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Handbuch der
Baugeologie
und Geotechnik
4. Auflage
Handbuch der Baugeologie und Geotechnik
Wolfgang Dachroth
Handbuch
der Baugeologie
und Geotechnik
4., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage
Wolfgang Dachroth
Wilhelmsfeld, Deutschland
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Widmung
Architecti est scientia pluribus
disciplinis et variis eruditionibus ornata,
cuius iudicio probantur omnia quae ab
ceteris artibus perficiuntur opera.
Ea nascitur ex fabricia et ratiocinatione.
Vitruvius
De Architectura Libri Decem
Das Wissen des Baumeisters ist durch die Kenntnis mehrerer Wissenschaften und durch
vielseitige Bildung geschmückt. Seiner Prüfung und Beurteilung unterliegen alle Werke, die
von den übrigen Künsten geschaffen werden. Dieses Wissen erwächst aus Handwerk und
geistiger Arbeit.
Vitruv
Zehn Bücher über Architektur, Band 1 (geschrieben etwa 33–14 v. Chr.)
VII
Vorwort
Untersuchen und Beraten für geotechnische Zwecke was gegebenenfalls überschlägige erdstatische Berech-
setzt geowissenschaftliche, bautechnische und verfah- nungen erfordert. Soweit geologische Besonderheiten
renstechnische Kenntnisse voraus. Das Buch führt aus vorliegen, die dem Ingenieur nicht bekannt sind, muss
der Sicht eines Geologen in den Themenkreis „Bau- er über die Einzelberatung hinaus in das Programm
geologie und Geotechnik“ ein und bietet dem Leser der Planung und Bauausführung eingreifen.
das hierfür erforderliche Vokabular. Es ist das Ziel
des Buches, für das Untersuchen und Benennen von Mit der 4. Auflage des vorliegenden Handbuches
Baugrund und Baustoffen sowie für das Entwickeln blickt der Autor auf 45 Jahre Entwicklung im bau-
grundbaulicher Konzepte eine zwischen Bauingeni- geologischen Erkunden und beim geotechnischen
euren und Geologen fachübergreifende Sprache zu Ausführen und Gestalten von Bauaufgaben zurück.
pflegen. Die Entwicklung der Erkundungsmethoden schreitet
nur langsam voran. Wichtig sind zunehmend zer-
Daneben ist es Aufgabe der angewandten geotechni- störungsfreie Untersuchungsmethoden. Auch beim
schen Wissenschaft, mögliche Folgen und Gefahren Umsetzen grundbaulicher Aufgaben wird statisches
zu erkennen und zu benennen, die mit einer geplan- Verharren in bekannten Baumethoden beobachtet.
ten Nutzung von Flächen oder geplanten Eingriffen in Neuerungen setzen sich etwa alle 30 Jahre durch. Zu-
den Baugrund verbunden sind. nehmend sind solche Bauaufgaben wichtig, die tief
in den Grundwasserkörper eingreifen, ohne diesen
Zunehmend sind Baufachleute bereit, den Baugrund zu verändern. Vielseitige dynamische Entwicklungen
nicht nur als homogenen Baustoff zu betrachten, son- erfahren die technischen Regelwerke. Motoren für
dern auch die von seiner Entstehung, Lagerung und diese Dynamik sind zum einen europäisches, US-
Verwitterung verursachten Inhomogenitäten und amerikanisches und globales Denken, zum anderen
Anisotropien zu berücksichtigen sowie mögliche, im aber auch aus unterschiedlicher Motivation gesteuerte
Laufe der Zeit oder Nutzung eintretende Änderungen Interessen nationaler Verbände oder Vereine. Solche
bei den angetroffenen geologischen Gegebenheiten zu Neuregelungen können auch zu Irritationen führen,
berücksichtigen. z. B. beim Bezeichnen von tonig, schluffigem Sand,
welcher nach DIN 4022 mit S,u,t und nach DIN ISO
Für das Beschreiben baugeologischer Gegebenheiten EN 14688-1 in umgekehrter Reihenfolge mit cl si Sa
werden, z. B. beim Thema „Verwitterung“, bestehende zu bezeichnen ist. Das Beachten der in großer Zahl
Klassifizierungsversuche zwar genannt, darüber hin- vorliegenden technischen Regelwerke ist aufwen-
aus aber die Gesteinsansprache auf das fachlich Not- dig und kostenintensiv. Beim Planen, Vergeben und
wendige erweitert. Für das Erkunden baugeologischer Ausführen von Bauaufträgen besteht bisweilen die
Gegebenheiten werden neben den allgemein gebräuch- Versuchung, die anerkannten Regeln der Technik zu
lichen geophysikalischen sowie boden- und felsmecha- umgehen. So kann es vorkommen, dass seit langem
nischen Untersuchungsmethoden auch neuere Me- bekanntes Wissen unberücksichtigt bleibt.
thoden und Geräte, wie z. B. der MacroGranometer
zum Bestimmen von Korngrößen oder das Cereskop Das Handbuch wurde gegenüber den vorangegange-
zum Bestimmen von Spannungszuständen im Unter- nen Auflagen aktualisiert, erweitert und in einzelnen
grund, beschrieben; Methoden, denen gegenüber sich Kapiteln neu gegliedert. Neu hinzugekommen ist das
die „Geotechnik“ sehr konservativ verhält. Für das Kap. 17 – Geothermie.
Bewerten ermittelter Untersuchungsergebnisse und
Kenngrößen wird in die vielfältige Boden- und Ge- Sehr verbunden bin ich den Autoren der aufgeführ-
steinsklassifikation eingeführt, welche die Grundlage ten Beiträge. Mein Dank gilt dem Springer-Verlag und
für das Bemessen nach Erfahrungswerten ist. dessen Mitarbeitern für Druck und Ausgestaltung des
Buches.
Fachingenieure und Baugeologen müssen Verständnis
für Baugrund, Bauwerk, Bauverfahren, Berechnen/ Wolfgang R. Dachroth
Abschätzen von Standfestigkeiten und Sicherheiten Wilhelmsfeld, März 2017
sowie Kostenfragen aufbringen. Der Baugeologe soll
sich die Fachsprache, Denkweise und Berechnungs-
methoden der Ingenieure aneignen. Er muss in der
Lage sein, für die von ihm angeratenen Maßnahmen
den Nachweis der Durchführbarkeit zu erbringen,
IX
Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
1.9.4 Geomagnetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
1.9.5 Cereskopie – Messen natürlich ermittierter elektromagnetischer Impulse – NPEMFE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
1.9.6 Geophysikalische Bohrlochuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
1.10 Wasser im Baugrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
1.10.1 Niederschlag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
1.10.2 Oberflächenwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1.10.3 Vadoses Wasser – unterirdisches Wasser in der ungesättigten Bodenzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
1.10.4 Grundwasser – unterirdisches Wasser in der gesättigten Bodenzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
1.10.5 Erkunden der hydrologischen Situation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
1.10.6 Ermitteln der Grundwasserqualität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
1.10.7 Hydraulische Eigenschaften von Böden, Gesteinen und Gebirge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
1.11 Schadstoffe im Baugrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
1.11.1 Wirkung von Schadstoffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
1.11.2 Erkunden von Schadstoffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
1.11.3 Probenahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
1.11.4 Chemisches Untersuchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.11.5 Darstellen aufgefundener Schadstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.11.6 Grenz- und Richtwerte der Bundesbodenschutzverordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
1.11.7 Bewerten von Schadstoffen im Baugrund – rechtliche Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
1.12 pH-Wert von Böden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
1.13 Homogenität und Inhomogenitäten im Baugrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
1.13.1 Stoffliche Homogenbereiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
1.13.2 Homogenbereiche in tektonisch verformtem Gebirge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
1.13.3 Homogenbereiche in Verwitterungsböden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
1.13.4 Nässe- und feuchtigkeitsbedingte Inhomogenitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
1.13.5 Felsgestein an der Oberfläche – Felsen, Blöcke und Krusten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
1.13.6 Höhlen und Hohlräume im Baugrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
1.14 Isotrope oder anisotrope Spannungsverteilung im Boden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
1.15 Korngröße und Korngrößenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
J. Brezina, W. Dachroth
1.15.1 Geometrische Korngrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
1.15.2 Sedimentationskorngrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
1.15.3 Darstellen der Korngrößenverteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
1.15.4 Bewerten der Methoden zur Korngrößenanalyse sandkörniger Partikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
1.15.5 Methodenbewertung zur Korngrößenanalyse feinkörniger Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
1.15.6 Korngrößenunabhängige Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
1.16 Wassergehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
1.16.1 Effektiver Wassergehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
1.16.2 Angabe des Wassergehaltes in Volumenprozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
1.16.3 Wassergehalt zum Ermitteln von Plastizität, Konsistenz und Schrumpfmaß feinkörniger Böden. . . . . . . . . . . . . . . 114
1.17 Wichte und Dichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
1.17.1 Wichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
1.17.2 Dichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
1.17.3 Proctordichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
1.17.4 Lagerungsdichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
1.18 Organische Substanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
1.19 Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
1.19.1 Druckfestigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
1.19.2 Zugfestigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
1.19.3 Scherfestigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
1.20 Verformbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
1.20.1 Verformbarkeit von Boden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
1.20.2 Verformbarkeit von Fels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
1.21 Messen von Spannungen und Spannungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
XI
Inhaltsverzeichnis
2.7.1 Geländeformen und Merkmale von geogen verursachten Erdfällen und Bodensenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
2.7.2 Art und Gefahr technisch verursachter Bodensenkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
2.7.3 Klassifikation gesteinstypischer Subrosionsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
2.7.4 Auslaugung sehr leicht löslicher Gesteine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
2.7.5 Auslaugung in leichtlöslichen Gesteinen – Salzkarst, Chloridkarst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
2.7.6 Auslaugung in löslichen Gesteinen – Anhydritkarst, Gipskarst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
2.7.7 Auslaugung in schwerlöslichen Gesteinen – Carbonatkarst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
2.7.8 Auslaugung in sehr schwer löslichen Gesteinen – Silikatkarst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
2.7.9 Dimensionen von Erdfällen und Senkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
2.7.10 Abschätzen des Schadenrisikos in Erdfallgebieten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
2.7.11 Messtechnisches Überwachen erdfallgefährdeter Gebiete (Monitoring). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
2.7.12 Technische Maßnahmen zum Vermeiden und Beheben von Bergschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
2.8 Wasser und Wind – Erosion, Denudation, Transport und Anlanden von Boden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
2.8.1 Bewegungsformen des fließenden Wassers – Abflusstypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
2.8.2 Art der vom fließenden Wasser transportierten und abgelagerten Feststoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
2.8.3 Schichtfluten und Flächenspülungen – Art der Ablagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
2.8.4 Flusslandschaften und Flusstypen – Art der Ablagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
2.8.5 Fließwege und Strömungen im Küstenbereich – Art der Ablagerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
2.8.6 Art der von unterirdischem Wasser transportierten und abgelagerten Feststoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
2.8.7 Art der von Wind transportierten und abgelagerten Feststoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
2.9 Ansteigen und Absinken von Wasserständen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
2.9.1 Schwankungen des Meeresspiegels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
2.9.2 Schwankungen bei Seewasserständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
2.9.3 Schwankungen bei Flusswasserständen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
2.9.4 Schwankungen bei Grundwasserständen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
2.10 Frost im Baugrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
2.10.1 Eigenschaften des gefrorenen Bodens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
2.10.2 Frostsprengung und Frostbeständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
4 Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Wolfgang Dachroth
4.1 Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
4.1.1 Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke nach DIN 18196. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
4.1.2 Boden- und Felsklassen für den Zustand beim Lösen nach DIN VOB-Teil C (2016), ATV DIN 18300 (2006)
und ZTVE-StB 09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
4.1.3 Boden- und Felsklassen bei Bohrarbeiten nach ATV DIN 18301. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
4.1.4 Boden- und Felsklassen bei Nassbaggerarbeiten nach ATV DIN 18311. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
4.1.5 Boden und Felsklassen bei Rohrvortriebsarbeiten nach DIN 18319. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
4.1.6 Klassifizieren nach dem Merkblatt über Felsgruppenbeschreibungen für bautechnische Zwecke im
Straßenbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
XIII
Inhaltsverzeichnis
4.2 Bewerten von Boden- und Felsarten für den Einbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
4.2.1 Feinkörnige Böden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
4.2.2 Gemischtkörnige Böden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
4.2.3 Grobkörnige Böden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
4.2.4 Gebrochenes Felsmaterial bzw. Gestein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
4.2.5 Klassifikation zur Verdichtbarkeit von Böden nach ZTVA-StB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
4.3 Klassifizieren von Böden zur Frostempfindlichkeit nach ZTVE-StB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
7 Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände. . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Wolfgang Dachroth
7.1 Böschungen in anstehendem Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
7.1.1 Böschungsneigung in anstehendem Boden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
7.1.2 Geböschte Baugruben in Boden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
7.2 Böschungen im Felsgestein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
7.2.1 Standardisierte Entwurfsböschungen in Fels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
7.2.2 Gefügeangepasste Böschungen in Fels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
7.3 Böschungssicherung gegen Verwitterung und Erosion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
7.3.1 Entwässerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
7.3.2 Böschungssicherung mit ingenieurbiologischen Bauweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
7.3.3 Böschungssicherung durch Pflaster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
XIV Inhaltsverzeichnis
15 Deponietechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Wolfgang Dachroth
15.1 Vorgaben für das Betreiben von Deponien und das Ablagern von Abfällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
15.1.1 Behandeln von Abfällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
15.1.2 Klassifizieren von Abfällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
15.1.3 Klassifikation von Deponien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
15.1.4 Anforderungen an das Einrichten und den Betrieb von Deponien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
15.2 Anforderungen an Deponiestandorte – Standortbeurteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
15.2.1 Geologische Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609
15.2.2 Hydrogeologische Verhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .610
15.2.3 Nutzungskonflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611
15.3 Deponien nach dem Multibarrierenkonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611
15.3.1 Geologische Barriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612
15.3.2 Hydraulische Barriere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612
15.3.3 Deponiebasisabdichtungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
15.3.4 Entwässerungssystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620
15.3.5 Prognostizierbares Verhalten der deponierten Abfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621
15.3.6 Deponieoberflächenabdichtungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622
15.3.7 Kontrolliertes Entgasen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623
15.3.8 Kontrollierte Wasser- und Sickerwassererfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
15.4 Oberirdische Deponien für Inertstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
15.4.1 Halden und Kippen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
15.4.2 Klärteiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627
15.5 Oberirdische Altdeponien für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle – historische Entwicklung. . . . . . . 629
15.5.1 Die ungeordnete Deponie – Müllkippen und Müllhalden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629
15.5.2 Die geordnete Deponie (Altdeponie). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629
15.5.3 Die „nachgerüstete geordnete Deponie nach TA Abfall“ (Altdeponie). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
15.5.4 Die Reststoffdeponie nach der TA Siedlungsabfall (Altdeponie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
15.6 Einbau und Standfestigkeit der Abfälle in oberirdischen Deponien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
15.6.1 Einbau fester Abfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
15.6.2 Einbau von Müll und halbfesten Abfällen bei Altdeponien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632
15.6.3 Bodenmechanische Kenngrößen für unbehandelt abgelagerten Hausmüll, Siedlungsabfall, Klärschlamm. . . . . 632
15.6.4 Sicherheit gegen Böschungsbruch bei Müllhalden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
15.6.5 Spreizdruckuntersuchung bei Müllhalden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
15.6.6 Grundbruchsicherheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
15.6.7 Setzungsberechnung bei Müllhalden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
15.6.8 Kontrollmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
15.7 Schadstoffausbreitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
15.7.1 Schadstoffausbreitung als Feststoff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
15.7.2 Schadstoffausbreitung durch hydraulische Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636
15.7.3 Schadstoffausbreitung durch Diffusion in der flüssigen Phase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636
15.7.4 Schadstoffausbreitung durch Gasmigration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
15.7.5 Schadstoffausbreitung durch Diffusion in der Gasphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
15.8 Überwachen der Umwelteinflüssen von Deponien und Altdeponien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
15.8.1 Gasförmige Emissionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
15.8.2 Deponiesickerwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638
15.8.3 Oberflächenwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
15.8.4 Grundwassermonitoring im Abstrom von Deponien, Altdeponien, Altlasten und Altlastenverdachtsflächen. . . 639
15.8.5 Mess- und Kontrollprogramm nach Schließen der Deponien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640
15.8.6 Stoffliche Aspekte beim Bewerten von Grundwassergütedaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640
XIX
Inhaltsverzeichnis
18 Schriftenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
Wolfgang Dachroth
18.1 Amtliche Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694
18.2 Regelwerke von Instituten, Vereinen, Fachverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694
18.3 Lehrbücher, Handbücher, Standardwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695
18.4 Fachbeiträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712
XXI
Autorenverzeichnis
Kies 2–63 Gr G
nisse der geplanten Maßnahmen geologisch anzusprechen, zu
7 beproben, labor- oder messtechnisch zu untersuchen, zu be- Grobkies 20–63 CGr gG
werten und zu beschreiben. Das Untersuchen, Bewerten und Mittelkies 6–20 MGr mG
Beschreiben der Untergrund- oder Baugrundverhältnisse setzt
8 vielseitige Kenntnisse aus Geologie, Boden- und Felsmechanik,
Feinkies 2–6 FGr fG
.. Tab. 1.2 Benennen der Bodenarten/Kornfraktionen für boden- .. Tab. 1.3 Benennen der Bodenarten nach Wentworth/ASTM
kundliche Standortbeurteilung. Grus/Kies, Steine und Blöcke bilden
das Bodenskelett, Ton, Schluff/Silt und Sand den Feinboden Fraktion Korngröße [mm]
-
Grobsand gS 0,63–2,0
Mittelsand mS 0,2–0,63
feinkörnige Bodenarten
Feinsand fS 0,063–0,2 Sie bestehen aus Ton (Feinstes) und Schluff (Silt). Trocke-
Grobschluff gU 0,02–0,063 nes, kohäsionsfreies feinkörniges Material heißt Staub. In
Wasser suspendiertes, kohäsionsfreies feinkörniges Material
Mittel- mU 0,0063–0,02
heißt Schweb. Kompakt gelagerter und/oder feuchter bzw.
-
schluff
nasser feinkörniger Boden ist kohäsiv (bindig).
Feinschluff fU 0,002–0,0063
grobkörnige Bodenarten
Sie bestehen aus Sand und Kies (Grus) und sind kohäsions-
-
Grobton gT 0,00063–0,002
-
licher Entstehung sind:
Grus, Sand, Gesteinsmehl
Es sind Begriffe für kohäsionslose, zerreibliche Verwitte-
ihrer Korngröße Gruppen zugeordnet und benannt. Die Grup-
peneinteilung folgt der von Atterberg aufgestellten Skala, die in
DIN EN ISO 14688-1 (2011; . Tab. 1.1) und DIN 4220 (2008;
- rungsprodukte.
Lehm, Braunlehm, Gelblehm, Rotlehm, Porzellanerde, Late-
rit, Bauxit
Es sind Begriffe für kohäsive Zersetzungsprodukte. Diese
. Tab. 1.2) übernommen wurde. Die für diese Gruppeneintei-
lung verwendeten Maßzahlen folgen der Normzahlenreihe R2
(. Tab. 1.26 und 1.27).
In den USA wird mit der von Wentworth (1922) aufge-
Böden bestehen aus bei der Verwitterung neu entstandenen stellten und in die ASTM aufgenommenen Skala gearbeitet
Mineralen (Tonminerale, Limonit, Hämatit, Böhmit u. a.) (. Tab. 1.3).
und aus chemisch unverwitterten und meist physikalisch In Deutschland verwenden verschiedene Wissenschaftsdis-
zerkleinerten Mineralkornpartikeln des ursprünglichen ziplinen für diese Korngrößengruppen teilweise abweichende
1
2
3
4
5
6
7
8
9
.. Abb. 1.1 Form und Bezeichnung regelmäßiger Kluftkörper in Abhängigkeit von der Größe
10
chenes Gestein nach DIN EN ISO 14688-1 (2011) zu benennen. Die Eigenschaft grobkörniger Böden kann durch weitere Bo-
11 Hierfür unterscheidet diese Norm bei Mischböden zwischen denkennwerte wie Lagerungsdichte (▶ Abschn. 1.17.4), Scherfes-
Hauptanteilen und Nebenanteilen. Bei grobkörnigen Böden ist tigkeit (▶ Abschn. 1.19.3) und Konsistenzzahl (▶ Abschn. 1.1.2
12 die mit > 40 % Massenanteil vertretene Kornfraktion der wirk- und 1.16.3) quantifiziert werden.
same und namengebende Hauptanteil. Die Böden werden nach Für Aufgaben der bodenkundlichen Standortbeurteilung
dem jeweiligen Hauptanteil mit einem Substantiv benannt und (Nutzungspotential Boden, Bodenwasserhaushalt, Bodennut-
13 als Kurzzeichen durch große Buchstaben dargestellt – z. B. „Sa“ zungsschäden, Rekultivieren und Renaturieren, Erosionsgefähr-
für „Sand“ oder „MSa“ für „Mittelsand“ (. Tab. 1.1). dung, Altlastenverdachtsflächen) sind Boden, Steine und Blöcke
14 Sind bei grobkörnigen Böden zwei Bodenarten etwa gleich- nach DIN 4220 zu benennen (. Tab. 1.2).
stark vertreten, dann wird dieser Boden mit beiden durch einen Für das Benennen von Mischböden nach den in . Tab. 1.2
15 Schrägstrich verbundenen Substantiven benannt, z. B. „Sand/ genannten Bodenarten, welche zu unterschiedlichen Anteilen
Kies“ (Sa/Gr). aus Ton, Schluff und Sand bestehen, unterscheidet und definiert
Die Nebenanteile werden durch Adjektive und als Kurzzei- DIN 4220 zum Themenkreis „bodenkundliche Standortbeurtei-
16 chen durch kleine Buchstaben dargestellt – z. B. „grSa“ für „Sand, lung“ Bodenartenhauptgruppen und Bodenartenuntergruppen.
kiesig“. Die Bodenartenhauptgruppen sind Sande, Lehme, Schluffe,
17 Grobkörnige Böden enthalten weniger als 5 % Feinkornan- Tone.
teil (Schluff, Ton). Bei höheren Feinkornanteilen werden boden- Bodenartenuntergruppen der Sande sind reiner Sand, schwach
physikalische Eigenschaften wie Durchlässigkeit, Frostsicherheit, schluffiger Sand, schwach lehmiger Sand, schwach toniger Sand,
18 Festigkeit u. a. mit zunehmendem Feinkornanteil auch von den mittel schluffiger Sand, stark schluffiger Sand. Die Bodenarten-
plastischen Eigenschaften des Bodens bestimmt. untergruppen der Lehme sind schluffig-lehmiger Sand, stark leh-
19 Bei feinkörnigen Böden (veraltete Bezeichnung: „bindige Bö- miger Sand, mittel toniger Sand, schwach sandiger Lehm, mittel
den“) und bei Mischböden mit hohem, wirksamem Feinkorn- sandiger Lehm, stark sandiger Lehm, schwach toniger Lehm,
20 anteil wird der Hauptanteil solcher Böden durch die Plastizität sandig-toniger Lehm, stark sandiger Ton, mittel sandiger Ton.
bestimmt. Der Boden wird nicht allein nach der Korngrößen- Die Bodenartenuntergruppen der Schluffe sind reiner Schluff,
verteilung benannt. sandiger Schluff, schwach toniger Schluff, mittel toniger Schluff,
21 Das Benennen feinkörniger Böden nach der Korngrößen- sandig-lehmiger Schluff, stark toniger Schluff, schluffiger Lehm.
verteilung entsprechend . Tab. 1.1 ist gegeben, wenn eine der Die Bodenartenuntergruppen der Tone sind mittel toniger
22 Bodenarten Ton oder Schluff, oder beide zusammen, mit mehr Lehm, mittel schluffiger Ton, stark schluffiger Ton, schwach san-
als 40 % Massenanteil vertreten sind. Im Übrigen erfolgt das diger Ton, lehmiger Ton, schwach schluffiger Ton, reiner Ton.
Benennen feinkörniger Böden und der Mischböden mit hohem
23 wirksamem Feinkornanteil nach dem Plastizitätsgrad des Bo- zz Mineralstoffe/Technische Produkte
dens und seiner Lage im Plastizitätsdiagramm nach DIN EN Technische Produkte sind das Siebgut natürlicher Mineralstoffe
ISO 14688-2 (▶ Abschn. 1.1.2 und 1.16.3). (Rundkorn/„Flusssand“, Feinriesel, Riesel, Betonkies), gebroche-
1.1 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Boden
7 1
.. Abb. 1.2 Form und Bezeichnung unregelmäßiger Kluft- und Fragmentkörper in Abhängigkeit von der Größe
-
Überkorn in den Lieferkörnungen definiert.
Die Lieferkörnungen für Natursand und Kies sind:
Natursand 0/2; Kies 2/4; Kies 4/8; Kies 8/16; Kies 16/32;
DIN EN ISO/TS 14688-1 kennt die Rundungsformen scharf-
kantig, kantig, kantengerundet, angerundet, gerundet, gut ge-
- Kies 32/63.
Die Lieferkörnungen für Brechsand-Splitt, Splitt und Schot-
ter sind:
Brechsand-Splitt 0/5; Splitt 5/11; Splitt 11/22; Splitt 22/32;
rundet.
Körper, deren ursprüngliche Gestalt (Kluftkörperform,
. Abb. 1.1 und 1.2) von der gedrungenen Form stark abweicht
(z. B. plattige, stengelige oder spitzkantige Kluftkörper), sind bei
--
folgende Rundungstypen (Kornformtypen) unterschieden werden:
sehr gut gerundet (polierte Kugel);
gut gerundet (matte raue Kugel, polierter Diskus oder
poliertes Ellipsoid);
8 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Leichtplastische
Tone
Mittelplastische
Fließgrenze wL [%]
< 35
35 – 50
Plastizitätszahl IP [%]
> 10
20 – 30
-
zwischen:
fest (hart)
Der Boden ist ausgetrocknet und zeigt gegenüber dem
feuchten Boden eine hellere Farbe. Der Boden lässt sich
nicht kneten. Die beim Zerbrechen entstehenden Stücke
4
-
Tone
lassen sich nicht zusammenballen.
Ausgeprägt plasti- > 50 > 30
halbfest IC > 1,0
sche Tone
5 Der Boden zeigt die dunkle Farbe des feuchten Bodens.
Leichtplastische 25 – 35 5 – 10 Einzelne Stücke lassen sich in der Hand zusammenballen.
Schluffe
Er zerbröckelt beim Versuch, ihn zu 3 mm dicken Walzen
-
6 Mittelplastische 35 – 50 10 – 20 auszurollen.
Schluffe steifplastisch I‘C 0,75–1,0
7 Der Boden lässt sich schwer kneten und zu 3 mm dicken
-
Ausgeprägt zu- > 50 < 20
sammendrückbare Walzen ausrollen.
Schluffe weichplastisch IC 0,5–0,75
--
8 Der Boden lässt sich leicht kneten.
sehr weich IC 0,25–0,5
9 1.1.2 Beschreiben von Boden breiig IC < 0,25
nach Wassergehalt, Plastizität Beim Versuch, den Boden zu kneten oder in der Faust zu
und Konsistenz
10 pressen, quillt das Material durch die Finger.
22
23
tizitätszahl IP.
Das Benennen nach den gewichtsmäßigen Anteilen von
Schluffkorn und Tonkorn nach DIN EN ISO 14688-1 korre-
spondiert oft nicht mit dieser an der Plastizität orientierten
-
moor unterschieden:
Hochmoore (ombrogene Moore)
Hochmoore sind vom Grundwasser unabhängige und nur
aus Niederschlägen gespeiste Moore. Im unentwässerten
Benennung nach DIN EN ISO 14688-2. Mittelplastische Ei- Zustand wölbt sich das Hochmoor über seine Umgebung
genschaften und ausgeprägte Zusammendrückbarkeit treten auf. Als Unterlage dienen Mineralböden oder Nieder-
bei Schluffen mit organischen Beimengungen auf. moore. Torfbildner sind Moose, Wollgras und Heidekraut.
1.2 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Gesteinen
9 1
-
oder Torf:
Klei, Schlick, Seekreide
Die regional unterschiedlich verwendeten Ausdrücke
beschreiben Mischungen aus feinkörnigen Bodenarten
rerer Mineralarten. Natürliche Gläser und zusammenhängende
glashaltige Massen (Schlacken) werden den Festgesteinen zuge-
rechnet.
- freie Wasserfläche.
Mudde, Tonmudde, Kalkmudde, Gyttja, Faulschlamm
Die regional unterschiedlich verwendeten Ausdrücke
beschreiben Mischungen aus organischem Material mit
schlüssel Geologie – Symbole für die Dokumentation und Verar-
beitung geologischer Feld- und Aufschlussdaten (Landesamt für
Bergbau, Energie und Geologie, Hannover, 2009). Der Symbol-
schlüssel Geologie ist als Sammelwerk für Begriffe der Geologie
Ton, Schluff, Sand und/oder Kalk, wobei die organische zu verstehen und dient mit seinen Kurzzeichen der digitalen Er-
Substanz überwiegt. Die Böden zählen zu den organischen fassung. Neben der Anwendung dieses Symbolschlüssels kann
- Bodenarten.
Schilftorf, Riedtorf
Organischer Boden aus Wurzeln und Blättern von Schilf-
der geologische Sachverhalt auch durch frei formulierte verbale
Texte (Klartexte) beschrieben werden. In einigen Bundesländern
gelten abweichende Schlüssellisten, welche bei den Geologischen
- Moosarten.
Bruchwaldtorf
Holzreiche Torfschichten, vorwiegend an der Basis von
Niedermooren. Diese Torfart ist durch Vernässen von
DIN 4023 Tab. 2 (2006) gibt Namen, Kurzformen, (Symbole),
Zeichen und Farben für Felsarten. Diese Zusammenstellungen
genügen dem Geologen oft nicht, um den Sachverhalt im aus-
reichenden Maße zu vermitteln. Frei formulierte Texte sollten
Mineralböden entstanden. die Kennzeichnung nach diesen Normen ergänzen. Besonders
bei größeren Projekten, wie beim Planen von großflächigen Ab-
Zersetzungsgrad organischer Böden Die organische Substanz grabungen, Aufschüttungen, Deponien, Bau von Sperranlagen,
tritt im Boden in unterschiedlichem Zersetzungsgrad auf. Die Dämmen, Tunneln, Deponien, Objekten der Geothermie und
Unterscheidung erfolgt visuell und nach dem Ausquetschver- Tiefengeothermie, dem Einsatz von Fracking für das Gewinnen
-
such. Unterschieden wird zwischen:
nicht zersetz
Alle Pflanzenreste sind gut erhalten, beim Quetschversuch
oder Speichern von Flüssigkeiten und Gasen und bei der Auf-
nahme von tiefen Bohrungen ist der Symbolschlüssel Geologie
anzuwenden.
Es werden auch Schicht- und Formationsnamen wie Bunt- Elastizität, Schleifbarkeit, Polierbarkeit. Der Klang bei
1 sandstein, Muschelkalk und deren Unterteilungen verwendet, Anschlagen ist hell. Die Gesteinsoberflächen sind tekto-
also Begriffe, die in der geologischen Karte und in der stratigra- nisch (Kluft) oder technisch angelegt (gesprengt, gesägt,
2 fischen Literatur eingeführt sind. Diese in der stratigrafischen bossiert, poliert, bei Ziegel gepresst und gebrannt, bei
Geologie (Erdgeschichte) als Zeitbegriff benutzten Ausdrücke,
hinter denen sich durchaus sehr unterschiedliche Gesteine ver-
- Beton gegossen, etc.).
feinrissig
-
3 bergen, können in der Geotechnik und im Bauwesen zu Missver- Der Stein zeigt bei Lupenvergrößerung feine Risse.
ständnissen führen, z. B. wenn nach einer Materialbeschreibung rissig und entfestigt
4 Buntsandstein erwartet wird und Sand, Schluff oder Schluffstein Der Stein ist gerissen. Durch die Anlage solcher neu ent-
angetroffen wird. Vom Bauingenieur oder Bauunternehmer wird standenen und sich aufweitenden Risse, welche den Stein
5 unter diesen Begriffen jeweils die fazielle Ausbildung erwartet, in von der Oberfläche aus durchziehen, sind Schwächezonen
der sie diesem Personenkreis regional und schichtmäßig bekannt für möglichen Zerfall in Stücke mit scherbigem Umriss
sind. Das Verwenden nicht eingeführter geologischer oder pet- vorgezeichnet.
