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Aussagemöglichkeiten zur Sozialstruktur der Černjachov-Kultur anhand des


Gräberfeldes in Vojtenki (Ostukraine)

Erdmute Schultze / Michail V. Ljubičev

1. Einleitung

Die Gräberfelder der Černjachov-Kultur sind seit langem Gegenstand der


Forschung. Sie sind durch Biritualismus gekennzeichnet, d. h. Körper- und
Brandbestattung waren gleichzeitig üblich. Zusätzlich zeigen die Körper- und
Brandgräber unterschiedliche Abwandlungen. Neben der Untersuchung der
vielfältigen Bestattungssitten stand immer auch die Frage im Mittelpunkt,
welche Aussagen zur Sozialstruktur sich aus der immer größer werdenden Zahl
untersuchter Gräber ableiten lassen. Von einigen Forschern wurden dazu
Aussagen aus der schriftlichen Überlieferung auf das archäologische Material
projiziert. Die andere Forschungsrichtung arbeitet archäologisch-historisch. Aus
Zeitgründen können wir hier nicht detailliert auf die Forschungsgeschichte und
die Diskussionen zu den verschiedenen Ansätzen eingehen, sondern nur einige
Arbeiten aus den letzten Jahrzehnten anführen:

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Für Erast A. Symonovič (1980; 1995) ging von Merkmalen im Grabbau, der
Qualität und Quantität des Grabinventars sowie der Lage innerhalb des
Bestattungsplatzes aus. Danach rekonstruiert er eine hierarchische Gliederung,
die Vertreter der Oberschicht, Gefolgsleute, Handwerker usw. umfasste.
Nadežda M. Kravčenko (1987) betonte die Kombination der Merkmale, 1) die
Art der Bestattung, 2) Grabanlage und Inventar, bei dem zwischen echten
Beigaben und der persönlichen Ausstattung der Toten zu unterscheiden ist. Sie
hat 531 Gräber aus 15 Gräberfeldern mit statistischen Methoden untersucht,
danach sind 3 archäologisch-soziologische Typen zu unterscheiden, die auf
unterschiedliche Stellung innerhalb der Gemeinschaft hinweisen bis hin zu
Sklaven. Innerhalb der Gräberfelder sind Gruppierungen nach den
verwandtschaftlichen Beziehungen zu beobachten.

Volker Bierbrauer (1989): verband nach einem System von Merkmalen, das er
für Gräber der Oberschicht in der RKZ und VWZ in Zentraleuropa
herausgearbeitet hatte, einige Komplexe auf 10 Bestattungsplätzen der
Cernjachov-/Santana de Mures-Kultur mit zwei seiner Kategorien: Gruppe Ib
und IIa. Die für Mitteleuropa charakteristischen Merkmale einer Oberschicht
wurden dabei etwas abgewandelt.

Galina F. Nikitina (1995, 2008): hob die aus den unterschiedlichen


Weltanschauungen resultierende Probleme für die Rekonstruktion der
Sozialstruktur hervor. Sie untergliederte die Gräber verschiedener Grabformen
in Oselivka und Romankivcy nach der Menge und Qualität des Inventars sowie
Besonderheiten in der Konstruktion der Grabgrube jeweils in eine untere,
mittlere und privilegierte Schicht. Innerhalb der Gräberfelder erkannte sie
Familiengruppen und Gräber mit unterschiedlichem Sozialstatus.

Oksana Gopkalo (2016): entwickelte den Ansatz von Kravčenko weiter und
versuchte, auch die Gliederung von Bierbrauer einzubeziehen. Für ihre
Untersuchungen zog sie bis zu 3184 Gräber aus 77 Fundorten heran. Die
archäologisch-soziologischen Gruppen im System von Kravcenko als AST 1 und
AST 2 bezeichnet, sind danach gewöhnliche Gemeindemitglieder mit geringem
oder mittlerem Wohlstand. Die wohlhabendsten Bevölkerungsteile werden
durch Kriegergräber und andere Bestattungen der Gruppe AST 3 und 3a
repräsentiert. Gräber ohne Beigaben interpretiert sie als Sklaven,
Kriegsgefangene oder arme Freie.

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Im Gegensatz zu diesen jeweils auf einer großen Anzahl von Gräbern von
mehreren Gräberfeldern beruhenden Analysen untersuchen wir die
Aussagemöglichkeiten eines Bestattungsplatzes.

