aktuell

Informationsdienst der
Kassenärztlichen
Vereinigung
Hessen

Pharmakotherapie
Rationale und rationelle Pharmakotherapie in der Praxis Jahrg. 22, Nr. 3 | September 2017

Multimedikation

Individuelle Therapie
oder Leitlinie?

AS-O
SIT ür P
ADIPO

ef
Hilf isalltag
Prax on
den g u ng v h
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Vers nten na
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Pat atrisch
L

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bar ationen
IA

STANDPUNKT
Helicobacter Pylori:
Eradikation mit Nebenwirkungen
r
Ope
SPEC
FORSCHUNG & PRAXIS DIALOG
Verordnung: verschreibungsfrei Choosing wisely: Immer
versus verschreibungspfichtig angemessen entscheiden
 Inhalt 3|2017

Umgang mit dem

„Gesundheitsrisiko“
EDITORIAL

Multimedikation
SCHWERPUNKT SEITEN 4 –11
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, Multimedikation
Zuviel des Guten?
je älter der Patient wird, desto mehr Krankheiten und Arzneimittel! Zwischen 33 und 42 Prozent der
über 65-Jährigen erhalten fünf oder mehr verschiedene Arzneimittel. Diese Polymedikation aufgrund
der Multimorbidität ist ein potenzielles Gesundheitsrisiko: Unerwünschte Ereignisse sollen der Grund NACHRICHTEN SEITEN 12 –14
für 6,5 Prozent aller Krankenhauseinweisungen sein, von denen zwei Prozent Weißdorn: Fehlbehandlungen vermeiden
Multimorbidität den Tod zur Folge haben. Ursache hierfür ist die Vielzahl der Medikamente, von
HPV-Impfung: Kein Zusammenhang mit Multipler Sklerose
leitliniengerecht zu denen die meisten über das Cytochrom P450-Enzymsystem verstoffwechselt
werden. Die Konkurrenz um ein Enzym führt zur Induktion oder Hemmung beim Überdosierung: Vorsicht bei Neuroleptika-Tausch
behandeln bedeutet Arzneimittelstoffwechsel. Dadurch kann es zur Änderung des therapeutischen
und weitere Meldungen
eine zunehmende Effektes der Mittel oder unerwünschten Wirkungen kommen. Viele
Herausforderung. konkrete Beispiele und Handlungsempfehlungen lesen Sie im SPECIAL ADIPOSITAS-OP SEITEN I –XVI
Schwerpunktthema ab Seite 4.
Nachsorge Bariatrischer Eingriffe
Unser Special-Thema widmet sich diesmal der Adipositaschirurgie. Unstrittig führen
bariatrische Operationen wie eine Verkleinerung des Magens oder der Magen-Bypass Nutzen, Risko und mehr
zu teilweise massiver Gewichtsreduktion und überraschend oft auch zur Besserung
eines Diabetes mellitus Typ 2 oder einer Fettstoffwechselstörung. Aber zu welchem STANDPUNKT SEITEN 15 –17
Preis? Diese Eingriffe haben häufig ein massives Malabsorptionssyndrom zur Folge.
Helicobacter Pylori: Eradikation mit Nebenwirkungen
Darüber hinaus zeigen amerikanische Daten, dass jeder fünfte Patient innerhalb weniger
Jahre ein Alkoholproblem entwickelt, jeder dreizehnte Patient drogenabhängig wird
und eine deutlich erhöhte Suizidrate vorliegt. Deshalb ist eine lebenslange ärztliche FORSCHUNG & PRAXIS SEITEN 18 –21
Begleitung der Patienten notwendig, mit Laborkontrollen sowie Vitamin- und Verordnungspraxis: Verschreibungsfrei versus verschreibungspflichtig
Mineralstoffsubstitution der Malabsorption.

Eine informative Lektüre wünscht Ihnen Ihr DIALOG SEITEN 24 –26

Dr. med. Wolfgang LangHeinrich KVH aktuell WebMagazin: Lesen, wo und wann Sie wollen
Rezept des Monats: Leitlinien hinterfragen
Choosing wisely: Top-5-Empfehlungen für verschiedene Fachbereiche
Impressum

WISSEN SCHNELL VERFÜGBAR

Wir freuen uns, Ihnen ab sofort alle Inhalte von KVH aktuell auch als
hochwertiges WebMagazin anbieten zu können. Onlineaffine Leser
Hinweis:
haben damit die Möglichkeit KVH aktuell auch auf mobilen End-
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten der Autoren dieses Magazins können bei der Redaktion (petra.bendrich@kvhessen.de) erfragt werden.
geräten zu lesen. Neugierig geworden? Wie Sie sich schnell und
In KVH aktuell genannte geschützte Produktnamen sind, unabhängig davon, ob sie als solche gekennzeichnet sind, Marken und/oder Warenzeichen der
einfach einloggen können, erfahren Sie auf dem Umhefter und auf jeweiligen Rechteinhaber und somit nicht frei verwendbar. Auf eine Kennzeichnung der Produktnamen mit einem Warenzeichen wird daher verzichtet.
Seite 22-23. Wir hoffen, Sie mit den neuen benutzerfreundlichen
Features begeistern zu können.