6 rographischer Begriffe kann folgenschwere Fehleinschätzungen Häufig beobachtet wird auch die Anlage einzelner Risse,
nach sich ziehen und in Ingenieurkreisen zu Verwirrung führen. die Natursteine (Kieskorn bis Block) durchziehen („Kern-
7 Zum anderen sind im geologischen Kartenwerk und in der sprünge“) und das Aufspalten in zwei oder drei Stücke
geologischen Literatur einzelne Schichtglieder detailliert be- vorzeichnen. Betonträger, wie z. B. Tür- oder Fenstersturz,
kannt, welche in der Baugeologie ausgesprochene Schwächezo- können in regelmäßigen Abständen durchreißen. Derart
8 nen (z. B. Gleithorizonte) darstellen. Ohne diese regionalgeologi- rissige Steine haben noch einen inneren Zusammenhalt.
9
10
schen Sachkenntnis kann dem rein ingenieurmäßig arbeitenden
Geotechniker die Existenz und Bedeutung solcher Schichten
verborgen bleiben. - Die Festigkeitswerte sind erniedrigt.
durchrissen, aufgelockert
Der Stein zerbricht beim Bearbeiten, beim Belasten oder
durch Frost in scherbige Stücke (z. B. Pflastersteine aus
Hartstein, Kalkstein, Beton!). Große Gesteinskörper kön-
1.2.2 Beschreiben von Gesteinen nen an neu entstandenen Rissen („Kernsprünge“) ausein-
11 nach dem Wassergehalt anderbrechen. An geformten Steinen brechen Ecken und
Kanten ab. Sandstein und Beton sanden an Ecken, Kanten
12
13
Steine und im Untergrund angetroffene Gesteinsmassen können
Unterschiede bei Wassergehalt und Wassersättigung aufweisen.
Verbale Unterschiede bieten die Adjektive trocken, feucht, sehr
feucht, nass, sehr nass bzw. wassergesättigt (▶ Abschn. 1.16).
- und Gebrauchsstellen ab.
zerbrochen, zerfallen
Der Stein zerreißt und zerfällt in brecciöse Stücke (natür-
licher Schotter). Bei großen Steinen und Blöcken spricht
man von Kernsprung und Blockzerfall.
14
1.2.3 Beschreiben von Gesteinen Nach Art und Aussehen der abgewitterten Steinfläche ergeben
-
nach dem Verwitterungsgrad
15 sich bei Sandsteinen die Begriffe
gleichmäßiges Absanden in der Fläche
Beim Beschreiben des Verwitterungszustandes von Gesteinen An historischen Bauwerken und Denkmälern lassen sich
16 und Gesteinsverbänden (Fels, Gebirge) ist grundsätzlich zwi- z. B. am kieselig gebunden Sandstein der Karlstal-Felszone/
schen physikalischen und chemischen bzw. biochemischen Pfalz (Buntsandstein, Volpriehausen-Folge) Rückver-
17 Vorgängen zu unterscheiden (▶ Abschn. 2.3 bis 2.3.13). Auch witterungsraten in der Größenordnung von 0,5 mm pro
18
ist klarzustellen, ob der Verwitterungszustand am Stein oder
im Gesteinsverband/Fels beschrieben werden soll. Der Verwit-
terungszustand am Stein betrifft Qualitätsfragen. Der Verwit-
terungszustand im Fels/Gebirge betrifft Fragen der Lösbarkeit,
- Jahrhundert ermitteln.
Lochverwitterung, Wabenverwitterung, zitzenartiges Ab-
wittern
Derartige Verwitterungsformen treten an Felsen und
19 Standfestigkeit, Durchlässigkeit. Bauwerken oft an der Südseite auf (Ahnert 1996). Der Ver-
witterungsfortschritt kann bei mehreren Zentimetern pro
20 Physikalische Verwitterung am Stein bei magmatischen Gesteinen, Jahrhundert liegen, sodass z. B. bei mittelalterlichen Burgen
metamorphen Gesteinen und mineralisch gebundenen Sediment- und Bauwerken deren Standfestigkeit bedroht ist.
gesteinen Nach dem Grad der physikalischer Verwitterung er-
21 geben sich bei dichten magmatischen Gesteinen (Granit, Basalt, Physikalische Verwitterung an veränderlich festen Steinen Nach
Porphyr u. a.), metamorphen Gesteinen (Gneis, Schiefer) und bei Art der physikalischen Verwitterung, besonders durch Wasser-
22 mineralisch gebundenen Sedimentgesteinen (Kalkstein, Dolomit, aufnahme, Austrocknen und Frost ergeben sich bei Tonstein,
Gips, Quarzit, kieselig oder karbonatisch gebundener Sandstein) Schluffstein und tonig gebundenem Sandstein je nach geologi-
23
-
sowie bei Ziegelsteinen, Mörtel, Putz und Beton die Begriffe:
frisch (unverwittert)
--
schem Vorkommen, Formation und Alter Begriffe wie:
sehr fest, massig, bankig,
Der Stein hat hohe günstige Werte der Dichte, Druckfes-
tigkeit, Zugfestigkeit, Schlagfestigkeit, Abriebsfestigkeit,
- fest, rissig, entfestigt,
halbfest, bröckelig, aufgeblättert, aufgequollen, absandend,
1.2 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Gesteinen
11 1
--
DIN EN ISO 14689-1 zwischen
„schwach verwittert“,
„mäßig verwittert“,
den Mineralkörner zerschlagen, zerdrückt oder zerrieben
und in einen Lockerboden (sandiger Kies) überführt
werden.
12 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Hart 50–100
3 Mäßig hart 12,5–50
Sehr hohe
Festigkeit
> 230 Basalt, Gabbro
7
Festigkeit toniger Sandstein
DIN EN 1997-1:2009, Anhang G und DIN 1054:2010, A 6.10.4
und Bild A 6.3 teilen Fels als Baugrund nach der einaxialen
Druckfestigkeit des felsbildenden Gesteins ein (. Tab. 1.5). Die Bei der Verwitterung von Eisensulfiden bilden sich Limonit
8 IAEG-Empfehlung (1981) und die SIA-Empfehlung (1975) teilen und Schwefelsäure. Mögliche Folgen sind Gesteinsverfärbung
Naturstein nach der einaxialen Druckfestigkeit ein (. Tab. 1.6). (Rostflecken) und Gesteinszerstörung (z. B. Absplittern bis Zer-
9 fallen von Schieferplatten).
Bei Sonnenbrennerbasalten bilden sich zunächst sternför-
1.2.5 Beschreiben der Gesteine
10 nach der Beständigkeit
mige, helle Flecken und Haarrisse. Von diesen geht Auflockerung
im Mineralgefüge und Gesteinszerfall aus.
oder Veränderlichkeit Bei Schlacken wird von Dicalciumsilikat ausgehender „Kalk-
11 zerfall“ beobachtet. Von Dicalciumsilikat kennt man mehrere
Nach der Beständigkeit bzw. Veränderlichkeit werden Festge- nicht beständige Modifikationen. Modifikationsänderung kann
12
13
-
steine und veränderlich feste Gesteine unterschieden:
Festgesteine
Festgesteine besitzen eine mineralische Kornbindung. Sie
behalten ihre Festigkeitseigenschaften auch bei Zutritt von
zur Zerstörung des Interngefüges und zum Zerfall von Schla-
ckenstücken führen.
Anhydrit kristallisiert unter Aufnahme von Wasser in Gips
um. Der Vorgang ist mit Volumenzunahme verbunden. Mas-
Wasser, Frost, Kristallisationsdruck und Temperaturwech- sige Anhydritsteine können zerbröckeln, Ton- und Mergelsteine
14 sel bzw. Hitzebeanspruchung bei. Der natürliche Verwitte- mit feinverteiltem Anhydrit erfahren Volumenzunahme (▶ Ab-
16
Die Gesteine verlieren ihre Festigkeit beim Zutritt von
Wasser, Frost, Kristallisationsdruck und Temperaturwech-
sel bzw. Hitzebeanspruchung. Hierzu zählen Tonsteine,
Schluffsteine, Mergelsteine, schluffige Sandsteine sowie ver-
-
folgende Unterscheidung getroffen werden:
formbeständig und frostsicher
Die Prüfkörper zeigen nach 28fachem Frost-Tau-Wechsel
keine Zerfallserscheinungen. Nach Versuchsablauf sind sie
17
18
witterte magmatische und metamorphe Gesteine. Bei meh-
reren Gesteinsarten, besonders bei Sandsteinen, Arkosen,
Konglomeraten und Brekzien, kann durch den Einfluss der
Verwitterung eine Entfestigung im Korngefüge eintreten.
- für einaxiale Druckversuche geeignet.
begrenzt formbeständig
Die Prüfkörper zeigen nach 28fachem Frost-Tau-Wechsel
leichte Zerfallserscheinungen. Prüfkörper bröckeln an
19
20
Im Gegensatz zum unverwitterten (festen) Stein zählen die
entfestigten Gesteine zu den veränderlich festen Gesteinen.
Der Verwitterungsfortschritt ist groß. Entfestigte Gesteine
werden besonders in Böschungsanschnitten angetroffen.
- Ecken und Kanten ab.
nicht formbeständig und frostgefährdet
Die Prüfkörper zerfallen während des 28fachen Frost-Tau-
Wechselversuches.
23
bis zum Zerbröckeln verlieren. Minerale, von denen die Gefahr
der Gesteinszerstörung ausgeht, sind sulfidische Minerale (Pyrit,
Magnetkies u. a.), Olivin, Nephelin, Analcim und Glas in Basal-
ten, „Kalkolivin“ (Dicalciumsilikat) in Schlacken und Anhydrit
-
Es kann folgende Unterscheidung getroffen werden:
harte Festgesteine
Es sind Festgesteine, die sich durch hohe Druckfestigkeiten
als Folge inniger Verwachsung der einzelnen Mineralkör-
in Sedimentgesteinen. ner und durch großen Gehalt an harten Mineralen (Mohs-
1.2 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Gesteinen
13 1
sche Härteskala bzw. Ritzhärte) auszeichnen. Hierzu zählen über Brennwert und Aschegehalt. Bei untertägigen Arbeiten
Basalt, Gabbro, Granit, Diorit, Quarzporphyr, Grauwacke, in kohleführenden Gesteinen ist auf die Gasführung zu achten
Quarzit, quarzitischer und verkieselter Sandstein mit (▶ Abschn. 13.1.4).
-
getroffen werden:
sehr leicht lösliche Gesteine
Hierzu gehören hygroskopische Salze wie Magnesiumchlo-
verfestigt (verziegelt) werden. Im unveränderten Haldenmaterial
bestimmt die Veränderlichkeit der Begleitgesteine dessen geo-
technischen Eigenschaften.
Mergelsteinen. Die mögliche Lösungsmenge an CaO als 1.2.9 Beschreiben erdölhaltiger Gesteine
1.3 Begriffe zum stofflichen Beschreiben net man feinkörnige Gesteine, die sich nach der Schichtung auf-
1 und Benennen von Fels spalten lassen.
--
11 dessen Frische bzw. Verwitterungsgrad. Festigkeit, Verformbar- Länge:
keit und Durchlässigkeit von Fels bzw. Gebirge werden wesent- kurze Kluft (bis 1 m);
12
13
lich vom Trennflächengefüge (Diskontinuitätsgefüge) bestimmt.
Beim Beschreiben von Fels sind Trennflächenart, Trennflächen-
abstand, Durchtrennungsgrad, Auflockerungsgrad, Trennflä-
chengefüge, Raumstellung der Trennflächen, Oberflächenaus-
- mittlere Kluft (1–10 m);
lange Kluft (10–30 m).
zz Großkluft
bildung der Trennflächen, die Öffnungsweite von Klüften und Die Trennfläche durchtrennt das Gebirge in der ganzen einseh-
14 Spalten mit Füllung und Wasserführung sowie die Scherfestigkeit baren Aufschlusswand, unabhängig von wechselnder Gesteins-
auf den Trennflächen zu beachten. art und Bankungsstärke. Die beobachtbare Trennflächenlänge
15 ist > 30 m, die zugehörige Trennflächengröße liegt in der Grö-
ßenordnung 1000 m2.
1.3.1 Beschreiben von Fels nach der Art
16 der Trennflächen zz Kluftschar
Wenige engständige Großklüfte durchziehen das Gebirge.
17 Trennflächen sind offene (durchrissene oder durchtrennte) oder
teilweise offene Schicht-, Kluft-, Schieferungs- oder Störungsflä- zz Störung
chen. Nach der Entstehung, Reichweite und Art der Trennwir- Unter Störung versteht man die enge Scharung von Großklüften
18 kung der Trennflächen (Klüfte) ergeben sich die nachstehenden mit Querklüften, häufig mit Verwerfungsbetrag. Das Gebirge ist
Begriffe. über die Breite der Störung (etwa 0,3–3 m) kleinstückig zerbro-
19 chen.
zz Schichtfugen (Schichtflächen)
20 Schichtfugen sind Trennflächen in Sedimentgesteinen. Sie tren- zz Verwerfung
nen Gesteinsschichten, die entweder aus unterschiedlichen Se- Es ist die geologische Bezeichnung für eine Gesteinsverschiebung
dimentationsvorgängen mit unterschiedlichen Materialeigen- an einer oder mehreren Trennflächen. In plastischen Gesteinen
21 schaften entstanden sind oder Gesteinsschichten die im Zuge der kann der Gesteinsverband massig erhalten sein; die Verwerfung
Diagenese unterschiedlich verfestigt worden sind. Der Vorgang hat dann die Eigenschaft einer Großkluft. In Hartsteinbänken
22 gleichmäßiger Sedimentation, der sich z. B. in Anlagerungsstrei- ist die Verwerfung meist als Störung ausgebildet. Beiderseits der
fen erkennen und deuten lässt, führt in der Regel zu massiger Verwerfung können unterschiedliche Gesteine auftreten.
Schichtausbildung. Die mehrfache Wiederholung gleichartiger
23 Sedimentationsvorgänge mit Ausfällung aufgewirbelter Teilchen zz Großtektonische Struktur
unterschiedlicher Größe aus stehendem Wasser oder Luft führt Das Gebirge ist bei weiter Längserstreckung über eine große
zu dünnschichtiger Gesteinsausbildung. Als Schieferton bezeich- Breite (> 10 m) stückig zerbrochen. Beiderseits dieser Struktur
1.3 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Fels
15 1
Beim Benennen von Fels nach dem Abstand der Trennflächen Häufig werden drei senkrecht aufeinanderstehende, „ortho-
müssen die Maßangaben im Verhältnis von konstanten Quoti- gonale“ Kluftscharen angetroffen (Lagerungsklüfte). Gefaltete
enten stehen. Üblich ist die Einteilung nach der Normzahlreihe und tektonisch beanspruchte Felspartien können (zusätzlich)
R2 (. Tab. 1.26 und 1.27). Nach dem Abstand der Trennflächen, von diagonal verlaufenden Trennflächen durchzogen wer-
bei Schichtgesteinen meist nach dem Abstand der Schichtflächen, den. Vulkanische Gesteinsmassen können, häufig auf einzelne
ergeben sich die in . Tab. 1.7 genannten Begriffe. Gesteinslagen begrenzt, in sechseckige Säulen aufgeteilt sein
Die Begriffe „Schiefer“ und „Schieferung“ beinhalten eine (Schrumpfungs- bzw. Abkühlungsklüfte). Trennflächenabstand
Aussage zu Trennflächenabstand und Spaltbarkeit. Hierzu wird und Raumlage der einzelnen Trennflächenscharen bestimmen
-
folgende Begriffserläuterung gegeben:
Schiefer
Dies ist eine Bezeichnung für meist feinkörnige Gesteine mit
parallelgerichteten Trennflächen im Abstand von 1–2 mm
Größe und Form der Kluftkörper (Trennflächenkörper) und
die Standfestigkeit von Wänden und Hohlräumen im Fels. Die
Klüftigkeitsziffer ist ein Maß für die Zerteilung der Felsmasse.
Die Begriffe zur Zerteilung einer Felsmasse sind nachfolgend
und kleiner. Die Schieferung bewirkt eine gute Spaltbarkeit erläutert.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18 Trennflächenscharen sind es Körper, die in Richtung Quader, Für regelmäßig begrenzte, große (massige) Körper mit Kan-
Säule oder Platte tendieren. tenlängen über 60 cm werden die Begriffe plattig (großplattig),
19 Wird Fels zusätzlich von Diagonalklüften (diagonal ver- dickplattig, großwürfelig/großquaderig, dicksäulig und großsäu-
laufende Trennflächen) durchzogen, so bedingt dies vom lig verwendet.
20 rechtwinkligen System abweichende, unregelmäßig gestaltete Für unregelmäßig begrenzte, kleinstückige Kluftkörper-
Kluftkörperformen. Die verwendeten Begriffe zur Kluftkörper- und Fragmentformen werden die Begriffe schuppig, scherbig,
form beinhalten zugleich eine Aussage zur Kluftkörpergröße gedrungen, splittrig und spitzkantig verwendet.
21 (. Abb. 1.1 und 1.2). Für unregelmäßig begrenzte, große Kluftkörper- und Frag-
Für regelmäßig begrenzte, kleinstückige Kluftkörper mit mentformen werden Begriffe wie scharfkantig (Platte), keilförmig
22 Kantenlänge bzw. Durchmesser bis etwa 6 cm werden die Be- (Quader), massig (Block: rhomboidal, trapezoidal, polyedrisch,
griffe blätterig (dünnblätterig), kleintafelig, kleinwürfelig (klein- rund), pyramidal und spitzpyramidal verwendet.
kubisch), kurzsäulig und stengelig (griffelig) verwendet. Soweit auf das Beschreiben der Form größerer Wert zu legen
23 Für regelmäßig begrenzte Kluftkörper mit Kantenlängen ist, empfiehlt es sich, die textlichen Festlegungen durch Zeich-
6–60 cm werden die Begriffe tafelig, dünnplattig, würfelig/qua- nungen, Aufmaße und Fotodokumentation zu ergänzen.
derig, kurzsäulig und säulig verwendet.
1.3 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Fels
17 1
zz Klüftigkeitsziffer
.. Tab. 1.8 Begriffe für die Raumlage von Haupttrennflächen bzw.
Die von Stiny (1922) eingeführte Ziffer k bezeichnet den re- Schichten
ziproken Wert der Kluftabstände im Fels, also die Anzahl der
Kluftschnitte pro Meter. Im Fels werden für alle Kluftscharen Bezeichnung Fallwinkel [°]
die zugehörigen mittleren Kluftabstände (Zahl der Kluftschnitte Söhlig 0–10
pro Meter in normaler Richtung zur Kluftfläche) ermittelt und
Flach 10–30
als Teilklüftigkeitsziffern k1, k2, k3, kn angegeben. k1 betrifft die
Haupttrennflächenschar, k2, k3, kn nachgeordnete Trennflächen- Geneigt 30–60
scharen. Die Klüftigkeitsziffer k ergibt sich aus der Addition aller Steil 60–80
Teilklüftigkeitsziffern. k ist die Anzahl von Kluftschnitten pro
Senkrecht (saiger) 80–90
Kubikmeter. Fels mit hoher Klüftigkeitsziffer besteht aus klei-
nen Kluftkörpern. Aus der Klüftigkeitsziffer und der mittleren
Kluftöffnungsweite lässt sich der Klufthohlraum eines Gesteins
abschätzen. -- rau, körnig (Sandstein, Kalkstein und Magmatite);
sehr rau, grobkörnig (Konglomerate, angewitterte bzw.
zz Kluftkörpervolumen
Bei gleichmäßig geklüfteten Gesteinen kann aus Klüftigkeitszif-
fer und Kluftkörperform auf das mittlere Kluftkörpervolumen
- aufgewachsene Kristalle);
glitschig belegt (z. B. reibungsmindernde Aufwachsung von
Pilzmyzel).
geschlossen werden (Palmström 1997; . Abb. 1.3). Für Flächen in der Größenordnung 1 m2 ergeben sich nach Au-
--
genschein oder Aufmaß die Begriffe:
eben, planar;
--
1.3.4 Beschreiben von Fels nach der Raumlage leicht gebogen, leicht gewellt;
der Haupttrennflächen stark gebogen, stark gewellt;
sung erfolgt mit einem Geologenkompass (Bussole). Die An- 1.3.6 Beschreiben von Fels
gabe der Bussolenmesswerte für Streichen (Winkel zwischen nach Kluftöffnungsweite, Spaltenfüllung
der Nordrichtung und dem Verlauf einer horizontalen (Höhen-) und Wasserführung
Linie auf einer geneigten Ebene bzw. Schichtfläche) und Fallen
(Ablaufrichtung von Wasser auf der geneigten Fläche und Nei- Zur Öffnungsweite und Verfüllung von Klüften ergeben sich fol-
gung der Fläche) oder für den Vektor der Fallrichtung genügt
nicht. Für die messtechnische Festlegung und Darstellung der
--
gende Begriffe:
geschlossene Fuge;
räumlichen Lage von Trennflächen wird heute allgemein emp-
fohlen, die Winkel für Richtung und Neigung des Einfallens
--an Materialbrücken absetzende, teilweise offene Fuge;
offene Fuge (Spalte);
anzugeben. In den Geowissenschaften erfolgt dies in einem La-
genkugeldiagramm. Da diese Darstellung dem Ingenieur in der
Regel nicht bekannt ist, ist es sinnvoll, die Lage der Trennflächen
mit Bezug auf Bauwerk oder Ausbruchwand anzugeben oder gra-
-offene Fuge, mit Verwitterungsmaterial oder Lehm gefüllt;
teilweise gefüllte Fuge mit Teilberührungen der Wände.
--
beschaffenheit der offenen Klüfte:
sehr glatt, „seifig“ (Phyllit);
Verwitterungsprodukte bestimmt.
In offene Fugen und Spalten kann Material von der Ober-
1
Spalten mit Brekzie erfüllt sein. Über erdölhaltigen Gesteinen im
Untergrund kann Bitumen in der Spaltenfüllung enthalten sein
(Naturasphalt). Über und unter kohlehaltigen Gesteinen kann
- Fels
Im mittelständigen Trennflächensystem sind einzelne
Klüfte als offene Fugen ausgebildet. Einzelne offene
2 körniges Kohlematerial als Spaltenfüllung auftreten. Spaltenfül- Spalten im weitständigen Trennflächensystem sind
lungen können weich oder ausgehärtet vorliegen. möglich. Das Festgebirge ist entsprechend im mittel- bis
Nach der von der Spaltenfüllung ausgehenden Reibung zwi- weitständigen Trennflächensystem wenig aufgelockert.
3 schen den Kluftflächen lassen sich in Anlehnung an Palmström Durch diese Diskontinuitäten wird die Geschwindigkeit
4
--
(1997) folgende Begriffe unterscheiden:
aufgewachsene Kristalle: Calcit, Quarz u. a.;
seismischer Wellen (. Tab. 4.2) neben anderen Festig-
keitseigenschaften erniedrigt. Die Festigkeit im Fels-
-
verband ist hoch. An den Klüften hat keine Bewegung
stattgefunden.
-
8 unter hydraulischem Druck in Abhängigkeit von der jeweiligen stattgefunden.
Höhe des freien Wasserspiegels. In Tallagen kann auch gespann- stark aufgelockerter Fels
9 tes Wasser artesisch aufsteigen. In Hanglage kann sich Fließdruck Klüfte sind im sehr engständigen Trennflächensystem als
im strömenden Grundwasser einstellen. Wichtig sind Angaben offene Fugen ausgebildet. Im engständigen und mittelstän-
10 und Bewertungen zu Wasserführung, Wasserdruck und Fließ- digen System sind Klüfte als offene Spalten ausgebildet. Das
druck in offenen Fugen und Spalten. Die Rauigkeit kann durch Gebirge ist entsprechend stark bis sehr stark aufgelockert.
Wasser verringert werden. Die Festigkeit der Gesteinsmasse ist sehr stark erniedrigt.
11 Reibung wird bei Beanspruchung einer Trennfläche bzw. Schieferton blättert nach der Schichtung, Schiefer oder
Gefügeebene auf Schub wirksam. Der Widerstand τ gegen Ver- Tonschiefer nach der Schieferung im dicht- oder sehr
12
13
schieben ergibt sich aus dem wirksamen Reibungswinkel ρ und
der Auflast σ. Der Reibungswinkel ist stofflich vorgegeben durch
die Oberflächenausbildung der Trennfläche und/oder durch die
stofflichen Eigenschaften einer vorhandenen Kluftfüllung. Durch
- dichtständigen Trennflächenabstand auf.
Lockermaterial, Lockergestein
Alle Trennflächen sind als offene oder verfüllte Spalten
ausgebildet, oder das Gestein ist auf den Trennflächen
Wasserüberdruck in der Kluftfuge kann die Reibung bis ρ = 0 zersetzt. Durch offene Spalten ist die Gesteinsmasse in
14 vermindert werden. Zum Abschätzen der parallel zur Trenn- getrennte Scheiben oder Säulen aufgelöst, in welchen
fläche einwirkenden resultierenden Schubspannung muss der Kluftkörper ohne festen Verbund übereinander liegen. Steil
15 räumliche Spannungszustand in ein auf die beanspruchte Gefü- anstehende Gesteinsmassen neigen zum Nachbruch. Für
geebene orientiertes Koordinatensystem (x′, y′, z′) transformiert das Lösen der Massen sind keine besonderen Arbeitsgänge
werden (Wittke 1984). erforderlich.
16
17 1.3.7 Beschreiben von Fels nach dem Grad 1.3.8 Beschreiben von Fels nach dem Grad
der physikalischen Verwitterung der chemischen Verwitterung
--
und nach dem Auflockerungsgrad
18 frisch (unverwittert)
Trennfugenabstand, Durchtrennungsgrad und Kluftöffnungs- angewittert
19 weite geben Hinweise zum Auflockerungsgrad. Hieraus ergeben Ausgehend von Trenn- und Störungsflächen, welche das
20 -
sich folgende Begriffe zur Felsqualität:
sehr massiger Fels
Klüfte fehlen oder durchziehen das Festgebirge nur teil-
weise und sind weitgehend geschlossen. Das Festgebirge
tektonische Gefüge des Felskörpers bilden, sind die Kluft-
körper teils einseitig, teils allseitig angewittert und farblich
verändert. Das Gestein ist im Inneren der Kluftkörper
frisch (unverwittert). Im Felsverband ist die Scherfestigkeit
-
21 zeigt keine Auflockerung. Klüfte sind nur im sehr weitstän- erniedrigt.
22
23
- digen System als offene Fugen bzw. Spalten ausgebildet.
massiger Fels
Im weitständigen Trennflächensystem sind einzelne Klüfte als
offene Fugen ausgebildet. Wenige offene Spalten im sehr weit-
teilverwittert (ungleichmäßig verwittert)
Im Felsverband bestehen nebeneinander verwitterte Partien
und nicht verwitterte Partien. Dies kann bei Massengestei-
nen die äußeren Teile der ehemaligen Kluftkörper, bei lagig
ständigen Trennflächensystem sind möglich. Das Festgebirge aufgebauten metamorphen Gesteinen, bei vulkanischen
ist entsprechend im weitständigen bis sehr weitständigen Gesteinen und bei Sedimentgesteinen einzelne Gesteinsla-
Trennflächensystem geringfügig (sehr wenig) aufgelockert. gen/Schichten betreffen.
1.3 • Begriffe zum stofflichen Beschreiben und Benennen von Fels
19 1
-
weitständig geklüftetes magmatisches Gestein. Tonminerale und Limonit neu entstanden. Die ursprüng-
im Gesteinsverband ungleichmäßig verwittert liche Gesteinsmasse ist vollständig verfärbt und in Lehm
Im Gesteinsverband liegen unverwitterte Gesteins- umgewandelt. Unter besonderen Bedingungen, z. B. bei
massen neben verwitterten Gesteinsmassen vor. Diese tiefgründiger Verwitterung unter morphologischen Hoch-
Inhomogenität kann durch schichtweisen Wechsel flächen, kann der Verwitterungsboden, z. B. „Gneiszer-
unterschiedlicher Gesteine, durch unterschiedliche satz“, als Lehm oder lehmiger Sand in fester bis halbfester
tektonische Beanspruchung der Gesteine (Verwitte- Zustandsform vorliegen. Auch in diesem Zustand können
rung in Kluft- und Störungszonen) und durch un- noch strukturelle Eigenschaften des ursprünglichen Fest-
terschiedliche Angriffsmöglichkeit der Verwitterung gesteins, z. B. die Kluftkörperform, erhalten sein. Bearbei-
bedingt sein. Es gibt verschiedene Verwitterungsformen tungs- und Kratzspuren glänzen.
-
(▶ Abschn. 2.3.2). Zersetzte Gesteine sind im Sinne bautechnischer Vorschrif-
im Schichtverband ungleichmäßig verwittert ten als Boden einzustufen; ihre Festigkeitseigenschaften
Bei metamorphen Gesteinen, bei vulkanischen Sediment- sind nach den Kriterien der Bodenmechanik zu bewerten.
gesteinen/Tufflagen und bei feldspatreichen Sandstein- Häufig sind mehrere Zehn Meter mächtige Gesteinslagen
lagen (Arkose) können einzelne Lagen oder Schichten gleichmäßig zersetzt/vergrust (Granitzersatz, Gneiszersatz,
hydrolytisch verwittert sein, während andere Gesteins- Gesteinszersatz). Dies betrifft vorrangig großflächige Vor-
lagen oder Bänke frisch erhalten sind. Oberflächennahe kommen in den Tropen. In Mitteleuropa wird Gesteinszersatz
Teil der Kohleflöze werden durch Oxidation in CO2 in großer Mächtigkeit aus lang zurückliegenden Erdperioden
10
Zeiten der Winterruhe, oder auch dauerhaft, z. B. in einem Geo-
top, unter Schutz stehen. Bei Nichtbeachten solcher Vorgaben
können Genehmigungen für Bohr-, Bagger- oder Sprengarbei-
ten entzogen werden.
-
suchungen, Berechnungen und Beurteilungen gefordert.
Geotechnische Kategorie 1
Gleichmäßiger Baugrund mit übersichtlichen Bodenver-
hältnissen, tiefliegendes Grundwasser.
11 Die eigentlichen geotechnischen Untersuchungen umfassen Setzungsunempfindliche Bauwerke mit geringen Stütz-
die Aufnahme von Aufschlüssen und Bohrgut, die Entnahme lasten (bis etwa 250 kN/m2) oder Streifenlasten (bis etwa
12
13
von Boden- oder Gesteinsproben, Laborversuche, Feldversuche,
messtechnische Verfahren und Modellversuche. Die Ergebnisse
und Folgerungen dieser Untersuchungen sind im Sinne der Auf-
gabenstellung in einem Geotechnischen Bericht zusammenzu-
- 100 kN/m).
Geotechnische Kategorie 2
Baugrundverhältnisse mit mittlerem Schwierigkeitsgrad;
Bauwerk und deren Gründung müssen an den Baugrund
fassen. Der mit einer geotechnischen Untersuchung beauftragte angepasst werden (. Abb. 11.1 bis 11.6).
