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Recht, Rechtswissenschaft und Logik

Author(s): Hans Kelsen


Source: ARSP: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie / Archives for Philosophy of
Law and Social Philosophy , 1966, Vol. 52, No. 4 (1966), pp. 545-552
Published by: Franz Steiner Verlag

Stable URL: https://www.jstor.org/stable/23678287

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ARSP: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie / Archives for Philosophy of Law and Social
Philosophy

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ff:ffff:ffff:ffff:ffff:ffff on Thu, 01 Jan 1976 12:34:56 UTC
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Recht, Rechtswissenschaft und Logik
von Hans Kelsen, Berkeley/California

In den Mitteilungen der Kgl. Niederländischen Akademie der Wissen


schaften* ist kürzlich eine Abhandlung: „The Use of Logic in Legal
Reasoning" erschienen, in der der Verfasser Ch. Boasson in dem
ersten Kapitel unter der Uberschrift Contra Kelsen gegen mich vor
bringt: ich behaupte „juristische Tätigkeit" (juridical activity) könne we
sentlich logisch sein und die Reine Rechtslehre zeige den Weg dieses
Ideal zu erreichen (how to readi the ideal). Unter „juristischer Tätig
keit" versteht Boasson die Rechtswissenschaft. Deren „Logifizierung"
sei — meiner Lehre nach — die Funktion der Grundnorm. Die große
Menge von ablehnenden und zustimmenden Kommentaren (Boasson
spricht von „enormous ,vogue' of commentaries"), die meine Lehre
von der Grundnorm („Kelsen's hypothetical basic legal norm") veran
laßt hat, sei aus dem Wunsche zu erklären, größere Sicherheit und
strenge Vernunft in Konflikts- und Streit-Situationen zu erzielen. Dieser
Wunsch habe wahrscheinlich manche Autoren veranlaßt, meine Lehre
viel zu bereitwillig anzunehmen. Er selbst habe sich anfänglich ihrem
„Zauber" (spell) nicht entziehen können. „Fast jeder, der in diesem
Jahrhundert mit Problemen der Rechtsphilosophie in Berührung kam,
betrachtete sich verpflichtet, Kelsen beträchtliche Aufmerksamkeit zu
schenken." Die einzige Ausnahme sei Roscoe Pound, der in seiner
Indroduction to the Philosophy of Law (1922, 2nd ed., 1954) von mir
keine Notiz genommen habe. Dazu habe ich zunächst zu bemerken,
daß ich die Grundnorm nicht als „legal" norm, nicht als „Rechts"-Norm
bezeichne. Rechtsnorm ist eine Norm des positiven Rechts. Ich sage
aber ausdrücklich (Reine Reditslehre, 2. Aufl., S. 226), daß die Grund
norm „keine Norm des positiven Rechts" ist; und (S. 443) : der Reinen
Rechtslehre zufolge „gibt es nur ein Recht, das positive Recht. Die von
der Reinen Rechtslehre festgestellte Grundnorm ist kein vom posi
tiven Recht verschiedenes Recht, sie ist nur sein Geltungsgrund." Das
heißt: die Grundnorm ist keine „Rechts"-Norm, weil keine Norm des
positiven Rechts. Dann möchte ich Boasson darauf aufmerksam ma
chen, daß Roscoe Pound in seinem großen Werk Jurisprudence (1959),

Mededelingen der Koninklijke Nedeilandse Akademie van Wetenschappen,


AFD. Letterkunde, Nieuwe Reeks, Deel 29, No. 3, Amsterdam, 1966.