Der Fundort Vojtenki liegt im Bezirk Charkiw im Osten der Ukraine. Der
Bestattungsplatz gehört zu einer ausgedehnten Siedlung der Černjachov-Kultur
und wird seit 2005 durch die Germanisch-Slawische Archäologische Expedition
der Universität Charkiw untersucht. Bis Ende 2020 wurden 260 Gräber
freigelegt, es handelt sich damit um das größte untersuchte Gräberfeld der
Černjachov-Kultur östlich des Dnepr. Das Gräberfeld ist aber noch nicht
vollständig erfasst, die Grabungen gehen jedes Jahr weiter. In einem
Kooperationsprojekt zwischen der Universität Charkiw und der Eurasien-
Abteilung des DAI zum Thema „Bestattungssitten und Sozialstruktur der
Träger der Černjachov-Kultur nach Materialien des Gräberfeldes Vojtenki“
werden seit 2019 die Gräber 1-232 ausgewertet. Dazu gehören die Auswertung
nach archäologischen Kriterien sowie anthropologische Analysen. Diese
Untersuchungen werden durch die Anthropologinnen Aleksandra Kozak,
Tatjana Rudič und Tatjana Slobodjan vom archäologischen Institut der
Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew durchgeführt.
Leider ist es wie bei vielen anderen Projekten im letzten Jahr infolge der
Pandemie zu Verzögerungen gekommen, die anthropologischen und
paläopathologischen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Daher
haben viele der heute präsentierten Resultate noch vorläufigen Charakter und
spiegeln den Arbeitsstand wieder.

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Die Belegungszeit des Gräberfeldes umfasst wie die dazugehörige Siedlung das
4. Jh. und den Beginn des 5. Jhs., was den Phasen C3-D1 nach J. Tejral
entspricht. Es ist immer noch schwierig, die Belegungsabfolge auf dem
Gräberfeld zu rekonstruieren. Nach unseren chronologischen Untersuchungen
befinden sich in der Mitte die frühesten Gräber aus der Phase B des Horizonts
der „klassischen“ Černjachov-Kultur in der Dnepr-Donec-Waldsteppe oder
Stufe C 3. Darum gruppieren sich die Gräber der übrigen Phasen C, D und F.
Vielleicht hat sich das Gräberfeld aus diesem „Kern“ entwickelt? Vielleicht gibt
es die Familienbereiche um diesen „Kern“?

Auf dem Gräberfeld gibt es sowohl Körper- als auch Brandbestattungen. Bevor
wir auf die Details dazu eingehen, sind Störungen bei einer Reihe von Gräbern
zu erwähnen. 39 der 232 Grabanlagen und Inventare wurden in unterschiedlich
starkem Maße bereits in antiker Zeit gestört, was die Aussagemöglichkeiten
dieser Gräber stark einschränkt. Die Körpergräber wurden bereits in antiker
Zeit gestört, wofür verschiedene Ursachen diskutiert werden. Bei den
Brandgräbern treten eher moderne Störungen auf, die mit der Landwirtschaft
und der geringen Grabtiefe der Brandbestattungen zu tun haben.

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2. Bestattungssitten:
Aufgrund des Biritualismus bieten die Gräber ein sehr unterschiedliches Bild.
Hier die Charakteristika der 113 Körpergräber. Darunter waren 2 Gräber mit
Doppelbestattungen, also insgesamt 115 Bestattungen:

● Grabanlage: 88 Gräber in einfachen Gruben, 14 in Nischen, in 7 Gräbern


waren die Gruben mit Abstufungen als Auflagen für eine hölzerne
Abdeckung versehen, 8 Gräber enthielten Konstruktionsteile aus Holz
wie Bretter, 2 Pfostenlöcher.
Lage: 86,6 % der Toten fanden sich in gestreckter Lage auf dem Rücken.
Die Arme lagen seitlich neben dem Körper, in einigen Fällen lagen sie im
Beckenbereich, auch die Beine waren meist lang ausgestreckt, nur
vereinzelt leicht angewinkelt. 3 Bestattungen befanden sich in
gestreckter Seitenlage, 5 in Hockerstellung.