14 Sachverständige muss sich über das jeweilige Projekt und seine Bauobjekte mit mittlerem Schwierigkeitsgrad bei üblichen
15
Baudurchführung informieren. Er muss in der Lage sein, alle für
die Realisierung der geplanten Maßnahme resultierenden Pro-
bleme zu erkennen und gegebenenfalls von sich aus hierzu die
entscheidenden Fragen an die mit der Planung Beauftragten stel-
- Konstruktionen.
Geotechnische Kategorie 3
Schwieriger Baugrund, (z. B. Bauen in Rutschhängen oder
im Gelände mit Auslaugungen, Höhlen oder Bergbau im
16 len. Die Anforderungen an geotechnische Untersuchungen sind Untergrund), tiefe Baugruben, variierende Wasserstände,
in DIN 4020 („Geotechnische Untersuchungen für bautechnische erforderliche Wasserhaltung.
17 Zwecke“) detailliert geregelt. Diese Norm bezieht sich zwar nur Hohe und/oder außergewöhnlich Bauobjekte, weitge-
auf bautechnische Untersuchungen, kann aber weitgehend auch spannte Brücken. Maschinenfundamente mit hohen dyna-
auf Untersuchungen für andere Maßnahmen und Fragestellun- mischen Belastungen für Bauwerk und Untergrund, Bau
18 gen übertragen werden. von Stauanlagen mit Stauhöhen über 2 m.
Den Geotechnischen Bericht hat nach DIN 4020 ein Sachver-
19 ständiger für Geotechnik zu erstellen. Dabei hat er zunächst die Die Untersuchung des Baugrundes nach DIN 4020 bietet bei
erforderlichen Untersuchungen zu planen und die fachgerechte gleichmäßigem und stofflich beständigem Untergrund eine aus-
20 Ausführung der Aufschlüsse und der Feld- und Laborversuche reichende Erkundung. Beim bodenmechanischen Bewerten wird
zu überwachen. Des weiteren hat er die sich aus dem Aufschluss der Untergrund als homogen, isotrop und unveränderlich stabil
und Untersuchungsbefund ergebenden Folgerungen für Pla- betrachtet werden. Nicht in ausreichendem Maße können nach
21 nung und Konstruktion zu ziehen und die Wechselwirkungen DIN 4020 die geologisch bedingten Ungleichheiten im Unter-
zwischen den angetroffenen Bodenverhältnissen einerseits und grund erkannt werden. Hier ist eine grundlegende geologische
22 der Planung, Konstruktion und Bauausführung andererseits dar- Ausbildung vorteilhaft, da durch den Aufbau des Geologiestu-
zulegen. Die Aufgaben eines solchen Sachverständigen verlangen diums mit umfangreichen Geländeübungen der Blick für das
gründliche Kenntnisse der angewandten Geologie, Bau- bzw. In- Außergewöhnliche geschult wird. Neben der geotechnischen
23 genieurgeologie mit Kenntnissen in allgemeiner und regionaler Ansprache des Bodens ist es die Aufgabe der Bau- bzw. Ingeni
Geologie, der Boden- und Felsmechanik und des allgemeinen eurgeologie, auf Inhomogenitäten und Veränderlichkeiten hinzu-
Bauingenieurwesens. weisen. Ungleichheiten im Untergrund können schichtbedingt,
1.4 • Allgemeine Anforderungen an das geotechnische Untersuchen von Boden und Fels
21 1
verwitterungsbedingt und tektonischer Art sein. Gegenüber meisten der bei Güteklasse 1 genannten bodenmechanischen
einem homogenen Untergrund können Versagensformen auf Kenngrößen bestimmt werden. Die Bodenproben sind in
derartige Inhomogenitäten zurückzuführen sein. ihrem Gefüge gestört und für Untersuchungen zum Bestim-
Die Gesteine sind im Untergrund weder immer gleichmäßig
ausgebildet, noch sind sie gleichmäßig bearbeitbar. Die Natur
bietet eine große Vielfalt an Festgesteinen, Lockergesteinen und
Böden. Die Variationsbreite reicht von großen, zusammenhän-
- men von Scherfestigkeit und Steifemodul nicht geeignet.
Güteklasse 3
An den Bodenproben können Bodenart, geologische
Zuordnung, mineralogische (stoffliche) Zusammensetzung
genden, gleichmäßigen, mineralisch gebundenen, festen Massen und Schichtgrenzen sowie ein Teil der bei Güteklasse 1
bis zum häufigen Wechsel verschiedener Gesteinsmassen mit un- genannten bodenmechanischen Kenngrößen bestimmt
terschiedlicher Auflockerung und unterschiedlichen Festigkeits- werden. Die Bodenproben sind in ihrem Gefüge gestört
eigenschaften. Zur Ansprache, Dokumentation und Bewertung und aufgelockert. Derartige Proben sind zum Bestimmen
des geologischen Aufbaus im Untergrund oder der stofflichen von Scherfestigkeit, Steifemodul, Dichte, Porenanteil und
Eigenschaften des Baugrundes können direkte und indirekte Auf-
schlussverfahren eingesetzt werden.
In DIN 4020 werden die bautechnischen Maßnahmen nach
dem geotechnischen Risiko in die Kategorien 1–3 eingestuft. So-
- Durchlässigkeit nicht geeignet.
Güteklasse 4
An den Bodenproben können Bodenart, geologische
Zuordnung, mineralogische (stoffliche) Zusammensetzung
weit der Sachverständige für Geotechnik seiner Herkunft und und Schichtgrenzen sowie wenige der bei Güteklasse 1
Denkweise nach „Geologe“ und das Baugrundrisiko boden- oder genannten bodenmechanischen Kenngrößen bestimmt
felsmechanischer Art ist, sollte ab Kategorie 2 ein Boden- bzw. werden. Die Bodenproben sind in ihrem Gefüge gestört,
Felsmechaniker hinzugezogen werden. In gleicher Weise sollte aufgelockert und haben einen von der natürlichen Lage-
ein Sachverständiger mit ingenieurkundlicher Ausbildung bei rung abweichenden Wassergehalt. Derartige Proben sind
Fällen, in denen wegen geologischer oder hydrogeologischer zum Bestimmen von Scherfestigkeit, Steifemodul, Dichte,
Komplikationen die Kategorie 2 oder 3 zutrifft, einen Geologen Porenanteil, Durchlässigkeit, Wassergehalt und Konsistenz-
hinzuziehen.
Der Sachverständige für Geotechnik muss bei Aufgaben der
Kategorie 3 vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen auf den ent-
sprechenden Teilgebieten besitzen (DIN 4020, Pos. 5.2, 2003).
- zahl nicht geeignet.
Güteklasse 5
An den Bodenproben können Bodenart, geologische
Zuordnung, mineralogische (stoffliche) Zusammensetzung
Eine solche allseitig hochspezifische Ausbildung kann nicht von und Schichtgrenzen erkannt werden. Die Bodenproben
jedem Sachverständigen erwartet werden. Das Hinzuziehen wei- sind gestört. Alle bodenmechanischen Kenngrößen, auch
terer Sachverständiger ist dann geboten. die Korngrößenverteilung innerhalb enger Schichtab-
schnitte, sind verändert.
1.4.1 Qualitätskriterien für Bodenproben zz Lagern von Bodenproben, Bohrgut und Bohrkernen
Bis zur geotechnischen Aufnahme sollen frisch gewonnene Bo-
Für das geotechnische Erkunden und Beurteilen ist die Qualität denproben und Bohrkerne im bodenfeuchten Zustand gehalten
der Bodenproben (Bohrgut) von großer Bedeutung. Nach DIN und wettergeschützt gelagert werden. Aufweichen, Austrocknen
EN ISO 22475-1, Tab. 1 können bei Bodenproben aus Bohrlö- und Gefrieren ist zu vermeiden.
chern 5 Güteklassen unterschieden werden. Die erzielbare Güte-
klasse hängt vom Boden und vom Bohrverfahren ab. Bodenpro-
ben aus Bohrlöchern eignen sich zum Bestimmen nachstehender 1.4.2 Qualitätskriterien für Bohrgut
-
Eigenschaften: aus Festgestein
Güteklasse 1
An den Bodenproben können Bodenart, geologische Das im Kernbohrverfahren gewonnene Bohrgut kann unter-
Zuordnung, mineralogische (stoffliche) Zusammensetzung, schiedliche Qualität aufweisen. DIN 4022, Teil 2 unterscheidet
Schichtgrenzen, Feinschichtung mit Art der Lagerung die Gruppen A, B, C und D. Die Qualität der Bohrkerne hängt
und Anlagerung der Körner und Kornaggregate sowie von den technischen Einwirkungen beim Bohrvorgang und
alle bodenmechanischen Kenngrößen bestimmt werden von geologischen Gegebenheiten ab. Wenn aus Gesteinsfol-
(Korngrößenverteilung, Wassergehalt, Konsistenzgrenzen, gen mit stark wechselnden Festigkeitseigenschaften Bohrkerne
Konsistenzzahl, Plastizitätszahl, Art und Anteil der organi- gewonnen werden sollen, müssen Gerät und Geräteführung
schen Substanz, Korndichte, Dichte des feuchten Bodens, diesen unterschiedlichen Anforderungen angepasst werden.
Porenanteil, Grenzen der Lagerungsdichte, Durchlässigkeit, Zu beachten sind Bohrfortschritt und Spülmittelverlust oder
-
die Gruppe E (Kernverlust) ergänzt:
Gruppe A: hohe Bohrkernqualität
Der Bohrkern ist als idealer Zylinder ganz erhalten und zer-
- tiert werden kann.
Gruppe D: nicht ausreichende Bohrkernqualität
Im Kernrohr wird zerbohrtes Gestein gewonnen. Das Ge-
stein ist zu Sand- und Kiesgröße zerrieben oder zerbrochen.
fällt nur an geologisch vorgegebenen offenen Trennfugen in Scharfkantige Bruchstücke können durch die Drehbewe-
17 Teilstücke. (Ausnahmen sind Bruchstellen durch Kernab- gung im Bohrrohr gerundet sein. Das Bohrgut eignet sich
riss und Bohrkernteilung beim Aufteilen in Kernkisten.) zum Feststellen von Gesteinsart und Tiefenlage. Zerbohrtes
Bei massigen Gesteinen liegen zusammenhängende, lange Gesteinsmaterial ist schwierig zu bewerten. Eine Ansprache
18 Kernstücke vor. Das Gestein hat sich unter dem Einfluss der des zerbohrten Gesteins seitens des Geotechnikers nach
Spülung und Bohrbeanspruchung in seinen Eigenschaften dem optischen Eindruck als Bodens ist falsch.
19 nicht verändert. Das Kernmaterial eignet sich zum Bestim- Eine geotechnische Bewertung erfordert die Wiederholung
men von Gesteinsart, Körnung und Kornbindung, mine- des Aufschlusses oder Zusatzuntersuchungen. Ursache für
20 ralogisch-petrographischen Eigenschaften, tektonischer zerbohrtes Gestein kann eine nicht angepasste Bohrweise
Beanspruchung, Verwitterungsgrad, zum Festlegen von sein, z. B. Bohren mit Einfachkernrohr, zu hoher Anpress-
Gesteinsgrenzen und zum Bestimmen von Dichte, Wasser- druck, falscher Spüldruck, zu hohe Drehgeschwindigkeit,
- -
21 gehalt, Durchlässigkeit, Festigkeit und Verformbarkeit. falsche Bohrkrone.
Gruppe B: verminderte Bohrkernqualität Gruppe E: Kernverlust
22 Der Bohrkern ist weitgehend als idealer Zylinder ganz Die durchbohrte Strecke entzieht sich, abgesehen von fern-
erhalten. Unter dem Einfluss von Spülung, Bohrbeanspru- sehoptischen Untersuchungen im Bohrloch, der direkten
chung, Entlastung und Luftzutritt können im Bohrkern Betrachtung. Es ist davon auszugehen, dass prinzipiell oder
23 Veränderungen eintreten. Das Gestein oder hierin ent- z. B. bei nicht erkanntem Gesteinswechsel nicht gesteinsan-
haltene Minerale können bei Zutritt von Wasser auf- oder gepasst gebohrt wurde. Das Gestein wurde zerbohrt und
angelöst werden, umkristallisieren und bei Druckentlas- mit der Spülflüssigkeit abgeführt.
1.5 • Direktes Untersuchen des Untergrundes in begehbaren Aufschlüssen
23 1
a b
.. Abb. 1.5 a Vorrichtung für die Entnahme ungestörter Zylinderproben nach DIN 4021, b Arbeitsschritte bei der Entnahme ungestörter Zylinderproben
Das geotechnische Bewerten der im Untergrund anstehen- schlüssen natürlicher oder künstlicher Art im sonst verdeckten
den Gesteine erfordert die Wiederholung des Aufschlusses Gelände dürfen die Erkenntnisse aus diesen in aller Regel nicht
oder Zusatzuntersuchungen. ohne Diskussion für bautechnische Zwecke übernommen wer-
den. Es ist zu bedenken, dass der in natürlichen Aufschlüssen
anstehende Boden und Fels nicht unbedingt typisch für das
1.5 Direktes Untersuchen des Untergrundes Gesamtvorkommen ist. In den natürlichen Aufschlüssen stehen
in begehbaren Aufschlüssen bevorzugt die stabilen und verwitterungsresistenten Boden- und
Gesteinsausbildungen an. Für Felsen ist typisch, dass die den
Direkte Erkundungsverfahren können in bestehenden Auf- Felsen aufbauenden Gesteinsmassen im Zuge der besonderen
schlüssen oder in für die Untersuchung neu geschaffenen Auf- morphogenetischen Geschichte des Felsens langsam freigelegt,
schlüssen durchgeführt werden. Boden- oder Gesteinsanspra- entspannt und teilweise auch verfestigt wurden. Die Gleichset-
che, Beschreiben, Probenahme und Probeanalyse sind direkt zung der stofflichen Eigenschaften von Boden, Gestein und Fels
möglich. aus natürlichen Aufschlüssen mit denen im Untergrund kann
Im Boden und im leichten Fels können mit Baggergeräten, zur Fehlbeurteilung und zur Überbewertung der Festigkeitsei-
in besonderen Fällen auch von Hand, Schürfe oder Schlitze aus- genschaften führen.
gehoben werden. Wenn tief reichende Aufschlüsse erforderlich
sind, können hierfür Brunnen oder Schächte abgeteuft werden.
Im Fels können Gräben, Gruben, Untersuchungsstollen und 1.5.2 Schürfe
Untersuchungsschächte ausgebrochen werden. Derartige Auf-
schlüsse oder Aufschlussmethoden ermöglichen einen groß- Mit Baggern lassen sich im Regelfall 4 bis maximal 6 m tiefe
flächigen Einblick in den Untergrund, und die Entnahme von Schürfgruben im Boden und baggerfähigen Fels ausheben.
Boden- und/oder Gesteinsproben. . Abb. 1.5 und 1.6 zeigen Begehbare Schürfe sollen nach den Sicherheitskriterien von
Vorrichtungen für die Entnahme ungestörter und gestörter Bo- DIN 4124 ausgeführt werden (▶ Abschn. 7.1.2), wobei jedoch
denproben. bei einem Verbau der eigentliche Zweck der Schürfgrube, näm-
lich Einsicht in den Baugrund und Möglichkeit zur Probenahme,
verlorengeht. In der Praxis hat es sich bewährt, mit Hydraulik-
1.5.1 Aufschlüsse baggern etwa 1–2 m breite und 4–6 m lange Gruben auszuhe-
ben. Stufen für Probenahme sind von Hand nachzuarbeiten
Aufschlüsse wie natürliche Felsen, Steilufer, Böschungen, Stein- (. Abb. 1.4). Für extrem tiefe Schürfarbeiten können Spezialge-
brüche, Sand-, Ton- und Lehmgruben ermöglichen das direkte räte mit in der Länge variablem Greifarm (bis ca. 35 m) eingesetzt
Betrachten des anstehenden Gesteins. Besonders bei Einzelauf- werden.
24 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
7
8
9
10
b
11
12
13
14
15
c d
16
Schürfgruben bieten einen guten Einblick in den Untergrund Bei flachliegendem Grundwasser sind Schürfgruben nicht
17 und ermöglichen eine zuverlässige Bodenansprache mit gezielter oder nur bedingt zu empfehlen. Ungünstig sind mögliche Fließ-
Probenahme. Sande und feinkörnige Böden können mit dem bewegungen im Sand (Fließsand).
Ausstechzylinder nach DIN 4021 (. Abb. 1.5) beprobt werden. In der Nachbarschaft von Bauwerken sind Sicherheitsab-
18 Aus Böden, die Kieskörner oder Steine enthalten, können ge- stände zu den Gründungskörpern vorzusehen. Auch ist dar-
störte Proben entnommen werden (. Abb. 1.6a). Sofern die auf zu achten, dass Schürfgruben nicht im Einflussbereich von
19 Dichte eines solchen Bodens zu ermitteln ist, kann diese mit Gründungskörpern des geplanten Bauwerkes ausgehoben wer-
einem Ersatzverfahren bestimmt werden (. Abb. 1.6b–d). Aus den. In Hanglagen kann es je nach Aufgabenstellung sinnvoll
20 Fels können Gesteinsproben in Kluftkörpergröße entnommen sein, statt Schürfgruben Schürfschlitze in der Falllinie anzuord-
werden. nen.
Art, Zusammensetzung, Zustand, räumliche Lage und Was-
21 serführung können für den erschlossenen Untergrund festgestellt
werden. Für Untersuchungsarbeiten in geringer Tiefe (flache 1.5.3 Schächte
22 Rutschungen, Rohrleitungsbau, Gründungen) sind Schürfgru-
ben bezüglich des Untersuchungsaufwandes und des erzielbaren Schächte sind lotrechte oder stark geneigte begehbare Auf-
Einblicks in den Untergrund die optimale Aufschlussmethode, schlüsse mit größerer vertikaler Ausdehnung. Solche Untersu-
23 die zudem Daten zur Bearbeitbarkeit (Baggerfähigkeit) der anste- chungsschächte dienen der Ansprache und dem Beschreiben
henden Gesteine liefert und die Möglichkeit zur Durchführung des Baugrundes und der Entnahme von Proben; sie ermöglichen
von Feldversuchen bietet. das Durchführen von Feldversuchen. Je nachdem, ob standfester
1.6 • Direktes Untersuchen des Untergrundes durch Bohren
25 1
Fels oder Boden ansteht, ist die Bauweise stark unterschiedlich: Zur Dokumentation des Untergrundes und der möglichen
Brunnenbau (Abb. 11.4), sprengtechnischer, frästechnischer oder Verformungen im Baugrund sowie im Komplex „Baugrund und
bohrtechnischer Schachtbau (▶ Abschn. 13.8.6, Abb. 13.28, 13.29). Bauwerk“ sind messtechnische Untersuchungen und Gelände-
Schächte werden sowohl zum Erkunden von Lagerstätten und aufnahmen erforderlich. Gemessen werden Längen, Höhen,
Rohstoffen als auch zum Erkunden und Sanieren des tieferen Winkel, Bewegungen, Verformungen, Spannungen und Span-
Untergrundes, z. B. bei Rutschungen mit tiefliegenden Gleitflä- nungsänderungen.
chen im engbebauten Gebiet, erstellt. Im Verbund mit Untersu- Meist werden künstliche Aufschlüsse nur für den Zeitraum
chungsstollen oder Kontrollstollen sind Untersuchungsschächte der Voruntersuchung angelegt. Man kann künstliche Aufschlüsse
im Talsperrenbau üblich. aber auch so ausbauen, dass langfristiges Beobachten und Kont-
rollieren der Untergrundverhältnisse möglich ist.
Beim Bohren kann die Qualität von gewonnenem Bohrgut
1.5.4 Stollen oder Bohrkern stark variieren. Die Ursache hierfür kann geolo-
gisch oder technisch bedingt sein. Geologische Ursachen sind
Stollen sind waagerechte oder wenig geneigte, begehbare unter- der Wechsel von Schichten oder Gesteinen mit unterschiedlicher
irdische Gänge. Solche Untersuchungsstollen dienen der Erkun- Festigkeit. Technische Ursachen können beim Bohrverfahren, bei
dung von Baugrund, Lagerstätten und Rohstoffen. Im Bergbau der Arbeitsweise und bei der Erfahrung des Bohrmeisters/Ge-
sind Untersuchungsstollen üblich. Beim Tunnel- und Verkehrs- räteführers liegen. Beim Gewinnen oder Entnehmen von Bohr-
wegebau sind Richt- oder Pilotstollen üblich (▶ Abschn. 13.1.2). oder Bodenproben sind Mindestanforderungen an die Qualität
Beim Talsperrenbau sind Kontrollstollen unter Staumauern üb- der Proben anzustreben, welche sich aus dem geotechnischen
lich. Auch zum Untersuchen von Gleithorizonten unter rutschge- Erfordernis ergeben. Die für den jeweiligen Zweck anzustre-
fährdeten Bergmassen wurden Erkundungsstollen über mehrere bende Brauchbarkeit des Probenmaterials ergibt sich aus den
hundert Meter Länge ausgeführt. Güteklassen nach DIN 4021. Für das Benennen, das geologische
Zuordnen, das geotechnische Bewerten und für das Bestimmen
oder Ermitteln bodenmechanischer Kennziffern ist das Einhalten
1.6 Direktes Untersuchen des Untergrundes gewisser Qualitätskriterien eine grundlegende Voraussetzung.
durch Bohren Dem geotechnischen Erfordernis angepasst ist mit der Wahl ei-
nes für den jeweiligen Zweck geeigneten Bohrverfahrens und
Für das Bohren steht eine Vielfalt von Bohrverfahren zur Ver- gegebenenfalls auch mit der Wahl eines erfahrenen Bohrunter-
fügung. Mit den unterschiedlichen Verfahren werden sehr ver- nehmens die für die angestrebte Güteklasse gewünschte Qualität
schiedene Bohraufgaben bewältigt. Bohrungen dienen folgenden zu erzielen. Zu beachten sind die DVGW-Richtlinien/Merkblät-
--
Zwecken:
Erkunden von Baugrundverhältnissen;
ter W 120, W 121, W 115.
Es ist Aufgabe des Geotechnikers, für den jeweiligen Bau-
--
Versenken von Wasser, Dampf, Gasen;
Sprengen und Auflockern von Fels;
steinsproben zu geben. Bohr- und Ausbaupläne sind auszuar-
beiten. Auch das Ausschreiben von Bohrarbeiten obliegt dem
--
Verpressen von Injektionsmitteln;
Einbau von Ankern, Nägeln und Pfählen;
Geotechniker. Zu beachten sind „Verdingungsordnung für Bau-
leistungen“ (VOB C, DIN 18301). Für geotechnische Untersu-
--
Verlegen von Leitungen (Mikrotunneling);
Vortreiben von Stollen und Tunneln;
Abteufen von Brunnen und Schächten.
chungen kommen neben Kleinbohrverfahren vorrangig LKW-
montierte Bohrgeräte zum Einsatz.
Bohrverfahren und Bohrdurchmesser richten sich nach der
Bohraufgabe, der Bohrtiefe und den zu durchbohrenden Ge-
Aus Bohrlöchern, Bohrproben, Bohrarbeiten, Bohrwiderständen steinsarten. Für die Auswahl des Gerätes sind Vorhersagen zur
und den beim Bohren beobachteten Gas- und Flüssigkeitsaus- Bohrbarkeit des Gesteins und zur Bohrleistung des einzusetzen-
tritten sowie Wasser- und Druckverlusten können Erkenntnisse den Gerätes von grundlegender Bedeutung.
über den Untergrund gewonnen werden. Unterschiedliche Fra- Die unterschiedlichen Bohrverfahren sind in DIN 4021,
gestellungen können bei Erkundungsaufgaben am gleichen Ob- Tab. 1–3 aufgelistet. DIN 4021 unterscheidet zwischen Bohrver-
jekt verschiedenartige Bohrverfahren erfordern. fahren in Böden, Bohrverfahren im Fels und Kleinbohrverfahren
Kernbohrungen, Rammkernbohrungen und fernsehoptische in Böden (Ulrich 1991, Herrmann 1998).
Untersuchungen der Bohrlochwände geben nur Einblick in ei- Bohrungen sind von der Bohrfirma der zuständigen Behörde
nen kleinen Beobachtungsquerschnitt. Wichtige Strukturen wie bzw. dem Geologischen Landesamt mitzuteilen und unterstehen
Kluftabstand, Kluftkörpergröße oder offene Spalten können mit- ab 100 m Tiefe der Bergaufsicht. Eingriffe in das Grundwasser
tels vertikaler Bohrungen nicht immer in ausreichendem Maße bedürfen der Zustimmung der Unteren Wasserbehörde.
erkannt werden. Für solche Untersuchungen sind Schrägboh-
rungen vorzunehmen.
26 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
2
3
4
5
6
a b c
7 .. Abb. 1.7 Bohren in Boden. a mit Schnecke, b mit Schappe, c mit Greifer. Eine erforderliche Verrohrung kann, wie bei der Greiferbohrung dargestellt, durch
Hin- und Herschockieren mit einer Druckluftschwinge eingebaut werden
nommen. An entnommenen Proben können Bodenarten und Schließvorrichtung, mit Ventil oder Kolbenentnahmegeräte für
deren ungefähre Tiefenlage bestimmt werden. Sonderproben erforderlich (DIN 4021, Tab. 6).
Bei scharfkantigen Kiesen und Sanden kann es im Kernrohr
zz Schlagbohrverfahren mit Ventilbüchse zu einer Brückenbildung kommen. Bei Wechsellagerung von fes-
oder Kiespumpe ten und weichen Bodenschichten können die weichen Schichten
Die Ventilbüchse besteht aus einem Stahlzylinder mit Klappe. verdrängt oder verformt werden.
Die seilgeführte Büchse fällt auf den Grund des Bohrloches, Derartige Vorgänge können eine Minderung der Güteklasse
bohrt sich in den Sand und Kies ein und wirbelt diesen auf. und/oder Kernverlust bewirken.
Mit dem Wasserstrom gelangt Sand und Kies in das Innere Bei nicht standfestem Untergrund ist das Bohrloch zu ver-
der Büchse. Bei nachlassender Strömung schließt sich die rohren. Eine Verrohrung kann durch Kombination von Ramm-
Klappe (. Abb. 1.8a). Die Kiespumpe arbeitet mit einem be- kernbohrung und Seilkernbohrung oder durch Kombination
weglichen Kolben (. Abb. 1.8b). Das Verfahren eignet sich von Rammkernbohrung und Schneckenbohrung (. Abb. 1.10;
bei locker gelagertem Sand und Kies unter Grundwasser. Die Formazin 1987) eingebaut werden.
gewonnenen Proben sind stark gestört und kornentmischt (Gü-
teklasse 5). zz Rammkernbohrung als Kleinbohrverfahren
Es werden mit Hammer, Rammbär oder motorbetriebenem
zz Rammkernbohrverfahren Schlagbohrhammer Schlitzstangen oder halboffene Rohre
Ein Rammkernrohr mit Schnittkante wird in den Untergrund in den Boden eingetrieben. Außendurchmesser reichen von
eingedrückt oder eingerammt (. Abb. 1.9). Die Bohrprobe wird 22 mm (Gestänge der Leichten Rammsonde) über 36 mm
entweder in einem gesonderten Entnahmestutzen (ungestörte (Pürckhauer-Bohrstock) bis 80 mm (Gestänge der Schweren
Sonderprobe, Güteklasse 1) oder im Kernrohr (Güteklasse 2) Rammsonde). Da die Bohrwerkzeuge von Hand oder mit
gewonnen. Das Verfahren eignet sich bei kohäsiven feinkörni- leichtem Gerät gezogen werden müssen, sind die Einsatztie-
gen Böden, Torf, feuchtem Sand und bedingt bei feuchtem Sand fen begrenzt. Das Verfahren eignet sich zum Erkunden von
mit Kiesanteilen. Übliche Durchmesser liegen zwischen 80 und Bodenart und Schichtenfolge bis etwa 6 m, in weichen Böden
200 mm, meist bei 110 mm. bis etwa 12 m Tiefe. Bei Innendurchmessern von 30–70 mm
Bei locker gelagertem Sand und Kies, trocken oder unter können Bodenproben der Güteklasse 3–4 gewonnen werden
Grundwasser, sind spezielle Entnahmegeräte mit Fang- oder (. Abb. 1.11a–c).
28 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
5
6
7
8
9
10
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12
13
14
15
16
17 zz Drehbohrverfahren mit Kernrohr 1.6.2 Bohrverfahren im Festgestein
Es werden Kernrohre drehend in den Boden eingedrückt. Proben
aus einem Einfachkernrohr sind gestört (Güteklasse 3–4). Mit Bei Fels oder im Boden eingelagerten Gesteinsblöcken, Steinen
18 einem Doppelkernrohr können weitgehend ungestörte Boden- und anderen Bohrhindernissen (Stahl-, Stein- oder Betoneinbau-
proben gewonnen werden (Güteklasse 1–2). ten im Untergrund für Fundamente, Rohrleitungen, Tunnel, Stol-
19 len, Bergwerke, Brunnen, Bunker und überschüttete Bauwerke)
zz Schlauchkernverfahren, Hülskernverfahren ist das Eindringen des Bohrwerkzeuges in den Untergrund mit
20 Es wird mit einem Doppelkernrohr gearbeitet. Der Bohrkern ist hohem Arbeitsaufwand verbunden. Die Gesteinsfestigkeit muss
von einem flexiblen Schlauch oder Plastikrohr umgeben. Das mechanisch überwunden werden. Fels und Bohrhindernisse
Verfahren ist für weiche bis flüssige oder pastöse Stoffe und für müssen in der Sohle des Bohrloches in kleinstückiges Bohrgut
21 fein- und grobkörnige Böden (Sand bis Mittelkies) geeignet. Es zerrieben, zersplittert oder zersägt werden. Bei Vollkernboh-
liefert gute geologische Aufschlüsse mit durchgehenden, nur we- rungen wird das Gestein in der Querschnittsfläche der Bohrung
22 nig gestörten Kernen (Güteklasse 1–3, . Abb. 1.12a, b). zerkleinert. Bei Kernbohrungen wird das Gestein in einem die
Querschnittsfläche umgebenden Ringraum, in welchem Bohr-
krone und Kernrohr Platz nehmen, zerkleinert (. Abb. 1.13).
