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Version:
9
MENOPAUSE
Date:
15.03.2019
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Autor: M. BirkhäuserBasel
1. GRUNDLAGEN
Der Begriff Menopause („ménespausie“) war erstmals 1816 von Gardanne verwendet worden.
Zunächst wurde die Menopause mit dem Ausfall neuraler ganglionärer Regelfunktionen erklärt.
Erst 1910 erkannte S.H.A. Marshall, dass das Ovar zu den endokrinen Organen gehört und die
Menopause somit Folge eines Hormonausfalls sein muss.
Mit Menopause wird der Zeitpunkt der letzten ovariell gesteuerten Menstruation bezeichnet.
Ohne Hormonbestimmungen (FSH) kann die Menopause erst rückwirkend nach Ablauf einer
12-monatigen sekundären Amenorrhoe festgestellt werden.
Diese Definition stützt sich auf die klinische und epidemiologische Evidenz, dass die
Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens von regelmässigen Zyklen nach einer Amenorrhöe von
12 Monaten äusserst gering ist.
Endokrin gesehen ist die Menopause eine physiologische Form der primären
Ovarialinsuffizienz. Sie tritt zwischen 40 und 56 Jahren ein, im Mittel mit 51 Jahren. Somit
beträgt nach der Menopause die Lebenserwartung noch rund 30 Jahre.
Die Menopause tritt bei sehr schlanken Frauen, bei Unterernährung und bei Raucherinnen
um rund 1,5 Jahre früher ein.
Regelmässiger Alkoholkonsum führt zu höheren Oestrogenspiegeln und einer späteren
Menopause.
Das Ziel ist es, die für regelmässig menstruierende Frauen typischen mittleren Serumöstradiol-
Spiegel von circa 100 pg/ml (400 pmol/l) zu erreichen.
Bis zum Zeitpunkt der erwarteten normalen Menopause können kombinierte
Oestrogen/Gestagen-haltige kontrazeptive Pillen (COCs) eingesetzt werden, doch fehlen dazu
Daten zu deren Wirkung auf Knochen und kardiovaskuläre Erkrankungen.
relative, prozentuale
Eintretenswahrscheinlichkeit
Mittleres Alter bei Eintritt der Menopause (Europa): 50-52 Jahre (Range: 40-56 J.).
Die Perimenopause umfasst die Zeit ab dem Auftreten unregelmässiger oder verkürzter
Zyklen bis 12 Monate nach der letzten spontanen Menstruation.
Die perimenopausale Uebergangszeit beginnt im Mittel im Alter von 47,5 Jahren (bei 95%
aller Frauen: 39-51 Jahre) und dauert durchschnittlich 5 Jahre (für 95% aller Frauen: 2-8
Jahre).
WHO und IMS (Internationalen Menopausen-Gesellschaft) haben weitere Definitionen
publiziert, die in der Praxis aber wenig gebräuchlich sind (siehe Anhang I)
In der unmittelbaren Prämenopause nimmt zunächst die Reserve an kleinen Follikeln ab. Die
absinkenden Inhibinspiegel weisen auf die verminderte Follikelreserve hin, woraus sich als
Hinweis auf eine erschwerte Rekrutierung der Follikelkohorte der diskrete Anstieg der Serum-
FSH-Werte in der frühen Follikelphase ergibt. Mit der ansteigenden FSH-Sekretion kommt es
zur physiologischen Verkürzung der Follikelphase.
2-8 Jahre vor der Menopause treten vermehrt Lutealinsuffizienz und Anovulation mit einem
Anstieg der Inzidenz von Follikelpersistenz und dysfunktionellen Blutungen auf.
Die Oestradiolwerte verbleiben bis rund 12 Monate vor der Menopause weitgehend im
Normalbereich der fertilen Lebensphase einer Frau.
Nach dem Alter von 40 Jahren verlaufen 30-50% aller Zyklen gemäss Basaltemperaturkurve
abnorm (Lutealinsuffizienz oder Anovulation). Die LH-Sekretion ist zunächst noch normal.
Sekundär zur Abnahme der funktionellen Qualität der Follikel steigt später auch die LH-Sekretion
an.
Das postmenopausale Ovar wird kleiner, seine Form unregelmässig runzlig. Relativ gesehen
nehmen die Stromaelemente deutlich zu.
Das ovarielle Stroma produziert unter LH-Stimulation auch nach der Menopause noch Steroide
und trägt weiterhin ca. 20% zur täglichen Androstendion-Produktion bei. Eine beidseitige
Ovariektomie in der Postmenopause führt zu einem Abfall der Testosteron-Produktion um ca.
50%.
Die verbleibenden 50% stammen aus der Nebennierenrinde. Nach beidseitiger Ovariektomie
kann es somit zu einem klinisch relevanten Androgenmangel mit Libidoabfall kommen.
Die reduzierte Fertilität ist das erste Zeichen der ovariellen Alterung. Nach 35 sinkt die
Fertilität einerseits wegen der Alterung des Oocyten selbst und andererseits als Folge der
abnehmenden Follikelreserve und der zunehmend gestörten Follikelreifung. Bei positivem
Kinderwunsch erlauben die Serumwerte des Anti-Mullerian Hormones (AMH) eine Aussage über
die noch vorhandene Follikelreserve. Auch bei bereits erhöhtem FSH ist eine Frau auch in der
Perimenopause noch fertil, so dass weiterhin eine Kontrazeption notwendig ist. Die Fertilität
bleibt erhalten, solange noch ovalutorische Zyklen möglich sind.
Da die maximale Knochenmasse vor allem in der Adoleszenz zwischen 11 und 18 Jahren
erworben wird, und da die noch mögliche Zunahme der Knochenmasse mit spätestens
30 Jahren abgeschlossen ist, ist ein normales endokrines Milieu und damit eine normale
Oestrogen-Produktion sowie eine gesunde Ernährung in diesen Jahren entscheidend.
Jede Form der Ovarialinsuffizienz führt bei 25% der betroffenen Frauen zu einer High-Turnover
Situation des Knochenstoffwechsels und damit zu einer Estrogen-Mangel-bedingten
Osteoporose. Das Prinzip ist bei einer sekundären Amenorrhö und beim Uebergang in die
Postmenopause das gleiche. Dies kann bereits bei der jungen Frau mit primärer oder
sekundärer Amenorrhoe einen hochgradigen Verlust an Knochensubstanz auslösen Daher sollte
jede Frau mit einer Amenorrhöe von mehr als 6 Monaten Dauer mit Oestrogenen substituiert
werden. Dies gilt insbesondere für jede Form der vorzeitigen Menopause.