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● Orientierung: bei 103 Bestattungen NS-orientiert, wenige mit


Abweichungen nach NO bzw. NW. Nur 5 Bestattungen waren WO-
orientiert. In der Grabgrube 86 war ein Toter NS-orientiert, der andere
WO-orientiert bestattet
● Grabtiefe: Rund 60 % der Körperbestattungen befanden sich in einer
Tiefe von 0,76-1,50 m, die tiefsten lagen etwas über 2 m. Das flachste
und eines der tiefsten Körpergräber des Bestattungsplatzes fanden sich
nur wenige Meter voneinander entfernt. Alle Nischengräber, Gräber mit
Stufen sowie Gräber mit Abstufungen – also Gräber, für deren Anlegung
ein größerer Aufwand erforderlich war – liegen über 1 m tief. Auffällig ist
auch der Zusammenhang zu den 31 gestörten Körpergräber, denn bei
ihnen ist die Verteilung deutlich zugunsten der tieferen Gräber
verschoben. Anders ausgedrückt – von den 18 tiefsten Körpergräbern
waren nur 5 ungestört.

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Inventar der Körpergräber: Nur 10 der 84 ungestörten Körpergräber enthielten


kein Inventar. In 4 Gräbern fand sich lediglich ein Gegenstand.

Tongefäße bilden die häufigsten Inventarteile. Die Keramik in den Gräbern


umfasste 1-24 Gefäße. Bis auf Vorratsgefäße ist das gesamte Gefäßspektrum
der einheimischen Drehscheibenkeramik vertreten. Es sind vor allem Töpfe,
dazu kommen Schalen. Ergänzt durch Trinkgefäße ergeben bestimmte
Kombinationen ein “Service“. In einigen Gräbern kommen sogar mehrere
solcher Gruppierungen vor. Außerdem ist die Beigabe von Speisen durch
Tierknochen nachgewiesen. Neben Keramikgefäßen finden sich in 15 Gräbern
auch Glasbecher

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Das übrige Inventar umfasst Trachtbestandteile wie Fibeln oder


Gürtelschnallen, Perlen aus unterschiedlichem Material oder auch Anhänger,
die z. T. als Amulette fungierten. Hinzukommen Geräte wie Messer,
Spinnwirtel, Pinzette u.a. Diese Teile treten in den Inventaren einzeln bzw. in
unterschiedlicher Weise miteinander kombiniert auf.

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Charakteristika der Brandgräber


Es wurde 118 Brandgräber ausgegraben: 86 Brandbestattungen ohne Urne: 1)
Leichenbrand kompakt in einer Grube niedergelegt; 2) Leichenbrand in einer
Grube mit Scherben abgedeckt; 3) Leichenbrand und Scherben nicht kompakt
in der Schicht. 32 Urnenbestattungen: 1) Urne ohne Abdeckung; 2) Urne mit
Gefäßabdeckung; 3) Urne mit Gefäßabdeckung und mit einzelnen Scherben; 4)
Urne abgedeckt mit Gefäßunterteil; 5) Urne abgedeckt mit einzelnen Scherben;
6) Urne umgedreht mit Gefäßboden nach oben; 7) Urne umgedreht,
Gefäßboden nach oben, abgedeckt mit einzelnen Scherben; 8) zwei Urnen; 9)
zwei Urnen umgedreht, Gefäßboden nach oben.

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Bisher gibt es in zwei Zonen des Gräberfeldes keine Brandgräber: 1) am


westlichen Rand, wo ausschließlich Körperbestattungen sind; 2) am nord-
westlichen Rand mit tiefen Körperbestattungen und umfangreichem Inventar.
In allen anderen Bereichen des Gräberfeldes gibt es Brandbestattungen. Wir
sehen eine Gruppe von Urnenbestattungen mit umgedrehten Urnen im
Zentrum der bisher untersuchten Fläche. Solche Urnenbestattungen gibt es
auch im südöstlichen Teil des untersuchten Gräberfeldes.

Als Urne wurden meistens Töpfe (24 Gräber) verwendet, in einigen Fällen
auch Schalen (4 Gräber), Vasen (ein Grab), Dreihenkelvasen (ein Grab) oder
Becher (2 Gräber).

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Ein sogenanntes keramisches Service besteht aus Töpfen, Schalen und


Vasen, ein- oder zweihenkliger Kanne und Becher. Die Zusammensetzung der
Gefäßfragmente aus einigen Brandbestattungen spricht für derartige „Service“
in 7 Brangräber und wahrscheinlich in 3 weiteren Brandgräber.
In einzelnen Brandbestattungen gibt es Funde aus Silber oder
verschmolzene Reste von Objekten: im Grab 144 – Beschlag eines Holzgefäßes,
im Grab 190 – nur Silbertropfen.