23 Die beim Bohren anfallenden Massen aus zerkleinertem Gestein
(Bohrklein, Bohrschlamm, Bohrschmant) werden bei Trocken-
bohrverfahren mit Greifer oder Schappe, bei Nassbohrverfahren
1.6 • Direktes Untersuchen des Untergrundes durch Bohren
29 1
63,80mm
a b c
.. Abb. 1.11 Bohren in Boden mit leichtem Gerät. a Schlitzsonde (Außen-
durchmesser 22 mm), zum Gestänge der Leichten Rammsonde passend,
b Pürckhauer-Bohrstock (Außendurchmesser 36 mm), c Rammkernsonde
(Außendurchmesser bis 80 mm) für motorbetriebenes Einrammen
zz Schlagbohrverfahren a b
Ein an einem Drahtseil hängender Meißel wird angehoben und
frei auf die Bohrlochsohle fallengelassen. Das Bohrklein wird .. Abb. 1.12 Bohren in Boden. Prinzipskizzen für Rammkerngarnituren mit
Hülse. a Rammkernausrüstung für breiige, fließfähige Böden und pastöse
mit Schlammbüchse, Schappe oder Greifer in einem getrennten Stoffe, b Rammkernausrüstung für kohäsive und feste Böden. (Umgezeichnet
Arbeitsgang gefördert. nach Homrighausen 1993)
Das Verfahren eignet sich für homogene mittelharte Gesteine
und Bohrhindernisse. Inhomogenitäten, besonders Geröll- und
Konglomeratlagen, können zu Verklemmungen führen.
zz Spülbohrverfahren mit Rollenmeißel oben und stützt das unverrohrte Bohrloch. Als Spülmittel wird
Am Bohrgestänge ist ein Rollenmeißel montiert. Dieser wirkt Wasser oder Wasser mit Spülungszusätzen wie Bentonit, Methyl-
drehend unter der Auflast des Bohrgestänges auf das Gestein zellulose, synthetischen Polymeren und Gesteinsmehl aus Kreide
ein. Bei zu geringer Auflast ist das Verwenden von Schwerstan- oder Schwerspat verwendet. Das Spülmittel wird im Kreislauf
gen erforderlich. Bei dem bekannten Rotarybohrverfahren wird verwendet. Das Bohrklein wird in Abscheidevorrichtungen auf-
Spülflüssigkeit durch Gestänge und Spülungskanäle im Bohrmei- gefangen. Das Überwachen von Spülung, Spülungsverlusten und
ßelkopf zur Bohrlochsohle geleitet. Die Spülflüssigkeit (Spülung) Spülungsdruck ist für die Standfestigkeit des Bohrloches und ge-
reinigt und kühlt Meißel und Bohrlochsohle, fördert das Bohr- ringen Geräteverschleiß wichtig. Drehzahl, Anpressdruck und
klein im Ringraum zwischen Gestänge und Bohrlochwand nach Spülungsvolumen sind aufeinander abzustimmen. Das Verfahren
30 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
6 -
tem und dreifachem Kernrohr gearbeitet werden:
Einfachkernrohr
Bei Bohrarbeiten mit Einfachkernrohr dreht sich das Kern-
rohr um den freigebohrten Kern. Die Spülflüssigkeit wird
7 im Kernrohr abgeleitet und steigt im Ringraum zwischen
Kernrohr und Gebirge auf. Drehbewegung und Durchnäs-
sung können sich negativ auf die Qualität des Bohrkernes
8 auswirken.
Das Einfachkernrohr kann zum Durchbohren der Deck-
9 schichten und der verwitterten Gesteinszone eingesetzt
werden. Im Festgestein kann damit gebohrt werden, wenn
10 z. B. unter Boden Fels in ausreichender Mächtigkeit nach-
11
a b
- zuweisen ist (. Abb. 1.14a).
Doppelkernrohr
Die Spülung wird zwischen Außen- und Innenrohr geleitet
und tritt erst im Bereich der Bohrkrone aus. Der Kern
12 .. Abb. 1.14 Bohrvorrichtung für Kernbohrungen. a Einfachkernrohr, b Dop-
wird nur in geringem Maße der Spülung ausgesetzt. Die
pelkernrohr Spülflüssigkeit steigt im Ringraum zwischen Kernrohr und
Gebirge auf. Mit dem Doppelkernrohr können auch bei
13 eignet sich für tiefe Bohrungen mit Durchmessern zwischen 4 weichen und brüchigen Gesteinen qualitativ hochwertige
14
15
und 16 Zoll und wird für das Erschließen von Wasser, geother-
mischer Energie, Erdöl und Erdgas eingesetzt (▶ Abschn. 17.7.4).
zz Drehkernbohrverfahren
- Bohrkerne gewonnen werden (. Abb. 1.14b).
Dreifachkernrohr
Der Kern wird von einer Hülse aus Metall oder Plastik auf-
genommen. Die Hülse steht fest. Bei Plastikummantelung
Gearbeitet wird mit Kernrohr und Kernbohrkrone (Hohlbohr- kommt der Kern nicht in Kontakt mit der Spülung. Dieses
krone). Das Kernrohr wird an das Bohrgestänge montiert. In Verfahren eignet sich bei wasserempfindlichen Gesteinen.
16 weichen Gesteinen (Kalkstein, Sandstein, Tonstein) werden Hart-
metallbohrkronen verwendet. Für Bohrarbeiten im harten Ge- zz Schrägbohrungen
17 stein (Basalt, Granit, Quarzit) eignen sich Diamantbohrkronen. Wenn es die Untersuchungsaufgabe erfordert, dass die Ausbil-
Zwischen Rohr und Bohrkrone ist eine Fanghülse oder Kernfeder dung von Klüften und Spalten erkannt werden soll, können, z. B.
montiert. Der freigebohrte Kern wird vom Kernrohr umschlos- bei Bohraufgaben im Hangbereich, Schrägbohrungen ausgeführt
18 sen. Beim Ziehen des Gestänges klemmt sich die Fangvorrich- werden.
tung am Kern fest. Der freigebohrte Kern wird vom Untergrund
19 abgerissen und mit dem Kernrohr gezogen. Kernbohrverfah- zz Orientiertes Bohren
ren erfordern, dass nach dem Abbohren der von der Länge des Wenn es die Untersuchungsaufgabe erfordert, dass am Bohrkern
20 Kernrohrs vorgegebenen Strecke das Bohrgestänge gezogen und das Einfallen von Schichten oder Klüften erkannt werden soll,
zerlegt werden muss. Für das Montieren und Demontieren des muss der Bohrkern orientiert gewonnen werden. Hierzu stehen
21
22
Bohrgestänges fallen Arbeiten an, die mit zunehmender Tiefe des
Bohrloches stark ansteigen. Die in einem Arbeitsgang abgebohrte
Strecke wird als Kernmarsch bezeichnet. Der Kerngewinn sollte
der Länge des Kernmarsches entsprechen.
-
mehrere Verfahren zur Verfügung:
Orientieren von Kernen mit dem Ritzverfahren
Der freigebohrte, aber noch mit dem Gebirge im festen
Verbund stehende Kern wird auf seiner Mantelfläche längs
23
Im nicht gestützten Bohrloch kann sich nach Ziehen der
Kernbohrvorrichtung Nachfall einstellen. Aus der Wand im hö-
heren Teil der Bohrung brechen Massen aus, die dann im nächs-
ten Kernmarsch angetroffen werden. Es ist Aufgabe des bearbei-
- angeritzt.
Orientieren von Kernen mit einer Pilotbohrung
Es wird randlich zur geplanten Kernbohrung eine Pilot-
bohrung mit kleinem Durchmesser abgeteuft. Die Pilot-
tenden Geologen, Nachfall zu erkennen. bohrung wird bei der anschließenden Kernbohrung so
1.6 • Direktes Untersuchen des Untergrundes durch Bohren
31 1
überbohrt, dass im Bohrkern eine nutartige Einkerbung Mit im Bohrkopf eingebauten Radarantennen (Bayer, Koch,
- verbleibt.
Orientieren von Kernen durch Überbohren eines Nagels
Im stark klüftigen Gestein kann im Bohrloch einer Pilot-
bohrung ein Nagel mit dem Fels vermörtelt werden. Pilot-
Rameil 2009) kann während des Vortriebes dessen Umgebung
untersucht werden. Mit Pilotbohrungen bietet das Verfahren die
Möglichkeit zum oberflächennahen Erkunden des Untergrundes
und zum Aufspüren von im Boden befindlichen Hindernissen
bohrloch und Nagel werden anschließend überbohrt. Der wie Findlinge, Felsaufragungen, Fundamente, unterirdische
Kern wird durch den Nagel zusammengehalten. An solchen Bauwerke, Hohlräume, Rohre aus Beton, Faserbeton, Steingut,
Kernen kann auch bei starker Zerstückelung des Gesteins Plastik, Stahl, Kupfer und Kabel. Nahe am Bohrkopf gelegene
die Lagerung von Schichtung, Schieferung und Trennflä- Stromleitungen lösen ein Warnsignal aus.
Für Erkundungsaufgaben im Untergrund können horizontale Für Bohrungen im Festgestein ist vom Geräteführer ein Schich-
und schräge Bohrlöcher aufgefahren werden. Die angewandten tenverzeichnis nach den Vorgaben von DIN EN ISO 14688-1 und
Methoden lehnen sich eng an die in der Geotechnik angewand- ISO 14689-1 (. Tab. 1.9) zu erstellen. Die Eintragungen des Ge-
ten praktischen Methoden bei Bergbau, Tunnelbau, Mikrotun- räteführers in das Formblatt sind vom Geotechniker zu überprü-
nelbau und unterirdischen Leitungsbau an. Dabei können für Er- fen und zu ergänzen. Darüber hinaus erfolgt das geotechnisch-
kundungszwecke Bohrverfahren mit kleinem Durchmesser dem wissenschaftliche Bearbeiten in den nachstehend beschriebenen
Durchörtern des Untergrundes mit großem Querschnitt voraus- vier Schritten:
gehen und das Erkunden des Baugrundes von der Oberfläche aus 1. technische Aufnahme
ergänzen oder ersetzen. Die Kenntnis der Baugrundverhältnisse Die vom Geräteführer vorgegebene Aufteilung in einzelne
ist für den unterirdischen Leitungsbau wichtige Voraussetzung Kernmarschlängen mit Tiefenangabe wird überprüft. Ge-
bei der Wahl des Bohrverfahrens und bei der Kalkulation. Sie trennt nach einzelnen Kernmarschlängen, wird der Kernge-
ist entscheidend für Erfolg und Misserfolg des Bauvorhabens. winn auf Vollständigkeit geprüft und der Kernverlust aus-
Herkömmliche Verfahren arbeiten mit Vorpressen (. Abb. 13.34 gewiesen. Das Bohrgut wird nach den in ▶ Abschn. 1.4.2
und 13.44), Durchschlagen, Durchrammen, drehend Durch- aufgeführten Qualitätskriterien bewertet und auf Spuren
bohren mit Bohrschnecke (. Abb. 13.43), Rollenmeißel oder von Bearbeitung oder Zerfall untersucht, welche nach dem
Schneidmesser (. Abb. 13.12). Gewinnen eingetreten sind. Am Bohrgut werden Anzahl
Für oberflächennahe Horizontalbohraufgaben wurde das und Länge der Bohrkernstücke pro Meter ermittelt. Diese
hydrodynamisch arbeitende HDD-Bohrverfahren (Horizontal Angabe bezieht sich auf das frisch gewonnene Bohrgut. In-
Directional Drilling) entwickelt. Es ist ein steuerbares Spül- folge Bearbeitung oder Zerfall eingetretene Zerstückelung
bohrverfahren (Bayer 2005). Der Vortrieb erfolgt im Boden und ist getrennt aufzuführen.
Lockergestein mit einem das Boden- oder Gesteinsgefüge auf- 2. geologische Aufnahme
brechenden scharfen Wasser- oder Suspensionsstrahl, welcher Das Bohrgut wird unter Berücksichtigung der Tiefenlage
unter Hochdruck aus Düsen am Bohrkopf austritt. Der gelöste nach der Gesteinsart petrographisch benannt. Gesteins-
Gesteinsschlamm wird über den Rückfluss ausgespült, zum Teil oder Schichtgrenzen werden ausgewiesen. Die aufgeführten
auch in den umgebenden Boden eingespült oder eingepresst Gesteine werden nach ihren stofflichen Eigenschaften sowie
(Spülvortrieb, . Abb. 13.46). In Gesteinen mit geringer Festig- nach tektonischer Beanspruchung, Verwitterungsgrad und
keit (z. B. verwitterte oder zersetzte Gesteine, wenig verdichtete Wassergehalt eingestuft und beschrieben. Besonderheiten
Sedimentgesteine) kann das Lösen durch schlagunterstütztes wie Fossilführung, Ölführung oder anthropogene Ver-
HDD-Bohren verstärkt werden (Schlagvortrieb). Gearbeitet wird schmutzung werden vermerkt.
mit Verdrängungshämmern mit über 1000 Schlägen pro Minute. 3. geologische Bewertung
Fels lässt sich mit speziellen „MUD-Motoren“ durchörtern. Dies Bei Bedarf bzw. Vermögen können die erbohrten Ge-
sind vom Wasserdruck der Bohrspülung hydraulisch angetriebene steine bestimmten geologischen Einheiten zugeordnet
Motoren, die einen rotierenden Bohrkopf antreiben (rotierender werden. Aus der Kenntnis von Gebirge, Gestein und
Vortrieb, Bohrvortrieb). Schichtenfolge ergeben sich Bewertungsmöglichkeiten für
Ein in der Bohrlanze eingebauter Sender lässt von der Ober- Qualitätskriterien am Bohrgut mit Aussagemöglichkeiten
fläche aus mit einem Ortungsgerät die Ortslage des Bohrkopfes zu technisch oder geologisch bedingter Minderqualität.
erkennen. Der asymmetrisch aufgebaute Bohrkopf ermöglicht Kernverlust kann bei genauer Kenntnis des Gebirges einer
ein Kurvenfahren (minimale Kurvenradien 12 m bei Kleingerä- bestimmten Gesteinsausbildung oder Schicht zugeordnet
ten) und kann von der Oberfläche aus gesteuert werden. werden.
32 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 1.9 Beispiel für die Schichtenaufnahme einer Bohrung, Schichtenverzeichnis nach ISO 14688-1, ISO 14689-1. (WST-GmbH 2014)
1 2 3 4 5 6 7
4 Tiefe Bezeichnung der Boden- bzw. Felsart Farbe Beschreibung der Probe Beschreibung des Proben Bemerkungen
bis Ergänzende Bemerkungen Bohrfortschritts Versuche - Wasserführung
0,40 Auffüllung: Sand, kiesig, steinig - Bauschutt braun sehr leicht zu bohren 0,0-0,4 m erdiger Geruch
kalkfrei
7
weich, feucht
8
1,40 Ton, schluffig, sandig, schwach organisch graubraun mäßig schwer zu bohren 0,4-1,4 m erdiger Geruch
kalkhaltig
feucht, steif
10 3,30 Feinsand, schwach mittelsandig graubraun mäßig schwer zu bohren 2,6-3,3 m erdiger Geruch
kalkhaltig
feucht
11
4,10 Mittelsand, feinsandig, schwach schluffig hellbraun bis schwer zu bohren 3,3-4,1 m erdiger Geruch
graubraun
12 kalkhaltig feucht
13
5,90 Sand, stark kiesig graubraun mäßig schwer zu bohren 4,1-5,0 m muffiger Geruch
kalkhaltig 5,0-5,9 m
nass ab 4,10 m; Wsp.
(Ende der Bohrung): 3,62 m
15 7,90 Kies, stark sandig grau mäßig schwer zu bohren bis schwer zu 7,0-7,9 m ohne auffälligen Geruch
kalkhaltig bohren
nass
16
8,05 Steine, sandig, Kalksteinhorizont grau stark verwittert sehr schwer zu bohren ohne auffälligen Geruch
stark kalkhaltig kein weiterer Bohrfortschritt ab 8,05 m,
17 feucht
Kornform des grobkörnigen Bodens:
kantig
da Fels
KRB 1; 5,00-5,90
5,90
Kies, schwach sandig, grau-kalkhaltig, nass, mäßig
schwer bis schwer zu bohren, Lösemittelgeruch saGr, grau G,s’, grau
KRB 1; 5,90-7,00
7,00
Kies, stark sandig, grau-kalkhaltig, nass, mäßig
schwer bis schwer zu bohren, ohne auffälligen Geruch saGr, grau G,s, grau
KRB 1; 7,00-7,90
KRB 1; 7,90-8,10 7,90 Steine, sandig, Kalksteinhorizont, grau-stark
kalkhaltig, feucht, sehr schwer zu bohren, stark saCo, grau X,s, grau
verwittert, ohne auffälligen Geruch, kein weiterer
Bohrfortschritt ab 8,05 m, da Fels
8,05
a b c
.. Abb. 1.15 Beispiele für das zeichnerische Darstellen von Schichtenfolgen. a mit Erläuterung in Form eines Klartextes, b in Form der Kurzzeichnen nach DIN
EN ISO 14688 und DIN EN ISO 14689, c in Form der DIN 4023. (WST-GmbH 2014)
angelegten Schürfen, Schächten, Stollen und Bohrungen wer- chenabstände, Kluftkörpergrößen, Stückgrößen, Nachbrüche,
den üblicherweise nach DIN 4023 sowie hierauf aufbauenden Bohrlochaufweitungen, Bohrtiefen sowie Veränderungen,
Vorschlägen und Symbolschlüsseln (z. B. „Symbolschlüssel Geo- Auflockerungen und Verschiebungen direkt gemessen werden.
logie“ des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie, Han- Das Messen von Spannungen und Spannungsänderungen be-
nover) zeichnerisch dargestellt. Es ist üblich, die dort angegebe- darf bislang spezieller, hierfür in den Untergrund eingebauter
nen Kurzzeichen für Bodenarten, Gesteinsarten, Beimengungen Messgeräte.
und Gruppensymbole nach DIN 18196 bei der Schichtaufnahme
im „Feldbuch“ zu verwenden und diese Kurzzeichen direkt mit
der entsprechenden Software in den Computer einzugeben. 1.7.1 Geodätisches Einmessen von Höhen,
DIN 4023 regelt weiterhin Zeichen für die Qualitätsangaben Längen und Winkeln
nass, breiig, weich, steif, halbfest, fest und klüftig sowie Symbole
für Grundwasserstände und entnommene Grundwasserproben An zugänglichen Punkten können die Oberflächen von Fels, Bo-
und Gesteinsproben. Weitere Gesteinsbegriffe sowie Quantitä- den und Bauwerken mit geodätischen Messgeräten eingemessen,
ten und Qualitäten beschreibende Adjektive sind ebenfalls im kontrolliert und überwacht werden. Je nach Aufgabenstellung
Symbolschlüssel der Geologischen Landesämter aufgenommen. werden Messstrecken oder Messraster angesetzt und die einzel-
Der Symbolschlüssel wird für die Anwendung im Arbeitsbereich nen Messpunkte markiert (z. B. durch Einbau von Messbolzen).
der Geologischen Landesämter laufend aktualisiert und fortge- Gemessen wird die Orts- und Höhenlage der Punkte und der
schrieben. Abstand zwischen den Messpunkten. Für Kontrollzwecke wer-
den die Messungen in Zeitabständen wiederholt.
Zu den einfachsten Kontrollen gehört das Fluchten (Ali-
1.7 Messtechnisches Untersuchen gnement) von Messpunkten (z. B. Messlatten) über zwei fest
und Überwachen im Baugrund installierte Messpunkte, wobei die Visierlinie auch durch
Laserstrahl oder gespannten Draht ersetzt werden kann. Ver-
In Aufschlüssen, Schürfen, Stollen, Schächten und Bohrun- wendet werden Nivelliergerät, Theodolit, Computertachy-
gen können Schichtstärken, Bankungsstärken, Lagerungs- meter, Bandmaß, Konvergenzmessgeräte und Fissurometer
verhältnisse für Trennflächen und Schichtfugen, Trennflä- (Rissmonitoren).
34 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
2
3
4 .. Abb. 1.16 Prinzipskizze für Konvergenzmessungen nach dem Messsystem
„Glötzl“ (Firmenprospekt): 1 Konvergenzmessbolzen, 2 Kugelgelenk mit An-
schlussstück, 3 Stahlband mit Löchern, 4 Arretierstift, 5 mechanische Messuhr,
6
7
8
9
10
11
.. Abb. 1.17 Mini-Fissurometer zum Messen von Relativbewegungen an
12 Rissen. 1 Ankerdübel, 2 Kontermutter, 3 Kugelgelenkkopf, 4 Halterung für
5 Messstange, 6 Schutzrohr, 7 Messanschlag, 8 Messuhr. (Umgezeichnet nach
Firmenprospekt Interfels GmbH)
13
zz Konvergenzmessungen
14 Konvergenzmessungen werden bevorzugt im unterirdischen
Hohlraumbau eingesetzt. Sie erlauben das Bestimmen des Ab-
15 standes und der absoluten Bewegung zwischen zwei Messbolzen
(. Abb. 1.16). Das Messen mit dem traditionellen Konvergenz-
messgerät kann jedoch den Arbeitsablauf und den Tunnelbe-
16 trieb empfindlich stören. Anstelle der Messung mit Bandmaß
werden heute auf Konvergenzmessbolzen, die mit dem Gebirge
17 oder dem zu messenden Bauteil verbunden sind, Reflex-Targets
oder Tripelprismen aufgesetzt und diese mit einem elektroni-
schen Tachymeter mit selbstregistrierender Datenerfassung
18 eingemessen.
1.7.2 Bohrlochmessungen
zz Extensometertechnik
Ein Extensometer besteht aus einem Messgestänge (Edelstahl),
welches an seinem Ende in einem offenen Bohrloch verankert ist
und am Extensometerkopf über Messuhren oder elektronische
Weggeber das Messen der Relativbewegungen zwischen Bohr-
lochmund und Verankerungspunkt zulässt (Längenmessung
mit Genauigkeit 0,01 mm). Ein Hüllrohr umgibt das Messge-
stänge und lässt bei hoher Einbaugenauigkeit eine optimale Be-
weglichkeit zu. In ein Bohrloch können mehrere Extensometer
eingebaut werden (Mehrfachstangenextensometer, . Abb. 1.18
und 1.19). Unterschiede bietet die Art der Verankerung (Ver-
mörtelung, Packeranker) in der Empfindlichkeit gegenüber
Querversetzungen. Extensometer können in Längen bis über
200 m eingebaut werden.
zz Inklinometertechnik
Verformungen quer zur Bohrlochachse werden mit Neigungs-
messgeräten, Inklinometern oder Pendellotanlagen (. Abb. 1.20)
gemessen. Mit mobilen oder stationären Geräten wird im Bohr-
loch abschnittsweise die Neigung des Bohrloches ermittelt. Bei
mobilen Inklinometer-Bohrlochsonden oder Neigungsmes-
sern werden Spezialverrohrungen mit vier über Kreuz liegen-
den Längsnuten eingebaut. In zwei jeweils gegenüberliegenden
Längsnuten wird die Inklinometersonde eingeführt und die
Bohrlochneigung wird nacheinander in zwei senkrecht aufein-
anderstehenden Ebenen gemessen. Dazu wird das Führungsrohr
schrittweise von unten nach oben abgefahren. In jedem Mess-
schritt erfasst die Sonde den Neigungswinkel zwischen der Ver-
tikalen und der Sondenlage. Die Inklinometermessungen werden
in gewissen zeitlichen Abständen wiederholt. Aus dem Vergleich
der in zeitlicher Abfolge erstellten Neigungsprofile kann die Nei-
gungsänderung bestimmt werden.
Wenn der Messaufwand mit einer mobilen Sonde zu groß
ist oder wenn Messwerte aus verschiedenen Lagen ständig ver-
fügbar sein müssen, wird mit stationären Ketteninklinometern
gearbeitet. . Abb. 1.21 gibt ein Beispiel für den Einsatz einer
Inklinometersonde.
.. Abb. 1.19 Mehrfachstangenextensometer zur Kontrolle von Sohlhebung und Bauwerkssetzung. Der Messkopf liegt an der künftigen Bauwerkssohle und ist
mit elektrischen Wegaufnehmern zur Messwerterfassung und Übertragung ausgestattet. Das Gerät wird vor Aushub installiert und später überbaut. (Firmen-
prospekt Glötzl GmbH)
36 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
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21
22
23 c b
.. Abb. 1.20 a Mobile Neigungsmesssonde im Führungsrohr, b Aufbau eines Ketten-Neigungsmessgerätes mit zwei Kettengliedern, als mehrfach wiederhol-
bare Messeinheiten hintereinandergeschaltet werden (Firmenprospekt Glötzl Baumesstechnik), c Schema einer Gewichtslotanlage bzw. Normalpendelanlage.
(Firmenprospekt Interfels GmbH)
1.8 • Indirektes Untersuchen des Untergrundes durch Sondieren
37 1
.. Abb. 1.21 Beispiele für den Einsatz
einer mobilen Inklinometersonde zum
Messen translatorischer Felsbewegun-
gen. a Situation in der beobachteten
Steinbruchwand, b Ausdruck und
Aufzeichnung der Deformation in den
zwei Messrichtungen
a b
.. Abb. 1.23 Gegenüberstellung der Ergebnisse von Rammsondierungen N10 verschiedener Rammenergie, ausgeführt in einer definiert aufgebauten Schüt-
tung „Roter Sand“ (Abtragmaterial der Staufer Schichten, Zechstein, Rheinland-Pfalz; Rosenthal 1995)
halb definierter Gültigkeitsgrenzen statistisch ermittelt werden. Für solche Kenngrößen (Bodenart, Korngröße, Lagerungsdichte D,
das qualitative Auswerten von Sondierungen, z. B. für Aussagen über Konsistenz, Steifebeiwert Es, Reibungswinkel φ) rückgeschlossen
Gleichmäßigkeit oder Ungleichmäßigkeit des Bodens, Schichtab- werden.
grenzungen, Dichten und Konsistenzen sind Kenntnisse aus direkten
Untersuchungen des Untergrundes erforderlich. DIN 4094-2 gibt in zz Standard-Penetrationstest nach DIN EN ISO 22476-3
mehreren Darstellungen den Vergleich und Zusammenhang von Das Sondieren erfolgt von der Bohrlochsohle aus. Gearbeitet
Sondierergebnissen mit Schlagzahlen und Spitzenwiderständen qc wird mit SPT-Probeentnahmegerät, einem geteilten Zylinder mit
anderer Sondierarten sowie Zusammenhänge zwischen Sondierwi- Außendurchmesser 51 mm und Innendurchmesser 35 mm. Das
derständen und den Bodenkenngrößen Lagerungsdichte, Steifebei- Probeentnahmegerät besteht aus einem Eintriebschuh, einer Ent-
wert und Reibungswinkel für Sande und Sand-Kies-Gemische. In nahmehülse (>45 cm) und einem Verbindungsrohr (Kopfstück)
etwa zutreffende Angaben zur Dichte anhand der Ergebnisse von mit Rückschlagventil (hierzu Bild 1 in DIN EN ISO 22476-3). Pro-
Rammsondierungen sind nur dann möglich, wenn zum Vergleich beentnahmegerät und Rammvorrichtung (Rammbär 63,5 kg, Fall-
Rammdiagramme von identischen Schichtenfolgen vorliegen, bei höhe 76 cm) sind über ein Gestänge miteinander verbunden. Es
denen zuvor, über die gesamte Schichtenfolge durchlaufend, z. B. werden zunächst die ersten 15 cm als Anfangs- oder Anpassungs-
im Zuge von Schüttarbeiten, die Dichte ermittelt wurde. rammen mit Schlagzahl N0 vermerkt. Das Gerät wird anschlie-
ßend in zwei Abschnitten à 15 cm mit jeweils in die eigentlich ge-
zz Bohrlochrammsondierung nach DIN 4094-2 wünschte Untersuchungsstrecke eingetrieben und die zugehörige
Die Rammvorrichtung (Rammbär 63,5 kg, Fallhöhe 76 cm, Schlagzahl N vermerkt. Das Durchführen und Auswerten der Son-
Querschnittsfläche der Sondierspitze 20 cm2, auf den Spitzen- dierung, das Darstellen der Ergebnisse sowie das Bewerten und
querschnitt bezogene Rammenergie 241 kJ m−1) hängt am Seil. Ableiten geotechnischer Kenngrößen ist unter Pos. 5 bis 7 sowie
Das Gerät für die Bohrlochrammsondierung ist in DIN 4094-2, in Anhang A und B dieser Norm beschrieben und demonstriert.
Bild 1 bis 3, dargestellt. Das Durchführen und Auswerten der
Sondierung, das Darstellen der Ergebnisse sowie das Bewerten
und Ableiten geotechnischer Kenngrößen ist unter Pos. 5 bis 8 1.8.3 Drucksondierung
dieser Norm beschrieben und demonstriert.
Beim Rammen werden die ersten 15 cm als Anfangs- oder Bei der Drucksondierung CPT nach DIN 4094 T.2 und DIN EN
Anpassungsrammen als Schlagzahl N0 vermerkt. Gezählt ISO 22476 T 1 wird die Sonde mechanisch und mit gleichbleibender
(Schlagzahl N30) und als Eindringwiderstand bewertet werden Geschwindigkeit von etwa 2 cm s−1 in den Baugrund eingedrückt.
die Schläge zwischen 15 und 45 cm unter der Bohrlochsohle. Der Die Sondenspitze besteht aus der Sondierspitze, einem darüber
Sondierwiderstand N30 wird beim Auswerten mit der erbohrten angebrachten Messkörper und einer den Messkörper umgebenden
Schichtenfolge (Schichtenverzeichnis) korreliert und als Zahl zylindrischen Reibungshülse. Für das Untersuchen und Testen des
oder Balken neben der jeweilig durchrammten Tiefenangabe Untergrundes durch Einpressen einer kegelförmigen Sondenspitze
und Schicht eingetragen. Aus dem Vergleich mit im Labor ermit- (Cone penetration Test) gibt es zwei unterschiedlich große Son-
telten Bodenkenngrößen kann aus dem Sondierwiderstand auf denspitzen/Kegel, CPT 10 mit 10 cm2 und CPT 15 mit 15 cm2. Bei
40 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
11
1.9 Geophysik – Indirektes
12 und zerstörungsfreies Untersuchen
des Untergrundes mit physikalischen
Verfahren
13
1.9.1 Seismik
14
Seismische Verfahren bieten die Möglichkeit, eine dreidimensi-
15 onale Aussage zum Schichtenbau des Untergrundes zu treffen.
Gemessen und ausgewertet werden Geophonabstände und Lauf-
zeiten von in den Untergrund eingeleiteten Erschütterungen. Die
16 Erschütterungen werden am Anregungspunkt durch Sprengung,
Vibration, Hammerschlag oder Aufschlag eines Fallgewichtes er-
17 zeugt. Dabei entstehen seismische Wellen (Erschütterungswel-
.. Abb. 1.24 Gegenüberstellung der Ergebnisse von Rammsondierungen len). Nach physikalischer Definition sind es Longitudinalwellen
(Kompressionswellen) und Transversalwellen. Die Geophysik
18 N10 mit der Schweren (DPH), Mittleren (DPM) und Leichten Rammsonde
(DPL), ausgeführt in natürlich anstehenden Böden. a Schluff über Sand und benutzt hierfür die Fachausdrücke „Schallwellen“ und „Scher-
Kies, Mannheim, b Sand über Kies, Rastatt, c Wechselfolge Schluff-Sand-Kies,
wellen“.
19 Rastatt, d toniger Schluff, Birkenau. Tiefenangaben in Metern. (Stephan 1997)
Die Schallwellen bewegen sich schneller durch die Gesteine
als die Scherwellen.
20 CPT 10 beträgt die Oberfläche der Reibungshülse 150 cm2, der Ke- Die Wellen breiten sich zunächst strahlenartig nach allen
geldurchmesser 37,5 mm und der Gestängedurchmesser 36 mm. Richtungen aus. An Gesteinsgrenzen werden die unter steilem
Bei CPT 15 beträgt die Oberfläche der Reibungshülse 225 cm2, Winkel einfallenden Wellen zurückgebeugt oder reflektiert, die
21 der Kegeldurchmesser 43,8 mm und der Gestängedurchmesser unter flachem Winkel einfallenden Wellen gebrochen oder refrak-
36 mm. Gemessen werden kann der Eindringwiderstand Qc der tiert. Als direkte Welle wird der Wellenstrahl bezeichnet, der auf
22 Sonde ab Geländeoberfläche, der Spitzenwiderstand qc direkt über dem kürzesten Weg vom Anregungspunkt zum Messpunkt läuft.
der Spitze im Sondierloch und die lokale Mantelreibung fc in der Gesteine haben die Eigenschaft, Schallwellen mehr oder
jeweilig durchfahrenen Schicht (. Abb. 1.25). minder schnell zu leiten, wobei innerhalb einer einheitlichen
23 Regelwerke für Drucksondierungen sind DIN EN ISO 22476-1, Gesteinsfolge in größerer Tiefe eine konstante und hohe Schall-
DIN EN 1997 und DIN 4094-1 (zurückgezogen). Versuchsaufbau geschwindigkeit (Formationsgeschwindigkeit) gemessen wird.
