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• vor allem im Kloster St. Martial in der südwestfrz. Stadt Limoges, das von 1000-1200
ein Zentrum klösterlicher Gesangskunst war. 4 Kodizes enthalten geistliche
Strophenlieder (versus), die tw. 2stimmig in dem beschriebenen Stil gehalten sind.
• Jüngeres Cambridger Liederbuch: vermutl. in England geschrieben; enthält 2st.
geistl. Gesänge, Liebeslieder und moralisch-satirische Gesänge.
• Codex Calixtinus im Kathedral-Archiv in Santiago de Compostela. Enthält neben 1st.
Mess- u. Offiziumsgesängen im Stil des römisch-gregorianischen Chorals einen
Anhang von 2st. Organa geistlichen Inhalts.
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Beispiel eines neuen Organums in der Übertragung von Hans
Heinrich Eggebrecht (Musik im Abendland, S. 61)
• Die Bindebögen geben die mehrere Töne verbindenden Neumen des Originals
wieder.
• Die eingekreisten Töne sind die mit dem Cantus konsonierenden Gerüsttöne.
• Die übrigen Töne umspielen diese Haupttöne der Organalstimme.
• Die melismatische Stimme hat keinen auf einfache Tonlängenverhältnisse
zurückführbaren Rhythmus. Wie sie rhythmisch realisiert wurde, ist nicht mehr
rekonstruierbar.
• Die neue Art organalen Duettierens hat weitreichende Folgen für die Herstellung und
Aufführung solcher mehrstimmiger Gesänge:
• In der Entscheidung, welche Intervalle die organalen Zusatzstimmen mit dem Tenor
bilden, besteht Wahlfreiheit. Damit wird die Zufügung der organalen Stimmen zu
einem Akt der Komposition im modernen Sinne.
• Da die Zusatzstimme in wechselnder Intervalldistanz zum Tenor steht, ist sie in
ihrem melodischen Verlauf vom Tenor unabhängig. Es handelt sich um eine
selbständige Stimme.
• Daher stellt die Festlegung ihres Verlaufs eine wirkliche Neuschöpfung dar.
• Eine chorische Stegreifausführung scheidet damit aus. Eine solistische
Stegreifausführung ist noch möglich. Doch nimmt die Neigung zu, die aus der
Verfertigung einer vox organalis entstehenden einmaligen, individuellen Gebilde
schriftlich zu fixieren.
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Das Organum - Zum Begriff
• Das Organum kann zwei-, aber auch drei- und vierstimmig sein. Je nachdem spricht
die Literatur von organum duplum, triplum oder quadruplum.
• Das organum purum meint eine bestimmte Form des zweistimmigen Satzes, die in
reiner Ausprägung nur im organum duplum vorkommt.
• Diese Satzart ist gekennzeichnet durch lange, orgelpunktartige Töne des Tenors und
lange Melismen der zugefügten Stimme („Duplum“).
• Weder die Noten des Tenors noch die des Duplums weisen nach Aussage des
Johannes de Garlandia zufolge eine „recta mensura“ auf. D.h., ihre Dauern stehen
nicht in einem einfachen Verhältnis zueinander. Für diese Behauptung spricht das
von der Notation der im Discantus-Stil gehaltenen Abschnitte abweichende
Notenbild. Man kann aber nicht ohne weiteres annehmen, dass organa dupla
rhythmisch genauso frei gestaltet wurden wie die Organa von Saint Martial. Wie die
Notation solcher Organa zu übertragen ist, ist in der Forschung bis heute umstritten.
• An Stellen, an denen im Tenor ein neuer Ton eintritt, bilden Tenor und Duplum
überlicherweise konsonante Intervalle (Quinte, Einklang, Oktave, gelegentlich
Terzen, Sexten). Meist sind nur Teilabschnitte des Organums als organum purum
gestaltet. Deren durch die geschilderte Satztechnik und Rhythmik gekennzeichnete
Faktur nennt man Organalstil.
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Beispiel eines Organum duplum. Rhythmische Übertragung des Beginns der Klausel
durch Hans Tischler (The Parisian Two-Part Organa. The Complete Comparative
Edition, New York 1988 Bd. 1, S. 613):
Discantus, Diskantstil
• Discantus nennt Johannes de Garlandia jene Teile des Organums, in denen Tenor
und zugefügte Stimmen einer exakten rhythmischen Proportionierung unterliegen.
