nicht zu
Banden möglich machte.
negi.eren, sondern in philologischem Sinne die breite
Spezialisten noch genauor zu präzisieren.. In welcher Beziehung steht die,,slavisch-orthod.oxe Wieclergetrurt"
26 D. S. Lichaðev, Nekotorye zadaði izuðenija
zur,osteuropri,ischen Vorrenaissa nce Meiner Meinung nach bestehen
? "
vlijanija v Rossii (IV MeZdunarodnyj s-ezd slavistov' hier keine begrifflichen
Nauk SSSR), Moskau 1958, 68 S. Gegensätze, denn die slavisch-othodoxe Wiecler-
o.t R,rccen¡o Prccrto Bedeutung der kilchenslavischen Traclition 23
Die histolisch-philologische
geburt hann ohne lveiteles in die Bewegung der osteuropäischen Vor-
renaissance eingereiht werden.
D. S. Lichaðev ftigt hinzu, daß sich dieses Phänomen auf nsç¡
u'eitele Gebiete erstrecht, und, 'vvenn nicht in der Literatur, so doch aq1
dem Gebiete der darstellenden l(unst auch andere, nichtslavischs
L¿inder erfaßt. ,,Von einel slavisch-olthodoxen lMiedergcburt zìr
sprechen so sagt der Verfasser abschließend hieße die tsedeutung
-
des Phd,nomens verlingerrr." 2t -
So gesehen verliert rneiner Nleinung nach die Diskussion sehr viel
von ihrem Inlalt und gründet sich auf eine Zweideutigkeit. Indem ich
mich auf die griechisch-orthodoxe Slavia beschränke, vollziehe icfu
keinellei Verringerung an diesem ?hänonten, sondern nur eine Ab-
grenzung, denn ich spreche nu1'von Literatur und nicht etwa von den
bildenden Künsten. Gerade hier haben wir einen der Fälle, in denen der
Text in den Mittelpunkt d.er philologischen Ilorschung gerückt welden
rnuß. Die Texte, die von der russisch-literarischen Tätigkeit des 15. Jh.s " Yon Iosif von Volokolarnsk), aber es ist
an Texte rvie den ,,Prosvétitel
zeugen, sincl in slavischer, uncl zrv¿l hirchenslavischer Splache ge- ihnerr lticht gelungen, ihre Literatul an die Stelle der offiziellen z1).
schrieben, und auch insofern hat die linguistische Definition in der setze', Was ein lVerk rvie das ChoZenie von Afanasij Nikitin betrifft,
elsten Phase der philologischen Irorschung entscheidenden Wert. sehe ich nicht ein, aus lvelchem Grund man dieses \4/erk nicht zur
Da die griechisch-olthodoxe Slavia ein Kulturgebiet,, d. h. eine sozi- slavisch-orthodoxen I(ultur lechnen könnte. Gerviß handelt es sich
ale lVesenheit, ist und nicht nur eine religiöse Organisation, scheint mir hier nicht urn einen Text, der die orthodoxen Ideale verherllicht
aus allem bisher Gesagten kla,r, daß die Deflnition ,,slavisch-orthodoxe (zrvischen Allah und dem Gott der Chlisten besteht immerhin ein großer
Wiedelgeburt" nicht ausschließlich von einem mehr odel weniger Unterschiecl!), und dazu kommt noch, daß sich seine Sprache von der
erfolgreichen Gedeihen del l(irche abhängen ka,nn. Der slavisch- kirchenslavischen Norm beträchtlich entfernt. Aber ist diese Ausnahmc
orthodoxe Patriotismus ist in Iìußland (besonders seit der Proklamation außerhaÌb der alÌgerneinen Sprache verständlich? Gerviß muß man
der selbständigen fa,vtokefal'noj] Kirche) kein ausschließlich kirch- rvas auch ich zu tun versucht habe
-
der Besondelheit des tr'alles
licher mehr, sondern steht unter der Leitung der weltlichen Macht. Ivan -
Rechnung tragen, aber es rvird troi,zdem notwendig bleiben, von der
der Schreckliche und eirì Jahrhundert später Aleksej Michajlovið u¡s behannten stilistischen Überlieferung a,uszugehen, wenn rvir eine
- orthodoxe Slaven wie -Vassian Rylo, Starec
sind nichtsdestorveniger historische Dinsicht erreichen wollen.
Filofej oder d.er Erzbischof Gennadij. Abschließend glaube ich sagen zu können, daß die von Lichaðev
Es wird för'derlich sein, lvelln wir nochmals wiederholen, daß den aufgeworfene Ilrage,,osteuropäische Vorrenaissance oder slavisch-
Philologen mehl als die Bestimmung der geschichtlichen Wirklichkeit
die genaue Bestimmung der Kultur interessiert, die die Texte belebt'
D. S. Lichaðev sieht in dem Begriff ,,slavisch-orthodoxe Wieder-
geburt", den ich auch in meiner Geschichte der altrussischen Literatur
gebraucht, habe, etwas,,Gekünsteltes" (,,iskusstvennost,"'), weil iah
denselben nicht nur auf den ,,zweiten südslavischen Einfluß", sondetn

28 Ebenda, S.6Z8.
2? D. S, Lichaðev, Neskol'ko zameðanij . . ., S, ß77-678,
24 Rrcc¡noo Prccsro Bedeutung der kirchenslavischen Tradition 25
Die hisüorisch-philologische
Ð
i
,;f; í "
å,1; ; I ì lir; I -:; ;J¿il ; å';'" i i i'l : .
*",1;î?îf ;;:ïîJ5""ff 1,"îåïä:Ïtïlä::*î1,11#åî,:ilTÍ:'å:ï í;1 ïiî ;îi:
X'ehlen d-er Zusammenarbeit der verschiedenen philologischen Metho.
den erwächst, worauf wir schon zu Beginn der vorliegenden Arbeit
hingeu'iesen haben. Auch diesbezüglich wäre es schrvierig, die Ergeb-
nisse einer sich nur a,uf den Begriff von altrussischer Literatur stützen-
den linguistischen Forschung mit denen einer politischen Kultur.-
geschichte, die von Natur aus dazu neigt, die Grenzen der ethniscþ.
philologischen Gebiete zu überschreiten, und mit denen einer nur die
schöpferische Persönlichkeit suchenden ästhetischen Kritik in Einklang
zu bringen.
Wer das ,,Leben des Stefan von Perm"' von Epifanij Premudrij
gena,uer betrachtet, dem wird auffallen, daß diese Sprache weniger
,,r'ussisch" ist als beispielsweise die des ,,Slovo o pogibéli russkyja
zemli" . fn diesem lesen wir: schen Kultur suchen'
Und. das ,,slovopletenie" des Epifanij ? Sollen wir es als eine innere
O svétlo svëtlaja i ukrasno ukraËena zemlja Iìus'kaja!
i mnogymi krasotami udivlena esi . . . Vsego esi ispolnena Entwicklung der altmssischen Stilistih betrachten? Oder als den Aus-
druck einer einzelnen Künstlerpersönlichkeit? Oder als Nachahmung
zemlja R,uskaja, o pra,vovérnaja véra christijanskaja, . . .2e
von südslavischen \/orbildern? Oder noch besser als Anpassung an die
Hier haben wir eines der besten dichterischen Dokumente des altrussische literarische Iechnik der in der griechisch-byzantinischen
russischen Mittelalters rror uns. In der einfachen und doch feierlichen Literatur bearbeiteten Vorgängen ?
Sprache (man beachte die Wahl der auf Vokale auslautend-en Wörter) Auf alle diese und noch andere ¿ihnliche tr'ragen, die wir uns stellen
scheint, gleichzeitig die der christlich-geistlichen Redekunst und auch könnten, kann man bejahend antworten, obwohl sofort klar wird,
die des Volksepos nachzuklingen. daß auf diese lYeise eine Reihe von Widersprüchen unvermeidlich
Mehr als ein Jahrhundert später schreibt Epifanij bald mit der sind. Wenn man nämlich Dpifanij in die russische Lokaltradition ein-
Gewandtheit des geübten Chronisten: reiht, welche Bedeutung hat dann der südslavische Einfluß ? War denn
. . . I eËte détiðtemt syj, izn mlada, vdant bystl gramoté die russische Kultur nicht schon traditionsgemäß in das byzantinische
uðiti, juZe vshoré izuðe vsju gramotu, jako d.o goda i Kulturgebiet eingereiht? Wenn die Südslaven nichts anderes bewirken,
honarchati emu; taðe i ðtecr, byst,r vr, sobornéj cerkvi. als die alte Verbindung zur byzantinischen Rhetorih wiederher-
Bé ubo...30 zusteÌlen, wäre es dann nicht richtiger, von einem byzantinischen als
von einem zweiten südslavischen Einfluß zu sprechen?
bald mit einem zr'veifellos von bestimmten rhetorischen Ii'ormen Bei genauerel Betrachtung kann der Ursprung des ,,slovopletenie"
herrührenden Pathos: in einer Zeit gesucht, wer.den, die dem ,,zweiten Einfluß" vor¿r,usge-
.. kamo zaide dobrota t,voja, lcarno ottide ott rras:0, ili
. gangen ist. Wir finden Beispiele
dazu nicht nur bei Evtimij von Trrnovo
kamo sja esi déh, ott nasr, izide, & na,sb sirychr, ostavilr und Konstantin Kosteneðki, sonclern selbst schon bei den ältesten

2s Zít. nac}. Gudzij, Chrestornatija , s. 155.


.
sl Ebenda,
30 Ebenda, S. 188, S. 190_191.
26 Iìrcc¡noo Prccrrro 27
Beclcutung cler l<ilchenslavischen'Ira¿itio'
I)io histolisch-philologische
serbischen Chronisten. Deshalb sagt die,,fstorija vr kratcè o srF,bshyich
carej" : . . . i ouluasi,ur' pletenunr,i i uetislcynti glagoly . . .32,
IJnd rvenn rvir bis zu den ersten slavischen Literaturquellen vor_
ch'ingen, finden r'vir Anzeichen des ,,pletenie", außel in den ersten Über.
setzungen, auch z.B. in der,,Vita Methodii":
. Ovém:¡ bo lavr,nll bé, ovéchr, ùe maly ûrr,rìbi, s,
drougychr bolri slovesr,nyjç détéÌbjq prðspévr, a deteìr,.
nyjg slovomr,. Vrsðmr, bo sg oupodobl¡ vrsëchr obrazß na
sebé javljaée, stlachr, bo/zt i, zarpo.v ðdr,naja chlanjenr,ja,
ph,t,sko jq ðisl,oto j 9 plileårny inolitvy i svgtynjg, slovo
sil¡noe i klotrl<oe, silrno na protivrnyje a lcrotr,ko na pri-
jgmlogËtej g kazanr,je, jarostr,, tichostl, rnilostr, ljubtvl,
strastr i trlpénrje, vE,se o vsjaðr,skychr byvajç, da bi o
vr,sepriobreh,...33
Gerviß finden lvir {Jnterschiede im !-elgleich zu Epifanij, und zrvar osteuropäischcn Sprache zu suchen'
g'ut elklä,rliche, da zwischen der ,,Vita Methoclii" und dern ,,Leben \4/ir haben l<eine in osteuropäischel splache geschliebenen Texte,
des
hl. Stefan von Pelm"' ungefrihr vier Jahrhunderte liegen. Die I(unst rvohl aber. solchc in l<irchenslavischel sprache, so kornrnen 1ari1' -
¿ùuch im besonclelen lì'all cles sogenannten zrveiten säclslavischen
Ein-
clel Annåì,hertrng und del velbalen Gegensätze (Ouémø . . . ouécltøá,e . . .
flusses auf clie Dopltehechuung ,,slavia, olthodoxa"-,,kilchen-
uasin'¿ø...;sloaesun¡1jqcl[telbjq...clétëlbnyjçsloaontu...),dieReihe -
slavische Splachc" z¡Iück, cleren Zusarnmenhang rnit der lingnisti-
der leinrenclen Wölter (. . . jarostr,, tich,ostr,, nzilostt' . . .) und die Sorgfalt
schen und kulturellen lvirklichheit clalaus hervorgeht, daß r'r'il dad.ulch
del V. M. betreffs des R hythmus br:ingen diese beiden rårlumlich und zeit-
den zrveideutigcn Bcgriff ,,Einfluß" beseitigen und eine Gebietseinheit
lich entfernten Texte einander stilistisch nri,her, als z.B. die I'r.omposi- betonen, die sich vom llalkan bis nach lìußÌaud erstrecht,.
tion des Epifanij und das trocl<ene ,,Leben des Avrarnij von Smolenslc" Aue dem bisher Gcsagten sollte mau clie Notwendigkeit etkettnett,
(12. Jh.) zueinander stehen. dio kirchenslavische 'Iradition 'wieclel höher zu bervelten. Es handelt
Ilm die aus solchen Beispielen hervolgehende stilistische Lage eich um einen aus der Sprachforschung hervorgegangerìen Begriff, der
I<larer erfassen zu können, müssen'rvir eine Norrn anerkennen und die spötor von den Linguisten selbst nicht, \veniger a,ls von den Gelehrten
einzelnen Texte rnit ihler besonderen Charakterisl,ik dialektisch in der Literatur- und Kulturgeschichte vernachlässigt lvolden ist.
diese Nolrn einleihen. Ii'ür eine Erscheinung rvie das ,,plet,enie" rvird Vielleicht ist cler günstige Augenl:lick gekommen, um ihm neues Leben
clie bloße altrussische Grundlage unzulänglich sein. Wenn rvir aber den zu geben durch eine verjüngte Philologie, clie imstande rvär'e, die frucht-
I{orizont erlveitern, ist es rvie wir schon gesehen haben nicht der bare Vereinigung von Sprache und I(ultur .rviederher.zustellen.
- -
IVIühe 'wert, bei der südlichen Slavia haltzumachen: rvir ryerden auf die
griechische lìhetolik zurückkomrnen müssen, die sowohl die bul- Rom Iliccardo Picchio
garischen und die selbischen Texte, die der Rus' von Kiev sowie die
cler russischen Ländel inspiriert, über die sich die moskowitische Hege-

32 Vgl. I{. M. I(ujow, I(onstantyn llostenecl<i w literaturze bulgarskiej i


selbskiej. I(ral<au. 1950, S. 109-1 10.
ss Zit'. nach Lywoty l(onstantyna i Metodego (obszerne) . . , SpovqdziÏ
'Iacleusz Lehr'-Spla'rviiski. Posen 1959, V. M. II. S. 103-105.
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Kiever Rus: Schrifttum der Ostslawen, altostslawische Literatur.
Wladimir–Suzdal´ Rus´.
Thema Quelle
Kiever Rus (vormongolische Zeit): - PP Kiever Rus: Schrifttum der
- Kyrillo-Methodianischen Mission Ostslawen, altostslawische
- Glagoliza, Kyrilliza Literatur. Wladimir–Suzdal´
Rus´.
- Slavia Orthodoxa - Das (Alt-)Kirchenslavische
- Diglossie - R. Picchio "Die historisch-
- Drei KSL. Einflüsse philologische Bedeutung der
- Schriftsysteme in den kirchenslawischen Tradition"
ostslawischen Sprachen der - Der Mönch Chrabar "Über die
Gegenwart Buchstaben".
- Geschichte des Schrifttums
(Originalwerke,
Übersetzungsliteratur,
Apokryphenschrifttum)
Wladimir–Suzdal´ Rus´: - PP Kiever Rus: Schrifttum der
- Die wichtigsten Ereignisse der Ostslawen, altostslawische
Wladimir–Suzdal´-Zeit Literatur. Wladimir–Suzdal´
Rus´.
- Geschichte des Schrifttums (13.- - Zeittabelle 13.-14. Jh.
14. Jh.) - Edgar Hösch. "Die Kultur der
- Ikonenmalerei des 13.-14. Jh.s Ostslawen" (S. 60-102).
- alle Internet und Literaturquellen.
Liste des UNESCO-Welterbes - PP Kiever Rus (vormongolische
(Weltkulturerbes): Zeit), Wladimir–Suzdal´ Rus´
- http://whc.unesco.org/en/list/ (eng.)
- Weiße Monumente von Wladimir - alle Internet und Literaturquellen.
und Susdal
- Sophienkathedrale und
Höhlenkloster Lawra Petschersk in
Kiew
1 2

3
Moskauer Periode (15.-16. Jh.)
1200 > 1300
Nowgorod Kiew ? ?Suzdal? Moskau

Nowgorod

IX. Jh.
Wladimir
XIV. Jh. Suzdal

?
? 13.-14. Jh.

Moskau
Kiew XIII. Jh.

http://statehistory.ru/3893/Podborka-kart-Drevney-Rusi-9-14-vekov/
11.-12. WSR - russisches Fürstentum im Nordosten des Reiches mit der
Jh. Hauptstadt Rostow (ab 1054), dann Suzdal (1125); dann Wladimir 13.-14. Jh.
(1157).
1090 - Juri Dolgoruki: Fürst von Rostow/Suzdal, Großfürst der Kiewer Rus und
1157 Gründer von Moskau (erste Erwähnung 1147). Sohn - Andrei Bogoljubski.
1238 Die Mongolen unter Batu Khan eroberten Wladimir.
1240 Sieg des Fürsten von Nowgorod Alexander Newski über die Schweden an Das Fürstentum Wladimir-
der Newa (daher der Beiname). 1242 Sieg (Ledovoe poboišče) von Suzdal … war ein großes

?
Alexander Newski über den Deutschen Orden am Peipussee (Čudskoe ozero) Fürstentum unter den
https://www.youtube.com/watch?v=-nRev9FvsBU&nohtml5=False . Er gilt als russischer Nationalheld Folgestaaten der Kiewer
und ist ein Heiliger der orthodoxen Kirche. Fürst von Wladimir (ab 1252). Rus und der mächtigste
1255 † Chan BATU.
ostslawische Staat
1263 † Alexander NEWSKIJ. Sein jüngster Sohn DANIIL bekommt Moskau als
zwischen der zweiten
Erbteil – Beginn der Moskauer Dynastie, der es nach und nach gelingt,
immer mehr Macht und Territorium auf sich zu vereinen. Hälfte des 12. und dem 14.
1299 Verlegung des Sitzes des Metropoliten (Oberhaupt der russischen Kirche)
Jahrhundert.
von Kiew nach Wladimir.
1325 Verlegung des Sitzes des Metropoliten nach Moskau. Andreas Kappeler:
Russische Geschichte. München 2008
1380 1. Sieg über die Tataren – unter dem Moskauer Fürst Dmitrij Donskoj:
Schlacht am Schnepfenfeld (Kulikovskoe pole/Kulikovskaja bitva) in der
Nähe von Don, daher der Beiname. Dieser Sieg hat zwar noch keinen
Bestand, er läutet aber den Befreiungsprozess ein. http://www.euratlas.net/history/europe/130
1389 † Dmitrij Donskoj 0/de_index.html
ca. 1275 AUFSTIEG DES GROSSFÜRSTENTUM LITAUEN
- 1341 GEDIMINAS der Große, Gründer der Dynastie der Gediminiten. Große ostslawische
Sprachgebiete gehen an Litauen (heutige Ukraine, Belarus, Teile Russlands)
MOSKAUER PERIODE (Ende des 14.-15. Jh.)

• Moskauer Fürst Iwan Kalita überzeugt im Jahr 1325


den Metropolit der Orthodoxen Kirche dessen Sitz
aus Wladimir nach Moskau zu verlegen.

• Das Großfürstentum Moskau ist ab Ende des 14. Jh.


das neue Zentrum der (Ost)Rus‘.

• Moskau übernahm viele kulturelle Traditionen von


Kiew und Wladimir-Suzdal (besonders in der
Architektur und in der Ikonenmalerei).
MOSKAUER PERIODE (15. Jh.)
15 Jh. Steter Aufstieg Moskaus zum Zentrum der Macht in den
russischen Fürstentümern
• 1453 Fall von Konstantinopel, Ende von Byzanz;
1462–1505 IWAN III.* Unter der Regierung von IWAN III:
- Entstehung der Ideologie von Moskau als dem III Rom;
- „Sammlung der Lande“:1463, 1472, 1478 Fürstentum Jaroslawl´, dann
Rostow gehen an Moskau, Unterwerfung des Stadtstaates Nowgorod;
Iwan III. vervierfachte u. stabilisierte das Gebiet des Großfürstentums
Moskau (Moskowien);
- befreite das Land von der Herrschaft der Goldenen Horde (1480 Sieg
über die Tataren (die Mongolen geben die Herrschaft über Russland
kampflos auf), Ende der Fremdherrschaft
- 1500 Überquerung des Uralgebirges – Beginn der Erschließung
Sibiriens.

* https://www.youtube.com/watch?v=AO7mnO_HMhE
1400
1500
MOSKAUER PERIODE (16. Jh.)
• 1502: Auflösung der Goldenen Horde
• 1510, 1522: erst Pskow, dann Rjazan´ gehen an Moskau (Bevölkerung ca. 9 Mio).
1533–84 † IWAN IV. GROZNYJ (der Schreckliche):
1. Russischer Zar.
2. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik: Währungsreform (Unifizierung des
Geldwesens), Verwaltungsreform (neuer SUDEBNIK), Armeereform
(Gründung des halbregulären Strelitzen-Heeres).
3. Das erste russische Parlament Semski Sobor (Земский Собор).
4. Opritschnina (опричнина): Terrorpolitik gegen den Adel und die
Andersdenkenden.
5. Erfolgreiche Außenpolitik: 1552/56: Unterwerfung des Khanats von
Kazan´ u. von Astrachan´.

• 1553: Gründung der Typographie (Pečatnyj dvor) in Moskau: Iwan Fedorow (Diakon
der Kirche von Kreml‘)
1600
„der Geldsack“
Iwan I. (* 1288; † 1341) 1328–1341
Иван Калита Großfürsten
„der Stolze“ von Moskau
Simeon ( 1316; † 1353) 1341–1353
und Zaren
„der Schöne“
Iwan II. (1326; † 1359) 1353–1359
Красный
von Russland
1. Sieg über die Tataren: Schlacht am
Dmitri I. Donskoi (1350; † 1389) 1359–1389
Schnepfenfeld (Kulikovskaja bitva)

Wassili I. (1371; † 1425) 1389–1425

„der Blinde“
Wassili II. (1415; † 1462) 1425–1462
Тёмный

Иван Васильевич (Великий)


Iwan III. „der Große“ Gebrauchte als erster Großfürst den
1462–1505
Titel
(1440; † 1505)
Zar von Russland

Wassili III. (1479; † 1533) 1505–1533

Iwan IV. „der Schreckliche“ Er war 1547 der erste gekrönte


1533–1584
russische Zar
(1533; † 1584)
Letzter Zar aus der Dynastie der
Fjodor I. (1557; † 1598) 1584–1598
Rurikiden. ! (Boris Godunow)
MOSKAUER PERIODE (16.- 17. Jh.)
1564: Druck des 1. Buches in Russland: APOSTOL; 1565: 2.
gedrucktes Buch: ČASOSLOW (=Stundenlesungen).
Iwan Fedorow wird der Häresie verdächtigt, die Typographie
fällt einen Brandanschlag zum Opfer, Fedorow muss nach
Litauen (Polen-Litauen) fliehen, später nach L´wiw
(Lemberg). Später lebt und arbeitet er im Auftrage des
dortigen Fürsten in Ostrog.
1584: Gründung von Archangelsk (Hafen am Eismeer)
1588: Schwager des Zaren FEDOR, Boris Godunow, wird
zum Reichsverweser
1589: Gründung des Moskauer Patriarchats
1591: Tod (Ermordung) von Zarevič DIMITRIJ, jüngster
Sohn Iwans IV
MOSKAUER PERIODE (Zeit der Wirren )
1591: Tod (Ermordung) von Zarevič DIMITRIJ, jüngster Sohn Iwans IV
1598-1613: Smuta – Zeit der Wirren:
1598 †Zar FEDOR, ohne männliche Nachkommen Ende der
Rurikidendynastie.
1600 - 1603: Hungersnot in Russland: Allein in Moskau 127.000 Tote
1598-1605: BORIS GODUNOW , hinterlässt den 16-jährigen Sohn Fedor.
1605: Pseudo-Dimitrij I (entflohener Mönch Grigorij Otrep´ew) besetzt mit
polnischer (?) Unterstützung, sowie der von Kosaken und Bauern, Moskau, lässt
sich krönen. In einem Volksaufstand 1606 gelyncht (Iwan Bolotnikow: Kosaken- und Bauernaufstände).
1606-1610: Zar Wassilij Šujskij; 1610 abgesetzt, zur Mönchsweihe gezwungen.
1608-1610: Polnisch-schwedische Intervention, Pseudo-Dimitrij II.
1610: Polnische (?) Besetzung und Brand Moskaus.
1612: Bürgerwehr unter der Führung von MININ und POŽARSKIJ
1613: Eine Versammlung der freien Stände wählt als Zaren den 16-jährigen
MICHAIL ROMANOW (der zunächst zusammen mit seinem Vater, dem
Patriarchen) regiert.
Zeit der Wirren (Смутное время, Смута)
Durch die Wahl des Semski Sobor gelangte er an die Macht. Im
Boris Godunow
1598-1605 Jahr 1601 kam es zu tiefen Krisen (Smuta). Gleichzeitig tauchte
(* 1552; † 1605)
der erste falsche Dimitri auf, der den Zarenthron beanspruchte.

Fjodor II. Godunow


1605 Wurde von Anhängern des falschen Dimitris ermordet.
(* 1589; † 1605)
Er behauptete der jüngste Sohn Iwans des Schrecklichen zu sein.
Dimitri I. „der Falsche“ Mit Hilfe des Polenkönigs Sigismund III. Wasa erlangte er die
1605-1606
(* unbekannt; † 1606) Zarenwürde. Durch seine Politik verlor er die Unterstützung des
Adels.

Unter seiner Herrschaft kam es zu Auseinandersetzungen


Wassili IV. Schuiski
1606-1610 zwischen den Adelsgeschlechtern. Ein zweiter falscher Dimitri
(1552; † 1612)
tauchte auf und fand Unterstützung beim Adel.

Gewählter König von Polen und Großfürst von Litauen, der


Władysław IV. Wasa Herrscher des Staates Polen-Litauen, Titularkönig von Schweden.
1610-1613
(1595; † 1648) 1610-1613 erwählter Zar von Russland. Polen-Litauen marschiert
in Moskau ein. Designierter Zar.
Smuta / Zeit der Wirren
Smuta wurde ausgelöst durch:

• eine dynastische Krise (Aussterben der Rurikiden),

• Machtkämpfe zwischen Hocharistokratie und Dienstadel,

• eine soziale Krise (Erschütterung der Wirtschaft und der Sozialstruktur),

• eine nationale Krise (Interventionen ausländischer Mächte).

?
Die Zeit der Wirren fand statt an der Jahrhundertwende vom:

• 16./17. Jh.
• 14./15. Jh.
• 17./18. Jh.
Russische Architektur
• In Moskau hielt sich die Holzbauweise bis zum 15. Jh. Eine
rege Bautätigkeit setzte um 1400 ein (Klosterneubauten,
Ausbau des Kreml), wobei Einflüsse aus dem Wladimir-
Suzdal wirksam blieben, bis es nach der Vertreibung der
Mongolen zur Ausbildung eines gesamtrussischen
Architekturstils kam, in dem Natursteine durch Ziegel ersetzt
und die beim Neubau der Uspenskij-Kathedrale im Kreml
(1475–1479) durch Aristotele Fioravanti gewonnenen
Erfahrungen aufgegriffen wurden.

• Im 16. Jh. schuf die russische Architektur in den von der


Holzbaukunst abgeleiteten Kirchen mit pyramidenförmigem
Zeltdach einen nationalen Typus, für den oft bizarre
Mischungen aus gotischen und italienischen Dekormotiven
kennzeichnend sind (Moskauer Basilius-Kathedrale, 1555–
1560, mit 9 Kapellen; Boris- und Gleb-Kathedrale in Stariza).
Welterbe in Russland, Architektur,
15.-16. Jh.
• Kreml und Roter Platz in Moskau
• Solowezki-Inseln mit befestigtem Kloster
• Befestigtes Kloster in Sergijew Possad
• Auferstehungskirche in Kolomenskoje
• Kreml von Kasan
• Kloster Ferapontow
Kreml und Roter Platz in Moskau
• 1156 wurde der Grundstein des Kreml
gelegt, indem Jurij Dolgorukij einen
befestigten Fürstensitz errichten ließ.

• 1367 wurde die Festung erstmals mit


einer weißen Kalksteinmauer
umschlossen, die Moskau den Ruhm der
„Weißen Stadt“ einbrachte.
Kreml in Moskau
• Iwan III. (reg. 1462-1505) ließ eine viel höhere und
schöner verzierte Ziegelmauer um den Kreml bauen.

• Diese ist teilweise oft bis zu 5 m dick und 18 m hoch.


Auf dieser befinden sich 18 Türme, die zum Teil als
Ein- und Ausfahrten dienten. Die wichtigsten Türme
sind:

Erlöser-Turm Спасские ворота (das offizielle Eingangstor in den Kreml).


Senats-Turm Сенатская башня
Arsenal-Тurm Арсенальная башня
Kutafja-Turm Кутафья башня
Dreifaltigkeits-Turm Троицкая башня (der einzigen Eingang für Besucher).
Kreml

http://1chudo.ru/kreposti/90-kratkaya-istoriya-moskovskogo-kremlya.html
Mariä Verkündigungskathedrale (Blagoweschtschenskij sobor) wurde
1482-90 errichtet als Hofkirche. Die Kathedrale verfügt über eine
bemerkenswerte Innenausstattung (Boden mit roten Jaspisfliesen,
Fresken und Ikonosthase mit Ikonen). Theophanes der Grieche?
Andrei Rubljow?

http://nesusvet.narod.ru/ico/icons/bv_000.htm
Kathedralenplatz (Соборная площадь)
Erzengel Kathedrale (Архангельский собор)
Mariä Himmelfahrts-Kirche (Успенский собор) 1479 1505-1508
Traditionelle
russische Stil der
Kreuzkuppelkirchen
1475-1479 an der Fassade
Mischung aus lassen sich
altrussischer Elemente der
Baukunst und venezianischen
italienischer Renaissance
entdecken.
Renaissance.
In dieser
Krönungs- Kathedrale
kirche der befinden sich die
Zaren, diente Gräber aller
der Bestattung http://www.kremlin-guild.ru/foto/section.php?SECTION_ID=271 Großfürsten.
der
Glockenturm Iwan Welikij
Metropoliten
1505-1508
sowie der
Patriarchen. 81 m
Zwölf- Bis ins 18. Jh. Wohn-
Apostelkathedrale und Arbeitsresidenz
(+Hauskirche) des Kirche der Gewandniederlegung Marias
Patriarchenpalast Moskauer Patriarchen 1484 bis 1486

Facettenpalast

Der Facettenpalast stellt


ein Denkmal der
Architektur des Moskauer
Kremls dar, eine der
ältesten Zivilbauten
Moskaus dar. 1487-1491
Грановитая палата
https://structurae.de/bauwerke/kirche-der-zwoelf-apostel
Lobnoje Mesto war der Ort eines Schafotts zur
Köpfung Verurteilter, dort wurden die Erlasse des
Zaren ("Ukas") verkündet. Auf dem Lobnoje mjesto
wurden auch religiöse Zeremonien abgehalten. 16 Jh.
Basilius-Kathedrale (Собор Василия Блаженного) 1561,
zu Ehren des Sieges des russischen Heeres über das Khanat
Kasan gebaut.

http://mapio.net/o/5061787/
Kolomenskoje
Christi-Himmelfahrts-Kirche (1532)

Als ihm endlich der lang ersehnte Thronfolger Iwan geboren wurde -
der später als "der Schreckliche" in die Geschichte einging - befahl Zar
Wassili III. 1532 den Bau der Himmelfahrtskathedrale. Die Kirche mit
ihrem 62 Meter hohen Zeltdach ist das älteste bis heute erhaltene
Gebäude in Kolomenskoje. Sie wurde 1994 in die Welterbeliste der
UNESCO aufgenommen. Einige Details der Kirche deuten darauf hin,
dass die Baumeister aus Italien stammten, doch ihre Namen sind heute
nicht mehr bekannt. Nur Mitglieder der Zarenfamilie hatten Zutritt zu
dem Gotteshaus.
Die kirchliche Überlieferung berichtet, dass im
März 1917 unmittelbar nach der Abdankung des
letzten russischen Zaren in der
Himmelfahrtskirche auf unerklärliche Weise eine
wundertätige Ikone entdeckt wurde. Das Bildnis
der „Herrschaftlichen Mutter Gottes“ wird von
orthodoxen Christen bis heute verehrt.
Kloster Ferapontow 1398
Ферапонтов монастырь
(UNESCO Welterbe seit 2000)

Das Ferapontow Herrenkloster liegt 115 km nordwestlich der Stadt


Wologda (ca. 600 km nördlich von Moskau). Die Klosteranlage entstand
im 15-17 Jh.

http://vologda-
oblast.ru/o_regione/kultura/tserkvi_monastyri/ferapontov_monastyr/ans
ambl_monastyrya/

http://www.votpusk.ru/country/dostoprim_info.asp?ID=1791
http://www.votpusk.ru/country/dostoprim_info.asp?ID=1791
Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad 1340
Свято-Троицкая Сергиева Лавра
http://www.swr.de/schaetze-der-welt/dreifaltigkeitskloster-sergijew-possad/-
/id=5355190/did=5978066/nid=5355190/1gd0r63/index.html
Die Stadt Sergijew Possad (Сергиев Посад) gehört zu den Städten des Goldenen
Rings Russlands und liegt ca. 70 km nordöstlich von Moskau. Dreifaltigkeitskloster
von Sergijew Possad – eines der wichtigsten Zentren der russisch-orthodoxen Kirche.
In den 1340er Jahren ließ sich der Mönch Sergios von Radonesch auf einem Hügel im
Wald nieder und baute zusammen mit seinem Bruder eine kleine Holzkirche. Bald
entstand um die Kirche ein kleines Kloster. Mit der Zeit gewann das Kloster immer
mehr an Einfluss und entwickelte sich zu einem bedeutenden Wallfahrtsort.
Am 4. September 1530 wurde im Dreifaltigkeitskloster der neugeborene Sohn des
damaligen Großfürsten von Moskau auf den Namen Iwan getauft. Später ist er als
erster Zar von ganz Russland Iwan IV. der Schreckliche in die Geschichte
eingegangen. Iwan der Schreckliche ließ das Dreifaltigkeitskloster von Sergijew
Possad zu einer mächtigen Festung ausbauen. Anfang des 17. Jahrhunderts hielten die
massiven Mauern des Klosters der Belagerung durch die polnische Armee stand, die
bereits Moskau eingenommen hatte.
Im August 1689 floh der junge Zar Peter der Große in das Dreifaltigkeitskloster vor
Rebellen, die ihn vom Thron stoßen wollten.
Kasaner Kreml 1552
Kasan (Казань) ist die Hauptstadt der
Republik Tatarstan. Kasan liegt an der
Wolga, ca. 800 km südöstlich von
Moskau.