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In 12 Brandbestattungen fanden sich Reste von Glasgefäßen. Die Glasgefäße


waren in 5 Gräbern Bestandteil der „Service“. In 4 Gräbern befinden sich Reste
der Glasgefäße nur zusammen mit Schmuck und Haushaltsgegenständen oder
mit Fragmenten nur einzelner Gefäße.

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Wegen ihres Inventars gehören vier Gräber zu den besonderen


Brandgräbern. Im Grab 69 lag ein Satz Glasspielsteine, ein römisches
medizinisches Messer, Reste eines Glasgefäßes, Schnalle und Messer. Im Grab
114 waren zwei Sporen und eine besondere Fibel, eine barbarische Imitation
der Bügelknopf- und Zwiebelknopffibeln.

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Im Grab 144 wurde der silberne Beschlag eines Holzgefäßes gefunden.


Vielleicht gehört zu diesem Grab auch die silberne Zweiplattenfibel, die in der
Nähe gefunden wurde. Grab 223 beinhaltete die eisernen Reste einer
Schatulle, ein besonderes Messer, Toilettenbesteck und Eimeranhänger, z. T. in
Form von Rosetten.
Folie 15 Erdmute
3. Merkmale, die den sozialen Status widerspiegeln:

Geschlechtsspezifika: Ausgangspunkt sind einige archäologische Merkmale, die


vor allem in den Körpergräbern zu beobachten sind. Dazu zählen:

● Fibeln liegen aus in 38 ungestörten Körpergräbern vor, einzelne Fibeln


finden sich in den Gräbern von Männern und Frauen, sie sind daher nicht
geschlechtsspezifisch. Fibelpaare oder zwei Fibeln kommen dagegen
nach den bisherigen anthropologischen Bestimmungen nur in
Frauengräbern vor, auch bei Grab 41 mit 3 Fibeln handelt es sich um eine
Frau.
● Perlenschmuck: Anzahl der Perlen variiert in den Körpergräbern stark,
einzelne Perlen treten auch in Männergräbern auf, eine größere Anzahl
Perlen nur in Frauengräbern.

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Nach bestimmten Elementen innerhalb der Grabinventare sind auch einzelne


Brandbestattungen „archäologisch“ als weiblich oder männlich zu bestimmen.
Zu den Männergräbern gehören danach die Gräber 22 und 156 mit ein bzw.
zwei Pfeilspitzen, 114 mit Sporen, 69 mit Glasspielsteinen. Anthropologisch
wurden bisher 5 Gräber (2, 5, 19, 20, 39) als männlich bestimmt. Zu den
archäologisch als weiblich bestimmten Gräbern gehören 24 Brandbestattungen
nach Perlen, bestimmten Anhängern und Spinnwirteln im Inventar.
Diese Ergebnisse entsprechen denen auf anderen Gräberfeldern der
Cernjachov-Kultur.

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Eine derartige Auswertung nach Altersgruppen ist bisher nicht möglich, da die
anthropologische Analyse noch nicht abgeschlossen ist. Daher wird hier nur das
Beispiel der bisher bestimmten Kindergräber unter den Körperbestattungen
angeführt. Es gab mindestens 11 ungestörte Kindergräber. 2 dieser Gräber
waren ohne Inventar. Die übrigen Kindergräber enthielten Inventar in einer
Zusammensetzung, wie sie auch in den Gräbern von Erwachsenen beobachtet
wurde: Sie besteht nur aus Keramik bzw. aus Keramik und Speisebeigaben.
Darüber hinaus enthielten einige Kindergräber Tracht- und
Schmuckbestandteile oder auch Geräte. Zu den insgesamt umfangreichsten
Inventaren gehört Grab 231, die Bestattung eines 2-2,5 Jahre alten Kindes. Mit
24 Gefäßen enthielt es die höchste Anzahl von Gefäßen pro Grab auf dieser
Nekropole. Dazu gehörte auch eine römische Amphora. Die Ausstattung auch
dieses Grabes hat mit dem Alter der Bestatteten nichts zu, sondern die
Schmuck- und Trachtbestandteile im Inventar entsprechen denen einer
erwachsenen Frau.