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
41 1
.. Abb. 1.25 Zeichnerische Darstellung einer Drucksondierung mit lokaler Mantelreibung, Spitzenwiderstand und Schichtenfolge
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16
.. Abb. 1.26 Refraktionsseismische Auslage und Auswertung. Unten: Messprofil mit Anregungspunkt (Fallkugel, Sprengung) und Geophonauslage für refraktions-
17 seismisches Erkunden des Untergrundes mit Mehrkanalapparatur. Darstellung der Pfade und Fronten für die direkte Welle (Oberflächenwelle), die gebrochene Wel-
le und die refraktierte Welle im Zweischichtenfall. Oben: Aufgezeichnete Laufzeitkurven für lockeren Boden über Fels und Berechnung der Tiefenlage h für OK Fels
18 gerem Leitvermögen für die Schallwellen oben. Es sind Verwit- Wellenstrahlen treffen auf die Geophone und lösen dort einen
terungsboden, Auflockerungsbereich oder Deckschichten, in Impuls aus. Die Zeitspanne zwischen Aufzeit am Anregungs-
19 Tallagen auch weiche Sedimentlagen wie Schwemmlehm, Au- punkt und erstem Impuls am Geophon ist die auf den Geo-
elehm oder Torf über Sand und Kies. Die Deckschichten haben phonabstand bezogene Laufzeit. Die Entfernung zwischen dem
20 gegenüber dem tiefer liegenden Gestein eine geringere Wellenge- Anregungspunkt und dem ersten Eintreffen refraktierter Wellen
schwindigkeit v1. Die tiefer liegenden, dichteren, den Schall bes- an den ausgelegten Geophonen ist die Knickpunktentfernung s.
ser leitenden Gesteine/Fels haben eine höhere Wellengeschwin- Ein Teil der in den oberen Gesteinsschichten/Felslagen ge-
21 digkeit v2. Unter solchen Bedingungen mit v2 > v1 kommt es im brochenen Energie wird nach unten abgestrahlt. Der tiefere Un-
tiefer liegenden Gestein/Fels zur Ausbildung einer gebrochenen tergrund kann aus schallhärteren oder schallweicheren Gesteins-
22 Wellenfront, welche sich vom Anregungspunkt aus an der Fels- lagen oder Felspartien bestehen.
oberfläche kreisförmig, im Fels selbst halbkugelförmig, ausbreitet Im Falle einer Unterlagerung von Gesteinen mit einer ge-
(. Abb. 1.26). Die Wellenfront der gebrochenen Welle strahlt auf ringeren Wellengeschwindigkeit als v2 liegt eine Geschwindig-
23 ihrem Weg entlang der Grenzfläche Fels/Deckschichten ständig keitsinversion vor, deren Echo nach der mit der Geschwindig-
in Form einer refraktierten Wellenfront Energie nach oben ab. keit v2 gemessenen Laufzeit am Geophon eintrifft. Ein solches
Die diese refraktierte Wellenfront aufbauenden refraktierten Echo wird bei üblicher Anwendung der refraktionsseismischen
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
43 1
.. Abb. 1.27 Schema eines Messprofils für refraktionsseismi-
sches Erkunden des Untergrundes mit einer Einkanalapparatur
(Hammerschlagseismik) und Darstellung möglicher Wellen-
strahlen nach dem Drei-Schichten-Modell. Die durchgezogenen
Strahlen erreichen auf schnellstem Wege das Geophon, die
gestrichelten Wellenstrahlen erreichen das Geophon mit Verzö-
gerung und werden nicht ausgewertet
Methode nicht erkannt. So lässt sich die Lagerung poröser Sedi- Bei großräumigen Untersuchungen wird eine Vielzahl solcher
mentgesteine unter einer Basaltdecke nicht eindeutig auflösen. Großgeräte gleichzeitig eingesetzt. Je nach Aufgabenstellung
Üblicherweise werden die Geophonabstände und die gemes- und erforderlicher Erkundungstiefe sind unterschiedlich starke
senen Laufzeiten in einem Weg-Zeit-Diagramm als Laufzeit- Anregung und unterschiedlich lange Messstrecken erforderlich.
kurve aufgetragen. Hieraus kann die Geschwindigkeit der direk- Bei Untersuchungen im Nahbereich soll die Länge der Untersu-
ten und der refraktierten Welle abgelesen und die Mächtigkeit h chungsstrecke mindestens 5 m betragen. Der Untersuchungsab-
der Deckschichten bestimmt werden. stand beträgt bei geringer Erkundungstiefe 1–2 m, bei größeren
Im Falle einer Unterlagerung von Gesteinen mit einer höhe- Erkundungstiefen 2–5 m.
ren Wellengeschwindigkeit als v2 kommt es in diesen schallhärte- Zur Aufnahme der Impulse (Fallgewichtseismik, Explosions-
ren Gesteinsschichten/Felslagen erneut zur Ausbildung einer ge- seismik) werden in der Regel Mehrkanalempfänger eingesetzt.
brochenen Wellenfront, welche kontinuierlich refraktierte Wellen Die Geophone werden längs der Messreihe ausgelegt und mit
mit der Wellengeschwindigkeit v3 nach oben abgibt. Ab einer kri- dem Seismographen verbunden (. Abb. 1.26). Bei der Ham-
tischen Entfernung vom Anregungspunkt treffen diese im Unter- merschlagseismik erfolgte anfänglich die Aufzeichnung über ein
grund vorauseilenden Wellen vor denen mit der Geschwindigkeit stationäres Geophon (Einkanalempfänger), und der Anregungs-
v2 an den ausgelegten Geophonen ein (. Abb. 1.27). punkt wurde entsprechend dem Geophonabstand bei Mehrka-
Nahe dem Anregungspunkt stammen die in den Geophonen nalempfängern verändert (. Abb. 1.27). Heute werden auch bei
ausgelösten Impulse von der sich in den Deckschichten fortbe- den tragbaren Geräten Mehrkanalempfänger verwendet.
wegenden direkten Welle. Von dieser ist der am Nullpunkt an- Das Auswerten refraktionsseismischer Messungen erfolgt bei
setzende gerade Teil der Laufzeitkurve mit der Wellengeschwin- kleinflächigen bzw. kleinräumigen Aufgaben nach dem Interzept-
digkeit v1 verursacht (. Abb. 1.26). Ab der oben genannten Verfahren (. Abb. 1.26). Bei gleichmäßigem und horizontalem
Knickpunktentfernung vom Anregungspunkt wird das Erstsignal Gebirgsaufbau ergeben sich bei diesem Verfahren von rechts
an den Geophonen von einer refraktierten Welle, der „Mintrop- nach links und von links nach rechts deckungsgleiche Kurven.
Welle“, ausgelöst. Der im Laufzeitdiagramm von der Laufzeitge- Eine Neigung des Refraktionshorizontes gibt sich durch unter-
raden der direkten Welle abzweigende Teil mit höherer Laufge- schiedlich große Wellengeschwindigkeiten in der Refraktionsflä-
schwindigkeit v2 ist von der refraktierten Welle verursacht. Die che zu erkennen. Bei solchen einfachen Lagerungsverhältnissen
Verlängerung dieser Geraden nach links schneidet die Zeitachse mit geradlinigem Verlauf der Laufzeitkurven sind die Ergebnisse
oberhalb des Nullpunktes. Im Dreischichtenfall und im Mehr- mit nur geringem Fehler behaftet. Komplexe Untergrundverhält-
schichtenfall können noch flachere Äste der Laufzeitkurve mit nisse mit variierenden Formationsgeschwindigkeiten verlangen
zugehörigen höheren Wellengeschwindigkeiten v3, v4, vn unter- nach komplexen Auflösungsverfahren mit mehreren Anregungs-
schieden werden, welche die Zeitachse entsprechend höher oder punkten und mehreren sich kreuzenden Geophonauslagen so-
später schneiden. Für diese sind noch kürzere Laufzeiten typisch. wie nach rechnergestützten Auswerteverfahren. Schichtenfol-
Aus der kritischen Entfernung und der ermittelten Wellenge- gen mit Schichten geringer Geschwindigkeit oben und größerer
schwindigkeit kann die Tiefenlage der Refraktionsfläche abgelei- Geschwindigkeit unten lassen sich mit der Refraktionsseismik
tet werden. Form und Neigung der Grenzfläche ergeben sich aus aufgliedern und darstellen. Für das geotechnische Erkunden
der Gegenschussaufnahme. der Schichtmächtigkeit h und der Schichtlagerung längs des
Mit der Refraktionsseismik lässt sich die Tiefenlage der Geländeschnittes im Untergrund und für das flächendeckende
Grenzfläche (z. B. lockerer Boden über dichterem Untergrund) Bestimmen der Schichtmächtigkeit und der Tiefenlage des Re-
und deren Lagerung erkennen. Gut zu unterscheiden sind Auf- fraktors Fels oder eines den Schall besser leitenden Mediums
lockerung über Fels und in grobkörnigen Böden die Lage des (Wasserspiegel) ist die Refraktionsseismik gut geeignet und wird
Grundwasserspiegels. entsprechen häufig angewendet. Einfachen geologischen Verhält-
Die Apparaturen zur Refraktionsseismik reichen von trag- nissen mit gleichmäßigen Schichtenfolgen und mit Schichten
baren Geräten (Hammerschlagseismik) über LKW-montierte geringer Geschwindigkeit oben und größerer Geschwindigkeit
Großanlagen mit Fallkugel (ca. 200 kg) bis zu Großanlagen. unten lassen sich mit der Refraktionsseismik aufgliedern und
44 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
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8
.. Abb. 1.28 Bestimmen der Mächtigkeit der Verwitterungszone mittels Refraktionsseismik (Illich 2012, GGU-Fallbeispiel – Gesellschaft für Geophysikalische
9 Untersuchungen Karlsruhe). Das refraktionsseismische Untersuchungsergebnis liefert einen durchgängig belegten Zweischichtenfall mit einer mit der Tiefe
zunehmenden Kompressionswellengeschwindigkeit zwischen 300 bis 1000 m s−1 in den nach unten zunehmend konsolidierten Deckschichten (Ton) und eine
relativ ruhige Morphologie der Felsoberfläche/Festgesteinsoberfläche (Tonstein) mit Wellengeschwindigkeiten zwischen 2800 und 3500 m s−1. Pfeil: Ort der
10 Signalanregung; Quadrat und Raute: Welleneinsatz am Geophonort von Vor- und Rückschuss
11 darstellen. Das refraktionsseismische Untersuchungsverfahren Dabei ist der Reflexionswinkel zwischen Anregungspunkt
für den Zweischichtenfall wird in der Geotechnik am häufigs- und jeweiligem Geophon bei den in geringer Tiefe liegenden re-
12 ten angewandt (. Abb. 1.28). Es bietet hinreichend brauchbare flektierenden Schichtflächen größer als bei tiefliegenden Reflek-
Tiefenangaben für den Refraktor. Die Genauigkeit dieser Tiefen- toren. Zum reflexionsseismischen Erkunden werden, besonders
angabe hängt von der Homogenität der Deckschichten und vom bei tiefliegenden Reflexionshorizonten, die nahezu senkrecht zur
13 Geschwindigkeitskontrast an der Grenze zwischen Deckschicht Schichtgrenze einfallenden Wellen betrachtet. Bei den vom Anre-
und refraktierendem Untergrund ab. Im häufigen Fall einer nach gungspunkt ausgehenden Wellen ist zu unterscheiden zwischen
14 unten zunehmenden Schallhärte kann deren Wellengeschwin- den schnell laufenden Kompressionswellen vp und den langsamer
digkeit bestimmt und somit können Gesteinspartien gegenseitig laufenden Scherwellen vs. Im Gegensatz zur Refraktionsseismik
15 abgegrenzt werden (. Abb. 1.28 und 1.31a). . Abb. 1.29 gibt ein werden die Geophone nacheinander von allen eintreffenden
Fallbeispiel für ein Drei-Schichten-Modell. Frei (1995) beschreibt Kompressionswellen und Scherwellen erschüttert. Die nachein-
Messbeispiele und zeitgemäße rechnergestützte Auswerteverfah- ander eintreffenden Impulse werden gleichzeitig an bis 120 und
16 ren zur refraktionsseismischen Erkundung. mehr ausgelegten Geophonen aufgenommen und am Seismogra-
phen in bis 120 und mehr Bahnen parallel aufgezeichnet.
17 zz Reflexionsseismik Gearbeitet wird mit vertikalempfindlichen oder horizontal-
Bei der Reflexionsseismik werden im Normalfall Geophone in empfindlichen Geophonen. Durch die Wahl der Geophone kann
einer Messstrecke ausgelegt. Der Anregungspunkt befindet sich der Störpegel der bei der Aufzeichnung unerwünschten Scher-
18 in der Mitte der Strecke. wellen oder Schallwellen gemindert werden. Aufgezeichnet und
Die vom Anregungspunkt ausgehenden Wellen werden im ausgewertet werden alle nacheinander an den Geophonen an-
19 Untergrund an Diskontinuitätsflächen zurückgebeugt oder reflek- kommenden Signale. Das Zuordnen bestimmter Reflexionshori-
tiert, gebrochen und refraktiert oder in den tieferen Untergrund zonte und das Bestimmen der Schallgeschwindigkeit innerhalb
20 transmittiert. Die transmittierten Wellen können im tieferen Un- bestimmter Gesteinsschichten erfolgt an Erkundungsbohrungen.
tergrund an Schichten oder Felskörpern mit deutlichem Kontrast Das Verfahren wird traditionell zum Erkunden des tieferen
in Dichte und Impedanz zu den höher liegenden Schichten erneut geologischen Untergrundes eingesetzt, vorwiegend für Zwecke
21 gebeugt und gebrochen werden (. Abb. 1.30). Dabei wird ein Teil der Erdölindustrie. Für das Erkunden des oberflächennahen
der Wellenenergie, unter Umständen sogar die ganze Wellenener- Untergrundes mit Reflexionsseismik liegen nur wenige Erfah-
22 gie, reflektiert. An nicht ebener (rauer) Diskontinuitätsfläche wird rungen vor. Die Messergebnisse sind schwierig zu deuten, da die
der Wellenstrahl diffus in verschiedene Richtungen reflektiert. schwachen Signale aus oberflächennahen Reflexionshorizonten
An glatten Diskontinuitätsflächen erfolgt das Zurückbeugen sich nicht deutlich von den starken Signalen der noch nicht ab-
23 nach dem Reflexionsgesetz. Einfallender und reflektierter Strahl geklungenen Oberflächenwellen abheben.
liegen in derselben Ebene; Einfallswinkel und Reflexionswinkel Es werden Geophone mit Eigenfrequenz 40 bis 100 Hz
sind gleich. verwendet, wobei die hohe Eigenfrequenz zum Erkunden
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
45 1
.. Abb. 1.29 Schichtmodell abgeleitet aus den Erst
einsätzen der Kompressionswellen. Bestimmung der
Kompressionswellengeschwindigkeiten. Unterschei-
dung zwischen Deckschichten (Löss und Lösslehm),
einer entfestigten Verwitterungsschicht und dem
unverwitterten Gestein (Tonstein und Tonstein-Sand-
stein-Wechsellagerung) mittels Refraktionsseismik.
Die Datenauswertung führt zu einem Drei-Schichten-
Modell für den Untergrund. Das Untersuchungser-
gebnis liefert drei Schichten mit unterschiedlichen
Kompressionswellengeschwindigkeiten, welche den
Felsklassen K4, K5 und K6 nach DIN 18300 (Ab-
schn. 4.1.2) zugeordnet werden können. Pfeil: Ort der
Signalanregung; Quadrat und Raute: Welleneinsatz
am Geophonort von Vor- und Rückschuss. (Illich 2012,
GGU-Fallbeispiel – Gesellschaft für Geophysikalische
Untersuchungen Karlsruhe)
.. Abb. 1.30 a Modell für den Strahlengang, b Prinzip der Mehrfachüberdeckung und Geschwindigkeitsbestimmung bei der Reflexionsseismik. (Illich 2012,
Gesellschaft für Geophysikalische Untersuchung Karlsruhe)
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10 .. Abb. 1.31 Hybridseismisches Profil zur seismischen Erkundung von vermuteten Karsthohlräumen – Steinbruch Eberstädter Tropfsteinhöhlen. Feldpara-
meter: 192 Kanäle, 1 m Geophonabstand, Geophontyp 20 Hz, Anregungsabstand 2 m, Hammer 8 kg, CDP-Abstand 0,5 m, Überdeckung 48-fach, Abtastrate
11 0,25 ms, Registrierzeit 250 ms. (Frei W. 2003)
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13 .. Abb. 1.35 Mögliche Messanordnungen für geoelektrisches Kartieren und Profilieren. (Illich, Gesellschaft für Geophysik, Karlsruhe, 2012)
14 Aus mehreren auf der Untersuchungsfläche durchmessenen Dielektrizität ε [S m−1]. Nichtmetallische sowie schwach leitende
Geländeschnitten und/oder aus Einzelpunktuntersuchungen und nicht leitende Stoffe (Festkörper, Flüssigkeiten, Gase) werden
15 lässt sich ein Isolinienplan des scheinbaren spezifischen Wider- als Dielektrika bezeichnet. Ihre Ladungsträger sind nicht beweglich.
standes erarbeiten, welche auch in einen geologischen Schichtla- Beim Anlegen eines elektrischen Feldes werden deren Ladungsträger
gerungsplan uminterpretiert werden kann (. Abb. 1.36). polarisiert. Es bildet sich in ihnen ein elektromagnetisches Feld aus.
16 Beim eigentlichen Messvorgang werden Sender und Emp-
fänger über den Untergrund bewegt. Über einen Sender werden
17 1.9.3 Bodenradar (Georadar) kurzzeitige Impulse in den Boden abgestrahlt. Der Empfänger re-
gistriert die reflektierten Signale. Dabei ist der Abstand zwischen
Beim Bodenradar oder Georadar (ground penetrating radar, Sender und Empfänger konstant. Beim Messen werden über ei-
18 GPR, Radio Echo Sounding, RES) werden die Reflexionen nem Punkt bzw. über einer sehr kurzen Strecke zum Verbessern
hochfrequenter elektromagnetischer Wellen an Materialgren- des Signal-Rausch-Verhältnisses die Signale von bis zu mehreren
19 zen gemessen. Ausgesendet werden Impulse mit Frequenz hundert Messungen gestapelt. Die Laufzeit ist von den elektrischen
zwischen 20 und 2000 MHz. Das Ausbreiten dieser Wellen im Eigenschaften des durchstrahlten Materials abhängig. Sind diese
20 Untergrund hängt von den elektromagnetischen Materialeigen- Eigenschaften durch Messungen bekannt, kann aus der Laufzeit
schaften der anstehenden Böden, Gesteine und Fremdkörper auf die Tiefenlage eines Reflektors geschlossen werden.
ab. Dies sind: Für jede gestapelte Einzelmessung wird im Radargramm eine
21 elektrische Leitfähigkeit σ [S −-1]. Die elektrische Leitfähig- vertikale Linie aufgezeichnet. Diese Linie ist bei homogenem Un-
keit ist bei Metallen hoch: Größenordnung ~10 bis 61 10+6 S pro tergrund eine Gerade und zeigt bei im Untergrund vorliegenden
22 Meter, bei Nichtmetallen und Kohlenwasserstoffen/Nichtleitern Reflektoren Ausschläge (. Abb. 1.37). Durch das Bewegen der
niedrig: Größenordnung ~10 10−6 S pro Meter. Die elektrische Georadar-Messvorrichtung über eine Linie oder Messstrecke
Leitfähigkeit eines Bodens oder Gesteins im Untergrund hängt entsteht ein Radarprofil oder Radargramm (. Abb. 1.38). Die-
23 von der Verfügbarkeit beweglicher Ladungsträger (Ionen) ab. Sie ses entspricht einem Geländeschnitt. Für das Umwandeln der
beträgt bei destilliertem Wasser ~5 10−6 S m−1, bei Süßwasser ~5 Laufzeiten in Tiefenangaben ist das Radargramm an Bohrungen
10−2 S m−2, bei Meerwasser ~5 S m−1*. zu eichen. Beim Vergleich mit der zugehörigen Schichtenfolge
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
49 1
.. Abb. 1.37 Model für das Untersuchen des Untergrundes mit Georadar.
(Illich, Gesellschaft für Geophysik, Karlsruhe, 2012)
- erzielt werden.
Datenverarbeitung: Durch angepasste/geeignete Datenverar-
beitung kann eine Reichweitenverbesserung erzielt werden.
.. Abb. 1.36 Isolinienplan des scheinbaren spezifischen Widerstandes, ermit- Illich/GGU Karlsruhe 2012 gibt praktische Anhaltspunkte für
telt durch geoelektrische Widerstandskartierung. Die Werteverteilung zeigt die Reichweite in häufigen Bodenarten mit Angaben zur Feuch-
die Grenzen einer verdeckten Deponie. (Illich, Gesellschaft für Geophysik,
tigkeit. In der Praxis können diese Anhaltswerte auch über- oder
Karlsruhe, 2012)
unterschritten werden.
kann das zeitliche Eintreffen der Signale den bodenspezifischen
Sand und Kies trocken 5 bis 10 m,
Ausbreitungsgeschwindigkeiten angeglichen werden. wassergesättigt 2 bis 5 m
Von der Messfrequenz hängt die Eindringtiefe der elektroma- Sand und Kies, schluffig feucht 2 bis 3 m
gnetischen Wellen ab. Die Frequenz ist mit der Tiefenlage des im feinkörnig, bindige Böden trocken 2 m, feucht 1 m
Untergrund befindlichen, interessierenden Horizontes oder Ob- Fels, Gestein 5 bis > 10 m
jektes abzustimmen. Langwellige Impulse dringen tiefer in den Dolomit, Marmor, kompakt > 20 m
Untergrund ein als kurzwellige Impulse. Erfassbare Tiefen liegen Süßwasser 4 bis 6 m
allgemein in der Größenordnung von Metern bis Zehnermetern. Salzwasser 0m
Die Reichweite bzw. Eindringtiefe von Georadar ist nach Il-
-
lich/GGU Karlsruhe, 2012 abhängig von
Reflexionskoeffizient: Es muss ein Materialkontrast vorhan-
den sein. Dieser ist bei eingelagerten Metallgegenständen
Feuchte und feinkörnige (bindige) Bodenbestandteile vermin-
dern aufgrund hoher elektrischer Leitfähigkeit die Reichweite.
Bodenradarmessungen eignen sich für Untersuchungstie-
- Streuung groß.
Entfernung: Mit zunehmender Entfernung des Reflexions-
horizontes nimmt die Stärke des reflektierten Signals durch
geringer Objekttiefe gibt beste Ergebnisse. Bindige Sedimente
mit hohem Wassergehalt verringern die Erkundungstiefe stark
(. Abb. 1.38).
.. Abb. 1.39 Magnetische Isanomalienkarte (∆z) für das östliche Saarland (Dachroth 1970). Das Kartenbild zeigt mehrere schwache Hochlagen, die in der
Streichrichtung des Buntsandsteins und wohl auch des tiefer gelagerten Grundgebirges liegen. Aus diesen Anomalien und aus dem Vergleich zu Anomalien
bei der Deklination (Krause 1966) sowie zu Schichtausfällen im Buntsandstein kann auf eine weitere Sattelstruktur im Südosten des Saarbrücker Karbonsattels
geschlossen werden
.. Abb. 1.40 Magnetisches ∆z – Profil durch das Kirkeler Hoch auf . Abb. 1.39. Für den Störkörper ergibt sich aus der Halbwertsbreite eine Tiefenlage von
350 bis 400 m. Zu vermuten ist ein vulkanisches Gestein unter der diskordanten Auflagerung des Buntsandsteins
gnetisierten Gesteinskörpern (Salz) und besonders von stark den der Messpunkte (1 m bis wenige Meter). Es eignet sich zum
magnetisierten Gesteinskörpern (z. B. Basalt, Erz). Bei den stark Erkennen und Abgrenzen von Störkörpern in geringer Tiefe wie
magnetisierten Gesteinskörpern kann sich die gesteinsmagneti- Müll, Schrott, Eisenrohren, Bomben, Minen etc. (. Abb. 1.41).
sche Ausrichtung auswirken. Bei Gesteinen mit durchschnittli- Zur Größenordnung von Magnetfeldwerten gibt Illich/GGU
chem oder nur geringem Gehalt an ferrimagnetischen Minera- Karlsruhe 2012 an:
lien spielt die Paläomagnetrichtung im regionalen Maßstab keine
Erzlagerstätten: mehrere 10.00 nT,
Rolle (Dachroth 1971, 1976, 1988). Auffällige geogen verursachte
Basalt: 500 nT,
Anomalien geben Hinweis auf Eisenerz (Magnetit, Maghämatit) Hausmülldeponie: 2000 nT,
und Gesteine mit großen Massenanteilen an solchen Mineralen Metallfass, 2 m tief: 100 nT,
im Untergrund. Störende Einflüsse beim Messen gehen aus von Straßenverkehr, PKW 5 m abseits: 200 nT,
oberflächennahen Elektroleitungen und Verkehr. Pipeline 10 m abseits: 100 nT,
Das geomagnetische Untersuchen im kleineren ingenieur- geologische Strukturen im Untergrund, 100 nT,
geologischen oder archäologischen Maßstab erfolgt längs von z. B. Rinnenfüllung:
Trassen oder im engmaschigen Gitternetz bei kleinen Abstän- archäologische Objekte: bis 50 nT.
52 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
3
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1.9.5 Cereskopie – Messen natürlich (Kataklase, Risse im Mikro- und Nanobereich), abscheren,
14 ermittierter elektromagnetischer aufquellen. Bei Bruchvorgängen im Mikromaßstab werden
Impulse – NPEMFE Atombindungen zerrissen. Unter solchen Einwirkungen kann
15 das beanspruchte Gestein teils plötzlich und einmalig aufblit-
Gesteine, Minerale und Kristalle emittieren unter Druck und zen, teils permanent EM-Impulse emittieren. Blitze (kurzwellige
Druckänderungen beim elastischen und plastischen Verformen Emissionen) werden beobachtet beim Schlagen (Feuerstein),
16 elektromagnetische Wellen (EM-Wellen) bzw. Electromagnetic Brechen oder Ausbrechen von Fels (z. B. mit einem Bagger oder
17
-
Radiation (EMR). Solche Vorgänge sind bekannt:
in Verbindung mit Erdbeben (Fraser-Smith et al. 1990,
Brecher), beim Bohren, Sägen, Sprengen und Stürzen (Block-,
Fels-, Bergsturz) von Steinen und Felsmassen (Rabinowitch,
20 - et al. 2006),
in der Größenordnung ingenieurgeologischer Probleme
bei dynamischem Schweredruck, Auflockerungsdruck,
tenberger 2006). Verschiedene Effekte können gleichzeitig und
nebeneinander wirken und sind unter Feldbedingungen nicht
quantitativ abgrenzbar. Die Emissionen können u. a. ausgehen
21
Füllungsdruck, Blähdruck, Felszerreißen, Rutschungen,
Erdfällen, Firstschlägen, Sohlhebungen (Lauterbach 2006,
-
von dem/der
Aufreißen kleinster Risse im Nanobereich und Trennen von
22
- Lichtenberger 2005, 2006, 2008),
im Labormaßstab (Bahat et al. 2002).
-- Atombindungen,
Verformen von Quarzkristallen (piezoelektrischer Effekt),
Zunahme der elektrischen Leitfähigkeit bei Deformation
23 Die EM-Emissionen sind gepulst und damit unterscheidbar von
periodischen anthropogenen Signalen.
Bei Spannungsänderungen können Gesteine sich verfor-
men, komprimiert oder dekomprimiert werden, zerbrechen
- fester nicht leitender Körper (Stepanov-Effekt),
Entstehen eines Hochpotentials und dem elektrischen
Aufladen der Kristallflächen deformierter Kristalle (Nicht-
piezoelektrischer Effekt),
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
53 1
-
zz Horizontalmessung
len bei Relaxation, Das EM-Feld der Erdkruste ist ein Abbild des mechanischen
Zerreißen der Sternschicht und wassererfüllter Kapillaren Spannungszustandes der Erdkruste mit den orthogonal auf-
-
dige Verfahren ermittelt
Herdflächenauflösung von Erdbeben (Ahorner 1975,
Die natürlichen EM-Emissionen können durch anthropogen
verursachte Strahlen, z. B. sehr lange Radio- und Navigations-
signale, und auch durch natürliche EM-Strahlen der Ionosphäre - Schneider 1975),
Überbohrverfahren mit Spannungsmessung über die
Deformation von Dehnungsmessstreifen am Bohrlochende
bei Erdbeben gestört werden.
Mit dem Cereskop, einem tragbaren Gerät, können EM-
-- (Doorstopper-Verfahren),
Überbohren von Spannungsmesszellen (▶ Abschn. 1.21),
Emissionen im Frequenzbereich 5 bis 50 kHz registriert und
ausgewertet werden. Gemessen wird im Sekundenabstand je-
- Bohrlochschlitzverfahren (▶ Abschn. 1.21),
Bohrloch-Randausbrüche als Folge ungleicher Horizontal-
weils für die Dauer von 100 ms. Als Sensor dient eine Richtan-
tenne (Ferritantenne). Gemessen wird die EM-Strahlung, auf
die die Antenne ausgerichtet ist. Der Anwender hat die Mög-
lichkeit, über ein im Gerät grafisch angezeigtes Frequenzspek-
- spannung,
Core-Discing – Zerfallsspuren an Bohrkernen aus großer
Tiefe (Engelder 1993).
trum typisch anthropogene Störstrahlen zu erkennen und zu Mit dem Cereskop kann durch Zählen der Impulsrate die
unterdrücken und das natürlich emittierte Strahlenspektrum größte und kleinste Horizontalspannung minutenschnell fest-
zu registrieren. gestellt werden. Für das räumliche Ausmessen des horizonta-
-- kete/Impulsgruppen),
mittlere Amplitude,
mit zwei um 180° versetzte Maximalausschlägen und zwei um
90° dazu versetzten Minimalausschlägen. Diese Messwerte
6 100
90
Zahl der Bursts
80
70
7 60
50
40
30
8 20
10
0
9 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
Picket
10 35
30
11 25
Am plitude
20
12 15
10
5
13 0
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
14 Picket
7000
15 6000
5000
Energie
16 4000
3000
2000
17 1000
0
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37
18 Picket
19
die Eigenschaften von Bohrloch, Boden, Fels und Grundwasser nen sowie durchbohrte Schichten aus veränderlich festen
20
-
erkundet werden:
Kaliber (CAL)
Gesteinen erkennen. Mit einem Kaliber-Log können z. B.
beim Bau von Bohrbrunnen die erforderlichen Mengen an
21
22
Gemessen wird der Bohrlochdurchmesser. Die Bohrloch-
wand wird mechanisch mit meist vier beweglichen Armen
abgetastet. Es gibt verschiedene Modifikationen, bei denen
die Tastlänge der einzelnen Arme (CAL.n) mit n = 1–4, die
- Filterkies, Ton oder Beton errechnet werden.
elektrisches Eigenpotential (SP-Log)
Gemessen wird die natürliche Potentialdifferenz zwischen
einer gut geerdeten Bezugselektrode (meist an der Erdober-
Tastlänge der gegenüberliegenden Arme (CAL.x, CAL.y) fläche) und einer im Bohrloch beweglichen Messelektrode.
oder zusätzlich die Orientierung des 1. Kaliberarms in Das Messverfahren kann nur in unverrohrten Bohrlöchern
23 Bezug auf Nord (CAL.RI) angezeigt werden können. Das durchgeführt werden und setzt voraus, dass der Widerstand
Kaliber-Log lässt Ausbrüche oder Auswaschungen in der der während des Bohrvorganges eingebrachten Spülung
Bohrlochwand und somit Störungs- und Zerrüttungszo- und der Widerstand des Porengrundwassers unterschied-
1.9 • Geophysik – Indirektes und zerstörungsfreies Untersuchen des Untergrundes mit physikalischen Verfahren
55 1
.. Abb. 1.43 N-S-Profil längs der Dammkrone des Hochwasserrückhalte- a Einzelimpulse
beckens Kanzelbach bei Schriesheim, TK 1:25.000, Heidelberg-Nord. Länge 2000
70
60
50
40
30
20
10
0
1 17 33 49 65 81 97 113 129 145 161 177 193
Picket
d
50000
40000
Energie
30000
20000
10000
0
1 18 35 52 69 86 103 120 137 154 171 188
Picket
.. Abb. 1.44 Profil natürlich emittierter elektromagnetischer Impulse (NPEMF) am Rand des Oberrheingrabens bei Grötzingen, gemessen mit dem Cereskop®.