Der Kreml ist das historische Zentrum


von Kasan. Bereits im 10. Jh. siedelten
Bulgaren an der Wolga. Bis Mitte des
16. Jh. war Kasan ein wichtiger
Stützpunkt des mongolischen Reiches
der Goldenen Horde. Im Jahr 1552
eroberte Zar Iwan der Schreckliche
Kasan und machte die Region zum Teil
Russlands. Trotz des starken russischen
Einflusses konnten die Tataren jedoch
ihre kulturelle Identität weitgehend
bewahren.
Geschichts- und Kulturdenkmäler auf den
Solowetzky-Inseln am Weißen Meer
Die Solowetzky-Inseln, sechs Inseln im
Weißen Meer, sind nur 160 Kilometer vom
Polarkreis entfernt.
Geschichts- und Kulturdenkmäler auf den Solowetzky-
Inseln am Weißen Meer

• Im 16. Jh. war die Bruderschaft reich geworden, die


Holzkirchen wurden ersetzt durch steinerne Bauten.

• Später wurde die Klosterfestung zum Gefängnis, ein


orthodoxes Alcatraz, von Zar und Patriarch mit Häftlingen
beschickt.

• Viele Jahre gab es kein Haus, keine Kirche und kaum eine
Hütte auf den Inseln, in die nicht Gefangene gepfercht
worden wären. Das Lager Solowki war Russlands erstes
großes Häftlingslager, das Modell des sowjetischen
Lagersystems. (Alexander Solschenizyn - Archipel Gulag!)

• Heute leben wieder Mönche auf den Inseln


https://www.youtube.com/watch?v=l9K0aPMAS0M
• http://swrmediathek.de/player.htm?show=255e1440-11de-11e1-a01f-0026b975f2e6
• http://www.swr.de/schaetze-der-welt/solowetzky-inseln/filmtext-video/-

/id=5355190/did=5980786/mpdid=5980782/nid=5355190/d8d49g/index.html
MOSKAUER PERIODE (15. JH.)
SCHRIFTTUM DES 15. JH.

KSL. SCHRIFTTUM und PROFANES SCHRIFTTUM:

KSL. SCHRIFTTUM: EPIPHANIJ PREMUDRYJ († 1420-er): gelehrter Mönch.


Verfasste u.a.:

«ЖИТИЕ СТЕФАНA ПЕРМСКОГО» (Vita Stefans von Perm) (1396–98):


beschreibt das Leben und Werk des Missionars, der Komi (zyrjane) christianisiert
hat – und dabei ihre Sprache kodifiziert. Stefan hat sogar ein eigenes Alphabet dazu
entworfen. Vita enthält sehr wenig wirklich biographische Angaben, sie ist ganz in
der Tradition des Genres verfasst, in einem hohen, ausgeschmückten, elaborierten
Stil.

«ЖИТИЕ СЕРГИЯ РАДОНЕЖСКОГО» (1417–18): Sergij von Radonež ist der


größte russische Heilige († 1392). Diese Vita hat einen wesentlich nüchterneren
und berichtenden Charakter.
MOSKAUER PERIODE (15. JH.): SCHRIFTTUM DES 15. JH.
HISTORIOGRAPHIE:

Sehr produktive Periode für dieses Genre – auch mehrere lokale Werke. Ausgelöst v. a. durch
die historischen Ereignisse dieser Epoche:

1. Sieg über die Tataren


2. Aufstieg Moskaus
3. Niederwerfung Nowgorods
4. Endgültiges Ende des mongolischen Jochs

CHRONIKEN

LAURENTIUSCHRONIK (1377) – wichtigste Quelle für die Rekonstruktion der


Nestorchronik (s. o.).

LOKALE CHRONIKEN

MOSKAUER Chroniken: u. a. vom Metropoliten Kyprian (s. o.) (1408/09)


Chroniken von TWER: stärkster Konkurrent Moskaus, von Moskau E. d. 15. Jh.s
unterworfen
Chroniken von NOWGOROD: Berichte über den Sieg Moskaus über Nowgorod
MOSKAUER PERIODE (15. JH.): SCHRIFTTUM DES 15.
JH.S: ÜBERSETZUNGSLITERATUR

СКАЗАНИЕ ОБ ИНДИЙСКОМ ЦАРСТВЕ: legendär-utopische Narration. Entstanden


im 12. Jh. in der Byzanz, wurde – in lateinischer Version – für das slawische Schrifttum
adaptiert (vermutlich 13. Jh.). Russische Abschriften ab dem 15. Jh.

Serbische АЛЕКСАНДРИЯ: halblegendäre Biographie Alexanders des Großen. Abschriften


der serbischen Redaktion in Russland ab M. 15. Jh.s. Sehr beliebter Text.

GESCHICHTE DER TROJANISCHEN KRIEGE: russ. Abschriften Ende des 15 – Anfang


des16. Jh. Quelle: antikes Schrifttum / byzantinische Chroniken. Um die Jh.-Wende vom 15.
zum 16. Jh. wurde auch ein dt. Text dieses Inhalts übersetzt.

СКАЗАНИЯ О СОЛОМОНЕ И КИТОВРАСЕ: Züge der Komik, deutliche Nähe zur


Folklore. Zeitweilig auf dem Index verbotener Texte. Inhalt: Zyklus Erzählungen über die
Taten des Salomo (z. T. apokryphisch) + Geschichten über das weise Tier Kitowras (etwas wie
Kentauros) – schwach ausgeprägte moralisch-belehrende Komponente.

СТЕФАНИТ И ИХНИЛАТ: schwach ausgeprägte moralisch-belehrende Komponente.


Nach Russland aus der südslawischen Tradition eingewandert: Vorlage eine Fabelsammlung.
Quelle verm. Arabisch bzw. indisch.
MOSKAUER PERIODE (15. JH.): SCHRIFTTUM DES 15. JH.
PROFANES SCHRIFTTUM:

СКАЗАНИЕ О ВАВИЛОНЕ: auf byzantinischem frühchristlichem Material aufgebaute Narration; Züge des Abenteurromans (!)

ПОВЕСТЬ О ДРАКУЛЕ: russ. originale Bearbeitung der Legenden vom moldawischen Vojvoda Drakul.
Verm. In den 1480-er entstanden. Autor verm. ein russ. Hochgestellter Diplomat, der Mitglied der russischen
Gesandtschaft in Moldawien und Ungarn war, Fedor Kuricyn.

ХОЖЕНИЕ ЗА ТРИ МОРЯ АФАНАСИЯ НИКИТИНА (Afanasij Nikitins Reise über die drei Meere): Dieses Denkmal nimmt
eine absolute Sonderstellung in der Geschichte des russ. Schrifttums ein – in vielerlei Hinsichten: Genre: Reisebericht, kein Bezug zur
Pilgerliteratur, eher eine Art Reisetagebuch – also nicht für fremde Rezeption bestimmt. Sprache: Volkssprache mit – intentional
bedingten ksl. Einfügungen. Außerdem fremdsprachliche Einschlüsse (tatarische, indische etc.). Inhalt: Bericht über eine Handelsreise
(1466–72) des Kaufmanns Afanasij Nikitin aus Twer. Die Reise führte ihn über die 3 Meere – das Schwarze, Kaspische Meer und den
Aralsee – nach Indien. Auf der Rückreise, nicht weit von seiner Heimatstadt, starb er.

ПОВЕСТЬ О ПЕТРЕ И ФЕВРОНИИ: Abschriften aus dem 16. Jh., aber frühere Entstehung sicher.
Genre: an der Grenze zwischen einer Vita und einer Novelle: zwischen dem sakralen Schrifttum und einem
Unterhaltungstext. Inhalt: Bericht über einen lokalen (Murom) Fürsten, seine Liebe und seine Ehe. Einer der seltenen Texte, in denen
eine Frau im Zentrum des Berichts steht. Auch handelt es sich um keine Adelige, dafür aber um eine „weise“ Frau. Am Ende des Textes
steht ein sehr poetischer Bericht über den Tod der beiden: sie wollten am selben Tag sterben und gemeinsam beerdigt werden. Die
gemeinsame Bestattung wurde als unschicklich verweigert – man fand aber die Toten am nächsten Tage im selben Sarg. Auch nach
dem zweiten Versuch, sie getrennt zu bestatten, passierte dasselbe. Daraufhin wurden sie gemeinsam beerdigt.

СУДЕБНИК von 1497: Sammlung von Gesetzestexten, Regierungszeit Iwans des III (s. o.).
MOSKAUER PERIODE (16. JH.):
Kultur- und Sprachgeschichte

• 16. Jh. – Höhepunkt des 2. südslawischen Einflusses: deutliche Divergenz zwischen


der Schriftsprache und dem Idiom / Amts- (Kanzleisprache). Auf der Grundlage der
Moskauer Stadtsprache (→ koine) beginnt die Formierung des Neu-Russischen.

• Anfang d. 16. Jh. ist gekennzeichnet durch Polemik zwischen verschiedenen


Strömungen innerhalb der Kirche: Die Polemik betraf u. a. die immer stärkere
Intoleranz gegenüber vermeintlichen Häretikern (Anf. d. 16 Jh.s kommt es zu
verstärkten Verfolgung und zu Hinrichtungen); bzw. die Frage des Kloster- und
Kircheneigentums (Kirche gehörten enorme Landstreiche mit Siedlungen und ihren
Bewohnern).

• Im Kontext dieser Polemik entwickelt sich als neues Genre Publizistik (politische,
theologische, philosophische). Grundintention: Kontrolle des Staates / der Kirche über
die Kultur und Schrifttum / Literatur.

• In publizistischen Werken wird der Machtanspruch Moskaus verteidigt – auch die


Ideologie "Moskaus als III. Rom".
MOSKAUER PERIODE (16. JH.):
Einige wichtige Denkmäler
СТОГЛАВ:
• 1551: Kirchenversammlung (Sobor), dessen
Verfügungen in Form von 100 Kapiteln (= Stoglaw)
veröffentlicht wurden: Fragen des Zaren und
Antworten der Versammlung (Sobor) → Festlegung /
Festigung der Staatskirche/-Religion (s.u.
Schisma/раскол im 17. Jh.).

• Deutlich repressive Position gegenüber aller


vermeintlichen Häresie einschl.
Schauspieler/скоморохи.

• Fazit: Normen des religiösen und kirchlichen Lebens


MOSKAUER PERIODE (16. JH.):
Einige wichtige Denkmäler

• ВЕЛИКИЕ ЧЕТЬИ-МИНЕИ (МИНЕИ ЧЕТИИ):


Monatslesungen, erstellt unter Leitung des Erzbischofs von
Nowgorod (später Metropoliten von Russland) MAKARIJ.
12-bd. (à ca. 1000 Seiten in folio) Riesenwerk, in 3
Versionen überliefert.

• Grundstock: Vitae der Heiligen für die einzelnen Tage +


gesamte Literatur zu diesen Heiligen; Patristik,
Kirchenpublizistik, Kirchenstatuten, sogar die "Christliche
Topographie" (Weltbeschreibung) und Übersetzungsliteratur.

• Fazit: Lektürekanon des russischen Menschen.


MOSKAUER PERIODE (16. JH.):
Einige wichtige Denkmäler
ДОМОСТРОЙ
1. Redaktion – 1. H. d. 16. Jh.
2. Redaktion – M. des 16. Jh. – von СИЛЬВЕСТР,
Beichtvater und Person aus dem unmittelbaren
Umkreis des Zaren Iwan IV.

Fazit: Anleitung zum gesamten Alltagsleben einer


russischen Familie, deutlich patriarchalisch
konzipiert (Widerspiegelung der patriarchalen Idee
der Staatsordnung mit dem Zaren als Patriarchen,
dem Vater seiner Untertanen)
MOSKAUER PERIODE (16. JH.)
Einige wichtige Denkmäler:
Korrespondenz zwischen Iwan IV und Andrej Kurbskij
• Fürst Andrej KURBSKIJ, hochgebildeter Jugendfreund von
Iwan IV und Mitglieder der Regierungsgruppe in den 1550-
ern, musste 1564 vor den Repressionen des Zaren nach
Polen fliehen (Livland).
• Von da aus führte er (bis 1579) unerbittliche Polemik mit
dem Zaren gegen seine totalitäre Herrschaft. Iwan IV
verteidigt dagegen in seien Schreiben die Idee der
absolutistischen Macht. Es handelt sich somit um keine
Privatkorrespondenz, sondern um Publizistik.
• Beide treten auch sonst als Publizisten auf, Iwan IV auch als
Autor von Diplomatietexten; Kurbskij u. a. mit einem
Pamphlet gegen Iwan IV (1573, "История о великом князе
Московском").
ИВАН ФЕДОРОВ: Pionier des
Buchdrucks im Moskauer Russland
• Geboren im Raum Moskau (um 1518–1583 in
Lemberg)
• Er studierte an der Universität Krakau.
• Im Auftrage Iwans IV beginnt er 1553 mit der
Errichtung der ersten russischen Druckerei, wo er
1653–1564 das 1. russische Buch druckt – Апостол.
• Buchdruck wird von Teilen des Klerus als ein Zeichen
der Häresie betrachtet, die Repressionen führen dazu,
dass Fedorow 1566 aus Moskau nach Polen fliehen
muss. Dort gibt er weitere Bücher aus:
- 1569 Евангелие учительное (Neues Testament)
- 1570 Псалтырь (Psalter).
MOSKAUER PERIODE (16. JH.)
Einige wichtige Autoren: МАКСИМ ГРЕК
• МАКСИМ ГРЕК (Maxim Trivolis, um 1470 – um 1556)

• Gelehrter Grieche, lebte ab 1492 in Italien und wurde von


den Ideen des Humanismus (Stilrichtung) beeinflusst, von
denen er sich aber später los sagte und Mönchsweihe
angenommen hat – zuerst als Dominikaner, später kehrte er
zurück in die Orthodoxie. Auf den Ruf des Moskauer
Großfürsten Vassilij III kam er 1518 nach Moskau.

• Zweimal (1525 und 1535) vor dem Kirchengericht der


Häresie und der Nicht-Anerkennung der Autokephalie der
russischen Kirche angeklagt, eingekerkert und verbannt.
Später rehabilitiert. Autor mehrerer Sendschreiben und
Belehrungen.
MOSKAUER PERIODE (16. JH.)
Einige wichtige Autoren: ИВАН ПЕРЕСВЕТОВ
• Der erste wirklich weltliche Autor, der außerhalb der
Tradition der Slavia Orthodoxa steht.

• Eingereist nach Moskau aus dem Westen (Polen, Ungarn,


Moldawien) in den 1530-ern – zu dieser Zeit (Kindheit von
Iwan IV) regierte faktisch der Hochadel. Pereswetow tritt
entschieden dagegen auf: seine Texte ergreifen Partei für die
armen aber tapferen воинники (Berufsmilitär) und gegen die
faulen reichen Bojaren.
• Er hinterließ ein umfangreiches Korpus sehr
unterschiedlicher Genreprovenienz: Send- Bittschreiben
(faktisch Publizistik) an den Zaren, Prophezeiungen über die
glorreiche Zukunft von Iwan IV, Erzählungen über die
griechischen und türkischen Herrscher. Seine Texte zeigen
deutlichen Einfluss der Folklore und der Umgangssprache.
MOSKAUER PERIODE (15. JH.)

15 Jh. Steter Aufstieg Moskaus zum Zentrum der Macht in den russischen
Fürstentümern:
1453 Fall von Konstantinopel, Ende von Byzanz
1462–1505 IWAN III (Großvater IWANS IV SCHRECKLICHEN);
1472 Ehe mit der byzantinischen Prinzessin Zoe. Diese dynastische Verbindung
wie auch Kirchenunion und Fall von Konstantinopel führten zur Entstehung
der Doktrin und der Ideologie von Moskau als dem III Rom, die maßgeblich
die Weltanschauung des Moskauer Russlands beeinflussthat.
1463 Fürstentum Jaroslawl´ geht an Moskau
1472 Fürstentum Rostow geht an Moskau
1475 Tataren besetzen Krim (Vasallen des Osmanischen Sultanats)
1478 Nowgorod geht an Moskau
1480 Sieg über die Tataren, Ende der Fremdherrschaft – unter der Regierung von
IWAN III.
1499–1500 Überquerung des Uralgebirges – Beginn der Erschließung Sibiriens.

MOSKAUER PERIODE (16. JH.)

1502 Auflösung der Goldenen Horde.


1510 Pskow geht an Moskau
1521 Feldzug des Krim-Kazaner Heeres nach Moskau
1522 Rjazan´ geht an Moskau
1533–84 IWAN IV GROZNYJ (der Schreckliche); 1. russischer Zar (ab 1547).
Erfolgreiche Außen- und Wirtschaftspolitik. Währungsreform, Unifizierung
des Geldwesens, Verwaltungsreform neuer SUDEBNIK, Gründung des
halbregulären Strelitzen-Heeres
1552/56 Unterwerfung des Chanats von Kazan´
1553 Aufnahme von direkten Handelsbeziehungen mit England
1553 Gründung der Typographie (Pečatnyj dvor) in Moskau: Iwan Fedorow
(Diakon der Kirche von Kreml)
1556 Unterwerfung des Chanats von Astrachan´.
1565–72 Opritschnina: Terrorpolitik gegen den Adel und die Andersdenkenden
1558–83 Livländische Kriege
1564 Druck des 1. Buches in Russland: APOSTOL
1565 2. gedrucktes Buch: ČASOSLOW (= Stundenlesungen).
Iwan Fedorow wird der Häresie verdächtigt, die Typographie fällt einen
Brandanschlag zum Opfer, Fedorow muss nach Litauen (Polen-Litauen)
fliehen, später nach L´wiw (Lemberg). Später lebt und arbeitet er im Auftrage
des dortigen Fürsten in Ostrog.
1569 Feldzug des türkisch-tatarischen Heeres gegen Astrachan´
1571 + 1572 Feldzüge des Chan von Krim Dewlet-Girej gegen Moskau; seine Niederlage
1581 Beginn der Eroberung Sibiriens
1581–82 (erfolglose) Belagerung Pskows durch Stefan Batorij
1584 †IWAN IV GROZNYJ
1584 Gründung von Archangelsk (Hafen am Eismeer)
1588 Schwager des Zaren FEDOR, Boris Godunow, wird zum Reichsverweser
1589 Gründung des Moskauer Patriarchats
1591 Tod (Ermordung) von Zarevič DIMITRIJ, jüngster Sohn Iwans IV, in Uglič)
1590–93 Russisch-Schwedischer Krieg
1598 †Zar FEDOR, ohne männliche Nachkommen – Ende der Rurikidendynastie
1598–1605 Zar BORIS GODUNOW und hinterlässt den 16-jährigen Sohn Fedor
1600–03 Hungersnot in Russland: Allein in Moskau 127.000 Tote
1605–13 Smuta – Zeit der Wirren:
1604–06 Pseudo-Dimitrij I – entflohener Mönch Grigorij Otrep´ew;
konvertiert 1604 zum
Katholizismus (in Polen), heiratet eine polnische Adelige (Marina Mniszek)
06/1605 Kurz nach dem Tode Godunows Aufstand gegen seine Familie, die
ermordet wird.
20.07.1605 Pseudo-Dimitrij besetzt mit polnischer Unterstützung, sowie der
von Kosaken und
Bauern, Moskau, lässt sich krönen. In einem Volksaufstand im Mai 1606
gelyncht.
1606–07 Iwan Bolotnikow: Kosaken- und Bauernaufstände
1606–10 Zar Wassilij Šujskij (Bojare); 1610 abgesetzt und zur Mönchsweihe
gezwungen
1608–10 Pseudo-Dimitrij II (Tušinskij vor); polnisch-schwedische
Intervention
09/1610 Polnische Besetzung und Brand Moskaus
1611 Polnische Thronansprüche
1612 Bürgerwehr unter der Führung von MININ und POŽARSKIJ
1613 Eine Versammlung der freien Stände wählt als Zaren den 16-jährigen
MICHAIL ROMANOW (der zunächst zusammen mit seinem Vater, dem
Patriarchen) regiert.
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Moskauer Periode (15.-16. Jh.)

Thema Quelle
 Die wichtigsten Ereignisse der -PP
Moskauer Periode (15.-16. Jh.) -Zeittabelle MOSKAUER PERIODE
(15.-16. Jh.)
 Ikonenmalerei 15.-16. Jh. -Religionen und Konfessionen in
Ostslavia. Die orthodoxe Kirche in
 Geschichte des Schrifttums (15.-16. Russland.
Jh.) -Edgar Hösch. "Die Kultur der
Ostslawen". S. 102-172 (Moskovien).
 Russische Architektur (15.-16. Jh.) - http://whc.unesco.org/en/list/ (eng.)
Христосоваться
(Die Zeremonie des Osterküsses)
«Христос воскрес(е)! Хрыстос уваскрос!
Христос воскрес!
Christus (Der Herr) ist auferstanden!

Воистину воскрес(е)! Сапраўды


ўваскрос! Воістину воскрес!
Er ist wahrhaftig auferstanden!»
Ostereierspiele

Битки, битва яйцами


Николай Кошелев (1840-1918).

Дети, катающие пасхальные яйца. 1855 год


Русский музей, Петербург.
Großfürstentum Litauen
Lietuvos Didžioji Kunigaikštystė
Вялікае Княства Літоўскае
Велике князівство Литовське
Wielkie Księstwo Litewskie
Великое княжество Литовское
XIII Jh. - 1795
Großfürstentum Litauen
GFL ist ein multinationaler und multikultureller
Staat, der seinen Höhepunkt im 13-15 Jh. auf dem
Territorium der heutigen Länder Litauen, Lettland,
Ukraine und Belarus‘ sowie Teilen von Russland
und Polen erreichte.
Die wichtige (führende) Rolle in den kulturellen,
sprachlichen, wirtschaftlichen sowie territorialen
Sphären übernahmen im GFL die ostslawischen
Völker, vor allem die Belarussen und die Ukrainer.
• Expansionspolitik des GFL führte im Laufe des 14. Jh. zur
Eingliederung zahlreicher Fürstentümer und Städte der Rus
(Brest, Černyhiv, Hrodna, Kiew, Lucʹk, Minsk, Polack,
Smolensk, Turaŭ-Pinsk und Vicebsk) in den
Herrschaftsverband.

• Hauptstadt des Vielvölkerreiches, das zur „zeitweilig


beherrschenden Macht in Osteuropa“ (Hellmann 1989: 738)
aufstieg und sich wie Moskau gleichfalls Großfürstentum zu
nennen begann, wurde Wilna.

• Vom 13. bis 18. Jh. erstreckte sich das Großfürstentum


Litauen über das gesamte Territorium des heutigen Belarus’,
der Ukraine, Litauens, Lettlands und Teilen Russlands
(Smolensk und Brjansk), Polens (Białystok).
• http://www.euratlas.net/history/europe/1200/de_Nordost_Europa_1200.html (1200-1600)
Kulturmetropole Ostslavia: GFL vs. Moskau

1. Kiewer Rus (-12.) ˃ Wladimir Suzdal Rus (13.-14.)


˃ Moskauer Rus (15.-16.)

2. Kiewer Rus (-12.) ˃ Großfürstentum Litauen


/Wladimir Suzdal Rus (13.-14.) ˃ Großfürstentum
Litauen/Moskauer Rus (15.-16.) ˃ Moskauer Rus
(16.-)
GFL 13.-15. Jh.
Mindaugas/Міндоўг
(1238-1263)
Навагрýдак/Nawahrudak
Erst 1253 ließ sich der litauische
Herrscher Mindaugas taufen und erhielt
die Königswürde (300 Jahre nach der
Annahme des Christentums!).
Gediminas/Гедымiн
(1316-1341) Vilnius/Вiльна
Dynastie der Gediminiden
begründete. „König der Litauer
und Ruthenen“. Litauen stieg zum
Flächenstaat zwischen Ostsee und
Schwarzem Meer auf. Wirtschaftliche
und kulturelle Entwicklung des GFLs
wurde von der Bevölkerung
ostslawischer Länder bestimmt.
Die Einwanderung von Juden aus deutschen und
polnischen Gebieten begann.
Navagrudak: Hauptstadt (?) des Fürstentums Litauen
und die Residenz des Königs Mindovg/Mindaugas
Navagrudak: Hauptstadt (?) des Fürstentums Litauen
und die Residenz des Königs Mindovg
Vilnius:
Gediminas-Turm
1323
GFL 13.-15. Jh.
Großfürst Algirdas/Альгерд
(+Kęstutis) 1345−1377: Aufstieg
GFL zu einer osteuropäischen
Großmacht.

1385/6 eine Union mit dem


Königreich Polen (Union von
Krewo, s.g. Personalunion
Jogailo-Hedwig)
Die große Union von 1386
• Die Eliten Polens und GFL erkannten, dass sie gleiche Interessen
hatten. Der litauische Großfürst Jogaila wurde zum „Herrn und König des
Königreichs Polen“ bestimmt, zog in der damaligen Hauptstadt Krakau ein
und wurde mit der zwölf Jahre alten Königin Jadwiga (Hedwig) von Polen
vermählt und getauft.

• Für die Polen war er fortan Wladyslaw Jagiello und begründete damit eine
der großen Dynastien Europas (Jagiellonen).

• Bald winkte dem neuen Bund auch außenpolitisch Glück: 1410 besiegten
die vereinigten Heere den Deutschen Orden bei Tannenberg.

• Im Inneren begann ein langer Prozess des Zusammenwachsens: Litauische


Adelige erhielten polnische Wappen, und die katholische Kirche konnte
mit Litauen den letzten heidnischen Großstaat Europas missionieren. Nach
und nach wurden die litauischen Adelsgeschlechter polonisiert. Die
wachsende Macht dieser Aristokratie ist bis heute an Belarus‘ und
Litauens Schlössern und Burgen abzulesen.
Schlacht bei Tannenberg als Nationalmythos
• Die Schlacht bei Tannenberg wurde am 15. Juli des
Jahres 1410 im Ordensland Preußen unweit der Orte
Tannenberg und Grünfelde ausgefochten. Das Heer
des Deutschen Ordens gegen eine gemeinsame
Streitmacht des Königreichs Polen sowie des
Großherzogtums Litauen. Die Niederlage der
Streitmacht des Deutschen Ordens kennzeichnet den
Beginn den Aufstieg Polen-Litauens zur europäischen
Großmacht.

• Die Schlacht bei Tannenberg (als Schlacht bei


Grunwald) gehört seit dem 19. Jh. zum
Nationalmythos Belarus‘, Polens und Litauens.
Minsk
Kyiv
Polen-Litauen 16. Jh.
Unter dem Drängen des Adels in
beiden Staaten dekretierte der
polnische König Sigismund
August 1569 in Lublin die
Vereinigung Polens und GFL.
Nach der Lubliner Union 1569
wurde ein gemeinsamer Staat
Polen-Litauen gegründet
(Realunion).
Die Adelsparlamente tagten ein
letztes Mal getrennt; fortan gab
es nur noch ein Parlament
(Sejm), einen Herrscher, eine
Außenpolitik und eine Münze.
http://www.euratlas.net/history/europe/1600/de_Nordost_Europa_1600.html

1596 Kirchenunion von Brest


Großfürstentum Litauen als Teil des Doppelstaats
Polen-Litauen um 1618

http://map.letapis.by/en/#intro

ttps://commons.wikimedia.org/wiki/File:Polish-Lithuanian_commonwealth_1619_map.png#/media/File:Polish-Lithuanian_commonwealth_1619_map.png
Ukraine als Teil des Doppelstaats Polen-Litauen
• Nach der Eroberung Kyїvs 1240 durch die Mongolen geriet der
Osten der Ukraine unter Fremdherrschaft.

• Die zentralen Territorien gingen zum Großfürstentum Litauen


und später zu Polen über. Unter litauischer Herrschaft blühte die
ukrainische Sprache auf, doch verfiel sie wieder im Zug einer
anschließenden starken Polonisierung.

• Seit dem 16. Jh. wurden die ukrainischen Länder direkt dem
Königreich Polen unterstellt und die kulturelle und religiöse
Integration des ukrainischen in den polnischen Adel wurde
beschleunigt.

• Es bildete sich eine tiefe Kluft zwischen dem privilegierten


katholischen Adel und der orthodox gebliebenen ukrainischen
Unterschicht.
In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die
Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den
Unionsstaat schrittweise unter sich auf.
h ttp://схемо.рф/shemy/istorija/orlov-a-s-georgiev-v-a-georgieva-n-g-sivohina-t-a-istorija-rosi-v-shemah-2008-g/88.html

Rechtsufrige
Ukraine
1

2 3
Erste moderne Verfassungen weltweit

• Verfassung Korsikas 1755


• Verfassung der Vereinigten Staaten 1787
• Verfassung vom 3. Mai 1791 von Polen-
Litauen
• Französische Verfassung vom 3. September
1791
19 Jh. - 1991
• Durch die Teilungen Polen-L.s (1772, 1793, 1795)
fielen die Gebiete des Großfürstentums mehrheitlich
an das Zarenreich, von dessen zentralrussischen
Gouvernements sie sich kulturell deutlich
unterschieden.

• Zu Beginn des 20. Jh. entstanden neben den


nationalen auch übernationale Bewegungen, die sich
auf eine gemeinsame – auf die Zeit des
Großfürstentum zurückreichende – Identität von
Litauern, Belarussen und Polen in der Region
beriefen.
Kulturmetropole Ostslavia: GFL vs. Moskau

1. Kiewer Rus (-13.) ˃ Wladimir Suzdal Rus (13.-14.)


˃ Moskauer Rus (15.-16.)

2. Kiewer Rus (-13.) ˃ Großfürstentum Litauen


/Wladimir Suzdal Rus (13.-14.) ˃ Großfürstentum
Litauen/Moskauer Rus (15.-16.) ˃ Moskauer Rus
(16.-)
Kulturmetropole Ostslavia: GFL
1. Bevölkerung
2. Sprachlandschaft
3. Religion
4. Eigene Kultur
5. Kulturexport nach Moskauer Russland
XIV-XVI
GFL vs. Moskovien als Nachfolger der Kiewer Rus.

Bevölkerung:
• Vielvölkerreich, das zur zeitweilig beherrschenden
Macht in Osteuropa aufstieg und sich wie Moskau
gleichfalls Großfürstentum zu nennen begann
(Hellmann 1989: 738).

• Hauptbevölkerungsgruppen des Großfürstentums


waren Ostslawen, Litauer, Polen, Juden, Tataren.
Mehrheit der Bevölkerung sind Ostslawen,
ostslawische Kultur dominierte im Großfürstentum.
Kulturmetropole der Ostslawen?
Sprache:
• Baltische Elite nimmt sehr rasch die Sprache ihrer
slawischen Umgebung an.

• Bis zur Mitte des 17. Jh. war die ruthenische


(altweißrussische/altukrainische) Kanzleisprache im
Gebrauch (dann wurde Ruthenisch als offizielle
Hofsprache durch Polnisch ersetzt); die regional und
lokal verbreiteten Sprachen (u. a. Litauisch) und
Dialekte blieben erhalten.

• Bis ins 19. Jh. begegnet in den Quellen als


gemeinsame Fremd- wie Selbstbezeichnung ruthenus
(ruthenisch), prosta mowa oder ruski.
Die Kanzlei- bzw.
Amtssprache des
Großfürstentums war die
belarussische/altukrainische
Variante des
Altostslawischen

Liturgiesprache:
Evangelienübersetzung des
Vasil‘ Cjapinski (aus den 70er
des 16.Jhs) – eine
volkssprachliche Übersetzung,
die dem modernen Belarussisch
sehr nahe kommt.
Sprachlandschaft Polen-Litauen im Wandel
Als Sprache der Eliten des GFSs verlor diese Varietät des
Ostslawischen infolge der Unionen mit Polen allmählich an
Bedeutung.

Sprachwechsel in den Innungsakten von Wilna:

• Bis 1550 – sind sie je zur Hälfte in Latein und Ruthenisch


gehalten.

• Bis 1660 tritt erstmals das Polnische (20%) auf. Das


Ruthenische 37%.

• In der ersten Hälfte des 18. Jh. 65% der Dokumente polnisch
und nur noch 5% (!) in ruthenischer Sprache gehalten.
Sprachlandschaft Polen-Litauen: Ost/West

Die Zahlen aus der Hauptstadt sind allerdings


nicht ohne weiteres zu verallgemeinern! Im
Osten des GFL, wo auf dem Land Belarussisch
dominierte, vermochte sich das Altbelarussische
als Kanzleisprache länger zu behaupten (z.B. in
Orscha wurden noch 1683 die Gerichtsakten
ausschließlich in dieser Sprache geführt).
Kulturmetropole der Ostslawen?
Religion:
• Obwohl die meisten der slawischen Gebiete bald zur
christlichen Orthodoxie bekehrt wurden, blieben die
baltischen Gebiete des Großfürstentums Litauen heidnisch.

• Als der Großfürst Jogaila (s. oben Jahajla, Jagiello) zum


Katholizismus übertrat um 1386 die polnische Königskrone
zu erlangen, hielten Missionare in ihren Berichten fest, dass
die lokale Bevölkerung noch bis zum Ende des 14. Jh. einen
Feuerkult verehrte.

• Glaubenszugehörigkeiten: Orthodoxie, Katholizismus,


unierte Kirche (begründet 1596 in der Union von Brest) und
modifizierte Formen des alten heidnischen Glaubens. Starke
Gemeinden hatten dank der Religionsfreiheit auch Judentum
und Islam.
Kulturmetropole der Ostslawen?
Kultur (Buchdruck):
• 1517 Druck des 1. Buches (Bibelübersetzung) in
ostslawischer Sprache (Francysk Skaryna).

• Bei der von Skaryna übersetzten und auch gedruckten


Bibel handelt es sich um das erste überhaupt in einer
ostslawischen Sprache gedruckte Buch. Skarynas
Bedeutung und die seiner Bibelübersetzung für die
ostslawische Kultur entspricht etwa der Luthers für die
deutsche.

• 1553/64 Druck des 1. Buches in Russland: APOSTOL


(1564 - Iwan Fedorow)
Skarynas Bibel
Kulturmetropole der Ostslawen?
Kulturexport nach Russland:
Dritter südslawischer Einfluss
Das Bedürfnis der Drucker nach Einheitlichkeit führten zu
Kodifikationsversuchen des Kirchenslawischen in
Grammatiken (die Grammatik von Meleti Smotryzky 1619) und
Wörterbüchern (von Pamwo Berynda 1627), die eine hohe
Verbreitung erfuhren und damit normative Kraft entfalten
konnten.

Sie alle entstanden im von Kulturkontakten geprägten Raum


der (süd)westlichen Rus (= GFL bzw. Polen-Litauen). Das
hiermit normierte und kodifizierte System des
Neukirchenslawischen fand in der Mitte des 17. Jh. mit
ukrainischen und belarussischen Gelehrten seinen Weg nach
Moskau. Dieser Kulturimport wird als Dritter südslawischer
Einfluss bezeichnet.
Magdeburger Recht
In dieser Zeit erlebten die belarussischen u. einige
ukrainischen Städte (Minsk, Wizebsk, Polazk, Homel,
Pinsk, Lwiw ) und auch die belarussische Kultur eine
Blütezeit.
Innerhalb der Stadt wurde den Bürgern durch das
Stadtrecht die persönliche Freiheit, das Eigentumsrecht,
die Unversehrtheit von Leib und Leben und die
geregelte wirtschaftliche Tätigkeit garantiert.
• Lwiw 1356
• Brest 1390
• Minsk 1499
• Polack 1498
• Navagrudak 1511…
Kulturmetropole Ostslawia?
1. Bevölkerung
2. Sprachlandschaft
3. Religion
4. Eigene Kultur
5. Kulturexport nach Moskauer Russland:
Das Großfürstentum Litauen war die ostslawische kulturelle
(orthodoxe) Führungsmacht 13.-15. Jh. (+ Moskauer Rus‘)
1. Kiewer Rus (-12.) ˃ Wladimir Suzdal Rus (13.-14.) ˃ Moskauer Rus
(15.-16.)
2. Kiewer Rus (-12.) ˃ Großfürstentum Litauen /Wladimir Suzdal Rus
(13.-14.) ˃ Großfürstentum Litauen/Moskauer Rus (15.-16.) ˃ Moskauer
Rus (16.-)
Das Großfürstentum (+Moskau) war die neue ostslawische kulturelle
Führungsmacht!
Heute versuchen sowohl das litauische als auch
das weißrussische und polnische historische
Gedächtnis, sich das Großfürstentum
anzueignen.
Das Wappen der Republik:
Litauen Vytis (1991) „der Verfolger“ Belarus Pahonja
(1991 -1995)
M.Niendorf „Das Großfürstentum Litauen“, 2006
erobert ‒ Ende der Kiewer Rus´. 1284 Sieg des slawisch-litauischen Heeres gegen die Tataren
(Mohilno).
1362 Sieg des slawisch-litauischen Heeres gegen die Tataren
(Синие воды). Protektorat über Kiew, Tschernigow u.a.
1785 Magdeburger Recht («Грамота на права и Magdeburger Recht:
выгоды городам Российской империи» bzw. 1324 Wladimir-Wolhynski
«Жалованная грамота городам»). 1387 Wilna
1380 1. Sieg über die Tataren – unter dem 1325 Protektorat über Pskow, Smolensk, Kiew – später gehören
Moskauer Fürst Dmitrij Donskoj. Dieser Sieg sie ganz zu Litauen: Übernommen werden auch Witebsk,
hat zwar noch keinen Bestand. Turow, Pinsk, Galizien (geht 1349 an Polen) und Wolhynien.

15 Jh. Steter Aufstieg Moskaus zum Zentrum der 1410 Sieg des slawisch-litauischen Heeres gegen den Deutschen
Macht in den russischen Fürstentümern. Orden bei Tannenberg (Grünwaldschlacht)
1453 Fall von Konstantinopel, Ende von Byzanz (Moskau als III Rom)
1480 Sieg über die Tataren, Ende der 1529 1. Litauisches Statut
Fremdherrschaft (IWAN III.) (1791 Verfassung von Polen-Litauen/)
1918 Verfassung von Russland
1550 Neuer Sudebnik 1468 Sudebnik von Kasimir IV.
1553 Gründung der Typographie in Moskau. 1522 Gründung der Typographie in Vilnius

1564 Druck des 1. Buches in Russland: 1517 Druck des 1. Buches in ostslaw. Sprache (Francysk
Skaryna).
Apostol
Iwan Fedorow wird der Häresie verdächtigt,
und muss nach Litauen fliehen, später nach
L´wiw. Später lebt und arbeitet er im Auftrage
des dortigen Fürsten in Ostrog
1576 Ostrog Akademie,
1755 Moskauer Universität 1579 Vilnius Universität
Literatur
• Stang, Christian: Die westrussische Kanzleisprache des
Grossfürstentums Litauen. Oslo 1935 (= Skrifter utgitt av
Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo, Historisk-
filosofisk Klasse 1935,2).
• Moser, Michael: „Mittelruthenisch (Mittelweißrussisch und
Mittelukrainisch): Ein Überblick“. In: Studia Slavica
Academiae Scientiarum Hungaricae 50 (2005), Nr. 1–2, S.
125–142.
• Hellmann M. 1989: Das Großfürstentum Litauen bis 1569.
Ders., Plaggenborg S., Schramm G., Zernack K. (Hg.):
Handbuch der Geschichte Rußlands Bd. 1, I. Stuttgart, 718–
851. Kiaupa Z., Kiaupienė J., Kuncevičius A. (ed.) 2000:
The History of Lithuania Before 1795. Vilnius. Niendorf M.
2004: Studien zur Nationsbildung in der Frühen Neuzeit.
Das Großfürstentum Litauen 1569–1795. Wiesbaden, 2006.
UNESCO-Liste des
Weltkulturerbes:

• Schloss Mir,

• Architektonisches
und kulturelles
Erbe der
Adelsfamilie
Radziwill in
Nieswiez
UNESCO-Liste des
Weltkulturerbe: Schloss Mir
• 100 km von Minsk
• Kleine Siedlung mit dem Namen Mir
• Das erste Mal wurde 1395 urkundlich erwähnt
• Die Errichtung der Schlossanlagen begann
Anfang des 16. Jh.
• Das Schloss ist ein einzigartiges Baudenkmal der
belarussischen Architektur. In ihm sind
architektonische Züge mit verschiedenen
Elementen der europäischen Baustile Gotik,
Renaissance, Barock erkennbar.
UNESCO-Liste des Weltkulturerbe
• Das Schloss Mir wurde von bekannten
belarussischen und europäischen Familien
besessen: Die Familien Ilinitschi und Radzivilly
(1569), die Wittgensteins (1813) und Swjatopolk-
Mirskie (1891).
• Der Gründer des Schlosses war ein Magnat Jurij
Ilinitsch, der im Großfürstentum Litauen eine
bedeutende Stellungen bekleidete.
• Derzeit ist Schloss Mir eine Filiale des Nationalen
Kunstmuseums der Republik Belarus.
http://belarus-blog.de/ausflug-in-die-provinz-schloss-mir/
https://www.youtube.com/watch?v=aNzl93l2-28 https://www.youtube.com/watch?v=MyYEnNeqDEA https://www.youtube.com/watch?v=2oHLSyPQptQ
Architektonisches und kulturelles Erbe der
Adelsfamilie Radziwill in Nieswiez

Die Radziwill-Dynastie baute hier ab dem 16. Jh.


an einem Ensemble bestehend aus dem
Residenzschloss und der Fronleichnamskirche.

Verbunden mit der Bedeutung der Familie ist auch


der Einfluss auf Wissenschaft, Kunst,
Kunsthandwerk und Architektur den sie auszuüben.
Нясвіж
Im XIII. Jh. erstmals erwähnt.
Die Blütezeit der Stadt fällt auf
Mitte des XVI. Jh.

Hier wurde die erste Druckerei


Weißrusslands gebaut, in der
die erste Bibel auf Belarussisch
gedruckt wurde.

• Bernhardinerkloster (1598)
• Kirche und Kloster der
Benedikterinnen (1593-
1596)
• Rathaus (1586)
• Jüdischer Friedhof
• Sluzker Tor (1650, 1700)
Palastensemble der Radziwills
(das XVI-XVIII. Jh.)

Italienische Architekt Giovanni Bernardoni


Fronleichnamskirche (1587-1593), eine der
ältesten Kirchen der Jesuiten weltweit
Rathaus (1586)

Sluzker Tor (1650, 1700)


Großfürstentum Litauen

Themen Quellen*

Großfürstentum Litauen: - PP
 Mindaugas, Gediminas, Algirdas
 1386 eine Union mit dem Königreich Polen (Union - Edgar Hösch. "Die Kultur der Ostslawen".
von Krewo, s.g. Personalunion Jogailo-Hedwig) S. 86-102: Das zweigeteilte Russland; Der
 1569 Lubliner Union gemeinsamer Staat Polen- s.g. zweite südslawische Einfluss in Russland;
Litauen (Realunion). Ansätze zu einer osteuropäischen
 1596 Kirchenunion von Brest „Frührenaissance“
 1772, 1793 und 1795 – die drei Teilungen Polens
 Nachfolgestaaten des Großfürstentums Litauen - Zeittafel GFL
 Kulturmetropole Ostslavia: Großfürstentum Litauen
vs. Moskau:
- Bevölkerung GFL
- Sprachlandschaft GFL
- Religion GFL
- Kultur GFL (1517 Druck des 1. Buches in
ostslawische Sprache - Francysk Skaryna).
- Kulturexport nach Moskauer Russland (Dritter
Südslawischer Einfluss)
 UNESCO-Liste des Weltkulturerbe: PP
- Schloss Mir
- Architektonisches und kulturelles Erbe der http://whc.unesco.org/en/list/&order=country#alphaR
Adelsfamilie Radziwill in Nieswiez (eng.)

*(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)


Die rot markierten Daten sind zu wissen!

1253 Mindaugas (Großfürst 1236-1263) wird als König des GF Litauens gekrönt.

1260 Litauischer Sieg über den Deuschen Orden bei Durbe.

1316-1341 Großfürst Gediminas erweitert das GFL Machtgebiet erheblich.

1323 Vilnius wurde erstmalig in den schriftlichen Quelen (als Haupstadt GFL) erwehnt.

1345-1377 Gediminas Söhne Algirdas und Kestutis ( Olgerd und Kinstute ) teilen sich die
Herschaft des Reiches.

1362 Schlacht am Blauem Wasse. Algirdas besiegt die Tataren.

1386 Jogaila älteste Sohn von Algirdas, heiratet die polnische Königstochter Hedwig und wird
zum König von Polen gekrönt. Er begründet die Union mit Polen, doch bleibt GFL
selbständiges Großfürstentum unter polnische Oberhoheit.

1387 Christianisierung Litauens.

1392-1430 Großfürst Vytautas (Witold ) erweitert das Reich bis an die Schwarzmeerküste
westlich der Krim, stirbt aber vor seiner Krönung zum litauischen König.

1410 Schlacht bei Tannenberg. Niedergang des Deutschen Orden.

1569 Union von Lublin: Gründung des litauisch-polnischen Doppelstaates.

15. u. 16. Jh. GFL gerät zunehmend unter den Einfluß Polens.

1547 Das erste litauische Buch, der Katechismus Luthers in litauische Sprache.

1596 Kirchenunion von Brest: Spaltung der orthodoxen Kirche in Polen-Litauen

1579 Die Universität Vilnius wird gegründet.

1632 Begründung des Kiewer Kollegiums durch Petro Mohyla

1795 Durch die dritte Teilung des Polnisch-Litauischen Reiches, GFL wird dem russischen
Zarenreich zugeteilt.
Romanows Dynastie

Petrinische Zeit
Die erste Wendung zum Westen
Smuta – Zeit der Wirren (1598 – 1613)
Als die Smuta oder Zeit der Wirren wird in der Geschichte
Russlands die Zeit von der Krönung des Zaren Boris Godunov
1598 bis zur Krönung des Zaren Michael I. (Romanows Dynastie)
1613 bezeichnet.

Die Smuta kann somit in drei unterschiedliche Krisen unterteilt


werden:

• eine dynastische (Aussterben der Rujrikiden)

• eine soziale (Machtkämpfe zwischen Hocharistokratie und


Dienstadel, Erschütterung der Wirtschaft und der Sozialstruktur)

• eine nationale Krise (Interventionen ausländischer Mächte:


Polen-Litauen,
die sich gegenseitig überlappen.
Smuta (1598 – 1613)
• Boris Godunow (1598 –1605) gelangte an die Macht
durch die Wahl des Semski Sobor (eine russische
Ständeversammlung)

• Dimitri I. „der Falsche“ Лжедмитрий (1605–1606) -


mit Hilfe des Polenkönigs Sigismund III. Wasa. Er trat
zum Katholizismus über (!)

• Wassili IV. Schujski (1606–1610) starb in polnisch-


litauischer Gefangenschaft (1612)

• Władysław IV. Wasa (1610 – 1613) - designierter Zar


(gewählter König von Polen und Großfürst von Litauen, der
Herrscher des Staates Polen-Litauen)
Haus Romanow (1613 – 1917)
Michael I. (1613–1645): Erster Zar aus
dem Haus Romanow

Nikolaus II. (1894–1917): Der letzte


Alexei I. 1645–1676
(Алексей Михайлович) „der Sanftmütigste“ (Кроткий)
• 1654-1667: Krieg mit Polen-Litauen (Smolensk und die
Ostukraine wurden Teile Russlands).

• Алексей Михайлович beendete die jahrhundertelange


polnisch-litauische Dominanz in Osteuropa zu Gunsten
Russlands.

• Mit der Eingliederung dieser Territorien (Teile der heutigen


Ukraine, Belarus‘, Westrusslands) sind riesige Kontingente
neuer Bürger ins Land gekommen, die über Jahrhunderte –
neben dem ererbten Kulturmodell der Orthodoxen Slavia –
am westeuropäischen Kulturmodell des polnisch-litauischen
Staates teilgenommen haben.
Kultur- und Sprachgeschichte (17. Jh.):
Allgemeine Tendenzen
In diesen Gebieten waren bei der
Nach der Inthronisierung orthodoxen ostslawischen
der Romanows Bevölkerung mehrere Sprachen in
(21.02.1613) konnte das Gebrauch: die jew. Dialekte,
immer stärkere Russland Altbelarussisch, Altukrainisch,
Polnisch, bei bestimmten Ständen
dem schwächelnden Polen- auch zunehmend Latein. Daneben
Litauen nach und nach die entwickelte sich eine besondere
ostslawischen Schriftsprache, die von
Sprachterritorien M. d. 14. – M. d. 16. Jh. auch als
abnehmen, die seinerzeit Kanzleisprache des Großfürstentums
das Großfürstentum Litauen Litauens fungierte (Litauisch wurde
sehr spät verschriftet) – Prosta
an sich brachte. Mowa.
Kultur- und Sprachsituation in Russland im 17. Jh.
Praktisch nur aus diesen Gebieten kamen im
westlichen Sinne gebildeten Menschen ins Moskauer
Russland (3.SSE?) der ersten Romanows. Einige von
ihnen konnten bis in die höchsten kirchlichen und
staatlichen Ränge aufsteigen – so wurde der Dichter
und Gelehrte Symeon von Polazk (Симеон Полоцкий)
Erzieher der Kinder des Zaren Алексей Михайлович

Симеон Полоцкий war ein russischer,


belarussischer und polnischer Mönch und
Schriftsteller. In Moskau war er an der
Klosterschule als Lehrer und Übersetzer tätig.
Kultur- und Sprachsituation in Russland im 17. Jh.
Über Vermittlung dieser europäisierten Ostslawen
änderte sich die Kultur- und Sprachsituation in Russland
grundlegend – das Ende der Orthodoxen Slavia wird
eingeläutet:
- Ende der Diglossie;
- Verweltlichung (Säkularisierung) des Schrifttums
(es entstehen z.B. erste Liebes- und Abenteuerromane, Liebeslyrik,
überhaupt Dichtung nach polnisch-litauischem Versmaß – virši).
Unter Zar Alexei gibt es auch den ersten Versuch, das
Theater in Russland zu etablieren – aber ohne Erfolg:
Theater wird nach wie vor als Zeichen der Häresie
angesehen.
Peter I., der Große;
Пётр Первый/Великий (1672–1725)
• Sohn Alexeis I. Peter I. regierte (1682) 1694 - 1725.
• Westeuropäische Einfluss auf Peter I.:
(1) Moskauer Ausländervorstadt Nemezkaja sloboda,
ein Leben nach westeuropäischem Modell.
(2) 1697–98 reist Peter I. inkognito mit der sog.
Großen Gesandtschaft nach Westeuropa.

• Ziel der westorientierte Politik: Schaffung eines


funktionierenden starken Staates, wohl organisiert,
mit starker Armee und Flotte, ausgebautem
Handelsnetz, einem Bildungssystem.
Große Gesandtschaft nach Westeuropa 1697/98 durch
Holland, Deutschland, Venedig, England, Österreich
Große
Gesandtschaft: Am
20.03.1697 brach
der junge Zar Peter
zu seiner Reise
durch Europa auf.
Achtzehn Monate
sollte diese
einmalige
Erkundungsreise
dauern. Geleitet
wurde die GG von
Peters Freund und
Ratgeber F.Lefort
(einen Kaufmannssohn
aus Genf).
Große Gesandtschaft 1697/98
• 2 Hauptziele: Staatslenkung, Wirtschaft, Industrie
Kriegsführung kennenzulernen und Bündnispartner gegen
das Osmanische Reich zu finden. http://www.euratlas.net/history/europe/1700/de_index.html

Peter der Große übernahm neben neuen Militärtechnologien auch


Errungenschaften bei der Entwicklung von Industrie und
marktwirtschaftlichen Prinzipien.

Russlands Außenpolitik in vorpetrinischer Zeit beschränkte


sich hauptsächlich auf Beziehungen mit der Türkei, Schweden
und Polen-Litauen.

• Nach den petrinischen Reformen begann Russland sich an


internationalen Abkommen und Bündnissen zu beteiligen.
Umfassende Reformen
• Abschaffung der altrussischen (byzantinischen)
Zeitrechnung: Umstellung des Kalenders - zum
01.01.1700 auf julianisch. Kalender (gregorian. 1918)
• Zarstwo (царство) > Imperija (империя)
• Rus‘ (Русь), Moskowien (Московия) > Rossija
(Россия)
• Zwei verschiedene Bilder von Peter (bis heute):

1. Genialer Reformer > Führung Russland aus dumpfer


Barbarei auf Höhen europäischer Kultur;

2. Brutaler Zerstörer „des wahren Russentums“


(gewaltsam in „westliche“ Richtung)
Umfassende Reformen
Verbot der traditionellen Kleider- u. Barttracht. Westliche
Kleidung für die höheren sozialen Kreise verbindlich
verordnet. Männer müssen sich zudem Bärte rasieren –
früher für einen orthodoxen Mann unvorstellbar!
Umfassende Reformen
• Reorganisation der Verwaltung: Durch die
Dienstgradtabelle (Табель о рангах) können sich
nun auch untere Stände im zivilen oder militärischen
Dienst hochdienen und ab einem bestimmten
Dienstgrad persönlich bzw. auch erblich geadelt
werden. Männliche Jugendliche müssen mit ca. 16
verpflichtend in den untersten Dienstgrad des
militärischen oder zivilen Staatsdienstes eintreten.
• Steigerung der Produktion, Förderung der
Manufakturen.
Umfassende Reformen
• Errichtung von Schulen + Druckereien: Fachschulen
v.a. im Bereich der Technik, der Mathematik, der
Artillerie, der Navigation etc.
• Peter I. förderte Verbreitung der Wissenschaft (als
Mittel zur Ausnutzung der Staatsressourcen) - 1724
wird Akademie der Wissenschaften in St.-Petersburg
gegründet.
• Erste russische Zeitung herausgegeben („Vědomosti“)
• Frauen müssen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen
– in den Jahrhunderten davor wurden höher gestellte
Frauen zum Leben im Hause verurteilt (Domostroj ).
Umfassende Reformen
• Moderne Armee gegründet.
• Russische Flotte erstmalig aufgebaut.
• 1695–98 Krieg gegen die Krimtataren. Es gelingt,
Zugang zum Azov’schen Meer (und damit auch zum
Schwarzen Meer) zu erlangenhttp://www.euratlas.net/history/europe/1700/de_index.html

• 1700–21 Nordischer Krieg gegen Schweden:


Russland bekommt Zugang zur Ostsee und wird
zum wichtigen politischen Faktor in der
europäischen Politik.
• 1703 wird St.-Petersburg an der Newa-Mündung
gegründet (Venedig des Nordens).
Peter I. und die Kirche
• Die russische Kirche - oppositionelle Gegner
Peters Reformen.
• Ab 1721 die russisch-orthodoxe Kirche - unter
Staatsverwaltung (Heiliger Synod «Священный
Синод», das Geistliche Kollegium, ersetzte
Moskauer Patriarchat).
• Unierte Kirche und Altgläubige sind bei Peter 1
(раскольники, староверы) besonders verhasst.
Kultur- und Sprachsituation in Russland im 18. Jh.

Fragen der Kultur im engeren Sinne, einschließlich der der


Sprache – stellten sich dabei eher mittelbar: Das KSl. war nicht
imstande, als neuzeitliche Schriftsprache zu fungieren (es
wurde ja seinerzeit ausschließlich für Missionszwecke
erschaffen).

Russisch wurde zu dieser Zeit nur mündlich gebraucht* –


daneben existierte allerdings eine, seit dem 17. Jh. sukzessive
expandierende, Amtssprache auf volkssprachlicher Basis.

Als Fremdsprachen waren zur Petrinischen Zeit vorwiegend


Holländisch und Deutsch gefragt – ihrer war der Zar auch
selbst mächtig.
* Birkenrindenurkunde
Im Stadtgebiet von Nowgorod gefunden, auf
Birkenrinde geschriebene Texte in slawischer
Sprache (11.–15. Jh.)
Kultur- und Sprachsituation in Russland im 18. Jh.
Für seine Reformen brauchte Peter auch viele
Übersetzungen aus verschiedenen Fremdsprachen –
übersetzt wurden v.a. Werke zur Technik, Militärwesen,
Geschichte, Naturwissenschaften.

Somit zeichnet sich die Sprache des weltlichen


Schrifttums der Petrinischen Zeit durch sehr starke
Heterogenität – relativ ungenormt werden von den
Verfassern Elemente aller genannten Sprachen –
einschließlich des KSl. – eingesetzt. Dies bringt einige
Forscher dazu, das Russland der 1. Hälfte des 18. Jh. als
„sprachliches Niemandsland“ zu bezeichnen.
(Issatschenko, Geschichte der russischen Sprache, Bd. 2, 1983).
Schriftreform
• Peter der Große führte 1708 - 1710 eine Schriftreform
durch. Bürgerliche Schrift гражданский шрифт
(graždanskij šrift)
• Trennung zwischen bürgerlichem und
kirchenslawischem Alphabet: die bürgerliche Schrift
für weltliche Bücher.
• Peter 1. ließ Betonungs- und Abkürzungszeichen
sowie einige Buchstaben ζ (ksi), ψ (psi), ω (omegа)
verschwinden und vereinfachte so den weltlichen
Schriftverkehr.
• neue Buchstaben э (Spiegelung des Buchstaben Є), я
(ein rundes Ѧ ohne mittleres Bein) wurden eingeführt.
http://zen-designer.ru/articles/410-alfavit-shrift-nachertanie?start=1

Kirchenslawisches
Alphabet, das sich
nur schlecht für den
Buchdruck eignete,
durch modernisierte
bürgerliche abgelöst:
(graždanka).

Das alte Alphabet


durfte aber nach wie
vor in der Kirche
verwendet werden
(bis heute).
Peter I. Zusammenfassung:

Modernisierung und territoriale Expansion


(Gewinnung von Territorien an Ostseeküste +
Zugang zum Schwarzen Meer) - Voraussetzung für
Aufstieg zur europäischen Großmacht.
UNESCO-Weltkulturerbe

Historisches Zentrum von St.-Petersburg und


dazugehörende Ensembles (Gattschina, Kronstadt,
Lomonossow, Pawlowsk, Peterhof, Puschkin,
Schlüsselburg).
UNESCO-Weltkulturerbe
• 1703 ließ Zar Peter der Große eine Stadt mit Zugang
zum Baltischen Meer bauen.

• Von 1712 bis 1918 war St.-Petersburg die Hauptstadt


von Russland und Residenz russischer Zaren.

• Die besten Architekten und Künstler aus ganz Europa


haben westeuropäische Baustile dem russischen
Geschmack angepasst: Barock und Russischer Barock
(frühes 18. Jh.) - das Winterpalais, das Smolnyj-
Kloster.
Зимний дворец
Historisches Zentrum
von St.-Petersburg
• С

http://www.nice-places.com/articles/russia/peterburg/467.htm

Смольный
монастырь
Historisches Zentrum

von St.-Petersburg
Russischer Barock
• Der bekannteste Vertreter dieses Stils war der italienische
Architekt Bartolomeo Rastrelli.

• Einige Bauten verbinden den Barock mit der russischen


Baukunst und prägen den sog. „Petersburger Barock“ (z.B.
Smolnij Kloster).

• Die Bauwerke im Stil Barock haben kostbare Verzierungen,


z.B. an Fenstern (im Vergleich zum Klassizismus).

• Typisch sind die Farbspiele zweier Farben (z.B. Weiß/Grün


beim Winterpalast, Weiß/Blau beim Smolnij Kloster).
Einige typische Bauwerke im Barockstil:

Der Winterpalast, Stroganow-Palast, Woronzow-Palast, Katharinenpalast in Zarskoje


Selo, Smolnij-Kloster, der Belosselski-Palast (Neobarockstil).

*Naryschkin-Barock (auch Moskauer Barock) http://www.gopiter.ru/piter/static/panorams/


Klassizismus (zweite Hälfte des 18. Jh. – Anfang des 19. Jh.):
Die Akademie der Künste, der Große Kaufhof, Hauptpostamt,
Smolnyi-Institut, die Kasaner Kathedrale, der Schlossplatz
mit der Alexandersäule und dem Generalstab, die
Isaakskathedrale und viele andere.
... dazugehörende Ensembles
• Zarskoje Selo (Puschkin) Die Hauptsommerresidenz
der russischen Zaren mit dem Katharinenpalast und
dem Bernsteinzimmer.
• Pawlowsk Die jüngste Sommerresidenz der
russischen Zaren.
• Oranienbaum Ein Ensemble mit Palästen, einer
Orangerie und einer großen Parkanlage.
• Gatschina Ein schöner Landschaftspark mit Seen,
kleinen romantischen Pavillons und einem Palast.
• Strelna die Parkanlage und der Große
Konstantinpalast.
Zarskoje Selo

Pawlowsk

Oranienbaum
Festungsanlagen in der Nähe von St.-Petersburg
UNESCO-Liste des Weltkulturerbes
Kronstadt. Der historische Kern mit der Festung
Festung Schlüsselburg. In der Stadt liegt die Festung
Nüsschen (russisch: крепость Орешек) aus dem 14. Jh.

http://www.geo.de/reisen/community/bild/133955/Ladogasee-Russland-Schluesselburg

http://getpath.ru/articles/oreshek
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)

Petrinische Zeit
Thema Quelle
 Smuta – Zeit der Wirren PP „8. Romanows Dynastie, Petrinische Zeit.“
 Alexei I. vs. Polen-Litauen
 Kultur- und Sprachsituation in Edgar Hösch „Petrinische Zeit“ (PDF-Seiten 1-
Russland 17. Jh. (Ende der 17).
Diglossie; Verweltlichung des
Schrifttums; neue Bürger)
 Peter I., der Große.
Petrinische Reformen
 Russischer Barock
 UNESCO-Welterbe in Ostslavia: PP „8. Romanows Dynastie, Petrinische Zeit.“
Historisches Zentrum von Sankt
Petersburg und dazugehörende http://whc.unesco.org/en/list/&order=country#alphaR

Ensembles (Gattschina, Kronstadt, https://www.russlandjournal.de/russland/sankt-petersburg/historisches-


Lomonossow, Pawlowsk, Peterhof, zentrum/
Puschkin, Schlüsselburg).
Katharina II. Nikolaus II.
1762 – 1917
Zwischen Peter I. und Katharina II. (1725 – 1762)
Peter I. †1725 /………../Katharina II., „die Große“ 1762-1796

• Katharina I. (1725 – 1727) Martha Elena Skawronska - war die Tochter


eines litauischen Bauern(!), Samuil Skawronski. Sie erlernte nie Lesen und
Schreiben (?!).

• Tochter einer litauischen Bauernfamilie ˃ verheiratete mit einem


schwedischen Dragoner ˃ Geliebte des Generalfeldmarschalls
Scheremetews ˃ Geliebte des russischen Fürsten Menschikows ˃ Geliebte
des Peter I. ˃ zweite Frau des Peter I. ˃ regierende Kaiserin von Russland.

• Elf Kinder mit Peter I. Erstmals wurde nicht eine Adlige, sondern eine aus
der niedrigen Gesellschaftsschicht stammende Frau, Gattin eines Zaren. Sie
starb 1727.

• Menschikow regiert de facto. Fortsetzung der Politik Peters des Großen.


Katharina I.
http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/754914
Anna Ioannowna, Jelisaweta Petrowna, Peter III.
(1730 – 1762)
• 1730-1740 Anna von Kurland (Anna Ioannowna), Halbnichte vom Zar Peter
I. Ihre Regierungszeit wird als die „dunkle Epoche“ bezeichnet.

Viele Ausländer (vor allem Deutsche) in Regierungsstellen und im Heer. Der


Favorit der Anna Ioannowna: Ernst Johann von Biron (regiert de facto). Zeit
der Herrschaft der Birons: Bironowschtschina (Бироновщина).

• 1741-1762 Elisabeth (Jelisaweta Petrowna) förderte die Wissenschaft und


die Barockkünste. Strenge Religionspolitik: Juden, Moslems, Altorthodoxen
gegenüber war die Kaiserin feindlich eingestellt. Während ihrer
Regierungszeit wurden die Lomonossow-Universität (1755) und das
Nationaltheater (1756: Alexandrinski-Theater in S.Petersburg) ins Leben
gerufen, Todesstrafen in Verbannungsurteile umgewandelt.

• Peter III. (Karl Peter Ulrich von Schleswig-Holstein-Gottorf) (1762) – Ehemann der
Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst-Dornburg (Katharina II).
Kultur- und Sprachsituation in Russland
zwischen Peter I. und Katharina II.
Ab 1730 ist ein verstärktes Interesse für die
Kodifizierung des Russischen zu beobachten – es
gibt mehrere Projekte zur Verfassung einer
Grammatik des Russischen, von denen aber keine
gedruckt wurde.

Teilweise wurden sie auch auf Deutsch verfasst – die


meisten Gelehrten in Russland der damaligen Zeit
waren Deutsche, auch war es die wissenschaftliche
Kommunikationssprache dieser Zeit.
Kultur- und Sprachsituation in Russland
zwischen Peter I. und Katharina II.

Literaten und Philologen nach dem heutigen Verständnis gab es


im damaligen Russland nur vereinzelt:

• Fürst ANTIOCH KANTEMIR (1708–1744) wird als einer der


Begründer der klassischen russischen Literatur angesehen.

• Wassilij TREDIAKOVSKIJ (1703–1769) war ein russischer Dichter,


Übersetzer und Literaturtheoretiker.

• Michail LOMONOSSOV (1711-1765) - ein Universalgelehrter,


Naturwissenschaftler und Reformer der russischen Sprache,
Begründer der russischen Wissenschaft.
Katharina II. (Екатерина Великая)
• Die deutsche Prinzessin
Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst
(ging mit 14 J. nach Russland)
• das orthodoxe Glaubensbekenntnis in russischer
Sprache aufsagt und den Namen «Katharina
Alexejewna» angenommen.
• Verlobung mit Peter III., Enkel Peters I.
• 1762 Peter III. wird gezwungen seine
Abdankungsurkunde zu unterschreiben.
• 1762–1796 Alleinherrscherin eines der mächtigsten
Staaten des 18. Jh.
Екатерина Великая – aufgeklärte Absolutismus
• Sie beschäftigt sich intensiv mit einer
grundlegenden Rechtsreform und entwirft dazu
eine "Große Instruktion", die Voltaire als
"Evangelium für die gesamte Menschheit" preist.
• Die Zarin schreibt selbst satirische Artikel,
Memoiren, Märchen, Gedichte, Komödien und
Opernlibretti; sie gibt ein vergleichendes
Wörterbuch zahlreicher asiatischer, europäischer
und amerikanischer Sprachen heraus.
• Anhand von Dokumenten aus dem Staatsarchiv
setzt sie sich mit der russischen Geschichte
auseinander.
Katharina II. „die Große“:
Deutsche Siedler in Russland
• Екатерина Великая fördert die Ansiedlung von Ausländern in
Russland: Ansiedlung deutscher Bauern an der Wolga
(Wolgadeutsche).

• Peuplierung - die planmäßige Besiedlung eines nicht oder


vergleichsweise dünn besiedelten Gebietes.

• Privilegien an die ausländischen Siedlern (Einladungsmanifest vom


22. Juli 1763):

- Religionsfreiheit,
- Befreiung vom Militärdienst,
- Selbstverwaltung auf lokaler Ebene mit Deutsch als Sprache,
- finanzielle Starthilfe,
- 30 Jahre Steuerfreiheit…
Katharinische Zeit 1762–1796
• Verwaltungsreform (Russland in 40 Gouvernements
aufgeteilt).
• 1773 Toleranzedikt – Duldung aller Konfessionen (mit
Ausnahme der Juden).
• 1773–75 Aufstand von PUGAČEW.
• 1768–74: 1. Russisch-Türkischer Krieg.
• 1783 Annexion der Krimhalbinsel – Neue Provinz
Neurussland entsteht (umfasste vor allem den Süden der
heutigen Ukraine).
• 1787–92: 2. Russisch-Türkischer Krieg (Zugang zum
Schwarzen Meer).
• Drei Teilungen Polen-Litauen (1775, 1793, 1795).
In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die
Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den
Unionsstaat schrittweise unter sich auf.
h ttp://схемо.рф/shemy/istorija/orlov-a-s-georgiev-v-a-georgieva-n-g-sivohina-t-a-istorija-rosi-v-shemah-2008-g/88.html

Rechtsufrige
Ukraine
1750

Katharinische
Zeit
1800

1700
Kultur- und Sprachsituation in Russland 18. Jh.
KATHARINA pflegte ihren Ruf als Feingeist und
aufgeklärte Monarchin:

• Einführung der Schulpflicht.


