Sie sind auf Seite 1von 32

VO 

Einführung in die Rechtswissenschaften


und ihre Methoden
Einführung in die Rechtsphilosophie u.
Rechtsethik
ao. Univ.-Prof. Dr. Eva Maria Maier
B. John Locke: Volkssouveränität und „Gesetz der
Natur“
1. Der Naturzustand:

Zustand ursprüngliche Freiheit und Gleichheit


ABER: kein regelloser Zustand!

Es herrscht das „Gesetz der Natur“


(„the law of nature“)
= die natürlichen Freiheitsrechte
auf Leben bzw. körperliche Unversehrtheit, Freiheit und
Eigentum
(„life, liberty, property“)
Überbegriff: Eigentum
Naturrechtliche Gleichheit

Zentralbegriff Eigentum:
Menschen als „Eigentum Gottes“

Ausschluss rechtlich unbeschränkter Herrschaftsgewalt

gegen königliches Gottesgnadentum


(Filmer)

„self-ownership“ = Eigentum an der eigenen Person,


d.h. an Körper, Leben u. Freiheit,
Sacheigentum bereits im Naturzustand Investition von
Arbeit in „Material“
Warum muss der Naturzustand aufgegeben werden?

Es fehlen:

• allgemeine Gesetze, die das „law of nature“


konkretisieren

• eine allgemein anerkannte gesetzgebende Instanz

• unparteiische Richter & eine gebührende


Vollstreckung ihrer Urteile
Wer vollzieht das „Gesetz der Natur“ im Naturzustand?

• Jeder einzelne ist Richter und Vollstrecker des Naturgesetzes,


Inhaber individueller Strafgewalt

scheitert an

Leidenschaften, Bosheit Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit

• Zustand massiver Rechtsunsicherheit

• Einführung des Geldes Zunahme ökonomischer


Ungleichheiten Steigerung der Konflikte
2. Der Gesellschaftsvertrag:
Zusammenschluss zu einem „politischen Körper“
(„body politick“) demokratische „Urversammlung“

An diesen wird die individuelle Strafgewalt aus dem Naturzustand übertragen

Träger der Souveränität Volkssouveränität!


Errichtung von zwei Gewalten

Legislative: davon abhängig Exekutive

Kommissarische (treuhänderische) Ausübung dieser Kompetenzen durch das


„Civil Government“

Treuhandverhältnis zur „political society“


Vordenker bürgerlich-liberaler Rechtsstaatlichkeit

Ausschluss einer absolutistischen Staatsform  Verbot der


Selbstversklavung!
Keine unbeschränkten Kompetenzen!!

•Treuhandverhältnis (trust) zur Bevölkerung


•Gewaltenteilung (Legislative – Exekutive)
•Auf den Schutz der „natürlichen Freiheitsrechte“ verpflichtet
- und beschränkt
•Beschränkte Staatsaufgaben ( liberales Staatsverständnis)
•Im Falle einer Verletzung der natürlichen Freiheitsrechte (bzw.
deren Schutzes) WIDERSTANDSRECHT!
• Entwicklung der Menschenrechte
Zentralbegriff Eigentum

Zentraler Staatszweck: „sicherer Genuss des Eigentums“ im


„friedlichen Miteinanderleben“

entwickelte Eigentümergesellschaft Gegensatz zu


Rousseaus Bild vom „homme sauvage“

limitierte Staatsaufgaben keine wohlfahrtsstaatlichen


Anforderungen

Mensch als Besitzbürger?


D) Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778)
„homme sauvage“

Der Naturzustand: geschichtlich differenziert

„bourgeois“

Der Gesellschaftsvertrag:
die „volonté générale“
1. Die Konzeption des Naturzustands:

Kritik an liberalen Naturzustandstheorien (früherer Vertragstheoretiker)

1.a. Das Bild vom „homme sauvage“:

• Isoliert, friedlich
• In Harmonie mit der Natur, genügsam, kein Besitzstreben („noch
nicht um des künftigen Hungers hungrig“)

• Kein planender Vernunftgebrauch geschichtsloses,


vorrationales Stadium des Menschen

2 instinktähnliche Antriebe: „pitié“ und „amour de soi“


in allen Punkten das Gegenteil zu bisherigen
Naturzustandskonzeptionen

jene entsprechen nicht der Natur des Menschen

sondern enthalten ideologische Festschreibung einer


bestimmten geschichtlichen Situation, einer Konkurrenz- und
Klassengesellschaft

Sie sind das Resultat eines Verfalls- und


Entfremdungsprozesses
Was reißt den „homme sauvage“ aus seiner ursprünglichen
Harmonie?

• Äußerliche, zufällige Umstände (Naturkatastrophen)


Verschlechterung seiner natürlichen Lebensbedingungen

Entstehen von ARBEIT

„perfectibilité“ Beginn der Geschichtlichkeit


des Menschen

• Ackerbau Einführung von EIGENTUM


„Motor des Entfremdungsprozesses“
1. b. Der Mensch als „bourgeois“:

Vorpolitisches, aber bereits denaturiertes Stadium des


Menschen entspricht nicht mehr der Natur
des Menschen

Resultat von Entfremdungsprozessen

„amour de soi“ „amour propre“


feindselige Abhängigkeit, Zerrissenheit Arbeitsteilung,
privater Besitz

Konkurrenz- und Klassengesellschaft: materielle


Ungleichheiten, ungerechtfertigte Herrschaft
2. Der Gesellschaftsvertrag:

2. a. Kritik an liberalen bzw. früheren


Gesellschaftsvertragskonzeptionen (z.B. Hobbes,
Locke):

• Wechselseitige Willküreinschränkung reicht nicht aus.

• Formale Rechtsgleichheit festigt materielle


Ungleichheiten

• Naturzustand dauert fort


Wie kann der Naturzustand (des „bourgeois“)
überwunden werden?

• Forderung nach „aliénation totale“ („völlige Entäußerung“)

natürliche Freiheit politische Freiheit

• Errichtung einer „zweiten Natur“ des Menschen auf der


Grundlage von Vernunft u. Vaterlandsliebe

• Grundlage: „volonté générale“


2. b. Die „volonté générale“:

Anforderungen an die Gesetzgebung:

1. Direkte Demokratie und radikale Volkssouveränität:


Jeder Bürger muss wirklich an der Gesetzgebung beteiligt
sein keine Repräsentation!

2. Gesetze müssen allgemein sein alle in gleicher


Weise betreffen nicht nur formale Rechtsgleichheit,
sondern annähernd gleiche materielle
Ausgangsbedingungen
3. Unterscheidung „volonté de tous“ – „volonté générale“

•Kein bloß formaler Konsens Kompromiss


eigennütziger Interessen wäre bloße „volonté de
tous“
•Grundlage: allgemeine Prinzipien, die Glück und
Freiheit der gesamten Gemeinschaft sowie jedes
einzelnen Bürgers zum Ziel haben

Prinzip der „Verallgemeinerung“


Vgl. Kants „Vereinigter Willen
des Volkes“
Immanuel Kant (1724 – 1804) :Der Rechtsstaat zur Sicherung
gleicher Freiheit
1. Der Begriff der Freiheit
Freiheit (Autonomie) =

die jedem Menschen zukommende Fähigkeit, im Rahmen


seiner moralischen Selbstbestimmung die Regeln seines
Handels unabhängig von Befehlen anderer
selbstverantwortlich zu setzen.

Gegenteil:
negatives Element:
Ausschluss
heteronome Moral
moralischer
Fremdbestimmung
Autonomie =
Selbstgesetzgebung
positives Element:
Willkürfreiheit
verantwortliche
( vgl. HOBBES)
Selbstbestimmung
Freiheit

kommt jedem Menschen „a priori“,


d.h. auf unbedingte und unverzichtbare Weise,
kraft seiner Menschheit, „von Geburt an“ zu
Aufgaben des Rechts?