Jede Form der Ovarialinsuffizienz führt bei 25-30% der betroffenen Frauen zu einer High-Turn-
over-Situation mit Oestrogen-Mangel-bedingter prä- oder postmenopausaler Osteoporose und
muss bei einer Dauer > 6 Monate substituiert werden.
Währendem früher der Anstieg des kardiovaskulären Risikos in der Postmenopause vor allem
der Veränderung des Lipidmusters zugeschrieben wurde, gilt heute, dass die Progression der
Atherosklerose nach der Menopause überwiegend durch den Wegfall der protektiven
Oestrogenwirkung direkt auf die Gefässwand via lokale Oestrogen-Rezeptoren beschleunigt
wird. Oestrogene schützen bei frühem Beginn die Arterien durch eine kombinierte Wirkung auf
das Endothel und auf die glatte Muskulatur der Gefässwand („window of opportunity“: MHT-
Beginn < 60 Jahren resp. innert der ersten 10 Jahre nach der Menopause). Bei einem
Therapiebeginn im Alter < 60 Jahren fanden sich in der WHI-, der Nurses' Health Study und der
DOPS-Studie unter Estrogenen ein signifikant niedrigeres Risiko für koronare Erkrankungen und
eine geringere kardiovaskuläre Mortalität.
Die gleichen Symptome finden sich mit Ausnahme der vasomotorischen Instabilität unabhängig
vom Alter der Patientin auch bei jeder funktionellen oder iatrogenen prämenopausalen Störung
mit einem längerdauernden Oestrogendefizit. Sie sind somit unabhängig von der Aetiologie des
ovariellen Ausfalls. Dagegen tritt die vasomotorische Instabilität nur bei primärer
Ovarialinsuffizienz, zum Beispiel bei ovarieller Suppression durch Gonadotropin-releasing
Hormon-Analoga (GnRH-Analoga) über 3-6 Monate oder bei vorzeitiger Menopause jeder
Aetiologie auf, nicht aber bei hypothalamischen Ursachen, wie zum Beispiel bei sekundärer
Amenorrhöe wegen Stress oder bei Essstörungen.
Insbesondere die vasomotorischen und die vaginalen Symptome können sich als Folge des
Rückganges der ovariellen Oestrogensekretion bereits vor Eintritt der Menopause manifestieren.
Im Rahmen des klimakterischen Syndromes kommt es auch häufig zu psychischen
Veränderungen, zu Muskel- und Rückenschmerzen und zu Arthralgien. Auch diese Symptome
können bereits vor dem Eintritt der Menopause auftreten und werden oft falsch zugeordnet
("Rheuma").
Dagegen beginnen Harnwegsbeschwerden in der Regel erst einige Jahre nach der Menopause.
Vasomotorische Symptome und die klassische vulvovaginale Atrophie dürfen überwiegend mit
den menopausalen hormonellen Veränderungen in Zusammenhang gebracht werden. Doch sind
nicht alle subjektiven Symptome, welche während der menopausalen Übergangszeit auftreten,
auch eine direkte Folge der hormonellen Veränderungen. Schlafstörungen, Vergesslichkeit und
eine allgemeine geistige und körperliche Erschöpfung können als Folge von vor allem
nächtlichen starken Wallungen auftreten, doch müssen u.U. differential-diagnostisch auch nicht-
klimakterische Erkrankungen in Betracht gezogen werden.
Wallungen sind unter Stress häufiger und werden durch psychogene und emotionale
Komponenten beeinflusst.
Rund 85% der symptomatischen Frauen leiden länger als 1 Jahr an Wallungen, 25-50% länger
als 5 Jahre.
Bei Asiatinnen sind vasomotorsiche Beschwerden seltener, dafür finden sich dort signifikant
mehr Muskel- Gelenk- und Rückenschmerzen.
Schlafstörungen sind in der Peri- und frühen Postmenopause häufig und betreffen in dieser
Lebensphase über 40% der Frauen.
Schlafstörungen stehen nicht nur in enger Wechselbeziehung zu vor allem nächtlichen
vasomotorischen Beschwerden, sondern auch zu Depressionen und Angststörungen. Häufig
treten auch weitere vegetative Beschwerden wie Palpitationen, Schwindelgefühl, vermehrte
Ermüdbarkeit oder, seltener, Kollapsneigung auf.
Psychische Symptome
Die Folgen des Oestrogen- und des Androgenmangels auf Psyche und Sexualität werden häufig
unterschätzt. In Peri- und Postmenopause kann es auch bei Frauen mit geringen
vasomotorischen Störungen vermehrt zu Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit,
Aggressivität, Nervosität, Stimmungsschwankungen, Spannungszuständen, depressiven
Verstimmungen, Verminderung des Selbstwertgefühles kommen. Diese Symptome können
günstig auf eine Oestrogensubstitution ansprechen, wenn sie eine Folge der vasomotorischen
Dysregulation mit konsekutiven Schlafstörungen sind.
Obwohl eine Oestrogensubstitution die Lebensqualität bei Frauen mit Wallungen signifikant
verbessern kann, gehen einige Autoren davon aus, dass die peri- und postmenopausalen
psychischen Probleme nicht nur eine direkte Folge des Oestrogenmangels sind, sondern eher
mit ungünstigen Lebensumständen zusammenhängen. Andererseits sind endokrine
Uebergangszeiten wie Pubertät, Wochenbett und Menopause Lebensphasen mit bekannter
erhöhter psychischer Vulnerabilität, wo bei entsprechender Prädisposition vermehrt
Depressionen auftreten.
Haut, Schleimhäute
In der Postmenopause nimmt der Hautkollagengehalt um ca. 2%/Jahr ab. Eine
Hormonersatztherapie wirkt dem entgegen. Bei korrekter Hormonsubstitution wird ein
altersentsprechend normaler Hautkollagengehalt innert ca. 6 Monaten erreicht.
Allerdings kann eine Estrogensubstitution erworbene Hautschäden als Folge einer extremen
UV-Belastung oder starken Cigarettenkonsums nicht reparieren.
Behaarung
Mit der Menopause vermindert sich die Körperbehaarung inkl. des zu den sekundären
Geschlechtsmerkmalen gehörenden postpubertären weiblichen Behaarungsmusters.
Andererseits findet sich oft eine kosmetisch störende Androgenisierung mit Haarausfall
("Geheimratsecken", diffuse Alopezie), "Damenbart", Hirsutismus und Seborrhoe. Diese
Veränderungen kommen durch ein relatives Androgenübergewicht zustande. Eine MHT wirkt
diesen androgenetischen Veränderungen entgegen, vor allem, wenn sie oral verabreicht wird:
im Gegensatz zur transdermalen fügrt die orale Oestrogengabe zu einem SHBG-Anstieg.