2 KVH aktuell 2|2017 KVH aktuell 3|2016 3

SCHWERPUNKT
MULTIMEDIKATION
Zuviel des Guten?
Ältere, multimorbide Patienten nehmen oft eine Vielzahl von
Medikamenten ein. Durch diese Polypharmazie wächst aber
die Gefahr für Arzneimittelinteraktionen und ernsthafte Neben-
wirkungen. Doch wie damit umgehen?
D er nachfolgende Leserbrief eines Kollegen steht
repräsentativ für die Meinung vieler nieder-
gelassener Ärzte zum Thema „Multimedikation“
und ihrem Handeln. Er war Anlass diesem Thema
einen „Schwerpunkt“ zu widmen. Denn Multi-
medikation ist ein vielschichtiges Phänomen – mit
unterschiedlichsten Ursachen und Problemen. Kei-
ner von uns Verordnern ist dabei frei von
„Schuld“, keiner sollte daher einen Stein werfen.
Welche Gefahren diese Polypharmazie bedeutet,
welche Statistiken existieren und was evidenzba-
siert ist, wird im Folgenden beschrieben. Außerdem
beschreibt ein Hintergrundartikel der Arzneimittel-
4 KVH aktuell 3|2017
SCHWERPUNKT
kommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) am
Ende des Beitrags wissenschaftlich fundiert, wie
sich die Schwierigkeiten darstellen und wie sie be-
gründet sind. Doch was bedeutet diese Analyse für
die Praxis, wie kann man sie bei jedem Patienten in-
dividuell umsetzen? Einen Lösungsansatz liefert der
Abschnitt „Empfehlungen für den Praxisalltag“,
der teilweise im Ansatz überraschen dürfte. Doch
denken Sie sich einmal in diesen Vorschlag hinein.
Denn ist das Thema Multimedikation nicht ein Pro-
blem, das wir mit unseren bewährten Methoden
angehen können und das geradezu nach einem
hausärztlichen Setting verlangt?
KVH aktuell 3|2017 5
 LESERBRIEF
Hier gelangen Sie zur Die Meinung eines Kollegen
SCHWERPUNKT
Hausärztlichen Leitlinie
„Multimedikation“ „Unter der Überschrift „Kaum einschätzbare
bei Erwachsenen:
Gefahren“ erschien in KVH aktuell 1/17 ein Artikel
kvh.link/1703001
(Anm. Redaktion: „Rezept des Monats“, Medikati-
onsliste mit 16 Wirkstoffen), den man so nicht un-
widersprochen hinnehmen kann. Offenbar hat sich
hier der Vertreter eines theoretischen Fachgebietes
zu einem Thema geäußert, dem man die Praxisferne
und den fehlenden Realitätsbezug auf den ersten
Blick ansieht. Die Intention, den Praktiker vor einer
Polypharmazie zu warnen, wird in geradezu schul-
meisterlicher Art und Weise umgesetzt, ohne hier
den einzelnen Patienten mit seiner wie auch immer
gearteten Symptomatik in den Vordergrund zu stel-
INTERNET len. Was sind denn die Beschwerden, die den
Behandler zu dieser kaum noch überschaubaren
Fülle von Arzneien haben ordinieren lassen? Schon
die Aufzählung der multiplen Leiden ist oberfläch-
STELLUNGNAHME
Unsere Sicht
Grundlage des „Rezept des Monats“ war der Über-
leitungsbericht eines Patienten von der Intensiv- auf
die Normalstation. Insoweit liegen uns nur begrenz-
te Informationen vor. Andererseits ist der redaktio-
nelle Raum begrenzt. Daher müssen auch einige der
zu Recht geäußerten Hinweise des Kollegen unbe-
antwortet bleiben. Das betrifft zum Beispiel die
scheinbar fehlende Versorgung des Patienten mit
Betablockern, wie es die aktuellen Leitlinien zur
Herzinsuffizienz vorsehen. Sicher ist, dass wir es oft-
mals nicht nur mit Überversorgung, sondern häufig
gleichzeitig auch mit einer Unterversorgung zu tun
haben. Aber selbst wenn zehn Leitlinien jeweils eine
medikamentöse Therapie verlangen, sind doch Prio-
ritäten und damit Grenzen in der Behandlung zu
setzen. In diesem Zusammenhang verweisen wir
auf die Leitlinie Multimedikation.1 Im Leserbrief wer-
den auch Leitlinien zu NOAKs erwähnt, die übrigens
intensiv von Pharmareferenten verteilt und deutsch-
landweit auf unzähligen, Industrie gesponserten
Fortbildungen unseren Kolleginnen und Kollegen
nahegebracht werden. Gemeint war vermutlich die
Leitlinie der ESC (European Society of Cardiology).
Dazu lässt sich bemerken, das diese Vereinigung
engste, auch finanzielle Verflechtungen mit der
Pharmaindustrie hat. Dies betrifft besonders einen
Großteil der Autoren der besagten Leitlinie.2 Da-
durch nimmt die Glaubwürdigkeit solcher Leitlinien
erheblichen Schaden. Den ESC-Angaben diametral
entgegen stehen übrigens die ausführlichen und
6 KVH aktuell 3|2017
EPIDEMIOLOGIE Literatur:
Probleme und Gefahren 1. Leitlinie Multimedikation.
kvh.link/1703001
SCHWERPUNKT
2. Artikel zu Noaks in KVH
aktuell 3/2016
lich und geht eigentlich am Problem des Patienten Die Angaben zur Häufigkeit der Polypharmazie sein.10 Durch jedes zusätzlich verordnete Medika- 3. Peter C. Gøtzsche: Töd-
liche Medizin und orga-
vorbei. So werden seine Beschwerden mit keiner schwanken aufgrund unterschiedlicher Definitio- ment steigt das Risiko für das Auftreten von uner-
nisierte Kriminalität:
Silbe erwähnt; erst im Gespräch mit dem Patienten nen: Nach Angaben der AOK nehmen 42 Prozent wünschten Nebenwirkungen (UAW), Medikati- Wie die Pharmaindustrie
kann aber, unter Berücksichtigung der aktuellen der über 65-Jährigen fünf und mehr Arzneimittel onsfehlern oder Arzneimittelinteraktionen weiter unser Gesundheitswesen
Laborwerte, eine Gewichtung der Therapieziele in einem Quartal ein6, nach Angaben der BARMER- an.11,12 Sichtbar werden diese häufig durch unspe- korrumpiert, 2014,
Riva Verlag, ISBN-13:
und folglich auch der Pharmaka vorgenommen GEK sind es rund und ein Drittel.7 Unter Multime- zifische Beschwerden wie Unwohlsein, Schwäche, 978-3868834383
werden. Die heute üblichen Software-Programme dikation steigen die Risiken für unerwünschte Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwindel, Bewe- 4. www.akdae.de/Arznei-
weisen bereits bei der Ordination auf die entspre- Ereignisse. So sollen 6,5 Prozent aller Kranken- gungsstörungen, Tremor, Stürze, Verstopfung, mitteltherapie/TE/LF/
5. akdae.de/suche/index.
chenden Unverträglichkeiten und Interaktionen hin, hauseinweisungen – davon zwei Prozent tödlich – Durchfall, Inkontinenz, Appetitlosigkeit, Übelkeit, html?q=dronedaron&ps
so dass der erhobene Zeigefinger des Verfassers Folge einer Arzneimittelkomplikation sein. Von Hautausschlägen, Jucken, Depressionen, Verwirrt- =5
nicht vonnöten ist. Umso mehr, als er durch seine diesen seien 30 bis 70 Prozent vermeidbar.8 Darü- heit, Halluzinationen, Angst und Ohrgeräusche. 6. WIDO Versorgungs-
report 2012
Bemerkungen zu erkennen gibt, dass er sich von der ber hinaus drohen vor allem Fehler beim Verschrei- Die Ursachen der Funktionsstörungen sind oft- 7. Barmer-GEK Report
klinischen Realität entfernt hat und ihm eine Ge- ben sowie mangelnde Adhärenz der Patienten.9 mals schwer zu erkennen.13 Nicht selten kommt es 2012
wichtung der klinischen Parameter fremd ist. So ge- Paradoxerweise kommt es aber häufig auch zu in der Folge zu weiteren Arzneimittelverordnun- 8. Kuhlmey A. Spezielle
Versorgungsanforderun-
sehen ist der Artikel für den Praktiker keine geeig- einer Unterversorgung, selbst relevanter Erkran- gen. Bei diesem Phänomen spricht man von einer gen bei älteren und alten
nete Hilfe, wenn losgelöst von dem vordergründi- kungen. Dabei kann Multimedikation Hinweis auf Verordnungskaskade. Menschen. Zeitschrift für
gen Beschwerdebild, dem Krankheitsverlauf und eine insuffiziente und unkoordinierte Therapie DR. MED. JOACHIM FESSLER Gerontol Geriat 2009;
42: 425-431
den aktuellen Laborparametern lediglich Kritik an 9. Beardon PHG, McGil-
der Polypharmazie geübt wird und dabei die christ MM, McKendick
aktuellen Leitlinien unberücksichtigt bleiben.“ FAZIT AD et al. Primary non-
compliance with pres-
DR. MED. REINHARD BÖHM, LEIPZIG
Empfehlungen für die Praxis cribed medication in
primary care. BMG
1993; 307: 846-848
10. Kuijpers MA, van
gut belegten Empfehlungen der Arzneimittelkom- Es gibt sicher Patienten, die eine Multimedikation 5. Therapie Marum RJ, Egberts
mission der deutschen Ärzteschaft.4 Wir möchten benötigen und damit gut zurechtkommen. Falls je- neuer Therapieplan in Abstimmung mit den ACG Jansen PAF &
hier an das Fiasko mit dem Wirkstoff Dronedaron doch unspezifische Symptome wie die oben Patientenwünschen, individuelle Priorisierung The OLDY (Old people
Drugs and dYsregulati-
erinnern, der von der ESC-Leitlinie quasi hochge- genannten auftreten, so gilt auch hier der Ansatz: 6. Verlaufskontrollen ons) study Group.
jubelt wurde und vielen Menschen die Leber und So viel kurative Therapie wie möglich, so wenig Monitoring der geänderten Medikation Relationship between
manche sogar das Leben gekostet hat.5 symptomatische Therapie wie nötig. Das bedeutet polypharmacy and
underprescribing. Br J
Mit Sicherheit gibt es für den Einsatz eines jeden zuallererst die Beseitigung der auslösenden Ursa- Eine Therapie mit mehreren Medikamenten darf Clin Pharmacol 2007;
der verordneten Wirkstoffe handfeste Gründe und chen durch Absetzen oder Ändern der Medikation. niemals nur durch Kumulation von Leitlinien- 65(1): 130-136
eine Indikation. Diese sind allerdings an die jeweilige An dieser Stelle hilft möglicherweise besonders die empfehlungen erfolgen, sondern muss auf den 11. Onder G, Pedone C,
Landi F et al. Adverse
Zulassung gebunden. Insoweit muss der behan- Modellvorstellung, eine symptomatische Multime- einzelnen Patienten, seine Bedürfnisse und Thera- drug reactions as cause
delnde Arzt sich daran halten und auch die Vorga- dikation wie eine „iatrogene Erkrankung“ zu sehen. pieziele abgestimmt sein. Es sollten so wenige of hospital admissions:
ben beachten. Kein Pharmakologe kann allerdings Die damit erforderlichen Schritte passen dann oft Medikamente wie möglich verwendet werden. results from the Italian
group of pharmaco-
das Zusammenwirken und die Interaktionen des ganz reibungslos in unsere Behandlungsroutinen: Dauertherapien sollten immer wieder auf ihre epidemiology in the
erwähnten Medikamenten-Cocktails zuverlässig Indikation hinterfragt werden. Beispiele dafür sind elderly (GIFA). J Am
beurteilen oder voraussagen.3 Puristen fordern, die 1. Anamnese Betablocker nach Myokardinfarkt, Schmerzmittel Geriatr Soc 2002; 50:
1962-1968
Gabe von Arzneimitteln auch bei Multimorbidität Medikamentenanamnese, Erfassung der bei degenerativen Erkrankungen, aber auch Anti- 12. Thürmann PA, Werner
auf maximal drei Wirkstoffe zu begrenzen. Wir alle vorhandenen Multimorbidität, Fragebogen hypertonika, Antidepressiva, Schilddrüsenmedi- U, Hanke F et al.
wissen, dass die Komplexität der Krankheitsbilder nach unspezifischen Nebenwirkungen kamente, Protonenpumpenblocker, Allopurinol, Arzneimittelrisiken bei
hochbetagten Patien-
und die Problematik vieler Patienten dies oft nicht 2. Untersuchung Diuretika, Nitrate/Molsidomin, Antidementiva, ten: Ergebnisse deut-
zulassen. Mit der kritisierten Rubrik „Rezept des Brown Bag, MAI (Mediction Appropriateness Alphablocker bei Prostatahyperplasie oder der scher Studien. Fort-
Monats“ möchten wir die Aufmerksamkeit auf die Indices), Priscus, PIM (Potentially inappropriate Einsatz von CSE-Hemmern. Erfolglose Therapien schritt und Fortbildung
in der Medizin. Köln,
Risiken für unsere Patienten wenden. Im Einzelfall medication), FORTA (Fit for the Aged) sowie sollten konsequent beendet werden. Zudem sollte Deutscher Ärzte-Verlag
muss der behandelnde Arzt gemeinsam mit diesem auf Interaktionen man sehr kritisch sein, wenn eine Indikation meh- Band 31; 2007: 216-
die Prioritäten festlegen. Beiden muss dabei bewusst 3. Befund rere Arzneistoffe erfordert wie bei Depressionen 224
13. Burkhardt H, Wehling
sein, dass wir gerade mit Hightech-Medikamenten Ungereimtheiten in der Arzneimittelzusam- oder dem parallelen Einsatz verschiedener Anti- M. Probleme bei der
nicht nur Gutes erreichen, sondern teilweise auch mensetzung, Therapieziele des Patienten diabetika, Analgetika oder Diuretika sowie bei Pharmakotherapie
Risiken eingehen. 4. Diagnose Arzneistoffen, die in die Gerinnung eingreifen. Es älterer Patienten.
Internist 2010; 51:
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN Ab-/Um- oder Anzusetzende Wirkstoffe, gilt noch immer der Grundsatz: Nihil nocere! 쮿 737-748
Dosierungsänderungen DR. MED. JOACHIM FESSLER
KVH aktuell 3|2017 7
 THERAPIE AKTUELL
Arzneimittelwechsel-
SCHWERPUNKT
wirkungen bei
Polypharmakotherapie
Arzneimittelinteraktionen bei Polypharmakotherapie sind häufig
und können zu schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen
führen. Es wird ein Überblick über Arzneimittelinteraktionen
gegeben, wobei sowohl Hintergrund, Prinzipien und Mechanis-
men als auch klinische Auswirkungen von Arzneimittelwechsel-
wirkungen dargestellt werden. Aufgeführt sind ausgewählte
klinische Beispiele von Wechselwirkungen, die es zu beachten gilt.
Nachdruck aus Arznei-
verordnung in der Praxis
(AVP), Arzneimittelkom-
B esonders ältere, chronisch kranke Patienten
nehmen gegen ihre verschiedenen Beschwer-
den und Krankheiten eine Vielzahl von Medika-
mission der deutschen menten ein. Ursache hierfür ist die Multimorbi-
Ärzteschaft. dität, worunter man meist das Zusammentreffen
Band 44, Heft 2, April von drei oder mehr chronischen Erkrankungen
2017, Seiten 58-62. versteht. Aus der Multimorbidität resultiert häu-
Ausgewählt und fig eine Polypharmazie, die üblicherweise als die
verfasst von gleichzeitige Verordnung von fünf oder mehr
PD Dr. med. habil. verschiedenen Arzneimitteln pro Tag definiert
Katrin Farker, Jena. wird. Mehr als die Hälfte der über 70-Jährigen
nimmt am Tag mindestens fünf verschiedene
Arzneimittel ein.1,2 Die Multimedikation stellt im
Allgemeinen einen Risikofaktor für unerwünsch-
te Arzneimittelwechsel- und Nebenwirkungen
dar, die zu Krankenhausaufnahmen und sogar
Todesfällen führen können.3,4 Der demographi-
sche Wandel bedingt eine Zunahme der Multi-
morbidität und daraus resultierender Polyphar-
mazie.5 Damit wächst die Gefahr für Arzneimit-
telwechselwirkungen. Diese können zu schwe-
ren unerwünschten Wirkungen oder auch zur
Verminderung des therapeutischen Effektes
einzelner Arzneimittel führen. Die Wahrschein-
lichkeit von Interaktionen wächst exponentiell
mit der Anzahl der gleichzeitig eingenommenen
Arzneimittel und steigt mit dem Alter sowie den
Begleiterkrankungen der Patienten.6,7
8 KVH aktuell 3|2017
SCHWERPUNKT
Ausgewählte relevante Risiken aufgrund von Arzneimittelinteraktionen (nach 2, 8-15)
Risiko Arzneimittel 1 Arzneimittel 2
Blutung NSAR plus Antikoagulanzien wie Phenprocoumon/
orale Antikoagulanzien wie Phenprocoumon plus
Thrombozytenaggregationshemmer/
Glukokortikoide/SSRI
NSAR/Thrombozytenaggregationshemmer/
Amiodaron/Allopurinol/Cotrimoxazol/
Makrolidantibiotika/Gyrasehemmer/
Azolantimykotika/SSRI
Nierenfunktionsstörungen NSAR plus Diuretika und/oder ACE-Hemmer/Sartane
Hyperkaliämie ACE-Hemmer/Sartane plus Spironolacton/kaliumsparende Diuretika/
Kaliumpräparate
Hypoglykämie Sulfonylharnstoffe plus Antibiotika wie Cotrimoxazol/Clarithromycin/
Azolantimykotika
Bradykardieverstärkung, Betablocker plus Verapamil/Diltiazem/Amiodaron/
verzögerte Reizleitung Digitalisglykoside
Hypotonie, Schock PDE-5-Hemmer wie Sildenafil plus Nitrate/HIV-Proteasehemmer wie Ritonavir/
Makrolidantibiotika/Azolantimykotika
Myopathie* Simvastatin/Atorvastatin/Lovastatin plus Amiodaron/Makrolidantibiotika/
Verapamil/Azolantimykotika
Hämatoxizität Azathioprin plus Allopurinol/Metamizol
Arzneimittelwechselwirkungen Verstärkung anticholinerger Atropin, Scopolamin/anticholinerge plus anticholinerg wirkende TZA wie Amitriptylin/
Wird im klinischen Alltag von Arzneimittelwech-
selwirkungen gesprochen, dann sind oft uner-
Wirkungen bis hin zum Delir Parkinsonmittel wie Biperiden/urologische
Parasympatholytika wie Oxybutynin
Neuroleptika wie Promethazin oder Haloperidol/
Antihistaminika wie Diphenhydramin
wünschte Wechselwirkungen gemeint, die eine Serotoninsyndrom SSRI plus MAO-Hemmer/Triptane/Fentanyl/Linezolid/TZA
häufige Ursache unerwünschter Arzneimittelwir- Intoxikationen Lithium plus ACE-Hemmer/Sartane/Diuretika/NSAR
kungen (UAW) sind. Andererseits kann man sich wie Diclofenac/Ibuprofen
Arzneimittelinteraktionen aber auch therapeu- Digoxin plus Amiodaron/Verapamil/Makrolidantibiotika
tisch zunutze machen. Wechselwirkungen wer-
den beispielsweise bewusst bei Vergiftungen im NSAR = nichtsteroidale Antirheumatika/Antiphlogistika; SSRI = selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer;
Rahmen der Antidottherapien genutzt. So werden ACE-Hemmer = Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer; PDE-5-Hemmer = Phosphodiesterase-5-Hemmer;
bei einer Morphinintoxikation durch Gabe von TZA = trizyklische Antidepressiva; MAO-Hemmer = Monoaminooxidase-Hemmer;
*siehe auch: Farker K: Arzneimitteltherapiesicherheit: Myopathie-Risiko durch Statine. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)
Naloxon die Wirkungen von Morphin aufgehoben
2015; 42: 162-164.
oder bei einer Glykosidintoxikation Antikörper-
Fab-Fragmente zur Bindung und Umverteilung
von Digitalisglykosiden eingesetzt. Solche Wechsel-
wirkungen, ob zur Behandlung mit Antidota bei
Intoxikationen oder zur Erhöhung der Effektivität
von diversen Kombinationstherapien sind er-
wünscht und werden vielfach genutzt.
Als Arzneimittelwechselwirkung (Interaktion)
wird eine Veränderung der Aktivität, der Verfügbar-
keit oder des Effektes eines Arzneimittels durch die
gleichzeitige Gabe eines anderen Arzneimittels
bezeichnet. Arzneimittelwechselwirkungen können
zur Wirkungsabschwächung bis zur Wirkungs-
losigkeit oder Wirkungsverstärkung bis zur Intoxi-
kation führen. Sie können auf unterschiedliche
Art und Weise entstehen. Prinzipiell kann man
pharmakodynamische von pharmakokinetischen
Arzneimittelinteraktionen unterscheiden. Davon
KVH aktuell 3|2017 9
 zu trennen sind pharmazeutische Interaktionen
(zum Beispiel Inkompatibilitäten), die im Unter-
schied zu pharmakokinetischen und -dynamischen
SCHWERPUNKT
Interaktionen ex vivo auftreten.
Pharmakokinetische Wechselwirkungen führen
zu Änderungen konzentrationsabhängiger Wir-
kungen im Gegensatz zu pharmakodynamischen
Interaktionen, die zu Wirkungsänderungen füh-
ren, ohne dass die Konzentration verändert wur-
de. Pharmakodynamische Interaktionen können
auftreten, wenn Arzneimittel an einem Rezeptor,
an einem Erfolgsorgan oder einem Regelkreis
synergistisch oder antagonistisch wirken. Solche
Interaktionen lassen sich aufgrund der bekannten
Wirkungen der Arzneimittel oft gut abschätzen
und werden auch therapeutisch bei Kombinati-
ons- oder Antidottherapien genutzt.
Pharmakokinetische Wechselwirkungen können
alle Ebenen der Pharmakokinetik (Freisetzung, Ab-
sorption, Verteilung und Plasmaeiweißbindung,
Metabolismus, Exkretion, Arzneimitteltransport)
betreffen. Wechselwirkungen auf der Ebene der
Biotransformation sind häufig und können eine
große klinische Relevanz haben. Hier kommt den
Cytochrom-P450-Enzymen ein großer Stellenwert
zu. Über eine Induktion oder Hemmung des Arz-
neimittelstoffwechsels kann es zu Änderungen
des therapeutischen Effektes von Arzneimitteln
oder unerwünschten Wirkungen kommen.
CYP3A4 ist für Arzneimittelinteraktionen von be-
sonders großer Bedeutung, da etwa die Hälfte der
Arzneimittel (zum Beispiel Makrolidantibiotika,
Kalziumkanalblocker, Statine wie Simvastatin,
Atorvastatin oder Lovastatin, bei Antikoagulan-
zien, Immunsupressiva, HIV-Protease-Inhibitoren
etc.) darüber verstoffwechselt werden. Daneben
sind aber auch insbesondere CYP2D6-,
CYP2C8/9/19- und CYP1A2-Wechselwirkungen
bei Interaktionen über Cytochrom-P450-Enzyme
(beispielsweise bei Antidepressiva, Antipsychoti-
ka) zu beachten. Klassische CYP3A4-Induktoren
sind Rifampicin, weniger ausgeprägt Rifabutin,
Antiepileptika wie Phenobarbital, Carbamazepin
und Phenytoin, Efavirenz sowie Johanniskraut.
Insbesondere bei Arzneimitteln mit enger thera-
peutischer Breite kann es durch CYP-Induktion zu
einem Wirkungsverlust mit schweren Folgen kom-
men. Organabstoßung durch Ciclosporin-Abfall
oder Schwangerschaft durch Pillenversagen sind
klinisch relevante Beispiele für Interaktionen mit
Johanniskraut, vor dem zu warnen ist. Johannis-
kraut wird oft als Arzneimittel gar nicht wahrge-
nommen, da es frei verkäuflich ist und im Rahmen
der Selbstmedikation häufig eingenommen wird
(oft ohne Kenntnis des Arztes). Beispiele für eine
Inhibition fremdstoffabbauender Enzyme in der
Leber sind Azolantimykotika wie Itra-, Keto- und
10 KVH aktuell 3|2017
Posaconazol, Makrolidantibiotika wie Ery-, Clari-
und Telithromycin oder Proteaseinhibitoren
(CYP3A4-Hemmer). CYP3A4-Wechselwirkungen
sind besonders ausgeprägt, da dieses Isoenzym
ein sehr breites Substratspektrum aufweist. Eine
umfassende Übersicht zu Cytochrom-P450-Sub-
straten, Inhibitoren und Induktoren ist zu finden
unter: http://medicine.iupui.edu/ clinpharm/ddis/
main-table. CYP3A4-Substrate, CYP3A4-Inhibito-
ren und -Induktoren sind teilweise mit denen des
P-Glykoproteins (Genprodukt des ABCB1-Gens)
identisch. P-Glykoprotein ist ein bekannter ABC-
Transporter (Effluxtransporter). So sind zum Bei-
spiel Erhöhungen der Digitoxinkonzentration und
damit Zunahme der Digitoxintoxizität durch
ABCB1-Inhibitoren wie Amiodaron, Chinidin, Spi-
ronolacton oder Verapamil erklärbar.
Arzneimittel mit hohem Interaktionspotenzial
und geringer therapeutischer Breite wie Antiko-
agulanzien, Herzglykoside, Antiarrhythmika, Im-
munsuppressiva, Antidiabetika, Statine oder Zyto-
statika beherbergen ein besonderes Risiko für
schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen
wie Blutungen, Herzrhythmusstörungen, Nieren-
versagen, Hypoglykämien, Rhabdomyolysen oder
Hämato- und Neurotoxizitäten. Tabelle 1 zeigt eine
Auswahl verschiedener zu vermeidender Risiken
durch Arzneimittelinteraktionen. Ausgewählt sind
Beispiele von häufigen, klinisch relevanten Interak-
tionen, die es zu beachten gilt. Die Tabelle erhebt
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie beinhal-
tet lediglich eine Auswahl häufiger und praktisch
wichtiger Interaktionsprobleme.
Zirka 5,3 Prozent (0,16–15,5 Prozent) aller
Krankenhausaufnahmen sind UAW-assoziiert.6
Höhere Prävalenzraten (zirka 11 Prozent) werden
bei älteren Patienten mit Multimorbidität und
Multimedikation beschrieben.16,17 Oft werden die-
se medikamentös bedingten Hospitalisierungen
durch Wechselwirkungen verursacht. Daten aus
Deutschland zeigen 12,4 Prozent stationäre Auf-
nahmen in Kliniken für Innere Medizin wegen
Phenprocoumon-assoziierter UAW, davon 85 Pro-
zent gastrointestinale Blutungen. Bei einem Drittel
der Patienten waren Wechselwirkungen mit
Thrombozytenaggegationshemmern und nichtste-
roidalen Antirheumatika (NSAR) der Grund dafür.18
Neben den wechselwirkungsbedingten Blutun-
gen sind Hyperkaliämien durch ACE-Hemmer plus
Aldosteronantagonisten oder Kaliumpräparate,
Nierenfunktionsstörungen durch NSAR plus ACE-
Hemmer oder Myopathien durch Wechselwirkun-
gen von Simvastatin/Atorvastatin plus CYP3A4-
Inhibitoren ausgewählte Beispiele für häufig auf-
tretende unerwünschte Arzneimittelwirkungen,
denen pharmakokinetische oder pharmakodyna-
mische Mechanismen zugrunde liegen und die
dem praktisch tätigen Arzt bekannt sein sollten.
Hypertonie, Lipidstoffwechselstörungen, chroni-
sche Kreuzschmerzen, Diabetes mellitus, Arthro-
sen und KHK gehören zu den sechs höchstpräva-
lenten chronischen Krankheiten bei multimorbi-
den, älteren Patienten.19 Hier zum Einsatz kom-
mende Arzneimittel können ein voran beschriebe-
nes Interaktionspotenzial beherbergen, das bei
der täglichen Verordnung von Arzneimitteln zu
beachten ist. Darüber hinaus ist der Patient expli-
zit über mögliche Interaktionsgefahren durch
eine Selbstmedikation aufzuklären. Insbesondere
auf Johanniskraut oder auch nicht verschrei-
bungspflichtige Analgetika (NSAR) ist hinzuwei-
sen. Auch sehr hohe Mengen von Grapefruitsaft
FAZIT
Multimorbidität und Polypharmazie stellen
prinzipiell eine mögliche Gefahr für uner-
wünschte Arzneimittelwechselwirkungen dar,
die teilweise vermeidbar sind. Kenntnisse über
Prinzipien von pharmakodynamischen und
Literatur:
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Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse der Studie
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fel nicht mit dem Beelzebub aus! MMW Fortschr
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heitsberichtserstattung des Bundes. Demografische
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admissions associated with adverse drug reactions:
a systematic review of prospective observational
studies. Ann Pharmacother 2008; 42: 1017-1025.
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severe drug interactions in elderly outpatients:
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8. American Geriatrics Society 2015 Beers Criteria
Update Expert Panel: American Geriatrics Society
2015 Updated Beers Criteria for Potentially
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9. Bergert FW, Braun M, Ehrenthal K et al.: Recommen-
dations for Treating Adult and Geriatric Patients on
Mulimedication. Int J Clin Pharmacol 2014; 52 (S1):
S1-S64.
(intestinale CYP3A4-Hemmung), hoher/chroni-
scher Alkoholkonsum (CYP2E1-Induktion) und
PD Dr. med. habil.
starkes Rauchen (CYP1A2-Induktion) können zu
SCHWERPUNKT
Katrin Farker
Wechselwirkungen mit Arzneimitteln führen. Eine
katrin.farker@
wichtige Informationsquelle für relevante Arznei-
med.uni-jena.de
mittelwechselwirkungen sind die Fachinformatio-
nen der Arzneimittelhersteller (www.fachinfo.de). Interessenkonflikte:
Ein Interessenkonflikt
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Daten-
wird von der Autorin
banken und elektronischen Programmen zur
verneint.
Überprüfung von Arzneimittelwechselwirkun-
gen, die frei oder kostenpflichtig für eine Interak-
KONTAKT
tionsrecherche zugänglich sind. Diese können
hilfreich sein und den Arzt unterstützen. Ein kli-
nisch-pharmakologisches Grundwissen ersetzen
sie jedoch nicht. 쮿
-kinetischen Interaktionen sind von besonderer
Bedeutung. Ärzte sollten für ihre hauptsäch-
lich verordneten Arzneimittel die wichtigsten
und potenziell gefährlichen Interaktionen
kennen und beachten.
10. Cascorbi I: Arzneimittelinteraktionen – Prinzipien,
Beispiele und klinische Folgen. Dtsch Arztbl Int
2012; 109: 546-556.
11. Bitter K, Schlender JF, Woltersdorf R: Arzneimittel-
interaktionen im Alter. Internist 2016; 57: 728-734.
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KVH aktuell 3|2017 11
 ARZNEIMITTELSICHERHEIT
Für Sie gelesen
NACHRICHTEN
Drei Meldungen Weißdorn – Fehlbehandlungen vermeiden
aus dem Bulletin zur Pflanzliche Zubereitungen aus Weißdornblättern
Arzneimittelsicherheit, mit Blüten sollen nicht mehr bei Herzinsuffizienz
Ausgabe 4/2016. Stadium II der New York Heart Association (NYHA)
Herausgeber sind das
angewendet werden. Das empfiehlt der Ausschuss
Bundesinstitut für
für pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Pro-
Arzneimittel und
Medizinprodukte
duct Committee, HMPC) der Europäischen Arznei-
(BfArM, Bonn) und mittelagentur nach einer Neubewertung dieser
Paul-Ehrlich-Institut Heilpflanze. Die Indikation entspreche
(PEI, Langen): nicht mehr dem aktuellen Stand der
Wissenschaft, so das Bundesinsti-
tut für Arzneimittel und Medizin-
Kein Wirksamkeitsbeleg bei Ginkgoblättern
Es gibt derzeit 115 verkehrsfähige zugelassene
Arzneimittel mit Zubereitungen aus Ginkgoblät-
tern auf dem deutschen Arzneimittelmarkt (Stand
6.10.2016). Der Markt für Zubereitungen aus
Ginkgoblättern ist mit Bezug auf die Anwen-
dungsgebiete inhomogen, da viele Zulassungen
bereits vor Erstellung der HMPC-Monografie
erteilt wurden und nach der aktuellen Gesetz-
gebung bestehen bleiben. Für die in der alten
Monografie der Kommission E aufgeführten Indi-
kationen „Tinnitus“ und „periphere arterielle
Verschlusskrankheit“ konnte das vorhandene
wissenschaftliche Erkenntnismaterial keinen
ausreichenden Wirksamkeitsbeleg erbringen. Bei
einer derartigen Anwendung sind in besonderem
12 KVH aktuell 3|2017
produkte (BfArM). Die Wirksamkeit sei weder in der
Monotherapie noch als Add-on-Anwendung zur
etablierten Therapie der Herzinsuffizienz belegt.
Die Monografie des HMPC sieht damit lediglich
eine traditionelle Anwendung in recht allgemein
formulierten Anwendungsgebieten vor: die symp-
tomatische Behandlung bei zeitweiligen nervösen
Herzbeschwerden wie Herzpochen – wenn schwer-
wiegende Erkrankungen durch den Arzt ausge-
schlossen wurden – sowie die Linderung milder
Stresssymptome und als Schlafhilfe.
Auch wenn mit der Einnahme von Weißdorn-
blättern mit Blüten und deren Zubereitungen wohl
kein besonderes wirkstoffbedingtes Risiko ver-
bunden sei, bestehe bei der bisherigen Indikation
das Risiko der Fehlbehandlung
bei einer Erkrankung, die einer
klaren Diagnosestellung und
Therapie bedürfe. 쐍
Quelle: Bulletin 4/2016
Maße die möglichen Risiken zu berücksichtigen.
Für Ginkgoblätterpulver wird in der aktuellen
HMPC-Monografie eine europäische Tradition für
die Verwendung zur Linderung von Schwere-
gefühl in den Beinen, Kältegefühl in Händen und
Füßen aufgrund von leichten Durchblutungsstö-
rungen bestätigt. Auch hier gilt: Diese Anwen-
dung darf allerdings erst erfolgen, wenn schwere
Erkrankungen durch den behandelnden Arzt aus-
geschlossen wurden. 쐍
Quelle: Bulletin 4/2016
BUCHTIPP
Ein Insider klärt auf
Wer früher stirbt, ist bekanntlich länger tot.
Aber wer später stirbt, meist länger Patient.
Gerd Reuther, Facharzt und Radiologe mit 30
Jahren Berufserfahrung wirft in seinem Buch
„Der betrogene Patient“ einen strengen Blick
auf den Medizinbetrieb, untermauert durch
Studien, Zahlen und Fakten. Kritisch nimmt er
alle Bereiche unter die Lupe. Wer Fakten und
Belege rund um eine Über- oder Fehlversorgung
im Gesundheitswesen sucht, wird bei Reuther
sicher fündig. Leider gibt es kein Stichwortver-
zeichnis. Das Buch stellt für interessierte Laien
eine wertvolle Alternative zu Dr. Google dar.
Ärzte könnten es Patienten empfehlen, die sich
eingehender informieren wollen. 쐍
PETRA BENDRICH
Keine MS nach HPV-Impfung!
Seit Einführung der Impfung gegen Humane
Papillomaviren (HPV) vor über zehn Jahren wurde
in zahlreichen Studien die Sicherheit von HPV-
NACHRICHTEN
Impfstoffen untersucht. Dabei konnte kein Zusam-
menhang zwischen einer Impfung und der Entste-
hung einer multiplen Sklerose (MS) nachgewiesen
werden. Zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs
wird von der Ständigen Impfkommission (STI-
KO) für alle Mädchen im Alter von 9 bis
14 Jahren die Impfung gegen HPV empfohlen.
Spätestens bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
(das heißt bis zum Tag vor dem 18. Geburtstag)
sollen versäumte Impfungen gegen HPV nach-
geholt werden. 쐍
Quelle: Bulletin 4/2016
Mehr Infos sowie eine
ausführliche Leseprobe
finden Sie unter:
kvh.link/1703002
INTERNET
Erschienen ist das Buch 2017 im riva Verlag
und für 19,99 € im Handel erhältlich
(ISBN 978-3-7423-0071-3).
KVH aktuell 3|2017 13