In diesem Fall erlaubt die Paläopathologie zusätzlich Aussagen zum


Gesundheitszustand und damit auch zu den Lebensbedingungen allgemein. Im
Gegensatz zu der üppigen Grabausstattung weist das Skelett in Grab 231 starke
Schädigungen auf, die auf Defizite an Vitamin C, A, D und Kalzium zurückgehen.
Derartige Erkrankungen werden als Folge einer Hungersnot angesehen oder
mit einer ungenügenden Ernährung durch Muttermilch in Verbindung gebracht.
In jedem Fall handelt es sich um Probleme, die vermutlich die ganze
Gemeinschaft betrafen. Dafür spricht auch, dass zwei weitere Kindergräber mit
ähnlichen Symptomen im gleichen Bereich des Gräberfeldes gefunden wurden.

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Die Qualität und Quantität, der Wert der Grabbeigaben, die Konstruktion und
Form der Bestattung ist mit dem sozialen Status, der wirtschaftlichen Position
des Verstorbenen verbunden. Wie eingangs erwähnt, besteht nach Nadežda
Kravčenko, das Grabinventar aus folgenden Gruppen: Die Gruppe 1 umfasst
„echte Beigaben“, also Gefäße, Speisebeigaben. Gruppe 2 bilden persönliche
Gegenstände (Schmuck, Trachtzubehör, Kämme usw.), die den sozialen Status
des/der Verstorbenen nicht direkt widerspiegelt. Diese Gruppe ist kein
eigenständiges soziologisches Merkmal, sondern spielt eine solche Rolle nur in
Kombination mit den Elementen der Gruppe 1 und der Gruppe 3 –
Haushaltgegenstände und einigen Amulette.

Ein wichtiges Element, das Gräber von Mitgliedern der Familien mit relativ
starker wirtschaftlicher Position hervorhebt, ist in Gruppe 1 das keramische
„Service“.

Auf dieser Grundlage können wir einige Modelle von „Kombinationen“ unter
den Körperbestattungen auf dem Gräberfeld aufstellen.

Merkmalskombination 1 – einfache Grabgrube mit kleinen Pfostengruben, es


gibt „echte Beigaben“ (Service, Speisebeigabe), persönliche Gegenstände
(gekrümmte Nadeln) und Haushaltsgeräte (z.B. Spinnwirtel) (Gr. 13, 183). Dabei
ist das Grab 183 als Gruppengrab zu berücksichtigen.
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Merkmalskombination 2 – einfache Grabgrube, darin ein Service und


Speisebeigaben. In einigen Fällen gehört zum Trinkset auch ein Glasbecher (Gr.
101, 115, 206, 211). Hier gibt es außerdem Gegenstände der Gruppen 2 und 3.
Grab 86/2 hat West-Ost-Orientierung, es ist ohne Service und einzelne Gefäße,
aber es gibt einen Glasbecher, Trachtzubehör und eine Perlenkette.

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Merkmalskombination 3 – Gräber mit Abstufungen, darin ein Service und


Speisebeigaben. Im Grab 96 gehörte zum Service auch ein Glasbecher. Auch
hier gibt es außerdem Gegenstände der Gruppen 2 und 3.

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Merkmalskombination 4 – Nischengräber mit Service, Speisebeigaben sowie


Gegenständen der Gruppen 2 und 3. Nur in drei Gräbern dieses Modells
wurden silberne Teile des Trachtzubehörs entdeckt. Es handelt sich um eine
Fibel aus Grab 41, zwei Fibeln aus Gr. 86/2 und eine Schnalle aus Grab 102.
Zum Service gehören in den Gräber 102 und 117 auch Glasbecher und im Grab
231 eine helltonige Amphore. Bei den Bestattungen dieses Modells gibt es zwei
Ausnahmen. Im Männergrab 66 sind nur 5 Gefäße. Grab 121 hat West-Ost-
Orientierung, darin befand sich nur ein Gefäß und Funde der Gruppen 2 und 3.

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Merkmalskombination 5 – Gräber in einfacher Grube mit Keramik, die aber
kein keramisches Service ergeben, manchmal gibt es Speisebeigaben. In diesen
Gräbern kommen auch Inventarteile der Gruppen 2 und 3 vor.

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Merkmalskombination 6 – Gräber in einfacher Grube mit 1-2 Gefäßen und


nur einzelnen Elementen des Trachtzubehörs oder Haushaltgegenständen.

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Merkmalskombination 7 – Gräber in einfacher Grube ohne Inventar.

Die Merkmalskombinationen 1-4 sind Bestattungen von Vertretern aus


Familien, die wahrscheinlich eine starke wirtschaftliche Position in der
Gesellschaft bzw. in der Familie besaßen. Dies gilt insbesondere für
Bestattungen in großen und tiefen Gruben der Merkmalskombination 2 und
alle Gräber der Merkmalskombinationen 3 und 4.

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Ungewöhnliche Inventarteile können vielleicht Hinweise sein, dass die


Bestatteten in dieser Gemeinde fremd waren. Beispiele dafür sind die Gräber
43 und 114. Das Urnengrab 114 wurde bereits erwähnt. Das Körpergrab 43
enthielt einen handgemachten Topf sarmatischer Tradition und ein
Eisenmesser. Wenn dieses Grab außerhalb eines Gräberfeldes der Černjachov-
Kultur zutage käme, würde man es eindeutig als typisch sarmatisches Grab
interpretieren.
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Spezielle Amulette aus verschiedenen Tierknochen und die Position einiger


Objekte in einzelnen Gräbern können darauf hinweisen, dass sie zu einer
speziellen Kategorie innerhalb der Gesellschaft gehörten – den sogenannten
„Hexen“ oder „Priesterinnen“. Im Grab 23 wurden alle Gefäße umgedreht,
lagen mit dem Gefäßboden nach oben. In den Gräbern 68 und 211 befanden
sich am Gürtel spezielle Amulette aus den Knochen von Hund, Wolf und
anderen Tieren.

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In den Brandgräbern findet sich Keramik in sehr ähnlicher Zusammensetzung


wie in den Körperbestattungen.

Obwohl die Brandgräber eine andere Art der Auslese aufweisen als die
Körperbestattungen, kann man versuchen, einige Parallelen zu unseren
Merkmalskombinationen der Körpergräber zu finden. Die Kombinationen 1-4
mit keramischem Service und manchmal mit Glasgefäß haben Parallelen in
einigen Brandgräbern (2, 31, 48, 114, 150, 173, 216). In drei Gräbern (52, 110,
223) lagen keine Reste eines Services, sondern nur einzelne Fragmente der
Gefäße. Dort sind aber Funde der Gruppen 2 und 3, außerdem Reste von
Glasgefäßen. Wahrscheinlich handelt es hier ebenfalls um Bestattungen mit
relativ hohem sozialem Rang. Es gibt auch Brandbestattungen, die dem Modell
5 der Körpergräber vergleichbar sind wie z.B. Grab 177, in dem eine Fibel,
Perlen, verschmolzene Bronzefunde und, einige Gefäßfragmente lagen.
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Wie eingangs erwähnt, ist das Projekt noch nicht abgeschlossen, außerdem
zeigen die hier vorgestellten Aussagen nur einen Teil dieses komplexen
Themas. Einige Punkte sollen abschließend nochmals genannt werden:

● Der Biritualismus zeigt, dass innerhalb der Gemeinschaft


unterschiedliche Bestattungssitten üblich waren, die vermutlich mit
anderen religiösen/weltanschaulichen Vorstellungen zusammenhängen.
● Die Inventare von Brand- und Körpergräbern sind unterschiedlich gut
erhalten. Durch die Verbrennung sind offensichtlich große Teile der
Totenausstattung zerstört oder nur noch in Fragmenten erhalten.
● Die Keramikzusammenstellung in Brand- und Körpergräbern weist
dennoch große Ähnlichkeit auf. Auch bei einigen anderen Inventarteilen
ergeben sich Ähnlichkeiten. Insgesamt sind daher Brandgräber nicht als
„ärmer“ einzuschätzen, der Vergleich der Inventare von Brand- und
Körperbestattungen zeigt aber auch die Grenzen der
Aussagemöglichkeiten zur Sozialstruktur.
● In Brand- und Körpergräbern sind geschlechtsspezifische Inventarteile zu
erkennen.
● Die Ausstattung der Körperbestattungen von Kindern entspricht oft der
von Erwachsenen.
● Die Kombination von Merkmalen im Grabbauch und der
Zusammensetzung des Grabinventars aus echten Beigaben, persönlichen
Gegenständen sowie Haushaltsgegenständen erlaubt eine
Untergliederung, die Hinweise auf die soziale Position der Bestatteten
enthält.
● Die in Vojtenki ansässige Gemeinschaft war nicht homogen, sondern
umfasste neben Ortsansässigen vermutlich auch „zugezogene“ Personen.
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