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1. Einleitung
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Für Erast A. Symonovič (1980; 1995) ging von Merkmalen im Grabbau, der
Qualität und Quantität des Grabinventars sowie der Lage innerhalb des
Bestattungsplatzes aus. Danach rekonstruiert er eine hierarchische Gliederung,
die Vertreter der Oberschicht, Gefolgsleute, Handwerker usw. umfasste.
Nadežda M. Kravčenko (1987) betonte die Kombination der Merkmale, 1) die
Art der Bestattung, 2) Grabanlage und Inventar, bei dem zwischen echten
Beigaben und der persönlichen Ausstattung der Toten zu unterscheiden ist. Sie
hat 531 Gräber aus 15 Gräberfeldern mit statistischen Methoden untersucht,
danach sind 3 archäologisch-soziologische Typen zu unterscheiden, die auf
unterschiedliche Stellung innerhalb der Gemeinschaft hinweisen bis hin zu
Sklaven. Innerhalb der Gräberfelder sind Gruppierungen nach den
verwandtschaftlichen Beziehungen zu beobachten.
Volker Bierbrauer (1989): verband nach einem System von Merkmalen, das er
für Gräber der Oberschicht in der RKZ und VWZ in Zentraleuropa
herausgearbeitet hatte, einige Komplexe auf 10 Bestattungsplätzen der
Cernjachov-/Santana de Mures-Kultur mit zwei seiner Kategorien: Gruppe Ib
und IIa. Die für Mitteleuropa charakteristischen Merkmale einer Oberschicht
wurden dabei etwas abgewandelt.
Oksana Gopkalo (2016): entwickelte den Ansatz von Kravčenko weiter und
versuchte, auch die Gliederung von Bierbrauer einzubeziehen. Für ihre
Untersuchungen zog sie bis zu 3184 Gräber aus 77 Fundorten heran. Die
archäologisch-soziologischen Gruppen im System von Kravcenko als AST 1 und
AST 2 bezeichnet, sind danach gewöhnliche Gemeindemitglieder mit geringem
oder mittlerem Wohlstand. Die wohlhabendsten Bevölkerungsteile werden
durch Kriegergräber und andere Bestattungen der Gruppe AST 3 und 3a
repräsentiert. Gräber ohne Beigaben interpretiert sie als Sklaven,
Kriegsgefangene oder arme Freie.
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Im Gegensatz zu diesen jeweils auf einer großen Anzahl von Gräbern von
mehreren Gräberfeldern beruhenden Analysen untersuchen wir die
Aussagemöglichkeiten eines Bestattungsplatzes.
Der Fundort Vojtenki liegt im Bezirk Charkiw im Osten der Ukraine. Der
Bestattungsplatz gehört zu einer ausgedehnten Siedlung der Černjachov-Kultur
und wird seit 2005 durch die Germanisch-Slawische Archäologische Expedition
der Universität Charkiw untersucht. Bis Ende 2020 wurden 260 Gräber
freigelegt, es handelt sich damit um das größte untersuchte Gräberfeld der
Černjachov-Kultur östlich des Dnepr. Das Gräberfeld ist aber noch nicht
vollständig erfasst, die Grabungen gehen jedes Jahr weiter. In einem
Kooperationsprojekt zwischen der Universität Charkiw und der Eurasien-
Abteilung des DAI zum Thema „Bestattungssitten und Sozialstruktur der
Träger der Černjachov-Kultur nach Materialien des Gräberfeldes Vojtenki“
werden seit 2019 die Gräber 1-232 ausgewertet. Dazu gehören die Auswertung
nach archäologischen Kriterien sowie anthropologische Analysen. Diese
Untersuchungen werden durch die Anthropologinnen Aleksandra Kozak,
Tatjana Rudič und Tatjana Slobodjan vom archäologischen Institut der
Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew durchgeführt.
Leider ist es wie bei vielen anderen Projekten im letzten Jahr infolge der
Pandemie zu Verzögerungen gekommen, die anthropologischen und
paläopathologischen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Daher
haben viele der heute präsentierten Resultate noch vorläufigen Charakter und
spiegeln den Arbeitsstand wieder.
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Die Belegungszeit des Gräberfeldes umfasst wie die dazugehörige Siedlung das
4. Jh. und den Beginn des 5. Jhs., was den Phasen C3-D1 nach J. Tejral
entspricht. Es ist immer noch schwierig, die Belegungsabfolge auf dem
Gräberfeld zu rekonstruieren. Nach unseren chronologischen Untersuchungen
befinden sich in der Mitte die frühesten Gräber aus der Phase B des Horizonts
der „klassischen“ Černjachov-Kultur in der Dnepr-Donec-Waldsteppe oder
Stufe C 3. Darum gruppieren sich die Gräber der übrigen Phasen C, D und F.
Vielleicht hat sich das Gräberfeld aus diesem „Kern“ entwickelt? Vielleicht gibt
es die Familienbereiche um diesen „Kern“?