• äußerliche Vereinbarkeit des Freiheitshandelns


aller nach allgemeinen Regeln,
•  aber keine Anleitung zum moralischen Handeln
• äußeren Entfaltungsbereich für menschliches
Freiheitshandeln sichern
• wechselseitige Anerkennung aller als gleich und
frei
Freiheit Gleichheit
keine Konkurrenz, sondern innerer Zusammenhang!
RECHT =

“Inbegriff der Bedingungen, unter


denen die Willkür des einen mit der
Willkür des anderen nach einem
allgemeinen Gesetze der Freiheit
zusammen vereinigt werden kann.“
3. Kants Rechtsstaatsidee
Naturzustand:
„provisorisches“ Eigentumsrecht

kann wegen der Konfliktneigung der Menschen nicht


durchgesetzt werden

Rechtspflicht, den Naturzustand zu verlassen


(„Exeundum e statu naturali“)

Gesellschaftsvertrag: Errichtung souveräner Staatsgewalt

primäre Staatsaufgabe: Durchsetzung allgemeiner Gesetze zur


Sicherung von Freiheit und Gleichheit
SOUVERÄNITÄT + RECHTSSTAATLICHKEIT
Die rechtsstaatliche Republik

a. Die Herrschaft der Gesetze

• Gleichheit aller vor dem Gesetz

• Bindung staatlicher Organe an die Gesetze

• Aber: Gesetzgebung dem Monarchen als Garanten


der Objektivität vorbehalten
Prinzip der Verallgemeinerung:
„Was das gesamte Volk nicht über sich beschließen
kann, kann auch der Gesetzgeber nicht über das
Volk beschließen“.

Vgl. kategorischer Imperativ:


„Verallgemeinerungsformel“ (Kap. 4.III.C.2.a.)!
Vgl. Rousseaus „volonté générale“!
C. Gewaltenteilung:

funktionale Gewaltenteilung „Absonderung der


ausführenden Gewalt von der Gesetzgebung“

kein System von „checks and balances“


4. Der Zwang als „doppelte Negation“

Legitimation des Rechtszwangs?

Zwang
= „doppelte Negation“
= „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit“

stellt die „Freiheit nach allgemeinen Gesetzen“ wieder her

nur in einer rechtsstaatlichen Republik legitim!


Übungsfragen:
1. Welchen Zusammenhang stellt Platon zwischen der
Struktur der menschlichen „Seele“ und der gerechten
Ordnung der Polis her?
2. Inwiefern versteht Platon die Politeia als eine
Bildungsgemeinschaft?
3. Erläutern Sie die aristotelische Lehre vom „zoon
politikon“. Inwiefern enthält diese auch eine Kritik an der
Idealstaatskonzeption Platons?
4. Weshalb ist nach Aristoteles in der Republik die
Herrschaft über Freie und Gleiche verwirklicht?
5. Inwiefern geht Hobbes in seiner politischen Theorie von
der radikalen Gleichheit der Menschen aus?
6. Erläutern Sie „totalitäre“ und „liberale“ Aspekte in der
Staatskonzeption des Thomas Hobbes.
7. Welche Rolle spielt der Begriff des Eigentums in der
politischen Philosophie des J. Locke?
8. Inwiefern kann John Locke als Wegbereiter liberaler
Rechtsstaatlichkeit verstanden werden?
9. Skizzieren Sie Rousseaus Kritik an liberalen Theorien
des Naturzustands und des Gesellschaftsvertrags.
10. Unterscheiden Sie „volonté générale“ und „volonté de
tous“.
11. Erklären Sie Kants Begriff der „Autonomie“. In welcher
Hinsicht unterscheidet sich dieser vom Freiheitsbegriff
des T. Hobbes?
12. Inwieweit ist die Gesetzgebung in der Rechtsstaatskon-
zeption Kants demokratisch legitimiert?

Das könnte Ihnen auch gefallen