• Discantus ist die lateinische Übersetzung von „diaphonia“ = Mehrstimmigkeit
• Nur jene Partien des Organum duplum, in denen der Tenor selbst ein längeres
Melisma hat, sind in dieser Satzart gestaltet.
• Die im Diskantstil komponierten Partien sind nach Anonymus IV z. T. spätere
Zufügungen. Für eine solche Einfügungspraxis spricht die Sammlung von
Diskantuspartien in einigen Handschriften, die das Notre Dame-Repertoire
überliefern. In den theoretischen Schriften der Zeit werden solche „Fertigbauteile“
als „clausulae“ (Klauseln) bezeichnet.
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Unterschiede zwischen Organal- und Diskantstil
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Notre Dame-Epoche: Quellen der Überlieferung I
• Quellenhandschriften
• Die Angaben des Anon. IV stimmen gut mit der Quellenlage überein. Die folgenden
Handschriften enthalten je eine Fassung des Magnus liber organi:
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Die Notation der Notre Dame-Epoche I
• Quadratnotation:
• Um die Mitte des 12. Jahrhunderts entsteht im nördlichen Frankreich eine
Neumenschrift, die sich von der früheren dadurch unterscheidet, dass an Stelle von
Punkten und Strichen Quadrate verwendet.
• Sie wird daher Quadratnotation genannt. Aus dem punctum der Neumenschrift wird
in ihr die Brevis (abgekürzt: B), aus der virga die Longa (abgekürzt: L):
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Modalnotation I
• In der Modalnotation kann die Dauer der Einzeltöne nicht an der Form der
Notenzeichen abgelesen werden.
• Er lässt sich vielmehr aus der charakteristischen Konstellation bzw. Abfolge
mehrerer Notengruppen bzw. Ligaturen ableiten. Die Modalnotation wird wegen
dieses Sachverhalts als Gruppennotation bezeichnet.
• Die Modalnotation verdankt ihren Namen den sogenannten Modi. Die Bezeichnung
hat nichts mit der Lehre von den Kirchentönen zu tun. Vielmehr wurden in der
Theorie des 13. Jahrhunderts bestimmte Grundrhythmen als “Modi” bezeichnet.
• Alle Grundrhythmen der Modalnotation sind dreizeitig, lassen sich bei Umschrift in
die moderne Notation also als Dreiertakt (3/4, 3/8) wiedergeben. Eine Stimme hatte
den einmal gewählten Modus konsequent beizubehalten.
• Die Modalrhythmik kennt nur zwei Notenformen, die kurze Brevis (B) und die
längere Longa (L). Das Längenverhältnis beider Werte hängt vom jeweiligen Modus
ab.
Modalnotation II
2. Modus 2:1 BL
5. Modus 3:1 LL
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Modalnotation III
Perfektion:
• Der Tabelle ist zu entnehmen, dass die L im ersten und zweiten Modus soviel gilt wie
2 B. Im 3., 4. und 5. Modus gilt sie jedoch soviel wie 3 B.
• Die Theoretiker nannten die kürzere L Longa imperfecta, die längere perfecta. Diesen
Bezeichnungen liegt die Auffassung zugrunde, dass nur dreizeitige rhythmische
Einheiten vollkommen sind.
• Diese Grundregel der Modalrhythmik wurde theologisch mit dem Verweis auf die
Trinität (die Dreieinigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und Heiligem Geist) begründet.
Alteration
• Im 3. und 4. Modus sind die beiden B von ungleicher Länge. Die zweite ist jeweils
doppelt so lang wie die erste und in der Länge gleich einer imperfekten Longa.
• Die Theoretiker nannten die kurze Brevis brevis recta, die zweite brevis altera.
• Verwendet wurden in den Notenhandschriften der Zeit fast nur der erste, zweite,
dritte und fünfte Modus. Der sechste Modus erscheint gelegentlich in späten
Quellen. Der vierte ist ein Konstrukt der Theoretiker.
Modalnotation IV
Divisio modi
• Die modal rhythmisierten Melodien werden durch senkrechte Striche in mehr oder
weniger lange Phrasen eingeteilt. Die Striche heißen divisio modi.
• Die Einheiten umfassen 1 bzw. mehrere rhythmische Grundformeln. Dabei gilt die
Regel, dass die letzte Note der Phrase von gleicher Länge sein muss wie die erste.
Phrasen des 1. Modus beginnen und enden demnach mit einer Longa imperfecta,
Phrasen im 2. Modus mit einer Brevis recta usw.