Quelle: ÜBERDOSIERUNG
1. http://www.pei.de/
SharedDocs/Downlo-
ads/vigilanz/bulletin-
Vorsicht bei Neuroleptika-Tausch
zur-arzneimittelsicher-
NACHRICHTEN
heit/2017/2-
2017.pdf;jsessionid=2 In seiner Ausgabe 2 vom Juni 2017 berichtet das
E7ED22F538B77398B Bulletin zur Arzneimittelsicherheit1 über Dosie-
2B808D87DC9E21.2_c rungsrisiken bei Levomepromazin. Dieser gut
id344?__blob=publica-
tionFile&v=3. erprobte Wirkstoff ist ein schwach neuroleptisch
kvh.link/1703003 wirksames und stark sedierendes Neuroleptikum
2. Arzneimitteldatenbank mit einer Halbwertszeit von 17-20 Stunden.2 Seit
des arznei-telegramms.
3. http://www.bfarm.de/ 2014 wurde dem BfArM mehrfach berichtet,
DE/Servicefunktio- dass bei Austausch von Neurocil zu Levomepro-
nen/Online-Formulare/ mazin Neuraxpharm eine versehentliche Über-
Bulletin-Formulare/
Onlineversion/Bullein- dosierung auftreten kann. Die Konzentration der
Online_node.html. beiden Präparate sei zwar identisch. Doch sei
kvh.link/1703004 durch die andersartige Tropfvorrichtung bei Le-
vomepromazin Neuraxpharm – die abgegebene
KOMMENTAR
Das Medikament kann im Einzelfall bei ausge-
prägten Erregungszuständen sehr hilfreich sein.
Vor Jahren zog in einem von mir betreuten
Altenheim ein älterer Patient ein, der mit Neuro-
cil behandelt war. Der Mann war bei Ankunft
bettlägerig und gar nicht bis kaum erweckbar.
Es dauerte mehrere Tage, bis er nach einer
Quelle: SÄUREBLOCKER
BMJ Open 2017; 7:
e015735, DOI:
10.1136/bmjopen-
Erhöhtes Sterberisiko durch PPI
2016-015735.
kvh.link/1703005
Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) lassen pepti-
sche Ulzera rasch abheilen. Wegen ihrer guten
Verträglichkeit gelten die teilweise rezeptfreien
Präparate als Lifestyle-Mittel gegen Magenver-
stimmungen. Ihre Einnahme ist jedoch nicht risi-
kolos. Studien haben beispielsweise Zusammen-
hänge zwischen der PPI-Einnahme und dem
Auftreten von Nierenerkrankungen, Darminfek-
tionen, erhöhtem Frakturrisiko sowie Magnesi-
ummangel beschrieben. Aktuell wurden die
Daten von fast sechs Millionen US-Veteranen
ausgewertet. Darunter waren 275.000 Patienten,
denen die Ärzte PPI verschrieben hatten, sowie
fast 75.000 Patienten, die mit H2-Blockern behan-
delt wurden. Die PPI-Nutzer hatten ein um 25 Pro-
zent erhöhtes Sterberisiko gegenüber Nutzern
14 KVH aktuell 3|2017
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Wirkstoffmenge doppelt so hoch wie bei den
Neurocil-Tropfen. Konkret bedeutet dies: bei
Neurocil wird pro Milliliter ein Milligramm Wirk-
stoff abgegeben, bei Levomepromazin Neurax
dagegen 2 mg pro Milliliter. Das heißt, dass bei
Neurocil für 10 mg Wirkstoff 10 Tropfen abzu-
geben sind, bei Levomepromazin Neuraxpharm
lediglich 5 Tropfen. Folgen der Überdosierung
sind massiv verstärkte Müdigkeit, von Somnolenz
bis zum Koma. Das BfArM bittet daher um ver-
stärkte Aufmerksamkeit beim Austausch dieser
beiden Arzneimittel. 쐍
Medikamentenpause wieder voll ansprechbar
war. Dies macht die Notwendigkeit für einen kri-
tischen Umgang mit Levomepromazin und seiner
langen Halbwertszeit deutlich. Das Bulletin zur
Arzneimittelsicherheit erscheint quartalsweise
und kann kostenlos abonniert werden.3
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN
ADIPOSITASCHIRURGIE
Nutzen, Risiko
von H2-Blockern (signifikante Hazard Ratio von
1,25). Das Risiko blieb auch erhöht, wenn Faktoren
wie Alter und Begleiterkrankungen mitberück-
sichtigt wurden und stieg zudem mit der Einnah-
medauer weiter an. Das absolute Risiko für den
und mehr
einzelnen Patienten sei gering. Nach Berechnun-
gen der US-amerikanischen Experten kommt auf
500 Menschen, die ein Jahr lang PPI einnehmen, Hintergrundinformationen zur Bariatrischen Chirurgie und
ein zusätzlicher Todesfall. Angesichts der Millio-
nen von Patienten, die PPI regelmäßig nehmen,
der Notwendigkeit einer lebenslangen interdisziplinären
summiert sich dies allerdings im Jahr auf Tausen- Nachbetreuung der operierten Patienten.
de zusätzlicher Todesfälle. Viele ließen sich mög-
licherweise vermeiden, wenn PPI nur bei klaren
Indikationen eingesetzt würden. 쐍
KVH aktuell 3|2017 I
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
A dipositas ist eine multifaktoriell bedingte
Erkrankung, bei deren Pathogenese geneti-
sche Faktoren, Überernährung, Bewegungsmangel
sowie etliche andere Mechanismen eine Rolle
spielen. Die Prävalenz von Adipositas steigt welt-
weit kontinuierlich an. Adipositas ist definiert als
eine über das Normalmaß hinausgehende Vermeh-
rung des Körperfetts. Grundlage für die Klassifikati-
on des Körpergewichts ist der „Body Mass Index“
(BMI) als Quotient aus Gewicht und Körpergröße
zum Quadrat (kg/m2). Übergewicht ist definiert als
BMI ≥ 25 kg/m2, Adipositas als BMI ≥ 30 kg/m2.1
Indikationen zur Therapie
Die Indikationen für eine Behandlung überge-
wichtiger beziehungsweise adipöser Menschen
sind in den gemeinsamen Leitlinien der Deutschen
Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Diabe-
tes-Gesellschaft aufgelistet1 (siehe Tab. 1). Stets
sollte vor Initiierung einer Adipositastherapie aus
ärztlicher Sicht die Frage nach der Sinnhaftigkeit
gestellt werden. Diese hängt wiederum vom Patien-
tenalter, Begleiterkrankungen und Begleitmedika-
tion, vorherigen Therapieversuchen beziehungs-
weise von Therapiestrategien und anderen Faktoren
ab. Ziel der Adipositastherapie ist eine Gewichtsre-
duktion von > fünf Prozent des Ausgangsgewichts
bei einem BMI im Bereich 25 bis 35 kg/m2 bezie-
hungsweise > zehn Prozent des Ausgangsgewichts
bei einem BMI > 35 kg/m2.1 Grundlage jedes
Gewichtsmanagements ist ein interdisziplinäres
Basisprogramm, das die Komponenten Ernäh-
REMISSIONSRATEN BEI TYP-2-DIABETES (5 JAHRE NACH EINGRIFF)
33% 61%
Magenband Schlauchmagen
II KVH aktuell 3|2017
rungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie
umfasst. Die Ernährungstherapie von Adipositas
beinhaltet eine Vielzahl denkbarer Strategien. Das
erwünschte Energiedefizit kann über verschiede-
ne Stufen erreicht werden, wie sie in den Leitlinien
empfohlen werden1: Reduktion des Fett- oder
Kohlenhydratverzehrs, mäßig kalorienreduzierte
Mischkost, Mahlzeitenersatz mit Formulaproduk-
ten bis hin zum vorübergehenden Einsatz einer
alleinigen Formuladiät. Für den Einstieg in die
Ernährungstherapie von Adipositas scheint nach
neueren Daten die Reduktion des Kohlenhydrat-
verzehrs im Vergleich zur Fettreduktion und ande-
ren Strategien mit deutlich besseren Erfolgsaus-
sichten einherzugehen.2 Durch einen erhöhten
Energieverbrauch trägt vermehrte körperliche
Aktivität zur Gewichtsabnahme bei, wobei dieser
Effekt bei einem realistischen Umfang nicht über-
schätzt werden sollte. Eine Metaanalyse zur Wir-
kung der alleinigen Bewegungstherapie durch
Ausdauer- und/oder Krafttraining über ein Jahr
ergab eine mittlere Gewichtsabnahme von zirka
zwei Kilogramm, abhängig von Art, Intensität und
Zeitumfang der Bewegung.3 Führt die alleinige
Lebensstilintervention nicht zum Erfolg, so kann
sich die Indikation für den Einsatz einer adjuvan-
ten Pharmakotherapie ergeben. Unter den in
Deutschland zugelassenen Medikamenten zur
Therapie von Adipositas bewirkt gemäß einer
aktuellen Metaanalyse Orlistat im Vergleich zu Pla-
cebo eine zusätzliche Gewichtsabnahme von zirka
2,7 kg sowie Liraglutid von etwa 5,2 kg.4 Der
74% 99%
Magenbypass BPD mit Duodenal
Switch
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Nachweis, dass die Gewichtsreduktion mittels Le-
bensstilintervention und/oder Pharmakotherapie
das erhöhte Mortalitätsrisiko Adipöser wieder redu-
oder Essstörung, wie Binge-Eating, muss ein Psy-
chiater oder Psychotherapeut hinzugezogen wer-
den. Instabile psychopathologische Zustände, ak-
ziert, steht allerdings weiterhin aus. Hier besteht tive Substanzabhängigkeit oder unbehandelte Bu-
somit eine deutliche Diskrepanz zwischen der limia nervosa sind Kontraindikationen für einen
Epidemiologie, die auf allen Kontinenten bei Eingriff. Ein höheres Lebensalter ≥ 65 Jahre stellt
unterschiedlichen ethnischen Gruppen ein mit hingegen keine generelle Kontraindikation dar.
steigendem BMI zunehmendes Mortalitätsrisiko
konsistent nachweist5, und der Datenlage aus pro- Die operativen Verfahren
spektiven, randomisierten Interventionsstudien. Zu den gängigen restriktiven Eingriffen zählen das
Magenband und der Schlauchmagen. Während
Chirurgische Eingriffe das adjustierbare Magenband den Durchmesser
Nach der aktuellen Leitlinie kann die Indikation für im oberen Magenanteil zuschnürt, entsteht der
eine chirurgische Intervention nach Scheitern einer Schlauchmagen durch eine linkslaterale Magenre-
konservativen Therapie bei Patienten mit Adiposi- sektion. Dadurch wird der Magen reduziert sowie
tas Grad III (BMI ≥ 40 kg/m2) oder Adipositas Grad gleichzeitig hormonproduzierende Areale entfernt,
II (BMI ≥ 35 kg/m2) mit erheblichen Komorbiditä- die an der Vermittlung des Hungergefühls betei-
ten (wie Diabetes mellitus Typ 2) gestellt werden ligt sind. Der Roux-en-Y-Magenbypass ist eine
(1; Tab. 2). Eine separate Leitlinie zur Chirurgie der komplexere Intervention, die einerseits mittels eines
Adipositas aus dem Jahre 20106 ist seit 2015 kleinen Magenpouch restriktiv wirkt. Durch dessen
abgelaufen, eine neu verfasste S3-Leitlinie befin- direkte Anastomose mit einer hochgezogenen
det sich zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Bei- Jejunumschlinge wird die Passage der Nahrung
trags als Konsultationsfassung in Abstimmung durch das Duodenum und große Anteile des Jeju-
zwischen den beteiligten Fachgesellschaften und nums ausgeschaltet, woraus sich die malabsorpti-
sollte noch 2017 veröffentlicht werden. Adiposita- ve Komponente des Eingriffs ergibt. Weitere mal-
schirurgische Eingriffe sollten in spezialisierten Ein- absorptive Verfahren wie die biliopankreatische
richtungen vorgenommen werden, die das ganze Diversion (BPD), bei der nur rund 100 Zentimeter
Spektrum der wichtigen Interventionen anbieten Passage im Dünndarm verbleiben, sowie die BPD
und auch Eingriffe bei Komplikationen beziehungs- mit Duodenalswitch spielen nur eine untergeord-
weise Rezidiven durchführen. Ich empfehle, die nete Rolle. Eine Übersicht zu den verschiedenen
Patienten ausschließlich an zertifizierte Zentren bariatrischen Verfahren zeigt Tabelle 3. Zwar erge-
für Adipositaschirurgie zu ver- ben die deutschen Registerdaten
weisen. Eingriffe mit erhöhtem Im Langzeit-Verlauf für den Beobachtungszeitraum
Risiko, wie bei BMI > 60 kg/m2 seit 2005, dass der Magenbypass
und/oder komplexen Begleiter-
ist die chirurgische der am häufigsten durchgeführ-
krankungen ebenso wie Revisi- Diabetestherapie te Eingriff war, knapp gefolgt
onseingriffe und Operationen einer medikamen- vom Schlauchmagen und jeweils
bei Jugendlichen oder älteren etwa viermal häufiger als die Im-
Patienten ≥ 65 Jahre sollten nur
tösen Behandlung plantation eines Magenbands.7
in Zentren mit besonderer tech- deutlich überlegen. Der eindeutige Trend weg vom
nischer Expertise und Ausstat- einst zahlenmäßig dominieren-
tung sowie großer Erfahrung durchgeführt werden. den Magenband und die Zunahme der Schlauch-
Es wäre wünschenswert, wenn es für die Adiposi- magen in den letzten Jahren dürfte diese relativen
taschirurgie zeitnah eine verbindliche Mindest- Anteile zuletzt jedoch nochmals verschoben haben.
mengenregelung gäbe, um der aktuellen Entwick- Ein für alle Patienten pauschal zu empfehlen-
lung Einhalt zu gebieten, dass zahlreiche Kliniken des OP-Verfahren existiert nicht. Die sorgfältige
nur wenige Eingriffe pro Jahr durchführen. Auswahl des Verfahrens sollte unter Berücksichti-
Die Patientenauswahl muss nach stringenten Kri- gung von BMI, Alter, Geschlecht, Komorbiditäten,
terien erfolgen und eine Nutzen-Risiko-Abwägung Adhärenz, Beruf und Patientenpräferenz erfolgen.
eindeutig positiv sein. Das mit dem Eingriff ver- Alle Eingriffe sollten laparoskopisch durchgeführt
bundene Operationsrisiko sollte in keinem Fall die werden.
bei vergleichbaren Wahleingriffen bekannten Risi-
ken überschreiten. Vor Indikationsstellung sollte in Kurz- und mittelfristige Effekte
der Regel eine konservative Behandlung nach ak- Die größten Gewichtsabnahmen werden nach
zeptierten Qualitätskriterien über mindestens ein BPD beobachtet, gefolgt von Magenbypass und
Jahr stattgefunden haben. Bei Patienten mit Ver- Schlauchmagen, wohingegen die Gewichtsreduk-
dacht auf Depression, Psychose, Suchterkrankung tion nach Magenband signifikant geringer ausfällt
KVH aktuell 3|2017 III
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
MASSNAHMEN ZUR GEWICHTSREDUKTION
Ernährungsumstellung
Verhaltensänderung
Adipositas-Chirurgie
QUELLE: OBES SURG. 2015; 25:143-158
(Tab. 3, Seite IX). Daher erscheint ein Magenband
vornehmlich für Patienten mit einem BMI < 45
kg/m2 sinnvoll. Invasivität und perioperatives Risi-
ko sind bei diesem Eingriff am geringsten, jedoch
findet sich das höchste Risiko für chirurgische
Langzeitkomplikationen mit Notwendigkeit für
den Ausbau oder die Revision des Magenbands.8
Der sich zunehmender Beliebtheit erfreuende
Schlauchmagen sollte lediglich bei Patienten mit
bestehender Refluxkrankheit zurückhaltend ein-
gesetzt werden. Hier ist eher dem günstig auf den
Reflux wirkenden Magenbypass der Vorzug zu ge-
ben. Hingegen hat der technisch einfachere und
schneller durchzuführende Schlauchmagen spe-
ziell bei schwerstadipösen Patienten mit BMI ≥ 60
kg/m2 Vorteile. Während sich im kurz-, mittel- und
langfristigen Gewichtsverlauf zwischen Schlauch-
magen und Magenbypass keine gravierenden Un-
terschiede zeigen, ist die drastische Besserung ei-
ner diabetischen Stoffwechsellage aufgrund der
veränderten Anatomie des GI-Trakts ein besonde-
res Kennzeichen des Magenbypasses. Zumeist kann
die antidiabetische Therapie noch während des
Klinikaufenthalts deutlich reduziert werden, bevor
überhaupt eine relevante Gewichtsabnahme ein-
gesetzt hat. Nach Anlage eines Schlauchmagens
hingegen bessert sich der diabetische Stoffwech-
sel mit der Gewichtsabnahme, nach ausreichend
langer Beobachtungszeit nähern sich die Daten
IV KVH aktuell 3|2017
Körperliche Bewegung
beider Verfahren an. Dieses zeigen die unlängst
publizierten 5-Jahres Daten der STAMPEDE-Studie,
in deren Rahmen eine medikamentöse Therapie
des Typ-2-Diabetes mit Magenbypass und
Schlauchmagen verglichen wird.9 Fünf Jahre nach
OP lag der HbA1c noch um 2,1 Prozent unter dem
Ausgangswert, bei den medikamentös behandel-
ten Patienten nur um 0,3 Prozent. Der primäre
Endpunkt eines HbA1c ≤ 6,0 Prozent wurde bei
zwei von 38 Patienten unter der medikamentösen
Therapie erreicht, im Vergleich zu 14 von 49 mit
Magenbypass und 11 von 47 Patienten mit
Schlauchmagen. Das Körpergewicht lag um 23 Pro-
zent nach Magenbypass-OP beziehungsweise um
19 Prozent nach Schlauchmagen-OP unter dem
Ausgangswert im Vergleich zu einer Gewichtsab-
nahme um immerhin 5 Prozent unter der konser-
vativen Therapie.9 Somit zeigt sich auch im Lang-
zeit-Verlauf erwartungsgemäß eine deutliche
Überlegenheit der chirurgischen gegenüber der
medikamentösen Diabetestherapie.
Eine Metaanalyse zur Remissionsrate eines Typ-
2-Diabetes fünf Jahre nach bariatrischen Eingrif-
fen ergab zirka 33 Prozent für das Magenband,
zirka 61 Prozent für die Schlauchmagenbildung,
zirka 74 Prozent für dem Magenbypass und zirka
99 Prozent für die BPD mit Duodenal Switch.10
Günstige prädiktive Faktoren für eine möglichst
nachhaltige Diabetesremission sind insbesondere
junges Alter zum Zeitpunkt der OP, kurze Diabe-
tesdauer sowie gute Stoffwechsellage präoperativ
ohne Insulinpflichtigkeit.
Harte Endpunkte
Die „Swedish Obese Subjects“-(SOS)-Studie ist die
älteste Vergleichsstudie zu den Langzeiteinflüssen
der chirurgischen Adipositastherapie, aus der eine
Fülle von Daten in den letzten Jahrzehnten publi-
ziert wurde. Von September 1987 bis Januar 2001
unterzogen sich 2.010 Männer (BMI ≥ 34 kg/m2)
und Frauen (BMI ≥ 38 kg/m2) einer bariatrischen
Operation (vertikale Gastroplastik 68 Prozent,
Magenband 19 Prozent, Magenbypass 13 Prozent).
Ihnen wurden in einem nicht-randomisiertem Stu-
diendesign 2.037 gematchte Patienten gegenüber-
gestellt, bei denen keine Operation durchgeführt
wurde. Eine prospektiv randomisierte Studie wurde
den Initiatoren von der zuständigen Ethikkommis-
sion seinerzeit nicht gestattet, was sicher aus
heutiger Sicht eine gewisse Einschränkung bei
der Bewertung darstellt. Zudem wurde bei mehr
als zwei Dritteln der Studienpatienten mit der
vertikalen Gastroplastik eine restriktive OP-Technik
angewandt, die heute keine Relevanz mehr hat.
Dennoch zeigt die SOS-Studie in beeindruckender
Weise die langfristigen Effekte einer mit operati-
ven Methoden erreichten nachhaltigen Gewichts-
reduktion:
쐍 Über die ersten 10 Jahre nach Studienbeginn
lag das mittlere Gewicht in der Kontrollgruppe
stets im Bereich von + 2 Prozent zum Ausgangs-
gewicht. Hingegen betrug nach 10 Jahren die
mittlere Abnahme im Vergleich zum Ausgangs-
gewicht zirka 25 Prozent nach Magenbypass,
16 Prozent nach vertikaler Gastroplastik und
14 Prozent nach Magenband. Nach einer mitt-
leren Beobachtungsdauer von 10,9 Jahren
fand sich im Vergleich zur Kontrollgruppe nach
Adipositaschirurgie erstmals eine signifikant
niedrigere Sterblichkeitsrate (HR 0,76; 95%
CI 0,59-0,99; p = 0,04).11
쐍 Nach einer medianen Beobachtungsdauer von
14,7 Jahren fand sich im Vergleich zur Kon-
trollgruppe nach Adipositaschirurgie eine um
53 Prozent niedrigere Rate an kardiovaskulä-
ren Todesfällen (HR 0,47; 95% CI 0,29-0,76;
p = 0,002) und eine um 33 Prozent niedrigere
Rate an erstmaligen kardiovaskulären Ereignis-
sen (HR 0,67; 95% CI 0,54-0,83; p < 0,001).12
쐍 Über eine mediane Beobachtungszeit von
19 Jahren fand sich eine signifikante Risiko-
reduktion (HR 0,56) für mikrovaskuläre Kom-
plikationen nach Adipositaschirurgie.13 Die
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Hazard Ratio war mit 0,18 am niedrigsten in
der Gruppe von chirurgisch behandelten Patien-
ten mit Prädiabetes zu Beginn und betrug
0,39 bei jenen mit neu entdecktem Diabetes,
0,54 bei Patienten mit vorbekanntem Diabetes
und 0,63 bei jenen, die vor dem Eingriff einen
normalen Glukosestoffwechsel aufwiesen.
Zwar ist die Neumanifestation eines Typ-2-Dia-
betes kein „harter“ Endpunkt im engeren Sinne,
jedoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass über
eine Beobachtungsdauer von 15 Jahren in der
chirurgisch behandelten Gruppe das Risiko für die
Neumanifestation eines Typ-2-Diabetes drastisch
gesenkt wurde (6,8 versus 28,4 Fälle pro 1.000 Per-
sonenjahre, HR 0,17; 95% CI 0,13-0,21; p <
0,001).14 Bei Stratifizierung hinsichtlich OP-Verfah-
ren bzw. Ausmaß des Gewichtsverlusts fanden
sich nach zwei bzw. zehn Jahren keine Unterschie-
de in den drei Gruppen mit unterschiedlichen
chirurgischen Techniken für die Abnahme von
Blutglukose und Insulinresistenz. Je größer die
Gewichtsabnahme, desto größer im Mittel die
metabolische Verbesserung, ohne Unterschiede
für die angewandte OP-Technik.15
Mögliche Risiken
Neben dem perioperativen Risiko, dass mit Kom-
plexität und Invasivität des Eingriffes von Magen-
band über Schlauchmagen über Magenbypass
bis zur BPD hin ansteigt, sind an dieser Stelle
einige weitere Aspekte anzumerken. Die Vermei-
dung und Erkennung chirurgischer und anderer
somatischer Komplikationen sind Gegenstand
der regelmäßigen Nachsorge. Die konsequente
Supplementierung ebenso wie die mögliche medi-
kamentöse Vorbeugung einer Gallensteinbildung
oder die Behandlung einer Hyperurikämie in der
Phase der drastischen Gewichtsabnahme sind Bei-
spiele, die mit den Patienten regelmäßig und aus-
führlich thematisiert werden müssen, um deren
Compliance zu optimieren. Einige Medikamente
werden vom Körper insbesondere nach einem
Magenbypass mit veränderter Dynamik oder in
geringerer Menge resorbiert, so dass hier ebenso
Dosisanpassungen und zusätzliche Kontrollen not-
wendig sein können, wie aufgrund des geringeren
Bedarfs von Antidiabetika und Antihypertensiva
bei zunehmender Gewichtsabnahme. Verstärkt
wurde in den letzten Jahren Problem und Häufig-
keit psychischer Komplikationen nach Adipositas-
chirurgie erkannt. So liegt die Suizidrate bei Perso-
nen nach bariatrischer Chirurgie signifikant höher
als in Vergleichskollektiven.16 Prädiktive Faktoren
sind psychische Störungen präoperativ, insbesonde-
re Depression. Auch selbstschädigendes Verhalten
und insbesondere Substanzgebrauchsstörungen
KVH aktuell 3|2017 V
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
sind nach Adipositaschirurgie signifikant häufiger
zu beobachten.17 Zumeist zeigt sich in den ent-
sprechenden Studien, dass erhöhter präoperativer
Alkoholkonsum hierfür ein prädiktiver Faktor ist.
Diese Beispiele zeigen, dass die postoperative
Nachsorge nicht auf die Erkennung chirurgischer
Komplikationen und die Erhebung von Laborpara-
metern in der spezialisierten Einrichtung limitiert
sein darf, sondern insbesondere der kontinuierli-
chen hausärztlichen Betreuung dieses Patienten-
klientels eine besondere Bedeutung zukommt.
Anmerkungen zur Nachsorge
Auf die Empfehlungen zu Nachsorge, Supplemen-
tierung und Ernährung nach bariatrischen Eingrif-
fen wird in den Übersichten von Dr. Raab und
Dr. Stier eingegangen. Grundsätzlich sollte ange-
merkt werden, dass die Empfehlungen hierzu
vornehmlich auf dem Evidenzlevel eines Experten-
konsenses beruhen und weniger auf harten Stu-
diendaten. Dennoch machen die an das jeweilige
chirurgische Verfahren angepassten Empfehlun-
gen zur Supplementierung unbedingt Sinn und
sollten schon präoperativ den Patienten ausführ-
lich erläutert werden. Bei ihrer Einhaltung können
Defizite an Vitaminen und Spurenelementen weit-
gehend verhindert werden. Problem ist die mit
zeitlichem Abstand von der OP oft nachlassende
Compliance vieler Patienten, wie eine aktuelle
Studie an Patienten nach Schlauchmagen-OP
zeigt18: Nahmen im ersten Jahr noch 95 Prozent
der Patienten ihre Supplementation verlässlich
ein, waren es nach zwei Jahren 81 Prozent und
nach fünf Jahren nur noch 53 Prozent. Bei 49 Pro-
zent der untersuchten Patienten ließ sich nach
zwei Jahren ein Mangel an zumindest einem
Mikronährstoff nachweisen, am häufigsten betraf
dies Defizite für Vitamin D. In diesem Fall ist aller-
dings die Bezeichnung „Vitamin“ eher irreführend,
da es sich um ein auch im Körper komplett synthe-
tisiertes Hormon handelt, dessen Spiegel vielfach
schon präoperativ erniedrigt ist. Generell gilt, dass
die jährliche Kontrolle verschiedener Laborpara-
meter auch im langfristigen postoperativen Ver-
lauf gerechtfertigt erscheint. Häufigere Kontrollen
sind insbesondere bei zuverlässiger Supplementie-
rung durch den Patienten nicht zwingend erfor-
derlich und produzieren vornehmlich repetitive
Normalbefunde, sofern nicht vorab wegweisende
Symptome oder Befunde vorliegen, wie ein auffäl-
liges rotes Blutbild. Die Bestimmung von teuren
Parametern ohne nachvollziehbare Indikation soll-
te unterbleiben. Hierzu zählen zum Beispiel die re-
gelmäßigen Messungen von HOMA-Index, Homo-
cystein, Parathormon bei gleichzeitigen Normal-
werten von Calcium und 25-OH-Vitamin D oder
auch von fT3 und fT4 bei normalem TSH.
VI KVH aktuell 3|2017
Generell gilt, dass die Datenlage für klinische
Folgen eines Vitamin- oder Nährstoffmangels
nach bariatrischer Chirurgie sehr lückenhaft ist
und vornehmlich auf Einzelfallberichten beruht.
So erscheint aufgrund eines vergleichsweise häu-
figen Vitamin-D-Mangels in Verbindung mit der
postoperativen Gewichtsabnahme eine erhöhte
Frakturrate nach Adipositaschirurgie gut denkbar.
Eine große Studie an mehr als 12.500 operierten
Adipösen im Vergleich zu über 160.000 gematch-
ten Kontrollpersonen konnte dieses erhöhte Frak-
turrisiko nur nach biliopankreatischer Diversion
nachweisen, während die Daten für Schlauchma-
gen und Magenbypass uneinheitlich waren.19
Pragmatische Konsequenz aus solchen Daten:
Eine DXA-Messung zur Bestimmung der Kno-
chendichte zwei Jahre nach Magenbypass oder
Schlauchmagen ist vermutlich die sinnvollere
Investition, als die regelmäßige Bestimmung von
Vitamin E, A, K, B1, B6 oder B12 unter verlässli-
cher Substitution bei symptomfreien Patienten.
Meine subjektive Sicht
Seit Jahren ist die kontinuierliche Zunahme bari-
atrischer Eingriffe in Deutschland Gegenstand
kontroverser Diskussionen. Es sollte an dieser Stel-
le jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass in unse-
rem Land pro Kopf der (adipösen) Bevölkerung
weitaus weniger dieser Eingriffe durchgeführt
werden, als in vergleichbaren Ländern. So wurden
unlängst pro 100.000 Erwachsene in Schweden
noch zirka 11-mal, in Frankreich zirka 8-mal und
in der Schweiz zirka 5-mal mehr bariatrische Ein-
griffe durchgeführt, als in Deutschland.6 Grund
hierfür ist vornehmlich die restriktive Haltung der
Kostenträger, aufgrund derer die Kostenübernah-
me für einen bariatrischen Eingriff jeweils erst
nach einer Einzelfallenscheidung möglich ist. Gro-
ße regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands
deuten darauf hin, dass die Auslegung der hierfür
geltenden Richtlinien unter den Krankenkassen
und ihren jeweiligen Medizinischen Diensten
höchst uneinheitlich ist. Diese Haltung ist bemer-
kenswert vor dem Hintergrund, dass allein für die
chirurgische Adipositastherapie belastbare Daten
für die Beeinflussung harter Endpunkte durch die
Gewichtsabnahme existieren. Vom überragenden
Effekt auf eine diabetische Stoffwechsellage be-
ziehungsweise die Prävention eines Diabetes ganz
zu schweigen.
Keine der ansonsten von den Kostenträgern
ganz oder teilweise finanziell unterstützten Maß-
nahmen zur konservativen Adipositastherapie kann
dieses für sich im Anspruch nehmen. Am wenigsten
die von einigen Krankenkassen selbst werbewirk-
sam angebotenen Programme zur Gewichtsreduk-
tion, die zumeist jeglicher seriösen Evaluierung
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
entbehren. Gerne wird das Argument strapaziert, immer wieder um Nennung eines konservativen Literatur:
der Maßstab an die Genehmigung einer operati- Gewichtsreduktionsprogramms gebeten, welches 1. http://www.adipositas-
ven Maßnahme zur Gewichtsreduktion sei des- bei einem BMI > 50 kg/m2 nachweislich zu einer gesellschaft.de/filead-
min/PDF/Leitlinien/S3_A
halb so hoch anzulegen, weil es sich um eine ver- nachhaltigen Gewichtsabnahme gemäß Leitlini- dipositas_Praevention_