Auf dem Gräberfeld gibt es sowohl Körper- als auch Brandbestattungen. Bevor
wir auf die Details dazu eingehen, sind Störungen bei einer Reihe von Gräbern
zu erwähnen. 39 der 232 Grabanlagen und Inventare wurden in unterschiedlich
starkem Maße bereits in antiker Zeit gestört, was die Aussagemöglichkeiten
dieser Gräber stark einschränkt. Die Körpergräber wurden bereits in antiker
Zeit gestört, wofür verschiedene Ursachen diskutiert werden. Bei den
Brandgräbern treten eher moderne Störungen auf, die mit der Landwirtschaft
und der geringen Grabtiefe der Brandbestattungen zu tun haben.
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2. Bestattungssitten:
Aufgrund des Biritualismus bieten die Gräber ein sehr unterschiedliches Bild.
Hier die Charakteristika der 113 Körpergräber. Darunter waren 2 Gräber mit
Doppelbestattungen, also insgesamt 115 Bestattungen:
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Als Urne wurden meistens Töpfe (24 Gräber) verwendet, in einigen Fällen
auch Schalen (4 Gräber), Vasen (ein Grab), Dreihenkelvasen (ein Grab) oder
Becher (2 Gräber).
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Eine derartige Auswertung nach Altersgruppen ist bisher nicht möglich, da die
anthropologische Analyse noch nicht abgeschlossen ist. Daher wird hier nur das
Beispiel der bisher bestimmten Kindergräber unter den Körperbestattungen
angeführt. Es gab mindestens 11 ungestörte Kindergräber. 2 dieser Gräber
waren ohne Inventar. Die übrigen Kindergräber enthielten Inventar in einer
Zusammensetzung, wie sie auch in den Gräbern von Erwachsenen beobachtet
wurde: Sie besteht nur aus Keramik bzw. aus Keramik und Speisebeigaben.
Darüber hinaus enthielten einige Kindergräber Tracht- und
Schmuckbestandteile oder auch Geräte. Zu den insgesamt umfangreichsten
Inventaren gehört Grab 231, die Bestattung eines 2-2,5 Jahre alten Kindes. Mit
24 Gefäßen enthielt es die höchste Anzahl von Gefäßen pro Grab auf dieser
Nekropole. Dazu gehörte auch eine römische Amphora. Die Ausstattung auch
dieses Grabes hat mit dem Alter der Bestatteten nichts zu, sondern die
Schmuck- und Trachtbestandteile im Inventar entsprechen denen einer
erwachsenen Frau.
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Die Qualität und Quantität, der Wert der Grabbeigaben, die Konstruktion und
Form der Bestattung ist mit dem sozialen Status, der wirtschaftlichen Position
des Verstorbenen verbunden. Wie eingangs erwähnt, besteht nach Nadežda
Kravčenko, das Grabinventar aus folgenden Gruppen: Die Gruppe 1 umfasst
„echte Beigaben“, also Gefäße, Speisebeigaben. Gruppe 2 bilden persönliche
Gegenstände (Schmuck, Trachtzubehör, Kämme usw.), die den sozialen Status
des/der Verstorbenen nicht direkt widerspiegelt. Diese Gruppe ist kein
eigenständiges soziologisches Merkmal, sondern spielt eine solche Rolle nur in
Kombination mit den Elementen der Gruppe 1 und der Gruppe 3 –
Haushaltgegenstände und einigen Amulette.
Ein wichtiges Element, das Gräber von Mitgliedern der Familien mit relativ
starker wirtschaftlicher Position hervorhebt, ist in Gruppe 1 das keramische
„Service“.
Auf dieser Grundlage können wir einige Modelle von „Kombinationen“ unter
den Körperbestattungen auf dem Gräberfeld aufstellen.
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Merkmalskombination 5 – Gräber in einfacher Grube mit Keramik, die aber
kein keramisches Service ergeben, manchmal gibt es Speisebeigaben. In diesen
Gräbern kommen auch Inventarteile der Gruppen 2 und 3 vor.
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Obwohl die Brandgräber eine andere Art der Auslese aufweisen als die
Körperbestattungen, kann man versuchen, einige Parallelen zu unseren
Merkmalskombinationen der Körpergräber zu finden. Die Kombinationen 1-4
mit keramischem Service und manchmal mit Glasgefäß haben Parallelen in
einigen Brandgräbern (2, 31, 48, 114, 150, 173, 216). In drei Gräbern (52, 110,
223) lagen keine Reste eines Services, sondern nur einzelne Fragmente der
Gefäße. Dort sind aber Funde der Gruppen 2 und 3, außerdem Reste von
Glasgefäßen. Wahrscheinlich handelt es hier ebenfalls um Bestattungen mit
relativ hohem sozialem Rang. Es gibt auch Brandbestattungen, die dem Modell
5 der Körpergräber vergleichbar sind wie z.B. Grab 177, in dem eine Fibel,
Perlen, verschmolzene Bronzefunde und, einige Gefäßfragmente lagen.
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Wie eingangs erwähnt, ist das Projekt noch nicht abgeschlossen, außerdem
zeigen die hier vorgestellten Aussagen nur einen Teil dieses komplexen
Themas. Einige Punkte sollen abschließend nochmals genannt werden: