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Wiederholungsphase Abitur 2020: Philosophie

Mai/Juni 2020
Franziska Hildebrand

Staatsphilosophie

1. Aristoteles‘ Bewertung von Staatsformen

Gute und schlechte Staatsformen bei Aristoteles (Abi Philosophie; S. 210 f.)
▪ Empirische Beobachtungen von vorhandenen Staatsformen verleiten Aristoteles zu
seiner Bewertung
▪ In guten Staatsformen verfolgen Regierende nicht nur ihr Eigeninteresse, sondern
berücksichtigen die Gesamtheit aller Mitmenschen → die ökonomische Gliederung in
Reiche, Arme und Mittelstand ist entscheidend für eine gute Staatsform: regieren
sollte „die rechte Mitte“ (vgl. Tugendlehre)
o Mittelstand ist am vernunftorientiert: Reiche neigen zur Übermut, Arme zu
Heimtücke → Ungerechtigkeit
o Mittelstand ist solidarisch und freundschaftlich: Reiche können sich nicht
unterordnen/gehorchen, Arme sind unterwürfig → Neid und Verachtung
o Mittelstand ist Garant für politische Stabilität: zahlreicher Mittelstand führt
erfahrungsgemäß zu weniger Aufständen und Zwisten
Einer herrscht Einige herrschen Alle herrschen
Gemeinwohlorientiert Monarchie Aristokratie Politie
Egoistisch Tyrannei Oligarchie Demokratie
▪ Die Politie als beste Staatsform: mittlerer, gemäßigter Charakter
o Einbezug aller Vollbürger in politischen Entscheidungsprozess → demokratisch
o Tugendhaftigkeit und Gerechtigkeit der politischen Entscheidungsträger als
Grundlage → oligarchisch
▪ Die Politie als beste Staatsform: Leben in Politie ermöglicht den meisten Mitgliedern
Glück
o Der Mensch als Gemeinschaftswesen kann sich in der Politie am besten
tugendhaft entfalten

2. Neuzeitliche Staatstheorien

Thomas Hobbes‘ Menschenbild; Naturzustand (Abi Philosophie; S. 211 f.)


▪ Abwendung von der in der Antike üblichen Vorstellung der Menschen als
gemeinschaftliches Wesen (zoon politikon) → Mensch als Einzelwesen, als
egoistisches Individuum, das nach Selbstverwirklichung, Freiheit, Sicherheit und
Schutz des Eigentums strebt
▪ Der Naturzustand (ungebundene, staatenlose Lebensführung) bietet
o Vorteile: Freiheit von Gesetzen, Pflichten und Einschränkungen; Gleichheit
aller Menschen, gleiche Ansprüche auf Freiheit und Sicherheit
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o Nachteile: Konfliktursachen wie Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht


führen zu einem Krieg, bei dem jeder gegen jeden kämpft
Herleitung von Hobbes‘ Staatstheorie (Abi Philosophie; S. 212)
▪ Menschliches Verlangen nach Zusammenleben mit anderen, Gerechtigkeit,
Bescheidenheit und Dankbarkeit → Menschen schaffen Staat aus rationalen, aber
egoistischen Interessen als „künstliches Gebilde“ um den Krieg zu meiden:
o Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine
Versammlung von Menschen, unter folgenden Bedingungen:
▪ Alle anderen sind ebenfalls bereit, ihre Freiheit aufzugeben →
Reziprozität (Wechselseitigkeit)
▪ Der Herrscher, der Leviathan, nutzt seine Autorität ausschließlich dazu,
jedermanns Sicherheit zu garantieren → Norm der Vertragseinhaltung
(pacta sunt servanda)
▪ Hobbes schafft hiermit das Repräsentationsprinzip, ein Kernelement neuzeitlicher
Demokratien, seine Vorstellung von einem absolutistischen Herrscher ist jedoch nicht
mehr zeitgemäß

John Lockes Staatstheorie als Vorläufer moderner Demokratien (Abi Philosophie; S. 212 f.)
▪ Anknüpfung an Hobbes‘ Vorstellung vom Menschen im Naturzustand → gleiche
Prämisse zur Ausarbeitung eines Gesellschaftsvertrages
▪ Anerkennung der Gefahr eines Missbrauchs von Macht durch den Leviathan → Bedarf
für eine andere „Herrschaftsform“
▪ Entwurf eines Modells eines liberalen, parlamentarischen, konstitutionellen und
gewaltenteiligen Systems (Grundlage für moderne demokratische Systeme) →
Begründung eines Mehrheitsprinzips und des Rechts auf Widerstands gegen eine
Legislative bei Missbrauch des Gemeinwohls
o Bindung von Legislative und Exekutive an Gesetze
o Ausschließliche Widmung der Gesetze an Frieden, Sicherheit und Wohl des
Volkes
o Herausragende Bedeutung des Eigentumsschutzes
▪ „Altmodische“ Aspekte von Lockes Staatstheorie:
o Einfluss eines Erbkönigs auf die Exekutive und Gesetzgebung
o Sturz der Volksrepräsentanten nur im äußersten Notfall
o „Volk“ meint nur steuerzahlende, wohlhabende Mitbürger

3. Zwischen Egalitarismus und Liberalismus – Theorien gerechter Verteilung

John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness (Abi Philosophie, S. 193 ff.)


▪ Liberaler Egalitarismus → Rawls‘ Theorie ist kontraktualistisch (d.h. sie beruht auf
einem verbindlichen, wechselseitigen Vertrag aller Beteiligten, vgl. Hobbes und Locke)
sowie deontologisch (d.h. sie versteht Gerechtigkeit als absolute Pflicht)
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▪ Gerechtigkeitsprinzipien müssen den ersten Grundsatz für die dauerhafte


Beständigkeit einer Gesellschaft (neben Regeln für Effizienz und Stabilität)
▪ Gerechtigkeit als Fairness → Gesellschaft, in der eine Kooperation zu wechselseitigen
Vorteil stattfindet, ein gleichberechtigtes Geben und Nehmen, bei dem niemand
übervorteilt wird
▪ Fiktive Ausgangssituation; „Naturzustand“
o Gruppe von Menschen, die unter einem „Schleier des Nichtwissens“ (d.h. sie
sind mit ihrer sozialen Situation, Fähigkeiten, physische Dispositionen etc. nicht
vertraut) stehen, sollen gute Regeln der Gerechtigkeit finden
o Voraussetzung: die Gruppe von Menschen ist vernünftig d.h. sie wissen, was
gut für sie ist und welche Mittel man zu welchem Zweck einsetzt
▪ Grundsätze, die gewählt werden würden (nach Rawls)
o Gleichheitsprinzip: Gleichheit der Grundreche und -pflichten → beste
Garantie, nicht benachteiligt zu werden (unabhängig von der Person, die sie
ohne den Schleier des Nichtwissens sind)
o Differenzprinzip: soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten (etwa
verschiedener Reichtum/Macht) sind nur gerecht, wenn sich aus ihnen Vorteil
für jedermann ergibt → Leistungsbereitschaft der Stärkeren wird nicht
abgewürgt; Schwächere bleiben geneigt, „bereitwillig mitzuarbeiten“
▪ Umverteilungen sollen nicht zu absoluter Gleichheit führen
▪ Voraussetzungen schaffen, damit jeder sein Glück erreichen kann →
Mindestmaß an materieller Gleichheit notwendig, ein
„Existenzminimum“
▪ Rechtsgleichheit erfordert Chancengleichheit, Chancengleichheit erfordert materielle
Gleichheit

Robert Nozicks Anspruchstheorie der Gerechtigkeit (Abi Philosophie; S. 197 f.)


▪ Bezugnehmend auf Rawls‘ Theorie der Gerechtigkeit führt Nozick an, die Komplexität,
aus der sich Einkommen und Vermögen eines Menschen zusammensetzt, mache
einheitliche Gerechtigkeitsregeln unmöglich
▪ Eine Neuverteilung von Gütern sei zudem überflüssig, weil alle Güter der Welt bereits
mit einem Anspruch verbunden sind → ein Anspruch ist gerecht, wenn:
o Er rechtmäßig angeeignet oder
o Rechtmäßig übertragen wurde.
▪ Ansprüche auf Besitztümer entstehen durch die wiederholte Anwendung dieser zwei
Regeln
▪ „Jeder, wie er will, und jedem, wie die anderen wollen“ → juristische Vorab-Regelung
als Ersatz für das ethische Problem einer gerechten Verteilung
▪ Rechtfertigt z.B. Millionengehälter von Sportlern

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