Ein Oestrogenmangel ist oft auch verantwortlich für die bei älteren Menschen häufige
Trockenheit der Schleimhäute von Mund, Nase und Augen; diese Symptome lassen sich in der
Postmenopause durch eine lokale oder systemische Estrogengabe oft verbessern.
Bindegewebe, Bewegungsapparates
Der postmenopausale Oestrogenmangel führt auch zu einem Verlust an kollagenen und
elastischen Fasern und zu einer Dehydrierung im Bindegewebe des Bewegungsapparates
(Gelenke). Dies führt zu unspezifischen "rheumatischen Beschwerden". Die gleichen Prozesse
betreffen auch die Zwischenwirbelscheiben, die an Höhe verlieren und ihre Funktion als
"Stossdämpfer" einbüssen.
Der günstige Effekt der Estrogene auf Gelenke, Bandapparat und Zwischenwirbelscheiben zeigt
sich klinisch an einer signifikanten Abnahme von Gelenk-, Glieder- und Rückenschmerzen.
Urogenitale Veränderungen
Die Schleimhaut von Harnblase und Urethra stammt wie diejenige der Vagina aus dem
ursprünglichen Sinus urogenitalis. Daher beeinflusst der Estrogenmangel sowohl die
Vaginalschleimhaut als auch die Schleimhaut der Urethra und Harnblase. Zwischen
Ausser nach Hysterektomie und Ovarektomie sind für die Sexualität nach der Menopause meist
die Qualität der Partnerschaft und der allgemeine Gesundheitszustand beider Partner wichtiger
als die postmenopausale endokrine Situation. Eine bereits vorbestehende
Partnerschaftsproblematik kann sich akzentuieren. Oft ist ein andrologisches Leiden die
Hauptursache einer Sexualstörung, so dass der Partner immer einbezogen werden sollte.
Abb.: Plasmaspiegel SHBG (a), Testosterons (total) (b), Freiem Androgen-Index (FAI) (c) und
DHEAS (d) im Verlauf der menopausalen Uebergangszeit bei natürlicher Menopause.
[Burger HG et al.; 2000 A prospective longitudinal study of serum Testosterone]
Dennoch kann es in dieser Lebensphase auch bei gesunden Frauen mit intaktem Uterus zu
Veränderungen der Sexualität kommen. Die Ursache kann in einer Dypareunie, einer seltenen
hormonellen Veränderung mit Androgenmangel anderer Ursache, häufig in einer Veränderung
oder in Spannungen in der Partnerschaft oder auch bei sozio-okonomischen Faktoren liegen.
Somit dürfen als Ursache einer sexuellen Dysfunktion soziale, partnerschaftliche und familiäre
Komponenten sowie der Einfluss einer Depression, neurologischer Störungen (z.B. diabetische
Neuropathie, beim Manne oft mit Impotenz) oder schwere Allgemeinerkrankungen nicht
vernachlässigt werden.
Frage an die Patientin: Welche der folgenden Beschwerden haben Sie zur Zeit?
Kreuzen Sie bitte für jede Beschwerde an und wie stark Sie davon betroffen sind. Wenn Sie
eine Beschwerde nicht haben, kreuzen Sie bitte „keine“ an.
Beschwerden:
keine leicht mittel stark sehr
stark
(0 - 4: Punktwerte) 0 1 2 3 4
Wallungen, Schwitzen
(Aufsteigende Hitze, Schweissausbrüche)
Herzbeschwerden
(Herzklopfen, Herzrasen, Herzstolpern,
Herzbeklemmungen)
Schlafstörungen
(Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen,
zu frühes Aufwachen)
Depressive Verstimmung
(Mutlosigkeit, Traurigkeit, Weinerlichkeit,
Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen)
Reizbarkeit
(Nervosität, innere Anspannung, Aggressivität)
Ängstlichkeit
(innere Unruhe, Panik)
Pflanzenextrakte wie vor allem die am besten untersuchte Gruppe der Phytooestrogene (z.B.
Isoflavone in Soya, Rotklee u.a.m.) und Cimicifuga-racemosa-Extrakte können in leichten bis
mittelschweren Fällen klimakterische Beschwerden bessern. Mit Cimicifuga racemosa wurde in
einigen RCTs mit bestimmten Extrakten eine signifikante Senkung von Wallungen beobachtet, in
andern Studien nicht. Unter Einnahme von Isoflavonen zeigen die meisten adäquat
durchgeführten Studien ein günstiges Ergebnis auf leichte und mässige Symptome. Für
Isoflavone und Cimicifuga-Extrakte liegen bei allerdings dünner Datenlage keine Anzeichen für
unerwünschte Wirkungen auf Brustdrüse und Gebärmutter vor. Die Langzeit-Effekte und
Nebenwirkungen der in Pflanzen-Extrakte enthaltenen oestrogenwirksamen Substanzen sind im
Der wichtigste biologische Faktor ist die 2-3-mal grössere Fähigkeit von Asiatinnen im
Vergleich zu Kaukasierinnen, Isoflavone zu Equol zu aktivieren.
Cimicifuga-Präparate und Hopfen können bei leichten und mittel-schweren (nicht aber bei
schweren) Wallungen eine signifikante Reduktion von vasomotorischen Beschwerden
erzielen.
Für andere pflanzliche Präparate wie Johanneskraut (einem Antidepressivum), Nachtkerzen-
Öl, Dong quai, Ginseng, wilder Yam und Gingko liegt dafür keine Evidenz vor.
Die Daten zum klinischen Nutzen der TCM (traditionelle chinesische Medizin, v.a.
Kräutermedizin und Akupunktur) bei vasomotorischen Beschwerden sind widersprüchlich
Merke: Psychopharmaka haben ihre eigene Indikation; sie sind primär nicht zur Behandlung
von Beschwerden geeignet, die auf einen Estrogenmangel zurückzuführen sind. Zentralnervös
aktive Substanzen erhöhen das Fallrisiko und damit das Risiko von osteoporotischen Frakturen.
Östrogene
Zur Substitution sind natürliche Estrogene wie 17-beta-Estradiol, Estradiol-Valerat, Estriol und
konjugierte equine Estrogene geeignet. Letzere sind in der Schweiz nicht mehr erhältlich, aber
in den USA immer noch verbreitet.
Estradiol (E2) und konjugierte Estrogene werden vor allem zur systemischen Substitution
Eine Ausnahme bilden jüngere früh perimenopausale Frauen < 40 Jahren mit gleichzeitigem
Kontrazeptions-Wunsch, wo ein kombiniertes Präparat zur oralen Kontrazeption („Pille“) bei
problemloser vorheriger Einnahme weiter verabreicht werden kann (Kontraindikationen
beachten!). Ein erhöhtes persönliches Thromboserisiko muss ausgeschlossen sein,
Zigarettenkonsum ist kontraindiziert. Dennoch empfiehlt sich ein Wechsel auf eine ERT mit
einem Gestagen-freisetzenden IUD als Gestagenkomponente.
Estriol kann wie 17-beta-Estradiol vaginal-lokal eingesetzt werden. Beide Estrogene haben bei
niedrig und ultraniedrig dosierter Anwendung keine oder nur eine geringe proliferative Wirkung
auf das Endometrium und benötigen deswegen keine zusätzliche Gestagengabe.
Nach der Menopause sollen nur natürliche Estrogene eingesetzt werden. Bei bekannter
Gerinnungsstörung und bei Verdacht auf Thrombophilie ist die transdermale Verabreichung
zu wählen.
Progesteron, Gestagene
Progesteron
Das natürliche Progesteron wird rasch metabolisiert. Es eignete sich deshalb in seinen alten
galenischen Formen nicht zur MHT, so dass überwiegend synthetische Gestagene eingesetzt
wurden. Heute ist Progesteron mikronisiert erhältlich. In dieser Form kann es peroral (aber nicht
transdermal) im Rahmen einer MHT anstelle eines synthetischen Gestagens zum
Endometriumschutz verwendet werden. Mikronisiertes Progesteron kann bei peroraler (nicht bei
vaginaler) Gabe durch einen hepatischen Metaboliten Schläfrigkeit verursachen.
Zur Kontrazeption taugt Progesteron auch wegen seiner fehlenden zentralen Hemmung nicht.
Die bekannten Partialwirkungen eines Gestagens lassen Rückschlüsse auf die zu erwartenden
Nebenwirkungen zu:
Somit haben mikronisiertes Progesteron, die vor allem in Frankreich eingesetzten Pregnane und
nach anderen Daten Dydrogesteron das geringste VTE-Risiko.
Wiederum sind nach den heute vorliegenden Daten die geichen Gestagene wie beim VTE-Risiko
als günstiger einzustufen. Auch das in vielen europäischen Kombinationspräparaten verwendete
Gestagen Norethisteron-Azetat (NETA) scheint punkto Brustkrebsrisiko nach dem DOPS Trial
besser als das in der WHI-Studie verwendete Medroxyprogesteron-Azetat (MPA). Allerdings
liegen bisher keine direkten Vergleichsstudien MPA/NETA vor.
Gestagen-freisetzende IUD's
Die klassische gestagen-freisetzenden Spirale Mirena® kann nach der Menopause anstelle eines
oralen oder transdermalen Gestagens zum Endometriumschutz verwendet werden.
In der Perimenopause empfiehlt sich bei gleichzeitigem Kontrazeptionswunsch eine Gabe von
17beta-Estradiol mit als Gestagenkomponente einem Gestagen-freisetzenden IUD.
Tibolon
Tibolon ist ein synthetisches Steroid mit estrogener, gestagener und geringer androgener
Partialwirkung, das sich als Monopräparat zur kontinuierlichen peroralen Behandlung des
klimakterischen Syndromes und zur Osteoporose-Prophylaxe in der späteren Postmenopause
eignet (Beginn nicht vor 1-2 Jahre nach Menopausen-eintritt). Die übliche Dosierung beträgt
2,5mg/Tag.
Unter Tibolon kommt es in der Regel zu einer Endometrium-Atrophie, so dass ähnlich wie bei
der Gabe eines fix-kombinierten Estrogen-Gestagen-Präparates meist keine Abbruchblutungen
mehr eintreten. Das Blutungsmuster kann allerdings variieren. Unter Tibolone nimmt die Dichte
des Brustgewebes ab.
Merke:
Bei intaktem Uterus müssen bei der menopausalen Hormontherapie (MHT) natürliche
Estrogene mit einem Gestagen (bei entsprechender Indilkation auch mit einem Antiandrogen
mit gestagener Partialwirkung) kombiniert werden. Das Gestagen kann auch intrauterin über
eine Spirale verabreicht werden.
Nach der Menopause wird statt einer kombinierten MHT auch Tibolon eingesetzt.
Androgene
Androgene werden in der Postmenopause nur in seltenen Fällen eingesetzt, z.B. bei
Libidoverlust wegen eines pathologischen Abfalls der Androgensekretion nach Hysterektomie
ohne oder mit Ovarektomie, bei Nebennierenrindeninsuffizienz und bei Panhypopituitarismus mit
komplettem adrenalem und ovariellem Ausfall der Androgensekretion. Eine Androgengabe hat
mit äusserster Vorsicht zu erfolgen und sollte wegen ihres Androgensierungssrisikos dem
Spezialisten vorbehalten bleiben.
Anti-Androgene
Die im Rahmen einer MHT eingesetzten Anti-Androgene (Cyproteron-Acetat und Chlormadinon-
Acetat) sind Abkömmlinge des 17-Hydroxyprogesterons und somit gleichzeitig Gestagene. Auf
den Lipidstoffwechsel wirken sie sich günstig aus. Im Klimakterium werden Antiandrogene, v.a.
Cyproteron-Azetat, niedrig dosiert (5-10mg/Tag) zur Behandlung von Akne, in höheren Dosen
bei Hirsutismus oder Virilisierung eingesetzt.
Die gestagenen Nebenwirkungen von Anti-Androgenen entsprechen weitgehend denjenigen
klassischer Gestagene. Zusätzlich kann die antiandrogene Komponente als unerwünschten
Effekt die Libido senken.
SERM’s
Selektive Oestrogen-Rezeptoren-Modulatoren (SERM) sind keine Steroide. SERM’s haben aber
die Eigenschaft, dass sie sich spezifisch an einen bestimmten Steroid-Rezeptor-Typ - Rezeptor
alpha oder beta - binden. Die heute klinisch verfügbaren SERM’s haben am Knochen und an
den Arterien eine estrogene und an Brust und Endometrium (Ausnahme: Tamoxifen!) eine anti-
estrogene Wirkung. SERMs können Wallungen verstärken und eignen sich daher nicht zur
Behandlung des klimakterischen Syndroms.
In der onkologischen Praxis hat sich das ältere SERM Tamoxifen zur Behandlung bei Estrogen-
Rezeptor-positivem Brustkrebs durchgesetzt. Tamoxifen weist am Knochen eine estrogene
Wirkung auf, so dass gleichzeitig die Osteoporoseprophylaxe garantiert ist. Andererseits treten
wegen der estrogenen Wirkung am Endometrium unter Tamoxifen vermehrt
Endometriumkarzinome auf.