35 ARSP LII/4

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wie aus dem Index, Bd. V, p. 78


Stellen erwähnt.
Für seine Behauptung, ich fordere „größere Logifizierung der Rechts
wissenschaft" beruft er sich (S. 61) auf meine Schrift Geneial Theory
of Law and State (1945) und zwar auf S. 441 dieser Schrift. Aber weder
an dieser noch an irgendeiner anderen Stelle dieser oder irgendeiner
anderen meiner Schriften habe ich als die Funktion der Grundnorm
die Logifizierung der Rechtswissenschaft bezeichnet oder überhaupt
eine solche Logifizierung der Rechtswissenschaft postuliert. Von „Logi
fizierung" spreche ich allerdings in der von ihm zitierten Schrift auf
S. 440; aber nicht von Logifizierung der Rechtswissenschaft, sondern
von Logifizierung des Begriffs der Gerechtigkeit. Die Stelle lautet: „To
reduce the idea of justice to the idea of equality or unity of order me
ans no more and no less than the replacement of the ethical by the
logical ideal. It means the rationalization of the original irrational idea
of justice, the ,logification' of an ideal originally alien to the logos."
Die Anwendbarkeit logischer Prinzipien auf Redits-Noimen ist ein Pro
blem; die Anwendbarkeit logischer Prinzipien auf die Rechts-Wissen
schaft ist aber keines, da diese Wissenschaft wie jede Wissenschaft, als
Erkenntnis, selbstverständlich, weil ihrem Wesen nach, der Logik un
terworfen ist. Es ist daher zwar richtig, daß weder ich noch meine „Be
wunderer" — wie Boasson sagt — gezeigt haben, daß der Begriff der
Grundnorm „die Rechtswissenschaft logifizieren" kann; aber da ich
dies niemals behauptet habe, liegt kein Grund vor, mir diesen Mangel
vorzuwerfen, und gegen meine Lehre zu behaupten, daß eine „solche
Logifizierung unwahrscheinlich" ist.
Boassons Contia Kelsen-Attacke gipfelt in drei Fragen, die, wie er
sagt, durch mein Widerstreben erschwert sind, die Quellen meines
Denkens und die Anregung, die ich erhalten habe, bekanntzugeben
(„to reveal the sources and inspiration of much of his way of thin
king"). Das ist ein sehr ernster Vorwurf, den Boasson dadurch abzuschwä
chen sucht, daß er die Möglichkeit zugibt, sich geirrt zu haben, und
nur mehr von „früheren Parallelgedanken" und „Aufklärung der Kel
senschen Terminologie" spricht („I may well be mistaken in suggesting
that earlier parallel thoughts might long ago have been brought into
focus for the required clarification of Kelsenian terminology") und
sagt, daß zwar manche Parallelen zu auffallend scheinen, um nicht
piima facie einen direkten Zusammenhang (direct link) anzunehmen,
aber hinzufügt: „irgendein bloßes Zusammentreffen kann niemals

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ausgeschlossen werden" („some sheer coïncidence can never be ruled


out"). So versucht er durch Zweideutigkeit die Tatsache zu verhüllen,
daß er nicht in der Lage ist, seinen Vorwurf zu begründen.
Welches sind nun die „Parallelen", auf die sich seine Fragen be
ziehen?
Die erste Frage ist: In welchem Maße meine Formel — Boasson
meint vermutlich die Formel „hypothetische Grundnorm" — direkt
oder indirekt durch Christoph Sigwarts Postulat beeinflußt wurde,
daß ein Syllogismus immer nur in hypothetischer Form dargestellt
werden sollte. Wie aus meinen Ausführungen in General Theory of
Law and State, S. 116, und Reine Reditslehre, S. 23, 46, 197, 208, 443,
hervorgeht, will ich damit, daß ich die Grundnorm als „hypothetisch"
bezeichne, zum Ausdruck bringen, daß sie keine gesetzte, sondern eine
vorausgesetzte Norm ist. Das Wort „Hypothese" bedeutet ursprüng
lich Voraussetzung. In General Theory of Law and State, S. 116, be
zeichne ich die Grundnorm als „ultimate hypothesis" und erkläre dies
wie folgt: „The basic norm ist not created in a legal procédure by a
law-creating organ. It is . . . presupposed to be valid . . ." und in Reine
Rechtslehre, S. 208, sage ich „daß die Grundnorm die Bedingung ist,
unter der der subjektive Sinn des verfassunggebenden Aktes und der
subjektive Sinn der der Verfassimg gemäß gesetzten Akte als ihr ob
jektiver Sinn gedeutet wird." Auf S. 224 sage ich, daß die Theorie dei
Grundnorm „diese Deutung als eine mögliche, nicht als eine notwen
dige" kennzeichnet. Die Grundnorm ist die Antwort der Reinen Rechts
lehre auf die Frage nach dem Geltungsgrund einer positiven Rechts
ordnung. Aber diese Antwort ist keine unbedingte, sondern eine be
dingte. Reine Rechtslehre, S. 443, heißt es: „Auch die Reine Rechts
lehre fragt nach dem Geltungsgrund einer positiven Rechtsordnung,...
aber sie gibt auf diese Frage keine kategorische, d. i. unbedingte, son
dern nur eine hypothetische, d. i. bedingte Antwort. Sie sagt: Wenn
man das positive Recht als gültig betrachtet, so setzt man die Norm
voraus, daß man sich so verhalten soll, wie die historisch erste Ver
fassung, der gemäß die positive Rechtsordnung erzeugt ist, vorschreibt.
Diese Norm bezeichnet die Reine Rechtslehre als Grundnorm." Mit
anderen Worten: die Reine Rechtslehre behauptet nicht: das Recht ist
eine objektive geltende Ordnung, weil man die Norm voraussetzt, daß
man sich der historisch ersten Verfassung gemäß verhalten soll; son
dern: das Recht kann als objektiv geltende Ordnung nur betrachtet
werden, wenn man annimmt, daß man sich der historisch ersten Ver

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548 Hans Kelsen

fassung gemäß verhalten soll, d.h


norm. Die Bezeichnung „hypoth
das geringste mit der von Boas
tun, daß ein Syllogismus nur in h
den sollte. Der Syllogismus, der fü
ist ein normativer Syllogismus,
rellen Rechtsnorm die Geltung ei
Rechtsnorm im Wege eines logisc
lung: „Recht und Logik" (Forum,
142, und November 1965, Heft
rung einer von mir früher vertr
cher Syllogismus logisch nicht
diese Abhandlung nicht, hält sic
lemisieren.
In seiner zweiten Frage (S. 62) ve
er hier sagt, sie ziele darauf, di
tiven („safely ,deductive' ") Wisse
Schrift Über den Begriff der Wis
habe ich zunächst zu bemerken, d
Grundnorm sei: die Rechtswissenschaft zu einer deduktiven Wissen
schaft zu machen, völlig aus der Luft gegriffen ist. Die Lehre von der
Grundnorm steht mit der Frage nach dem induktiven oder deduktiven
Charakter der Rechtswissenschaft in keinerlei Zusammenhang. Wenn
Boasson mit seiner Behauptung meint, die Rechtswissenschaft könne
aus der Grundnorm das positive Recht deduzieren, so zeigt er, daß er
die Reine Rechtslehre nicht versteht. Auf S. 224 Reine Rechtslehre
könnte er lesen: „Der Inhalt einer positiven Rechtsordnung ist von
ihrer Grundnorm völlig unabhängig. Denn — wie mit Nachdruck be
tont werden muß — aus der Grundnorm kann nur die Geltung, nicht
der Inhalt der Rechtsordnung abgeleitet werden." Und S. 443: „Den
Inhalt des positiven Rechts zu bestimmen, überläßt die Grundnorm
dem durch die Verfassung bestimmten Prozeß der positiven Rechtser
zeugimg." Auch die richterliche Entscheidung, in der eine generelle
Rechtsnorm auf einen konkreten Fall angewendet wird, erfolgt — der
Reinen Rechtslehre nach — nicht im Wege einer logischen Deduktion
aus der generellen Rechtsnorm. Die richterliche Entscheidung ist ein
Willensakt, sie hat nicht deklarativen sondern konstitutiven Charakter.
(Vgl. Reine Rechtslehre, S. 242 ff.) Ich sage ausdrücklich: „Der Willens
akt der richterlichen Entscheidung kann nicht im Wege einer logischen

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Schlußfolgerung, d. i. durch eine Denkopeiation, erzielt werden."