Die Cereskopie® in eindimensionaler Darstellung zeigt an vier Stellen erhöhte Impulsraten, die hier tektonisch aktiven Verwerfungen entsprechen. (Obermeyer)
56 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
10000 30
3 Abgrenzung
des Rutschareals
nach Geländebefunden
4
5 7500
Impulsenergie (dimensionslos)
20
Lageänderung [mm/a]
6 Profil Profil
Q4
Q5
7 5000
8 10
9
2500
10
0
11
12 0
61.500
61.600
61.700
61.800
61.900
62.100
62.200
62.000
13
Bahn-km
14
.. Abb. 1.45 Aufmaß einer Rutschung an der Mosel entlang eines Wirtschaftsweges im Hang parallel zur Bahnlinie. Dargestellt sind die Grenzen des Rut-
15 schungsareals nach Geländebefunden, die im Hang geodätisch ermittelte Lageänderung in mm/a und die mit Zeitabstand 2,5 Jahren Cerescop-Messungen,
dargestellt als Impulsenergie. (Lauterbach 2006)
.. Abb. 1.48 Belchentunnel. Vergleich von geologischem Längsschnitt und EMR-Längsprofil, zusammengestellt aus Querschnittsmessungen im Abstand
10 m. Jeder einzelne Strich entspricht der maximalen Impulszahl einer Vertikalmessung. (Lichtenberger 2008)
mit höherer GR-Strahlung von Sandsteinen, Kalksandstei- digkeit ist von Stoffeigenschaften, Dichte und Porosität
nen und reinen Kalksteinen mit niedriger GR-Strahlung anhängig und erlaubt somit die Unterscheidung verschie-
unterschieden werden. dener Gesteinsschichten aufgrund ihrer akustischen Eigen-
Mit dem SGR-Verfahren wird die Summe der Strahlungs- schaften. Diese Geschwindigkeitsbestimmung dient auch
aktivität (API) gemessen. zur Laufzeitbestimmung seismischer Wellen und somit zur
Mit dem NGS-Verfahren können bestimmte Spektralanteile Interpretation reflexionsseismischer Messungen. Es gibt
-
dieser Strahlungen gemessen werden, z. B. der Spektralan-
teil von 40K.
Neutronenverfahren (NN-Log/NG-Log)
Gemessen wird durch künstlichen Neutronenbeschuss
- hierzu mehrere voneinander abweichende Messverfahren.
Flowmeter-Messung (FM)
Die fließende Grundwassermenge kann über mechanische
Flowmeter oder Thermoflowmeter kontrolliert werden.
abgebremste Neutronenstrahlung (NN-Log) bzw. die indu- Der im Bohrloch aufsteigende Wasserstrom bewegt einen
zierte γ-Strahlung (NG-Log). Messflügel. Gemessen wird die Drehzahl des Messflügels
Bei dem Verfahren wird eine Neutronenquelle im Bohr- (mechanischer Flowmeter) bzw. die Abkühlung eines
loch bewegt. Diese sendet Neutronen aus. Die Neutronen stromdurchflossenen, beheizten Widerstandes durch den
werden beim Auftreffen auf andere Atome, besonders Wasserstrom (Thermoflowmeter). Aus der Drehzahl kann
beim Auftreffen auf Wasserstoffatome und Chloratome unter Berücksichtigung des Bohrlochdurchmessers bzw.
abgebremst (NN-Log) oder unter kurzzeitiger Aussendung Kalibers auf den Durchfluss geschlossen werden. Gemessen
von y-Strahlen (NG-Log) eingefangen. Diese Abstrahlung werden kann bei Stillstand des Messgerätes (Standmes-
wird mit einem entsprechenden Zählrohr (NN-Log) oder sung) oder bei gleichmäßiger Absenkung (Fahrtmessung).
Szintillationskristall (NG-Log) gemessen. Sie ist ein Maß Das Gerät spricht auf Fließgeschwindigkeiten ab 3 mm s−1
für Wassergehalt, Porosität und Salz. Es gibt hierzu mehrere an. Änderungen der Fließgeschwindigkeit können durch
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
.. Abb. 1.49 Beispiele für geophysikalische Bohrlochmessungen. CAL Bohrlochkaliber; KN kleine Normale, GN große Normale des elektrischen Widerstandes
in Ωm; GR natürliche γ-Strahlung; NN Neutron-Neutron-Messung in Wassereinheiten WE; GG.D Gamma-Gamma-Dichtemessung in g cm−3; Schichtenfolge.
15 (BLM GmbH, Gommern, Firmenschrift „Bohrlochmessung“, 1997)
.. Tab. 1.10 Starkniederschlagstabelle für Musterort (Kostra-Atlas, DWD 2000). T Wiederkehrzeiten, D Niederschlagsdauer einschließlich Unterbre-
chung, hN Niederschlagshöhe [mm], RN Niederschlagsspende [l s−1 ha−2]
T 0,5 1 2 5 10 20 50 100
D hN RN hN RN hN RN hN RN hN RN hN RN hN RN hN RN
5 min 5,4 181,5 7,1 237,5 8,8 293,4 11,0 367,4 12,7 423,4 14,4 479,3 16,6 553,3 18,3 609,3
10 min 6,7 112,4 9,0 149,8 11,2 187,3 14,2 236,8 16,5 274,2 18,7 311,7 21,7 361,2 23,9 398,6
15 min 7,6 84,8 10,3 114,4 13,0 144,0 16,5 183,2 19,2 212,8 21,8 242,4 25,3 281,5 28,0 311,1
20 min 8,3 69,5 11,3 94,5 14,4 119,6 18,3 152,7 21,3 177,8 24,3 202,8 28,3 235,9 31,3 261,0
30 min 9,4 52,4 13,0 72,2 16,6 92,0 21,3 118,2 24,8 138,0 28,4 157,8 33,1 184,0 36,7 203,8
45 min 10,7 39,5 14,9 55,2 19,1 70,8 24,7 91,5 28,9 107,2 33,2 122,8 38,8 143,5 43,0 159,2
60 min 11,6 32,3 16,4 45,6 21,2 58,8 27,5 76,3 32,3 89,6 37,0 102,8 43,3 120,4 48,1 133,6
90 min 13,0 24,0 18,3 33,9 23,7 43,9 30,8 57,0 36,1 66,9 41,5 76,8 48,6 89,9 53,9 99,8
2h 14,0 19,5 19,8 27,5 25,6 35,6 33,3 46,3 39,1 54,4 45,0 62,4 52,6 73,1 58,5 81,2
3h 15,6 14,5 22,2 20,5 28,7 26,6 37,3 34,6 43,8 40,6 50,4 46,6 59,0 54,6 65,5 60,7
4h 16,9 11,7 24,0 16,7 31,1 21,6 40,4 28,1 47,5 33,0 54,6 37,9 64,0 44,4 71,1 49,3
6h 18,8 8,7 26,8 12,4 34,7 16,1 45,3 21,0 53,2 24,6 61,2 28,3 71,7 33,2 79,6 36,9
9h 21,0 6,5 29,9 9,2 38,9 12,0 50,7 15,6 59,6 18,4 68,5 21,2 80,3 24,8 89,3 27,6
12 h 22,7 5,3 32,4 7,5 42,1 9,7 54,9 12,7 64,6 15,0 74,3 17,2 87,1 20,2 96,8 22,4
18 h 24,5 3,8 35,8 5,5 47,1 7,3 62,0 9,6 73,4 11,3 84,7 13,1 99,6 15,4 110,9 17,1
24 h 25,9 3,0 38,4 4,4 50,8 5,9 67,3 7,8 79,8 9,2 92,3 10,7 108,7 12,6 121,2 14,0
48 h 30,2 1,7 45,5 2,6 60,7 3,5 80,8 4,7 96,1 5,6 111,3 6,4 131,5 7,6 146,7 8,5
72 h 33,3 1,3 50,2 1,9 67,1 2,6 89,3 3,4 106,2 4,1 123,1 4,7 145,3 5,6 162,2 6,3
T Wiederkehrzeit [a]: mittlere Zeitspanne, in der ein Ereignis einen Wert einmal erreicht oder überschreitet
D Niederschlagsdauer einschließlich Unterbrechungen [min, h]
h N Niederschlagshöhe [mm]
RN Niederschlagsspende [l s−1 ha−1]
nen beim Deutschen Wetterdienst in Auftrag gegeben werden. Der Niederschlagwasser versickert im Boden oder fließt flächen-
Kostra-Atlas unterscheidet für die Niederschlagsdauer D 18 Dau- haft zur nächstgelegenen Vorflut ab.
erstufen von 5 min bis 72 h, für die Jährlichkeit 8 Wiederkehrzeiten Niederschlagwasser, das nicht versickern oder abfließen
zwischen zweimal jährlich und einmal in 100 Jahren (. Tab. 1.10). kann, sammelt sich in Pfützen, Senken und Gruben an und kann
zur Vernässung von Boden oder Baugrund beitragen. In Senken
zz Bemessungsniederschlag und Gruben werden Wasseransammlungen, die direkt dem Nie-
Für die Auslegung bautechnischer Maßnahmen und Bauwerke derschlag entstammen, als Tagwasser bezeichnet.
wird allgemein mit dem Bemessungsniederschlag RN15 (Wie- Eine Sonderform von Niederschlagwasser ist Schmelzwasser,
derkehrzeit T = 1 Jahr, Niederschlagsdauer D = 15 min; s. ▶ Ab- welches aus zurückliegenden Niederschlagsereignissen stammt.
schn. 12.2.4) gearbeitet. Es führt regelmäßig zur Vernässung des Baugrunds, wenn der
Regenereignisse werden an Regenmessstellen aufgezeichnet noch gefrorene Untergrund geringdurchlässig ist.
und ausgewertet (. Abb. 1.50). Beim Bemessen und Bewerten
eines Regenereignisses wird der Regenabschnitt mit 15 min
Dauer aus dem Gesamtregenereignis gewählt, in welchem die 1.10.2 Oberflächenwasser
maximale Niederschlagsmenge gefallen ist. Aus dem Vergleich
mit der langjährigen statistischen Häufigkeitsverteilung ergibt Oberflächenwasser ist Wasser aus oberirdischen natürlichen
sich die Einstufung der jährlichen Häufigkeit. Für örtlich nicht Gewässern (Bäche, Flüsse, Seen, Meer) und aus künstlichen
direkt aufgezeichnete Regenereignisse können vom Deutschen Gewässern (Teiche, Kanäle, Stauseen, Häfen) sowie oberirdisch
Wetterdienst aus Aufzeichnungen der umliegenden Messstati- gestauter oder abfließender Niederschlag.
onen sowie aus der Kenntnis von Region und Wetterablauf die
wahrscheinlichen Niederschlagszeiten und Niederschlagsmen- Fließgewässer Fließgewässer wie Wasserrinnen, Bäche und
gen gutachterlich erarbeitet werden. Flüsse ermöglichen den linienhaften Abfluss aus einem Ein-
60 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
10 b
1.10.3 Vadoses Wasser – unterirdisches Wasser
in der ungesättigten Bodenzone
11
Das unterirdische Wasser kann die Gesteinshohlräume vollstän-
12 dig oder teilweise erfüllen. Unterschieden wird zwischen dem aus
Niederschlagwasser oder Versickerung herrührenden vadosen
(„sehr seicht“) Wasser der ungesättigten Zone (Boden-Wasser-
13 Luft-Zone), welches sich weitgehend vertikal von oben nach un-
ten bewegt, und dem Grundwasser, welches in der gesättigten
14 Zone den dort herrschenden hydrodynamischen Fließbedingun-
gen unterliegt (. Abb. 1.51). Synonyme für Grundwasser sind
15 c Bodenwasser, phreatisches („Brunnen“) Wasser und plerotisches
(„voll“, „angefüllt“) Wasser.
Das aus Niederschlagwasser herrührende unterirdische Was-
16 ser hat am Wasserkreislauf teilgenommen und ist durch Umwelt
isotope markiert.
17 Juveniles Wasser soll nach bestehenden Theorien bei magma-
tischer Differentiation freigesetzt und erstmals dem Wasserkreis-
lauf zugeführt werden. Isotopisch wurde solches Wasser bislang
18 nicht eindeutig nachgewiesen.
In der ungesättigten Zone wird zwischen Sickerwasser, Haft-
19 wasser und Kapillarwasser unterschieden.
20 d zz Sickerwasser
Sickerwasser ist unterirdisches Wasser, welches sich in der un-
.. Abb. 1.50 Aufzeichnung und Auswertung eines Regenereignisses
gesättigten Bodenzone schwerkraftbedingt senkrecht nach unten
21 bewegt (. Abb. 1.51). Aus dem Verband gelöster durchlässiger
zugsgebiet. Der flächenhafte Oberflächenabfluss ist meist auf (grobporiger) Boden oder Fels tropft ab. Aus dem Verband ge-
22 Fließgewässer, längs von Küsten und Ufern auf das Meer oder löster feinkörniger (feinporiger) Boden oder Fels tropft nicht
auf Seen ausgerichtet. Jedes Fließgewässer hat eine Vorflut. ab (wasserhaltender Boden). Im natürlichen Boden lässt sich
Hierunter versteht man den Ort, Geländepunkt oder Fluss, Sickerwasser nicht in Dränagen auffangen und ableiten. Unter
23 auf den das Fließgewässer ausgerichtet ist und/oder in den es Erdbauwerken (Deponien, Halden) lässt sich Sickerwasser über
einmündet. einer Sohldichtung auffangen und ableiten.
1.10 • Wasser im Baugrund
61 1
Regenereignisse bedingen Erhöhung der Bodenfeuchte Festkörpers bzw. Kolloids bildenden Moleküle sind durch iso-
mit Verstärkung des Wasserfilms am einzelnen Korn und dem morphe Substitution im Kristallgitter, z. B. durch Adsorption von
Einsetzen oder Erhöhen von Fließbewegungen im Wasserfilm Kationen und Anionen, gleichartig geladen. Wassermoleküle rei-
längs der Kornoberflächen. Die bei einem Regenereignis ver- chern sich als Gegenionen an die potentialbestimmenden Ionen
sickernde Wassermenge [mm] schiebt im Boden enthaltenes an und bilden eine starre Schicht, die sogenannte Stern-Schicht.
älteres Wasser aus vorangegangenen Ereignissen vor sich her An die Stern-Schicht schließt eine bewegliche Schicht mit diffus
(Piston-Flow-Modell/Kolbendruck-Modell/Boxen-Modell). verteilten Ionen an (Mattheß 1990, Gisi 1997, Stahr 2012).
Im grobkörnigen Boden betrifft dies nahezu die gesamte Was-
sermenge. Die Angabe erfolgt in Volumenprozent, ausgedrückt zz Kapillarwasser
als Wassersäule in Millimeter. Bodenfeuchte, jährliche Versi- Kapillarwasser ist unterirdisches Wasser, das durch Kapillar-
ckerungsmenge und jährliches Fortschreiten der Sickerfront kräfte im Porenraum oder in engen Spalten angesaugt und ge-
stehen im Verhältnis. halten wird (gebundenes Wasser). Die Bindung erfolgt durch
Adhäsions- und Kohäsionskräfte. Kapillarkräfte wirken verti-
zz Feldkapazität kal und lateral. Die Stärke der Saugspannung ist abhängig vom
Durch die Bindung an das Korngerüst des Bodens bzw. Gesteins Durchmesser der Kapillaren. Über freiem Grundwasserspiegel
ist Wasser unterhalb eines bodentypischen Grenzwassergehal- bildet sich im Boden oder Gestein ein Kapillarsaum aus, in
tes nicht fließfähig. Als Feldkapazität wird der Wassergehalt welchem alle Porenräume mit Wasser erfüllt sind (geschlossene
bezeichnet, bei dem gerade keine vertikale Sickerbewegung Kapillarzone). Durch Schwerkraft kann die geschlossene Kapil-
eintritt. larzone nicht direkt entwässert werden. Sie verschiebt sich je-
Sie ist die Summe aus Haftwasseranteil und Kapillarwasser- doch mit steigenden oder fallenden Wasserständen. Über oder
anteil. neben der geschlossenen Kapillarzone liegt die offene Kapill-
arzone. In dieser Zone enthalten die Poren Wasser und Luft.
zz Haftwasser Der Abstand zwischen Grundwasserspiegel und Oberkante des
Haftwasser ist das durch kornspezifische Saugspannung immo- geschlossenen Kapillarsaumes wird als kapillare Steighöhe hk
bile Adsorptions- und Porenwinkelwasser. Es haftet in einem bezeichnet.
dünnen Film den Körnchen an und füllt die Zwickel zwischen
den Körnern mehr oder weniger aus. Durch seine Bindung an zz Staunässe
Kornoberflächen ist es unbeweglich und steht dem hydrologi- Wird durchlässiger Boden in geringer Tiefe (bis 1,3 m) von ei-
schen Kreislauf nur eingeschränkt zur Verfügung. Innerhalb des nem geringdurchlässigen Horizont oder von gefrorenem Boden
Haftwassers findet Transport durch Diffusion statt. unterlagert, wird die abwärts gerichtete Wasserbewegung ge-
An der Partikeloberfläche von Körnern oder Kolloiden befin- hemmt. In dem den Stauhorizont überlagernden Boden kann
den sich Wassermoleküle in fester Bindung zum Festkörper. Die sich bei anhaltendem Niederschlag oder Tauwetter Staunässe
Oberflächen der Festkörper besitzen ein elektrisches Potential einstellen. Staunässe ist für Bodenbearbeitung und Kulturpflan-
und sind positiv oder negativ geladen. Die die Oberfläche des zen ungünstig.
62 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
2
3
4
5
.. Abb. 1.52 Modell für Grundwasserzirkulationssysteme. Die auf die Seitentäler, auf den Nebenfluss oder auf den Hauptvorfluter ausgerichtete Grundwasser-
strömung greift unterschiedlich tief in das anstehende Gebirge ein. Es lassen sich Fließwege mit kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Durchlaufzeiten
6 unterscheiden. Grundwasserkörper mit derart unterschiedlichen Fließwegen sind in der Regel durch Gesteinswechsel voneinander abgesetzt
7 zz Schwebendes Grundwasserstockwerk (Schichtwasser) Strömungsmodell auf Fließbahnen oder Fließfäden. Man kann
Ein schwebender Grundwasserleiter ist ein Grundwasserleiter, zwischen sehr tief reichenden, weniger tief reichenden und fla-
unter dem eine ungesättigte Zone besteht. Schwebendes Grund- chen Grundwasserfließwegen unterscheiden.
8 wasser (Schichtwasser) ist aufgestautes Sickerwasser. Der Aufstau Bei nur geringer oder ausbleibender Grundwasserneubildung
von Sickerwasser erfolgt an Schichten oder Zonen mit geringerer (Wüsten, z. B. Sahara) werden nur (noch) die tieferen Grund-
9 Durchlässigkeit. Das Wasser schwebender Grundwasserstockwerke wasserfließwege vom Wasser erfüllt und durchströmt. Das Was-
ist ein junges Wasser. Altersangaben liegen bei Sandaquiferen in ser strömt auf solchen tieferen Grundwasserfließwegen einem
10 der Größenordnung von Jahren bis Jahrzehnten, bei Karst- und in der Regel entfernt liegenden Hauptvorfluter zu. Ein solcher
Kluftaquiferen in der Größenordnung von Tagen bis Monaten. Grundwasserdurchfluss benötigt sehr lange Zeiten in der Grö-
Aus schwebenden Grundwasserstockwerken und aus Was- ßenordnung zwischen 5000 und 100.000 Jahren, bei geringen
11 serläufen ohne Vorflutcharakter für das Grundwasser (Bäche, Durchlässigkeiten auch Millionen von Jahren.
Kanäle) kann über einen vertikal nach unten gerichteten Sicker- Im humiden Klima sind die Grundwasserleiter bis zu einem
12 wasserstrom Wasser dem Grundwasser zusickern. Dabei kann hohen Grundwasserstand aufgefüllt. Der Großteil der einem auf-
zeitweise oder ständig Wassersättigung vorliegen. gefüllten Grundwasserleiter zufließenden Wassermassen fließt
über kurze und flache Grundwasserfließwege dem nächstgele-
13 genen Vorfluter (Tal, Fluss) zu. Der Grundwasserdurchfluss be-
1.10.4 Grundwasser – unterirdisches Wasser nötigt auf solchen flachen und kurzen Fließwegen relativ kurze
14 in der gesättigten Bodenzone Zeiten in der Größenordnung von Tagen (bei Karst- und Kluft-
grundwasserleitern) bis etwa 100 Jahren (bei Porengrundwasser-
15 Grundwasser ist unterirdisches Wasser, welches die Hohlräume leitern). Zwischen den sehr flachen und den sehr tief reichenden
des Gesteins zusammenhängend ausfüllt und sich unter dem Grundwasserfließwegen sind in Abhängigkeit vom geologischen
Einfluss der Schwerkraft bewegt. Es bewegt sich von der größeren Bau und der Durchlässigkeitsverteilung weitere „mittlere“ Fließ-
16 Piezometerhöhe zur geringeren Piezometerhöhe. Die Piezome- wege und Durchflusszeiten möglich.
terhöhe berücksichtigt den hydrostatischen Druck und die Lage In der Landschaft sind die Fließbahnen des Grundwassers
17 zu einem Bezugsniveau (Kinzelbach und Rausch 1995). Sie ist durch Schichtung und Klüftung vorgegeben (. Abb. 1.52 und 1.53).
definiert als Aus dem geologischen Bau und dem auf das Grundwasser einwir-
kenden Überlagerungsdruck ergeben sich folgende Begriffe.
18 h = p=.w g/ + z
zz Grundwasserleiter
19 p = Druck [Pa] Gesteinskörper oder Schichten mit guter Durchlässigkeit wer-
ρW = Dichte des Wassers [kg m−3] den als Grundwasserleiter bezeichnet. Unterschieden werden
20 g = Erdbeschleunigung [m s−2] Porengrundwasserleiter bei grobkörnigen Lockergesteinen,
z = Ortshöhe [m] Kluftgrundwasserleiter bei stark klüftigen Festgesteinen und
Karstgrundwasserleiter bei verkarsteten Festgesteinen.
21 Als Grundwasserspiegel bezeichnet man die ausgeglichene Das Grundwasser kann demnach in Gesteinsporen, Klüften
Grenzfläche des Grundwassers gegen die Atmosphäre in Brun- und Karsthohlräumen fließen. Poren, Klüfte und Karsthohlräume
22 nen, Grundwassermessstellen und Höhlen. werden als Teil der Gesamtporosität aufgefasst. Geklüftete poröse
Festgesteine können demnach als Doppelporositätsgrundwasser-
Fließbahnen des Grundwassers – Grundwasserzirkulation Aus der leiter angesehen werden, wobei die Teilporositäten „Poren“ und
23 Überschichtung im Grundwasserkörper resultiert ein hydrosta- „Klüfte“ mit stark unterschiedlichen Durchlässigkeiten parallel
tischer Druck und hieraus eine Fließbewegung vom Grundwas- geschaltet sind. Karstkörper können analog dazu als Dreifachpo-
serberg zur Vorflut. Für die Grundwasserbewegung besteht das rositätsgrundwasserleiter angesehen werden.
1.10 • Wasser im Baugrund
63 1
.. Abb. 1.53 Modellschnitt durch die Grundwasserlandschaft im Rhein-Neckar-Raum mit Unterscheidung zwischen Grundwasserleitern und Grundwasser-
hemmern und den möglichen Fließbahnen des Grundwassers
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12 .. Abb. 1.54 Vergleich freien, gespannten und artesisch gespannten Grundwassers in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasserleitern
in der Regel, dass in Porengrundwasserleitern der horizontale fig nach der Schicht- oder Bankungsstärke. Kompetente, massige
13 Durchfluss größer ist als der vertikale Durchfluss. Dies lässt sich Sandsteinbänke zeigen im Felsverband offene Spalten im Abstand
dadurch erklären, dass sich während der Sedimentation und der von mehreren Metern.
14 Diagenese Inhomogenität im Porenraum eingestellt hat. Tonsteine und Mergelsteine sind in der Regel dünnschichtig
und kurzklüftig. Die Öffnungsbreiten dieser Klüfte sind gering.
15 zz Fließbahnen des Grundwassers im Klufthohlraum Im Gegensatz zum aufgewitterten und aufgequollenen Ton kann
Kluftgrundwasserleiter leiten das Grundwasser im Poren- und Tonstein im Felsverband Klüfte enthalten. Die Gleichsetzung des
im Klufthohlraum des Gesteins. Die Wasserdurchlässigkeit des oberflächennahen Verwitterungsproduktes „Ton“ mit dem nicht
16 Porenraums von Festgesteinen ist in der Regel klein im Vergleich aufgequollenen Tonstein im Felsverband ist bezüglich der Durch-
zum der im Klufthohlraum. Die Porendurchlässigkeit wird im lässigkeit nicht möglich. Die gleiche stratigrafische Benennung
17 englischen Sprachraum als primäre Permeabilität, die Kluft- und kartenmäßige Dokumentation für den oberflächennahen
durchlässigkeit als sekundäre Permeabilitität bezeichnet. „Ton“ und den veränderlich festen Tonstein kann zu Irritationen
Die primäre Permeabilität von Gesteinsproben kann nach führen. Geklüfteter Tonstein hat stets eine höhere Durchlässig-
18 DIN 18130 ermittelt werden. Mit solchen Untersuchungen wird keit als Ton.
die Gesteinsdurchlässigkeit bestimmt. Die Gesamtpermeabilität Die hydraulischen wirksamen Parameter werden im Festge-
19 kann als Gebirgsdurchlässigkeit nur durch Feldversuche festge- stein mittels Pumpversuchen und Markierungsversuchen erkun-
stellt werden. Die Unterscheidung von Gebirgsdurchlässigkeit det (Strayle et al. 1994). Markierungsversuche zeigen Verbindun-
20 und Gesteinsdurchlässigkeit darf nur in homogenen, räumlich gen der Wasserwege und die Verweildauer im Untergrund an.
isotropen Porenaquiferen vernachlässigt werden. Jedoch sind
solche Bedingungen selten. zz Fließbahnen des Grundwassers im Karsthohlraum
21 Im geklüfteten Gebirge bestimmen offene Spalten und die Verkarstung geht vorzugsweise von Trennflächen im verkars-
Richtung des Druckgradienten den Fließweg. In offenen Spalten tungsfähigen Gebirge aus. Der Fließweg wird vom Verlauf der zu
22 kann die Fließrichtung des Grundwassers lokal bis zu 90° von der Röhren, Schächten oder Höhlen aufgeweiteten Hohlräume und
Richtung des fallenden Druckgradienten abweichen. Das vom vom Druckgradienten des Wassers bestimmt. Das vom Grund-
Grundwasser durchflossene Gestein verhält sich nach Durchläs- wasser durchflossene Gestein verhält sich nach Durchlässigkeit
23 sigkeit und Fließrichtung stark anisotrop. und Fließrichtung stark anisotrop. Im Extrem ist in bestimmten
Die Häufigkeit von Klüften und Spalten, also Kluftabstand Bereichen mancher Karstaquifere eine Umkehr der Fließrichtung
und Öffnungsweite, richtet sich in nicht gefalteten Schichten häu- möglich.
1.10 • Wasser im Baugrund
65 1
zz Quellen
Quellen sind örtlich begrenzte Austrittsstellen von Grundwasser.
Bezogen auf die Lage zum Grundwasserleiter, lassen sich fallende
bzw. absteigende Quellen und aufsteigende bzw. artesische Quel-
len unterscheiden. Die Größe der Quellschüttung ist von den
Klimafaktoren Niederschlagshöhe, Niederschlagsverteilung, Ver-
dunstung und den Geofaktoren Größe des Einzugsgebietes, Versi-
.. Abb. 1.55 Trockenwetterfall-Linie. Diagramm zum Ermitteln des Aus-
ckerungsrate, Durchlässigkeit im Untergrund und Grundwasser-
trocknungskoeffizienten α einer Quelle im geklüfteten Sandstein. Die durch
neubildung abhängig. Im gleichen Gestein reagieren Quellen mit die Punktschar gezogenen ausgleichenden Geraden lassen Unterschiede
kleinem Einzugsgebiet schnell auf Niederschläge. In homogenen zwischen dem Auslaufen der Klufthohlräume (α = 4,6 · 10−2/d) und dem Aus-
Porengrundwasserleitern führen aus Starkregenereignissen her- laufen der Porenhohlräume (α = 4,4 · 10−3/d) erkennen (d Zeit in Tagen)
vorgehende Sickerwasserfronten nach dem Piston-Flow-Modell
(Boxen-Modell, Kolbendruck-Modell/▶ Abschn. 1.10.3) zu flä-
chendeckendem Anstieg der Grundwasserspiegel um einige denzone gleichmäßig das Wasser entziehen. Bei Dünensand liegt
Dezimeter. Damit wird das auf den Grundwasserkörper ein- die alljährliche Eindringtiefe der Sickerwasserfronten aus den
wirkende hydraulische Potential um diesen Betrag erhöht und Monaten September bis April bei etwa 5 Metern. Die Wurzeltiefe
es kommt zu verstärkten Quellschüttungen. Solche verstärkte der Bäume ist dieser Eindringtiefe angepasst. Die Grundwasser-
Quellschüttungen aus dem Porenraum des Grundwasserleiters neubildung unter Wald geht punktuell von Effekten wie durch
setzen zeitverzögert ein und nehmen danach über einen Zeit- Stammablauf verursachte Pfützenbildung am Stammfuß aus. In
raum von mehreren Monaten langsam ab (. Abb. 1.55, flacher der unter solchen Pfützen befindlichen wassergesättigten Boden-
Ast der Trockenwetterfalllinie). Schnelle und starke Zunahme säule kann sich entsprechend dem Darcy-Gesetz eine schnelle
der Quellschüttungen rührt in sonst weitgehend homogenen vertikale Wasserströmung mit Abstandsgeschwindigkeiten in der
Porengrundwasserleitern von punktuell meterhoch aufgefüll- Größenordnung mehrere Meter pro Tag einstellen.
ten Großporen wie Spalten, Klüfte, Wurzelröhren, Wühlgänge Grundlage für die hydrogeologische Beurteilung von Quellen
(letztere auch fossil) sowie anderen Anomalien. Ausgehend von sind Schüttungsmessungen, die entweder regelmäßig oder in An-
solchen Anomalien kann sich schnell ein hoher hydraulischer passung an Regenereignisse und den sich hieran anschließenden
Druck aufbauen, welcher im Grundwasserkörper vorübergehend Rückgang der Quellschüttung durchgeführt werden. Die Ergeb-
zu einer Beschleunigung aller Fließbewegung und somit zum nisse der Schüttungsmessungen werden als Quellschüttungsgang-
raschen Ansprechen der Quellschüttung auf Starkniederschläge linie dargestellt. In Trockenzeiten lässt die Schüttung der Quellen
führt. Der punktuell in den genannten Anomalien eingetretene nach. Dies kann in einer Trockenwetterfall-Linie (TWL) darge-
hohe Grundwasserstand baut sich schnell ab. Der steile Ast in stellt werden. Nach Maillet (1905) ist der Auslaufvorgang gesetz-
der Trockenwetterfalllinie ist entsprechend zu deuten. Das Quell- mäßig und folgt einem exponentiellen Verlauf (. Abb. 1.55). Es
wasser hat in beiden Fällen ein gleichhohes Alter wie auch bei gilt:
geringer Schüttung zu Zeiten von Wasserklemmen. Wasser aus
Q0 = Qt e−˛
Talquellen in Buntsandsteingebieten hat oft ein Alter von 100 bis
> 200 Jahren, nachzuweisen über Isotopen-Altersbestimmungen log Q0 − log Qt
˛=
und verschiedene bodenmechanische und hydrologische Modell- t log e
rechnungen. Für das Alter von Quellwasser bei Schichtquellen
werden entsprechend der kürzeren und weniger tief reichenden Q0 = Quellschüttung zum Zeitpunkt t = 0
Fließbahnen geringere Alter angetroffen (bis etwa 50 Jahre). Ab- Qt = Quellschüttung zum Zeitpunkt t
hängig von der Tiefenlage des Grundwasserspiegels ist z. B. bei ∆t = Zeitspanne zwischen t = 0 und t
großem Abstand unter Bergen verbreitet von langen Sickerzei- α = Austrocknungskoeffizient
ten in der Größenordnung von 10 und mehr Jahren auszugehen,
ehe das Sickerwasser den Grundwasserspiegel erreicht und in Der Wert α ist Ausdruck für eine inverse Zeit. Er ist von
den Grundwasserkörper einmündet. Unter Wiesen und Felder der Größe des Einzugsgebietes sowie vom wassererfüllten
hat Sickerwasser, das etwa einen Meter tief eingedrungen ist, Hohlraumanteil und der Durchlässigkeit im Aquifer abhängig.
alle Chancen Grundwasser zu werden. Unter Wald hängt die Große α-Werte bedeuten einen steilen Abfall der Schüttung
Grundwasserneubildung stark von der Wurzeltiefe der Bäume und deuten auf ein geringes Speichervolumen und Rückhalte-
ab, welche im Frühjahr und Sommer der durchwurzelten Bo- vermögen. Kleine α-Werte stehen für einen flachen Abfall der
66 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
3
Qt
Qs = :
˛
a
4 In einem weiteren Auswertungsschritt können die Ergebnisse
von Quellschüttungsmessungen statistisch ausgewertet werden,
5 z. B. durch Errechnen von Schüttungsquotienten wie NQ:HQ
(kleinste zu größter Quellschüttung). Bei Karstquellen beträgt
dieser Quotient etwa 0,1, bei Quellen aus gut durchlässigen Po-
6 rengrundwasserleitern etwa 0,7 (Hölting 1996). Der Schüttungs-
quotient ist bei aufsteigenden Quellen größer als bei fallenden
7 Quellen.
b
zz Fallende Quellen
8 Im Bergland können schwebende Grundwasserstockwerke Ur-
sache für Quellaustritt sein. Das austretende Wasser entstammt
9 dem nach unten gerichteten Sickerwasserstrom. Es ist immer va-
doses Wasser. Die Quelle kann dauernd oder nur zeitweise schüt-
10 ten. Das Wasser kann kurz nach Quellaustritt wieder im Unter-
c
grund versickern, oder es kann als Oberflächenwasser abfließen.