Raloxifen, das erste auf dem Markt eingeführte moderne SERM, besitzt eine signifikante
osteoprotektive Wirkung und ist zur Prävention und Therapie der Osteoporose zugelassen. Sein
Einsatzgebiet ist vor allem die spätere Postmenopause, sobald keine vasomotorisch-vegetativen
Beschwerden mehr auftreten. Unter Raloxifene treten keine Abbruchblutungen auf. In den USA
ist Raloxifen auch zur Prävention des Mamma-Ca zugelassen.
Das neuere SERM Bazedoxifen eignet sich ebenfalls zur Osteoporoseprävention, wird aber vor
allem fest-kombiniert mit konjugierten Estrogenen zur Behandlung des klimakterischen
Syndroms eingesetzt. Bazedoxifen garantiert in dieser Kombination anstelle eines Gestagens den
Endometriumschutz.
Standard-Dosierungen von Estrogenen mit einem Gestagen (HRT) oder ohne Gestagen (ERT)
senken die Frequenz und die Intensität von Wallungen im Vergleich zu Placebo signifikant.
HRT und ERT bleiben die wirksamste Behandlungsmöglichkeit bei postmenopausalen
vasomotorischen Beschwerden.
Die perorale und die transdermale MHT sind bei vergleichbarer Dosierung gleich wirksam.
bei zahlreichen Frauen genügen bei einer HRT oder ERT bereits niedrigere Dosierung als die
früher übliche mittlere Dosis, um einen ausreichenden klinischen Effekt zu erhalten.
Tibolon, eine steroidale hormonelle Alternative zur Estrogen-/Gestagen-Therapie, senkt
postmenopausale vasomotorische Symptome signifikant.
Eine hochdosierte Gestagen-Monotherapie kann Wallungen signifikant bessern, doch liegen
keine Langzeitdaten zu allfälligen Nebenwirkungen vor. Gestagene als Monotherapie sollten
daher den Ausnahmefällen einer Estrogen-Kontraindikationen vorbehalten bleiben
Ein depressives Zustandsbild, das im Zusammenhang mit den Wechseljahren steht, kann
auf Oestrogene günstig ansprechen. Im Gegensatz dazu wird eine endogene Depression
(sog. Major Depression) durch Oestrogene allein in der Regel nicht beeinflusst. Hingegen
kann die Wirkung bestimmter Antidepressiva durch Oestrogene gesteigert werden.
Eine ERT/HRT führt zu einer signifikanten Senkung des Frakturrisikos. Gleichzeitig
muss aber immer auch Gewicht auf eine genügende Zufuhr von Calcium und Vitamin D,
genügend Bewegung, das Vermeiden des Missbrauches von Noxen wie Nikotin und Alkohol
und die Sturzprophylaxe gelegt werden. Die Osteoporoseprävention ist in der frühen
Postmenopause somit einer der gesicherten Nutzen einer Oestrogengabe (siehe unten).
Deshalb ist ein Screening zur Erfassung von Risikopatientinnen während der Wechseljahre
sinnvoll und wünschbar.
Das Risiko von koronaren Herzerkrankungen wird in den ersten 10 Jahren der
Menopause durch Estrogene gesenkt, während es bei späterem Beginn der HRT (> 20 Jahre
nach der Menopause) zunimmt. Der günstige Effekt einer MHT bei frühem Beginn nach der
Menopause innerhalb des "günstigen Fensters" wurde auch in einer Metaanalyse von 23
RCTs nachgewiesen. Deshalb kann bei frühem Beginn ein präventiver Effekt für koronare
Herzkrankheiten angenommen werden. Dennoch sollen Oestrogene allein zur primären
kardiovaskulären Prävention eingesetzt werden. Zur sekundären kardiovaskulären Prävention
sind sie kontraindiziert.
Die Wirkung auf das kardiovaskuläre System wird durch die Beigabe eines
Gestagens unterschiedlich moduliert. Wie die WHI-Studie zeigte, neutralisiert MPA den
günstigen Oestrogeneffekt weitgehend. Andere Gestagene und Progesteron tun dies nicht
oder weniger. Allerdings fehlen direkte prospektive Vergleichsstudien.
Zur kardiovaskulären Wirkung von SERMs und Tibolon liegen bei jüngeren Frauen
noch keine prospektiven Resultate vor.
Es gibt starke Hinweise darauf, dass der Beginn einer Alzheimererkrankung durch den
frühen Einsatz einer Estrogentherapie in der Peri- oder frühen Postmenopause; „Window of
Opportunity“) hinausgezögert werden kann.
Der unter ERT/HRT oft befürchtete Gewichtsanstieg ist minim (300-800, im Mittel 200g).
In Vergleichsstudien findet sich zwischen substituierten und nicht substituierten Frauen meist
kein Unterschied, in andern RCTs nehmen substituierte Frauen sogar eher weniger zu als
Frauen ohne MHT, da Estrogene die Insulinresistenz senken.
In der WHI-Studie und in der Nurses’ Health Study wurde im Gesamtkollektiv unter oraler
MHT eine geringfügige alters- und dosisabhängige Zunahme des absoluten Risikos für
ischämische Schlaganfälle beobachtet. Bei 50-59-jährigen Frauen trat 1 zusätzlicher Fall
pro 10'000 Frauen jährlich auf (WHI-Studie). Dieser Anstieg entfällt bei Ausschluss der
Frauen mit Riskofaktoren wie arterielle Hypertonie. Umgekehrt ist das CVI-Risiko bei
Hypertonikerinnen und bei älteren sowie bei adipösen Frauen erhöht (zusätzliche 15 Fälle /
10’000 Frauenjahre). Bei niedrig-dosierter (Dosis: ≤ 50 µg E2/Tag) transdermaler Gabe
steigt das CVI-Risko nicht an.
Kolonkarzinom:
unter oraler kombinierter CEE+MPA-Gabe, nicht aber unter oraler CEE-Monotherapie, findet
sich eine signifikante Reduktion von Kolonkarzinomen. Eine transdermale MHT senkt die
Inzidenz von Kolonkarzinomen nicht.
Ovarialkarzinom:
Das einer Gabe von Estrogenen allein zuschreibbare zusätzliche Risiko entspricht nach den
vorliegenden Metaanalysen 0,6 Fällen pro 1000 Frauen pro 5 Einnahmejahre. Die
Nachberechnungen in der Studie der Collaborative Group on Epidemiological Studies of
Ovarian Cancer ergeben eine zusätzliche Inzidenz an Ovarialkarzinomen von 0,12 pro 1000
Frauen pro Einnahmejahr oder von 0,55 zusätzlichen Fällen pro 1000 Frauen pro 5
Einnahmejahre (Unterschied nicht signifikant). Unter E+G verändert sich das Risiko nicht.
Gallenblasenerkrankungen:
Unter oraler (aber nicht transdermaler) MHT steigt das Risko einer Cholelithiasis und
Cholezystektomien an, hingegen ist keine Veränderungen der Inzidenz von Karzinomen
bekannt.
Meist genügt zur Besserung der nach der Menopause neu aufgetretenen sexuellen
Dysfunktion eine klassische systemische MHT.
Sexualstörungen können allerdings auch allein die Folge einer estrogenmangel-bedingten
Dyspareunie bei Vaginalatrophie sein. Hier ist eine lokale Estrogengabe indiziert.
Bei Frauen nach Hysterektomie und/oder beidseitiger Oophorektomie ist mit einem
Androgenmangel zu rechnen. Deshalb sollte eine Androgengabe Frauen nach Hysterektomie
und/oder beidseitiger Ovariektomie nicht vorenthalten werden (cave Androgenisierung bei
Ueberdosierung!).
Es ist immer an die häufigeren nicht-hormonalen Ursachen einer sexuellen Dysfunktion zu
denken, die zum Beispiel eine Psychotherapie, eine Paartherapie oder ein Sexualtherapie
erfordern.
Eine postmenopausale Osteoporose kann einerseits durch das Nichterreichen der optimalen
Peak Bone Mass (normale maximale Knochendichte) bedingt sein, andererseits durch einen
beschleunigten Knochenabbau nach der Menopause. Die optimale Gesundheit des Skelettes wird
primär von der genetischen Veranlagung bestimmt (nicht modifizierbar). Sekundär ist sie
abhängig von beeinflussbaren Faktoren, vor allem von Ernährung, Lebensführung, wie z.B.
körperlicher Aktivität inklusive (Gleichgewichts- und Krafttraining), exzessivem Gebrauch von
Genussmitteln wie Alkohol und Nikotin, und von nichtbehandelten Oligo-Amenorrhöen mit einer
Dauer von > 6 Monaten (siehe auch unten, Tabelle Osteoporose-Risikofaktoren).
Frauen mit einer spontanen oder iatrogenen Menopause vor dem Alter von 45 Jahren (frühe
Menpause) oder vor allem vor 40 Jahren (vorzeitige Menopause = Menopausis praecox) weisen
nicht nur ein höheres Risiko für Osteoporose auf, sondern auch für kardiovaskuläre
Erkrankungen, für affektive Störungen und wahrscheinlich auch für Demenz.
Die Folge jeder Osteoporose ist ein erhöhtes Frakturrisiko. Die häufigsten Komplikationen der
postmenopausalen Osteoporose sind die „typischen“ osteoporotischen Frakturen am
Schenkelhals, an der Wirbelsäule, am Vorderarm und am proximalen Humerus (sog. „Major
Fractures“). Osteoporotische Frakturen (Wirbelfrakturen und nicht-vertebrale Frakturen,
inklusive Hüftfrakturen) führen bei Frauen und Männern zu einer erhöhten Morbidität, einer
Einschränkung der Lebensqualität und Funktionalität im Alltag (--> Hilfsbedürftigkeit,
Pflegebedürftigkeit), sowie zu einer erhöhten Mortalität (z.B. 20-25% für Frakturen des
proximalen Femurs). Einschränkung der Lebensqualität und Mortalität sind im ersten Jahr nach
der Fraktur am stärksten ausgeprägt. Jede bereits erlittene Fraktur erhöht das Risiko für weitere
Frakturen. Jede Fraktur verschlechtert somit die gesundheits-bezogene Lebensqualität und führt
vor allem bei älteren Frauen meist zu chronischem Leiden. Frakturen verursachen hohe
Hospitalisierungs-Kosten. In der Schweiz stiegen die Gesamtkosten wegen Knochenbrüchen von
223 Millionen Franken im Jahr 2000 auf 285 Millionen Franken im Jahr 2007. In diesen Zahlen
nicht berücksichtigt sind alle Kosten, die wegen späterer Pflegebedürftigkeit nach der
Spitalentlassung ansteigen.
Die Prävention der ersten Wirbelkörperfraktur ist das zentrale Ziel aller prä- und
postmenopausalen Massnahmen. Die rechtzeitige Erkennung einer allfälligen ersten
Wirbelkärperfraktur und die Diagnose deren Ursache ist essentiell, da sie uns eine gezielte
Sekundärprävention ermöglichen. Bei einer postmenbopausalen Osteoporose ist dies innerhalb
des "günstigen Fensters" wiederum eine adäquate MHT.
Das Vorhandensein einer ersten isolierten Wirbelfraktur erlaubt zudem eine aussagekräftige
Prognose von weiteren osteoporotischen Frakturen an der Wirbelsäule oder an andern Orten
des Skelettes.
Zur Anamnese und klinischen Untersuchung gehören neben der Beurteilung des
Allgemeinzustandes und der damit zusammenhängenden Risikofaktoren vor allem auch die
Fraktur- und Sturzanamnese und das Erfassen von Krankheiten oder einer
Medikamenteneinnahme mit Einfluss auf den Knochenstoffwechsel oder die Fallneigung.
Zu erfassende Osteoporose-Risikofaktoren
Familiäre Belastung Magen-Darm-Erkrankungen mit
Weisse Hautfarbe / asiatische Herkunft Malabsorption (z.B. M. Crohn),
Späte Menarche: > 16 Jahre Operationen des Magen-Darm-Traktes mit
Frühe Menopause: < 45 Jahre konsekutiver Calcium-Resorptions-
Gegenwärtige oder anamnestische Einbusse
Amenorrhöe: Ausbleiben der Zyklen > 6 Laktose-Intoleranz
Monate vorbestehende Knochenbrüche (v.a. bei
Verlängerte Zyklen (> 6 Wochen) inadaequatem Trauma)
mehrmals jährlich über mehrere Jahre Chron. rheumatische Erkrankungen wie
Grössenabnahme > 3,5 cm primär-chron. Polyarthritis, M. Becheterew
Graziler Körperbau / BMI < 19 Hyperthyreose
Calcium-arme Ernährung (< 800mg/Tag) Hyperparathyroidismus
Nikotin: > 10 Zigaretten/Tag M. Cushing
Alkohol täglich Glucocorticoid-Behandlung über > 6
Phosphat-haltige Nahrungsmittel Monate
(gepökeltes Fleisch, Coca-Cola) Behandlung mit Heparin oder Diuretica
Bewegungsarmut über > 6 Monate
Bei allen Personen, bei denen anhand klinischer Risikofaktoren ein erhöhtes Frakturrisiko zu
erwarten ist, wird eine weiterführende Diagnostik empfohlen.