stümmelnde Operation an einem sonst gesunden enempfehlung führt. Eine Antwort habe ich nie Therapie_2014.pdf
Organ handeln würde. Bei anderen Eingriffen sind erhalten, vornehmlich deshalb, weil sich in der ge- 2. Lancet Diabetes Endo-
crinol 2015; 3: 968-
die Kostenträger weitaus weniger kritisch: So wer- samten Fachliteratur kein Hinweis auf ein solches 979
den jährlich in Deutschland zirka 100.000 Opera- Programm findet. Neben einem BMI > 50 kg/m2 3. Am J Med 2011;124:
tionen an der Schilddrüse durchgeführt. Diese unabhängig von Komorbiditäten scheint insbeson- 747-755
4. JAMA 2016; 315:
werden nicht näher hinterfragt und den Kliniken dere für die Kombination Adipositas und Diabetes 2424-2434
anstandslos vergütet, obwohl zirka 90 Prozent eine chirurgische Maßnahme als Therapieoption 5. Lancet 2016; 388:
dieser Eingriffe bei harmlosen und zumeist vorab nicht nur in vielen Fällen medizinisch sinnvoll zu 776-786
6. www.awmf.org/uploa-
nicht adäquat abgeklärten Knoten komplett un- sein, sondern ist auch ökonomisch am ehesten ds/tx_szleitlinien/088-
nötig sind. Sie dienen vornehmlich dem Profit- zu rechtfertigen. Aus medizinischer Sicht ist der 001l_S3_Chirurgie_der
streben von Kliniken und Chirurgen und gehen in Nutzen möglichst früh nach Erstdiagnose des _Adipositas_ 2010-ab-
gelaufen.pdf
einem nicht vernachlässigbaren Prozentsatz mit Typ-2-Diabetes am größten. Denn zu Beginn der 7. Dtsch Ärztebl 2016;
Komplikationen einher. Eine Adipositas Grad III mit Erkrankung geht die chirurgische Therapie der 113: A980-982
oder ohne Diabetes stellt aber in der Mehrzahl der Adipositas – in diesem Fall auch als metabolische 8. Surg Obes Relat Dis.
2015; 11: 956-964
Fälle eine relevantere Beeinträchtigung der Ge- Chirurgie bezeichnet – mit den höchsten Remissi- 9. N Engl J Med 2017;
sundheit dar, als die in Deutschland mit Vorliebe onsraten für den Diabetes einher. 376: 641-651
operierte benigne Struma nodosa! Schreitet der Diabetes bis zur Insulinpflichtig- 10. Obes Surg. 2015;
25:143-158
Es gilt an dieser Stelle nicht, den bisweilen etwas keit fort, so ist die Chance auf eine längerfristige 11. N Engl J Med 357;
zu euphorischen Adipositaschirurgen das Wort zu Remission aufgrund der mittlerweile geringeren 741-752
reden, die eine BMI-Grenze für die mögliche OP- Insulineigenproduktion signifikant geringer. Jedoch 12. JAMA 2012; 307:
56-65
Indikation gerne immer weiter nach unten ver- bedeutet ein Typ-2-Diabetes im fortgeschrittenen 13. N Engl. J Med 2012;
schieben würden. Aber es ist an der Zeit, dass wir Stadium bei höhergradig Adipösen mit hohen Insu- 367: 695-704
zumindest für einige Patientengruppen die Erfor- lindosen, weiteren kostenträchtigen Antidiabetika 14. Diabetes Care 2016;
39: 941-948
dernis einer Einzelfallentscheidung durch Kosten- sowie den Aufwendungen für Blutzuckerteststrei- 15. Lancet Diabetes
träger bzw. MDK streichen und die Entscheidung fen nicht selten Tagestherapiekosten von deutlich Endocrinol 2017; 5:
über den Eingriff dorthin delegieren, wo sie hinge- über 10 € alleine für den Diabetes, ohne weitere 271-279
16. Obes Rev 2013;14:
hört: in eine interdisziplinäre Konsensfindung zwi- Komorbiditäten und Folgeerkrankungen zu berück- 369-382
schen Hausarzt, Ernährungsmediziner oder Diabe- sichtigen. Selbst eine temporäre Remission oder 17. Alcohol Clin Exp Res
tologe, Viszeralchirurg und gegebenenfalls Psy- Möglichkeit zur drastischen Einsparung an Medi- 2015; 39: 1582-
1601.
chologe oder Psychotherapeut, sowie dem Patien- kation nach Anlage eines Magenbypass oder 18. Obes Surg. 2017; 27:
ten. Dieses sollte beispielsweise für Patienten mit Schlauchmagens kann schon nach wenigen Jah- 1674-1682
einem BMI > 50 kg/m2 gelten, denen auch nach ren kosteneffektiv sein. Dieses zeigte nicht zuletzt 19. BMJ 2016; 354:
i3794
jahre- oder jahrzehntlangem Kampf gegen das die bereits erwähnte SOS-Studie: An deren Patien- 20. Lancet Diabetes
Übergewicht vom MDK gerne die nochmalige Teil- tenkollektiv wurde untersucht, ob der präopera- Endocrinol 2015; 3:
nahme an einem strukturierten Gewichtsredukti- tive Status des Glukosestoffwechsels eine Auswir- 855-865
onsprogramm auferlegt wird. In etlichen Korres- kung auf die langfristigen Kosten für Krankheiten
pondenzen mit Krankenkassen und MDK habe ich beziehungsweise die Gesunderhaltung hat.20
UNNÖTIGE OPERATIONEN: AUF EINEM AUGE BLIND?
100.000
Schilddrüsen-OPs pro Jahr
Diese werden im Gegensatz zu Adiopsitas-OPs niemals hinterfragt und anstandslos
vergütet, obwohl zirka 90 Prozent der Eingriffe bei harmlosen Knoten völlig unnötig sind.
KVH aktuell 3|2017 VII
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Hierfür wurden bei den Patienten im Studienkol-
lektiv mittels Fragebögen die Kosten für rezept-
pflichtige Medikamente erfragt beziehungsweise
mit den schwedischen Registerdaten für verordne-
te Medikamente abgeglichen. Daten zu Kranken-
hausaufnahmen und ambulante Arztbesuche
wurden aus dem nationalen schwedischen Patien-
tenregister extrahiert. Die Gruppe von 4.030 Indi-
viduen (2.836 mit präoperativ normalem Glukose-
stoffwechsel, 591 mit „Prädiabetes“ und 603 mit
Diabetes) wurde bis zu 15 Jahre postoperativ
nachverfolgt. Bei der Gruppe mit präoperativ nor-
malem Glukosestoffwechsel fand
sich kein Unterschied für Medikamen-
Diabetes Typ 2: Je früher tenkosten zwischen operierten und
konservativ behandelten Personen.
der bariatrische Eingriff Jedoch waren die Kosten bei den
stattfindet, desto höher chirurgisch behandelten Personen
sind die Remissionsraten. mit Prädiabetes beziehungsweise
Diabetes signifikant niedriger. Höhe-
re Krankenhauskosten fanden sich
bei allen Gruppen operierter Personen. Bei den
Kosten für ambulante Arztbesuche fanden sich
keine Unterschiede. Die Gesamtkosten für alle
Gesundheitsausgaben waren signifikant erhöht in
den Gruppen operierter Personen mit normalem
Glukosestoffwechsel und mit Prädiabetes, wäh-
rend bei den Personen mit präoperativ bereits vor-
handenem Diabetes die Kosten nicht signifikant
gegenüber den konservativ behandelten Personen
erhöht waren. Während des Zeitraums dieser
Erhebung waren etliche der neuen teuren Anti-
FAZIT
Es ist an der Zeit, dass wir Magenbypass und
Schlauchmagen als chirurgische Eingriffe anse-
hen, wie andere elektive Operationen auch.
Dies gilt umso mehr, wenn bereits jetzt Evidenz
dafür vorhanden ist, dass bei sorgfältiger
Patientenauswahl und Indikationsstellung sowie
hinreichender Expertise des Chirurgen der lang-
fristige Nutzen für den Patienten das Risiko
überwiegt. Aber nicht jeder höhergradig Adipöse
will operiert werden – und das ist auch gut so
und unbedingt zu respektieren. Denn der Ein-
griff geht mit erheblichen Veränderungen der
Lebensführung einher und erfordert ein hohes
Maß an Therapietreue, um den Erfolg zu sichern
VIII KVH aktuell 3|2017
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
diabetika, wie GLP-1-Rezeptoragonisten (Tages- Tabelle 1: Indikation zur Therapie von Adipositas (nach 1)
therapiekosten zirka vier bis sechs Euro) und
SGLT2-Hemmer (etwa zwei Euro), noch nicht zu- 쐍 BMI ≥ 30 kg/m2
gelassen beziehungsweise in nennenswertem 쐍 BMI von 25 - 29,9 kg/m2 plus
Umfang eingesetzt. Die Rechnung dürfte also
쐍 übergewichtsbedingte Gesundheitsstörungen
heute für die chirurgisch behandelten Patienten
eher günstiger ausfallen. Unter Kostenaspekten 쐍 Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden
wäre somit die Indikation für die operative Adipo- 쐍 abdominale Adipositas
sitastherapie bei Patienten mit bereits vorhande-
쐍 hoher psychosozialer Leidensdruck
nem Diabetes zu priorisieren. Die Einzelfallent-
scheidung durch Krankenkassen oder MDK sollte Kontraindikationen: Schwangerschaft, konsumierende Erkrankungen
für Patienten mit Diabetes und BMI ≥ 35 kg/m2 LoE 4 (Level of Evidence, Expertenkonsens)
obsolet sein, insbesondere wenn trotz Ausschöp-
fung aller konservativen Möglichkeiten das Errei-
chen der individuellen Therapieziele für den Dia-
betes nicht gelingt. Auch wenn die in Schweden
Tabelle 2: Indikation für chirurgische Eingriffe bei Adipositas (nach 1)
generierten Daten aus der SOS-Studie nicht 1:1 auf
die Kosten im deutschen Gesundheitssystem über- 쐍 Adipositas Grad III (BMI ≥ 40 kg/m2)
tragbar sind, ist die weiterhin sehr restriktive Hal-
쐍 Adipositas Grad II (BMI ≥ 35 und < 40 kg/m2) mit erheblichen Komorbiditäten
tung der Kostenträger gegenüber der bariatrischen
Chirurgie bei dieser Gruppe von Patienten auch in (wie Diabetes mellitus Typ 2)
finanzieller Hinsicht nicht mehr nachvollziehbar. 쐍 쐍 Adipositas Grad I (BMI ≥ 30 und < 35 kg/m2) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (Sonderfälle)
쐍 jeweils nur, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind.*
PROF. DR. MED. ANDREAS HAMANN,
*Eine chirurgische Therapie kann auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt
FACHARZT FÜR ENDOKRINOLOGIE UND
werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des
DIABETOLOGIE, BAD NAUHEIM
Patienten keinen Aufschub des operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt.
Dies ist unter folgenden Umständen gegeben:
쐍 Besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas
쐍 BMI > 50 kg/m2
쐍 Persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen
Tabelle 3: Wichtige Verfahren der bariatrischen Chirurgie (nach 8,9,10?)
Magenband Schlauchmagen Magenbypass Biliokreatische
Diversion
Verfahren restriktiv restriktiv restriktiv + malabsorptiv restriktiv + malabsorptiv
Mittlerer
Gewichtsverlust
ca. 30 – 50 % ca. 50 – 80 % ca. 58 – 94 % ca. 56 %
(EWL)
und Komplikationen zu vermeiden. Und nicht nach ≤ 2 Jahren
jeder kann operiert werden, nicht jeder profi-
tiert von der Operation und manchem schadet Mittlerer ca. 35 – 55 % ca. 50 % ca. 50 – 65 % ca. 50 – 74 %
sie sogar. Die sorgfältige Entscheidungsfindung Gewichtsverlust
(EWL) nach ≤ 2
für jeden in Frage kommenden Einzelfall bleibt bzw. ≥ 5 Jahren
auch weiterhin eine Herausforderung für einen
interdisziplinären Prozess, der stets auch Haus- Diabetesremission ca. 62 – 82 % ca. 53 – 86 % ca. 83 – 93 % bis 100 %
nach ≤ 2 Jahren
ärztin oder Hausarzt einbeziehen sollte. Es bleibt
zu hoffen, dass mit stetig besser werdender Diabetesremission ca. 25 % ca. 58 – 65 % ca. 72 – 85 % 99 %
(EWL) nach ≤ 2
Datenlage und insbesondere bei klarer Indika-
bzw. ≥ 5 Jahren
tion (siehe oben) die Kostenträger ihren dann
medizinisch nur noch schwer begründbaren Perioperative ca. 0,1 – 0,2 % ca. 0,5 % ca. 0,4 – 0,7 % ca. 1,1 %
Mortalität
Widerstand gegen die Adipositaschirurgie ein
wenig lockern. EWL = „Excess weight loss“ = prozentuale Abnahme des Übergewichts
KVH aktuell 3|2017 IX
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
NACHSORGE
Was ist nötig und wer
bezahlt es?
Die S3-Leitlinien „Chirurgie der Adipositas“ fordern, dass Patien-
ten nach adipositaschirurgischen Eingriffen eine regelmäßige
Nachsorge erhalten. Diese soll durch in der Adipositastherapie
erfahrene Ärzte und Ernährungsfachkräfte durchgeführt werden.
D ie Leitlinien der chirurgischen Arbeitsgemein-
schaft für Adipositaschirurgie (CA-ADIP)
betonen, dass die Nachsorge im ersten postopera-
tiven Jahr, dem Zeitraum des größten Gewichtsver-
lustes, engmaschig erfolgen sollte. Beschwerden
und Mangelerscheinungen können so rechtzeitig
erkannt werden. Die Einschätzung der Wahrschein-
lichkeit von Mangelerscheinungen bedarf der
Kenntnis der jeweiligen Operationsverfahren und
damit den Veränderungen des Resorptionsver-
haltens im Magendarmtrakt. Allen Verfahren
gemeinsam ist die quantitative Verkleinerung des
Magenvolumens, um postoperativ das primäre
Sättigungsgefühl in Form der Dehnung der
Magenwand zu adressieren. Dies vermindert die
aufnehmbare Nahrungsmenge. Gleichzeitig wird
die Nahrung nur noch marginal mit Intrinsic
factor, Säure und Pepsin vermischt und die mög-
liche Vitamin B12-Resorption bis auf ein Minimum
eingeschränkt. Die Reduktion der Säure- und
Pepsinmenge führt zudem zu einer reduzierten
Vorverdauung von Protein, insbesondere aus
rotem Fleisch, und zur verminderten Reduktion
des Nahrungseisens.
Problem Eisenresorption
Bei Bypassverfahren kommt zu dem reduzierten
Magenvolumen die Ausschaltung des Duode-
nums und variabler Längen des oberen Jejunums
aus der Nahrungspassage (Biliopankreatischer
Schenkel) hinzu. In diesen Darmabschnitten, ins-
besondere im Duodenum sind spezifische und
unspezifische Metalltransporter lokalisiert. Dabei
reduziert die Ferri-Reduktase zunächst im Bürsten-
saum das dreiwertige Nahrungseisen. Ein aktiver
Transport von Eisen, aber auch der meisten
anderen zweiwertigen Metalle in das Zellinnere,
erfolgt dann über den unspezifischen Divalent
Metall Transporter 1 (DMT1). Ein weiterer, spezifi-
X KVH aktuell 3|2017
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Labor Wann
Postoperative Labor-
untersuchungen
HbA1c bei Patienten mit Diabetes (modifiziert nach
HOMA-Index halbjährlich ASMBS-Richtlinien2
und OP-Verfahren )
Lipid Profil bei Patienten mit Dyslipidämie halbjährlich
Serumwerte Blutbild
Ferritin, Transferrin-Sättigung
halbjährlich
jährlich, bei menstruierenden Frauen halbjährlich
Homocystein jährlich
25-OH-Vitamin D3
Parathormon
im 1. Jahr nach 6 und 12 Monaten, dann
jährlich
Alkalische Phosphatase
Vitamin B12 jährlich
Im Graubereich Holo-Transcobalamin
Zink, Kupfer (Bypass Patienten) jährlich
Vitamin E bei therapieresistenter Anämie
scher Resorptionsweg läuft über das HÄM-Carrier
Protein 1 (HCP1), der zweiwertiges, in Hämo- oder
Myoglobin gebundenes Eisen in das Zellinnere
Vitamin K
Vitamin A
Selen
beim Omega-Loop und vermehrten blauen Flecken
bei Nachtblindheit
bei Müdigkeit
transportiert. Damit sind praktisch alle zweiwerti- Vitamin B 6 bei Müdigkeit und unklarer Anämie
gen Metalle von der Ausschaltung des Duode- Literatur:
nums und des oberen Jejunums betroffen und Vitamin B1 bei rezidivierendem Erbrechen 1. Stein J, Raab H, Stier C,
werden nur noch sehr begrenzt aufgenommen. et al. Review article: the
T3, T4, TSH jährlich
nutrional consequences
Dies betrifft gerade Frauen im gebärfähigen Alter. of obesity surgery. Ali-
ment Pharmacol Ther
Problem Vitaminresorption postoperativ obligat zu erfolgen haben. Die meis- Kostenaufwand. Die Abgabe der Nachsorge an 2014; 40: 582-609.
2. Mechanick JI, Youdim
Berücksichtig werden muss zudem, dass in den ten Zentren führen diese in Anlehnung an die Emp- niedergelassene Kollegen, analog einer Tumor- A, Jones DB, et al.
ausgeschalteten Dünndarmschabschnitten sezer- fehlungen der amerikanischen Leitlinien (American nachsorge, ist kaum möglich, da nicht adäquat Clinical practice guide-
nierte Gallensalze bereits passiv wieder rückresor- Society for Metabolic and Bariatric Surgery, abrechenbar. Viele Hausärzte sehen sich daher lines for the perioperati-
ve nutritional, metabo-
biert werden. Die Resorption fettlöslicher Vitami- ASMBS)3,4 durch. Jeder Patient sollte sich im ersten verständlicherweise nicht in der Lage, die kosten- lic, and nonsurgical
ne ist gallenabhängig. Daher bestimmt die Länge Jahr nach 1, 3, 6 und 12 Monaten zu Follow-Up- aufwendigen Vitamin -und Mineralstoffbestim- support of the bariatric
des aus der Nahrungspassage ausgeschalteten Je- Untersuchungen vorstellten und danach lebenslang mungen zu leisten und damit auf die Rückzahlung surgery patient--2013
update: cosponsored
junums auch die Resorptionsfähigkeit der fettlösli- mindestens einmal pro Jahr. Hierbei erfolgt die des Wirtschaftlichkeitsbonus der Laborleistungen by American Associati-
chen Vitamine E, D, K und A. Je länger der ausge- Erhebung biometrischer Parameter, eine Ernäh- zu verzichten. Grundsätzlich gilt zudem, dass alle on of Clinical Endocri-
schaltete biliopankreatische Schenkel einer By- rungsberatung, eine Ultraschalluntersuchung des Nachsorgeergebnisse in die bestehenden Quali- nologists, The Obesity
Society, and American
passoperation ist, desto schneller (häufig schon Oberbauches und das Abfragen gesundheitlicher tätssicherungsregister eingebracht werden sollen. Society for Metabolic
nach drei Monaten postoperativ nachweisbar) und ernährungsbedingter Probleme. Die Ultraschall- Die Finanzierung der obligat geforderten, lebens- & Bariatric Surgery.
kommt es zum Mangel an fettlöslichen Vitami- untersuchung dient als Screening auf Gallenstein- langen Nachsorge ist damit ein ungelöstes Pro- Obesity 2013; 21 Suppl
1: 1-27.
nen. Dies betrifft vor allem Vitamin D und K. Ein bildung. Diese ist aufgrund der Gewichtsabnahme blem, das zurzeit noch in den meisten Fällen durch 3. Chirurgische Arbeits-
Mangel an Vitamin A macht sich klinisch an der um 20 Prozent häufiger zu sehen als bei einer die jeweils operierenden Krankenhausabteilungen gemeinschaft für
Entwicklung einer Nachtblindheit bemerkbar. Vergleichspopulation. Bei Bypassverfahren ohne abgedeckt wird. 쐍 Adipositastherapie in
Zusammenarbeit mit
Dieses Symptom muss in der Nachsorge von direkte endoskopische Zugangsmöglichkeit zur DR. MED. CHRISTINE STIER, Deutsche Adipositas-
Bypassverfahren immer mit abgefragt werden. Die Papille stellt eine Cholezystolithiasis eine absolute SANA KLINIKUM OFFENBACH, KLINIK FÜR gesellschaft, Deutsche
lebenslange Supplementation unterscheidet sich Operationsindikation dar, auch ohne entsprechen- METABOLISCHE UND ADIPOSITASCHIRURGIE Gesellschaft für psycho-
somatische Medizin
daher auch nach den jeweiligen adipositaschirur- de Symptomatik. und Psychotherapie,
gischen Verfahren.1 Zum Ausschluss nutritiver Mangelerscheinun- Deutsche Gesellschaft
gen sind gegebenenfalls Laboruntersuchungen für Ernährungsmedizin.
S3-Leitlinie: Chirurgie
Nachuntersuchung und Kosten notwendig. Damit steigt die Zahl der Nachunter- der Adipositas. Juni
Adipositas ist in Deutschland bisher nicht als Erkran- suchungen bereits im ersten postoperativen Jahr 2010.
kung anerkannt. Daher existieren keine validen auf das Vierfache an Untersuchungsterminen an, 4. Parott J, Frank L, Rabe-
na R, et al. ASMBS Inte-
Abrechnungsziffern für die Nachsorge, weder im verglichen mit den zugrundeliegenden Operations- grated Health National
Rahmen ärztlicher Leistungen oder Laborleistungen zahlen. Hinzu kommen die jährlichen Untersu- Guidelines for the Surgi-
noch bei der postoperativen Ernährungsberatung. chungstermine von Patienten, deren Operation cal Weight Loss Patient
2016 Update: Micronu-
Zudem gibt es keine definitiven Empfehlungen bereits länger als ein Jahr zurückliegt. Daraus resul- trients. Surg Obes Relat
oder Leitlinien, wann welche Untersuchungen tiert ein enormer Zeit-, Arbeits- und ungedeckter Dis 2017; 13(5): 727-41
KVH aktuell 3|2017 XI
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
ERNÄHRUNGSTHERAPIE
Worauf kommt es an?
Wie Vorbereitung und Nachsorge über den Erfolg
adipositaschirurgischer Eingriffe entscheiden.
G undlage einer erfolgreichen Gewichtsab-
nahme und besonders der langfristigen
Gewichtsstabilisierung ist auch bei der Operation
eine dauerhafte Änderung der Lebensgewohn-
heiten. Deshalb sollten die neuen Gewohnheiten
schon vor der Operation mit den Patienten geübt
werden. Um das „Hilfsmittel Adipositas-OP“ gut
nutzen zu können, bedarf es einer sorgfältigen Vor-
bereitung und vor allem der langfristigen Nachsorge
mit einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Er-
nährungstherapeuten, Psychologen und Sportthe-
rapeuten. Je besser die neuen Gewohnheiten vor
der OP geübt werden, umso besser gelingt die
Umsetzung auch nach der OP.
Die wichtigsten Ernährungsempfehlungen in Kürze:
쐍 3-4 Mahlzeiten pro Tag
쐍 Mit Ruhe und langsam essen, gut kauen
쐍 Auf Hunger- und Sättigungsgefühl achten
쐍 Auf eine ausreichende Zufuhr von Protein
achten
쐍 Essen und Trinken trennen (30 Minuten vor
dem Essen mit Trinken aufhören, 30 Minuten
danach wieder beginnen)
쐍 Schluckweise trinken
쐍 Keine kohlensäure- und/oder zuckerhaltigen
Getränke
쐍 regelmäßige Bewegung (im Rahmen der
Möglichkeiten)
쐍 Supplemente, also Vitamine und Mineralstoffe,
regelmäßig einnehmen
Die allgemeinen Ernährungsempfehlungen für die
Zeit nach der OP, wie beispielsweise Essen und Trin-
ken zu trennen oder auf ausreichend Protein zu
achten, sind bundesweit überwiegend gleich. Es
Abbildung 1:
gibt jedoch bezüglich der Vorbereitung auf die
Kostaufbau
Phase 1 Phase 2
(4 Wochen lang (Umstellungsphase
ab Tag der OP) für 2–3 Tage)
aus: Gut essen rund um die Adipositachirurgie (ISBN 9783432100487) © 2016 Trias Verlag
XII KVH aktuell 3|2017
Operation und den Kostaufbau nach der OP
unterschiedliche Empfehlungen. In vielen Adiposi-
taszentren wird zur Vorbereitung auf die Operati-
on eine 14-tägige Flüssigphase empfohlen, die
aus drei Mahlzeiten (zum Beispiel selbstgemach-
tes Milchmixgetränk, pürierte Gemüsesuppe oder
Proteindrink) pro Tag besteht. In dieser Flüssigpha-
se nehmen die Patienten oft schon an Gewicht ab.
Der Hauptgrund für die Durchführung ist aber
eine Verkleinerung der Fettleber, die bei den
meisten Betroffenen vorhanden ist.
Essen nach der OP
Hinsichtlich des Kostaufbaus nach der Operation
gibt es ebenfalls keinen bundesweiten Standard.
Auch hier sind die Empfehlungen der Adipositas-
zentren unterschiedlich. Angepasst an die Emp-
fehlungen der ASMBS (American Society for Me-
tabolic and Bariatric Surgery, 2008 und 2013) wird
folgender Kostaufbau vorgestellt (s. Abbildung 1):
Phase 1
Diese Phase, die sogenannte Flüssigphase, beginnt
unmittelbar nach der Operation und sollte für
4 Wochen durchgeführt werden. Bereits im Kran-
kenhaus erfolgt ein stufenweiser Kostaufbau, der
dem Patienten bis zur Entlassung das Essen flüssig-
weicher Speisen (wie pürierte Gemüsesuppe) er-
möglicht. Der Begriff Flüssigphase ist eventuell
etwas irreführend, da es ja eigentlich um püriertes
Essen geht, das nicht dicker als Joghurt sein sollte.
Phase 2
Diese Phase dauert nur 2-3 Tage und besteht aus
festerem Essen, wie beispielsweise Fisch mit einer
kleinen Kartoffel und gedämpftem Gemüse. Es
kann also endlich wieder gekaut werden!
Phase 3
(langfristige
Ernährung)
Phase 3
Hier können nun alle Lebensmittel – je nach Ver-
träglichkeit – gegessen werden. Zu Beginn ist es
hilfreich, wenn der Patient ein Ernährungstagebuch
schreibt, um eventuelle Unverträglichkeiten für sich
herauszufinden.
Lebenslange Empfehlungen
Alle Ernährungsempfehlungen sollten auch in der
postoperativen Nachsorge immer wieder bespro-
chen werden. Für den Betroffenen stellen folgen-
de neuen Gewohnheiten oft eine lebenslange
Übung dar:
쐍 Mahlzeiten:
Da nur noch kleine Portionen gegessen werden
können, sollten vier Mahlzeiten pro Tag verzehrt
werden. So wird vor allem eine ausreichende
Zufuhr von Protein erreicht.
쐍 Portionsgrößen:
Direkt nach der OP beträgt die Portionsgröße
etwa 150 ml. Ist der Patient bereits nach der
Hälfte satt, sollte mit dem Essen aufgehört wer-
den. Später werden die Portionen größer und
können ansprechend auf einem Kuchenteller
angerichtet werden.
쐍 Langsam essen und gut kauen:
Nach der OP sollte das Essen mit Ruhe und lang-
sam gegessen werden. Gutes Kauen gehört eben-
falls dazu. Und der Genuss des Essens sollte auch
nicht zu kurz kommen.
쐍 Hunger- und Sättigungsgefühl:
Nach der OP fällt es vielen Patienten schwer, das
Sättigungsgefühl einzuschätzen. Teilweise werden
nur ein paar Teelöffel Quarkspeise gegessen, da-
mit der kleine Magen nicht zu sehr gefüllt wird.
Das Sättigungsgefühl stellt sich aber mit der Zeit
ein.
쐍 Proteinzufuhr:
Vor der Operation ist die ausreichende Zufuhr von
Protein kein Problem. Nach der Operation ändert
sich dies. Patienten mit Schlauchmagen, Magen-
bypass und Omega-Loop-Bypass sollten pro Tag
etwa 60-80 g Protein aufnehmen. Patienten mit
BPD beziehungsweise BPD/DS benötigen auf-
grund der ausgeprägten Malabsorption sogar
80-100 g Protein pro Tag. Eine adäquate Protein-
versorgung ist absolut notwendig, unmittelbar
nach der Operation aber aufgrund der kleinen
Portionen und eventueller Unverträglichkeiten nur
schwer zu erreichen. Hier sind Proteinpulver eine
gute Unterstützung. So lassen sich beispielsweise
Quarkspeisen oder Joghurt mit Proteinpulver ergän-
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
zen oder es kann eine Mahlzeit durch einen Protein-
drink ersetzt werden. Das Proteinpulver sollte im
Schnitt 80 g Protein auf 100 g enthalten. Es sollte
jedoch nur ein Hilfsmittel in der Anfangsphase sein
und keinesfalls eine Dauerlösung darstellen. Ziel ist
es, im weiteren Verlauf mit natürlichen, protein-
haltigen Lebensmitteln eine ausreichende Protein-
zufuhr sicherzustellen. Proteinreiche Lebensmittel
sind: Milch und Milchprodukte, Fleisch, Geflügel,
Fisch und Meeresfrüchte, Ei und Hülsenfrüchte.
쐍 Getränke:
Essen und Trinken sollten zeitlich voneinander
getrennt werden. Es gilt 30 Minuten vor dem Essen
mit dem Trinken aufzuhören und 30 Minuten
danach wieder zu beginnen. Empfohlen wird zu
Beginn eine Trinkmenge von zirka 150-300 ml pro
Stunde, in kleinen Schlucken getrunken. Kohlen-
säure- und/oder zuckerhaltige Getränke sind
ungeeignet.
쐍 Bewegung:
Es ist bewusst von Bewegung und nicht von
Sport die Rede. Patienten sollten versuchen ihre
Alltagsaktivität zu erhöhen und sich täglich etwa
30 Minuten so zu bewegen, dass sie ins Schwit-
zen geraten.
쐍 Supplemente:
Vitamine und Mineralstoffe müssen ein Leben
lang zur Vermeidung von Mangelerscheinungen
eingenommen werden.
Mangel vorbeugen
Bereits vor der Operation sind bei vielen Patienten
Mangelerscheinungen an bestimmten Nährstoffen
festzustellen. Besonders häufig ist eine schlechte
Versorgung mit Vitamin D, Eisen, Vitamin B12,
Thiamin, Folsäure, Vitamin A und Magnesium.
Mangelerscheinungen vor der OP sollten im Vor-
feld therapiert werden. Nach der Operation ist das
Risiko von Mangelerscheinungen aufgrund ver-
schiedener Ursachen erhöht. Zum einen werden
infolge der kleineren Portionsgrößen weniger
Nährstoffe aufgenommen oder es treten Unver-
träglichkeiten von Lebensmitteln auf. Zum ande-
ren wird durch die anatomischen und physiologi-
schen Veränderungen die Aufnahme bestimmter
Nährstoffe beeinträchtigt. Um Mangelerscheinun-
gen vorzubeugen, müssen Patienten lebenslang
Vitamine und Mineralstoffe einnehmen. Je nach
Operationsverfahren gibt es Unterschiede hinsicht-
lich der Supplementierung. (siehe Tabelle Supple-
mentation). Es gilt: Nach jeder Operation sollte der
Patient täglich ein Multivitaminpräparat sowie
Calcium einnehmen. Die regelmäßige Einnahme
von Vitamin D ist ebenfalls notwendig. Vitamin
KVH aktuell 3|2017 XIII
SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE

SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
Supplementation nach Adipositas-OP (modifiziert nach ASMBS 2008, 2013 und 2017, Biesemeier und Garland 2009, Stein et al. 2014)
sehr ballaststoffarme Mahlzeiten. Dies normalisiert rekt nach dem Essen auf. Hier kommt es aufgrund Literatur:
Nährstoff Schlauchmagen Magenbypass Omega-Loop-Bypass BPD/BPD-DS Bemerkungen sich meist, sobald mehr getrunken und wieder der rapiden Passage der unverdauten Nahrung in 1. Allis L, Blankenship J,
abwechslungsreicher gegessen werden kann. den Dünndarm zu einem massiven Einstrom von Buffington C et al.:
Vitamine Als Multivitamin Als Multivitamin Als Multivitamin Als Multivitamin Kein Depot- oder ASMBS Allied Health
Flüssigkeit in den Dünndarm mit nachfolgenden Guidelines for the Sur-
(B-Vitamine, 200 % der täglich 200 % der täglich 200 % der täglich 200 % der täglich Langzeiteffekt 쐍 Lactoseintoleranz Symptomen wie Müdigkeit, Schwächegefühl, gical Weight Loss Pa-
Vitamin C empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr tient. American Society
Etwa zehn Prozent der Patienten entwickeln nach Kreislaufprobleme, Übelkeit, Blähungen, Diarrhö
mit Eisen, for Metabolic and Ba-
einer Magenbypass-OP eine Lactoseintoleranz. oder Oberbauchschmerzen. Das Spätdumping riatric Surgery. Surg
Folsäure,
Beim Schlauchmagen ist dies deutlich seltener. tritt etwa ein bis drei Stunden nach dem Essen auf Obesy Relat Dis 4
Selen und (2008) S73-S108
Hintergrund ist die deutliche schnellere Passage- und ist durch Anzeichen einer Unterzuckerung
Zink 2. Biesemeier CK, Gar-
zeit bei Magenbypass oder auch BPD aufgrund wie Schwitzen, Herzrasen, Schwindelgefühl, Zit- land J.: ADA Pocket
Calcium 1.000 mg/Tag 1.000 mg/Tag 1.000 mg/Tag 1.800-2.400 mg/Tag Als Calciumcitrat der Ausschaltung des Pylorus, weshalb größere tern, Heißhunger oder Konzentrationsschwierig- Guide to bariatric sur-
Mengen an Lactose schneller in den Darm gelan- keiten charakterisiert. Ursache hierfür ist ein hö- gery. American Dietetic
(zusätzlich) 500 mg 2x/Tag, nicht
Association (2009)
zusammen mit Eisen gen und dort übliche Symptomen wie Blähungen, herer Anteil an schnell resorbierbaren Kohlenhy- 3. Mechanik JI, Youdim A,
einnehmen Oberbauchschmerzen und Durchfälle verursa- draten. Diese gelangen rasch in den Dünndarm, Jones DB et al.:
chen. Vielfach reicht es, Milch gegen lactosefreie werden zügig resorbiert und können aufgrund der AACE/TOS/ASMBS Gui-
delines, Clinical Practice
Vitamin D3 Bis zu 3.000 IE/Tag Bis zu 3.000 IE/Tag Bis zu 20.000 IE Bis zu 20.000 IE Milch zu tauschen. Joghurt wird zumeist besser vermehrten Insulinsekretion zu einer Hypoglykä- Guidelines for the Perio-
(zusätzlich) 2x/Woche 2-3x/Woche vertragen. mie führen. Durch Umstellung der Essgewohnhei- perative Support of the
ten lässt sich in vielen Fällen das Auftreten eines Bariatric Surgery - 2013
Vitamin B12 1.000 µg/Monat i.m. 1.000 µg/Monat i.m. 1.000 µg/Monat i.m. 1.000 µg/Monat i.m. 1 Injektion pro Monat Update, Obesity 21 Vol
쐍 Proteinmangel Dumping-Syndroms vermeiden. S1 (2013) S1-S27
(zusätzlich) oder 350-500 µg/Tag oder 350-500 µg/Tag oder 350-500 µg/Tag oder 350-500 µg/Tag durch den Hausarzt
Die Proteinzufuhr und -aufnahme aus dem Darm 4. Parott J, Frank L, Rabe-
sublingual sublingual sublingual sublingual
ist nach adipositaschirurgischen Eingriffen beein- 쐍 Gewichtsstillstand na R et al.: ASMBS Inte-
grated Health National
Eisen Mind. 18 mg/Tag Mind. 18 mg/Tag Mind. 18 mg/Tag Mind. 18 mg/Tag Prämenopausale trächtigt. Es ist daher wichtig, mit dem Patienten Im Rahmen der Gewichtsabnahme kann es zu Guidelines for the Surgi-
(zusätzlich) Frauen und die Proteinzufuhr zu besprechen. Dies ist insbe- einem Gewichtsstillstand kommen. Viele Patienten cal Weight Loss Patient
sondere von Bedeutung, wenn Patienten gewisse sind in dieser Situation verunsichert, da ein Ge- 2016 update: Micronu-
Menschen mit trients, Surg Obes Relat
Anämierisiko Aversionen (wie gegen Fisch) entwickeln oder be- wichtsstillstand bereits wenige Wochen nach der Dis 2017
(insg. mindestens stimmte Lebensmittel (wie Fleisch oder Geflügel) OP auftreten kann. Dies ist jedoch nicht als Misser- 5. Raab H.: Gut essen
nicht mehr vertragen. folg zu werten. Der adipositaschirurgische Eingriff rund um die Adiposi-
45-60 mg Eisen tas-OP. Trias Verlag,
pro Tag) ist dennoch keine Garantie für die erfolgreiche Stuttgart 1. Auflage
쐍 Haarausfall Gewichtsabnahme und -stabilisierung. Auch eine (2016)
Vitamin A, E Als Multivitamin Als Multivitamin Als Multivitamin Als Multivitamin Stärkerer Haarausfall ist etwa 3-6 Monate nach Gewichtswiederzunahme ist nicht ungewöhnlich. 6. Stein J, Stier C, Raab H
et al.: Review article:
und K 100 % der täglich 200 % der täglich 200 % der täglich 200 % der täglich der Operation zu beobachten. Durch die massive Es wird geschätzt, dass etwa 20 Prozent des abge- the nutritional and
empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr empfohlenen Zufuhr Gewichtsabnahme wird das normale Wachstum nommenen Gewichts in einem Zeitraum von zehn pharmacological con-
des Haares unterbrochen. Dies normalisiert sich Jahren wieder zugenommen wird. Eine wichtige sequences of obesity
Folsäure 400 µg/Tag 400 µg/Tag 400 µg/Tag 400 µg/Tag Frauen, die schwanger surgery. Aliment Phar-
spätestens 6-12 Monate nach dem Eingriff. Viele Ursache hierfür kann eine unzureichende Verände- macol Ther 40 (2014)
werden wollen oder
Patienten greifen in dieser Situation zu zusätzli- rung der Lebensgewohnheiten sein. Dies zeigt die 582-609
können, sollten
chen Supplementen wie Biotin, Zink und Selen. Bedeutung der kontinuierlichen Nachsorge durch
zusätzlich 400 µg
Diese Nährstoffe können unterstützend wirken, ein interdisziplinäres Team.
Folsäure einnehmen
allerdings sollte unbedingt auf eine ausreichende
Proteinzufuhr geachtet werden. Fazit
Die Adipositaschirurgie ist ein effektives Mittel in
B12 kann durch eine monatliche Injektion oder oder auch Übelkeit auftreten. Weitere Beschwer- 쐍 Mangelerscheinungen der Therapie der Adipositas. Bereits im Vorfeld
täglich sublingual zugeführt werden. Eisen ist ins- den, die sich im Laufe der Zeit entwickeln können In der ernährungstherapeutischen Nachsorge soll- sollten die Patienten ausführlich darüber infor-
besondere bei adipositaschirurgischen Verfahren sind: te bei jedem Termin besprochen werden, welche miert werden, welche Veränderungen hinsichtlich
mit Duodenalexklusion problematisch, da es nicht Supplemente in welcher Menge und zu welchem der Essgewohnheiten auf sie zukommen werden.
mehr in ausreichender Menge resorbiert werden 쐍 Erbrechen Zeitpunkt einzunehmen sind. So lassen sich mög- Ein gutes Training der neuen Gewohnheiten vor
kann. Entwickeln diese Patienten einen Eisenman- Teilweise müssen Betroffene nach dem Essen er- liche Mangelerscheinungen bereits im Vorfeld der OP ist für die Veränderungen nach der OP
gel, so muss dieser mit einer Eiseninfusion thera- brechen. Die Ursache ist häufig, dass zu schnell vermeiden. außerordentlich wichtig. Neben der dauerhaften
piert werden. Wichtig sind regelmäßige Labor- oder zu viel gegessen wird, Essen und Trinken Veränderung der Ess- und Bewegungsgewohnhei-
kontrollen mit denen mögliche Mangelerschei- nicht getrennt oder bestimmte Lebensmittel nicht 쐍 Dumping-Syndrom ten ist auch die postoperative Nachsorge wichtig,
nungen rechtzeitig entdeckt werden. vertragen werden (wie Fleisch, Geflügel oder Beim Dumping-Syndrom handelt es sich um eine um das „Hilfsmittel Adipositas-OP“ wirksam nut-
Nudeln). Müssen Patienten öfter erbrechen, sollte Sturzentleerung flüssiger und/oder fester Nah- zen zu können. 쐍
Mögliche postoperative Beschwerden dies unverzüglich im Adipositaszentrum abgeklärt rung vom Magenpouch in den Dünndarm mit DR. OEC. TROPH. HEIKE RAAB,
Trotz optimaler Vorbereitung auf die Operation und Thiamin kontrolliert werden. nachfolgenden Hypoglykämien und Kreislaufreak- ERNÄHRUNGSBERATUNG,
kann es danach zum Auftreten verschiedener Pro- tionen. Verantwortlich hierfür scheint der Verlust SANA KLINIKUM OFFENBACH
bleme kommen. In den ersten Tagen nach dem 쐍 Obstipation der Verteilungsfunktion durch den Pylorus zu sein.
Eingriff können durchaus ein leichtes Druckgefühl Ist meist direkt nach der OP ein Problem. Ursachen Das Dumping-Syndrom wird in Frühdumping und
nach dem Essen und Trinken, ein leichtes Ziehen sind oft geringere Trinkmengen und kleine, meist Spätdumping unterteilt: Das Frühdumping tritt di-