Absteigende Quellen reagieren auf Niederschlagsereignisse
11 nach einer charakteristischen Verzögerung mit einer deutlichen
Schüttungszunahme. Grund für diese Verzögerung ist das gravi-
12 tative Fließen im Grundwasserleiter. Das Verhältnis von NQ zu
HQ ist größer als bei aufsteigenden Quellen (> 5).
In Massengesteinen kann Sickerwasser in dem oberflächen-
13 nah aufgeweiteten Kluft- und Spaltensystem versickern. Das nach
der Tiefe zu sich verengende Kluft- und Spaltensystem bewirkt
14 Wasserstau mit seitlichem Quellausfluss. Solche Schichtwasser-
austritte sind meist zeitlich eng an Regenereignisse gebunden. d
15 Quellen können unregelmäßig in unterschiedlichen Höhenni-
.. Abb. 1.56 Quelltypen aus dem abwärts gerichteten Strom des unterir-
veaus austreten.
dischen Wassers. Durch Stau an geringdurchlässigen Gesteinen baut sich
In Sedimentgesteinen mit Wechsel von Schichten unterschied-
16 licher Körnung und unterschiedlicher Wasserdurchlässigkeit
ein Wasserdruck auf und bewirkt seitlichen Quellausfluss. a Überlaufquelle
(Sonderform einer Stauquelle), b Schichtquelle, c Stauquelle, d Steigquelle
kann Sickerwasser an geringdurchlässigen Schichten aufgestaut (Sonderform einer Stauquelle)
17 werden. Innerhalb der umgebenden ungesättigten Bodenzone
liegt dann eine wassergesättigte Schicht (schwebendes Grund-
wasserstockwerk, . Abb. 1.51). Das in dieser Schicht enthaltene
18 Wasser unterliegt den Fließgesetzen nach Darcy und kann seitlich
zz Überlaufquellen
Bei gegen den Hang geneigter Schichtlagerung reihen sich Quel-
abfließen. Das schwebende Grundwasser kann am seitlichen Ende len am Ausstrich der stauenden Schicht.
19 des Stauhorizontes entweder dem tieferen Grundwasser zusickern
oder am Hang als fallende Quelle austreten. zz Stauquellen
20 Bei verkarsteten Gesteinen werden fallende Quellen als Der von einem Stauhorizont unterlagerte, geneigte, wasserer-
Seichtkarstquellen bezeichnet. füllte Grundwasserleiter ist in Richtung des Fließgefälles von
Nach dem geologischen Bau, der den abwärts gerichteten Si- wasserstauenden Schichten begrenzt.
21 ckerwasserstrom zu Aufstau und Quellaustritt veranlasst, lassen
sich Schichtquellen und Überlaufquellen unterscheiden. Es sind zz Aufsteigende Quellen (Quellen mit artesisch
22 Sonderformen der fallenden Quellen (. Abb. 1.56). gespanntem Grundwasser)
Bei aufsteigenden Quellen sinkt das Grundwasser im hochgelege-
nen Einzugsgebiet bis in größere Tiefen ab und steigt unter dem
23 zz Schichtquellen
Bei mit dem Hang geneigter Schichtlagerung treten in Fallrich- Vorfluter oder auf dem Weg in Richtung Vorfluter wieder auf.
tung oberhalb des Ausbisses der wasserstauenden Schicht Quel- Aufstiegsbahnen können Spalten, Klüfte, Karströhren und Bohr-
len aus. löcher sein. Auch kann das aufsteigende Wasser in einen Poren-
1.10 • Wasser im Baugrund
67 1
1.10.5 Erkunden der hydrologischen Situation Die an einer Messstelle ermittelten Abflüsse und/oder Wasser-
stände können zeichnerisch als Abflusslinie oder Wasserstands-
Erkunden und Bewerten von Oberflächenwasser Für oberirdische ganglinie dargestellt werden. Aus einer solchen Darstellung kann
Gewässer kann auf weit zurückreichende Beobachtungen und abgelesen werden, wie oft ein bestimmter Wert über- oder unter-
Aufzeichnungen zurückgegriffen werden. Diese Aufzeichnungen schritten wird.
werden in der BRD im Deutschen Gewässerkundlichen Jahrbuch Wenn für ein Einzugsgebiet keine langfristigen Abflussmessun-
veröffentlicht. Beim Beschreiben oberirdischer Gewässer sind zu gen vorliegen, kann der Abfluss aus meteorologischen Aufzeich-
--
berücksichtigen:
Art, Ausdehnung und Lage des Gewässers;
Gewässermorphologie mit Ausweisung der Erosions- und
nungen über die Abflussspende abgeleitet werden. Jahreszeitliche
Besonderheiten, wie z. B. Schneeschmelzen, sind bei der Umset-
zung von Niederschlagsdaten zu Abflusswerten zu berücksichtigen.
-- Sedimentationszonen;
Einzugsgebiet, Gebietsmerkmale und Abflussregime;
Das Ermitteln von Bemessungszahlen zum Dimensionieren
von Bauwerken erfolgt unter Einbeziehung der gewünschten Le-
--schem Wasser;
Bilanzierung des Gewässerhaushaltes;
leneinrichtung) muss nicht das Risiko eines Jahrhunderthoch-
wassers berücksichtigen.
--
natürliche stoffliche Zusammensetzung des Wassers;
anthropogene stoffliche Zusammensetzung des Wassers;
Ökologie des Gewässers.
Wird festgestellt, dass für eine angenommene Lebensdauer
das hydrologische Risiko mit der Wiederkehrzeit für ein Ereig-
nis n Jahre beträgt, so ist der Abfluss Qn der Bemessungsabfluss
oder der Wasserstand Wn der Bemessungswasserstand.
Erkunden und Bewerten des Abflusses An Flüssen und Bächen
wird der Abfluss regelmäßig kontrolliert und gemessen. Der Erkunden und Bewerten von Grundwasser Durch geeignete Un-
Abfluss wird als Abflussmenge Q [m3 s−1] oder als Wasserstand tersuchungen in direkten Aufschlüssen (Bohrungen, Schürf-
[m] angegeben. Aus den langfristig erfassten und statisch ausge- gruben) ist zu erkunden, in welcher Form und Tiefe Wasser im
werteten Abflussdaten von Flüssen sind die gewässerkundlichen Untergrund vorliegt.
Hauptzahlen (. Tab. 1.11) erarbeitet worden. Diese ermöglichen Beim Antreffen von Wasser ist die Art des Vorkommens zu
es, einen neu gemessenen Abflusswert dem System zuzuordnen. erkunden. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um eine lokale An-
68 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 1.11 Gewässerkundliche Hauptzahlen für Abfluss, Wasserstand und Abflussspende. (Richtlinie für die Aufstellung des Deutschen Gewäs-
serkundlichen Jahrbuchs)
2 Bezeichnung der statistischen Bezugsgrößen Abfluss Q [m3 s−1; l s−1] Wasserstand W [m] Abflussspende q [l s−1 km−2]
9
10 sammlung von Stauwasser über geringdurchlässigen Schichten ren Abschluss bildet der Brunnenkopf, von welchem aus
oder um einen weitgestreckten Grundwasserkörper handelt. Die der Brunnen betrieben wird. Der Grundwasserstand kann
wasserführenden Schichten oder Gesteinskörper sind nach der über ein Peilrohr abgelesen werden, welches im Sand- und
11 Art der Wasserführung (Porengrundwasser, Kluftgrundwas- Kiesfilter eingebaut ist. Der Brunnenkopf kann in einem
ser, Karstgrundwasser) zu beschreiben. Es ist zu prüfen, ob die Brunnenhaus oder unter der Oberfläche in einem Brun-
12 Wasserführung ständig oder zeitweise zu erwarten ist. Soweit nenschacht untergebracht sein (. Abb. 1.58).
ein geplantes Bauwerk in das Grundwasser einbindet oder eine Aus Bohrbrunnen, die der Wassergewinnung dienen, wird
geplante Nutzung das Grundwasser tangiert, müssen für den das Wasser mit einer unter Wasser eingebauten Druck-
13 Aquifer Tiefenlage, Mächtigkeit, Ausdehnung sowie Gebirgs- pumpe über eine Steigleitung gefördert. Aus weniger tief
und Gesteinsdurchlässigkeit bekannt sein. Neben dem Höchst- reichenden Bohrbrunnen kann das Wasser mit Handpum-
14 stand des obersten Grundwasserleiters kann auch die Höhe der pen (z. B. Abessinier Rohrbrunnen) oder Saugpumpen
15
Grundwasserdruckflächen anderer, tieferer Grundwasserstock-
werke wichtig sein.
20 -
den werden Bohrbrunnen und Schachtbrunnen:
Bohrbrunnen
Bohrbrunnen werden im Grundwasserleiter mit Filterroh-
ren (gelochte oder geschlitzte Brunnenrohre) und zwischen
ländlichen Raum der Entwicklungsländer zur Trinkwas-
serversorgung angewendet. Sie eignet sich in Gesteinen
mit geringer Wasserführung. Der Schachtbrunnen dient
der Wassererschließung und der Wasserspeicherung. Im
21 diesem und der Oberfläche mit vollwandigen Brunnen- Schachtbrunnen ist die Wasserfläche freigelegt und mögli-
rohren ausgebaut. Im Ringraum zwischen Filterrohr und cher Verschmutzung ausgesetzt. Das Wasser kann per Hand
22 Bohrlochwand wird ein meist gestufter Sand- und Kiesfilter mit Eimern oder mit einer an eine Pumpe angeschlossenen
(DIN 4924) eingebaut. Im Ringraum zwischen Aufsatz- Steigleitung gehoben werden.
rohr und Oberfläche wird, angepasst an die geologischen Eine Sonderform stellen Schachtbrunnen mit horizontal
23 Verhältnisse, eine Ringraumabdichtung aus Ton und nach eingebauten Filterbrunnen dar. Solche Horizontalfilter-
oben abschließend eine Erdschüttung eingebaut. Der brunnen kommen zur Wassergewinnung aus geringmächti-
Durchmesser des Kiesfilters beträgt 200–800 mm. Den obe- gen Grundwasserleitern zur Anwendung.
1.10 • Wasser im Baugrund
69 1
.. Abb. 1.58 a Schema eines Bohrbrunnens zur Wassergewinnung mit Ausbau, b Schema einer Grundwassermessstelle mit Ausbau
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Beim Aushub unter dem Druckwasserspiegel wird in fein-
13 körnigen geringdurchlässigen Böden wird mit dem wasserhal-
tenden Boden ein Teil des Grundwasserkörpers entnommen
14 und dadurch ein hydraulisches Gefälle zur Baugrube her-
gestellt. Der geringe Grundwasserzufluss wird während der
15 Bauzeit nicht bemerkt und neben dem Tagwasseranfall nicht
beobachtet. Dieser geringe Grundwasserzufluss hält nach Ver-
füllen der Baugrube an und kann zur Vernässung im Bauwerk
16 führen.
17 zz Grundwassergleichen
Grundwassergleichenkarten geben Linien gleicher Höhe
[m ü. NN] der Grundwasserdruckflächen für einen Stichtag. Die
18 .. Abb. 1.60 Bestimmen der Grundwasserfließrichtung aus drei Pegelbeob-
achtungen Grundwasserfließrichtung verläuft senkrecht zu diesen Linien.
Ein möglicher Wechsel in der Grundwasserfließrichtung kann
19 aus dem Vergleich von Grundwassergleichenplänen erkannt
zz Flurabstand werden, welche für Tage mit mittlerem, hohem und niedrigem
20 Der Flurabstand ist die Strecke zwischen Grundwasserdruckflä- Grundwasserstand erstellt wurden.
che und Geländeoberkante. Beim ungespannten Grundwasser- Außerhalb bestehender Grundwasserkartierungen kann es
leiter ist die Grundwasseroberfläche mit der Grundwasserdruck- bei Erkundungsaufgaben erforderlich sein, dass zum Ermitteln
21 fläche identisch. Beim gespannten Grundwasserleiter kann der von Flurabstand und Grundwasserfließrichtung sowie der Be-
Abstand zwischen Grundwasseroberfläche und Geländeoberflä- schaffenheit des Grundwassers neue Grundwassermessstellen
22 che größer sein als der Abstich. zu bauen sind. Für das Bestimmen der Fließrichtung durch
Flurabstandskarten zeigen den Abstand zwischen Erdoberflä- Triangulation mit linearer Interpolation sind mindestens drei
che und Grundwasseroberfläche. Der in Baugrundfragen häufig Beobachtungspunkte erforderlich (. Abb. 1.60). Das großräu-
23 interessierende höchste bekannte Grundwasserstand kann sol- mige Bestimmen der Fließrichtung erfolgt mit geostatistischen
chen Karten entnommen oder bei der zuständigen Wasserbe- Methoden.
hörde gegen Gebühr erfragt werden.
1.10 • Wasser im Baugrund
71 1
1.10.6 Ermitteln der Grundwasserqualität
.. Tab. 1.12 Betonaggressive Wirkung von im Wasser gelösten
Stoffen
Im irdischen Wasserkreislauf gibt es kein reines Wasser. Es
enthält stets andere Stoffe und Gase in verschiedener Konzen- Substanz Aggressivität Konzentration
[mg l−1]
tration. Die im Grundwasser gelösten Stoffe sind überwiegend
natürlichen Ursprungs. Anthropogen verursachte Inhaltsstoffe Ammonium (NH +4 ) Schwach angreifend 15–30
sind häufig. Die geogene Grundwasserbeschaffenheit ist die Be-
Stark angreifend 30–60
messungsgrundlage für den Grundwasserschutz (Baumann und
Wagner 1993; Gabriel und Ziegler 1997, Hölting und Coldewey Sehr stark angreifend > 60
2013). Magnesium (Mg ) 2+
Schwach angreifend 100–300
Bei ungünstiger Beschaffenheit kann Wasser Baustoffe und
Stark angreifend 300–1500 (Meer-
Bauwerksteile angreifen, auflösen oder korrodieren. Das Abbin- wasser!)
den von Beton kann beeinträchtigt werden. Im Rahmen einer
Sehr stark angreifend > 1500
Bauplanung ist zu klären, ob im Baugrund auftretendes Wasser
betonaggressive Eigenschaften aufweist. Die Untersuchungen Sulfat (SO2−
4 )
Schwach angreifend 200–600
regelt DIN 4030. Wasser ist das wichtigste Lebensmittel. Dem
Stark angreifend 600–3000 (Meer-
Schutz des Grundwassers gebührt deshalb nach Güte und Menge wasser!)
gegenüber anderen konkurrierenden Interessen der Vorrang. Der
Sehr stark angreifend > 3000
Schutz des Grundwassers vor Verunreinigung erfordert Quali-
tätskontrollen. Zu unterscheiden ist zwischen chemischen und Kalklösende Koh- Schwach angreifend 15–40
physikalischen Schnelltestuntersuchungen, welche vielfach im lensäure (CO2)
Gelände durchgeführt werden, und der chemischen und/oder Stark angreifend 40–100
bakteriologischen Hauptuntersuchung, welche in einem hierfür Sehr stark angreifend > 100
spezialisierten Labor durchgeführt wird.
Die Probenahme von Wasser ist/wird in DIN EN ISO 5667-1
und -3 (Probenahmetechniken und Konservierung der Proben), Die Untersuchungen können mit Schnelltestsystemen, z. B.
in DIN EN ISO 22475 (Probeentnahmeverfahren) und in meh- dem Wasserlabor für die Bauindustrie zur Untersuchung von
reren Teilen der DIN 38402 geregelt. Erschienen sind die Teile betonangreifendem Wasser (Hersteller: Merck), durchgeführt
DIN 38402 A-11 für Abwasser, A-12 für stehende Gewässer, A-13 werden.
für Wasser aus Grundwasserleitern, A-15 für Fließgewässer, A-16
für Meerwasser, A-18 für Mineral- und Heilquellen, A 20 für Voruntersuchungen zur Wasserqualität mit Schnelltestsyste-
Tidegewässer, A 24 für Schwebstoffe men Wasser kann mit Schnelltestsystemen auf seine chemischen
und physikalischen Eigenschaften getestet werden. Entspre-
Untersuchen auf betonaggressive Inhaltsstoffe In natürlich zu- chende Testsätze sind von verschiedenen Anbietern im Handel,
sammengesetzten Wässern können Substanzen gelöst sein, die z. B. von Merck unter den Namen Merckoquant (ionenspezi-
auf Baustoffe aggressiv wirken (DIN 4030). Gefährdung geht fische Teststäbchen), Aquamerck (titrimetrisches Verfahren),
vorrangig von freien Säuren sowie den säurebildenden Gasen Aquaquant (Küvettentest mit Vergleich über Farbkarten), Mi-
Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff und Schwefelwasserstoff aus. croquant (Küvettentest mit Farbvergleich über 10-Stufen-Dreh-
--
Die Kontrolle und Beurteilung erfolgt über pH-Messung. Es gilt:
pH < 4,5: sehr stark angreifend;
scheibe) und Spectroquant (Küvettentest mit Farbvergleich über
Digitalphotometer). Derartige Tests sind bezüglich der Empfind-
tischem Sensor eingesetzt. Solche Sonden müssen nicht ange- Bodenart Durchlässigkeitsbeiwert [m s′]
2 strömt werden und verbrauchen beim Messen keinen Sauerstoff.
Kies, gleichkörnig 2 · 10−1–1 · 10−2
gelegt. Die geforderten Qualitätsanforderungen erbringen nur Sand, feinkörnig 5 · 10−4–2 · 10−5
5 wenige spezialisierte Labors. Die hohen Anforderungen erstre- Sand (Brechsand), abgestuft 2 · 10−4–5 · 10−6
cken sich auf Ausbau der Grundwassermessstelle, Probenahme, Sand, lehmig, schluffig 1 · 10−5–5 · 10−7
Probentransport und Analyse.
6 Die Entnahme von Grundwasserproben soll nur aus hierfür Schluff, geringplastisch 1 · 10−5–1 · 10−7
geeigneten Grundwassermessstellen erfolgen. Für die Eignung Schluff, mittelplastisch 2 · 10−6–1 · 10−9
7 können jedoch nur begrenzt Regeln erstellt werden (Toussaint Schluff und Ton, geringplastisch 5 · 10−8–1 · 10−9
1989). Das Untersuchungsziel ist das entscheidende Kriterium
Ton, mittelplastisch 5 · 10−8–1 · 10−10
für die Wahl von Messstelle und Beprobungsverfahren.
8 Sollen Grundwassermessstellen, die im Rahmen der Grund- Ton ausgeprägt plastisch 1 · 10−9–1 · 10−11
wasserbewirtschaftung als vollkommene Brunnen ausgebaut Schluff und Ton, organisch 1 · 10−9–2 · 10−11
9 wurden, als Grundwassergütemessstellen genutzt werden, so
kann die Aussage nur eine orientierende sein. Die im Grundwas-
10 ser solcher Messstellen analysierten Grundwasserinhaltsstoffe Zeit t [s] und dem hydraulischen Gradienten i. Der hydraulische
und die hieraus abgeleiteten Grundwasserqualitäten entspre- Gradient i einer Grundwasserströmung ist definiert als Spiegel-
chen einem Mittel über die gesamte Grundwassermächtigkeit. höhendifferenz ∆h zwischen Einlauf und Auslauf (Potentialdiffe-
11 Das Verfahren ist unter dem Stichwort „repräsentative Probe- renz), geteilt durch die Länge des Fließweges ∆l (. Abb. 14.44):
nahme“ bekannt. Für viele wasserwirtschaftliche Belange sind
12 solche Antworten ausreichend. i = h=l:
Bei Fragen der Emittentenbewertung und bei Risikoanalysen
ist das Untersuchen einzelner Bereiche des Grundwasserleiters er- Bei vertikalem Durchfluss ohne Überstau ist i = 1. Das Darcy-
13 forderlich. Bei vertikal differenzierten Grundwasserleitern kön- Gesetz lautet:
nen belastete Horizonte im vollkommen ausgebauten Brunnen
14 mit herkömmlicher Probenahme nicht erkannt werden. Eine in
Q = kiF;
einem solchen Brunnen ermittelte Grundwasserqualität entspricht k = Q=iF :
15 weder dem unbelasteten noch dem belasteten Grundwasser.
In vollkommenen Brunnen ist nach Toussaint (1989) das Das Darcy-Gesetz beruht auf drei Voraussetzungen:
Beproben einzelner Teilbereiche über Verfahren mit Mehrfach- 1. Konstanz des durchströmten Filterraumes;
16 packern und Schutzbeprobung möglich. 2. Konstanz der Fluideigenschaften;
Günstiger ist der Bau von Grundwassergütemessstellen, de- 3. laminares Strömen.
17 ren Konstruktion und Ausführung der örtlichen Situation an-
gepasst ist. In der Folge werden diese Voraussetzungen stets als gegeben
angenommen, obwohl dies nicht der Fall sein muss. Besonders
18 wird darauf hingewiesen, dass die für das Fluid Wasser ermittel-
1.10.7 Hydraulische Eigenschaften von Böden, ten Durchlässigkeitswerte auf andere Fluide, wie z. B. Erd- und
19 Gesteinen und Gebirge Mineralöl oder chlorierte Kohlenwasserstoffe, ohne Berücksich-
tigung deren Fluideigenschaften nicht zu übertragen sind.
20 Dem durch die Hohlräume eines porösen Körpers (Filters) strö- Der Durchlässigkeitsbeiwert kf hat die Dimension einer Ge-
menden Wasser wird ein Widerstand entgegengesetzt. Das Maß schwindigkeit [m s−1]. Der spezifische Durchfluss kann deshalb
für diesen Widerstand ist der Durchlässigkeitsbeiwert k [ms−1]. auch als Filtergeschwindigkeit vf definiert werden. Durch Mul-
21 Er ergibt sich aus der Beziehung zwischen der in einem porösen tiplikation mit der durchströmten Querschittsfläche wird der
Filter durchflossenen Strecke (Fließweg), der Querschnittsfläche Filterdurchfluss [m3 m−2 s−1] ermittelt.
22 des Filters, dem Höhenunterschied zwischen Ein- und Auslauf des Im homogenen grobkörnigen Boden, in dem alle Poren gleich
Wassers und der Durchflussmenge pro Zeiteinheit. Diese Bezie- durchflusswirksam sind, kann die Abstandsgeschwindigkeit mit
hung beschreibt das Darcy-Gesetz, aufgestellt von Henry Darcy
23 (1803–1858). Es besagt, die Durchflussmenge Q [m3 s−1] verhält va = vf =n
sich proportional zur Größe der durchströmten Querschnitts-
fläche F [m2], der für den Durchfluss zur Verfügung stehenden abgeschätzt werden.
1.10 • Wasser im Baugrund
73 1
.. Tab. 1.14 Verbale Festlegung der Durchlässigkeit von Boden. Merkmale und Eignung des Materials bezüglich seiner Durchlässigkeit
Sehr gut durchlässig Blöcke, Steine, Grobkies Wasser wird sehr schnell aufge- Wellenbrecher, Drän- und Filter-
nommen und abgegeben material im Wasserbau
1 · 10−2 m s−1
Gut durchlässig Kies und Sand Wasser wird schnell aufgenommen Drän- und Filtermaterial bei Brun-
und abgegeben, rasche Versicke- nenbau und Dränagen
rung von Regen- und Fremdwasser
1 · 10−4 m s−1
Durchlässig Feinsand, schluffiger Sand, Mut- Langsame Versickerung von Dammschüttmaterial im Was-
terboden Regenwasser serbau
Schwach durchlässig Lehm, Schluff, tonig-schluffige Keine sichtbare Versickerung, Dichtzwecke im Wasserbau
Mischböden Pfützenbildung
1 · 10−8 m s−1
Sehr schwach durchlässig Ton und Tonstein Keine sichtbare Versickerung; Dichtzwecke im Deponiebau
Filtergeschwindigkeit in der Grö-
ßenordnung cm a−1 bis mm a−1
Ermitteln der Boden- und Gesteinsdurchlässigkeit Der Durchläs- vorhandenen Räume darstellt. Die Gebirgsdurchlässigkeit
sigkeitsbeiwert kf als boden- oder gesteinstypische Kenngröße kann nicht im Laborversuch an Gesteinsproben ermittelt
kann an ungestörten Zylinderproben oder Bohrkernen im Labor werden, sondern nur durch Feldversuche am Grundwasser-
nach DIN 18130 Teil 1 ermittelt werden. Bei Gesteinen ist die leiter selbst. Das Ermitteln der Wasserdurchlässigkeit ist in
räumliche Aussagereichweite des ermittelten Ergebnisses oft nur DIN 18130 Teil 2 geregelt. Die Gebirgsdurchlässigkeit kann bei
so groß wie der Durchmesser der Gesteinsprobe. einem vollkommen homogenen und isotropen Porengrund-
Geräte zum Bestimmen des Durchlässigkeitsbeiwertes von wasserleiter genauso groß sein wie die Gesteinsdurchlässigkeit,
feinkörnigen Böden sind die Triaxialzelle mit konstanter Druck- ist in der Praxis jedoch stets größer. Die Differenz zwischen
höhe und das Kompressionsdurchlässigkeitsgerät. den beiden Durchlässigkeiten ist um so größer, je höher der
Für Sand und Kies eignen sich Durchlässigkeitsversuche im Permeabilitätskontrast zwischen den Aquifertypen (Poren,
Versuchszylinder mit Standrohr und konstantem oder veränder- Kluft, Karst) ist.
lichem hydraulischem Gefälle. Ein repräsentatives Profil durch einen Doppelporositäts-
Anregungen, die zeitaufwendigen Durchlässigkeitsversuche oder Dreifachporositätsgrundwasserleiter ergäbe einen mittlere
zu umgehen, führten zu der Ableitung des Durchlässigkeits- Durchlässigkeitsbeiwert mit
beiwertes aus der Korngrößenverteilung (z. B. Hazen 1892). So
ermittelte Durchlässigkeitsbeiwerte weisen in der Regel große Rt
kfi mi
Fehler auf und sind als Grundlage für weitere Berechnungen oder 0
X
kf = = kfi mi
Schlussfolgerungen nicht geeignet. . Tab. 1.13 gibt eine Über- m
sicht zur Durchlässigkeit von Boden, . Tab. 1.14 zur verbalen
Festlegung der Durchlässigkeit von Böden mit Bodenart, Merk- mi = Mächtigkeit der Schicht i
malen und Eignung. kfi = Durchlässigkeitsbeiwert der Schicht i
Ermitteln der Gebirgsdurchlässigkeit Die Aussagereichweite der In der Gleichung bedeutet 0 die Höhe der Schichtunterkante
ermittelten Durchlässigkeitsbeiwerte ist von der Heterogenität und t die Höhe der Schichtoberkante eines Homogenbereiches.
des Grundwasserleiters abhängig und im allgemeinen sehr klein. Das Integral des Durchlässigkeitsbeiwertes über die Mäch-
Für Festgesteine, also den Bereich der Kluft- und Karstgrund- tigkeit des Grundwasserleiters mi ist die von Theis (1935) auf
wasserleiter, verbieten sich solche Laborverfahren, da stets nur anderem Wege entwickelte Transmissivität. Die Transmissivität
der Porenanteil der Permeabilität, nicht jedoch der Kluft- und T [m2 s−1] steht damit für die Gebirgsdurchlässigkeit.
Karstanteil mit erfasst wird. Die Feldmethoden zum Ermittln der Transmissivität basieren
Insofern bietet es sich an, den Begriff des Durchlässigkeits- auf der Entnahme oder Zugabe von Wasser in den Grundwas-
beiwertes kf stets im Zusammenhang mit der Durchlässigkeit des serkörper und den daraus resultierenden Veränderungen der
Porenraumes und damit als Gesteinsdurchlässigkeit aufzufassen. Grundwasserdruckhöhe in den Beobachtungsmessstellen.
Hiervon wird die Gebirgsdurchlässigkeit unterschieden, Daraus folgt, dass T, das Integral des Durchlässigkeitsbeiwer-
die die wirksame Durchlässigkeit aller im Grundwasserleiter tes über die Mächtigkeit, für gespannte Grundwasserleiter kons-
74 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
tant ist, für ungespannte jedoch veränderlich, da die Mächtigkeit Allgemein liegen die Versuchsdauern zwischen 100 und 500 h.
1 des wassererfüllten Raumes schwanken kann. Wenn innerhalb dieses Zeitraumes keine ausreichende Reak-
Der Speicherkoeffizient S ist das Volumen Wasser, welches tion des Grundwasserkörpers auf die Entnahme zu beobach-
2 bei einem Körper mit gleichem Volumen bei einer Druckhö- ten ist, sollte ein weiterer Versuch mit größerer Entnahmerate
hendifferenz von 1 m entnommen werden kann. Der Speicher- durchgeführt werden.
koeffizent ist dimensionslos. In einem ungespannten Aquifer ist Eine technisch orientierte Anleitung für das Planen und
3 der Speicherkoeffizient gleich groß dem durchflusswirksamen Durchführen von Pumpversuchen gibt DVGW-Merkblatt W 111.