Der Goldstandard zur Bestimmung der Knochendichte ist nach WHO die Messung mittels
DEXA.
Alle Messorte mit biologischer Relevanz sind zuverlässig (distaler Radius, Wirbelsäule und
Schenkelhals).
Das entscheidende Kriterium ist ab der Menopause der t-Score.
Densitometrische Klassifikation der Osteoporose nach WHO (gilt nur für die
DXA an Wirbelsäule oder proximalem Femur):
Normal: Knochendichtewerte (BMD) innerhalb 1 Standardabweichung (SD) vom Mittelwert
junger Erwachsener (T-Score > – 1)
Osteopenie (niedrige Knochenmasse): Knochendichtewerte (BMD) innerhalb 1 SD unter dem
Mittelwert junger Erwachsener, aber weniger als 2.5 SD unterhalb des Wertes (T-Score – 1
bis – 2.5)
Osteoporose: Knochendichtewerte (BMD) 2.5 SD oder mehr unterhalb des Mittelwerts für
junge Erwachsene (T-Score > – 2.5).
Jede herabgesetzte Knochendichte ist ein Risikofaktor für Frakturen. Das Frakturrisiko
verdoppelt sich für jede Abnahme der Knochendichte um 10-12 % oder für jede Abweichung um
ca. –1 des t-Scores oder –1 des z-Scores (gemessen mittels Dual-Energie-X-Ray-Absorptiometrie
= DEXA). Knochendichtemessungen können auch zur Verlaufskontrolle der Behandlung einer
Osteoporose eingesetzt werden.
FRAX-Tool
Eine moderne Knochendichtebestimmung mittels DXA (= DEXA) ist zusammen mit dem FRAX-
Tool das zuverlässigste heute verfügbare diagnostische Mittel zur Voraussage des
Frakturenrisikos. Das FRAX-Tool erlaubt eine bessere Evaluation der Interventionsschwelle als
die DEXA-Messung allein (siehe http://www.shef.ac.uk/FRAX/ )
Knochenmarker
Allgemein:
Entscheidend für das Ausmass des Abbaues ist eine genügende Calciumzufuhr (in der
Postmenopause 1500mg/Tag ohne Hormonersatztherapie (MHT), resp. 1000-1200mg/Tag mit
MHT), sowie eine genügende Vitamin-D-Aktivität (Vitaminzufuhr ≥ 800 IE/Tag). Regelmässige
körperliche Aktivität verbessert die Knochendichte.
Neben der Linderung der behandelten klimakterischen Symptome, der Verbesserung der
Lebensqualität und der signifikanten Senkung des Frakturisikos ist der Verlauf der
Gesamtmortalität ein entscheidendes Element zur Beurteilung der Nutzen-Risiko-Balance einer
bestimmten Therapieform.
Es existiert keine einzige Studie, die bei Frauen unter Estrogengabe mit Beginn innerhalb des
„Windows of Opportunity“ (Frauen unter 60 Jahren / Beginn der EET/HET innert 10 Jahre nach
der Menopause) eine erhöhte Gesamtmortalität gefunden hätte. In der WHI, DOPS und der
Nurses' Health Study ist ebenso wie in grossen Metaanalysen die Mortalität um rund 30%
signifkant vemindert, wenn die MHT innerhalb des günstigen Fensters begonnen wurde.
Bei einem Beginn jenseits des "günstigen Fensters" (Frauen > 60 Jahre) bleibt die Mortalität
unverändert oder ist bei Risikopopulationen erhöht.
Somit überwiegt innerhalb des „Window of Opportunity“ der Nutzen über die Risiken.
In der folgenden Abbildung werden die absoluten Risiken per 1000 Frauen und per 5
Anwendungsjahre in Funktion der Verabreichungsform und des verwendeten Gestagens
verglichen. Dabei muss beachtet werden, dass die verwendeten Studien nicht alle denselben
Evidenzlevel aufweisen, doch wurden immer die besten verfügbaren Studien eingesetzt. Zum
Beispiel beruhen die Daten mit oralen Estrogenen und MPA auf RCT's, die Daten mit
transdermaler E2-Gabe auf Beobachtungsstudien.
Sobald der Östrogenmangel dominiert, kann bei gegebener Indikation zunächst mit einer
sequentiell-kombinierten MHT begonnen und später auf eine kontinuierlich-kombinierte MHT
gewechselt werden.
Im Gegensatz zu andern Ländern stehen uns in der Schweiz zur systemischen MHT nur
mikronisiertes 17-beta Estradiol und der Esther Estradiol-Valerat zur Verfügung, die als
gleichwertig angesehen werden können.
Lokal-vaginal hat sich niedrig und ultraniedrig dosiertes Estradiol durchgesetzt, doch kann auch
Estriol verwendet werden.
In allen kommerziell erhältlichen kombinierten Präparaten ist das Estrogen immer Estradiol.
Dagegen kann zwischen mehreren synthetischen Gestagenen ausgewählt werden, die
unterschiedliche Partialwirkungen besitzen.
Ein Präparat mit konjugierten equinen Estrogenen, und anstelle eines Gestagens dem SERM
Bazedoxifen, steht vor der Einführung.
Die Auswahlkriterien für die verfügbaren Gestagene sind im Kapitel 3.3.2. "pharmakologische
Grundlagen" [siehe oben] beschieben.
Im Allgemeinen kann die galenische Form (oral, transdermal) nach dem Bedürfnis und den
Wünschen der Patientin gewählt werden.
Die orale oder die transdermale Verabreichungsform muss aber vorgezogen werden, wenn dazu
ein medizinischer Grund vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn ein hepatischer „First-pass-effect“
vermieden werden soll.
Findet sich in der Anamnese eine frühere tiefe Venenthrombose oder ein CVI oder besteht aus
anderen Gründen ein Verdacht auf ein erhöhtes thromboembolisches Risiko oder eine
Thrombophilie, so muss Estradiol transdermal eingesetzt werden. Auch sollte bei erhöhten
Serum-Triglyceriden die perorale Form vermieden werden. Bei älteren Patentinnen mit
altersbedingtem Risikoansteig für VTE und CVI und bei Adipositas ist die transdermale
Substitution die Methode der Wahl.
Die intramuskuläre Form sollte heute nicht mehr neu verordnet werden, da sie schlecht
steuerbar ist. Implantate werden im UK verwendet, aber bei uns nicht erhältlich.
3.4.3. Dosierung
Oestrogen-Dosierung
Prinzipiell soll zur Behandlung des klimakterischen Syndroms die niedrigste noch wirksame Dosis
verabreicht werden (Low-dose-Prinzip). Für das Low-Dose- und Ultra-Low-Dose-Prinzip ist
allerdings die in mittlerer Dosis signifikante in mittlerer Dosis signifikante Senkung der
Frakturenrate noch nicht gesichert, auch liegen keine Daten zu den Langzeitfolgen vor.