(„Recht und Logik," Foium, Heft 143, S. 496).
Bezüglich des Verhältnisses der Reinen Rechtslehre zu Fichtes oben
zitierter Schrift behauptet Boasson (S. 62), der Vergleich beider zeige,
daß „beinahe identische Worte von Fichte und Kelsen gebraucht wer
den, z. B. ,Grundnorm', eine systematische Form' und ein ,logisches
Ganzes' oder ,Totalität'" (almost identical words are used by both
Fichte and Kelsen, for example: 'basic norm,' a 'systematical form'
and a logical whole or 'totality'). Die Worte „systematische Form" und
„Totalität" kommen in unzähligen anderen Schriften vor. Die Forde
rung: Fichtes Schrift darum zu zitieren, weil diese Worte in ihr vor
kommen, ist absurd. Was aber das für die Reine Rechtslehre charakte
ristische Wort „Grundnorm" betrifft, habe ich, durch den Vorwurf
Boassons veranlaßt, die mir bisher unbekannte Schrift Fichtes gelesen
und festgestellt, daß dieses Wort darin nicht vorkommt. Fichte ver
wendet das allgemein gebräuchliche Wort „Grundsatz", nicht das Wort
„Grundnorm". Worauf Fichte abzielt, ist: „den absolut — ersten,
schlechthin unbedingten Grundsatz alles menschlichen Wissens auf
zusuchen." (Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre als
Handschrift für seine Zuhörer. Gesamtausgabe der Bayerischen Aka
demie der Wissenschaften. Werk, Band 2, Stuttgart — Bad Cannstadt,
1965, S. 255). Ein absolut-erster, schlechthin unbedingter Grundsatz
alles menschlichen Wissens ist etwas so völlig Verschiedenes von einer
bedingten Grundnorm einer durch menschliche Willensakte gesetzten
Rechtsordnung, daß ich, selbst wenn ich Fichtes Schrift gekannt hätte,
in keiner Weise verpflichtet gewesen wäre, diese Schrift zu zitieren.
Im übrigen zitiere ich einen „früheren Parallelgedanken", nämlich
die von Walter Jellinek in seinem 1913 erschienenen Werk: Gesetz,
Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 26 ff., vorge
tragene Lehre von einem „obersten Satz aller Rechtsordnung". Dieses
Zitat hätte Boasson in meiner Schrift: Das Problem der Souveränität
und die Theorie des Völkerrechts, 2. Auf., 1928, S. 96, finden können,
wenn er diese Schrift gelesen hätte.
Schließlich behauptet Boasson (S. 63), eine Kritik der FiCHTESchen
Schrift (in: Heinrich Scholz, Mathesis Universalis, Basel, 1961) sei
auch auf mich anwendbar (altogether applicable to Kelsen), denn
Fichtes Schrift sei ein „Programm" geblieben und wäre „nicht weiter
in einer genauen logischen Analyse verfolgt worden" (was not follo
wed up by a precise logical analysis). Da Boasson unmittelbar vorher

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550 Hans Kelsen

nur von der Grundnorm spric


schaft zu einer deduktiven Wis
Behauptung nur auf diese der
beziehen. Da ich aber, wie scho
eine solche Funktion zugeschr
keinerlei Grundlage.
Die dritte Frage Boassons bezi
griffs der Grundnorm zu eine
einem Werke dieses Philosophe
(S. Körner, Kant, Pinguin Boo
1955) zitiert. Wenn man die se
überhaupt verstehen kann, hä
Körner (a.a.O., S. 108/109) form
in einer syllogistischen Argumen
vorzudringen, die nicht selbst
— vom Standpunkt der reinen
dingte Bedingung besteht. Boa
vermeiden, zitiere ich nur das
Kelsen was aware of the Kantia
zitiert] and that he was prepared
ded even on the 'hypothetical'
in any case Kelsen had good rea
apex norm hypothetical." Das h
Kants Ansicht zu unterschätze
eine letzte Bedingung, nur für „
davon, daß Kants These sich auf
nicht, wie die Lehre von der Gru
normen bezieht, und daher für d
nicht in Betracht kommt, beh
norm gilt, sondern nur, daß man
das Rechtsmaterial in einem gew
schon bemerkt — keineswegs die
so zu deuten, die Grundnorm nic
S. 224, sage ich ausdrücklich: „da
Rechtsordnung nur voraussetz
Boassons dritter Einwand gegen
Er fährt fort: „Nichtsdestowenig
teidigung Kelsens vorbringen k
tige, innerhalb des spekulativen