• Schaffung eines Bildungssystems im ganzen Land.
• Gründete mehrere höhere Bildungseinrichtungen
• Ab Mitte des 18. Jh. ist eine regelrechte Explosion
an Druckproduktion zu verzeichnen.
• In Katharinischer Zeit wurde der Grundstein für
die Formierung des heutigen Standardrussischen
gelegt.
Katharina-Denkmal in Zerbst

http://www.zdf.de/frauen-die-geschichte-machten/katharina-die-
grosse-der-weg-auf-den-zarenthron-30169276.html
Kultur- und Sprachsituation in Russland 18. Jh.
• Französisch als Sprache der Oberschicht – es entstehen aber
immer mehr Texte auf Russisch. Und es sind nicht mehr
vornehmlich praktische Gebrauchsgenres, es ist nun Belletristik!

• Polemik wird über das Wesen des neuen Schriftrussischen


geführt. Die eine Seite, angeführt vom Admiral A. S. ŠIŠKOW,
verteidigt das KSl. und fordert seine Implementierung, ja
Dominanz im Schriftrussischen.

• Andere folgen N. KARAMZIN (1766-1826), der das Modell des


damaligen Schriftfranzösischen präferierte – gepflegte
Kolloquial- (Umgangs-)sprache der Bildungselite. Diese
Position hat am Ende gesiegt – und mit A.S. PUŠKIN (1799–
1837) kann das moderne Schriftrussisch als formiert betrachtet
werden.
Zwischen Katharina II. und Nikolaus II. (1796 – 1917)

• Alexander I. 1801–1825 kämpfte gegen Napoleon


und beteiligte sich an den Befreiungskriegen, die
mit dem Sturz Napoleons endeten.
Nikolaus I. 1825–1855 war gleichzeitig auch König des
s.g. Kongress-Polen (Wiener Kongress 1814/15).
Nikolaus I. 1825–1855
Novemberrevolution (1830-31) in Polen (Nikolaus I.
befahl die militärische Niederschlagung des
Aufstandes), Emigration von geschätzten 30.000
Polen, Belarussen und Ukrainern:
- Russifizierung verschiedener Nationalitäten.
- Bekehrung der Protestanten und Katholiken zur
orthodoxen Kirche; antijüdische Repressalien.
- Griechisch-unierte Kirche musste ihre Vereinigung
mit der orthodoxen geschehen lassen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kongresspolen#/media/File:Karte_kongresspolen.png
Alexander II., «der Befreier»
1855–1881
• Abschaffung der Leibeigenschaft.
Januaraufstand in Kongresspolen und
in litauisch-weißrussischen
Gouvernements des Russischen
Kaiserreichs 1863-1864.
• In der Folge begann es eine Politik der
verstärkten Russifizierung
(=Zwangsintegration).
• „Entpolonisierung“ der ostslawischen
Bevölkerung durch die …
Russifizierung.
Das Wappen des Januaraufstands
„Dreieiniges russisches Volk“
• Die Konzeption entstand im 19. Jh.: die kulturelle,
religiöse und politische Einheit aller ostslawischen
Völker.
= Die Konzeption eines gesamtrussischen Volkes -
Groß-, Weiß- und Kleinrussen – die offizielle und
staatsbildende Konzeption im Russischen Kaiserreich.

• Bis 1904 - Verbot der lateinischen Schrift und des


Drucks litauischer, belarussischer und ukrainischer
Texte (Generalgouverneur Murawjow-Wilenski).
Alexander III. 1881–1894
• Hauptfeinde des „Mütterchen
Russland“ sind Revolutionäre und
„Überfremdung“ der Gesellschaft
(Deutsche, Juden, Pseudo-Nationen
= ethnischen Unterschiede in
Slawische
religiöser und sprachlicher Vielfalt).
Nation,
orthodoxe
• Alexander startete eine radikale Kirche und
eine einheitliche
Politik der Russifizierung besonders Verwaltung
in „Westrussland“
(= in Belarus‘ und in der Ukraine).
Nikolaus II. 1894–1917
• Nikolaus II. führte einen kompromisslosen Kurs gegen die
Selbstverwaltungsbestrebungen der nationalen Minderheiten.

• Er verstand Russland als Schutzmacht aller slawischen


Völker und stand damit der Idee des Panslawismus nahe (alle
slawischen Völker unter russischer Vorherrschaft
zusammenzuführen und ein „Großslawisches Reich“ zu
gründen).

• Der Panslawismus (allslawische Bewegung) entstand zu


Beginn des 19. Jh. Sein Ziel war die kulturelle, religiöse und
politische Einheit aller slawischen Völker Europas.
Panslawismus XX Jh.
• Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gerieten
alle slawischen Nationen unter die Vorherrschaft
der kommunistischen Sowjetunion.

• Die Ziele der Panslawisten reichten vom kulturellen


Austausch zwischen den slawischen Völkern bis zur
Errichtung eines homogenen slawischen Staates:
Tschechoslowakei, Jugoslawien und Sowjetunion (?)

• Panslawismus gilt heute als politisch gescheitert.


Панславизм?
Nikolaus II. mit seinen Töchtern im
Jahr 1918 während der
Gefangenschaft in Jekaterinburg
Holzkirchen von Kischi Pogost auf der Insel
Kischi im Onegasee

UNESCO-Liste des
Weltkulturerbe
Kischi (Кижи)
Insgesamt befinden sich heute ca. 60 historische
Holzbauten aus Karelien und Nordrussland auf
Kischi. Neben den Kapellen und Kirchen sind es
Badehäuser, Bauernhäuser, eine Schmiede,
Speicher, Wegkreuze und eine Windmühle.
Holzkirchen von Kischi Pogost auf der Insel Kischi im Onegasee
http://www.swr.de/schaetze-der-welt/kishi-pogost/filmtext-video/-/id=5355190/did=5980730/mpdid=5980726/nid=5355190/13fa7rl/index.html

• Die Kischi-Insel beherbergt einige der ältesten Beispiele russischer Holzbaukunst


(die älteste ist Lazarus-Kirche, deren Bau auf das Ende des 14. Jhs. (1390) datiert
wird: gilt als das älteste Baudenkmal der Holzbaukunst in Russland! und damit
der älteste hölzerne Sakralbau). Die Kirche wurde vom Gründer des Klosters
Lazarus errichtet (?).

https://showmetheworld.de/blog_details_russia_kischi

Die kleine Lazarus-Kirche stammt


aus dem Kloster Murom am
Ostufer des Onegasee.
Das bedeutendste Beispiel für die russische Holzbaukunst ist die Christi-
Verklärungskirche (Höhe: 37 m), die angeblich 1714 zur Feier des
Triumphs der Siege Peters des Großen über die Schweden erbaut wurde.
Eindruck von Überfluss und Komplexität
Die Kirche bildete das
Zentrum eines Pogosts
(so bezeichnete man ab
dem 18. Jh. einen
geschlossenen Friedhof
mit einer Pfarr- oder
Bezirkskirche).

S.g. „Sommerkirche“
Christi-Verklärungskirche bekrönt von 22 Zwiebeltürmen und von
30.000 Schindeln aus Espenholz gedeckt, gilt als der kühnste erhaltene
Holzbau Russlands, bei dem kein Nagel verwandt wurde.

Die Kirche ist die einzige erhaltene Mehrkuppelkirche der Welt in


Holzbauweise.
Christi-Verklärungskirche Glockenturm mit Zeltdach (18. Jh.) Maria Schutz und Fürbitte

http://www.easyvoyage.de/russland/die-insel-kischi-6625
„Winterkirche“ Maria Schutz und Fürbitte in Kischi
Kurische Nehrung
Die Kurische Nehrung (Куршская
коса) ist eine schmale, aber fast
hundert Kilometer lange
Landzunge, die das Haff von der
Ostsee trennt.

Die Kurische Nehrung liegt


zwischen Klaipeda (dt.: Memel)
und Lesnoje (dt.: Sarkau - die
schmalste Stelle 380 m), von dem
heute 52 km zu Litauen 3,8 km (die
breiteste Stelle 3,8 km) und 46 km
zu Russland (Kaliningrader Gebiet)
gehören.
Die Nehrung
besteht aus Sand
mit riesigen
Wanderdünen.

Die Große Düne


bei Nidden (lit.
Nida), eine der
größten Dünen
Europas.
http://www.mainpost.de/regional/franken/Flug-ueber-die-Kurische-Nehrung;art1727,7005845
Museum des russischen Aberglaubens
(auf dem Gelände des Nationalparkmuseums)
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Zwischen Peter I. und Katharina II.; Katharina II. – Nikolaus II.

Thema Quelle
 Zwischen Peter I. und Katharina II. PP „Katharina II.“
(1725 – 1762): Katharina I., Anna
Ioannowna, Jelisaweta Petrowna,
Peter III.
 Kultur- und Sprachsituation in
Russland zwischen Peter I. und
Katharina II.: PP „Katharina II.“
- A. KANTEMIR Russländisches Imperium (1700-1917)
- W. TREDIAKOVSKIJ
- M. LOMONOSSOV
 Katharina II., Katharinische
Reformen.
 Kultur- und Sprachsituation in
Russland 18. Jh.:
- N. KARAMZIN
- A. PUŠKIN
 Zwischen Katharina II. und
Nikolaus II. (1796 – 1917):
- Alexander I.
- Nikolaus I.
- Alexander II., die Konzeption
eines gesamtrussischen Volkes.
- Alexander III., die
Russifizierung
- Nikolaus II., Panslawismus
 UNESCO-Welterbe in Ostslavia: PP „Katharina II.“

- Holzkirchen von Kischi http://whc.unesco.org/en/list/&order=country#alphaR


- Kurische Nehrung
Ostslawen im XX Jh.
Knotenpunkte der Geschichte
der letzten 100 Jahre für Ostslawen
• Erster Weltkrieg
• Februar- und Oktoberrevolution 1917
• Ukrainische Volksrepublik und Belarussische
Volksrepublik
• Polnisch-Sowjetischer Krieg von 1919-1921 (Frieden
von Riga 1921)
• Korenisazija (коренизация) "Einwurzelung" (1920er)
• Russifizierung (1930er – 1990er)
• Kollektivierung (1930er)
• Sowjetische Besetzung Ostpolens (= Westukraine,
Westbelarus‘…)
Knotenpunkte der Geschichte
der letzten 100 Jahre für Ostslawen
• Zweiter Weltkrieg
• Nachkriegszeit
• 1991: Zerfall der UdSSR
• Russisch-ukrainischer Krieg 2014-…
• Ukraine: Orthodoxe Kirche erhält
Eigenständigkeit /Autokephalie (s.g. Tomos) –
Jänner 2019.
Ostslawen
und Erster
Weltkrieg
1914 – 1918
Ostslawen und Erster Weltkrieg:
УНР
• Ukrainische Volksrepublik, UNR (Українська
Народна Республіка) - der erste ukrainische
Nationalstaat (1917–1920).
• Im Zuge des Russischen Bürgerkrieges, Ukrainisch-
Sowjetischen Krieges, Polnisch-Sowjetischen
Krieges wurde am 14.01.1919 die Ukrainische SSR
ausgerufen.
Westukrainische Volksrepublik (Західноукраїнська Народна
Республіка) - von Ende 1918 bis Mai 1919 für kurze Zeit
existierender Staat auf dem Gebiet Ostgaliziens, Nord-
Bukowina und Transkarpatien, vereinigte sich später mit der
Ukrainischen SSR.
Mychajlo
Hruschewskyj
hatte am 25. Januar
1918 die
Unabhängigkeit der
Ukraine ausgerufen

Im Zuge des Russischen


Bürgerkrieges nahmen
die Bolschewiki Kiew ein.
Am 14. Januar 1919 wurde
die Ukrainische
Sowjetrepublik ausgerufen.
Ostslawen und Erster Weltkrieg:
БНР
• Belarussische Volksrepublik (1918-1919)
Беларуская Народная Рэспублiка (БНР) – der erste
unabhängige belarussische Staat.
• Die BNR wurde 1919 durch die Sowjetunion
abgesetzt. Durch die Gründung der BSSR am 1.
01.1919 ging die Regierung von BNR ins Exil (eine
der ältesten Exilregierungen der Welt!).
• Litauisch-Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik (1919)
• Am 30. Dezember 1922 trat die BSSR der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bei.
Februar- und Oktoberrevolution 1917
Februarrevolution: 23. Febr. (damalige Zeitrechnung)
Zar löst Duma auf Ausbruch der Revolution Zar
dankt ab Provisorische Regierung (PR) / Sowiets.
Oktoberrevolution: 24. Okt. (damalige Zeitrechnung)
Ausbruch der Revolution (Sowiets vs. PR) Rat der
Volkskommissare (Lenin) Alleinherrschaft der
Bolschewiki, Ausschaltung politischer Gegner,
Friedenschluss mit Deutschland, Volksmiliz, Trennung
von Kirche und Staat, Zivilehe, Gleichstellung der
Frau, Verstaatlichung usw.
Welches Ziel? Die „Herrschaft des Volkes“...
Das Deutsche Reich und die Oktoberrevolution
„Ohne die Hilfe Wilhelms II. für Lenin hätte es die
Oktoberrevolution vor nunmehr 90 Jahren so nicht
gegeben. Mehr noch: Ohne deutsche Unterstützung
hätten Lenins Bolschewiki das erste Jahr an der Macht
wohl kaum überstanden…
Vier Jahre lang unterstützte Berlin die Bolschewiki und
andere Revolutionäre in Russland mit Mark, Munition,
Waffen und trug damit zum Ende der Zarenmonarchie
bei. Mindestens 26 Millionen Mark, nach heutigem Wert
rund 75 Millionen Euro, hat allein das Auswärtige Amt
bis Ende 1917 dafür ausgegeben“.
SPIEGEL SPECIAL Geschichte 4/2007
Polnisch-Sowjetischer Krieg (1919-1921).
Kampf für die Westostslawia
• Wiedererrichtete Polen versuchte, im Osten den historischen
Grenzverlauf von 1772 wiederherzustellen.
• Międzymorze („Zwischenmeer“) als Projekt zur
Wiederherstellung der Polnisch-Litauischen Union.
• Frieden von Riga (1921) - die neue polnisch-sowjetische
Grenze verschob sich bis zu 250 km Richtung Osten.
Westliche Landesteile Belarus und der Ukraine gingen nach
dem Vertrag von Riga an Polen über.
• Unterdrückung (Polonisierungsbestrebung) nationaler
Minderheiten (der Ukrainer und Belarussen): die nationale
Identität war schwach entwickelt, die Mehrheit der
Bevölkerung definierte sich mehr über religiöse
(Katholiken/Orthodoxe) oder regionale Identitäten
(тутэйшыя - Hiesige, von hier, einheimische).
Die neue polnisch-sowjetische Grenze
Nieder mit dem Frieden von Riga!
Die Ukrainische Volksrepublik
war im Polnisch-Sowjetischen
Krieg mit Polen verbündet
Russische Rechtschreibreform von 1918
• Die russische Orthographie wurde vereinfacht.
• Abgeschaffte Buchstaben: i ˃ и, ѣ ˃ е, ѳ ˃ ф, ѵ ˃
и, ъ bezeichnet [j] zwischen Konsonanten (am
Wortende)
Аа Бб Вв Гг Дд Ее Жж
Зз Ии Іі Кк Лл Мм Нн
Оо Пп Рр Сс Тт Уу Фф
Хх Цц Чч Шш Щщ Ъъ Ыы
Ьь Ѣѣ Ээ Юю Яя Ѳѳ Ѵѵ

Seit 1943 stand Ё als siebenter Buchstabe im russischen Alphabet.


Й wurde 1934 als elfter ins russische Alphabet aufgenommen.
Korenisazija "Einwurzelung" (1920er)
• Die sowjetische Nationalitätenpolitik der 1920er
Jahre wurde mit dem Begriff der Korenisazija
beschrieben.
• Zwei Hauptziele: die neue sowjetische Macht für die
Nicht-Russen attraktiv zu machen; die kulturelle,
wirtschaftliche und politische Entwicklung der
nicht-russischen Völker zu beschleunigen.
• Die einheimischen Sprachen wurden in den Schulen,
Gerichten usw. gebraucht, Mitglieder der
"Titularnation" (d.h. Ukrainer in der Ukrainischen
SSR, Belarussen in der Belarussischen SSR etc.)
wurden bevorzugt.
Parteipolitik der Korenisazija
und die Förderung nationaler Kulturen
„Die Politik setzte voraus, dass sich die
Minderheitennationalitäten in das sowjetische
System eingliedern lassen und die progressive und
positive Natur des sowjetischen Sozialismus
anerkennen würden, solange man ihnen einen
beträchtlichen Freiraum gab, um ihre Sprachen,
ihre Kultur und ihre nationalen Eliten zu
entwickeln“
(«Russifizierung / Sowjetisierung» von Theodore R. Weeks)
Ende der Korenizacija
Ende der 1920er Jahre → Stalins vollständige
Machtübernahme in der Partei → Interessendivergenz
zwischen Moskau und den lokalen Eliten → harte
Reaktion auf s.g. bürgerliche Nationalisten in den
Republiken der UdSSR ↓.
• In den 1930er Jahren waren nicht-russische
Kommunisten und national orientierte Intelligenzija
unter denjenigen, die am ehesten verhaftet und
exekutiert wurden ↓.
• Zentralisierung und Russifizierung.
Kollektivierung der Landwirtschaft (1930er)
Überführung von privaten Produktionsmitteln in
gemeinschaftliches Eigentum.
Die Bolschewiki übten in den Dörfern der
Sowjetunion keine Macht aus. Die Kolchose*
ermöglichte es dem Regime, sich die Ernte der
Bauern anzueignen und die Dorfbewohner unter
ständige staatliche Kontrolle zu stellen.
*Die Kolchose (rus. Abkürzung für коллективное
хозяйство Kollektivwirtschaft) ist der zwangsweise
erfolgte Zusammenschluss von Bauernhöfen und
Gütern zu landwirtschaftlichen Kollektivbetrieben in
der UdSSR.
Kollektivierung der Landwirtschaft (1930er)
„Die Vernichtung der Bauernschaft, die die
Kollektivierung mit sich brachte, bedeutete, dass die
ländliche Bevölkerung der Sowjetunion trotz ihrer
großen Anzahl immer Bürger zweiter Klasse waren,
die nicht ganz in das sowjetische Projekt passten.
Dies bedeutete wiederum, dass überwiegend
bäuerliche Nationalitäten – wie beispielsweise die
Weißrussen – viel größere Schwierigkeiten hatten,
ihre Kultur zu verteidigen und weiterzugeben, als
nationale Gruppen, die starke städtische Eliten
aufweisen konnten“.
(«Russifizierung / Sowjetisierung» von Theodore R. Weeks)
Голодомор (Tötung durch Hunger):
menschengemachte Hungersnot in der Ukraine, der
in den Jahren 1932 und 1933 mehrere
Millionen
Menschen,
(ca. 3,5 Mio.)
zum Opfer
fielen.
17. September 1939: Wiedervereinigung (?)
Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vom
23.08.1939: Das Staatsgebiet Polens wurde entlang der
Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San (s.g.
Curzon-Linie)* in zwei Interessensphären geteilt.
*Curzon-Linie 2.
Die deutsch-sowjetische Demarkationslinie durch
Polen entsprach der s.g. Curzon-Linie, die 1919 nach
dem Ersten Weltkrieg eine Kommission unter Lord
Curzon als ethnisch angemessene Ostgrenze Polens
bezeichnet hatte.
17. September 1939 - Wiedervereinigung (?)
• Rote Armee besetzt das vorwiegend von Ukrainern
und Weißrussen bewohnte Gebiet. Die Sowjetunion
begründete diesen Schritt als Intervention zum
Schutz der „slawischen Brudervölker“. Ziel: eine
Ausweitung des bolschewistischen
Herrschaftssystems auf diejenigen Gebiete, die
bereits zum zaristischen Russland gehört hatten.
• https://www.youtube.com/watch?v=CA__56vFqa8

• Nach der Besetzung begannen die sowjetischen


Behörden mit der Deportation und der Ermordung
von „Klassenfeinden“.
• Die betroffenen Gebiete wurden in die Belarussische
und die Ukrainische SSR eingegliedert.
Ostslawen unter deutscher Besatzung
(1941-1944)
Bevölkerungsaustausch
• 1944 unterzeichneten die Sowjetrepubliken Belarus,
Ukraine mit Polen ein Abkommen über einen
freiwilligen Bevölkerungsaustausch.
Hunderttausende von Ukrainern und Belarussen mussten
sich aus Polen in die ukrainische und belarussische
Sowjetrepubliken umsiedeln lassen.
• Sie beseitigten die für das östliche Mitteleuropa
bislang so typische Mischung der Nationalitäten und
Konfessionen und bildeten Polen, Belarus und Ukraine
zu homogenen Nationalstaaten um.
Erst durch die gewaltsame Volkstumstrennung wurde die
Einführung der gesamten Sprachgebiete der Weißrussen
und Ukrainer in die Sowjetunion gesichert, und erst
damit erhielt die lang umstrittene Curzon-Linie den
Charakter einer wirklichen Volkstumsgrenze.
Ostslawen im XX Jh.
Knotenpunkte der Geschichte
der letzten 100 Jahre für Ostslawen
• Erster Weltkrieg
• Februar- und Oktoberrevolution 1917
• Ukrainische Volksrepublik und Belarussische
Volksrepublik
• Polnisch-Sowjetischer Krieg von 1919-1921 (Frieden
von Riga 1921)
• Korenisazija (коренизация) "Einwurzelung" (1920er)
• Russifizierung (1930er – 1990er)
• Kollektivierung (1930er)
• Sowjetische Besetzung Ostpolens (= Westukraine,
Westbelarus‘…)
Knotenpunkte der Geschichte
der letzten 100 Jahre für Ostslawen
• Zweiter Weltkrieg
• Nachkriegszeit
• 1991: Zerfall der UdSSR
• Russisch-ukrainischer Krieg 2014-…
• Ukraine: Orthodoxe Kirche erhält
Eigenständigkeit /Autokephalie (s.g. Tomos) –
Jänner 2019.
Ostslawen
und Erster
Weltkrieg
1914 – 1918
Ostslawen und Erster Weltkrieg:
УНР
• Ukrainische Volksrepublik, UNR (Українська
Народна Республіка) - der erste ukrainische
Nationalstaat (1917–1920).
• Im Zuge des Russischen Bürgerkrieges, Ukrainisch-
Sowjetischen Krieges, Polnisch-Sowjetischen
Krieges wurde am 14.01.1919 die Ukrainische SSR
ausgerufen.
Westukrainische Volksrepublik (Західноукраїнська Народна
Республіка) - von Ende 1918 bis Mai 1919 für kurze Zeit
existierender Staat auf dem Gebiet Ostgaliziens, Nord-
Bukowina und Transkarpatien, vereinigte sich später mit der
Ukrainischen SSR.
Mychajlo
Hruschewskyj
hatte am 25. Januar
1918 die
Unabhängigkeit der
Ukraine ausgerufen

Im Zuge des Russischen


Bürgerkrieges nahmen
die Bolschewiki Kiew ein.
Am 14. Januar 1919 wurde
die Ukrainische
Sowjetrepublik ausgerufen.
Ostslawen und Erster Weltkrieg:
БНР
• Belarussische Volksrepublik (1918-1919)
Беларуская Народная Рэспублiка (БНР) – der erste
unabhängige belarussische Staat.
• Die BNR wurde 1919 durch die Sowjetunion
abgesetzt. Durch die Gründung der BSSR am 1.
01.1919 ging die Regierung von BNR ins Exil (eine
der ältesten Exilregierungen der Welt!).
• Litauisch-Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik (1919)
• Am 30. Dezember 1922 trat die BSSR der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bei.
Februar- und Oktoberrevolution 1917
Februarrevolution: 23. Febr. (damalige Zeitrechnung)
Zar löst Duma auf Ausbruch der Revolution Zar
dankt ab Provisorische Regierung (PR) / Sowiets.
Oktoberrevolution: 24. Okt. (damalige Zeitrechnung)
Ausbruch der Revolution (Sowiets vs. PR) Rat der
Volkskommissare (Lenin) Alleinherrschaft der
Bolschewiki, Ausschaltung politischer Gegner,
Friedenschluss mit Deutschland, Volksmiliz, Trennung
von Kirche und Staat, Zivilehe, Gleichstellung der
Frau, Verstaatlichung usw.
Welches Ziel? Die „Herrschaft des Volkes“...
Das Deutsche Reich und die Oktoberrevolution
„Ohne die Hilfe Wilhelms II. für Lenin hätte es die
Oktoberrevolution vor nunmehr 90 Jahren so nicht
gegeben. Mehr noch: Ohne deutsche Unterstützung
hätten Lenins Bolschewiki das erste Jahr an der Macht
wohl kaum überstanden…
Vier Jahre lang unterstützte Berlin die Bolschewiki und
andere Revolutionäre in Russland mit Mark, Munition,
Waffen und trug damit zum Ende der Zarenmonarchie
bei. Mindestens 26 Millionen Mark, nach heutigem Wert
rund 75 Millionen Euro, hat allein das Auswärtige Amt
bis Ende 1917 dafür ausgegeben“.
SPIEGEL SPECIAL Geschichte 4/2007
Polnisch-Sowjetischer Krieg (1919-1921).
Kampf für die Westostslawia
• Wiedererrichtete Polen versuchte, im Osten den historischen
Grenzverlauf von 1772 wiederherzustellen.
• Międzymorze („Zwischenmeer“) als Projekt zur
Wiederherstellung der Polnisch-Litauischen Union.
• Frieden von Riga (1921) - die neue polnisch-sowjetische
Grenze verschob sich bis zu 250 km Richtung Osten.
Westliche Landesteile Belarus und der Ukraine gingen nach
dem Vertrag von Riga an Polen über.
• Unterdrückung (Polonisierungsbestrebung) nationaler
Minderheiten (der Ukrainer und Belarussen): die nationale
Identität war schwach entwickelt, die Mehrheit der
Bevölkerung definierte sich mehr über religiöse
(Katholiken/Orthodoxe) oder regionale Identitäten
(тутэйшыя - Hiesige, von hier, einheimische).
Die neue polnisch-sowjetische Grenze
Nieder mit dem Frieden von Riga!
Die Ukrainische Volksrepublik
war im Polnisch-Sowjetischen
Krieg mit Polen verbündet
Russische Rechtschreibreform von 1918
• Die russische Orthographie wurde vereinfacht.
• Abgeschaffte Buchstaben: i ˃ и, ѣ ˃ е, ѳ ˃ ф, ѵ ˃
и, ъ bezeichnet [j] zwischen Konsonanten (am
Wortende)
Аа Бб Вв Гг Дд Ее Жж
Зз Ии Іі Кк Лл Мм Нн
Оо Пп Рр Сс Тт Уу Фф
Хх Цц Чч Шш Щщ Ъъ Ыы
Ьь Ѣѣ Ээ Юю Яя Ѳѳ Ѵѵ

Seit 1943 stand Ё als siebenter Buchstabe im russischen Alphabet.


Й wurde 1934 als elfter ins russische Alphabet aufgenommen.
Korenisazija "Einwurzelung" (1920er)
• Die sowjetische Nationalitätenpolitik der 1920er
Jahre wurde mit dem Begriff der Korenisazija
beschrieben.
• Zwei Hauptziele: die neue sowjetische Macht für die
Nicht-Russen attraktiv zu machen; die kulturelle,
wirtschaftliche und politische Entwicklung der
nicht-russischen Völker zu beschleunigen.
• Die einheimischen Sprachen wurden in den Schulen,
Gerichten usw. gebraucht, Mitglieder der
"Titularnation" (d.h. Ukrainer in der Ukrainischen
SSR, Belarussen in der Belarussischen SSR etc.)
wurden bevorzugt.
Parteipolitik der Korenisazija
und die Förderung nationaler Kulturen
„Die Politik setzte voraus, dass sich die
Minderheitennationalitäten in das sowjetische
System eingliedern lassen und die progressive und
positive Natur des sowjetischen Sozialismus
anerkennen würden, solange man ihnen einen
beträchtlichen Freiraum gab, um ihre Sprachen,
ihre Kultur und ihre nationalen Eliten zu
entwickeln“
(«Russifizierung / Sowjetisierung» von Theodore R. Weeks)
Ende der Korenizacija
Ende der 1920er Jahre → Stalins vollständige
Machtübernahme in der Partei → Interessendivergenz
zwischen Moskau und den lokalen Eliten → harte
Reaktion auf s.g. bürgerliche Nationalisten in den
Republiken der UdSSR ↓.
• In den 1930er Jahren waren nicht-russische
Kommunisten und national orientierte Intelligenzija
unter denjenigen, die am ehesten verhaftet und
exekutiert wurden ↓.
• Zentralisierung und Russifizierung.
Kollektivierung der Landwirtschaft (1930er)
Überführung von privaten Produktionsmitteln in
gemeinschaftliches Eigentum.
Die Bolschewiki übten in den Dörfern der
Sowjetunion keine Macht aus. Die Kolchose*
ermöglichte es dem Regime, sich die Ernte der
Bauern anzueignen und die Dorfbewohner unter
ständige staatliche Kontrolle zu stellen.
*Die Kolchose (rus. Abkürzung für коллективное
хозяйство Kollektivwirtschaft) ist der zwangsweise
erfolgte Zusammenschluss von Bauernhöfen und
Gütern zu landwirtschaftlichen Kollektivbetrieben in
der UdSSR.
Kollektivierung der Landwirtschaft (1930er)
„Die Vernichtung der Bauernschaft, die die
Kollektivierung mit sich brachte, bedeutete, dass die
ländliche Bevölkerung der Sowjetunion trotz ihrer
großen Anzahl immer Bürger zweiter Klasse waren,
die nicht ganz in das sowjetische Projekt passten.
Dies bedeutete wiederum, dass überwiegend
bäuerliche Nationalitäten – wie beispielsweise die
Weißrussen – viel größere Schwierigkeiten hatten,
ihre Kultur zu verteidigen und weiterzugeben, als
nationale Gruppen, die starke städtische Eliten
aufweisen konnten“.
(«Russifizierung / Sowjetisierung» von Theodore R. Weeks)
Голодомор (Tötung durch Hunger):
menschengemachte Hungersnot in der Ukraine, der
in den Jahren 1932 und 1933 mehrere
Millionen
Menschen,
(ca. 3,5 Mio.)
zum Opfer
fielen.
17. September 1939: Wiedervereinigung (?)
Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vom
23.08.1939: Das Staatsgebiet Polens wurde entlang der
Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San (s.g.
Curzon-Linie)* in zwei Interessensphären geteilt.
*Curzon-Linie 2.
Die deutsch-sowjetische Demarkationslinie durch
Polen entsprach der s.g. Curzon-Linie, die 1919 nach
dem Ersten Weltkrieg eine Kommission unter Lord
Curzon als ethnisch angemessene Ostgrenze Polens
bezeichnet hatte.
17. September 1939 - Wiedervereinigung (?)
• Rote Armee besetzt das vorwiegend von Ukrainern
und Weißrussen bewohnte Gebiet. Die Sowjetunion
begründete diesen Schritt als Intervention zum
Schutz der „slawischen Brudervölker“. Ziel: eine
Ausweitung des bolschewistischen
Herrschaftssystems auf diejenigen Gebiete, die
bereits zum zaristischen Russland gehört hatten.
• https://www.youtube.com/watch?v=CA__56vFqa8

• Nach der Besetzung begannen die sowjetischen


Behörden mit der Deportation und der Ermordung
von „Klassenfeinden“.
• Die betroffenen Gebiete wurden in die Belarussische
und die Ukrainische SSR eingegliedert.
Ostslawen unter deutscher Besatzung (1939-1944)
Haltung der Besatzungsbehörden gegenüber der
Landessprache
Bevölkerungsaustausch
• 1944 unterzeichneten die Sowjetrepubliken Belarus,
Ukraine mit Polen ein Abkommen über einen
freiwilligen Bevölkerungsaustausch.
Hunderttausende von Ukrainern und Belarussen mussten
sich aus Polen in die ukrainische und belarussische
Sowjetrepubliken umsiedeln lassen.
• Sie beseitigten die für das östliche Mitteleuropa
bislang so typische Mischung der Nationalitäten und
Konfessionen und bildeten Polen, Belarus und Ukraine
zu homogenen Nationalstaaten um.
Erst durch die gewaltsame Volkstumstrennung wurde die
Einführung der gesamten Sprachgebiete der Belarussen
und Ukrainer in die Sowjetunion gesichert, und erst
damit erhielt die lang umstrittene Curzon-Linie den
Charakter einer wirklichen Volkstumsgrenze.
Nachkriegzeiten
• 1945 Stalins Trinkspruch auf „die Gesundheit
unseres sowjetischen Volkes und vor allem des
russischen Volkes“

• Die Vielfalt der Kulturen, aber vollständige


Abneigung dagegen, irgendeinen Aspekt der
russischen Kultur oder der Kreml-Herrschaft zu
kritisieren.
Chruschtschow (1952–1971), Breschnew (1971–1982)

• Eine offizielle Zweisprachigkeitspolitik.


• Die Reform des Sprachunterrichts in den
sowjetischen Schulen 1958 hatte zum Ziel, das
Russische zur "zweiten Muttersprache" der Nicht-
Russen zu machen.
• Nicht zu russifizieren, sondern zu sowjetisieren!
• Bild des idealen Sowjetmenschen wurde immer
enger mit der russischen Kultur identifiziert.
Chruschtschow (1952–1971), Breschnew (1971–1982)
• Die Verbreitung der russischen Sprache ab den 1960er
Jahren war hauptsächlich das Ergebnis praktischer
individueller Entscheidungen: „Ich schicke meine
Kinder auf eine russischsprachige Schule, weil der
Besuch einer ukrainischen/belarussischen Schule ihre
Zukunft negativ beeinflussen könnte“.
• Der Widerstand gegen die Sowjetmacht wurde mit
dem Gebrauch der nicht-russischen Sprachen
gleichgesetzt.
• Viele Nicht-Russen, die die russische Sprache
annahmen, sahen sie als das Instrument einer
Unterdrückungsmacht an.
Ostslawen als die Totengräber der Sowjetunion
• Die Sowjetunion bestand bei ihrem Zerfall 1991 noch
aus 15 Teilrepubliken.

• Der Präsident der Russischen Föderation Jelzin,


Belarussischer Parlamentsvorsitzender
Schuschkevitsch und Ukrainischer Präsident
Kravtschuk unternahmen den Versuch, einen post-
sowjetischen Staat zu gründen, der "Gemeinschaft
slawischer Staaten" heißen sollte.

• Da aber Kasachstan als nicht-slavischsprachiger Staat


daran mitwirke, wurde eine Umbenennung in
"Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS)
vorgenommen.
Zerfall der Sowjetunion
Die Russische Republik, die Ukraine und Belarus‘
trafen den Entschluss, eine "Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten" zu gründen. Zu den drei
ostslawischen Staaten stießen noch acht weitere
Republiken.

Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten die


Staatsoberhäupter Russlands, von Belarus und der
Ukraine in der weißrussischen Beloweschskaja
Puschtscha (Nationalpark Беловежская Пуща) die
Vereinbarung über die „Gründung der GUS “.
Beloweschskaja Puschtscha 1991

Russland
als Rechtsnachfolger der Sowjetunion
UNESCO-Liste des Weltkulturerbe:
Altstadt von Lwiw
Bis ins 20. Jh. gab es neben einer polnischen und
ukrainischen Bevölkerungsmehrheit einen großen
Anteil an jüdischer (1857 – 41%) und daneben
verschiedener Minderheiten, deutscher, armenischer,
russischer Bevölkerung.
1. Polnisches Lwów (1349-1569 und 1918–1939)
2. In der Adelsrepublik Polen-Litauen (1569-1772)
3. Österreichisches Lemberg (1772-1918)
4. Sowjetisch-ukrainisches Lwow (1945-1991)
5. Ukrainisches Lwow (1991-)
Altstadt von Lwiw
• Die Altstadt ist von Renaissance, Barock, Klassizismus und
Jugendstil geprägt.

UNESCO Begründung: (…) Mit seiner städtischen Struktur


und seiner Architektur ist Lwiw ein hervorragendes Beispiel
der Verschmelzung von architektonischen und
künstlerischen Traditionen Osteuropas mit denen von Italien
und Deutschland. (…) Die politische und wirtschaftliche
Rolle von Lwiw zog eine Anzahl von ethnischen
Gruppierungen mit unterschiedlichen kulturellen und
religiösen Traditionen an, die unterschiedliche aber dennoch
voneinander abhängige Gemeinschaften innerhalb der Stadt
bildeten, die auch noch im modernen Stadtbild erkennbar
sind.
• http://www.ardmediathek.de/tv/Sch%C3%A4tze-der-Welt-Erbe-der-Menschheit/Lwiw-Zentrum-von-Lwiw-Lemberg-Ukrain/SWR-Fernsehen/Video?documentId=5493934&bcastId=8803954
• Lychakiv Friedhof: «Seit 1786
finden hier bekannte ukrainische
Dichter, Künstler und Politiker ihre
letzte Ruhe und die Soldatengräber
der Roten Armee, der ukrainischen
Freiheitsarmee und den polnischen
Truppen verdeutlichen noch einmal
die Komplexität der osteuropäischen
Vergangenheit».
• Shevchenkivsky Hai (Freilicht
Museum, Lviv Skansen): 100
traditionellen Holzhäuschen,
Kirchen und Farmen aus den
unterschiedlichsten Epochen und
Regionen
Altstadt von Jaroslawl

• 282 Kilometer nordöstlich von Moskau.


• gehört zu den ältesten Städten Zentralrusslands
(1000 Jahre alt).
• In Jaroslawl sind große Teile der historischen
Bausubstanz aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert
erhalten geblieben.
Tolgskiy Mariä Opfer Kloster, Jaroslawl

• http://www.eu-
asien.de/assets/images/Goldener_Ring/Tolgsk
iy_Mariae_Opfer_Kloster_Jaroslawl-
marked.jpg
Christi-Verklärungs-Kloster
Спасо-Преображенский монастырь
Das Kloster wurde im 12. Jahrhundert gegründet.
UNESCO-Welterbe in Ostslawia
UNESCO-Welterbe (Ukraine):
Holzkirchen in den Nordkarpaten (griechisch-orthodox, unierte Kirche,
ost-katholisch), Fertigstellung 16. – 19. Jh..

Andrij Kutnyi
„Sakrale Holzarchitektur
in den Karpaten“.
Callwey Verlag, 2009.
UNESCO-Welterbe (Ukraine): Holzkirchen in den Nordkarpaten
St. Georgskirche (griechisch-orthodox)
Kirche zur Entsendung des Heiligen Geistes
(Pfingstkirche) (griechisch-orthodox)
Potelych, Lviv Oblast, Ukraine
Kirche zur
Entsendung des Heiligen Geistes
Rohatyn (Рогатин),
Iwano-Frankiwsk, Ukraine

„Rohatyn panoramic“ von Rohatyn 006.JPG: GryffindorRohatyn 007.JPG: Gryffindorderivative work: PawełMM (talk) - Rohatyn
006.JPGRohatyn 007.JPG. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons -
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rohatyn_panoramic.jpg#mediaviewer/File:Rohatyn_panoramic.jpg
Kirche zur Geburt der Jungfrau Maria
Nyschnij Werbisch,
Iwano-Frankiwsk,
Ukraine

„Церква Різдва Пресвятої Богородиці (Нижній Вербіж) -1“ von Тарас Возняк - Eigenes Werk. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia
Commons -
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:%D0%A6%D0%B5%D1%80%D0%BA%D0%B2%D0%B0_%D0%A0%D1%96%D0%B7%D0%B4%D0%B2%
D0%B0_%D0%9F%D1%80%D0%B5%D1%81%D0%B2%D1%8F%D1%82%D0%BE%D1%97_%D0%91%D0%BE%D0%B3%D0%BE%D1%80%D0%BE
%D0%B4%D0%B8%D1%86%D1%96_(%D0%9D%D0%B8%D0%B6%D0%BD%D1%96%D0%B9_%D0%92%D0%B5%D1%80%D0%B1%D1%96%D0%
B6)_-
1.jpg#mediaviewer/File:%D0%A6%D0%B5%D1%80%D0%BA%D0%B2%D0%B0_%D0%A0%D1%96%D0%B7%D0%B4%D0%B2%D0%B0_%D0%9F
%D1%80%D0%B5%D1%81%D0%B2%D1%8F%D1%82%D0%BE%D1%97_%D0%91%D0%BE%D0%B3%D0%BE%D1%80%D0%BE%D0%B4%D0%B8
Kirche der Auferstehung des Herrn,
Jassinja (Ясіня), Transkarpatien, Ukraine

„Jasinia ts“ von Роман Маленков - Ясіня. Серце Гуцульщини — Україна Інкогніта. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons -
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jasinia_ts.jpg#mediaviewer/File:Jasinia_ts.jpg
Kirche des Erzengel Michael
Uschok, Transkarpatien, Ukraine

„WoodenChurchUzhok“ von Varga Attila - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons -
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:WoodenChurchUzhok.JPG#mediaviewer/File:WoodenChurchUzhok.JPG
Kirche zur Entsendung des Heiligen Geistes
(Pfingstkirche) (Святої Трійці)
Schowkwa (Жовква) Ukraine
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Ostslawen im XX Jh.
Thema Quelle
Wichtigste Ereignisse für die Ostslawen des PP „Ostslawen im XX Jh.“
XX. Jhs.:
 Ostslawen und Erster Weltkrieg:
Ukrainische Volksrepublik,
Belarussische Volksrepublik.
 Februar- und Oktoberrevolution 1917.
 Russische Rechtschreibreform von 1918.
 Polnisch-Sowjetischer Krieg (1919-
1921).
 Korenisazija.
 Kollektivierung.
 Holodomor.
 17. September 1939.
 Ostslawen unter deutscher Besatzung
(1941-1944): Reichskommissariat
Ostland, Reichskommissariat Ukraine.
Sprachpolitik der Besatzungsmächte in
der Ukraine und Belarus.
 Bevölkerungsaustausch (Abkommen
1944).
 Nachkriegzeiten in Ostslawia.
 Rolle der Ostslawen im Zerfall der
UdSSR.
 UNESCO-Welterbe in Ostslavia: PP „Ostslawen im XX Jh.“
- Altstadt von Lwiw
- Altstadt von Jaroslawl http://whc.unesco.org/en/list/&order=country#alphaR
1991-2019
GUS, RBU, Zollunion.
Eurasische Union (?)
• GUS (1991): Russland, Ukraine und
Weißrussland + 8 weitere Sowjetrepubliken (= 11).
• Russisch-Belarussische Union - Staatenbund zwischen
Russland und Weißrussland (Verteidigungsgemeinschaft +
Wirtschaftsgemeinschaft).
• 2014 (in Folge der Krimkrise) Rückzug der Ukraine
aus der Organisation (GUS).
• In den letzten Jahren hat die GUS an Bedeutung
verloren.
• Zollunion (2014): rus., bel., kas… Aus der Zollunion
soll langfristig eine „Eurasische Union“ werden.
GUS (СНГ) 2019
1. Азербайджан
2. Армения
3. Беларусь
4. Грузия
5. Казахстан
6. Кыргызстан
7. Молдова
8. Россия
9. Таджикистан (beigeordnetes Mitglied)
10. Узбекистан
11. Украина
Assoziierungsabkommen Ukraine-EU
vs. Annäherung an Russland
• Anfang 2010 wurde Wiktor Janukowytsch zum neuen
Staatsoberhaupt gewählt. Er hat weitere Annäherung der
Ukraine an die EU bezweckt.

• Stattdessen - Annäherung an Russland, Korruption


https://www.youtube.com/watch?v=cN_r6uLLTDg

• November 2013 - das Stilllegen des Abkommens mit der


EU

• Ab Dezember - „Euromaidan“ (mehr als 90 Opfer –


„Himmlische Hundertschaft“): forderten den Rücktritt
von Janukowytsch, vorzeitige Präsidentschaftswahlen,
die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit
der EU
Майдан Platz wurde im Jahr 2004 durch
die „Orange Revolution“ weltbekannt, als er
zum Zentrum des politischen Protestes
gegen den Wahlbetrug bei den ukrainischen
Präsidentschaftswahlen wurde.

Zwischen November 2013 und Ende Februar 2014


- Euromaidan
Krieg in der Ukraine
• Janukowytsch floh nach Russland. Am 22.02.2014
erklärte das amtierende ukrainische Parlament
Janukowytsch für abgesetzt.
• Die Annexion der Krym durch Russland war eine
Reaktion der russischen Führung auf den
Machtwechsel in Kiew (die Krym war 1946-1954
zunächst eine Oblast innerhalb der Russischen
Sowjetrepublik (RSFSR). Die Krim wurde 1954 an die
Ukrainische Sowjetrepublik angegliedert (Nikita
Chruschtschow).
• Die Krymkrise und der Krieg gingen in der Ostukraine
nicht von den Krym- bzw. Donbass-Bewohnern selbst,
sondern von bewaffneten Einheiten* aus.
EU, USA … Russland

Die EU/USA sollten nicht zulassen, dass die Russland sollte nicht zulassen, dass die
Ukraine unter den Einfluss Russlands falle. Ukraine unter den Einfluss EU/USA falle.

Assoziierungsabkommens mit der EU → Zollunion der Ukraine mit Russland

Russische Annexion der Krim und die


Destabilisierung des Landes durch einen
Euromajdan bewaffneten Konflikt in der Ostukraine,
breiter Einsatz von politischen,
informationellen Mitteln, verdeckten
militärischen Maßnahmen.

Sanktionen Gegensanktionen

Wirtschaftskrise

Russland als „Imperium des Bösen“ (MH117, Syrien, Giftanschlag Skripal…)


Russisch-Ukrainischer Krieg

Ostukraine vs. Ukraine ?

Russland vs. Ukraine?

Ostslawen vs. Ostslawen?

USA, NATO, EU vs. Russland, Zollunion?

Ziele?
Divide et impera?
• Phantomreich Noworossija ("Neurussland"):
Republiken von Donezk und Luhansk in der
Ukraine. Die Ostukraine als Protektorat
Russlands.
• Transnistrien in Moldawien; Abchasien und
Südossetien in Georgien dienen als Vorbild:

„Eingefrorener Konflikt“

http://marieluisebeck.de/artikel/17-09-2009/eu-schweigt-zur-schleichenden-annexion-abchasiens-und-s-dossetiens
Hybride Kriegsführung: bestehende
Ordnung schnell destabilisieren
Unkonventioneller Angriff:
• von Russland unterstützte Miliz, *reguläre
russische Truppen, Freiwilligenmiliz, Lieferungen
von schweren Waffen.
• *Offiziell waren ja nie reguläre russische Soldaten
in der Ostukraine, sondern nur Freiwillige, Militärs
auf Urlaub oder solche, die sich verlaufen hatten...
• „Grüne Männchen“ (зеленые человечки).
Propaganda
• Propaganda ist der Versuch, durch manipulative
Methoden die Öffentlichkeit zu beeinflussen.
• Propaganda in Russland heute: Hass-Propaganda +
Bruder-Propaganda "Russland hat den erstaunlichsten
Blitzkrieg des Informationskriegs geführt, den es in der
Geschichte des Informationskriegs gegeben hat“
(Nato-Kommandeur Breedlove)
• Hass-Propaganda ist eine Verstärkung, sie zielt darauf
ab, gegen Menschen anderer Kultur, Religion, Herkunft,
… gegen andere Länder oder gegen eine andere
Volksgruppe Gefühle der Wut, des Zorns und des
Hasses zu erzeugen.
• Bruder-Propaganda: „wir sind ein Volk“-Propaganda
Hass-Propaganda
• übertreiben, dramatisieren
• starke Gefühle hervorrufen (Furcht, Wut,
Abscheu).
• Anführen falscher oder unbelegter Behauptungen
• andere Quellen oder Gewährspersonen zur
Bestätigung der eigenen Sicht heranziehen
Hass-Propaganda: vereinfachen (etwa in Form
von Schwarz-Weiß-, also Gut-Böse- oder
Täter-Opfer-Zeichnung eines Konflikts)
• sich selbst als im
Alleinbesitz der
Wahrheit, des Wissens
um die Lösung des
Problems und als
unbestechlichen
Vorstreiter für die
„gerechte“ Sache
präsentieren

• starke Gefühle
hervorrufen (Furcht,
Wut, Abscheu oder
Sympathie, Mitgefühl,
Mitleid erzeugen)
Бандеровцы, укропы, хохлы, москали,
кацапы, колорады, ватники
• Бандеровцы Stepan Bandera („der Nationalist, der
gegen Russen/Soviets und Nazis kämpfte“ - Spiegel).
• Укроп ‚Dill‘ (укроп/украинец)
• Хохол ‚Haarschopf‘. Chochol ist die
traditionelle Haartracht der ukrainischen Kosaken.
Abfällige Bezeichnung für Ukrainer seit dem 18 Jh.
• Москаль Abfällige Bezeichnung für Russen
seit dem 17 Jh. = Кацап ...
• http://korrespondent.net/ukraine/politics/3374179-kolorady-vs-ukropy-kakye-slova-podaryly-ukrayne-maidan-y-voina
“Kartoffelkäfer-Band“für
die Ukrainer - Symbol
das der russischen
Aggression

Sankt-Georgs-Band vs. “Kartoffelkäfer-Band“

Sankt-Georgs-Band - георгиевская лента


Symbol militärischer Tapferkeit und
Zeichen des Gedenkens in Russland

Während der Krymkrise wurde das


Sankt-Georgs-Band häufig auf Seiten der
pro-russischen Demonstranten getragen Kartoffelkäfer - колорадский жук
und als Fahne verwendet.
Bruder-Propaganda:
„wir sind ein Volk“
Russland: Argumente
• „Der Westen hat sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt und die
Maidan-Proteste mit Hilfe faschistischer Gruppen organisiert und gesteuert.”
• „Die Übergangsregierung in Kiew ist durch einen Putsch an die Macht gelangt und besitzt
daher keine Legitimität.”
• „Ethnische Russen, die mehrheitlich im Süden und Osten der Ukraine leben, werden durch
die Übergangsregierung in Kiew und faschistische Gruppen diskriminiert und bedroht.”
• „Bei den bewaffneten Separatisten im Süden und Osten der Ukraine handelt es sich um
Selbstverteidigungskräfte der russischstämmigen Bevölkerung, die mehrheitlich den
Anschluss an die Russische Föderation anstrebt.”
• „Die Regierung in Kiew führt im Osten des Landes durch den Einsatz des Militärs einen
Krieg gegen die eigene Bevölkerung und zerschlägt friedliche Proteste.”
• „Durch ihre gemeinsame Geschichte und ethnisch-kulturelle Verbundenheit ist die Ukraine
natürliches Einflussgebiet Russlands und verfügt daher nur über eingeschränkte
Souveränität.”
• „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die durchgeführten Referenden legitimieren
die Abspaltung und Eingliederung der Krim und anderer Gebiete in die Russische
Föderation.”
• „Der Westen misst im Falle der Unabhängigkeit des Kosovo und der Abspaltung der Krim
mit zweierlei Maß.”
• „Der Westen hat seit dem Ende der Sowjetunion eine systematische Politik der Ausgrenzung
und Schwächung Russlands betrieben.”
• „Die NATO hat sich entgegen früherer Zusicherungen in den postsowjetischen Raum
ausgedehnt, strebt auch die Aufnahme der Ukraine an und beeinträchtigt dadurch russische
Sicherheitsinteressen.” (Zehn Mythen der Rechtfertigung russischer Politik in der Ukraine-Krise. Jasper Eitze, Michael Gleichmann)
Minsker Friedensabkommen
(Waffenstillstandsabkommen)
http://www.handelsblatt.com/politik/international/erklaerung-von-minsk-im-wortlaut-vier-maechte-sollen-friedensplan-ueberwachen/11364196.html

• S.g. Minsk I. Protokoll wurde am 5. September


2014 unterzeichnet. Kontaktgruppe: Ukraine,
OSZE (OSCE) und Russland. Ziel war ein
begrenzter Waffenstillstand.
• Minsk II. Am 12. Februar 2015: Ukraine,
Russland, Deutschland und Frankreich.
Besonderheiten der russischen
Mentalität
Geheimnisvolle russische Seele?
Bevölkerung Russlands bevorzugte die
Gleichheit des Volkes der Freiheit?
Dieser Grundsatz ist den Prinzipien des westlichen,
insbesondere des amerikanischen Denkens stark
entgegengesetzt.
Kollektivismus: Ein Russe zu sein = denken und alles
machen so wie es die anderen tun, „bloß nicht
auffallen!“;
Und zu denen, die es nicht tun, sagt man:
„Bist du kein Russe oder was?!“
https://www.youtube.com/watch?v=3_RBL0Xksk8
https://www.youtube.com/watch?v=GxyOaa0_Cnc

Es könnte mit geographischen, klimatischen,


geschichtlichen, sozialen und anderen Gegebenheiten
erklärt werden:
Geographische Besonderheiten Russlands
Daneben führten das raue Kontinentalklima, die Existenz
monotoner und schwer zu bewirtschaftender
Steppenlandschaften und die relative Zentriertheit der
Wasserläufe bzw. deren Vernetzung zu folgenden
Entwicklungen:

• die Einwohner Russlands lebten in Ballungsräumen mit hoher


Bevölkerungsdichte;

• Arbeitsteilung und Individualisierung der Menschen haben in


deutlich geringerem Maße stattgefunden, als dies in Europa der
Fall war;

• Entwicklung eines stark ausgeprägten Gemeinschaftswesens


und Zusammengehörigkeitsgefühl, um zu überleben
Russland nimmt den Platz eines Nachzüglers ein
• Erklärung hierfür ist die Tatsache, dass Russland stets
als eine Art Schutzschild hinsichtlich der Abwehr der
asiatischen Angriffe galt und hierfür viele Ressourcen
aufbrachte, welche dafür mit Blick auf die innere
Entwicklung des Landes an anderer Stelle fehlten.
• Grund für die verzögerte politische, ökonomische und
soziale Entwicklung der Völker Russlands ist die späte
Annahme des Christentums.
Das führte zur Entwicklung „wir gegen alle“ Mentalität.
Erst im 18. Jh. im Rahmen der Petrinischen Reformen und der Politik
Ekaterinas II. gelang es, den gewaltigen Abstand bez. der inneren
Entwicklung des Landes aufzuholen.
In Russland bildete sich über Jahrhunderte hinweg
keine Tradition eines Privatbesitzes heraus

Gestattet war lediglich eine Art Erbpacht, bei welcher


jedoch die Erbabfolge nicht klar geregelt war.
Besitzer im eigentlichen Sinn war stets der Großfürst
bzw. der Zar.

Die Bourgeoisie, welche in Europa die treibende


Kraft der Revolution und späteren Demokratisierung
darstellte, existierte somit in dieser Form in Russland
nicht.
System der Leibeigenschaft
In Russland herrschte über Jahrhunderte ein System
der Leibeigenschaft, welches erst 1861 abgeschafft
wurde.

• Viele Bauern fanden sich mit der Leibeigenschaft


ab, da diese sie wiederum von Steuerabgaben
befreite.
Zusammengehörigkeitsgefühl, Wir-Gefühl
• Die Russen taten sich in den Schlachten weniger
durch ausgefeilte Kriegstechnik hervor, ihre Siege
waren vielmehr der unglaublich großen Menge an
im Einsatz befindlichen Soldaten geschuldet.
• Nur so ist zu erklären, dass Russland, welches in
der Regel über eine schlechtere Ausrüstung
verfügte, als seine Feinde, dennoch in vielen
Kriegen auch gewann.
• Zuletzt führte diese Situation dauerhafter
Belagerung auch dazu, dass sich bei den Russen
eine klare Trennung hinsichtlich des Begriffspaares
„Wir“ und „die Anderen“ herausbildete.
Kurzzeitig vs. längerfristig

Des Weiteren waren die Russen in der Lage,


kurzzeitig alle Kräfte zur Bewältigung einer Aufgabe
zu konzentrieren, wohingegen längerfristige
Strategien und Planungen nicht zu ihren Stärken
zählten.
Das Ziel ist alles, der Weg ist nichts

Kommunismus-Ziel: «Наша цель – коммунизм»

Mythos Stalin: „Egal welche Fehler und Laster man


Stalin zuschreibt, ohne ihn hätten wir nicht im Krieg
siegen können“ = egal welche Fehler und Laster man
Putin zuschreibt, ohne ihn hätten wir nicht … :
„Mit Verstand kann man Russland nicht erfassen, man
kann an Russland nur glauben“ Ф. Тютчев
• der Russe sei irrational und von Emotionen und
Gefühlen geleitet: Unbegreiflichkeit Russlands und der
russischen Seele;

• Auf die Frage hin, ob Russen ein besonderes Volk


wären, oder genauso wie alle anderen, haben 60% der
Befragten geantwortet, dass sie ein besonderes Volk
seien: Besonderer Weg Russlands (Umfrage des Levada-Zentrums).
• Die Aussage, dass Russland einen besonderen
Entwicklungsweg hat und man es nicht mit anderen
Ländern vergleichen kann – unterstützten 41% der
Russen: „Urteile nicht über uns!“
Politik und
Ökonomie sind
verwoben und
nicht trennbar?

Putins Rating
und russische
Wirtschaftskrise:
Geheimnisvolle russische Seele (?)
Dostoevskij brachte wie kein anderer dem
westlichen Leser die „russische Seele“ näher.
Dabei sei der wesentlichste Punkt, dass die
Protagonisten bei Dostoevskij oft unlogisch,
scheinbar dem Verstand nicht gehorchend,
handeln.
Putin
+86%

Wirtschaft
-30%
Geopolitische Konzeption «Русский мир"
("Russische Welt")
• RW ist ein Konglomerat verschiedener Strömungen des
antiwestlichen, antiliberalen und neoimperialen
russischen Nationalismus

• Die Konzeption wurde in den letzten Jahren entwickelt


und bezüglich der Ukraine und Belarus verstärkt
propagiert

• die Ukraine (gemeinsam mit Belarus) wird ideologisch


als ein Kernbestandteil einer von Russland geführten
"RW" und damit eines orthodox-ostslawischen, der EU
entgegengestellten Orbits vorgestellt
Russland Imperial Flagge
Geopolitische Konzeption "Russkij Mir"
("Russische Welt")
• Grundlagen der „RW“ sind u.a. die "Heilige Rus‘" und die
mit ihr verbundene ethno-kulturelle Gemeinschaft der
ostslawischen Völker, die Russische Orthodoxe Kirche und
die aus ihr abgeleitete stark antiliberal eingefärbte
ostslawische Geistigkeit, russische Sprachkultur.

• «Соотечественники» (Landsleute): ethnische Russen,


Russischsprachige oder solche Personen, die geistig,
kulturell und rechtlich mit der Russischen Föderation
verbunden sind.

• Russland beansprucht für die eine Schutzfunktion (d.h. die


Wiederzusammenführung des ostslawischen
Kernbestandteils der einstigen Sowjetunion).
„RW“ als Version 2. des Panrussismus
Panrussismus (19. Jh.) – verengte, „russifizierte“
Sonderform des Panslawismus*: setzt (ost)slawisch
und orthodox mit russisch gleich.

Konzeption des Dreieiniges russisches Volkes** (18 Jh.). Der


Autor der Konzeption war Erzbischof der Russisch-Orthodoxen Kirche
Theophan Prokopowitsch.

Notwendigkeit der „Wiedervereinigung“ der Ostslawen

*kulturelle, religiöse und politische Einheit aller slawischen Völker Europas


**Konzeption eines gesamtrussischen Volkes: Groß-, Weiß- und Kleinrussen
Panslawismus. XX Jh.

Panslawismus
Dreieiniges russisches Volk
Panrussismus
Russische Welt

Südslawische Union
Jugoslawien

Westslawische Union
Tschechoslowakei
Ukraine
• April 2014: 55,3 % der Zentralukrainer halten
Ukrainer und Russen immer noch für
"Brudervölker", 66 % der Zentralukrainer aber
sprechen sich für den Beitritt zur EU aus (gegen
einen Beitritt: 17,9 %). Die Umfrage durchgeführt vom „Rasumkow-Zentrum“
• In der Ukraine stehen oft sprachliche Präferenzen
einerseits und politische Orientierungen
andererseits nicht in einem eindeutigen Verhältnis:
„ich spreche russisch, aber ich identifiziere mich
stark mit nationalukrainischen Traditionen“
(unscharfe, undeutliche Identität).
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Ostslawen in den Jahren zwischen 1991-2019.

Thema Quelle
 GUS, Russisch-Belarussische Union, Zollunion. PP 1991-2017.
Eurasische Union*.
 Euromaidan. Krieg in der Ukraine. Minsker
Friedensabkommen.
 Russische Mentalität der Gegenwart.
 Geopolitische Konzeption «Русский мир"
("Russische Welt"). Panrussismus.
Ukraine
Die Ursprünge der
ukrainischen
Nationalfarben liegen
im mittelalterlichen
Fürstentum Galizien-
Wolhynien. • Staatsflagge des Ukrainischen
Staates, 1918

• Rückkehr der blau-gelben


Nationalflagge im Sommer 1990
Goldene Dreizack (ukr. тризуб)
auf blauem Wappenschild

http://www.bramaby.com/ls/blog/an
alytics/1111.html
Ukrainische Nationalhymne
Der ukrainische Dichter Pawlo Tschubynsky schrieb 1862 das
Gedicht „Noch ist die Ukraine nicht gestorben“ (Ще не вмерла
Україна).

1863 wurde das Gedicht in Lemberg veröffentlicht. Der katholische


Priester Mychajlo Werbyzky komponierte die Musik dazu. 1865
wurde das vertonte Gedicht mit Noten veröffentlicht.

1917 sang man den Ще не вмерла Україна als Hymne der


ukrainischen Volksrepublik.

Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde Ще не вмерла


Україна als Hymne in der Verfassung der Ukraine festgeschrieben.
https://www.youtube.com/watch?v=bHzHlSLhtmM https://www.youtube.com/watch?v=GxP2-hXUivo
Ukraine 2013
• Im Jahr 2013 betrug die Gesamtbevölkerung in der
Ukraine rund 45,4 Millionen Einwohner (Russland
143,5 Millionen; Belarus 9,5 Millionen).

• Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 3.900,47 USD; BIP


177,4 Milliarden USD (Russland 14.611,70 USD;
2,097 Billionen USD; Belarus 7.575,48 USD;
71,71 Milliarden).

• Lebenserwartung 70,94 Jahre (Russland 70,46; Belarus


72,06).
Ukrainische Sprache
https://www.youtube.com/watch?v=eOtEC4wCA40&list=PLObP5TOQ9lYqBX_oxDgTBVlUQYLXZGAnA&index=8

• Ukrainisch ist nach dem Russischen und


Polnischen die drittgrößte slawische Sprache.

• Ukrainisch ist die offizielle und einzige


Amtssprache der Ukraine (seit 1996).

• Die Zahl der Personen mit ukrainischer


Muttersprache wird auf ca. 40–42 Millionen
geschätzt, davon leben ca. 30 Millionen in der
Ukraine.
Ukrainische Diaspora
• Der Ukrainisch-Kanadischer Kongress ist ein
Interessenverband der ukrainisch-kanadischen
Exilgemeinde in Kanada (ca. 1,2 Mio. Mitglieder).

• Russland (? 4-5 Mio.); Kasachstan (ca. 2 Mio.);


Moldawien* (ca. 0,6 Mio.); Polen 0,5 Mio. …

*Fast 14% der Gesamtbevölkerung


Ukrainisches Alphabet (33 Buchstaben)
Ґ: Das Ґ (g) wird in nur wenigen Wörtern verwendet, z.B.: бог [bog]
(Gott). Das ukrainische Г steht für das deutsche "H" wie in habe.

i, Ï, и, й: I ist ein normales I, Ï wird wie "ji" ausgesprochen. Das


ukrainische и ist ein [y] und entspricht dem russischen "ы". Das
kyrillische Zeichen "ы" gibt es im ukrainischen Alphabet nicht.

Є wie das [je] gesprochen wird.

Das ukrainische Schriftsystem benutzt einen Apostroph ('), der


zwischen einen Konsonant und Vokal geschrieben wird: rus. семья
und ukr. сiм'я [ssim'ja] (Familie).

Im Ukrainischen werden die Ёё, Ъъ, Ыы, Ээ nicht benutzt


Ukrainisch „Буття 12-13“ Russisch „Бытие 12-13“ Deutsch „Genesis 12-13“
І земля траву видала, ярину, И произвела земля зелень, Und die Erde ließ aufgehen
що насіння розсіває за траву, сеющую семя по роду Gras und Kraut, das sich
родом її, і дерево, що её, и дерево, приносящее besamte, ein jegliches nach
приносить плід, що насіння плод, в котором семя его по seiner Art, und Bäume, die da
його в нім за родом його. І роду его. И увидел Бог, что Frucht trugen und ihren
Бог побачив, що добре воно. это хорошо. eigenen Samen bei sich selbst
hatten, ein jeglicher nach
seiner Art. Und Gott sah, dass
es gut war.
І був вечір, і був ранок, день И был вечер, и было утро: Da ward aus Abend und
третій. день третий. Morgen der dritte Tag.
1 2 3
1. В начале сотворил Бог 1. На пачатку стварыў Бог 1. На початку Бог створив
небо и землю. неба і зямлю. Небо та землю.
2. Земля же была 2. А зямля была нябачная 2. А земля була пуста та
безвидна и пуста, и тьма і пустая і цемра над порожня, і темрява була
над бездною, и Дух безданьню, і Дух Божы над безоднею, і Дух
Божий носился над лунаў над вадою. Божий ширяв над
водою. 3. І сказаў Бог: хай будзе поверхнею води.
3. И сказал Бог: да будет сьвятло. І сталася 3. І сказав Бог: Хай
свет. И стал свет. сьвятло. станеться світло! І
4. И увидел Бог свет, что 4. І ўбачыў Бог сьвятло, сталося світло.
он хорош, и отделил Бог што яно добра, і аддзяліў 4. І побачив Бог світло,
свет от тьмы. Бог сьвятло ад цемры. що добре воно, і Бог
5. И назвал Бог свет днем, 5. І назваў Бог сьвятло відділив світло від
а тьму ночью. И был днём, а цемру ноччу. І темряви.
вечер, и было утро: день быў вечар, і была раніца: 5. І Бог назвав світло:
один. дзень адзін. День, а темряву назвав:
6. И сказал Бог: да будет 6. І сказаў Бог: хай будзе Ніч. І був вечір, і був
твердь посреди воды, и да цьвердзь пасярод вады, і ранок, день перший.
отделяет она воду от хай аддзяляе яна ваду ад 6. І сказав Бог: Нехай
воды. вады. станеться твердь посеред
(Книга Бытие 1:1-7) (Быцьцё 1:1-7) води, і нехай відділяє
вона між водою й водою.
(Буття 1:1-7)
Ukrainische Sprache
Die ukrainische Sprache unterscheidet sieben Fälle: 6
+ Vokativ, reine Anredeform:
Володимирe Володимировичу, скажiть, будь
ласка…
Lexikalisch ist die Ukrainische Sprache nah zu
Belarussisch (84 % von gemeinsamer Lexik),
Polnisch (70 %), Slowakisch (68 %) und Russisch
(62 %).
Surğyk
Umgangssprachliche (heute auch schon
wissenschaftliche) Bezeichnung für eine
Mischsprache auf der Grundlage des Ukrainischen
und des Russischen in der Ukraine.

останівка - rus. остановка/укр. зупинка

Шо ти щас робиш? – Rus. сейчас/ukr.


зараз, тепер

Як діла? Як справи? Як ти маєшся?

Я трошки опоздаю.
Rus. опаздывать – ukr. cпізнятися

11-18% = 5,1-8,3 Mio.


Balatschka (Балачка)
• Bezeichnung für eine Mischsprache auf der
Grundlage des Ukrainischen und des Russischen
in Russland (Кубань); Sprache der Donkosaken.
Балакать «sprechen»
Ukrainische Dialekte
Der ukrainische Sprachraum ist dialektal nicht sehr stark
differenziert. Es gibt drei Basisdialekten: Nördlicher
Basisdialekt (diese Zone bewahrte archaische
Eigenheiten); Südwestlicher Basisdialekt (Vielzahl von
Teildialekten wie z.B. podolisch, lemkisch, wolhynisch,
huzulisch, bukowinisch usw.)

Südöstlicher
Basisdialekt

(die jüngste und


einheitlichste
Dialektzone).

http://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainer
Ostslawische Mikrosprachen:
Russinische Sprache (русиньскый язык / руска бешеда)
Russinen sind ein ostslawisches Volk,
das überwiegend in der
Karpatenukraine, in Slowakei und
Polen lebt.

Karpato-Russinisch wird von Russinen


in der Karpatoukraine, der Slowakei,
Polen gesprochen (rund 1 Mio.
Muttersprachler).
„Teritorio de rutenoj“ von ru: Участник:Russianname - ru: Участник:Russianname. Lizenziert
unter CC BY-SA 2.5 über Wikimedia Commons -
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Teritorio_de_rutenoj.jpg#/media/File:Teritorio_de
Von Ukrainern wird offiziell als Dialekt _rutenoj.jpg

des Ukrainischen angesehen.

Jugoslawo-Russinisch wird von der


Volksgruppe der Russinen in Serbien
und Kroatien gesprochen.
Zwei Identitätsvarianten der Ukrainer

Kleinrussische Identität
(kleinrussisch-gesamtrussische Identität)
vs.
Ukrainische Identität (Ukrainertum)
Kleinrussische Identität
• Große Rus‘ (Republik Nowgorod und Fürstentums
Wladimir-Susdal) - kleine Rus (byz. Μικρὰ Ῥωσία
nördlicher Teil der heutigen Ukraine).
• Kleinrussland (Малороссия) - im Russischen
Kaiserreich als Bezeichnung der ukrainischen
Gebiete, Kleinrussen (малороссы) - Einwohner
der heutigen Ukraine.
• Die Abschaffung des Begriffs Kleinrussland geht
auf die Bolschewiki zurück (s. Korenisacija).
Kleinrussische Identität:
1. Bestandteil des dreieinigen russischen Volkes.

1. Allgemeine geistige und literarische Kultur,


kirchliche, historische und dynastische Einheit.

• Seit dem 16. Jh. - rechtliche, wirtschaftliche und


religiöse Diskriminierung der ukrainischen
Bevölkerung unter polnischer Herrschaft.

• Eine weite Verbreitung fand die kleinrussische


Identität, die Vorstellung vom beschützenden
orthodoxen Zar unter den Kosaken, ukrainischer
Unterschicht und orthodoxen Bruderschaften.
s. Polen-Litauen
„Die ukrainischen Länder wurden nun direkt
dem Königreich Polen unterstellt und die
kulturelle und religiöse Integration des
ukrainischen in den polnischen Adel
beschleunigt. Es bildete sich eine tiefe Kluft
zwischen dem privilegierten katholischen Adel
und der orthodox gebliebenen ukrainischen
Unterschicht“.
Kosaken
Kosaken waren Gemeinschaften freier
Reiterverbände, Wehrbauern, zu denen sich flüchtige
russische, belarussische und ukrainische Leibeigene
zusammenschlossen.
Seit dem 16. Jh. wurden
Kosaken in der polnisch-
litauischen
Grenzverteidigung
eingesetzt.

Im 17. Jh. wurde eine


autonome ukrainische
Staatsformation, der
„Kosakenstaat“ Saporoger
Sitsch gegründet.
Chmelnyzky-Aufstand (1648)
• Die Kosaken waren der orthodoxen Kirche verbunden
und standen somit in Konflikt mit dem katholischen
Polen-Litauen.
• Chmelnyzky-Aufstand war ein gegen die
Adelsrepublik Polen(-Litauen) gerichteter Aufstand
der Saporoger Kosaken und breiter Schichten
christlich-orthodoxer Bevölkerung unter der Führung
von Hetman Chmelnyzky.
• Die Gründe: wirtschaftliche Ausbeutung polnischer
Landbesitzer gegenüber der ukrainischen
Landbevölkerung, der religiöse Druck auf die
Orthodoxie.
• Im Ergebnis dieses Aufstandes rief Chmelnizky einen
eigenen Kosakenstaat aus (Hetmanat).
Bündnisschluss von Perejaslaw
• Als Vertrag von Perejaslaw wird der Treueeid
bezeichnet, den die Saporoger Kosaken in
Perejaslaw 1654 auf den russischen Zaren Alexei I.
ablegten.
• Das Zarentum Russland erklärte daraufhin Polen-
Litauen den Krieg (Russisch-Polnischer Krieg
1654–1667).
• Am Ende wurde die Ukraine zwischen Russland
und Polen entlang des Dnjepr aufgeteilt.
• Die Rechtsufrige Ukraine folgte im 18. Jh. den
Teilungen Polens.
Rechtsufrige Ukraine
In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die
Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den
Unionsstaat schrittweise unter sich auf.
h ttp://схемо.рф/shemy/istorija/orlov-a-s-georgiev-v-a-georgieva-n-g-sivohina-t-a-istorija-rosi-v-shemah-2008-g/88.html
1

2 3
Kosaken
• Bis zum 18. Jh. waren sowohl russische als auch
ukrainische Kosaken vom Zarenreich teilweise
unabhängig.
• 1775 wurde das freie Kosakentum endgültig
aufgehoben.
• Die Kosaken wurden als freie Kavallerieverbände
in die russische Armee integriert.
Slavophilentum und Panslavismus
gegen Ukrainertum
• Slavophilentum und Panslavismus tendieren dazu,
einzelne, individuelle slavische Nationen unsichtbar
zu machen, indem sie die übernationale, die
slavische Einheit propagieren.

„Das Slavophilentum habe sich zum Panrussismus


entwickelt. Diesem sei es nie um slavische
Wechselseitigkeit, sondern immer um Beherrschung
der anderen slavischen Nationen gegangen“.
Václav Cerný “Vývoj a zlociny panslavismu”
(Entwicklung und Verbrechen des Panslavismus), 1993/94.
Ukrainische Identität (Ukrainertum)
Ukraine - seit dem 12. Jh. mit der Bedeutung „Grenzland“.

Im 19. Jh. entstand eine alternative Identitätsrichtung, das


Ukrainertum: die Ablehnung kultureller und ethnischer Verbindungen
zu Russland und die politische Orientierung nach Westen.

Wichtigste nationale Vordenker waren der Taras Schewtschenko


(Nationaldichter) sowie die Historiker Mykola Kostomarow und
Mychajlo Hruschewsky.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden Schulen und Druckwerke in
ukrainischer Sprache („kleinrussischer Dialekt“) verboten. Der
Schwerpunkt der Nationalbewegung verschob sich auf das
österreichische Galizien, wo die Ukrainer (Ruthenen) als Nationalität
anerkannt wurden.
Galizien (Галичина)
Westgalizien
(Südpolen)
und
Ostgalizien
(Westukraine)

1772 (1. Teilung Polens)


oG Österreich
Polen*
1795 (3. Teilung Polens)
G Österreich
P Ukrainer*
Č Gw Nach 1867 erhielten die Polen in
S Go der westlichen Reichshälfte
Ö bedeutenden Einfluss

1918 fiel G an den neuen


polnischen Staat (bis1939)
Der westliche Teil Galiziens
Im Verlauf des 2. Weltkrieges
gehört heute zu Polen,
wurde Galizien zwischen
der östliche Teil zur
dem Deutschen Reich
*Bevölkerungsaustausch Ukraine
1944-1946 und der Sowjetunion aufgeteilt
Linguistische Identität
Die ukrainische
Verfassung von
1991 benennt
Ukrainisch als
einzige offizielle
Amtssprache.

35 % der Bürger
39 % der Bevölkerung: tägliche geben an,
Kommunikation in Ukrainisch; 36 % nutzen
Russisch sei ihre
primär die russische Sprache im Alltag.
Muttersprache.
Linguistische Identität
• Russisch zu sprechen bedeutet keine Illoyalität
gegenüber der Ukraine!

• Jemand der Ukrainisch spricht, demonstriert seinen


Patriotismus.

In der Ukraine stehen oft sprachliche Präferenzen


einerseits und politische Orientierungen andererseits
nicht in einem eindeutigen Verhältnis: „ich spreche
russisch, aber ich identifiziere mich stark mit
nationalukrainischen Traditionen“.
Politik und
Sprache
Religion in der Ukraine
Ca. 60-70 % der Ukrainer gehören den orthodoxen Kirchen an:
• Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats (ein
autonomer Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche).
• Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats
(1991) international nicht anerkannt.
• Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche.
Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (1596) ca. 5,5
Mio. (ca. 15%); römisch-katholische Kirche ca. 1,1 Mio.
(2,4%) im Westen des Landes; 1,2 Mio. evangelische Christen
(2,7%).
• 2 Mio. Muslime (4%) – meistens Krimtataren.
• etwa 103.000 Juden.
• 63% ohne Konfession.
Riemergasse 1/11, Wien
Ukraine – Russland: Wir werden niemals Brüder sein
(Анастасия Дмитрук)

In einem Gedicht, das die ukrainische zweisprachige


Dichterin Anastasia Dmitruk auf Russisch schrieb,
rechnet sie mit dem ehemaligen älteren Bruder ab.
Dieses Gedicht, das sie ins Internet stellte, haben
einige Millionen Menschen gesehen und gehört.
https://www.youtube.com/watch?v=QCoRKUnHidw&index=1&list=RDQCoRKUnHidw
Wir werden niemals Brüder sein Aber unsere Augen sind furchtlos,
nicht nach der Heimat nicht nach der wir sind ohne Waffen gefährlich.
Mutter.
Ihr habt nicht die Seele frei zu sein. Wir sind erwachsen und mutig geworden,
Wir werden nicht einmal Stiefbrüder sein. im Fadenkreuz von Scharfschützen
Uns haben die Henker auf die Knie
Ihr nennt euch ältere, wir sind die jüngerengezwungen,
aber nicht eure aber wir haben uns erhoben und alles
Ihr seid so viele, aber leider Gesichtslos. berichtigt.
Ihr seid riesengroß, wir haben Größe.
Ihr übt Druck aus, wisst nicht was ihr Die Ratten verstecken sich umsonst, beten,
machen sollt, sie werden in ihrem Blut baden.
erstickt an eurem Neid.
Das Wort Freiheit kennt ihr nicht, Euch schickt man neue Befehle,
ihr seid seit der Kindheit an Ketten bei uns sind die Feuer des Aufstandes.
geschmiedet.
Ihr habt einen Zaren,
Bei euch zu Hause ist Schweigen Gold, wir haben Demokratie.
bei uns brennen Molotowcocktails,
wir haben heißes Blut, Wir werden niemals Brüder sein.
was seid ihr nur für eine blinde
Verwandtschaft.
Laut Russen sind die „Hauptfeinde Russlands“ die
USA, die Ukraine und die Türkei.

Den zweiten Platz mit Abstand dem höchsten Wert


seit Beginn der Aufzeichnungen nimmt die Ukraine
ein – 48% (2015 noch dachten so nur 37%).

Dritter Platz: Türkei: (im Jahr 2015 1% der


Befragten, in diesem Jahr– 29%.)

Wichtigste „Freunde“ aus der Sicht der Russen:


Belarus (50%), Kasachstan (39%) und China (34%).
http://www.meganewsweb.com/de/news/breaking-news-rossijane-nazvali-svoih-glavnyh-vragov
Die Säulen der ukrainischen Identität

Untersuchung der ukrainischen Frage


Table of contents
1 Einleitung...................................................................................................................... 2
2 Die Säulen der ukrainischen Identität.......................................................................... 2
3 Die Kiever Rus' -- origo gentis der Ukrainer?............................................................. 3
4 Hetmanš#yna und der Kosakenkult..............................................................................4
5 Galizien -- Das inoffizielle Zentrum der Ukraine........................................................ 5
6 Ruthenen, Kleinrussen oder Ukrainer?.........................................................................6
7 Sprache als identitätstiftendes Kriterium......................................................................7
8 Apotheose und Dekonstruktion der Nationaldichter.................................................... 9
9 Die Kirchen der Ukraine............................................................................................ 10
10 Staatsbildungsversuche............................................................................................. 11
11 Der Holodomor in der ukrainischen Geschichtsschreibung..................................... 13
12 Die moderne Ukraine................................................................................................13
13 Ukrainisierungpolitik................................................................................................ 14
14 Die Orange Revolution............................................................................................. 14
15 Zusammenfassung..................................................................................................... 16
16 Anmerkungen und Quellen.......................................................................................16

Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

1 Einleitung
Beschäftigt man sich mit der Identität eines fremden Volkes, so begibt man sich auf
gefährliches Terrain. Vor allem dann, wenn man sie – wie in der vorliegenden Arbeit
versucht – kritisch beleuchtet. Hier wird die Identität in der ukrainischen Frage im
Mittelpunkt stehen. Zuerst sollen die Grundpfeiler der ukrainischen Kultur und ihrer
Ethnogenese gefunden, zusammengefasst und dargestellt werden. Was macht die nationale
Identität der Ukraine aus? Wie wird damit verfahren? Und vor allem: Ist es in einer solchen
dichotomen Nation, die sie in vielerlei Hinsicht ist, uberhaupt möglich einen gemeinsamen
Nenner zu finden, ohne gewisse Gruppen von Menschen auszuschließen?
Die Ukraine ist ein Land, welches in den letzten Jahren ständig in den westlichen Medien
präsent ist. Aber das war nicht immer so. Vor der Orangen Revolution 2004 war dieses
Land dem Westen nahezu unbekannt. Häufig wurde die Frage gestellt: Ukraine? Ist das
nicht ein Teil Russlands?“. Wie kann es sein, dass das größte rein auf europäischem Gebiet
liegende Land, mit fast 50 Millionen Einwohnern, im europäischen Bewusstsein so gut wie
gar nicht vorhanden war?
Wie es scheint, hat sich die Ukraine aus dem Schatten der Sowjetunion und der Diktatur
Russlands erhoben. Seit Jahren bemüht sich die ukrainische Intelligenz ihrer Bevölkerung
ein neues Selbstverständnis zu vermitteln. Dieses Selbstverständnis stellt einen wichtigen
Schritt für die Emanzipation vom "großen Bruder“ Russland dar.
Diese Arbeit soll die wichtigsten Säulen der ukrainischen kulturellen Identität beschreiben,
aber auch deren Schattenseiten kritisch beleuchten. Ist die Ukraine ein neuzeitliches
Konstrukt, ein Experiment? Man wird sehen, dass diese junge Nation ganz und gar nicht
jene Einheit ist, als die sie oft dargestellt wird.

2 Die Säulen der ukrainischen Identität


Beschließt man in die Ukraine zu reisen und recherchiert zuvor ein wenig im Internet,
bekommt man in etwa folgende Information:
Die Ukraine ist das größte Land Europas und weist eine reiche Kultur und wechselhafte
Geschichte auf. Einzige Amtssprache der Ukraine ist Ukrainisch, mit Ausnahme der
Halbinsel Krim, welche eine autonome Republik innerhalb der Ukraine bildet. Dort bilden
ethnische Russen die Mehrheit, Amtssprachen sind dort Russisch und Ukrainisch. In
der Ukraine gibt es starke kulturelle Unterschiede zwischen West und Ost, geteilt durch
den Fluss Dnipro. Der Westen wurde lange Zeit durch die polnische Kultur und die
Donaumonarchie geprägt (mit der Stadt Lemberg, heute L'viv, als Zentrum), der Osten
durch die russische und sowjetische.
Laut Yale-Professor und Ukraineexperte Taras Kuzio gilt der Westen der Ukraine als
nationalistisch, pro-europäisch und ukrainophon, der Osten als russophil, pro-eurasisch und
russophon. Die Hauptstadt Kiev liegt genau an der Grenze dieser beiden Lager, doch wird
dort vorwiegend russisch gesprochen. Weiters erklärt Kuzio, dass es trotz der großen Masse
an russophonen Ukrainern im Bereich Krim, Odessa, im Donbass und Kiev an einer Einheit
dieser fehlt. 53 % der Kiever gaben an Russisch im Alltag zu sprechen. Davon denkt die
2 Built with Apache Forrest
http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

Hälfte, dass die ukrainische Sprache ein Attribut ukrainischer Eigenheit sei und dass ihr
Prestige gesteigert werden müsse. Nur 43% der russophonen Kiever sind für die Erhebung
des Russischen in den Status einer zweiten Amtssprache (Kuzio 2000).

3 Die Kiever Rus' -- origo gentis der Ukrainer?


Die Kiever Rus' war jenes ostslawische Großreich, aus dem die Russen, Ukrainer und
Weißrussen hervorgegangen waren. Es ist im 9. Jahrhundert entstanden und wurde von
skandinavischen Fürsten, den so genannten Warägern, beherrscht. Die Kiever Rus' entstand
durch die Verlagerung des Zentrum von Novgorod nach Kiev im Jahre 882.
Das Reich erstreckte sich auf dem Gebiet der heutigen Staaten Belarus, Ukraine, den
Ostteil Polens und den Westteil Russlands. 988 wurde die Kiever Rus' von Byzanz aus
christianisiert. Die skandinavischen Herrscher wurden nach und nach von der slawischen
Bevölkerung assimiliert. Im 11. Jahrhundert erreichte das Reich unter Jarolav Mudryj seine
Blüte, bis es schließlich durch innere Streitigkeiten, vor allem aufgrund eines ungünstigen
Erbrechts, dem Seniorat, und den Einfall der Tataren, welche 1240 Kiev niederbrannten,
seinen Niedergang fand.
Tatsächlich war die Kiever Rus' nicht jenes einheitliche Großreich, als das es oft
dargestellt wird. Eher war es eine lose Vereinigung verschiedener kleinerer Fürstentümer.
Außerdem weist die Geschichtsschreibung zahlreiche Lücken auf, welche einen immensen
Interpretationsspielraum offen lassen, der auch häufig zu Propagandazwecken ausgenutzt
wurde und immer noch wird.
Die wichtigsten Interpretationen über die Geschichte der Kiever Rus' sind folgende:
• Die russisch-imperialistische: Für die russischen Zaren war die Kiever Rus' ein
russisches Reich, aus dem sich später die Ukrainer und Weißrussen herausgebildet
haben. Das Ziel des russischen Reiches war es, sich sein "Erbe" zurückzuholen und
die anderen beiden ostslawischen Völker auf "den rechten Weg", den russischen,
zurückzuführen, von dem sie durch viele Fremdherrschaften abgekommen seien.
• die sowjetische: Im Propagandaapparat der Sowjetunion wurde die Kiever Rus' als
gemeinostslawisches Reich dargestellt, aus welchem die drei Brudervölker Russen,
Ukrainer und Weißrussen hervorgegangen waren.
• die ukrainische: Die Ukrainer sehen sich als die wahren Erben der Kiever Rus'.
Sie begründen dies damit, dass die Ukraine den größten Teil der Rus' ausmachte
und dass Kiev, ihre Hauptstadt, das Zentrum bildete. Auch besagt die ukrainische
Geschichtsschreibung, dass die ukrainische Sprache bereits als Verkehrssprache in der
Kiever Rus' Anwendung gefunden hatte. Somit drehte die Ukraine den Spieß um und
richtete ihn gegen Russland. Durch die Beanspruchung der Kiever Rus' als ihr Erbe
nahmen sie Russland symbolisch jeglichen Anspruch auf die Ukraine oder Belarus'.
• die slawistische/linguistische: Die moderne Slawistik und Linguistik gehen davon
aus, dass sich das frühe Gemeinostslawische ab dem 8. Jahrhundert aus dem
Urslawischen herausgebildet hat. Dieses hatte bis ca. 1050 Bestand und entwickelte
sich zum eigentlichen Gemeinostslawischen. Diese Periode dauerte wiederum bis

Built with Apache Forrest 3


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

ca. 1350. Danach bildeten sich das Altukrainische, Altrussische und Altbelarusische
allmählich heraus. Wie man sieht, sind drei dieser vier Interpretationen ideologisch
gefärbt. Geht man von der letztgenannten aus, die die aktuelle Lehrmeinung bildet,
kann zum Zeitpunkt des Bestandes der Kiever Rus' nicht die Rede sein von Russen,
Ukrainern und Weißrussen. Am ehesten würde hier die sowjetische Interpretation
eines gemeinsamen Brudervolkes zutreffen. Gewiss gab es aber auch regionale
Unterschiede, die die Grundlage für die Aufspaltung in die heutigen ostslawischen
Völker bildete. Die Ukrainer sehen die Zeit der Kiever Rus' als das "Goldene
Zeitalter" ihres Volkes.

4 Hetmanš#yna und der Kosakenkult


Ende des 15. Jahrhunderts tauchte in der Ukraine eine völlig neue Gesellschaftsschicht auf,
die Kosaken. Sie prägen bis heute das historische Bild der Ukraine.
Woher kamen nun diese Kosaken? Ursprünglich waren die Kosaken lose Verbände von
Tataren. Das Wort "Kosake" bedeutet im Tatarischen "freier Krieger". In der Ukraine war
das Gebiet, in dem die Kosaken herrschten, die Steppen im Zentrum. Zu den Kosaken
stießen im Laufe der Zeit immer mehr Russen und Ukrainer, wodurch sie im 16. Jahrhundert
bereits mehrheitlich aus Ostslawen bestanden hatten und die Orthodoxie die dominierende
Religion geworden war.
Die Regierungsform der Kosaken war das so genannte Hetmanat. Der Hetman (auch
Ataman genannt) wurde von den Kosaken gewählt und hatte die Macht Recht zu sprechen.
Die Kosaken waren zum Gehorsam gegenüber dem Hetman verpflichtet, dieser konnte
jedoch abgesetzt werden, falls er seine Kompetenzen überschreite. Dadurch entstand eine
Regierungsform, die sich mit dem Wort "Militärdemokratie" gut beschreiben lässt.
Kosake konnte jeder werden, die einzige Aufnahmebedingung war das Bekenntnis zur
Orthodoxie. Um so mehr sahen die Kosaken sich als Hüter der Orthodoxie, als sich
im Westen 1595 die katholische und orthodoxe Kirche in der Kirchenunion von Brest-
Litovsk fusionierten. Polen, in dessen Herrschaftsgebieten sich die von den Kosaken
bewohnten Steppen befanden, wurde das Hetmanat immer unbequemer. Polen konnte nicht
dulden, dass sich innerhalb seines Reiches seperatistische Tendenzen breit gemacht hatten.
Dementsprechend gab es Sanktionen gegen die Kosaken, die diese mit Waffengewalt
beantworteten. In diesem Konflikt zwischen Polen und Kosaken tat sich vor allem der
Hetman Bohdan Chmel'nyc'kyj durch bedeutende militärische Siege hervor. Um die
weitgehende Autonomie des Hetmanats zu sichern, ging Chmel'nyc'kyj ein Bündnis mit
den russischen Zarenreich ein, in das die Hetman-Ukraine 1654 eingegliedert wurde.
Der weitgehenden Autonomie des Hetmanats innerhalb des russischen Reiches wurde
durch die verhehrende Niederlage der Kosaken in ihrem Zentrum Poltava 1709 abrupt ein
Ende gesetzt. Der Hetman Ivan Mazepa strebte nach der Unabhängigkeit des Hetmanats
und verbündete sich mit Schweden. Die Schlacht bei Poltava zerstörte die Hoffnungen
Mazepas. Seit diesem Zeitpunkt wurden die Rechte der Kosaken schrittweise beschnitten,

4 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

bis schließlich Katharina II. das Hetmanat auflöste. Politische Bedeutung erhält das
Hetmanat erst wieder in der Ukrainischen Volksrepublik 1918.
Die moderne Ukraine hat das Bild des Kosaken zum Nationalsymbol erhoben. Die
ukrainische Geschichtsschreibung verschweigt dabei gerne, dass das Kosakentum, obwohl
nicht so stark ausgeprägt, nicht nur ein ukrainisches Phänomen darstellt.
Chmel'nyc'kyj wurde zum Symbol des Aufstandes gegen die polnische Herrschaft (mit dem
bitteren Beigeschmack, dass er sich mit Russland verbündet hatte). Mazepa wurde in der
Sowjetunion als Verräter verdammt, während er heute in der Ukraine als Held gefeiert wird.
Auf den Banknoten der ukrainischen Währung, dem Hryvnja, haben die Ukrainer ihnen ein
Denkmal gesetzt: Chmel'nyc'kyj ist auf dem 5-Hryvnja-Schein abgebildet, Mazepa auf dem
10-Hryvnja-Schein.

5 Galizien -- Das inoffizielle Zentrum der Ukraine


Galizien ist eine historische Region, welche sich heute auf zwei Nationen verteilt:
Westgalizien mit dem Zentrum Kraków befindet sich in Polen, Ostgalizien mit dem
Zentrum L'viv in der Ukraine. Das Interessante an dieser Region ist, dass sie eine nahezu
vollkommen andere Geschichte hat als der Rest der Ukraine. So kam es auch zu den "zwei
Ukrainen" (Rjab#uk 2005: 12).
Was ist das Besondere an dieser Region, dass sie zum Zankapfel so vieler verschiedener
Mächte wurde?
Galizien befindet sich im Zentrum Europas, and der Grenzscheide verschiedener Kulturen,
zwischen Ost und West. Das macht Galizien zu einem idealen Handelszentrum, oder --
wie es häufig der Fall war -- zu einem strategisch wichtigen Stützpunkt um in gegnerische
Gebiete vorzudringen. Die Region ist reich an Rohstoffen und der Dnestr gewährt eine
Handelsroute ans schwarze Meer, wodurch auch mit Byzanz Handel getrieben werden
konnte.
Ab dem 6. Jahrhundert wird die Region von ersten slawischen Siedlern erschlossen. Die
Stadt Haly# am Dnestr, die sich in der heutigen Ukraine befindet, gibt dem Gebiet einen
Namen.
Im Jahre 1000 wird Galizien Teil der Kiever Rus'. Im 11. Jahrhundert löst der wolhynische
Fürst Roman Galizien von der Kiever Rus' und vereinigt es schließlich mit seinem
Königreich Vladymyr. Sein Sohn Danylo schafft es sich gegen den Adel durchzusetzen,
hat aber außenpolitisch mit den Tataren zu tun, denen er im Laufe der Zeit unterliegt. Der
Papst krönte ihn zum König für seine Verdienste im Kampf gegen den Islam.
Im Jahre 1205 beanspruchen sowohl Ungarn als auch Polen die Herrschaft über Galizien,
welches sich jedoch eine weitgehende Autonomie bewahren konnte, bis es 1349 ins
Königreich Polen eingegliedert wurde.
Auch als sich 1569 in der Union von Lublin Polen und Litauen zu einer Adelsrepublik
vereinen, bleibt Galizien unter polnischer Oberhoheit. Die Bauern werden mehr und mehr
vom erstarkten Adel abhängig, was schließlich zu deren Leibeigenschaft führt -- die

Built with Apache Forrest 5


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

Spannung zwischen herrschenden Polen und beherrschten Ruthenen steigert sich von einem
gesellschaftlichen zu einem nationalen Konflikt. Dazu kommt noch eine Bedrohung von
Außen durch die Nähe zu Krimer Khanat, dessen Reiterscharen die Gebiete Rutheniens
ständig plündern und verwüsten.
Durch die erste polnische Teilung 1772 fällt Ostgalizien an Österreich, durch die
dritte polnische Teilung 1795 auch Westgalizien. Galizien wird zu einem Kronland der
Donaumonarchie. Durch den liberalen Kurs der Habsburger gegenüber seinen beherrschten
Völkern, war es den Ruthenen erlaubt, ihre Sprache zu lehren und öffentlich zu verwenden.
Man spricht hier oft von einem "ukrainischen Piemont" (Cybenko 1998).
Am Ende des Ersten Weltkrieges wird in L'viv die Westukrainische Volksrepublik
ausgerufen, welche aber nur ein Jahr Bestand hatte. Dieses Gebiet fiel an die Ukrainische
SSR.
Von 1941 bis 1944 war die Region unter dem Namen Distrikt Galizien Teil des Deutschen
Reiches. Die Galizier erhofften sich durch die Nationalsozialisten die Befreiung aus dem
sowjetischen Joch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Galizien wieder in die Sowjetunion
eingegliedert.
Nach diesem kurzen Geschichtsüberblick Galiziens sieht man, dass diese Region ständig
zwischen verschiedenen Herrschern herumgereicht worden ist. Durch den Einfluss so vieler
verschiedener Kulturen litt gewiss auch die Identität Galiziens.
Es gibt sie aber, diese galizische Identität. Sie ist innerhalb der Ukraine sogar die am
stärksten ausgeprägte regionale Identität. Durch die gemeinsame Geschichte herrscht auch
heute noch eine starke Völkerverständigung zwischen Ost- und Westgalizien, und daher
auch zwischen Polen und der Ukraine. In beiden Teilen Galiziens hat sich zudem auch eine
starke Österreich-Nostalgie mit Wiener Kaffeehäusern und Fiakern entfaltet.
Die moderne Identität der Ukraine ist eine westukrainische. Das inoffizielle Zentrum der
Ukraine ist L'viv. Dort spricht man ukrainisch, von dort kommt die ukrainische Intelligenz,
die politischen Ideologen. Durch die Geschichte Galiziens, welches die kürzeste Zeit
unter russischer Herrschaft gestanden hat, fühlen die Galizier sich dem Westen und seiner
Tradition zugehörig. Und genau dieses Selbstverständnis wird auch von dort für die gesamte
Ukraine propagiert.

6 Ruthenen, Kleinrussen oder Ukrainer?


Die Ukraine war lange Zeit ein Bindeglied zwischen West und Ost. Dies sieht man auch
sehr schön, wenn man die Herkunft der Bezeichnung "Ukraine" genauer betrachtet.
Die Bezeichnung Ukraina wurde erstmals 1187 in der Chronik Ipat'evska Litopys' erwähnt.
Dieser Ausdruck bezeichnete das südwestliche Gebiet der Kiever Rus'.
Aus russischer Sicht enthält die Bezeichnung das russische Wort kraj (Rand) bzw. okraina
(Randgebiet). Dies resultiert vermutlich daraus, dass die Ukraine die religiös-kulturelle
Grenzscheide zwischen dem katholischen Westen und dem orthodoxen Osten gewesen

6 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

ist (Lüdemann 2001: 56-57). Eine andere häufig vertretene These der Herkunft der
Bezeichnung Ukraina ist, dass das Land am geographischen Rand Russlands liegt.
Die Bezeichnung "Ukraine" war aber nicht immer die typische für diese Region. Viel
häufiger wurde sie Malorossija (Kleinrussland, von Russland so bezeichnet) oder Rus'
(Ruthenien, v.a. unter den Habsburgern) genannt. Die Bezeichnung Ukraine hat sich erst
Mitte des 19. Jahrhunderts unter der ukrainischen Bevölkerung durchgesetzt.
Die Ukrainer selbst akzeptieren die russische Sicht der Etymologie des Wortes Ukraine
nicht. In erster Linie auch deshalb nicht, weil sie nicht der Rand Russlands sein wollen.
Somit untergraben die Ukrainer von Neuem die Autorität Russlands. Das ukrainische Wort
krajina heißt schlicht "Land". "u krajini" hieße somit "am Land".
Eine andere mögliche Herkunftstheorie ist die Herleitung vom ukrainischen Wort
"krajaty" (ausschneiden). Die Kosaken, die die lebensfeindlichen Gebiete am Rande der
ukrainischen Steppe besiedelten, wurden auch als ukrainniki bezeichnet.

7 Sprache als identitätstiftendes Kriterium

Eines der wichtigsten Indentifikationsmerkmale einer nationalen Kultur ist ihre Sprache.
In kaum einem Land auf dieser Welt wird dies so deutlich wie in der Ukraine. Maßgeblich
wird dort von der derzeitigen Intelligenz Identität "gemacht". Und eben jene Intelligenz
spricht hauptsächlich ukrainisch.
Dies ist aber eine relativ junge Entwicklung. Während Ukrainer unter russischer und
sowjetischer Herrschaft nur Karriere machen konnten, wenn sie Russisch beherrschten,
hat sich die Lage im Laufe der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 geändert. Zu Zeiten
der Sowjetunion galt Ukrainisch als Bauernsprache, welche auch nicht unbedingt geduldet
wurde. Dennoch konnte sie trotz starker Russifizierung erhalten werden. Nach dem Zerfall
der Sowjetunion kam es zu einer sprachlichen und kulturellen Wiedergeburt der Ukrainer.
Ukrainisch ist heute alleinige Amtssprache, mit Ausnahme der autonomen Republik Krim.
Dass diese Entwicklung vielen russischsprachigen Ukrainern ein Dorn im Auge ist, ist
verständlich.
Dennoch muss man streng zwischen sprachlicher und ethnischer Identität der Ukrainer
unterscheiden. Die Mehrheit der russischsprachigen Bevölkerung sieht sich als
Nationalukrainer, ohne jedoch vorwiegend die Nationalsprache zu verwenden.
Die Ukraine muss ihre Sprache fördern, um glaubwürdig zu bleiben. Die ukrainische
Sprache wird zwar offiziell gefördert, aber nicht finanziert, die Förderungen werden oft
durch Russischverbote ersetzt.
Unbedingt zu beachten ist, dass die ukrainische Sprache keineswegs homogen ist. Dadurch,
dass die Ukraine lange Zeit zwischen verschiedenen Herrschaften aufgeteilt war, finden sich
in ihrer Sprache viele Polonismen, Russismen und -- nicht zuletzt und trotz der liberalen
Sprachpolitik der Donaumonarchie (oder gerade deshalb?) -- Germanismen.
Erst Ende des 18. Jahrhunderts entstand die ukrainische Literatursprache, in der Gegend
von Kiev und Poltava. Grammatisch ist sie dem Russischen sehr nahe, lexikalisch steht
Built with Apache Forrest 7
http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

Russisch jedoch erst an vierter Stelle, nach Belarusisch, Polnisch und Slowakisch (Rjab#uk
2005: 21).
Durch die langjährige Abqualifizierung der ukrainischen Sprache kam es gerade im
Zentrum zu einem "psycholinguistischen Komplex" (Cybenko 2004), der sich im Suržyk
äußert. Suržyk bezeichnet die Verwendung des Ukrainischen mit russischer Lexik und
Betonung. Menschen, die Suržyk sprechen, sind sich dessen meist nicht bewusst, und wenn
doch, schämen sie sich es zu sprechen, können aber kein Hochukrainisch. Es gibt auch eine
große Menge an Vorurteilen gegenüber Suržyksprechenden. Sie gelten als ungebildet und
derb.
In Wirklichkeit ist die Situation in der Ukraine viel komplexer als die bloße Teilung des
Landes in zwei Sprachgruppen.
Bei näherer Betrachtung kann man die Ukrainer in drei verschiedene Typen unterteilen:
• Ukrainische Nationalisten, die vorwiegend ukrainisch sprechen
• Ukrainische Nationalisten, die vorwiegend russisch sprechen
• Russophile
Auch ist keine genaue geographische Grenze der sprachlichen Lager auszumachen.
Obwohl Užhorod im äußersten Westen der Ukraine liegt, sprechen die Menschen neben
dem Rus(s)inischen, einer Minderheitensprache in der Transkarpatenregion, vorwiegend
russisch, nicht ukrainisch.
Mykola Rjab#uk erklärt die Sprachsituation folgendermaßen:
Die Vorstellung von der Ukraine als einem im Osten überwiegend russischsprachigen
und im Westen ukrainischsprachigen Land ist zu grob, weil dabei weder die reale
Zweisprachigkeit nahezu sämtlicher Einwohner noch der assymmetrische Charakter
dieser Zweisprachigkeit berücksichtigt wird." (Rjab#uk 2005: 26)
In Kiev wird die sprachliche Schizophrenie, die in der Ukraine vorherrscht, am deutlichsten
vor Augen geführt: Man hat den Eindruck fast jeder spreche hier russisch, aber Schilder,
Wegweiser, Geschäfte, etc. sind ukrainische beschriftet. Speisekarten sind ukrainisch, wenn
zweisprachig, dann ukrainisch und englisch, ganz selten ukrainisch und russisch.
L'viv erscheint nach Kiev wie eine andere Welt. Man kann hier das k.u.k.-Flair förmlich
spüren. Hier sind nur wenige Menschen bereit russisch zu sprechen. Spricht man jemanden
auf Russisch an, kann es leicht sein, dass das Gegenüber zu Englisch ausweicht. Im
Vergleich zum Osten könnte man sich hier problemlos mit Englisch durchschlagen, viele
sprechen auch Deutsch.
Während in Kiev die Tatsache Ukrainer zu sein zusammenführt, steht in L'viv vor allem
die Sprache im Vordergrund. Die L'viver sehen sich als die "wahren" Ukrainer. Die
Menschen hier sind nicht nur pro-ukrainisch sondern zu einem großen Teil auch anti-
russisch eingestellt. Sie bezeichnen die Russen mit dem negativ konnotierten Wort moskal',
was so viel wie "Moskoviter" bedeutet, bezeichnen.

8 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

In Kiev hat sich längst Russisch als Kommunikationssprache durchgesetzt, die Sprache
scheint dort eher sekundär zu sein.In L'viv hingegen will man ein "reines" Ukrainisch
erhalten. Ukrainer, die sich in Kiev entscheiden, ukrainisch zu sprechen, zeigen damit
deutlich ihre politische Motivierung:
Pro Juš#enko/Timošenko, pro Orange Revolution, pro Westen. Die Intelligenz der Ukraine
spricht ukrainisch.
Darin liegt auch eine gewisse Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung.
Den russischsprachigen Ukrainern werden von den ukrainischsprachigen Ideologien und
Charakterzüge zugeschrieben, die in den meisten Fällen nie zutreffen.
Nach 70 Jahren Sowjetherrschaft, in der die ukrainische Kultur trotz verfassungsmäßig
garantierter Gleichheit der Nationalstaaten unterdrückt worden war, wurde eine neue
Identität der Ukrainer aufgebaut, basierend vorwiegend auf Sprache und Literatur.
Die ukrainische Sprache wurde lange Zeit als Abart des Russischen belächelt. Doch ist es
eine eigene Sprache, die zum Zweig der ostslawischen Sprachen gezählt wird. Sie steht in
ihrer Struktur dem Russischen und Balarusischen sehr nahe, allerdings unterscheidet sie
sich von diesen deutlich im Vokal- und Konsonantensystem. In der Lexik ist der polnische
Einfluss stark zu spüren.

8 Apotheose und Dekonstruktion der Nationaldichter


Gleichsam der Sprache werden auch ihre Träger dementsprechend gewürdigt, die Literaten.
Die Ukrainer haben gleich zwei Nationaldichter: Taras Šev#enko und Ivan Franko.
Ersterer wurde 1814 in der Nähe von Kiev geboren. Šev#enko war ein Leibeigener, der
sich aber später durch die Hilfe seiner Freunde freikaufen konnte. Schon früh erregte
er mit seinen Gedichten und Gemälden Aufmerksamkeit. Trotz Kritik seiner Freunde
verfasste er seine Gedichte in der ukrainischen Sprache. Als Šev#enko in den 1840ern
der Kyrillo-Methodianischen Bruderschaft beigetreten war, wurde er wegen Verdachts auf
Verschwörung aus der Ukraine verbannt und in der Armee zwangsverpflichtet. Später
verbrachte er sogar eine Zeit lang im Zuchthaus. Dennoch hinderten ihn diese Umstände
nicht daran weitere Gedichte zu verfassen. 1861 starb Šev#enko in St. Petersburg.
Zweiterer wurde 1856 in Ostgalizien geboren. Auch er entdeckte seine Liebe zur Literatur
bereits sehr früh. Zeit seines Lebens kam er mit dem Gesetz in Konflikt. Er stand unter
Verdacht das Volk zu verhetzen. Sein Studium der Philologie schloss er erst sehr spät
ab, da er von der Lemberger Universität ausgeschlossen worden war. So machte er in
Czernowitz und in Wien seinen Abschluss. Neben seinen Gedichten war er auch durch
seine Übersetzungen von Werken der Weltliteratur ins Polnische und Ukrainische und als
Literaturkritiker bekannt geworden. 1916 starb Franko in Lemberg.
So gibt es in der Ukraine zwei Nationaldichter, einen für jede der "beiden Ukrainen", wie
sie der Journalist Mykola Rjab#uk zu nennen pflegt (Rjab#uk 2005: 12). Dementsprechend
wurden sie auch von der Bevölkerung kanonisiert. In beinahe jeder ukrainischen Stadt findet
man Denkmäler von Šev#enko und Franko. Beide sind sie für "ihre" Ukraine ein Symbol
des nationalen Erwachens. Šev#enko wurde zur "Inkorporation des tragischen Schicksals
Built with Apache Forrest 9
http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

des ukrainischen Volkes" (Cybenko 2004). Franko schrieb in der ruthenischen Mundart
der Westukraine, welche trotz vieler Polonismen und Germanismen viele eigentümliche
ruthenische Wörter aufweist. Gewisse Seiten der Dichter werden dabei gerne übersehen,
wie beispielsweise die russischsprachige Prosa Šev#enkos.
In der zeitgenössischen ukrainischen Literatur gibt es drei wichtige Pole: Der L'viver
Jurij Andruchovy#, der Donec'ker Serhij Žadan und, nicht zuletzt, der Kiever Andrej
Kurkov. Andruchovy# gilt als Habsburger-Nostalgiker (so ist auch die Hauptfigur
seines berühmtesten Romans Die zwölf Ringe ein Österreicher auf der Suche nach
seinen galizischen Wurzeln) und vertritt die Westukraine, Žadan schreibt über die
internationalisierten Städte des Donbass und vertritt die Ostukraine, Kurkov schreibt
Kriminalromane und vertritt die russischsprachige Linie der ukrainischen Literatur.
Die berühmteste Vertreterin der ukrainischen feministischen Literatur ist Oksana
Sabuško. Sie bezeichnete die russischsprachige Literatur vor allem Kurkovs als
"Übergangsphänomen" (Schmid 2001). Diese vier Autoren (u.a.) versuchen der Ukraine
und ihrer Bevölkerung ein neues Selbstverständnis zu vermitteln. Sie sind zwar alle stolze
Ukrainer, schreiben jedoch durchaus auch ukrainekritisch.
Im nationalistisch mythologisierten Charakter Taras Šev#enkos haben die zeitgenössischen
ukrainischen Literaten ein geeignetes Symbol zur Regierungskritik gefunden. Schreibt
man über oder gar gegen dieses Symbol, schreibt man über die Regierung, kritisiert das
Nationalbewusstsein der Ukrainer. Man vergleiche hierzu die Werke Daniil Charms über
Puškin, der dadurch in ähnlicher Weise das Sowjetregime angriff. In Kurkovs Roman
Petrovi# liegt die Pointe darin, dass der Hauptprotagonist ohne Šev#enko zum Ukrainer
wird. Indem Žadan sich als Šev#enko-Fan äußert, befreit er diesen aus der politischen
Instrumentalisierung.
Am radikalsten ging hier Oksana Sabuško gegen die Ikone vor: In ihrer Arbeit Der
Ukrainemythos bei Šev#enko (1997) dekonstruiert sie seinen Mythos. Sie sieht Šev#enko
als "ukrainische Tendenz zur Selbstviktimisierung" (Schmid 2001). Das ablehnende Echo
auf ihr Werk bestätigte ihr, dass die Ukrainer noch lange nicht reif sind ihre Ikonen auch
kritisch zu beleuchten.

9 Die Kirchen der Ukraine


Die Findung einer gesamtukrainischen Identität wird vor allem auch dadurch erschwert, da
es keine gesamtukrainische Kirche gibt. Durch die jahrhundertelange Spaltung des Landes
wurde die Westukraine Teil der lateinischen, die Ostukraine blieb unter dem Einfluss der
byzantinischen Tradition.
Die wichtigsten Kirchen/Konfessionen der Ukraine sind:
• Ukrainische Orthodoxe Kirche -- Moskauer Patriarchat
• Ukrainische Orthodoxe Kirche -- Kiever Patriarchat
• Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche
• Unierte Kirche/griechisch-katholische Kirche

10 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats ist die größte


Glaubensgemeinschaft der Ukraine. Sie befindet sich ständig im Legitimitätsstreit mit der
zweitgrößten, der Ukrainischen Orthodoxen Kirche Kiever Patriarchats. Dabei geht es vor
allem um Immobilien. Erstere muss den Zusatz "Moskauer Patriarchats" nicht unbedingt
tragen, zweitere muss das Patriarchat anführen.
Drei dieser Konfessionen der Ukraine sind national geprägt. Durch den nationalistischen
und antirussischen Kurs der heutigen Ukraine kommt es immer häufiger vor, dass
Orthodoxe des Moskauer Patriarchats zur Ukrainischen Orthodoxen Kirche Kiever
Patriarchats konvertieren.
"Nach dem Zusammenbruch des Zarenreichs wurde binnen weniger Wochen die Forderung
nach kirchlicher und politischer Unabhängigkeit erhoben. Auf politischer Ebene wurde
diese 1918, auf kirchlicher Ebene mit der Gründung der Ukrainischen Autokephalen
Orthodoxen Kirche im Jahre 1921 erreicht." (Lichtblau 2001). Die Autokephale
Orthodoxie knüpft an die Tradition der bis 1686 bestandenen Orthodoxie der Ukraine an.
Seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 gab es immer wieder Annäherungen
der Ukrainischenn Autokephalen Orthodoxen Kirche und der Orthodoxie des Kiever
Patriarchats, vor allem, um die Ukrainische Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats zu
schwächen.
Auf der anderen Seite dominiert im Westen der Ukraine die Unierte Kirche. Sie wurde
1596 in der Kirchenunion von Brest-Litovsk begründet und vereinigte die katholischen
Sakramente mit dem byzanthinischen Ritus. Unter den Habsburgern war es den Ruthenen
erlaubt ihren Glauben frei auszuüben. Dementsprechend stark war die westukrainische
Identität bereits mit der Unierten Kirche verbunden, dass sie, obwohl von den Sowjets 1946
aufgelöst und verboten, im Untergrund weiterexistierte. 1987 tauchte die Unierte Kirche
wieder aus dem Untergrund auf.
Im Gegensatz zur Orthodoxie in der restlichen Ukraine, welche in drei Lager aufgespaltet
ist, ist die Unierte Kirche in der Westukraine stärker und einflussreicher. Auch scheint sich
ihr Einfluss über die Grenzen Galiziens auf den Rest der Ukraine auszuweiten.
Während die russischen Präsidenten El'cin und Putin die Orthodoxie (also eine
gemeinsame Religion) "als ein wichtiges Mittel der staatlichen und nationalen
Bewusstseinsbildung" (Lüdemann 2001: 185) sahen, fehlt es der Ukraine an einer
einheitlichen nationalen Religion. Hier sieht man deutlich, dass die Ukraine es durch den
Einfluss der Ukrainischen Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats (noch) nicht geschafft
hat den Bereich der Religion zu ukrainisieren.

10 Staatsbildungsversuche
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges gab es auf beiden ukrainischen Seiten mehrere
Versuche, einen eigenständigen ukrainischen Staat zu bilden.
In der Ostukraine, welche bis zum Sturz der Romanovs Teil des russischen Zarenreich
gewesen war, versammelte sich Beginn 1917 die Central'na Rada unter dem Vorsitz von

Built with Apache Forrest 11


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

Mychajlo Hruševs'kyjs, eine Übergangsregierung, welche aber von der Provisorischen


Regierung in Petrograd nicht anerkannt wurde.
Am 22. Jänner 1918 wurde in Kiev von der Central'na Rada die Ukrajins'ka Narodna
Respublika (UNR) ausgerufen. Die UNR war der erste moderne unabhängige ukrainische
Staat. Durch den Einfall sowjetischer Verbände wandte sich die UNR an Deutschland und
Österreich. Diese schickten den Ukrainern Truppen zu Hilfe, im Gegenzug erhielten sie
dafür Nahrungsmittel und Rohstoffe. Dieser Einzug der österreichischen und deutschen
Truppen kam jedoch eher einer Besatzung gleich, die bis Mai 1918 andauerte. Die
Deutschen lösten UNR auf und ersetzten sie durch ein Hetmanant unter der Führung Pavlo
Skoropads'kyjs.
Skoropads'kyj war zwar ein Aristokrat und "Marionette der deutschen Regierung" (Mark
1994: 40), förderte aber in vielen Bereichen die ukrainische Sprache und Kultur und
reformierte das Bildungswesen.
Aber bereits im November 1918 wurde das Hetmanat durch den Niedergang der
Mittelmächte, durch den Skoropads'kyj jegliche ausländische Unterstützung verloren hatte,
von Symon Petljura und Volodymyr Vynny#enko gestürzt, die die UNR, zumindest formal,
wiederherstellten. Diese Regierung nannte sich von diesem Zeitpunkt an Direktorium.
In der Westukraine gab es eine ähnliche Entwicklung. Nach dem Zerfall der österreich-
ungarischen Monarchie wurde in L'viv die Zachidno-Ukrajins'ka Narodna Respublika
(ZUNR) ausgerufen. Diese vereinigte sich am 22. Jänner 1919 mit der UNR, unter der
Bedingung, dass die ZUNR innerhalb der UNR einen autonomen Status besitzt.
Petljura, der sich innerhalb des Direktoriums durchsetzen konnte, hatte alle Hände voll
damit zu tun, einfallende Truppen der Weißgardisten und Bolševiki zu bekämpfen. Aus
diesem Grunde suchte Petljura ein Bündnis mit der wiedererstandenen Rzeczpospolita,
denen er im Gegenzug Ostgalizien abtreten musste.
Während des polnisch-sowjetischen Krieges 1920 versuchte Petljura vergeblich das letzte
Mal, die UNR zu restituieren. Als Polen und die Sowjetunion 1921 Frieden schlossen, fiel
Galizien an Polen, die UNR wurde zur Ukrainischen SSR innerhalb der Sowjetunion.
"Dass es dem Direktorium dennoch gelungen war, fast zwei Jahre lang die UNR-
Fahnen über Kriegsschauplätzen der Ukraine wehen zu lassen, sollte allerdings
nicht folgenlos bleiben. Denn das Ringen der UNR um Selbständigkeit und
Eigenstaatlichkeit war ein wichtiger Beitrag zur Stärkung und Konturierung eines
modernen ukrainischen Nationalbewusstseins und ein Meilenstein auf dem Weg zur 1991
erreichten Unabhängigkeit des Landes" (Mark 1994: 42).
Tatsächlich prägen die Unabhängigkeitsbestrebungen zwischen 1917 und 1921 die heutige
Ukraine. Die Staatssymbolik der UNR ist auch die der Ukraine seit 1991. Den 50-Hryvnja-
Schein ziert das Konterfei von Mychajlo Hruševs'kyj.

12 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

11 Der Holodomor in der ukrainischen Geschichtsschreibung


Der größte Riss im kollektiven Unterbewusstsein der Ukrainer war der Holodomor, eine
schreckliche Hungersnot Anfang der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts.
Im Zuge der Zwangskollektivierung der Sowjets brach der Holodomor aus. Dabei waren
auch andere Gebiete der Sowjetunion betroffen, am härtesten jedoch die Ukrainische SSR.
Die Opferzahlen werden auf ca. 3,5 Millionen Menschen geschätzt.
Heute liegen russische und ukrainsche Geschichtswissenschafter im Streit über die wahre
Ursache der Hungerkatastrophe.
Die russischen Geschichtswissenschafter sind der Meinung, der Holodomor sei nicht
bewusst ausgelöst worden, sondern war ein tragischer Unfall, da auch Teile der Russischen
SSR in Mitleidenschaft gezogen wurden. Dazu seien noch der Widerstand der ukrainischen
Bevölkerung und eine schlechte Ernte gekommen, wodurch die Situation verschlimmert
worden sei.
Dagegen sehen die ukrainischen Geschichtswissenschafter den Holodomor als bewusste
Auslöschung der Ukrainer durch die Sowjets. Diese seien den Russen immer ein Dorn im
Auge gewesen, aufgrund ihrer meist ablehnenden Haltung gegenüber dem Sowjetregime.
Somit sollten jegliche Seperationstendenzen unterdrückt werden. Ein Indikator dafür,
dass die Sowjets über die Auswirkungen der Zwangskollektivierung Bescheid gewusst
haben, ist, dass den Ukrainern, die in den betroffenen Gebieten lebten, die Ausreise
aus den Hungergebieten verweigert wurde und gegeignete Schritte zur Eindämmung der
Hungerkatastrophe zu spät und nur zögerlich in die Wege geleitet wurden. Außerdem habe
der Holodomor die Sowjetunion nicht davon abgehalten größere Mengen an Getreide zu
exportieren.
Als Nachfolgestaat der Sowjetunion akzeptiert Russland die Auslegung, der Holodomor
sei ein bewusster Genozid gewesen, nicht. Der russische Präsident Medvedjev lehnte die
Einladung des ukrainischen Präsidenten Juš#enko zum 75. Jahretag des Holodomor am
20. November 2008 ab. Seiner Meinung nach missbrauche die "ukrainische Führung die
Erinnerung dazu [...], das ukrainische Volk dem russischen zu entfremden" (FAZ, 2008).
In der Tat werfen auch die russischen Geschichtswissenschafter den ukrainischen vor, sich
für politische und ideologische Zwecke hergegeben zu haben.
Der Holodomor wird international von nur wenigen Nationen als Genozid anerkannt (siehe
Abbildung 4).
In der EU sind einige Unterschriftenaktionen im Umlauf, die diese dazu bewegen soll, den
Holodomor als Genozid anzuerkennen.

12 Die moderne Ukraine

Built with Apache Forrest 13


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

13 Ukrainisierungpolitik
Von den westgerichteten Parteien der Ukraine geht ein Prozess aus, der allgemein als
Ukrajinizacija (Ukrainisierung) bekannt ist, d. h. es werden die ukrainische Sprache
und andere Elemente ukrainischer Kultur gefördert. Dieser Prozess ist jedoch kein neuer
Schritt der ukrainischen Politik. Bereits im Hetmanat des 16. Jahrhunderts gab es gewisse
Ukrainisierungstendenzen. Ebenso, nur viel stärker ausgeprägt, in den beiden ukrainischen
Staatsgebilden Ende der Zehnerjahre des 20. Jahrhunderts.
Das Ukrainische hat sich auf jeden Fall zu einer elitären Sprache entwickelt, was man vor
allem in L'viv merkt. Spricht man dort russisch, deklariert man sich als Außenseiter.
Kulturologen meinen, dass die Ukrainisierungspolitik einen wichtigen Schritt der
Emanzipation der Ukraine von Russland darstellt.
Dennoch ist die russische Sprache lebendig, dominiert viele Bereiche der Ukraine. Ernst
Lüdemann beschreibt in seinem Buch Ukraine die Sprachsituation in Kiev folgendermaßen:
Ein einziger Tag in Kiev genügt, um sich von der Lebendigkeit der russischen Sprache
und Kultur zu überzeugen. In der Öffentlichkeit hört man noch mehr Russisch als
Ukrainisch, in der U-Bahn preisen Verkäufer von Kugelschreibern ihre Ware auf Russisch
an" (Lüdemann 2001: 174).
Wie hier offensichtlich wird, ist es dringend vonnöten, dass die Ukrainer ihre
Sprachsituation und Sprachpolitik überdenken und neu definieren, auf ein Miteinander ihrer
beiden Sprachen hinarbeiten. Durch die bewusste Verdrängung der russischen Sprache aus
dem Alltag wird ein großer Bonus verschenkt: der der Zweisprachigkeit und v.a. auch der
einer "lingua franca" des Ostens.
Nichtdestotrotz wird die Ukrainisierung dadurch gebremst, weil das Land, um politisch
bestehen zu können, sowohl dem Westen als auch Russland "gefallen" muss.

14 Die Orange Revolution

Wie EU-Generalsekretär Javier Solana treffend bemerkte, haben die postsowjetischen


Regime sehr gut gelernt, mit den Regeln und nicht nach den Regeln zu spielen. [...] In
der Ukraine brach aber dieses auf den ersten Blick perfekte System Ende 2004 unerwartet
zusammen" (Rjab#uk 2005: 126).
Tatsächlich war 2004 ein Jahr für die junge ukrainische Nation, in dem sich einiges
verändern sollte. Der damalige amtierende Präsident Ku#ma, dessen Herrschaft als
neoautoriär gilt, durfte laut Verfassung keine dritte Periode regieren. Viele Ukrainer
schöpften daraus Hoffnung, dass der Staat dadurch endlich zu einer echten Demokratie
würde, vor allem durch den proukrainischen und prowestlichen Kandidaten Viktor
Juš#enko.
Der erste Wahlgang fand am 31. Oktober 2004 statt. Das Ergebnis fiel wie erwartet
aus: Viktor Juš#enko und sein Kontrahent Viktor Janokovi# lagen, mit einem

14 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

halben Prozentpunkt Unterschied zugunsten des Erstgenannten, gleichauf. Viele OSZE-


Beobachter berichteten von Verstößen gegen das Wahlgesetz.
Am 21. November 2004 kam es zu einer Stichwahl zwischen Juš#enko und Janokovi#,
aus der Janokovi# unerwartet als Sieger hervorgegangen war. Durch die hohe Abweichung
der Wahlergebnisse von unabhängigen Umfragen vor der Wahl und den "voreiligen
Glückwünschen des russischen Präsidenten Putin" (Rjab#uk 2005: 127) wurde die
ukrainische Bevölkerung skeptisch.
Offensichtlich unterschätzten "die Drehbuchautoren [des politischen Spiels] [...] die Reife
und die Aktivität der ukrainischen Gesellschaft" (Rjab#uk 2005: 128). Niemand aus der
korrupten Obrigkeit hätte gedacht, dass das ukrainische Volk in der Lage wäre sich zu
solidarisieren und in solcher Intensität auf den Wahlbetrug zu reagieren.
Als Orange Revolution bezeichnet man einen mehrere Wochen andauerenden Protest
gegen die Wahlfälschung der Stichwahl am 21. November 2004. Dieser verlief im Grunde
genommen friedlich. Der Majdan Nezaležnosti, der Platz der Unabhängigkeit, in Kiev
wurde zum Zentrum dieser Revolution. Menschen aus der gesamten Ukraine reisten
an, um dort ihre Zelte aufzustellen und friedlich zu demonstrieren. Dadurch wurden
auch ausländische Medien auf das Spektakel aufmerksam. Die Orange Revolution wurde
zur Schlagzeile. Aber nicht nur in Kiev, sondern überall in der Ukraine bildeten sich
Widerstandszellen, die zweitgrößte in L'viv.
Die Demonstranten erreichten schließlich die Durchführung einer Neuwahl am 26.
Dezember 2004. Aus dieser ging Viktor Juš#enko als Sieger hervor.
Die Orange Revolution war für die Ukraine in mehreren Punkten wichtig:
• Durch die selbständige Solidarisierung der Bevölkerung kam es zu einer
Neudefinition der ukrainischen Gesellschaft.
• Die Ukraine zeigte durch die Orange Revolution eine deutliche Bewegung Richtung
EU und dem Westen und sagte deutlich "nein" zu den "gelenkten" Verhältnissen
Russlands.
• Durch den Erfolg der Orangen Revolution merkte die Obrigkeit, dass die Bevölkerung
nicht zu unterschätzen ist.
• Die Bevölkerung wurde sich ihrer mächtigen Stellung innerhalb der Demokratie
bewusst.
• Die "vierte Instanz", spielte in der Orangen Revolution eine wesentliche
staatsregulierende Rolle, derer sie sich bewusster wurde.
Alles in allem stellte die Orange Revolution einen wichtigen Schritt zur Demokratisierung
des Landes und zur Emanzipation der Bevölkerung dar. Die Abwendung von Russland und
die Hinwendung zum Westen bekam durch sie ein Gesicht. Ebenso stellt sie ein Symbol
für das Ende des neoautoritären Regimes Ku#mas dar, eines Regimes, das sich "auf die
Hörigkeit seiner Untertanen stützte" (Rjab#uk 2005: 135).

Built with Apache Forrest 15


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

15 Zusammenfassung
Nach der Darstellung dessen, was die Grundlagen der ukrainischen Identität bildete, und
dessen, was seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 daraus entstanden ist (oder besser
gesagt, was daraus gemacht wurde), wird offensichtlich, dass sich diese moderne Nation
fast ausschließlich durch ihre Position zu oder gegen Russland definiert. Russland wird in
allen Bereichen, in denen diese Darstellung möglich ist, dikreditiert und marginalisiert.
Mykola Rjab#uk erklärt in einem Satz, worum es der Ukraine heute geht und worum es ihr
auch oft in ihrer Geschichte ging:
Es ging darum, grundsätzliche Differenzen herauszuarbeiten, die nicht einfach
Unterschiede, sondern das totale Anderssein von Ukrainern und Russen begründen sollen
[...]" (Rjabchuk 2005: 38). Ein Ukrainer ist kein Russe, möchte auf keinen Fall mit einem
verwechselt werden. Der kollektive Schaden, den das russische Reich und die Sowjetunion
(die mit Russland assoziiert wird) in den Ukrainern angerichtet hat, sitzt tief -- tiefer als
beispielsweise der polnische.
Trotz allem gibt es aber (noch) keine gesamtukrainische Identität. Es wird zwar fleißig
an ihr gebastelt, doch durch die großen kulturellen, geschichtlichen, sprachlichen und
religiösen Unterschiede (welche sich duraus nicht auf eine bloße Einteilung in West und
Ost beschränken lassen) erweist sich diese Aufgabe als schwieriger als vermutet. Diese
Unterschiede so hinzunehmen, wie sie sind, erscheint vielen undenkbar, schwebt doch
ständig die Angst vor einer (eher unwahrscheinlichen) Teilung des Landes über ihnen.

16 Anmerkungen und Quellen


• Cybenko, Larissa (1998): Die Ukraine im Spannungsfeld der Kulturen. http://
www.inst.at/trans/5Nr/cybenko.htm (26.09.2008).
• Cybenko, Larissa (2004): Bericht: Transnationale und nationale Bestrebungen in der
Ukraine.
http://www.inst.at/trans/15Nr/04\_04/cybenko\_report15.htm (26.09.2008).
• Dornik, Wolfram (2008): Die Besatzung der Ukraine 1918. Graz: Ludwig Boltzmann-
Institut.
• F.A.Z. (2008): Viktor Juschtschenko im Gespräch.
Link(30.12.2008).
• Hnatiuk, Ola (2004): "Zwischen Ost und West. Über die ukrainische Identität". In:
Markarska (Hrsg.) (2004), 91-115.
• Jurij, Mychajlo (1997): Etnohenez ta mentalitet ukrajins'koho narodu. Kiev: Takson.
• Kappeler, Andreas (2000): Kleine Geschichte der Ukraine. C.H. Beck.
• Kopyleno, Maiya (2006): "Bis auf weiteres zweisam: Russisch in der Ukraine", in:
Ukraine-Analysen 15/06.
• Kuzio, Taras (2000): The Myth of russophone unity in Ukraine.
http://www.ualberta.ca/~cius/stasiuk/st-articles/an-russophone.htm (26.05.2008).
• Kuzio, Taras (2000): Language and nationalism in the Post-Soviet space
http://www.ualberta.ca/~cius/stasiuk/st-articles/an-lang-nat.htm (26.05.2008).

16 Built with Apache Forrest


http://forrest.apache.org/
Die Säulen der ukrainischen Identität

• Le Monde (2008): "L'Ukra\"ine, " pays europeen " ? Pas evident, par Michel Prazan",
in: Le Monde, 15.09.2008.
• Lichtblau, Thorsten (2001): Die orthodoxe Kirche und die Nationsbildung in der
Ukraine.
http://www.uni-protokolle.de/Nachrichten/id/78871 (29.09.2008).
• Lüdemann, Ernst (2001): Ukraine. München: C.H. Beck.
• Mark, Rudolf A. (1994): Galizien unter österreichischer Herrschaft. Verwaltung -
Kirche - Bevölkerung. Marburg.
• Markarska, Renata et al (Hrsg.) (2004): Die Ukraine, Polen und Europa. Europäische
Identität an der neuen EU-Ostgrenze. Osnabrück: fibre.
• Rjab#uk, Mykola (2005): Die reale und die imaginierte Ukraine. Essay. Frankfurt/
Main: Suhrkamp.
• Schmid, Ulrich M. (2001): "Auf der Suche nach einer eigenen Identität", in: Neue
Zürcher Zeitung, 26.05.2001.
• Simon, Gerhard (2007): "Ukrainisch - Russisch. Sprachen, Sprachgebrauch,
Sprachenkonflikte in der Ukraine", in: Ukraine-Analysen 19/07.
• Ukraine-Analysen: http://www.laender-analysen.de/ukraine/archiv.html (26.09.2008).

Built with Apache Forrest 17


http://forrest.apache.org/
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
11. Ukraine

Thema Quelle
 Die wichtigsten ukrainischen  PP Ukraine.
Nationalsymbole: Wappen, Flagge, Hymne.  Zeittafel Ukraine.
 Hauptmerkmale der ukrainischen Sprache  Die Säulen der ukrainischen
 Zwei Identitätsvarianten der Ukrainer Identität.
 Religion in der Ukraine. Tomos.  Das Ukrainische (von George Y.
Shevelov).
Zeittafel Ukraine

Entstehung und Entwicklung der Kyiwer Rus - Uralter Ukraine. Das mittelalterliche
9.-10. Jh. Reich vereinigt die Ostslawen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und von der
Wolga bis zur Theiß.
988 Taufe der Kyiwer Rus unter Großfürst Wolodymyr
1036-1054 Blütezeit unter der Herrschaft vom Großfürst Jaroslaw dem Weisen
1237-1240 Eroberung der Kyiwer Rus durch die Mongolen
Das Fürstentum Galizien-Wolhynien. Blütezeit im 13. Jh. unter Fürst Danylo. Mitte des
12.-14. Jh.
14. Jhs. wird das Fürstentum zwischen Polen und Litauen aufgeteilt
Anfang des Gründung der Saporisher Sitsch - einer sozial-politischen und militär-demokratischen
16. Jhs. Formation der ukrainischen Kosaken
Polnisch-litauische Realunion von Lublin: Fast die ganze Ukraine kommt an das
1569
Königreich Polen
Kirchenunion von Brest: Spaltung der orthodoxen Kirche in Polen-Litauen und
1596
Entstehung der unierten Kirche
Befreiungskrieg unter Führung vom Hetman Bohdan Chmelnyzkyj. Am 8.01.1654 wird
1648-1654 in Perejaslaw ein ukrainisch-russischer Vertrag abgeschlossen. Die Gebiete östlich von
Dnipro-Fluß geraten nach und nach unter direktes Protektorat Rußlands
1772 Erste Teilung Polens: Galizien fällt an Österreich
1793 Zweite Teilung Polens: Die rechtsufrige Ukraine fällt an Rußland
Gründung der Zentralna Rada (parlamentarische Versammlung) in Kyjiw nach der
März 1917 - Februarrevolution, anschließend Verkündigung der Autonomie und später der
Januar 1918 unabhängigen Ukrainischen Volksrepublik. Im November 1918 wird die Westukrainische
Volksrepublik gegründet
Bürgerkrieg in der Ukraine, aus dem die Bolschewiki als Sieger hervorgehen.
Anschließend wird im Dezember 1922 die Sowjetunion gegründet. Die Ukraine wird
1918-1922
Bestandteil der UdSSR. Die Gebiete im Westen der Ukraine werden zwischen Polen,
Ungarn und Rumänien aufgeteilt
Hungersnot in der Sowjetukraine nach der Zwangskollektivierung des Stalinschen
1932-33
Regimes. Schätzungsweise 7 bis 8 Mio. Menschen kommen dabei ums Leben
1939 Eingliederung der Westukraine in die Sowjetunion nach dem Hitler-Stalin-Pakt
Im Zweiten Weltkrieg wird die Ukraine durch deutsche Truppen besetzt. Über 700 Städte
1941-44 werden zerstört; etwa 5 Mio. Ukrainer fallen dem Krieg zum Opfer, 3 Mio. werden zu
Zwangsarbeiten nach Deutschland verschleppt.
1954 Krim wird Bestandteil der Ukraine
16. Juli 1990 Das Parlament (Werchowna Rada) verkündet die Souveränität der Ukraine
24. August
Unabhängigkeitserklärung der Ukraine nach dem Putschversuch in Moskau
1991
1. Dezember Die Unabhängigkeit der Ukraine wird bei der Volksabstimmung bestätigt. Gleichzeitig
1991 wird der erste Präsident der Ukraine Leonid Krawtschuk gewählt
Juli 1994 Leonid Kutschma wird zweiter Präsident der Ukraine
28. Juni 1996 Das Parlament verabschiedet die neue Verfassung der Ukraine
November
Kutschma siegt bei den dritten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine
1999

2005-2010 Juschenko siegt bei den dritten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine

2010-2014 Janukovitsch siegt bei den dritten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine

Februar 2014 Majdan


März 2014 Krimkrise (verdeckte Interventionen Russlands)

Frühling Krieg in der Ukraine zwischen von Russland unterstützten Milizen, regulären russischen
2014- und ukrainischen Truppen

2014- Poroschenko siegt bei den dritten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine


Belarus‘

Ostslawische Sprachen und Varietäten


Belarus‘/Weissrussland
(Беларусь/Белоруссия)
Wie hat sich das Wappen von Belarus im 20.
Jahrhundert verändert?

https://www.kp.by/daily/26381.4/3259537/
BSSR (bis 1991) Republik Belarus‘
(1991-1995)
https://twitter.com/AlexKokcharov/status/1307269048120627204/photo/1

https://ussr-
cccp.moy.su/publ/geografija_sssr/respubliki_sssr/bssr_belorusskaja_sovetskaja_socialisticheskaja_respublika_30_12_1922_de_jure_str_1/321-
1-0-2119

Referendum 1995
Republik Belarus‘
Do you support the suggestion about the
(seit 1995)
introduction of the new State flag and State
Coat of Arms of the Republic of Belarus?
Choice Votes %
For 4,020,001 87.0
Against 602,144 13.0
Source: Nohlen & Stöver 2010
„Elections in Europe“

http://s13.ru/archives/143696
Amtssprachen – Belarussisch und Russisch
Referendum 1995
Do you agree with assigning the
Russian language the status equal
to that of the Belarusian language?
Choice Votes %
For 4,017,273 86.8
Against 613,516 13.2
Source: Nohlen & Stöver 2010

Integration with Russia


Do you support the actions of President aimed at economical integration with Russia?