Die Therapiekontrolle soll klinisch erfolgen. Dabei ist mindesten einmal jährlich die Indikation
zur MHT neu zu evaluieren.
Ist die Indikation weiterhin gegeben, so besteht für die Therapiedauer keine obere Limite: es
besteht keine absolute Alterslimite zur Weiterführung der Hormongabe!
Ausser in Ausnahmefällen ist zur Therapiekontrolle eine Bestimmung des Serum-Oestradiols
nicht sinnvoll.
Besteht die Indikation zur MHT "Frakturprävention", so sind die Empfehlungen der SVGO/ASCO
zu beachten.
Die Behandlung des klimakterischen Syndroms und die Prävention der Estrogenmangel-
bedingten Osteoporose und damit von postmenopausalen Frakturen sind die beiden
Indikationen für den Beginn einer MHT.
Frauen mit persönlichen Risikofaktoren (z.B. arterielle Hypertonie) müssen zuerst
medikamentös korrekt eingestellt werden, bis eine MHT begonnen werden darf.
Beim klimakterischen Syndrom bleibt die MHT die wirksamste Behandlung.
Die MHT verbessert die gesundheitsbezogene Lebensqualität signifikant.
Zur Behebung von vegetativen Symptomen wie vasomotorischen Beschwerden und
Schlafstörungen ist oft eine niedrigere als die früher übliche mittlere Dosierung ausreichend.
Die signifikante Senkung des Frakturrisikos ist durch prospektive randomisierte Studien für
die mittlere Dosierung (2 mg 17β-Estradiol per os/Tag oder 50 µg 17β-Estradiol transdermal
als Pflaster/Tag resp. 1,0–1,5 mg 17β-Estradiol als Gel pro Tag), aber nicht für niedrigere
Dosierungen gesichert
Einen Anstieg des zerebrovaskulären und thromboembolischen Risikos kann eine
transdermale MHT bis zu einer mittleren Dosierung (≤ 50 µg E2) im Gegensatz zur oralen
Therapie verhindern.
Bei vorzeitiger Menopause ist es ein Fehler, eine sonst gesunde Patientin ohne
Kontraindikationen nicht bis zum natürlichen Menopausenalter zu substituieren, und danach
über die Weiterführung der HRT individuell zu entscheiden.
Begriff - Quelle
Menopause (natürliche Menopause) WHO
Der Begriff “natürliche Menopause” ist durch das definitive Ausbleiben der
Menstruation als Folge des Verlustes der ovariellen follikulären Aktivität definiert.
Die natürliche Menopause gilt nach einer Amenorrhöe von 12 aufeinanderfolgenden
Monaten dann als eingetreten, wenn dafür keine andere erkennbare pathologische
oder physiologische Ursache vorliegt. Die Menopause tritt mit der letzten und
abschliessenden Menstruation ein (“final last menstruation”, FMP). Diese ist erst
retrospektiv nach mindestens einem Jahr oder mehr mit Sicherheit zu erkennen. Für
die FMP gibt es keinen adaequaten biologischen Marker.
Perimenopause WHO
Der Begriff Perimenopause sollte die Zeitperiode unmittelbar vor der Menopause -
beginnend mit dem Moment, wo die ersten typischen endokrinen, biologischen und
klinischen Zeichen der nahenden Menopause einsetzen - und das erste Jahr nach
der Menopause einschliessen.
Menopausal transition WHO
Der Begriff menopausale Uebergangszeit (“menopausal transition”) sollte für
diejenige Zeitperiode vor der letzten und abschliessenden Menstruation (FMP)
reserviert bleiben, in der die Variabilität des Menstruationszyklus üblicherweise
verstärkt ist.
Klimakterium IMS
Diese Phase markiert während des Aelterwerdens der Frau den Uebergang von der
reproduktiven zur nicht-reproduktiven Lebensphase. Das Klimakterium schliesst die
Perimenopause ein und verlängert sie um einen grösseren, variablen Zeitraum vor
und nach der eigentlichen Perimenopause.
Klimakterisches Syndrom IMS
Das Klimakterium ist meist, aber nicht notwendigerweise immer, durch das
Auftreten von zahlreichen Symptomen charakterisiert. Treten solche Symptome auf,
so können sie unter dem Begriff “klimakterisches Syndrom” zusammengefasst
werden
Prämenopause WHO
Der Begriff Prämenopause wird oft missverständlich verwendet, indem
“Prämenopause” sowohl zur Bezeichnung der letzten ein oder zwei Jahre
unmittelbar vor der Menopause als auch der ganzen reproduktiven Phase vor der
Menopause eingesetzt wird. Die Arbeitsgruppe empfahl, den Begriff nur im letzteren
Sinne zu gebrauchen, so dass darin die ganze reproduktive Phase bis zur
Menopause miteingeschlossen ist.
Postmenopause WHO
Der Begriff Postmenopause definiert die ganze Lebensphase ab der
abschliessenden, letzten Menstruation (FMP), unabhängig davon, ob die Menopause
spontan eintrat oder induziert war.
Vorzeitige Menopause (prämature Menopause, Klimakterium praecox) WHO
Idealerweise sollte die vorzeitige Menopause als Menopause definiert sein, die in
einem Alter eintritt, das mehr als zwei Standard Abweichungen unter dem mittleren
geschätzten Alter bei der Referenzpopulation liegt. Da in Entwicklungsländern
zuverlässige Schätzungen zur Altersverteilung beim Eintritt der natürlichen
Menopause fehlen, wird in der Praxis meist das Alter von 40 Jahren als arbiträre
Grenze gebraucht, unter der die Menopause als vorzeitig angesehen wird.
Induzierte Menopause WHO
Der Begriff induzierte Menopause wird als das definitive Ende der Menstruation
definiert, das entweder die Folge der chirurgischen Entfernung beider Ovarien (mit
oder ohne Hysterektomie) oder einer iatrogenen Ablation der Ovarialfunktion (z.B.
durch Chemo- oder Radiotherapie) eintritt.
Grundlagen
Harlow SD, Gass M, Hall JE, et al. Executive Summary of the Stages of Reproductive Aging
Workshop + 10: Addressing the unfinished agenda of staging reproductive aging. Climacteric
2012;15:105–14
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22344196
Burger HG, Hale GE, Robertson DM and Dennerstein L. A review of hormonal changes during
the menopausal transition: Focus on findings from the melbourne women’s midlife health
project. Human Reproduction Update, Vol.13, No.6 pp. 559–565, 2007
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17630397
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