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Recht, Rechtswissenschaft und Logik 551

nachkantischer 'transzendentalen Logik' zu verbleiben. Das scheint mir


vielen von Kelsen selbst erhobenen Ansprüchen zu widersprechen"
(„Nevertheless I do not think that it can be said in defense of Kelsen,
that his 'Pure theory of Law' is really meant to remain within the spé
culative realm of Kantian or perhaps post-Kantian 'transcendental lo
gic.' This seems to me to contradict a good many claims made by Kel
sen himself."). Daß die Reine Rechtslehre im spekulativen Bereich der
kantischen oder post-kantischen Transzendental-Logik verbleiben
könnte, ist etwas, das weder ich noch irgendeiner meiner Anhänger
zur Verteidigung der Reinen Rechtslehre vorgebracht hat, noch vor
bringen kann. Meine Lehre ist eine Rechts-Lehre, keine Logik. Ich
verwende den Terminus „transzendental-logisch" ausschließlich, um
das Wesen der — möglicher- aber keineswegs notwendigerweise vor
ausgesetzten — Grundnorm zu erklären. Das Wort „transzendental"
hat eine erkenntnistheoretische Bedeutung. Nach Kant ist eine Er
kenntnis „transzendental," wenn sie nicht auf die Dinge sondern auf
die Möglichkeit ihrer Erkenntnis gerichtet ist. (Vgl. Rudolf Eisler,
Wöiteibuch der philosophischen Begriffe, 3. Bd., Berlin, 1939, S. 258).
Ich sage Reine Rechtslehre, S. 204: „Wenn ein Begriff der Kantschen
Erkenntnistheorie per analogiam angewendet werden darf", kann die
Grundnorm „als die transzendental-logische Bedingung" einer be
stimmten Deutung gewisser Tatbestände bezeichnet werden. „So wie Kant
fragt: Wie ist eine von aller Metaphysik freie Deutung der unseren
Sinnen gegebenen Tatsachen in den von der Naturwissenschaft formu
lierten Naturgesetzen möglich, fragt die Reine Rechtslehre: Wie ist
eine nicht auf metarechtliche Autoritäten wie Gott oder Natur zu
rückgreifende Deutung des subjektiven Sinnes gewisser Tatbestände als
ein System in Rechtssätzen beschreibbarer objektiv gültiger Rechtsnor
men möglich?" Die Antwort auf diese Frage ist: die Voraussetzung der
Grundnorm.
Daher ist auch das, was Boasson im Folgenden über Husserls Dis
kussion der Transzendental-Logik ausführt, für die Reine Rechts
lehre gänzlich gegenstandslos. Nur mit Rücksicht auf die von Boasson
in diesem Zusammenhang gemachte Bemerkung: Husserl spiele keine
Rolle in meinem Denken, möchte ich Boasson auf meine Schrift Der
soziologische und der juristische Staatsbegriff, 2. Aufl., 1962, S. 81 ;
meine Abhandlung „Zum Begriff der Norm" (Festschrift für H. C.
Nipperdey, München und Berlin, 1965, I, S. 63—65) und meine Ab
handlung „Eine phänomenologische Rechtstheorie" (österreichische

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552 Hans Kelsen

Zeitschrift für öffentliches Recht


sam machen. Er wird dort fests
Logische Untersuchungen nicht un

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