XIV KVH aktuell 3|2017 KVH aktuell 3|2017 XV

SPECIAL ADIPOSITASCHIRURGIE
KOMMENTAR
Operation – und dann?
D ie Adipositaschirurgie ist über die Genehmi-
gungspraxis der Krankenkassen in der Regel-
versorgung angekommen. Jedoch sind gesicherte
Erkenntnisse zur Langzeitbetreuung der operierten
Patienten noch die Ausnahme. Der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA) tut sich beim Nutzennach-
weis neuer Behandlungsmethoden im stationären
Sektor eben deutlich schwerer als in der ambulanten
Versorgung (stationärer Verbotsvorbehalt versus
ambulanter Erlaubnisvorbehalt gem. § 137c SGB V).
Gleichzeitig führen bundesweit bereits 51 chirur-
gische Fachabteilungen die Zentrums-Zertifizierung
„Adipositas- und metabolische Chirurgie“ der Fach-
gesellschaft der Allgemein- und Viszeralchirurgen
(DAGV). Der ergänzende Weiterbildungszweig im
Gebiet Chirurgie existiert noch nicht. Damit wachsen
die chirurgischen Behandlungskapazitäten schneller
als die Zahl der Forschungszentren. Von den soge-
nannten Exzellenz- und Referenzzentren gibt es
aktuell erst 16.1 Entsprechend uneinheitlich lesen
sich die Empfehlungen zur Weiterbetreuung Ope-
rierter. Die Leitlinie „Chirurgie der Adipositas“ der
DAGV ist noch in Überarbeitung.2
Die Grundversorgung der Patienten wird nach
Abschluss der perioperativen Zentrumsbehandlung
Quellen: ambulant am Wohnort geleistet werden. Insbeson-
1. www.dgav.de/ dere der Hausarzt ist mit zusätzlichen Betreuungs-
zertifizierung/
zertifizierte-zentren/ und Verordnungsleistungen bei Medikamenten,
adipositas-und- Labor und der psychosozialen Wiedereingliederung
metabolische- konfrontiert. Jedoch wird für deren medizinische und
chirurgie.html
2. S 3-Leitlinie Chirurgie wirtschaftliche Rechtfertigung bis auf weiteres der
der Adipositas (DAGV). wissenschaftliche Nachweis fehlen. Beispielsweise
NACHSORGE UND WIRTSCHAFTLICHKEIT
Derzeit orientieren sich die zahlreichen Empfeh-
lungen für Laboruntersuchungen in der bariatri-
schen Nachsorge mehr am Sicherheitsbedürfnis
der Spezialambulanzen als am Wirtschaftlich-
keitsgebot der GKV. Zudem besteht bei den
Laborkontrollen eine Diskrepanz zwischen der
Indikation nach Leitlinienempfehlungen und
dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Routinemäßig
engmaschige Kontrollen sind in der Regel
nur dann sinnhaft, wenn trotz regelmäßiger
Substitution Mangelerscheinungen auftreten.
Hier schließen wir uns der Meinung von
XVI KVH aktuell 3|2017
für die Praxis, dem operierten Patienten alle wesent-
lichen Vitamine hochdosiert zu supplementieren und
gleichzeitig die entsprechenden Plasmakonzentratio-
nen engmaschig zu kontrollieren. Handlungsbedarf
besteht insbesondere bei Gesprächs- und Laborleis-
tungen sowie bei den Arzneiverordnungen.
Der besondere Beratungsbedarf bariatrisch ope-
rierter Patienten wäre nach Aufnahme geeigneter
ICD-Codes (wie ICD E66.1 und E66.2 unter § 26
Abs.1) in die G-BA-Psychotherapie-Richtlinie mittels
Berechnung der Psychosomatik-Ziffern des EBM
gesprächsbudgetunabhängig vergütbar. Der Mehr-
bedarf für notwendige Laboruntersuchungen
könnte durch Schaffung einer zusätzlichen Labor-
Kennummer im EBM Kapitel 32 abgebildet werden.
Notwendige Zusatz- und Mehrverordnungen wären
als Arzneikosten-Praxisbesonderheit durch Schaf-
fung einer zusätzlichen regionalen Ziffer (98500-er
Kennziffernkreis) abbildbar.
Ein weiteres Problem trifft die Patienten. Diese
haben derzeit nur Anspruch auf Kostenerstattung
für Vitamine bei manifester Mangelsituation. Eine
Mangelerkrankung nach bariatrischer Operation ab-
zuwarten, ist ethisch nicht vertretbar. Die entspre-
chende Konkretisierung der Arzneimittel-Richtlinien
wäre hier wünschenswert. Durch Kassenleistungen
entstandene medizinische Komplikationen fallen in
der Regel in die Leistungspflicht der Kassen. Eine
enge Indikationsbindung an die Adipositaschirurgie
würde das Missbrauchspotential der genannten
Anpassungen gering halten. Es besteht Handlungs-
bedarf. 쐍
DR. MED. STEFAN GRENZ
Prof. Hamann an: regelmäßige Messungen von
HOMA-Index, Homocystein und Parathormon
bei gleichzeitig normalen Calciumwert und
25-OH-Vitamin D-Spiegel bringen keinen
relevanten Informationsgewinn. Dies gilt ent-
sprechend für Bestimmungen von fT3 und fT4
bei normalem TSH. Dagegen erforderlich ist
die Messung von Gesamtprotein und Folsäure.
Das Gleiche gilt für Höchtdosis-Schemata bei
der Vitaminsubstitution.
DR. MED. JOACHIM FESSLER
HELICOBACTER PYLORI
Eradikation mit
Nebenwirkungen
Trotz ihrer Empfehlungen durch Fachgesellschaften: die
Vierfach-Kombination Pylera hat viele Nachteile.
D ie bismuthaltige Antibiotikakombination
Pylera (Firma Allergan) wird als „Firstline-
Therapie“ zur Eradikation von Helicobacter pylori
(H.p.) bei Erwachsenen beworben. Die zehntä-
gige sogenannte Quadrupel-Therapie besteht
aus täglich 12 plus zwei Kapseln – je drei Kapseln
zu vier Tageszeiten, zuzüglich zweimalig Ome-
prazol (O-BMT). Nach zehn Tagen hat der Patient
17 Gramm Bismut, 15 Gramm Tetrazykline und
15 Gramm Metronidazol zu sich genommen.
Aktuelle Leitlinien empfehlen diese Kombination
für ein breites Indikationspektrum, einschließlich
der Dyspepsie. Der Hersteller begründet die Emp-
fehlung zur Erstlinien-Therapie mit einer Open-La-
bel-Studie an 440 Patienten aus sieben europäi-
schen Staaten mit sehr heterogener Resistenzsitu-
ation (UK, IRE, D, PL, F, SP, I). In dieser „Pylera-
Studie“ war die bismuthaltige Quadrupel-Thera-
pie einer clarithromycinhaltigen Tripel-Therapie
(French-Triple, siehe Kasten) in den Eradikationsra-
ten überlegen. Erwartungsgemäß war der Erfolg
der Triple-Therapie besonders schlecht bei Patien-
ten mit Clarithromycin-resistenten Keimen (CLA).1
STANDPUNKT
DR. MED. STEFAN GRENZ
Problem Clarithromycin-Resistenz
CLA-Resistenzraten werden für Deutschland auf
etwa 11 Prozent geschätzt (Stand 2011 in 2). In
Europa ist ein starker Nord-nach-Südost-Anstieg
bei der Resistenzsituation bekannt (von etwa
sechs Prozent auf 37 Prozent). Mit einer Offen-
legung der vermutlich stark unterschiedlichen Teil-
ergebnisse aus Deutschland, England und Irland
einerseits und Italien, Spanien, Frankreich und
Polen andererseits hätten die Studienautoren um
P. Malfertheiner Sorgfalt und Neutralität belegen
können. Leider fehlt das. Auch wurde versäumt,
das Potential der Triple-Therapie in der Pylera-
Studie auszuschöpfen. Sowohl eine Erhöhung der
PPI-Dosis, als auch eine Therapieverlängerung auf
10-14 Tage kann – bekannt seit 2008 – die Eradi-
kationsraten von CLA-haltigen Triple-Therapien
steigern. Die Autoren des Maastricht-Reports (des
europäischen Empfehlungsstandards) raten expli-
zit zu diesem Vorgehen (S. 652 in 3). Bei weitge-
hender Koautorenschaft von Studie (2011) und
Maastricht-IV-Report (2011/12) eine interessante
Unterlassung.
KVH aktuell 3|2017 15
 Unübersichtliche Datenlage
Schließlich sind die Verträglichkeitsdaten bemer-
kenswert: die Teilnehmer der Pylera-Studie tole-
rierten 150 Tabletten der Quadrupeltherapie bes-
STANDPUNKT
ser (!) als 56 Tabletten der Tripeltherapie. Eigent-
lich wäre zu erwarten gewesen, dass die Therapie-
adhärenz mit Dauer und Anzahl der Tabletten ab-
nimmt. Dass zehn Tage Bismut besser vertragen
wurden als sieben Tage bismutfreie Standard-
therapie (klassische Bismut-Nebenwirkungen sind
Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit)
muss der Leser der Studie also einfach glauben.
Trotz dieser mehr oder weniger objektivierbaren
Datenlage ging die Pylera-Studie sowohl in die
Maastricht IV-Empfehlungen als auch vier Jahre
später in die DGVS-Leitlinie ein (Konsensus-S2k-
Leitlinie der Dt.Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 2).
H.p.-Eradikation eskalieren
Eine indizierte H.p.-Eradikation sollte leitlinienge-
recht gestuft erfolgen:
In Regionen mit niedriger CLA-Resistenz
(unter 20 Prozent):
1. Therapieversuch: CLA-haltige Triple-Therapie
(PCA oder PCM) für sieben (bis 14) Tage,
alternativ: Bismuthaltige Quadrupeltherapie
(O-BMT) für zehn Tage
2. Therapieversuch: Bismuthaltige Quadrupel-
therapie (O-BMT) für zehn Tage, alternativ:
Levofloxacinhaltige Tripel-Therapie für zehn
Tage (ohne Resistenztestung)
3. Therapieversuch: individuelle Kombinationen
nach Resistenztestung.
In Regionen mit hoher CLA-Resistenz
(über 20 Prozent):
1. Therapieversuch: Bismuthaltige Quadrupel-
therapie (O-BMT) für zehn Tage, alternativ:
nicht-Bismuthaltige Quadrupel-Therapie
(gegebenenfalls sequenziell)
2. Therapieversuch: Levofloxacin-Tripeltherapie
für zehn Tage (ohne Resistenztestung)
3. Therapieversuch: individuelle Kombinationen
nach Resistenztestung.
Standardschemata für die Erstlinientherapie
French-Triple (PCA) PPI +
2 x HD*
Italian Triple (PCM) PPI +
2 x HD*
*HD: Hochdosis, doppelte Standarddosis (z.B. Omeprazol 2 x 40mg)
Hinweis: Clarithromycin ist ein starker Cyp 3A4-Hemmer: Atorvastatin/Simvastatin pausieren. Amlodipin,
Nifedipin, Verapamil, Amiodaron, Eplerenon müsssen gegebenenfalls in der Dosis reduziert werden.
Quelle: Maastricht IV/Florence Consensus Report
16 KVH aktuell 3|2017
Hierbei wird deutlich: ein Beginn mit der Pylera-
Quadrupel-Therapie bleibt lediglich eine nachge-
ordnete KANN-Empfehlung, eine Alternative bei
begründetem Verdacht auf regionale Resistenz-
probleme. Fehlen diese Hinweise, bleibt eine CLA-
haltige Tripel-Therapie mit erhöhter PPI-Dosis und
optional verlängerter Therapiedauer Stand der
aktuellen Empfehlungen.2,3
Weniger Therapieoptionen
Bei Befolgen der Werbebotschaft „Pylera als First-
line“ werden dagegen höchstdosierte Tetrazykline
in die ambulante Versorgungspraxis gedrückt –
derzeit Reserve der dritten Stufe nach Resistenztes-
tung. Mit unabsehbaren Konsequenzen: Tetrazy-
klinresistenzen bei menschenpathogenen Salmo-
nellen (hier: S. Typhimurium) überschreiten schon
heute die 50 Prozent-Marke (Stand 2015, S.51)4.
Die europäische Monitoring-Agenturen EFSA und
ECDC warnen seit Jahren vor ansteigenden Anti-
biotikaresistenzen. Insbesondere Salmonellen und
E. Coli-Bakterien aus menschlichen Stuhlisolaten
erreichen hohe Multi-Drug-Resistenzraten (Ampi-
zillin, Sulfonamide, Tetrazykline). Die Resistenzra-
ten von Campylobacter gegen Ciprofloxacin und
Tetrazykline seien mittlerweile hoch bis sehr hoch.
Regional seien bis 50 Prozent der humanen E. Co-
li-Stämme (auch) resistent gegen Erythromycin.
Damit gebe es immer weniger Optionen, lebens-
bedrohliche Infektionen noch wirksam behandeln
zu können.4 Ursächlich sind Schlachtfleisch bzw.
Zuchttiervektoren, aber auch der Antibiotikaeinsatz
in der Humanmedizin („Zu oft, zu breit, zu lang“).
Die mit Pylera prominent positionierte Marktstrate-
gie wirkt daher wie aus der Zeit gefallen.
Malignomrisiko überschätzt?
Die Rationale zur antibiotischen H.p.-Sanierung
quoad vitam beschränkt sich auf die Malignom-
prävention. Bei H.p.-Trägerschaft wird das
Magenkarzinomrisiko auf ein bis drei Prozent
geschätzt (möglicherweise aber überschätzt). Inzi-
denzen für MALT-Lymphome sind deutlich gerin-
ger. Für den Nutzen populationsbezogener Sanie-
rungsanstrengungen fehlen jedoch gesicherte
Clarithromycin + Amoxizillin für 7 (-14) Tage
2 x 500 mg 2 x 1000 mg
Clarithromycin + Metronidazol für 7 (-14) Tage
2 x 250/500 mg 2 x 400 mg
epidemiologische Beweise.3 Dessen ungeachtet
raten die aktuellen Empfehlungen bereits bei
dyspeptischen Beschwerden mit Keimnachweis
zur H.p.-Eradikation. Mit einer „Test-and-Treat“-
Strategie sei einer von zwölf Patienten mit HP-
assoziierter Dyspepsie längerfristig behandelbar.3
Erwachsene unter 30 Jahre sollen bundesweit in
etwa 23 Prozent, über 30-Jährige in etwa 45 Pro-
zent und über 65-Jährige in zirka 80 Prozent H.p.-
Träger sein.2 Diese Prävalenz-Annahmen könnten
deutlich zu hoch geschätzt sein. Basis seien serolo-
gische Nachanalysen von 2.318 beziehungsweise
1.797 Patientensera einzelner Krankenhäuser
(Quellen 17,18 in 2). Eine Repräsentativität ist hier
schon wegen der kleinen Zahl, dem Anlassbezug
(Notaufnahme) und der Regionalität (stadtnahe
Regionen zum Beispiel Magdeburg und Heidelberg)
zweifelhaft. Ein Vergleich der Quellen der Deut-
schen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdau-
ungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) mit
den Altersgruppen-Häufigkeiten des Statistischen
Bundesamtes (deStatis) hätte genügt: die Reprä-
sentativität fehlt. Aber auch anders herum geht
die Rechnung nicht auf: Denn 23 bis 80 Prozent
HP-Trägerschaft in der Bevölkerung passt nicht
zur – glücklicherweise niedrigen – bundesweiten
Magenkarzinomhäufigkeit.
ANMERKUNG
Die Hauptautoren der Pylera-Studie, des Maas-
tricht-IV-Report und der DGVS-Leitlinie sind
weitgehend identisch. Neben dem Hauptautor
P. Malfertheiner erhielten sieben der 19 DGVS-
Literatur:
1. Malfertheiner P, Megraud F, Bazzoli F et al. Helico-
bacter pylori eradication with a capsule containing
bismuth subcitrate potassium, metronidazole,
and tetracycline given with omeprazole versus
clarithromycin-based triple therapy: a randomised,
open-label, non-inferiority, phase 3 trial. The Pylera
Study Group. The Lancet 2011;377:905–13.
2. Fischbach W, Malfertheiner P et al. S2k-Leitlinie
Helicobacter pylori und gast-roduodenale
Ulkuskrankheit. Z Gastroenterol 2016;54:327–63.
3. Malfertheiner P, Megraud F, Bazzoli F et al. Manage-
ment of Helicobacter pylo-ri infection – the Maas-
tricht IV/ Florence Consensus Report.
Gut 2012;61:646-64.
Fazit
Vor dem Hintergrund lebensbedrohender Proble-
me durch multiresistente Keime auf den Intensiv-
stationen wirkt auch die mit Pylera vermarktete
STANDPUNKT
umfassende Sanierungsphilosophie fehl am Platz.
Einen niedriginzident schädlichen Magenkeim
jenseits bekannter Risiko-Indikationen schon bei
Dyspepsiebeschwerden höchstdosiert antibio-
tisch zu sanieren, konterkariert die Ziele jedes
Antibiotic-Stewardship. Vielmehr wäre Antibioti-
kasparsamkeit das Gebot der Stunde. Leider las-
sen auch die aktuellen Leitlinien entsprechende
Behandlungsalgorithmen oder auch nur zurück-
haltendere Indikationsstellungen vermissen.
Die bismuthaltige Quadrupeltherapie hat wegen
sehr hoher Erfolgsraten einen hohen Stellenwert.
Sicher jedoch nicht in der Erstlinientherapie oder
bei alleiniger Dyspepsie. Leitlinienstandard bei
guter Resistenzlage sind die (modifizierten) CLA-
haltigen Triple-Therapien. Bei Fertigkombination
bitte aufpassen: diese sind zwar schnell verord-
net, reichen allerdings nur sieben Tage und
haben klare Anwendungsvoraussetzungen. Die
ZACPAC-Kombipackung (Firma Takeda) bei-
spielsweise ist nur bei Vorliegen von peptischen
Ulcera mit einem Erregernachweis zugelassen. 쐍
Leitlinienautoren Zuwendungen der Pylera-
Hersteller.5 Die vormalige Pylera-Herstellerfirma
Axcan (Aptalis) wurde 2014 von Allergan
übernommen.
4. European Food Safety Authority EFSA/ECDC.
The European Union summary report on anti-
microbial resistance in zoonotic and indicator bacte-
ria from humans, animals and food in 2015.
EFSA Journal 2017;15.2
5. www.dgvs.de/wissen-kompakt/leitlinien/
leitlinien-der-dgvs/helicobacter-pylori/.
kvh.link/1703006
KVH aktuell 4|2016 17
 Substanzklasse Verschreibungsfreie (Ap) Verschreibungspflichtige (Rp) Kommentar/Erläuterung zur Auswahl des richtigen
Arzneimittel Arzneimittel Arzneimittels und der Verordnungsfähigkeit

Antiallergika Cetirizin, Loratadin, Desloratadin (Aerius bzw. Generika), Ap-Antihistaminika sind aufgrund des Wirtschaftlichkeits-
(Antihistaminika Dimetinden (Fenistil) Ebastin (Ebastel), Fexofenadin gebots 2 zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept* bzw.
oral) (vgl. Verord- (Telfast), Levocetirizin (Xusal bzw. Kassenrezept bei Insektengiftallergie, schweren rezidivierenden
VERORDNUNGSPRAXIS nungsforum Nr. 5, Generika) Urtikarien, schwerwiegendem anhaltendem Pruritus oder bei
FORSCHUNG & PRAXIS

FORSCHUNG & PRAXIS

Seite 12-14 und schwerwiegender allergischer Rhinitis, wenn topische nasale
Nr. 17, Seite 11-12) Glukokortikoide nicht ausreichen 4. Bei Unwirksamkeit oder

Die Qual der Wahl Unverträglichkeit kann auf Rp-Antihistaminika gewechselt

werden. Eine sorgfältige Dokumentation ist dringend zu
empfehlen, da es in der Vergangenheit bereits Regressanträge
einzelner Kassen zu Verordnungen von Aerius und Xusal -
gegeben hat.
Dieser Beitrag wurde
übernommen mit
Die folgende Übersicht zeigt, für welche Wirkstoffe und Wirkstoff- Antiallergika Azelastin, Ketotifen, Emedastin (Emadine), Ap-Antihistaminika sind aufgrund des Wirtschaftlichkeits-
(Antihistaminika Levocabastin (Livocab), Epinastin (Relestat), gebots2 zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept*).
freundlicher Genehmi- klassen sowohl verschreibungsfreie (Ap) als auch verschreibungs- okulär) Lodoxamid (Alomide) Olopatadin (Opatanol) Bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit kann auf
gung von Autor,
Redaktion, Verlag und
pflichtige (Rp) Medikamente existieren und welche Kriterien Rp-Antihistaminika gewechselt werden.
Herausgeber – Kassen- jeweils für die korrekte Arzneimittelauswahl maßgeblich sind. Antiallergika Beclometason (z. B. Beclometason, Budesonid, Dexa- Auswahl je nach Indikation
ärztliche Vereinigung (Kortikoide nasal) Ratioallerg Heuschnupfen- methason, Flunisolid (Syntaris), Ap: grünes Rezept/Privatrezept* Rp: Kassenrezept bei saiso-
Achtung: Kosten für Arzneimittel, die auf dem grünem Rezept spray), Fluticason (Otri-, Fluticason (z. B. Avamys), naler allergischer Rhinitis im Kindes-/Jugendalter (sofern keine
Baden-Württemberg –
aus dem Verordnungs- verordnet werden, fließen nicht in das Verordnungsvolumen ein. Allergie), Mometason Mometason (z. B. Nasonex), Kontraindikationen vorliegen) sowie bei perennialer Rhinitis
forum 40, Januar 2017. Momeallerg, Mometahexal Triamcinolon (z. B. Nasacort, und ggf. weiteren zugelassenen Indikationen.
Heuschnupfenspray) Rhinisan) Bei saisonaler allergischer Rhinitis bei Erwachsenen ist eine
Indikation: Saisonale Indikation: Saisonale allergische oder Verordnung auf Kassenrezept unwirtschaftlich 2.
allergische Rhinitis perenniale Rhinitis, ggf. Polyposis nasi
Substanzklasse Verschreibungsfreie (Ap) Verschreibungspflichtige (Rp) Kommentar/Erläuterung zur Auswahl des richtigen bei Erwachsenen nach (sofern Zulassung existiert)
Arzneimittel Arzneimittel Arzneimittels und der Verordnungsfähigkeit der Erstdiagnose durch
einen Arzt
Abführmittel Bisacodyl, Lactulose, Naloxegol (Moventig®), Ap-Abführmittel sind aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots2 Antidepressiva Johanniskraut (Ap), z. B. Johanniskraut (Rp): Jarsin Rx 300, Auswahl je nach Indikation
Macrogol, Sennoside Prucaloprid (Resolor®) zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept* bzw. Kassenrezept (vgl. Verordnungs- Jarsin® 300/450/750 mg, Laif 900, Neuroplant Ap: grünes Rezept/Privatrezept* Rp: Kassenrezept Laif 900
Natriumpicosulfat bei Tumorleiden, Megakolon, Divertikulose, Divertikulitis, Muko- forum Nr. 11, Laif 900 Balance, Neuroplant Indikation: Mittelschwere Depression sowie verschreibungspflichtige Neuroplant-Präparate sind
und weitere Laxantien viszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Ein- Seite 28) aktiv, Neuroplant 300 mg Novo auch für die leichte depressive Störung zugelassen.
griffen, bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Indikation: Leichte depressive Eine Verordnung auf Kassenrezept ist in dieser Indikation
Niereninsuffizienz, Opiat- sowie Opioidtherapie und in der Störung unwirtschaftlich 2.
Terminalphase. 14
Naloxegol ist auf Kassenrezept verordnungsfähig zur Behand Antidiarrhoika Loperamid Loperamid (Rp) Auswahl je nach Indikation
lung von Opioid-induzierter Obstipation bei Erwachsenen, die (vgl. Verordnungs- (Ap, „Loperamid akut“) Indikation: Symptomatische Ap: grünes Rezept/Privatrezept* Rp: Kassenrezept nur nach
unzureichend auf (Ap-)Laxanzien angesprochen haben. forum Nr. 1, Indikation: Symptomatische Behandlung von Diarrhöen, kolorektalen Resektionen in der postoperativen Adaptionsphase
Prucaloprid ist auf Kassenrezept verordnungsfähig zur Seite 10-11) Behandlung von akuten Diar- sofern keine kausale Therapie zur sowie bei schweren und länger andauernden Diarrhöen
Behandlung chronischer Verstopfung bei Erwachsenen, bei rhöen, sofern keine kausale zur Verfügung steht (auch wenn diese therapieinduziert sind), sofern eine kausale
denen (Ap-)Laxantien keine ausreichende Wirkung erzielen, Therapie zur Verfügung steht oder spezifische Therapie nicht ausreichend ist 3.
sofern eine der o. g. Ausnahmeindikationen 15 vorliegt. Antimykotika Ciclopirox-Präparate Ciclopirox-haltige Externa Rp-Ciclopirox gilt grundsätzlich als unwirtschaftlich, es sei denn,
Analgetika Ibuprofen (Ap) Ibuprofen (Rp) Auswahl je nach Indikation (dermal) (Ap, Selergo, seit 2008 (Rp, Creme, Gel, Lösung, Puder) die Therapie mit diesem Wirkstoff wäre bei einem Kind unter
(vgl. Verordnungs- Indikation: leichte bis mäßig Indikation: akute Arthritiden (ein- Ap: grünes Rezept/Privatrezept* (vgl. Verordnungs- auf dem Markt), andere 6 Jahren erforderlich (die Behandlung mit Selergo 1 % Creme
forum Nr. 1, starke Schmerzen (Kopf-, schließlich Gichtanfall), chronische Rp: Kassenrezept forum Nr. 24, verschreibungsfreie wird nach Herstellerangaben bei Kindern unter 6 Jahren
Seite 10-11) Zahn-, Regelschmerzen), Arthritiden, insbesondere rheumatoide Seite 10) externe Antimykotika nicht empfohlen).
Fieber Arthritis, Spondylitis ankylosans (Terbinafin, Amorolfin, Ciclopirox-haltiges Shampoo (Batrafen S Shampoo) ist darüber
(Morbus Bechterew) und andere Bifonazol, Clotrimazol, hinaus aufgrund eines Verordnungsausschlusses durch die
entzündlich-rheumatische Wirbelsäulen- Econazol, Ketoconazol, Arzneimittel-Richtlinie nicht verordnungsfähig 5.
erkrankungen, Arthrosen und Spondyl- Miconazol, Sertaconazol,
arthrosen, entzündliche weichteilrheuma- Tioconazol)
tische Erkrankungen, schmerzhafte Antimykotika Miconazol-haltige Mundgele Amphotericin B (Ampho-Moronal Ap-Antimykotika zur Behandlung von Pilzinfektionen in Mund-
Schwellungen und Entzündungen nach (oral, gegen (Daktar, Infectosoor, Lutschtabletten/Suspension) und Rachenraum sind auf Kassenrezept verordnungsfähig 6
Verletzungen Mundsoor) Micotar, Mykoderm, Erst wenn diese nicht indiziert sind, kommt eine Verordnung
Analgetika Paracetamol-Mono- Kombinationspräparate mit Kombinationspräparate sind formal auf Kassenrezept Mykotin) von Amphotericin B auf Kassenrezept in Betracht.
mit zugehörigen präparate (außer Paracetamol und Codein verordnungsfähig (es existiert kein Verordnungsausschluss Nystatin (Nystatin
Analgetika-Fix- Großpackungen mit (z. B. Gelonida) nach Anlage III AM-RL1, können jedoch potentiell unwirt- Mundgel, Moronal
kombinationen > 20 Tabletten) schaftlich sein. Suspension)

Anthelmintika Pyrvinium (Molevac) Mebendazol (Vermox) und Pyrvinium ist aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots 2 zu Antimykotika Clotrimazol (Kadefungin 3) Clotrimazol (Kadefungin 6 Vaginal- Ap-Antimykotika sind aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots 2
Indikation: Oxyuriasis Pyrantel (Helmex), speziell in zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept*). (vaginal, gegen Vaginalcreme/-tabletten/Kombi- creme/-tabletten/Kombipackung, zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept*). Eine Verordnung
der Indikation Oxyuriasis Bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit kann Mebendazol Infektionen mit packung, Fungizid 200 mg Fungizid 100 mg Vaginaltabl. 60 St.) der wirkstoff- und indikationsgleichen Rp-Präparate ist aus
, oder Pyrantel (Kassenrezept) verordnet werden. Hefepilzen bzw. Vaginaltabl. 30 St.) Wirtschaftlichkeitsgründen abzulehnen.
Clotrimazol-emp-
findliche Bakterie
Antiparasitäre Permethrin (Infectopedicul): Permethrin (Infectoscab), Auswahl je nach Indikation
Mittel Indikation: Kopflausbefall 5 % Creme), Indikation: Scabies Ap: grünes Rezept/Privatrezept*
Rp: Kassenrezept

18 KVH aktuell 3|2017 KVH aktuell 3|2017 19

 Substanzklasse Verschreibungsfreie (Ap)
FORSCHUNG & PRAXIS
Arzneimittel
Antiskabiosa Benzylbenzoat (Antiscabio-
sum), Crotamiton
(Crotamitex, Eraxil)
Antivertiginosa Dimenhydrinat (z. B.
Vertigo-Vomex)
Keratolytika Salicylsäure-haltige
(Warzenmittel) verschreibungsfreie Präparate
(Clabin, Duofilm, Verrucid)
Lipidsenker Omega-3-Fettsäuren in
niedriger Dosierung (Ap, Öl
von Hochseefischen mit
Icosapent 70-105 mg,
Doconexent 50-75 mg):
Ameu, Eicosan,
Eicosapen, Lipiscor
Indikation: Senkung stark
erhöhter Triglycerid-Spiegel,
wenn eine Diät allein nicht
ausreicht
Magen-Darm- Esomeprazol, Omeprazol,
Mittel Pantoprazol (Ap, 7 oder
(vgl. Verordnungs- 14 Stück à 20 mg)
forum Nr. 22, Indikationen: Sodbrennen,
Seite 33-35) saures Aufstoßen
Migränemittel Triptan-Präparate (Ap)
(vgl. Verordnungs- in kleiner Packungsgröße
forum Nr. 4, (2 Filmtabletten):
Seite 35-37) Formigran/Contramig
(Naratriptan) bzw.
Naratriptan-Generika,
Dolortriptan (Almotriptan)
Mineralstoff- Selen (Ap),
präparate Dosisstärke: 50 µg
Sekretolytika Acetylcystein (ACC ) (Ap)
(vgl. Verordnungs Indikation: Erkältungsbedingte Indikation: Sekretolytische Therapie
forum Nr. 1, Bronchitis
Seite 10-11)
Virustatika Aciclovir (Ap)
(extern) Creme, Indikation:
Herpes labialis
20 KVH aktuell 3|2017
Verschreibungspflichtige (Rp)
Arzneimittel
Permethrin (Infectoscab, Permethrin-
biomo), Ivermectin (Scabioral)
Cinnarizin + Dimenhydrinat
(z. B. Arlevert)
Fluorouracil + Salicylsäure
(Verrumal)
Omega-3-Fettsäurenethylester
in höherer Dosierung
(Rp, Icosapent-Ethyl 460 mg,
Doconexent-Ethyl 380 mg):
Omacor, Zodin
Indikationen: Sekundärprophylaxe
nach Herzinfarkt, Hypertriglyceridämie
Typ IV (Monotherapie) bzw. Typ II b/III
in Kombination mit Statinen
Omeprazol, Pantoprazol (Rp):
Indikationen: Ulcera duodeni/ventriculi,
Refluxösophagitis (inkl. Rezidivpro-
phylaxe), Zollinger-Ellison-Syndrom,
Prophylaxe und Behandlung NSAR-
induzierter Ulcera, Eradikationstherapie
(in Kombination mit Antibiotika)
Triptan-Präparate (Rp), z. B. Almogran,
Maxalt (Rizatriptan), Zolmitriptan-
Generika, verschreibungspflichtige
Naratriptan-Präparate
Selen (Rp)
Dosisstärke: 100 µg, 300 µg,
Acetylcystein (ACC ) (Rp)
bei akuten und chronischen
bronchopulmonalen Erkrankungen,
die mit einer Störung von Schleim-
bildung und -transport einhergehen
Aciclovir (Rp)
Creme, Indikation: Herpes labialis und
und Herpes genitalis
Augensalbe, Indikation: Durch
Herpes-simplex-Viren hervorgerufene
Hornhautentzündung des Auges
Kommentar/Erläuterung zur Auswahl des richtigen
Arzneimittels und der Verordnungsfähigkeit
Im Gegensatz zu den empfohlenen Wirkstoffen Permethrin und
Ivermectin gelten Benzylbenzoat und Crotamiton als Mittel
der zweiten bzw. dritten Wahl16. Die Verordnung der verschrei-
bungspflichtigen Arzneimittel auf Kassenrezept ist daher
gerechtfertigt.
Ap-Antivertiginosa sind aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots2
zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept*).
Erst wenn diese nicht indiziert sind, kommt eine Verordnung
der Rp-Präparate in Betracht.
Ap-Warzenmittel sind aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots 2
zu bevorzugen (grünes Rezept/Privatrezept*).
Erst wenn diese nicht indiziert sind, kommt eine Verordnung
von Verrumal auf Kassenrezept in Betracht.
Auswahl je nach Indikation
Ap: grünes Rezept/Privatrezept* Rp-Präparate sind formal in
den genannten Indikationen auf Kassenrezept verordnungs-
fähig, jedoch ist eine solche Verordnung aufgrund des Wirt-
schaftlichkeitsgebots kritisch zu sehen.2
Der aktuellen Literatur zufolge sind Omega-3-Fettsäuren-haltige
Präparate in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkran-
kungen ohne Nutzen 7-10.
Eine Zufuhr der Substanzen kann auch über Fischmahlzeiten
(mindestens 2x/Woche) erfolgen11.
Auswahl je nach Indikation
Ap: grünes Rezept/Privatrezept*
Rp: Kassenrezept
Die kleinen Packungsgrößen (Ap) sind für die notfallmäßige
Versorgung des Patienten vorgesehen, die ohne Arztrezept
möglich ist (Verordnung ansonsten nur auf grünem Rezept*
möglich). Bei häufigen Therapieanlässen bzw. bei sonstiger
Unzweckmäßigkeit der Ap-Triptane können Rp-Triptane
auf Kassenrezept verordnet werden.
In den häufig angefragten Indikationen wie z. B. Hashimoto-
Thyreoiditis, Schilddrüsenkarzinom darf Selen (Ap, Rp) nicht
auf Kassenrezept verordnet werden (Off-Label-Einsatz).
In der zugelassenen Indikation „nachgewiesener Selenmangel,
der ernährungsmäßig nicht behoben werden kann“ wäre formal
eine Verordnung von Rp-Selen auf Kassenrezept möglich
(z. B. bei schwerem Malassimilationssyndrom)
Auswahl je nach Indikation
Ap: grünes Rezept/Privatrezept*
Rp: Kassenrezept
Auswahl je nach Indikation
Ap: grünes Rezept/Privatrezept*
Rp: Kassenrezept, jedoch in der Indikation Herpes labialis
aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots 2 unwirtschaftlich
Substanzklasse Verschreibungsfreie (Ap) Verschreibungspflichtige (Rp) Kommentar/Erläuterung zur Auswahl des richtigen
FORSCHUNG & PRAXIS
Arzneimittel Arzneimittel Arzneimittels und der Verordnungsfähigkeit
Vitaminpräparate Vitamin D (Ap) Vitamin D (Rp) Auswahl je nach Indikation
(fettlöslich) z. B. Dekristol 400 IE , Dekristol 20.000 IE Ap: grünes Rezept/Privatrezept*, eine Verordnung auf Kassen-
Vigantoletten) Indikation: Einmalige Anwendung bei rezept ist nach den Kriterien der OTC -Ausnahmeliste (z. B.
Mangelzuständen manifeste Osteoporose, längerfristige höherdosierte
Vigantol Öl 20.000 I.E./ml Steroidtherapie) möglich 12
Indikationen: Vorbeugung gegen Rachi- Rp: Verordnung auf Kassenrezept nur in den genannten
tis, Behandlung der Osteoporose, Vor- zugelassenen zugelassenen Indikationen und unter Beachtung
beugung bei erkennbarem Risiko einer - des Wirtschaftlichkeitsgebots2
Vitamin-D-Mangelerkrankung bei Mal- (z. B. Notwendigkeit für die Verabreichung in Tropfenform)
Malabsorption, Behandlung von
Rachitisund Osteomalazie,Behandlung
von Hypoparathyreoidismus
Vitaminpräparate Medivitan i.V. Medivitan Ampullen/ Ap: grünes Rezept/Privatrezept*, Verordnung auf Kassenrezept
(wasserlöslich) Injektionslösung (Ap) Fertigspritze (Rp) nur bei Dialysepatienten möglich13
Wirkstoffe: Vitamin B6, Wirkstoffe: Vitamin B6, Vitamin B12, Rp: Privatverordnung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots2
Vitamin B12, Folsäure Folsäure, weiterer Bestandteil: Lidocain empfohlen
(ohne Lidocain)
* gültig für Erwachsene und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren ohne Entwicklungsstörungen
Ap: apothekenpflichtiges, nicht verschreibungspflichtiges (= verschreibungsfreies) Arzneimittel, das in der Regel nicht zu Lasten der GKV
verordnungsfähig ist – sofern nicht explizite Ausnahmeregelungen (gemäß Anlage I AM-RL, sog. OTC-Ausnahmeliste) bestehen.
Rp: verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das in der Regel zu Lasten der GKV verordnungsfähig ist – sofern nicht Verordnungseinschränk-
ungen oder -ausschlüsse (gemäß Anlage III AM-RL) bestehen.
WIRTSCHAFTLICHKEITSGEBOT NACH § 12 Die Liste „Verschrei-
bungsfrei versus
ABS. 11 ARZNEIMITTEL-RICHTLINIE (AM-RL) verschreibungspflichtig“
finden Sie in der jeweils
aktuellen Version
„Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde medizinisch notwendig, zweckmäßig und
unter:
Arzt soll nicht verschreibungspflichtige Arznei- ausreichend sind. In diesen Fällen kann die
www.kvbawue.de >
mittel zu Lasten des Versicherten verordnen, Verordnung eines verschreibungspflichtigen Praxis > Verordnungen >
wenn sie zur Behandlung einer Erkrankung Arzneimittels unwirtschaftlich sein.“ Arzneimittel
Literatur
1. Nr. 6 Anlage III AM-RL (Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen)
2. § 12 Abs. 11 AM-RL (Wirtschaftlichkeitsgebot, siehe Infobox)
3. Nr. 12 Anlage III AM-RL (Antidiarrhoika)
4. Nr. 6 Anlage I AM-RL (Antihistaminika)
5. Nr. 23 Anlage III AM-RL (Dermatika zur Reinigung und Pflege der Haut, des Haares usw.) kvh.link/1703007
6. Nr. 7 Anlage I AM-RL (Antimykotika)
7. Galan P et al. Effects of B vitamins and omega 3 fatty acids on cardio- vascular diseases: a randomised placebo
controlled trial. BMJ 2010; 341: c6273 doi:10.1136/bmj.c6273 INTERNET
8. Anon. Kardiovaskuläre Ereignisse nach Prophylaxe mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren – neue Metaanalyse.
AMB 2012; 46: 78b
9. AkdÄ. Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – Fettstoffwechsel-
störungen. 3. Auflage, 2012
10. Meyer FP.Omega-3-Fettsäuren – eine unendliche Geschichte. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2012;
39(6): 134
11. http://www.heart.org/HEARTORG/GettingHealthy/NutritionCenter/ Fish-101_UCM_305986_Article.jsp.
Letzter Zugriff: 30.05.2016
12. Nr. 11 Anlage I AM-RL (Calcium und Vitamin D)
13. Nr. 43 Anlage I AM-RL (Vitamin-Kombinationspräparate)
14. Nr.1 Anlage I AM-RL (Abführmittel)
15. § 13 Nr. 3 AM-RL (Abführmittel)
16. Robert-Koch-Institut. Skabies (Krätze) – RKI-Ratgeber für Ärzte. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Epid-
Bull/Merkblaetter/Ratgeber_Skabies.html#doc2374546bodyText10. Letzter Zugriff: 30.05.2016
KVH aktuell 3|2017 21
 KVH AKTUELL WEBMAGAZIN stützen sollen. Weil sich Zeiten und Lesegewohn- Zusätzliche Online-Features
heiten ändern, stellen wir Ihnen das KVH aktuell- Im KVH aktuell Webmagazin finden Sie diverse

Lesen, wo und wann

Magazin ab sofort zusätzlich zum Printmagazin Online-Features, die Ihnen das Printmagazin so
auch als Webversion zur Verfügung. Zukünftig fin- nicht bieten kann. Die elektronische Suche in Kate-
den Sie unter www.kvhaktuell.de die kompletten gorien, die den Rubriken der Printausgabe entspre-
Magazininhalte auch online. Neben der aktuellen chen, nimmt Ihnen zeitraubendes Blättern und

Sie wollen
DIALOG

DIALOG
Ausgabe sind auch die letzten vorangegangenen Seiten-Durchkämmen ab. Die Suchergebnisse zei-
Magazine im Archiv verfügbar. gen zudem weitere Artikel zum Thema an. Darüber
hinaus können Sie Artikel downloaden und finden
Responsives Design für den Social-Sharing-Funktionen wie „Liken“ und „Tei-
Ab dieser Ausgabe können Sie die aktuellen, praxisbezogenen mobilen Zugriff len“, mit denen Sie Artikel bewerten und andere
Das KVH aktuell WebMagazin passt sich optimal per Mail-Link auf Artikel hinweisen können. Auch
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an alle Mobilgeräte an. So können Sie lesen, wo und im Feedback an die Redaktion wird das Magazin
auf dem Laufenden halten, auch mobil lesen. So finden Sie schnell wann Sie wollen: unterwegs und zwischendurch, interaktiver: Über die Kontaktfunktion können Sie
und effektiv die Informationen, die Sie gerade brauchen. wenn Ihnen die Zeit oder der Ort fehlt, um sich in schnell und bequem zu Artikeln Stellung nehmen
Wenn Sie KVH aktuell Ruhe mit dem Printmagazin zu beschäftigen. Viel- oder Leserbriefe an die Redaktion schicken. 쮿
auch auf Ihrem leicht sind Sie es ohnehin gewohnt, sich online zu
Neue Lesegewohnheiten
Smartphone oder Tablet
lesen möchten, scannen
Sie einfach den
D ie digitale Revolution, die unseren Alltag im-
mer stärker durchdringt, hat Schattenseiten –
auch für die physische und psychische Gesundheit–,
Diese Chancen wird zukünftig auch die KV Hessen
nutzen. Als Herausgeberin von KVH aktuell ver-
informieren oder gehören zur „Generation Y“, zu
den „Digital Natives“, für die Onlinemedien selbst-
verständlicher Teil des Alltags sind. Und natürlich
QR-Code. So gelangen die der renommierte Psychologe Manfred Spitzer sorgt sie Sie seit vielen Jahren gemeinsam mit den können Sie das neue WebMagazin im Praxisalltag
Sie direkt zum
mit dem Begriff der „digitalen Demenz“ prägnant Mitgliedern des Redaktionsteams kontinuierlich nutzen, wenn Sie direkt eine bestimmte Informati-
WebMagazin*.
auf den Punkt gebracht hat. Doch nicht minder mit aktuellen, interessanten und meinungsstarken on brauchen. Welches Medikament sollten Sie ver-
groß sind die Chancen und Möglichkeiten, die digi- Informationen rund um das Thema Pharmakothe- schreiben? Wie sollte es in dieser Situation dosiert IHR WEG ZUM
tale Medien bei sinnreicher Nutzung bereithalten: rapie, die Sie in Ihrem täglichen Praxisalltag unter- werden? Was ist dabei zu beachten?
Nie war Wissen für den Einzelnen KVH AKTUELL WEBMAGAZIN*
so aktuell, umfassend und ver-
netzt, so schnell und flexibel, so
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wie heute. Wo früher papierene
Archive durchforstet werden
mussten, dauert es heute nur ei-
nen Wimpernschlag, bis elektroni-
sche Gedächtnisse uns nicht nur
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dern thematisch Verwandtes und
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legen Sie Ihr persönliches
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Zukünftig reicht dann
die Anmeldung mit Ihrer
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* Hinweis: Zugang nur bei Buchung/Abonnement durch Ihre KV. Andernfalls

wenden Sie sich bitte an Petra Bendrich (PETRA.BENDRICH@kvhessen.de
Telefon 069 24741-6988) oder den Ansprechpartner bei Ihrer KV.