• Damit bleibt die letzte dreizeitige Zelle (man sagt: die letzte Perfektion) der Phrase
unvollständig. An die Stelle einer gesungenen Note tritt eine Pause, die den
fehlenden Wert ergänzt: Auf die letzte L des 1. Modus folgt eine Pause von der Länge
einer B, auf die letzte B des 2. Modus eine Pause von der Länge einer L usw. Die
divisio modi ist demnach das erste grafische Symbol einer Pause.
Der Ordo-Begriff
• Je nach der Zahl der in einer Phrase enthaltenen rhythmischen Formeln
unterscheidet die Theorie primus, secundus, tertius... ordo.
• Gezählt werden nur die vollständigen Formeln, nicht die aus Schlussnote und Pause
gebildete letzte dreizeitige Perfektion.
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Extensio modi
Die letzten Noten am Ende eines Ordo werden häufig entgegen dem rhythmischen
Grundmuster gedehnt. Wird z. B. im 1. Modus eine Phrase des secundus ordo mit
einer einzelnen L beschlossen (LBL BL L ), so ist die L am Ende der vorausgehenden
Binaria-Ligatur perfekt. Sie schließt gleichsam den Wert jener B ein, die eigentlich in
einer nächsten Binaria folgen müsste. Die letzte, als Einzelnote notierte L ist dann
wieder imperfekt, da ihr eine B-Pause (der senkrechte Strich, der im Beispiel die
divisio modi darstellt) folgt. Die gesamte Einheit wird wie folgt übertragen:
Im 2. Modus wird ein Ordo nicht selten von zwei L beschlossen, die dann zwei
Perfektionen ergeben. Notiert ist BL BL L L. Die zweite L ist allerdings imperfekt und
wird um eine B-Pause ergänzt::
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Die Plica
• Ursprung:
• Die Plica entstand aus zwei Neumen:
• Ausführung:
• Die als Plica notierte Note unterscheidet sich von den normalen Noten durch eine
besondere Stimmgebung. Der Theoretiker Magister Lambert schildert diese als
„teilweises Schließen des Kehldeckels, verbunden mit einer leichten Reperkussion
der Kehle.“ Es handelt sich demnach um eine Verzierung.
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Analyse der Diskant-Klausel „Ex semine“ II
• Duplum und Triplum stehen im ersten Modus. Die divisiones modi markieren die
Schlüsse der ordines.
• Am Ende der ordines liegt häufig extensio modi vor.
• Gliederung:
• Die rhythmische und satztechnische Struktur der Klausel lässt eine regelmäßige
Einteilung in gleichlange Einheiten sichtbar werden, die jeweils aus 2 ordines des Tenor
bestehen.
• Rhythmisch ist diese Gliederung daran zu erkennen, dass auch in Duplum und Triplum
an dieser Stelle ordines enden. Meist tritt auch in diesen Stimmen eine Pause von der
Dauer einer perfekten Longa ein. Schreibt man den Satz in Partitur, so wird eine
regelmäßige Gliederung in Gruppen von 4 Mensuren sichtbar.
• In der Schlussphase der Klausel zeigen die Oberstimmen entsprechend der fehlenden
Ordinierung des Tenors keine symmetrische Gliederung mehr.
• Satzstruktur:
• Satztechnisch werden diese Schlüsse jeweils dadurch hervorgehoben, dass alle drei
Stimmen im Einklang zusammenkommen. ( Ausnahme M 28: Duplum und Triplum
bilden mit Tenor eine Quinte). Hier beginnt die freier gestaltete Schlussphase der
Klausel, in der der Tenor nicht mehr der rhythmischen Ordinierung unterliegt.
• Wo die Stimmen im Satz sonst zusammen erklingen, bilden sie fast immer weniger
perfekte Intervalle.
• Da nach jeweils vier Mensuren eine formale Einheit endet, haben die jeweils folgenden
Mensuren den Charakter von Anfängen. Auch an diesen Anfängen erklingen
überwiegend perfekte Zusammenklänge, doch sind hier anders als an den Schlüssen
neben den als perfekt geltenden Einklängen, Oktaven, Quinten und Quarten auch
Terzen möglich.
• Meistens beginnen die Formabschnitte mit einem Klang, der weniger perfekt ist als
der Schlussklang:
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Analyse der Diskant-Klausel „Ex semine“ IV
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