Choice Votes %
For 3,622,851 78.6
Against 988,839 21.4
Source: Nohlen & Stöver 2010
Belarus‘
Die Bevölkerungszahl beträgt laut Angaben vom
2019: 9 429 257 Menschen.
https://www.belstat.gov.by/ofitsialnaya-statistika/publications/izdania/public_bulletin/index_17853/

Die Republik Belarus nimmt den 5. Platz unter


GUS-Staaten nach der Bevölkerungszahl, nach
Russland, der Ukraine, Usbekistan und Kasachstan
und den 14. Platz in Europa ein.
Die belarussische Diaspora im Ausland zählt mehr
als 3 Mio. Menschen.
Volkszählung (2012)
Belarus‘
43% der Fläche von Belarus – landwirtschaftliche
Nutzflächen (Russland 13,1%), 39% - Wälder, 2% -
Seen und Flüsse, 16% - andere Grundstücke.
Belarussisches kyrillisches Alphabet

Аа Бб Вв Гг Дд Дж дж Дз дз Ее Её Жж Зз
а be ve he de dže dze jе jo že ze

Іі Йй Кк Лл Мм Нн Оо Пп Рр Сс Тт
i j (i кароткае, ka el em en о pe er es te
нескладовае)

Уу ў Фф Хх Цц Чч Шш Ыы Ьь Ээ Юю Яя

u w (ў кароткае, ef cha ce če ša y мяккі e ju ja


нескладовае) знак

Апостроф ʼ
ъ и щ ри
Textbeispiel:
Аўстрыя — федэратыўная дзяржава, аб'ядноўвае дзевяць
самастойных земляў. Дзеючая канстытуцыя была прынята
ў 1920 годзе і ў другі раз уведзена ў 1945 годзе.

Кіраўніком дзяржавы з'яўляецца Федэральны прэзідэнт,


абіраецца на 6 гадоў. Урад узначальвае Федэральны
канцлер. Члены ўрада прызначаюцца прэзідэнтам.

Парламент Аўстрыі — двухпалатны Федэральны сход


(Bundesversammlung), які складаецца з Федэральнага
савета і Нацыянальнага савета.
Das System der Partizipien und Adverbialpartizipien ist weniger entwickelt als in anderen
slawischen Sprachen. Die Adjektive haben die prädikativen Formen (Kurzformen) eingebüßt:
чырвоны чырвоный
5 Varianten der belarussischen Sprache
Kyrillisches Alphabet vs. Lateinisches Alphabet
… vs. … Arabisches Alphabet (!)

Taraškievica (traditionelle Orthografie) vs. Narkomauka


(„sowjetische“ Orthografie, seit 1933)

1. Kyrillisches Alphabet + Narkomauka (Standardsprache)


2. Kyrillisches Alphabet + Taraškievica
3. Lateinisches Alphabet + Taraškievica
4. Lateinisches Alphabet + Narkomauka
5. Belarussisches arabisches Alphabet
Łacinka (belarussisches lateinisches Alphabet)

Aa Bb Cc Ćć Čč Dd Dz dz Dź dź Dž dž

Ee Ff Gg Hh Ch ch Ii Jj Kk Ll

Łł Mm Nn Ńń Oo Pp Rr Ss Śś

Šš Tt Uu Ŭŭ Vv Yy Zz Źź Žž
Die ersten Werke der modernen
belarussischen Literatur und die Łacinka
ersten belarussischen Zeitschriften
erschienen im 19. Jahrhundert in
lateinischer Schrift.
Łacinka blieb in West Belarus‘ (bis
zur Vereinigung mit der BSSR im
In den 20er und 30er Jahren des Jahr 1939) in Gebrauch, ebenso
20. Jh. wurde der Gebrauch der unter Emigranten.
Łacinka in der BSSR als
konterrevolutionär bezeichnet und
verboten.

Магутны Божа! Ўладар сусьветаў, Mahutny Boža! Ŭładar suśvietaŭ,


Вялікіх сонцаў і сэрц малых! Vialikich soncaŭ i serc małych!
Над Беларусяй, ціхай і ветлай, Nad Biełarusiaj cichaj i vietłaj
Рассып праменьні свае хвалы. Rassyp pramieńni svaje chvały.
Taraškievica vs. Narkomauka
• Die belarussische Sprache wurde im Januar 1990 zur
Staatssprache der Republik Belarus‘ erklärt.
• Es gab Bestrebungen, die 1933 abgeschaffte
traditionelle Orthografie (s.g. Taraškievica
(тарашкевіца) oder die klassische Variante)
wiedereinzuführen.

Seit dieser Zeit konkurrieren zwei Systeme: die


Taraškievica (bevorzugt von aktiven
Belarussischsprechern) und die sowjetische Narkomauka
(наркомаўка) - der offizielle Standard.

Wikipedia - Беларуская; Беларуская (тарашкевіца)


Kitabs are the books
Кітаб(ы)
written in Belarusian
language using Arabic
script. They were
written mostly in the
16th century by the
Tatars that lived in
Belarus, the Grand
Duchy of Lithuania,
since 14-15th
centuries and have
gradually forgotten
their native language.
In order to preserve
their religion they had
to translate Koran and
other sacred Islamic
books into Belarusian http://chronologia.org/dc/dcboard.php?az=printer_friendly&forum=263&topic_id=34153&mesg_id=34292

language, but Das Belarussische arabische Alphabet entstand im 16. Jahrhundert, um


preserving the Arabic mit Hilfe der arabischen Schrift die belarussische Sprache wiedergeben
script. zu können.
Es besteht aus 28 Buchstaben und unterscheidet sich in einigen Details
vom gewöhnlichen arabischen Alphabet.
http://sozvuchie.by/knigi/seminar-praktikum-kitaby-unikalnye-pamyatniki-rukopisnoj-knizhnosti.html

Die im Großfürstentum angesiedelten Tataren verwendeten das Altbelarussische für ihre Texte,
schrieben jedoch mit arabischen Buchstaben. Diese Bücher, Kitab genannt, sind heutzutage ein
einzigartiges sprachliches und soziokulturelles Phänomen der damaligen Zeit.
Belarussischer Text in arabischer Schrift (Kitab)

l
https://tatar-ile.livejournal.com/22707.htm
Sprachsituation
Seit 2009 steht die
belarussische Sprache auf
der Liste der vom
Aussterben bedrohten
Sprachen der UNESCO.

Über die reale Verbreitung der Sprache im Land gibt


es unterschiedliche Auffassungen. Während in Minsk
überwiegend russisch gesprochen wird, ist
Belarussisch auf dem Land und im Westteil des
Landes stärker verbreitet.

• Hermann Bieder: Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Handbuch der Geschichte Weißrusslands,
hg. von Dietrich Beyrau und Rainer Lindner, Göttingen 2001, S. 451-471.
Sprachwerbung
Sprachwerbung in Minsk
Belarus als «Übergangslandschaft»
Belarus ist eine typische, kulturell komplexe
Übergangslandschaft:

Bevor Weißrussland 1795 vollständig vom Zarenreich


annektiert wurde, war es Teil des Großfürstentums Litauen
und der Rzeczpospolita, dem polnisch-litauischen
Doppelstaat, der sich die erste demokratische Verfassung
in Europa gab. Auf dem Gebiet der heutigen Republik
Belarus lebten vom Spätmittelalter an Belarussen, Polen,
Russen, Ukrainer, Juden, Tataren, Deutsche mit
katholischem, orthodoxem, protestantischem oder
jüdischem Glauben.
Belarus‘: Multiethnische Vielfalt bis ins 20. Jh.
Der multiethnischen Vielfalt wurde noch 1919 bei
der Gründung der BSSR Rechnung getragen, indem
Weißrussisch, Russisch, Polnisch und Jiddisch zu
Staatssprachen erklärt wurden: (!)
Auf der Suche nach der Identität
"Abwesende" Identitätsmerkmale einer
ethnokulturellen Nation: Weder sind die Belarussen in
einer gemeinsamen Sprache geeint noch in einer
gemeinsamen Religion. Belarus besaß vor 1991 nie
eine Eigenstaatlichkeit, sondern war immer Teil von
anderen Staatsgebilden. Die belarussische Kultur
konnte nie zu einer dominanten Staatskultur werden
(die belarussische Kultur war nicht die Kultur der
Städter und Bürgerlichen = „Bauernkultur“).
Belarussische Elite ging zu verschiedenen Zeiten
immer wieder in unterschiedlichen (nicht belarussischen)
Herrschaftsgebilden auf.
Schwierige Herausbildung der
belarussische Identität: historische Gründe
• Die Russifizierungspolitik im 19. und im 20.
Jahrhundert.
• Der stalinistische Terror hat die Entwicklung
belarussischer Identität stark behindert.
• Der Widerstand gegen die deutsche Besatzung im
Zweiten Weltkrieg begünstigte die Herausbildung
einer sowjetischen und nicht einer belarussischen
Identität.
• Der große Industrialisierungsschub in der Sowjetzeit
hat die Sowjetisierung der Bevölkerung massiv
vorangetrieben.
• Lukaschenko‘s Politik zu Russland…
Belarussische Sprache als Identitätsbaustein?
Die BS wurde insbesondere zu Beginn des 20. Jhs
sowie in der Zeit von Ende der 1980er bis 1995 (s.g.
National-demokratischen Wiedergeburt) von der
intellektuellen Elite ins Zentrum des belarussischen
Identitätsentwurfes gerückt.

Aber! Die Mehrheit akzeptiert das Belarussische nicht


als gesamtgesellschaftlichen Identitätsfokus!
Die offizielle staatliche Identitätskonzeption – staats-
und raumbezogene nationale Identität.
Das oppositionelle Identitätskonzept – ethnisch-
kulturell zentrierte Identitätskonzeption.
• Belarus‘ ist ein kulturell zutiefst gespaltenes Land:
„Weißrussland wird nie nur weißrussisch sein“
(V. Akudowitsch weißrussischer Schriftsteller und Philosoph).

Ein Staatsmodell, das sich an verfassungsrechtlichen


und zivilgesellschaftlichen Merkmalen orientiert und
nicht an Sprache und Kultur.
Lukaschenko als belarussische Hausmarke
Seit 1994 hält sich in Belarus ein autokratisches
Regime, das mit repressiven Methoden seine Kritiker
kontrolliert.
Die Mehrheit der belarussischen Bevölkerung, vor
allem die Menschen auf dem Land und in Kleinstädten,
unterstützen Lukaschenkos Herrschaftsstil. Dies ist
eine Folge der vergleichsweise stabilen wirtschaftlichen
Lage.

Der „letzte Diktator Europas“ ???


Die Atomkatastrophe von Tschernobyl

Am 26. April 1986 kam es im Atomkraftwerk


von Tschernobyl zum bisher schwersten Unfall
in der Geschichte der Kernenergie. Zwei
Explosionen zerstörten einen der vier
Reaktorblöcke und schleuderten radioaktives
Material in die Atmosphäre, das weite Teile
Russlands, Weißrusslands und der Ukraine
verseucht. Die radioaktive Wolke zieht bis
nach Mitteleuropa und zum Nordkap.
Sperrzone
https://www.facebook.com/svaboda.org/videos/1915139388510315/
Belarus‘
2020-2021
• Belarussen sind aufgewacht
• Wahlen im August 2020
• Belarussische Revolution August-Oktober 2020
• Politische Morde, politische Gefangene, Folter,
Depression
• Der Ryanair-Vorfall und die Reaktion der
westlichen Welt darauf
• Ist die Revolution verloren?
Wahlkampf 2020
Falsche Kandidaten aus Lukaschenkos Lager und
unabhängige Kandidaten. Alle unabhängigen Kandidaten
wurden entweder aus dem Land gezwungen oder aufgrund
falscher Anschuldigungen verurteilt.
Nur die Ehefrau des verhafteten Kandidaten Siarhei
Tichanouski, Swiatlana Tichanouskaja, die
Lukaschenka nicht als ernsthafte Wahlgegnerin
ansah, durfte an der Wahl teilnehmen.
Und diese Wahl wurde dann von dieser Englischlehrerin und
Hausfrau Swiatlana Tichanouskaja
gewonnen!
Frauen nahmen den Platz der Männer ein
An der Wahlkampagne im Team von Tikhanovska
nahmen neben Swjatlana Tihanouskaja (ihr Mann
versuchte, sich als Präsidentschaftskandidat zu
registrieren, wurde aber aus falschen Gründen inhaftiert)
auch Maria Kolesnikowa, Leiterin der
Wahlkampfzentrale von Viktor Babaryko, dem die
Teilnahme an den Wahlen von der Zentralen
Wahlkommission untersagt wurde, und Veronika
Tsepkalo teil, deren Ehemann, Valery Tsepkalo,
ebenfalls nicht am Wahlkampf teilnehmen durfte.
Nachdem Babaryko und Tsepkalo die Registrierung
verweigert wurde, kündigten die Frauen die Gründung
einer gemeinsamen Zentrale an.
Zum ersten Mal in den letzten Jahrzehnten zeigte das belarussische Volk
politische Aktivität, und die war eindeutig nicht zugunsten von
Lukaschenko!
https://citydog.by/post/zaden-petition-babariko/
news.tut.by

https://www.facebook.com/strana888/
Chronologie der belarussischen Revolution
9. August
In Belarus fanden Präsidentschaftswahlen statt, an denen fünf
Kandidaten teilnahmen.
• Am selben Abend kam es im Zentrum von Minsk zu
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und
Bereitschaftspolizisten. Auch in anderen Regionen begannen
Kundgebungen. Die Sicherheitskräfte setzten aktiv Blendgranaten
und Pfeffergas ein.
Chronologie der belarussischen Revolution
August 10
• Belarussische Zentrale Wahlkommission gab die offiziellen
Ergebnisse der Wahl, nach denen Alexander Lukaschenko
gewann 80,08% der Stimmen, während Swetlana
Tihanowskaja - 10,09%.
• Lukaschenka sagte, dass die Demonstranten aus Polen,
Großbritannien und der Tschechischen Republik und
Russland koordiniert wurden.
• Am Abend protestierten Zehntausende Menschen im
Zentrum von Minsk, die Sicherheitskräfte trieben sie mit
speziellen Mitteln auseinander. Die Konfrontation dauerte
sieben Stunden lang. Ein Demonstrant wurde bei den
Zusammenstößen mit der Bereitschaftspolizei getötet.
Chronologie der belarussischen Revolution
11. August
• Sviatlana Tihanouskaja verließ Belarus und ging nach Vilnius. Die
litauischen Behörden gaben an, dass Tihanouskaya in ihrem
Heimatland sieben Stunden lang festgehalten worden sei.

• Die EU sagt, dass sie die Wahlen in Belarus weder für frei noch für fair
hält, und prüft die Möglichkeit, Sanktionen gegen die Verantwortlichen
für die Polizeigewalt zu verhängen.
• Die Proteste in Minsk verlagerten sich in Wohngebiete. Fast sofort
wurden verstärkte Polizeikräfte dorthin verlegt, die praktisch das
gesamte Arsenal an Spezialmitteln einsetzten, einschließlich
Blendgranaten und Gummigeschossen. An einigen Stellen versuchten
Demonstranten, Barrikaden zu errichten, aber auch diese Versuche
wurden von den Ordnungskräften schnell niedergeschlagen.
• Lukaschenka sagte, dass der Großteil der Demonstranten Menschen
mit Vorstrafen und Arbeitslose seien, die er aufforderte, eine
Beschäftigung zu finden.
Tötung eines Demonstranten (A. Trajkovskij)
https://lv.baltnews.com/mir_novosti/20200812/1024111049/Kto-raskachivaet-Minsk-
Nemetskiy-zhurnalist-slozhil-otvetstvennost-na-Zapad--no-v-chem.html

https://www.gazeta.ru/politics/photo/lukashenko_s_avtomatom_kak_proshel_15_den_protestov.shtml
Frauen und
ihre Rolle in
der
belarussischen
Revolution.
Politische Morde, politische Gefangene, Folter,
Depression
Zurzeit herrscht in Belarus die Willkür der Polizei- und
Justizbehörden. Die Menschen sind demoralisiert und finden
keinen Schutz bei irgendeiner offiziellen Instanz. Eine große
Auswanderung der besten und politisch aktiven Unterstützer der
Opposition hat begonnen: Schauspieler, Intellektuelle,
Programmierer, Studenten usw.
Gerichtliche und polizeiliche Bacchanalien in
Belarus 2021
• Eine Frau aus Minsk wurde zu 15 Tagen Gefängnis
verurteilt, weil sie in weißen und rot-weißen Socken
auftrat.
• Zwei Jahre Gefängnis für Schreiben auf dem
Bürgersteig.
• Iraida Misko, eine 75-jährige Einwohnerin von
Zhodzina, wurde wegen eines weiß-rot-weißen
Bonbons zu einer Geldstrafe von 175 EUR verurteilt.
Der Polizeihauptmann sagte, dass dies die Art und
Weise war, wie der Rentner protestierte.
• Die Polizei hielt die weiß-rot-weiße Jalousie am
Fenster des Dorfbewohners für einen einsamen
Streikposten. Das Gericht verurteilte ihn zu einer
Geldstrafe von 280 Euro https://www.dw.com/ru/absurdnye-prigovory-protestujushhim-belorusov-sazhajut-za-nadpisi-i-flagi/a-56335608
Der Ryanair-Vorfall und die Reaktion der
westlichen Welt darauf
• Um den Administrator eines oppositionellen Telegrammkanals,
der über das Territorium Belarus' von Griechenland nach
Litauen flog, festzuhalten, ordnete Lukaschenka die
gewaltsame Landung eines Ryanair-Zivilflugzeugs in Minsk an
(am 23 Mai 2021). Nach Folter und psychologischem Druck
auf den Oppositionsaktivisten wurde er gezwungen, seine
Schuld vor Journalisten zu gestehen.
• Die Reaktion der westlichen Welt hierauf war äußerst hart. Am
22. Juni billigte die EU ein Paket von harten Sanktionen gegen
Lukaschenkas Leute.
Ist die Revolution verloren?
1. Die Ereignisse des Jahres 2020 haben den Belarussen
gezeigt, wie viele Menschen es im Land gibt, die
Veränderungen wollen und nicht mehr unter einer
Diktatur leben können.
2. Diese Ereignisse haben sie gelehrt, dass man nicht 26
Jahre lang jemandem die Macht überlassen und hoffen
kann, dass sich die dunklen Seiten der Diktatur nicht in
vollem Umfang manifestieren werden.
3. Die Unzufriedenheit des Volkes mit der Macht im Lande
ist nicht zerstört worden, sie kann mit dem Dampf unter
Druck im Dampfkessel verglichen werden, sie wird sich
bald beim Machtwechsel in Belarus manifestieren.
https://wsjournal.ru/samye-yarkie-foto-belorusskih-protestov

https://topnovostroek.ru/news/2020/08/18/1111624/

https://tayga.info/158577

https://wsjournal.ru/samye-yarkie-foto-
ria.ru
belorusskih-protestov /

/
https://wsjournal.ru/samye-yarkie-foto-belorusskih-protestov
Жыве Беларусь! Es lebe Belarus‘!
Ostslawische Sprachen und
Varietäten
Ostslawische Sprachen und Varietäten
1. Belarussisch
2. Ukrainisch
3. Russisch
4. Karpato- u. jugoslawo-russinische Mikrosprache
5. Westpolessische Mikrosprache
6. Podlachische Mikrosprache
7. †Altostslawische Sprache (?)
8. †Ruthenische Sprache
9. †Altnowgoroder Dialekt
10. *Trassjanka
11. *Suržyk
12. *Balačka
Belarussisch, Russisch, Ukrainisch:
Begriff „Standardsprache“
Kodifizierung in Grammatiken und Wörterbüchern, Polyvalenz (die
Verwendbarkeit der Sprache für alle wichtigen Lebensbereiche),
stilistische Differenzierung.

Sprache oder Dialekt?


1. die historische Entwicklung einer Variante: sind Texte aus älteren 'Sprachphasen'
überliefert?
2. der Grad der Standardisierung: gibt es eine einheitliche Rechtschreibung, gibt es
Wörterbücher?
3. den Grad der Anerkennung: ist eine Variante irgendwo als offizielle Sprache
anerkannt?
4. die Auffassung der Sprecher, was den Status ihres Kommunikationsmediums
betrifft: finden die Sprecher, dass sie eine separate Sprache sprechen?
Mikrosprache
Mikrosprache ist eine standardisierte Sprachform
(Sprachvarietät), welche der Standardvarietät zwar
nahekommt, aber regionale Färbungen aufweist. Oft handelt
es sich um eine Übergangsform zwischen einem Dialekt und
einer Standardvarietät.
Karpato- u. jugoslawo-russinische Mikrosprache
Westpolessische Mikrosprache
Podlachische Mikrosprache
*Halschanische Mikrosprache (halšanski jazyk)
Westpolessisch (Заходнепалеская літаратурная мікрамова)
Westpolessisch ist eine Übergangssprache
zwischen Ukrainisch und Belarussisch
Падляшская мiкрамова
(підліська мікромова, Podlachisch-Suwałkier Dialekt)

Podlachien/Podlasien ist eine historische Landschaft im Osten


Polens (Białystok, Biała Podlaska, Bielsk Podlaski).
Podlachische Sprache ist eine Übergangssprache zwischen
Polnisch, Ukrainisch und Belarussisch:

Siêta storônka prysviačajetsie normalizaciji i rozvitkovi novoji


pisanoji schôdniosłovjanśkoji movy ― pudlaśkoji - na
dyjalektach kotoroji hovoryt koło 50 000 ludi v schôdnium
regijoni Pôlščy, jaki nazyvajetsie Pudlašom http://svoja.org/poslanie_pdl.html
P
o
d
l
a
c
h
i
e
n

http://www.rodstvo.ru/forum/lofiversion/index.php?t4074-150.html
Трасянка
Dadurch, dass dort beide Sprachen (R-BEL) parallel benutzt
werden, ist eine Mischsprache entstanden, die Trassjanka
genannt wird, bei der russischer Wortschatz mit
belarussischer Aussprache bzw. belarussischer Wortschatz
mit russischer Aussprache und Grammatik kombiniert wird.
tras. жэншчына (bel. жанчына – rus. женщина)
Altnowgoroder Dialekt (Древненовгородский диалект)
ist der slawische Dialekt, in dem die s.g. „Берестяные
грамоты“ Birkenrindenurkunden aus dem 11. bis 15.
Jahrhundert verfasst wurden (Nowgoroder Region Russlands).
Es handelt sich um eine Mischsprache aus Altrussisch,
Sprache der Ilmenslawen, ostbaltischen Sprachen u.a.
http://translations.gsl.ru/wp-content/uploads/09293383d7d0fe4929b57d4c9f9a1efa.jpg
Ruthenische Sprache (s. Vorlesung GFL)
Ruthenisch
(„Altbelarussisch“ - bel.
старабеларуская мова;
„Altukrainisch“ - ukr.
староукраїнська мова;
„prostaja mowa“ (wörtlich
„einfache Sprache“) war eine
historische ostslawische
Schriftsprache im
Großfürstentum Litauen (bis
1569) und in den ostslawischen
Gebieten der polnisch-litauischen
Adelsrepublik.
http://udf.by/news/kultura/59927-statut-vkl-vernetsya-v-belarus.html
Altostslawisch
Altostslawisch bezeichnet eine ca. zwischen dem 10. und dem 14.
Jahrhundert v. a. in der Kiewer Rus‘ benutzte Sprache, die Vorgängerin.
Die Vorgängersprache der heutigen ostslawischen Sprachen. Diese wird
oft als "Altrussisch" bezeichnet, was aber irreführend ist, weil es eine
Priorität des Russischen suggeriert - vorzuziehen ist der Ausdruck
"Altostslawisch".
Altostsl. Чюѭ тѧ нъ нє вижѭ.
D. Ich höre dich, aber sehe dich nicht.
Ukr. Я тебе чую, але не бачу.
Bel. Я цябе чую, але не бачу.
Rus. Я тебя слышу, но не вижу.
Zeittabelle (ostslawische Sprachen)

X-XIV Jh. Altostslawische Sprache

XIV- Anf. der altrussisch Ruthenische Sprache


XVII Jh. (Moskauer (Großfürstentum Litauen)
Russisch)
2. Hälfte d. Ruthenisch → Polnisch
XVII-XVIII Jh.. Herausbildung Herausbildung Herausbildung
der mod. rus. der moderne der moderne
Sprache ukrainische belarussische
Sprache Sprache
Seit XIX в. Moderne Moderne Moderne
russische ukrainische belarussische
Sprache Sprache Sprache
Aleksandr D. Duličenko

Halschanisch

1. Sprecher und Sprachgebiet

Die Weißrussisch sprechende Bevölkerung Litauens konzentriert sich auf den südlichen Teil des Vilnius-
Distrikts, den östlichen Teil des Distrikts Trakai, auf den Distrikt von Šalčininkai sowie auf den an Weiß-
russland grenzenden Teil des Distrikts von Švеnčionys. Der Zählung von 1989 zufolge leben in Litauen
insgesamt 63.000 Weißrussen. Sie bedienen sich hier im Wesentlichen der „einfachen Sprache“, also einer
als простая мова (prostaja mova) bezeichneten lokalen Mundart. Mitunter wird die Ansicht vertreten, dass
die Weißrussen hier autochthon und Nachfahren der Litauer seien. Die unaufhaltsame Weißrussifizierung
der Litauer habe im 14. Jh. eingesetzt und sich bis zur Mitte des 19. Jh. erstreckt. Dabei handelt es sich
jedoch keineswegs um eine ungeteilte Forschungsmeinung.

2. Schrifttum und das Projekt einer lokalen Literatursprache

In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jh. pflegten die Weißrussen Litauens (wie auch Lettlands)
ein Schrifttum auf der Grundlage des kyrillischen und des lateinischen Alphabets und orientierten sich
dabei vorwiegend an der weißrussischen Standardsprache, wenn auch hin und wieder Texte erschienen,
in denen die Besonderheiten der lokalen простая мова zum Ausdruck kamen, wie z. B. im Biełaruski
Narodny Kalendar, dem weißrussischen Volkskalender, der in Vilnius in den dreißiger Jahren und später in
mehreren Ausgaben erschien. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses auf der Lokalsprache basierende
Schrifttum nicht wiederbelebt.
Erst Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre des 20. Jh. kam es in der Sowjetunion, so auch in
der SSR Litauen, im Zuge der Perestrojka zu gesellschaftspolitischen Umwälzungen, die auch sprach-
politische Fragen betrafen. Das Litauische wurde in der Folge Staatssprache in Litauen, und die Bedeutung
des Russischen schwand sehr rasch. Auch im weißrussischsprachigen (ebenso wie im polnischsprachigen)
Umfeld standen sprachpolitische Fragen auf der Tagesordnung. Nicht zufällig entstand zu genau dieser
Zeit unter den Polen und Weißrussen Litauens eine – allerdings nicht sehr viele Anhänger zählende
– gesellschaftliche Strömung, deren Anliegen die Entwicklung der lokalsprachlichen Besonderheiten
war und die die Ansicht vertrat, dass sich der Kultur- und Bildungsbereich an der Lokalsprache orientieren
solle. In Kaunas wurde die Gesellschaft der slawischsprechenden Litauer (Tuvažystvo slaviansku janzyčnych
litvinuv) gegründet. Die Initiatoren dieser Vereinigung waren der Meinung, dass die autochthone slawische
(weißrussische und polnische) Bevölkerung Litauens Nachfahren der Litauer seien; mit anderen Worten: die

253
heute in der Litauischen Republik lebenden Polen und Weißrussen seien polonisierte und weißrussifizierte
Litauer. Ein aktiver Förderer und Vorsitzender dieser Vereinigung war der Doktor der technischen
Wissenschaften Eduard B. Satkevičius. Die Gesellschaft propagierte die Idee der Schaffung von lokalen
Literatursprachen: einer auf der Basis der lokalen polnischen Mundart, des sog. prosty polski (als Vičsch –
vičski janzyk, vičska gavenda – bezeichnet; s. Vičsch), einer weiteren auf der Basis des lokalen weißrussischen
Dialekts, der простая мова. Dieses Projekt einer Literatursprache auf der Basis der простая мова erhielt
die Bezeichnung Halschanisch (halšanski jazyk, elšanski jazyk), manchmal auch Kulnjadzisch (kul’n’adzka
gavenda). Darüber hinaus propagierte die Gesellschaft der slawischsprechenden Litauer auch die Idee
einer dzukischen Literatursprache auf der Basis einer der litauischen Mundarten. Die Initiatoren der beiden
slawischen Schriftsprachen bedienten sich der slawischen Lateinschrift. Für das Halschanische wurde
folgendes Alphabet vorgeschlagen: Aа, Bb, Cc, Čč, Dd, Ee, Ff, Gg, Hh, Chch, Ii, Jj, Yy, Kk, Ll (= L’l’), Łł
(= Ll), Mm, Nn, Oo, Pp, Rr, Ss, Šš, Tt, Uu, ŭ (= ȗ), Vv, Zz, Žž. Bei der Niederschrift halschanischer Texte
benutzte man anfänglich zumeist die slowakisch-polnische Lateinschrift (č, ž, š, ł); die Weichheit der
Konsonanten wurde entweder nach slowakischem Vorbild, also mithilfe eines Apostrophs, gekennzeichnet
oder nach polnischem Vorbild mithilfe des Graphems i (v’alikaj und vialikaj). Momentan ist ein Abgehen von
der polnischen Schreibweise zu beobachten: Ll wird zu L’l’, Łł wird zu Ll, und die Weichheit der
Konsonanten wird nach slowakischem Vorbild (l’, b’, n’, d’, s’, t’ u. ä.) gekennzeichnet. Für das labiale v
wurde früher das Graphem ŭ benutzt, gegenwärtig ȗ. Viele Grapheme werden in den Texten allerdings nicht
konsequent angewandt.
Zu Beginn der neunziger Jahre druckte die Gesellschaft der slawischsprechenden Litauer Bulletins mit
dem Titel Fschodnia Litva (Östliches Litauen) und Naš upiakuniac (Unser Beschützer) und brachte Flug-
blätter und andere Dokumente unterschiedlichen Inhalts in Umlauf. In der Presse Weißrusslands berichtete
man über dieses soziolinguistische Experiment (z. B. die Minsker Zeitung Чырвоная змена, 6.–12. Mai,
1991:18) ebenso wie in der litauischen Presse (eine äußerst ablehnende Haltung nahm z. B. der Wilnaer
Czerwony sztandar ein, eine an Polen gerichtete Zeitung in polnischer Standardsprache, die schon zu
Sowjetzeiten erschien). Da diese Bewegung von Anfang an wenige Anhänger hatte, wurde es zunehmend leiser
um sie; 1992 wurden die oben genannten Publikationen eingestellt. Dennoch sind in den letzten Jahren hin
und wieder noch Texte in halschanischer (und ebenso vičscher) Sprache erschienen; so ist etwa ein Teil von
E. B. Satkevičius’ Buch „Die galischen Sprachen“ (1999) auf Halschanisch (bzw. Kulnjadzisch) und Vičsch
verfasst.

Textbeispiel (Fschodnia Litva 1990 aus Satkevičius 1999: 51)

Halšanski jazyk – asabisty jazyk, choc’ jon maje podobenstva z biłaruskim, dzukskim, vičskim,
trocha słou moža polskich. Halšanski jazyk pa fanetike i hramatyke padobny jazyku pradziedoŭ
halšancoŭ – dzukskamu jazyku. Hety jazyk jest bahactva dlia baltoŭ i słavoŭ. Liudzi usej Litvy
i Biłarusi pavinny baranic’ hety jazyk. Halšanski jazyk nie chatni jazyk; hety jazyk literaturnyj
jazyk vekovaj tradiciji i treba kap halšancy havarili i pisali na hetym jazyku; Hetat listok at
2 s’erpn’a 1998 hoda astavic’ na dolhuju pam’ac’, kab vnuki mahli pačitac’, jak havaric’, čitac’
i pisac’ pa prostamu.

254
3. Literatur
Чекмонас В. 1995: Поляки Литвы в настоящее время. Turska H.: O powstaniu polskich obszarów językowych na
Wileńszczyźnie / О происхождении польскоязычных ареалов в Вильнюсском крае. Vilnius, 3–57. (Hier findet sich auch
Material über die Weißrussen und ihre Mundart in Litauen.)
Дуличенко А. Д. 1994: Феномен литературных микроязыков в современном славянском языковом мире. Bibliotheca
Slavica Savariensis 2. Szombathely, 76–84.
Duličenko A. D. 1994: Kleinschriftsprachen in der slawischen Sprachenwelt. Zeitschrift für Slawistik 39/4, 560–567.
Д(уличенко) А. Д. 1998: Вичский и гал(ь)шанский: два новых славянских литературных микроязыка в Литве?
(С образцами текстов). Языки малые и большие … In memoriam acad. Nikita I. Tolstoi. Tartu, 165–173.
Fschodnia Litva 2/1990, 10. 12., 4.
Савiч М. 1994: Беларускiя гаворкi Вiленщiны: гiсторыя i сучаснасьць. Спадчына 6, 105–109.
Саткявичюс Э. 1999: Гальские языки. Каунас, 48–51.
Sytuacja językowa na Wileńszczyźnie. Warszawa 1999.

Aus dem Russischen übersetzt von Dagmar Gramshammer-Hohl

255
Koexistenz, Konvergenz und Kontamination ostslavischer Sprachen in Weissrussland und
in der Ukraine Moser, Michael Zeitschrift für Slawistik; Jan 1, 2000; 45, 2; ProQuest pg. 185
Themenliste und Quellen
(Fett markierte Quellen sind obligatorisch!)
Belarus`. Ostslawische Sprachen und Varietäten.

Thema Quelle
 Die belarussische staatlichen Symbole,  PP Belarus` + Belarus 2020-2021
Bevölkerung und Wirtschaft.  Das Weissrussische (von Paul Wexler)
 Belarussische Sprache. Varianten der bzw. Belarussische Sprache (von
belarussischen Sprache. Sprachsituation in H.Cyhun)
Belarus‘.  Westpolesisch (von A. Dulicenko)
 Belarus als «Übergangslandschaft».  Halschanisch (von A. Dulicenko)
 Belarussische Nationalidentität.  Geschichte Weißrusslands (Link)
 Belarus 2020-2021.
 Ostslawische Sprachen und Varietäten:
Belarussisch, Ukrainisch, Russisch,
Karpato-russinische Mikrosprache,
Westpolessische Mikrosprache,
Podlachische Mikrosprache,
†Altostslawische Sprache, †Ruthenische
Sprache, †Altnowgoroder Dialekt,
*Trassjanka, *Suržyk,*Balačka.

Das könnte Ihnen auch gefallen