22 KVH aktuell 3|2017 KVH aktuell 3|2017 23

 Leitlinien hinterfragen CHOOSING WISELY: IM PRAXISALLTAG

Immer angemessen
Ein 78jähriger männlicher Patient stellt sich in der Praxis vor und klagt über Schmerzen bei Entzündung
der Mundschleimhaut. Diese bestehe mittlerweile seit etwa sechs Tagen. Er habe das in den letzten
Jahren mehrfach erlebt. Bei der Untersuchung findet sich eine teilweise in Heilung befindliche, aus-
geprägte entzündlich-veränderte Mundschleimhaut im Sinne einer Mukositis. Es liegen keine Infekt-

entscheiden!
DIALOG

DIALOG
zeichen vor, die Lymphknoten am Hals sind nicht geschwollen und es besteht kein Fieber. Der Patient
berichtet, vor etwa einer Woche mittels eines CT der Wirbelsäule mit Kontrastmittel untersucht wor-
den zu sein. Er habe unter anderem eine Rheumatoide Arthritis und Vorhofflimmern. Die Durchsicht
der Medikamente ergibt folgende Informationen: Mit unserer Choosing wisely-Serie möchten wir Ihnen helfen,
unnötige diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu Auf der Internetseite der
Ein kritischer Blick erkennen. Diesmal haben wir dazu die Top-5-Empfehlungen US-Initiative „Choosing
MEDIKATION
wisely“ finden Sie zahl-
Aufgrund der Zahl der Medikamente und der zu Fragestellungen aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen reiche Beispiele für
Apixaban 5 mg 1-0-1 Vielfalt möglicher Probleme und Interaktionen für Sie ausgewählt. zwecklose und teilweise
Pantoprazol 40 mg 1-0-0
verzichten wir auf eine detaillierte Analyse. Die sogar gefährlichen Maß-
Vorgeschichte und Medikamentenanamnese nahmen. Diese sind nach
Ramipril 2,5 mg

Bisoprolol 2,5 mg
1-0-0

1-0-0
lassen aber vermuten, dass Methotrexat für die
Schleimhautentzündung verantwortlich ist. Der
Patient wurde angewiesen, sich umgehend wie-
A lle Angaben sind wieder eine weitgehend
wörtliche Übersetzung der englischen For-
mulierungen der US-amerikanischen Initiative
2. Nehmen Sie bei chronischer Urtikaria keine
Routinediagnostik-Tests vor!
쐍 Bei der überwiegenden Mehrheit der
Fachgebieten, Testver-
fahren und Beschwerden
gelistet:
Tamsulosin 0,4 mg 0-0-1 der beim Hausarzt vorzustellen und Blutbild, „Choosing wisely“ (siehe Kurzlink zur Website): Patienten mit chronischer Urtikaria lässt
Nierenfunktionwerte und Leberfunktionswerte sich keine definitive Ätiologie festlegen.
Prednisolon 2,5 mg 1-0-0
untersuchen zu lassen. Im Falle des Auftretens 1. Ordnen Sie bei unkomplizierter Rhinosi- 쐍 Eine begrenzte Auswahl von Labortests mag
Leflunomid 20 mg Quelle: 0-1-0 von Fieber solle er sofort die Klinik für eine Unter- nusitis kein Schädel-CT zur Darstellung der im Einzelfall sinnvoll sein, um spezifische
1. http://www.fda.gov/ suchung des Blutbildes aufsuchen. Ihm wird auch Nasennebenhöhlen an und verschreiben Allergene als Ursachen auszuschließen.
Torasemid 5 mg 1-0-0
Drugs/DrugSafety/ucm empfohlen, gemeinsam mit dem Hausarzt die Sie nicht unkritisch Antibiotika! Basierend auf klinischen Verdachtsmomen-
Dronedaron 400 mg
489676.htm
1-0-0
2. https://www.whocc.no/
Medikamente zu prüfen und überflüssige Mittel 쐍 Die akute Rhinosinusitis ist definiert durch ten sind zielgerichtete Labortests zweck-
kvh.link/1703008
3. Arzneiverordnungs- abzusetzen. Da bei möglicherweise reduzierter bis zu vier Wochen andauernde eitrige mäßig. Dagegen sind routinemäßige und
report 20161-0-1
Oxycodon/Naloxon 20/10 mg Immunabwehr eine zusätzliche Besiedlung der Sekretion aus der Nase (anterior, posterior umfangreiche Laboruntersuchungen weder
INTERNET
Schleimhaut mit Hefepilzen vorliegt, erhielt der oder beides), begleitet durch nasale Ob- kosteneffektiv noch mit verbesserten
Methotrexat 15 mg 1x/Woche s.c.
Mann ein Rezept für Nystatin-Lösung. struktion und Schmerz oder Druckgefühl Behandlungsergebnissen verbunden.
Vitamin D3 1000 I.E. 0-0-1 im Bereich des Gesichtsschädels. 쐍 Haut- oder IgE-Tests auf Inhalationsallergene
Dies Beispiel zeigt, dass Patienten oft leitlinien- 쐍 Die überwiegende Mehrheit der akuten oder Nahrungsmittel sind nicht angebracht,
Flohsamenschalen 0-0-1
getreu behandelt werden. Doch wenn zu viele Leit- Rhinosinusitiden wird durch Virusinfektion solange keine klaren anamnestischen Hin-
Iberogast bei Übelkeit 30 min. linien im Spiel sind, können sich Katastrophen verursacht. Lediglich 0,5 bis 2 Prozent ent- weise für bestimmte Allergene als Ursache
vor der Mahlzeit anbahnen. Es bleibt Aufgabe des Hausarztes, wickeln sich zu einer ernst zu nehmenden für die Urtikaria vorliegen.
Patienten auf die Zusammenhänge und mögli- bakteriellen Infektion. Die meisten Fälle
che Probleme mit der Medikamenteneinnahme bessern sich auch ohne Therapie innerhalb 3. Ohne Spirometrie sollten Sie Asthma
hinzuweisen und auf eine überschaubare Zahl von etwa zwei Wochen. bronchiale weder diagnostizieren noch
von Wirkstoffen hinzuarbeiten. Die hausärztliche 쐍 Eine unkomplizierte akute Rhinosinusitis ist behandeln!
Leitlinie Multimedikation kann dabei unterstüt- üblicherweise eine klinische Diagnose und 쐍 Kliniker verlassen sich häufig allein auf
zen (siehe Schwerpunkt). In diesem Zusammen- benötigt keinen CT-Scan oder andere bild- Symptome, wenn sie ein Asthma bronchiale
hang sei erneut das Buch von Peter C Gøtzsche1 gebende Verfahren. Bei unkomplizierten diagnostizieren oder behandeln.
empfohlen, in dem er schlüssig belegt, dass jedes Fällen mit geringen Krankheitssymptomen Symptome alleine können aber zu
Jahr viele Tausend Patienten Todesopfer einer aus- und der Möglichkeit von Kontrollen sind Fehleinschätzungen führen, da
ufernden Pharmakotherapie werden. 쮿 Antibiotika nicht indiziert. Amoxicillin ist sie oft verschiedene Ursachen
das Antibiotikum der Wahl. haben.
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN

Literatur:
1. Peter C. Götzsche, Tödliche Psychopharmaka und
organisiertes Leugnen: Wie Ärzte und Pharma-
industrie die Gesundheit der Patienten vorsätzlich
aufs Spiel setzen, Riva Verlag, 24,99 Euro,
ISBN-13: 978-3868837568

24 KVH aktuell 3|2017 KVH aktuell 3|2017 25

 쐍 Bei Patienten, die in der Lage sind eine spiro-
metrische Untersuchung auszuführen, ist die
Spirometrie essenzielle Grundlage der Diag-
nosestellung. Aktuelle Leitlinien heben den
Wert der Spirometrie bei Behandlung, Ein-
schätzung und Kontrolle von Asthma bron-
DIALOG
쐍 Fehldiagnosen von beidseitigem Erysipel PATIENTENINFORMATION
können zum Fehlgebrauch von Antibiotika
mit potenziellen Nebenwirkungen oder
möglicherweise überflüssigen stationären
TESTOSTERON BEIM ÄLTEREN MANN
Aufenthalten führen.
5. Empfehlen Sie bei Patienten mit fort-
Wechseljahre

chiale besonders hervor. geschrittener Demenz keine Ernährung

쐍 Anamnese und körperliche Untersuchung über PEG-Sonde. Bieten Sie stattdessen
alleine führen leicht dazu, das Ausmaß des
Asthmas zu über- oder unterschätzen. Außer
erhöhten Behandlungskosten besteht das
Risiko von Fehldiagnosen und der Wahr-
Unterstützung bei der oralen Nahrungs-
aufnahme an!
쐍 Bei fortgeschrittener Demenz zeigen Studien
keine Vorteile für den Einsatz der perkutanen
bei Männern – gibt es das?
scheinlichkeit, die korrekte Diagnose und endoskopischen Gastrostomie (PEG) bezüg-
richtige Behandlung zu verschleppen. lich Überlebenszeit, Verhinderung einer Lieber Leser, Verantwortlich
für den Inhalt:
Aspirationspneumonie oder verbesserter Testosteron ist das wichtigste männliche Ge- Diese Anzeichen sind ungenau. Sie können auch
4. Vermeiden Sie den routinemäßigen Wundheilung. Stattdessen bestehen bei den schlechtshormon. Mit zunehmendem Alter sinkt Folgen von Stress oder natürlichem Altern sein Ärztliches Zentrum für
es bei Männern. Das ist ein ganz normaler Vor- Qualität in der Medizin
Einsatz von Antibiotika bei Schwellung Patienten häufiger Druckgeschwüre, die Not- sowie auf andere Erkrankungen hinweisen. Das ist
(ÄZQ) im Auftrag
und Rötung beider Unterschenkel ohne wendigkeit einer körperlichen oder pharma- gang im Körper. Er löst in der Regel keine Be- oft nicht leicht zu unterscheiden. der Kassenärztlichen
klaren Nachweis einer Infektion! kologischen Bewegungseinschränkung sowie schwerden aus. Trotzdem wurde in den letzten
Bundesvereinigung
쐍 Forschungsergebnisse legen nahe, dass eine Beeinträchtigung durch den Ernährungs- Jahren das Krankheitsbild der „männlichen
(KBV) und der Bundes-
ein beidseitiges Erysipel der Unterschenkel schlauch selbst. Wechseljahre“ erfunden – auch als „Testosteron- Den Testosteron-Wert bestimmen
ärztekammer (BÄK)
sehr selten ist. Bei Patienten mit Schwellung 쐍 Hilfestellung bei der normalen Ernährung Mangel im Alter“ bezeichnet. Der Testosteron-Wert wird aus dem Blut bestimmt
www.patinfo.org
und Rötung beider Beine hat dies sehr ist dagegen ein evidenzbasierter Ansatz, um Vielleicht fragen Sie sich, ob Sie Ihre Testosteron- und in Nanomol pro Liter angegeben (Abkürzung:
www.aezq.de
wahrscheinlich andere Ursachen, wie zum die Ernährung der Patienten sicherzustellen. Werte bestimmen lassen sollten. Oder Sie haben nmol/l). Viele Dinge beeinflussen ihn:
Beispiel eine Dermatitis aufgrund von 쐍 In der finalen Phase der Demenz sollte der erfahren, dass Ihre Testosteron-Werte niedrig sind 쐽 Der Wert ist von Mann zu Mann unterschiedlich.
Ödem, Varikose oder Kontaktallergien. Schwerpunkt mehr auf Wohlbefinden und und Sie überlegen, ob Sie zusätzliches Testosteron 쐽 Er verändert sich im Tagesverlauf. So ist er zum
쐍 Wenn geschwollene, rote Unterschenkel menschlichen Kontakt gelegt werden als auf brauchen. In dieser Information erfahren Sie, wie
Beispiel morgens höher als nachmittags.
vorliegen, muss der Arzt auch andere Ursa- Ernährungsziele. Testosteron wirkt und warum Testosteron-Mittel
쐽 Er ist abhängig vom Alter.
chen als Erysipel in Erwägung ziehen, um nur in seltenen Fällen empfehlenswert sind.
eine korrekte Behandlung sicherzustellen. DR. MED. JOACHIM SEFFRIN 쐽 Der Wert kann von Labor zu Labor schwanken.
쐽 Er kann zum Beispiel erniedrigt sein bei: Schlaf-
Was ist Testosteron mangel, Leberschäden, starker Unterernährung,
IMPRESSUM Testosteron wird vor allem in den Hoden gebildet und Doping oder Einnahme von Drogen.
Herausgeber und verantwortlich für die Inhalte:
Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Europa-Allee 90, 60486 Frankfurt am Main beeinflusst viele Vorgänge im Körper: Unter diesen Umständen ist es schwierig, einen
petra.bendrich@kvhessen.de | Tel.: 069 24741-6988 | www.kvhessen.de 쐽 die Entwicklung der männlichen Geschlechts- Bereich anzugeben, in dem der Testosteron-Wert
Redaktionsstab: normal ist. Als Orientierung kann ein Wert zwischen
organe wie Hoden und Penis
Dr. med. Joachim Fessler (verantw.), Dr. med. Christian Albrecht, Petra Bendrich, Dr. Florian Brenck, Dr. med. Klaus Ehrenthal,
Dr. med. Margareta Frank-Doss, Prof. Dr. Andreas Hamann, Klaus Hollmann, Dr. med. Günter Hopf, Dr. Christian Klepzig, 쐽 den typischen männlichen Körperbau mit etwa 10 und 40 nmol/l dienen. Der gemessene
Dr. med. Wolfgang LangHeinrich, Dr. med. Uwe Popert, Karl Matthias Roth, Dr. med. Joachim Seffrin, Dr. Christian Sommerbrodt,
Dr. med. Gert Vetter, Dr. med. Michael Viapiano stärkeren Muskeln, tiefer Stimme und Bart Testosteron-Wert allein darf nicht Grundlage einer
Wenn Sie KVH aktuell Behandlung sein.
Wissenschaftlicher Beirat: 쐽 die Bildung der Spermien
auch auf Ihrem Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt; Prof. Dr. med. Sebastian Harder, Institut
Smartphone oder Tablet für klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt 쐽 das sexuelle Interesse
Die von Mitgliedern der Redaktion oder des Beirats gekennzeichneten Berichte und Kommentare sind redaktionseigene Beiträge;
Testosteron-Mangel als Krankheit
lesen möchten, scannen
Sie einfach den
darin zum Ausdruck gebrachte Meinungen entsprechen der Auffassung des Herausgebers. Mit anderen als redaktionseigenen
Testosteron-Werte im Alter Selten können bei Jungen und jüngeren Männern
Signa oder mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben die Auffassung der Verfasser wieder und decken sich nicht
QR-Code. Sie gelangen zwangsläufig mit der Auffassung des Herausgebers. Sie dienen der umfassenden Meinungsbildung. Die Redaktion behält sich ernsthafte Erkrankungen dazu führen, dass der Kör-
Ab einem Alter von 30 Jahren nimmt die Testoster-
damit direkt zum vor, Leserbriefe zu kürzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Veröffent- per zu wenig Testosteron bildet. Entweder setzt die
lichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- onbildung bei Männern langsam, aber stetig ab.
WebMagazin. oder Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wie alle Geschlechtsreife (Pubertät) nicht ein oder die männli-
anderen Wissenschaften sind Medizin und Pharmazie ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung Das ist normal und kein Grund zur Besorgnis. Sie
erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere, was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in dieser Ausgabe chen Merkmale bilden sich wieder zurück. Um das
spüren davon meist nichts. Dennoch werden folgen-
des Magazins eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autor und Heraus- Hormon im Körper zu ersetzen, erhalten Betroffene
geber große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei Fertigstellung des Magazins entsprechen. de Zeichen „niedrigem“ Testosteron zugeschrieben:
Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Herausgeber jedoch keine Gewähr übernommen Testosteron-Mittel in Form von Gel, Pflaster oder als
werden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. 쐽 Antriebsschwäche
Spritze.
Verlag: 쐽 weniger Muskelkraft
wdv Gesellschaft für Medien mbH & Co. OHG, Siemensstraße 6, 61352 Bad Homburg. Objektleitung: Karin Oettel; Redaktionsko-
ordination: Dr. med. Detlef v. Meien-Vogeler; freie Mitarbeit: Dr. phil. nat. Andreas Häckel, Gestaltung: Steffen Klein, Udo Schankat; 쐽 die sexuelle Lust nimmt ab, Erektionsstörungen
Bildredaktion: Corinna Gab; Herstellung: Dieter Kempiak; Vertrieb: Brigitte Hoemberg
쐽 Hitzewallungen
Bildnachweise: GettyImages/Ditial Vision/Jorg Greuel (1); wdv/Oana Szekely (2); GettyImages/FotografiaBasica (4–5),
www.kvhaktuell.de GettyImages/iStockphoto/donald_gruener (9); GettyImages/iStockphoto/LuVo (12), GettyImages/iStockphoto/xrender (13), riva 쐽 die Knochendichte nimmt ab (Osteoporose)
Verlag (13), Fotolia/brovarky (I), GettyImages/IStockphoto/Dr_Microbe (15), Fotolia/©arrow - stock.adobe.com (22–23),
GettyImages/iStockphotomalerapaso 24), istockphoto/Lubushka (24), Fotolia/pixtumz88 (24-25), GettyImages/iStock/natixa U3
WebMagazin
Redaktionsschluss: 23. August 2017

26 KVH aktuell 3|2017

PATIENTENINFORMATION
TESTOSTERON BEIM ÄLTEREN MANN
Testosteron-Mittel im Alter:
Nutzen und Schaden
Testosteron-Mittel wurden ursprünglich entwickelt,
um Erkrankungen durch Testosteron-Mangel zu
behandeln. Mittlerweile kommen sie häufig auch
bei „niedrigen“ Testosteron-Werten bei Älteren
zum Einsatz, ohne dass Beschwerden oder eine
Erkrankung zugrunde liegen. Grund hierfür ist,
dass Testosteron-Mittel immer stärker beworben
werden. Hersteller versprechen mehr Jugendlichkeit,
Manneskraft sowie ein besseres und längeres Leben.
Forscher haben die vorhandenen Studien zu dieser
Frage ausgewertet. Zusammenfassend stellen sie
für Testosteron-Mittel fest:
쐽 Sie verlängern nicht das Leben.
쐽 Sie verbessern nicht oder nur selten die Sexualität.
쐽 Sie verbessern nicht die körperliche Fitness.
쐽 Sie verbessern nicht die Gesundheit im Alter.
쐽 Es gibt widersprüchliche Ergebnisse zu Herz-
Kreislauf-Schäden: Einige deuten auf ein erhöh-
tes Risiko für Herzinfarkte und Gefäßschäden
hin, andere beobachten keinen Unterschied.
쐽 Es gibt keine Hinweise, dass diese den Blut-
zucker, das Gewicht oder die körperliche
Verfassung bei älteren Männern mit Diabetes
oder „metabolischem Syndrom“ (Blutzucker,
Blutfette und/oder Blutdruck erhöht, Fettleibig-
keit) verbessern
Nebenwirkungen von Testosteron sind: Verdickung
des Blutes mit Thrombose-Gefahr, erhöhte Blutfette,
Kopfschmerzen, Prostatabeschwerden, Brustschwel-
lung, Stimmungsschwankungen und Bluthochdruck.
Was Sie selbst tun können
쐽 Machen Sie sich bewusst: Im Alter bildet der
Körper weniger Testosteron. Das ist normal.
Die „Wechseljahre des Mannes“ gibt es nicht.
쐽 Solange Sie keine Beschwerden haben, lassen
Sie Ihren Testosteron-Wert nicht gezielt unter-
suchen.
Über diesen Kurzlink
쐽 Selbst wenn Ihr Testosteron-Wert niedrig ist, können Sie sich ein
hat ein Testosteron-Mittel vermutlich keinen PDF der Patienten-
Nutzen. Es ist kein Lifestyle-Medikament, das information „Wechsel-
jahre bei Männern –
Jugendlichkeit und Männlichkeit zurückbringt.
Gibt es das?“
쐽 Bei starken Beschwerden und niedrigem herunterladen:
Testosteron-Wert können Sie mit dem Arzt
besprechen, ob Testosteron-Mittel möglicher-
weise in Frage kommen.
쐽 Empfinden Sie Ihr Sexualleben als beeinträchtigt,
sprechen Sie Ihren Arzt an. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, Ihnen zu helfen.
쐽 Einigen Beschwerden können Sie gut durch kvh.link/1703009
Sport und Bewegung entgegenwirken.
쐽 Versuchen Sie, auf eine gesunde Lebensführung INTERNET
zu achten. Dazu gehören neben Bewegung:
eine ausgewogene Ernährung, ein gesundes
Körpergewicht, Verzicht auf Rauchen und wenig
Alkohol.
Auf einen Blick:
Testosteron
쐽 Das Geschlechtshormon Testosteron prägt
unter anderem die männlichen Körpermerk-
male aus.
쐽 Mit zunehmendem Alter bildet der Körper
bei den meisten Männern weniger Testoste-
ron. Das ist normal und keine Krankheit.
쐽 Testosteron-Mittel sind keine Lifestyle-
Medikamente: Sie führen nicht zu einem
gesünderen und längeren Leben. Sie können
mit Nebenwirkungen verbunden sein.