(nutzbaren) Porenraum P*: Bei Pumpversuchen für ingenieur- und hydrogeologische
4 Zwecke geht es alleine um das Ermitteln der geohydraulischen
freier Aquifer: S = P : Kenngrößen des Grundwasserleiters, besonders um die Trans-
5 missivität T und den Speicherkoeffizient S.
In einem gespannten Aquifer ist der Speicherkoeffizent sehr Besondere Probleme können auftreten, wenn Grundwasser,
klein, da keine Entleerung des Porenraums des Grundwasserlei- welches im Zuge einer Wasserhaltung abgeleitet werden soll, vor
6 ters, sondern nur eine Druckänderung stattfindet. dem Ableiten einer Reinigung unterzogen werden muss.
7 Feldversuche zum Ermitteln der Gebirgsdurchlässigkeit Die Ge- Bestimmen der Transmissivität Die allgemeine Gleichung für das
birgsdurchlässigkeit wird für Quellen und Bohrungen unter- Ermitteln der Transmissivität T aus Pumpversuchen lautet:
schiedlich ermittelt.
8 Für Quellen kann aus der Trockenwetterfall-Linie und dem QWu
T =
α-Wert nach Maillet (▶ Abschn. 1.10.4, . Abb. 1.55) auf die Ge- 4sr,t
9 birgsdurchlässigkeit geschlossen werden.
In Bohrungen kann aus den Ergebnissen von Pumpversu- sr,t = Grundwasserabsenkung im Abstand r von der Entnahmestelle zur
-
nen oder eine zur Wasserentnahme geeignete Grundwasser- (t + t′)/t′);
15 messstelle und nach Möglichkeit mehrere Grundwassermess- doppellogarithmisch (lg s gegen lg t, lg (δs/δt)t gegen
stellen zum Beobachten der Piezometerhöhen benötigt. Der lg t).
Entnahmebrunnen sollte als vollkommener Brunnen ausgebaut Der Vergleich mit Typkurven (z. B. Typkurvenverfahren
16 sein. Um das radialsymmetrische Modell eines gespannten, ho- nach Hantusch, DVGW-Arbeitsblatt W 111) ermöglicht
mogenen, isotropen und unendlich ausgedehnten Grundwas- die Identifikation des Grundwasserleitermodells.
17 serleiters an die lokalen geologischen Verhältnisse anzupassen, 2. In einem zweiten Schritt der Parameterermittlung finden fol-
--
ist eine geologische Erkundung des Grundwasserleiters erfor- gende Verfahren Anwendung:
derlich. einfache grafische Verfahren;
18
--
Das Wasser wird in der Regel mit einer Pumpe entnommen Typkurvendeckungsverfahren;
und abgeleitet. Es muss vermieden werden, dass das entnom- numerische und iterative Verfahren;
19 mene Grundwasser wieder in den Grundwasserleiter zurück- rechnergestützte Modellierung als indirektes Verfahren.
fließt. In den Beobachtungspegeln bzw. Grundwassermessstel-
20 len können die Piezometerhöhen automatisch aufgenommen Grundlage für alle direkte Verfahren zum Auswerten von Pump-
und aufgezeichnet werden, oder es können Abstichmessungen versuchen ist das Auswerteverfahren nach Theis und Jacob.
durchgeführt und die Absenkungsbeträge protokolliert und auf- Diesem Auswerteverfahren liegen folgende vier Annahmen zu-
21 gezeichnet werden. grunde:
Die Versuchsdauer wird so bemessen, dass der Grundwas- 1. Der lateral unendlich ausgedehnte, homogene, isotrope
22 serleiter über den gesamten Beobachtungsraum deutlich auf Grundwasserleiter ist von gleichbleibender Mächtigkeit.
die Entnahme reagiert. Die Größe des Beobachtungsraumes Der Brunnen wird auf radialkonzentrischen Bahnen ange-
richtet sich nach Ausdehnung und Heterogenität des Grund- strömt.
23 wasserleiters. Pumpversuche in Kluft- und Karstgrundwas- 2. Der Grundwasserleiter ist gespannt. Die Mächtigkeit der den
serleitern erfordern in der Regel deutlich größere Beobach- Brunnen anströmenden Wassersäule ist konstant, die dritte
tungsräume und Versuchsdauern als Porengrundwasserleiter. räumliche Dimension kann vernachlässigt werden.
1.11 • Schadstoffe im Baugrund
75 1
3. Die Entnahme von Wasser aus dem Grundwasserleiter ver- Der Vorteil des Verfahrens liegt in der kurzen Zeitdauer, der
ursacht eine unmittelbare proportionale Vorratsänderung. relativ kleinen entnommenen Grundwassermenge und darin,
Nach dem Kontinuitätsprinzip bleibt die Wassermenge im dass Schwankungen in der Förderrate nicht berücksichtigt wer-
Grundwasserleiter unverändert. den müssen.
4. Der vollkommene Brunnen hat keine speichernden Eigen- Ferner sind keine weiteren Beobachtungsstellen erforderlich.
schaften und wird mit konstanter Rate abgepumpt. Förderbrunnen und Beobachtungstelle sind in der Regel iden-
tisch.
Da diese Bedingungen Idealzustände darstellen, die in der Praxis Mächtigere Grundwasserleiter können mit Kurzpumpversu-
nicht realisiert werden, werden Korrekturen für die verschiede- chen nicht ausreichend angeregt werden. Nachteilig sind auch
nen Randbedingungen eingerechnet. Die Korrektur für unge- Flachbrunnen und Grundwassermessstellen, die zu englumig
spannte Grundwasserleiter berücksichtigt zusätzlich die vertikale ausgebildet sind und/oder nicht tief genug in den Grundwasser-
Sickerstrecke des Grundwasser durch Annahme einer korrigier- leiter hineinreichen.
ten Absenkung s′. Oberflächennahe Grundwasserleiter lassen sich im Zuge
Die besonders bei großen Brunnen auftretende Speicherung ingenieurgeologischer Erkundungen mit Kurzpumpversuchen
wird durch den Brunnenspeicherterm berücksichtigt. testen.
Die Infiltration von Grundwasser aus einem anderen Grund-
wasserleiter oder aus einem Oberflächengewässer kann durch
Spiegelung der konstruierten Grundwasserdruckfläche erkannt 1.11 Schadstoffe im Baugrund
und durch Korrekturterme berücksichtigt werden. Das gleiche
gilt für undurchlässige Ränder (. Abb. 1.61). Sind im Baugrund Substanzen vorhanden, die eine Schadwirkung
Pumpversuche sind ein universelles Werkzeug für das Er- entfalten können, spricht man von Schadstoffen. Die Schadwir-
kunden der hydraulischen Eigenschaften von Grundwasserlei- kung kann darin bestehen, dass die Substanzen oder ihre Meta-
tern. Sie haben eine große Aussagereichweite über den gesamten bolite unter mehr oder weniger hohem Kostenaufwand entfernt
Bereich der Grundwasserabsenkung. Bei wasserwirtschaftlichen werden müssen oder dass sie auf ein Bauwerk eine Schadwirkung
Fragestellungen sind sie unerlässlich (Langguth und Voigt 1980; ausüben. Es kann sein, dass die Funktion eines Bauwerkes wegen
Busch et al. 1993; DVGW-Arbeitsblatt W 111). einer solchen Schadwirkung im Laufe des Nutzungszeitraumes
Pumpversuche können jedoch auch Nachteile und Schwie- nicht mehr gewährleistet wird.
-
rigkeiten aufweisen:
Die Förderrate des Grundwassers muss zeitlich konstant
gehalten werden. Kommt es zu Schwankungen, so muss der
Bei den Schadstoffen kann es sich um bodeneigene oder bo-
denfremde Substanzen handeln. Bodenfremde Substanzen sind
Stoffe, die im Laufe der Nutzung durch den Menschen in den
- schätzt werden.
Pumpversuche können bei Temperaturen unter −5 °C nicht
mehr durchgeführt werden.
verknüpft ist. Typische Gesteine sind bituminöse oder kohlige
Gesteine.
Von uranhaltigen Gesteinen geht die Gefahr einer Strahlen-
belastung durch Radon aus, welches in hoher Konzentration dem
Beim Durchführen von Pumpversuchen in kontaminierten Untergrund entweichen und in der Atemluft angereichert werden
Grundwasserleitern kann es zu Schwierigkeiten bei der Ablei- kann. Gefährdete Räume mit hoher Strahlenbelastung werden
tung oder Reinigung des abzuleitenden Grundwassers kommen. im Bergbau (Schneeberger Krankheit), aber auch in Häusern,
Eventuell muss das Wasser vor dem Ableiten in einer Abwasser- besonders in Keller- und Untergeschossen angetroffen. Eine
reinigungsanlage vorbehandelt werden. Übersicht zu gefährdeten Regionen in Deutschland mit Prog-
In kontaminierten Grundwasserbereichen, bei geringmächti- nose der Radonkonzentration in der Bodenluft gibt der Radon-
gen Porengrundwasserleitern und bei Beobachtungsräumen mit Atlas Deutschland (Bundesanstalt für Strahlenschutz). Eine ge-
wenigen Grundwassermessstellen kann ein Kurzpumpversuch setzliche Regelung zur Strahlenexposition durch Radon besteht
mit Auswertung des Wiederanstiegs empfohlen werden. Hierzu in Deutschland nicht. Gesundheitsgefahren bestehen über die
wird in einer Grundwassermessstelle oder in einem Brunnen Zerfallsprodukte des eingeatmeten Radons in der Lunge. Die
eine Pumpe über einen Zeitraum von 2–6 h derart betrieben, Aufnahme von Radon über Nahrung und Trinkwasser sind in
dass der Grundwasserspiegel deutlich abgesenkt wird. Nach Er- der Regel vernachlässigbar klein gegenüber der Aufnahme über
reichen eines Beharrungszustandes bei deutlicher Absenkung im die Atemluft. Nach Empfehlung der deutschen Strahlenschutz-
Entnahmebrunnen wird die Entnahme beendet und der Wie- kommission und dem Radon-Handbuch Deutschland liegen
deranstieg in engen Zeitabständen bis zum Wiedererreichen des Grenzwerte für die Raumluft in Neubauten bei 100 Bq/m3. Die
ursprünglichen Zustandes gemessen. Hierzu bieten sich Daten- Grenzwerte für bestehende Gebäude (Altbauten) werden mit 300
logger zur Aufnahme der Piezometerhöhe an. und 400 Bq/m3 angegeben (Wikipedia: Radon).
76 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
2
3
4
5
6
7
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9
10
.. Abb. 1.61 Auswirkung von undurchlässigen Rändern und Infiltrationen auf die Absenkung. (Strayle et al. 1994)
11
12
13
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16
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18
19
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21
22
23
1.11 • Schadstoffe im Baugrund
77 1
Das Messen von Radon in der Boden- oder Raumluft kann Fall keine allgemeinen Regeln existent, und es obliegt dem Sach-
-
folgendermaßen geschehen:
Dosimeterverfahren
In Wohn- oder Arbeitsräumen und bezüglich des Baugrun-
des in Bohrlöchern oder Pegeln werden Dosimeter/Exposi-
verstand des Geotechnikers, die Schadwirkung realistisch einzu-
schätzen und entsprechende Maßnahmen zu veranlassen.
Sind durch die mutmaßliche Schadwirkung Rechte Dritter
tangiert – und dies ist der Fall, wenn allgemeine Schutzgüter be-
meter eingestellt und nach einer Dauer von 7 bis 14 Tagen troffen sind –, so sind diese und die verantwortlichen Behörden
wieder entnommen. Zu protokollieren sind Anfangs- und zum Beurteilen heranzuziehen. Der Entscheidungsprozess zum
Endzeit, Angaben zum Aufstellungsort und zur Raumgröße weiteren Erkunden und zum Abschätzen möglicher Gefahren ist
sowie die Wetterdaten. Die auf das Dosimeter einwirkende von diesem Personenkreis zu treffen. Maßnahmen sind festzule-
α-Strahlung hinterlässt im Dosimeter eine Reaktion (z. B. gen. Die dabei zu berücksichtigenden Regelwerke sind vielfältig.
Schwärzung bei Filmdosimeter), aus welcher über die Das Abschätzen von Gefahren ist komplex.
Einwirkzeit die Radonbelastung rechnerisch abgeschätzt Das Baugrundrisiko trägt der Bauherr. Die Entdeckung eines
- werden kann.
Radonmessgeräte
Verwendet werden spezielle Radonmessgeräte, z. B. AT-
MOS 12 dpx oder Alpha-Zähler AZ-3. Das Messen wird auf
schutzgutrelevanten Schadstoffes macht ihn, ohne dass er diesen
Zustand verursacht hat, zum Zustandsstörer. Da der Verhaltens-
störer nur selten und wenn, dann nur gerichtlich ermittelbar ist,
halten sich die Behörden in der Regel an den Zustandsstörer,
Grundlage der Bodenluftuntersuchung erstellt. Die Probe- der in der Folge die Kosten zur Gefahrenabwehr zu tragen hat.
nahme kann dabei über eine Bodenluftsonde oder über ein In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen, ein Grundstück
Anschlussventil im Deckel der Messstelle erfolgen. Es wird bereits vor dem Erwerb so zu erkunden, dass dieses Risiko mini-
zunächst das doppelte Totvolumen der Messstelle abge- miert wird. Diese Empfehlung gilt besonders dann, wenn für ein
pumpt und der CO2-Gehalt und der O2-Gehalt der abge- Grundstück eine vorausgegangene industrielle Nutzung bekannt
saugten Luft kontrolliert, um ein Ansaugen von Außenluft ist oder vermutet wird.
auszuschließen. Nach Einstellen stabiler Konzentrationen Die Anforderungen an das Untersuchen und Bewerten von
kann mit dem Messen der Radonkonzentration begonnen Schadensfällen sowie das Planen von Sanierungsmaßnahmen sind
werden. Die Dauer üblicher Messintervalle liegt zwischen in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBod
10 und 30 min. Kürzere und längere Messintervalle sind
möglich und richten sich nach den Vorgaben des Auftrag-
gebers und nach der Aufgabenstellung. Bei Bodenluftun- -
SchV) vom 12. Juli 1999 festgelegt. Diese Verordnung gilt für:
Untersuchen und Bewerten von Verdachtsflächen, altlast-
verdächtigen Flächen, schädlichen Bodenveränderungen
tersuchungen für Bauland sind pro ha etwa 10 Messpunkte
mit einer Entnahmetiefe zwischen 1 und 1,5 m vorzusehen.
- und Altlasten;
Anforderungen an Probenahme, Analytik und Qualitätssi-
Nicht nur die besondere Schadwirkung auf Bauwerke, sondern Auf Flächen des Bundes ist für die Probenahme von Boden,
auch die Wirkung auf allgemeine Schutzgüter wie Grundwasser, Grundwasser, Bodenluft, Abfall, Bausubstanz, Hinterlassen-
Atmosphäre, nutzungsfähigen Boden, menschliche, tierische und schaften des Militärs etc. eine Akkreditierung nach DIN EN
pflanzliche Gesundheit und fremde Güter muss evaluiert werden. ISO 17025 nachzuweisen.
Das Beurteilen der möglichen Schadwirkung eines Stoffes auf
allgemeine Schutzgüter beruht auf der akuten und chronischen
Toxizität der Substanz, ihrer geochemischen Mobilität und che- 1.11.1 Wirkung von Schadstoffen
mischen Stabilität. Da eventuelle Synergieeffekte zu berücksich-
tigen sind, entzieht sich dieses human- und ökotoxikologisches Nach der Art der Schadwirkung auf Bauwerke kann unterschie-
Bewerten dem Geotechniker. Er nutzt vielmehr die aus dieser
Bewertung und der Flächennutzung abgeleiteten Richtwerte.
Das Abschätzen der Schadwirkung auf geplante Bauwerke
bleibt hingegen generell die Aufgabe des Sachverständigen für
-
den werden:
mechanische Wirkung durch Volumenänderung
Im Baugrund, Baustoff oder Bauwerk kann durch Quellen
eine Volumenvergrößerung eintreten (Quellen bei der
Geotechnik. Umwandlung von Anhydrit, Pyrit, Schlacken und Bergen).
Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. DIN 4030: „Beurteilung Volumenverkleinerung kann durch Lösen oder Auslaugen
betonangreifender Wässer, Böden und Gase“) sind für diesen von Gips- oder Salzgesteinen verursacht werden.
78 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
-
3 herabgesetzt sein. lage zu ermöglichen. Sie ermöglichen die orientierte Entnahme
physikalische Wirkung durch Veränderung der Ionenbelegung großer Probemengen.
4 bei Tonen Im Kleinbohrverfahren ausgeführte Rammkernbohrungen
Durch in den Baugrund oder Baustoff eingedrungene sind relativ preisgünstig und können Tiefen bis 15 m erreichen.
5 Schadstoffe (Calcium, Natrium, organische Stoffe) kann die In der hohlen Bohrstange (Schlitzstange) können tiefenorientiert
Ionenbelegung an den negativ geladenen Tonoberflächen und Proben gewonnen werden. Die Tiefenorientierung ist gewähr-
Zwischenschichten verändert sein. Dies kann Auswirkung auf leistet, wenn Proben im Abstand von einem Meter gezogen wer-
-
6 Durchlässigkeit, Plastizität und Adsorptionsvermögen haben. den. Mit einem Bohrlochdurchmesser von maximal 50–80 mm
chemische Wirkung durch Veränderung chemischer Gleichge- ist die gewonnene Probemenge relativ klein, in der Regel aber
7 wichte ausreichend für chemische Untersuchungen. Zur Bedienung wer-
Durch Salze (Magnesium) und organische Stoffe (Humin- den ein bis zwei Mann benötigt.
säuren) kann das Aushärten von Beton verhindert werden. Beispiel: Gesucht ist ein Schadherd mit Durchmesser
-
8 Mineralsäuren lösen und zerstören Beton. d′ = 20 m. Bei 16 Untersuchungspunkten im Rasterabstand
chemische Wirkung durch Veränderung des Stoffbestandes d = 22 m wird ein solcher Schadherd in wahrscheinlich drei
9 Durch chemische Veränderungen im Stoffbestand können Punkten angetroffen. Bei einem Rasterabstand d = 25 m besteht
die Festigkeitseigenschaften von Baugrund und/oder Bau- die Möglichkeit, dass kein Untersuchungspunkt den Schadherd
10
11
- stoff verändert werden.
chemische Wirkung durch Korrosion
Von Schadstoffen im Baugrund oder Bauwerk kann eine
korrodierende Wirkung auf Stahl und andere Metalle ausge-
trifft. In diese Betrachtung geht das Verhältnis von Zahl und Ras-
terabstand der Untersuchungspunkte, nicht aber die Größe der
Fläche ein.
Bohrungen mit meist LKW-montierten Geräten erreichen
hen. Solche Korrosion bewirkenden Stoffe können auch als größere Tiefen und ermöglichen bei größeren Bohrdurchmes-
12 Zersetzungsprodukt von chlorierten Substanzen auftreten. sern die Entnahme von mittelgroßen Probemengen. Für das
Erkunden von Schadstoffen kommen nur Trockenbohrverfah-
ren zur Anwendung, da vermieden werden muss, dass Schad-
13 1.11.2 Erkunden von Schadstoffen stoffe in unkontaminierte Bereiche gespült werden und die
Schadstoffkonzentration in den entnommenen Proben durch
14 Das Erkunden von Schadstoffen erfolgt über direkte Aufschlüsse Bohrspülung verdünnt wird. Schneckenbohrungen können in
wie Bohrlöcher und Schürfe. Die Entnahme von Bodenproben, vielen Lockergesteinen bis in mittlere Tiefe vordringen. Ihr
15 Bodenwasserproben, Bodengasproben und Grundwasserproben Nachteil besteht darin, dass ausschließlich gestörte und durch-
zum Zwecke der chemischen Untersuchung ist unerlässlich. mischte Proben entnommen werden können. Diesen Nachteil
Bei Kontamination mit organischen Verbindungen müssen hat auch das Lufthebeverfahren, bei dem die Förderung des
16 die Proben gekühlt werden (4 °C). Es soll verhindert werden, dass Bohrkleins mittels Druckluft erfolgt. Bei Kleinbohrungen ist
über Mikroorganismen die Inhaltsstoffe zersetzt werden und es der Einsatz von Brennkrafthämmern nicht zulässig, da die
17 im Labor zu Minderbefunden kommt (DIN EN ISO 5667-3). Gefahr einer Kontamination durch Kohlenwasserstoffe und
Die Lage der direkten Aufschlüsse wird nach Voruntersu- PAK besteht.
chungen auf den Verdachtsflächen festgelegt. Zu den Vorunter-
18 suchungen gehören Erkundigungen über die frühere Nutzung zz Erkunden flüssiger Schadstoffe
des Geländes (historische Erkundung) und geophysikalische Für das Erkunden von flüssigen Schadstoffen kommen Verfahren
19 Untersuchungen (2D-Gleichstrom-Geoelektrik, Geomagnetik, in Frage, die die Probe noch am Ort der Gewinnung sichern, wie
Georadar; Büttgenbach und Höfflin 1993). z. B. das Hülskern- oder das Schlauchkernbohrverfahren. Die
20 In der Regel wird die Anlage von Aufschlüssen auf die ermit- Entnahme von Proben mit flüssigen Schadstoffen auf der Sohle
telten Verdachtsflächen begrenzt. Ein lückenloser Nachweis der von Schürfen kann lediglich orientierenden Charakter haben. Es
Schadstofffreiheit ist bei dieser Vorgehensweise nicht möglich. ist empfehlenswert, Grundwasser- und Sickerwassermessstellen
21 Wird dies z. B. für forensische Fragestellungen gefordert, kann einzurichten, welche speziell auf die zu erwartenden Schadstoffe
eine rasterförmige Anordnung von Aufschlüssen nach rechne- abgestimmt sind.
22 rischem Nachweis des erforderlichen Rasterabstandes bedeut-
sam sein. Die zu erkundende Schadensherdgröße bestimmt die zz Erkunden flüchtiger und gasförmiger Schadstoffe
Aufschluss- und Untersuchungsdichte: Kleinere Schadstoffherde Boden- und Gesteinsproben, die flüchtige und gasförmige Schad-
23 bedingen höhere Aufschluss- und Untersuchungsdichte. Wirt- stoffe enthalten, erleiden bei herkömmlicher Probenahme nicht
schaftliche Überlegungen können zur Ermittlung eines Erkun- bestimmbare Verluste in unbekannter Höhe. Durch die Entnahme
dungsoptimums herangezogen werden (. Abb. 1.62). von Bodengasproben kann dieses Problem umgangen werden.
1.11 • Schadstoffe im Baugrund
79 1
2
3
PROBENAHMEPROTOKOLL
4 nach LAGA 32-LAGA PN 98, Dez. 2001, Anhang C1
14 6 Anwesende Personen:
Dipl. Geol. M. Mustermann, WST-GmbH; Herr A. Müller
(Grundstückseigentümer)
18 B. Vor-Ort-Gegebenheiten
PROBENAHMEPROTOKOLL
nach LAGA 32-LAGA PN 98, Dez. 2001, Anhang C1
23 Lageskizze (Lage der Haufwerke, etc. und Probenahmepunkte, Straßen, Gebäude u.s.w.):
6 Boden-Nutz-
pflanze
Ackerbau, Nutzgarten 0–30c
30–60
1.11.5 Darstellen aufgefundener Schadstoffe
Grünland 0–10d
7 10–30
a
Einzelwerte und Mittelwerte können im Säulendiagramm
ontaktbereich für orale und dermale Schadstoffaufnahme, zusätz-
K
(. Abb. 1.63) oder im Kreisdiagramm (. Abb. 1.64) dargestellt
8 b
lich 0–2 cm bei Relevanz des inhalativen Aufnahmepfades
werden. Liegen Messwerte in räumlich dichter Form vor, so kann
–35 cm: durchschnittliche Mächtigkeit aufgebrachter Boden-
0
schichten; zugleich max. von Kindern erreichbare Tiefe ein Isoliniendiagramm der Schadstoffverteilung erstellt werden
9 c
Bearbeitungshorizont (. Abb. 1.65).
d
Hauptwurzelbereich
10 1.11.6 Grenz- und Richtwerte
Kanülen durchstochen, wovon eine zum Absaugen des der Bundesbodenschutzverordnung
11 Gases aus dem Glas genutzt wird. Über die andere Kanüle
wird Bodenluft angesaugt. Durch diese Probenahmetechnik In Anhang 2 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
12 wird das Probenglas mehrfach mit Bodenluft gespült. Nach (BBodSchV) vom 12. Juli 1999 werden Maßnahmen-, Prüf- und
Absaugen einer bestimmten Menge Bodenluft wird die Vorsorgewerte für die Wirkungspfade Boden-Mensch, Boden-
Sondenspitze abgeschraubt und das Headspace-Glas abge- Nutzpflanze und Boden-Grundwasser sowie Vorsorgewerte für
13 zogen. Die Kanüleneinstiche im Septum verschließen sich Böden und zulässige zusätzliche jährliche Frachten an Schadstof-
gasdicht. Das Headspace-Glas wird bis zur Analyse dunkel fen über alle Wirkungspfade genannt.
-
14 und isotherm gelagert.
Verfahrensvariante bei Sand und Sand-Kies-Gemischen zz Wirkungspfad Boden-Mensch
15 Die Mindesteinbringtiefe beträgt 1,3 m. Nach Schlagen Bei diesem Wirkungspfad ist vom direkten Kontakt auszugehen.
des Sondier- oder Bohrloches wird die PROGA-Sonde Bei den betrachteten Flächen wird zwischen Kinderspielflächen,
an einem Stahlrohr in das Loch eingeführt und auf der Wohngebieten, Park- und Freizeitanlagen sowie Industrie- und
16 Sohle des Bohrloches aufgesetzt. Dann wird die Sonde Gewerbegrundstücken unterschieden.
vorsichtig weitere 15–20 cm tief eingeschlagen. Nach Festlegungen zu Maßnahmenwerten und Prüfwerten sind in
17 Entfernen des Schlagkopfes wird Bodenluft über einen . Tab. 1.17 und 1.18 enthalten.
Gasmonitor bis zum Erreichen einer stabilen CO2-Kon-
zentration abgesaugt und danach das Headspace-Glas
18 zz Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze
-
entnommen. Bei den betrachteten Flächen wird zwischen Ackerbau (acker-
Verfahrensvariante bei bindigen Böden (Lehm, Löss, baulich und erwerbsgärtnerisch genutzte Flächen), Nutzgarten
19 Schluff, Ton) und Grünland (Dauergrünland) unterschieden.
Die Sonde wird auf der Sondierlochsohle aufgestellt. Festlegungen zu Maßnahmewerten und Prüfwerten sind in
20 Das Sondierloch wird zur Atmosphäre hin mit einem . Tab. 1.19, 1.20 und 1.21 enthalten.
Gummimanschettenpacker verschlossen. Das Absaugen
erfolgt mit einem Deponiegasmonitor oder mit einer
-
zz Wirkungspfad Boden-Grundwasser
21 Handpumpe (10 Pumpenhübe). Die Prüfwerte zur Beurteilung des Wirkungspfades Boden-
Ausfrieren von Bodengas Grundwasser sind in . Tab. 1.22 enthalten. Sie gelten für den
22 Bodengas wird über eine Sonde abgesaugt und in einem Ort der Beurteilung am Übergang von der ungesättigten zur
Rohr durch flüssigen Stickstoff geleitet. Die Bodenluft liegt wassergesättigten Bodenzone. Der Ort der Probenahme stimmt
dann einschließlich aller Schadstoffe als Flüssigkeit vor. Die nicht notwendigerweise mit dem Ort der Beurteilung für das
23 verflüssigten Bodengasproben werden in Headspace-Gläser Grundwasser überein.
abgefüllt.
1.11 • Schadstoffe im Baugrund
83 1
.. Abb. 1.63 Säulendiagramm zur Belastung des
Untergrundes eines ehemaligen Hüttengeländes
in Luxemburg mit verschiedenen Schwermetal-
len in Abhängigkeit von der Tiefe (arithmetische
Mittelwerte aus 30 Rammkernbohrungen; Dr. H.
Marx GmbH, Spiesen-Elversberg)
.. Abb. 1.64 Kreisdiagramm zur Belastung des Untergrundes eines ehemaligen Hüttengeländes in Luxemburg mit produktionsspezifischen Schwermetallen
in verschiedenen Tiefen (arithmetische Mittelwerte aus 30 Rammkernbohrungen, Angaben in mg kg−1 TS; Dr. H. Marx GmbH, Spiesen-Elversberg)
Nach Möglichkeit soll die Schadstoffkonzentration am Ort Schadstoffkonzentrationen im anströmenden und abströmenden
der Beurteilung gemessen werden. Aus Messungen, die an ande- Grundwasser eine Abschätzung der Schadstoffkonzentrationen
ren Stellen vorgenommen werden, kann unter Umständen auf die im Sickerwasser erfolgen. Die geogene Hintergrundsituation ist
Qualität des Sickerwassers am Ort der Beurteilung rückgeschlos- zu berücksichtigen.
sen werden. Für eine solche Bewertung sind Veränderungen der Schädliche Bodenveränderungen und Altlasten, die in der
Schadstoffkonzentrationen im Sickerwasser sowie die Grund- wassergesättigten Bodenzone liegen, sind hinsichtlich einer Ge-
wasserflurabstände und deren Schwankungsbreite zu berück- fahr für das Grundwasser nach wasserrechtlichen Vorschriften
sichtigen. Bei Altablagerungen kann aus den unterschiedlichen zu bewerten.
84 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
.. Tab. 1.17 Maßnahmenwerte für Dioxine und Furane. (Anhang 2,1.2 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, BBodSchV, vom 16. Juli 1999)
15
Dioxine/Furane 100 1000 1000 10.000
(PCDD/F)
a
Summe der 2,3,7,8-TCDD-Toxizitätsäquivalente (nach NATO/CCMS)
16
17 zz Vorsorgewerte für Böden Bei Lehm- und Schluffboden mit pH < 5 gilt für Blei der Vor-
Die Vorsorgewerte berücksichtigen den vorsorgenden Schutz sorgewert der Bodenart Sand.
der Bodenfunktionen bei empfindlichen Nutzungen. Schädli-
18 che Veränderungen im Boden sollen verhindert werden. Beim zz Zulässige zusätzliche jährliche Frachten an
Überschreiten der in . Tab. 1.23 und 1.24 genannten Werte Schadstoffen über alle Wirkungspfade
19 hat der nach § 7 des Bundesbodenschutzgesetzes Verpflichtete Werden die in . Tab. 1.23 festgesetzten Vorsorgewerte bei einem
Vorkehrungen zu treffen, um weitere Schadstoffeinträge zu Schadstoff überschritten, ist insoweit eine Zusatzbelastung bis
20 vermeiden. zu der unter BBodSchV, Anhang 2, 5 (. Tab. 1.25) festgesetzten
Unterschieden wird nach den Bodenarten Ton, Lehm/Schluff jährlichen Frachten des Schadstoffes zulässig. Dabei sind die Ein-
und Sand. Zusätzlich ist bei Cadmium, Nickel, Zink und Blei der wirkungen auf den Boden über Luft und Gewässer sowie durch
21 pH-Wert des Bodens zu beachten. unmittelbare Einträge zu beachten. Im Einzelfalle sind die geo-
Bei Tonboden mit pH < 6 gelten für Cadmium, Zink und genen und großflächig siedlungsbedingten Vorbelastungen zu
22 Nickel die Vorsorgewerte der Bodenart Lehm/Schluff. berücksichtigen.
Bei Tonboden mit pH < 5 gilt für Blei der Vorsorgewert der
Bodenart Lehm/Schluff.
23 Bei Lehm- und Schluffboden mit pH < 6 gelten für Cad-
mium, Zink und Nickel die Vorsorgewerte der Bodenart Sand.
1.11 • Schadstoffe im Baugrund
85 1
.. Tab. 1.18 Prüfwerte für die direkte Aufnahme von Schadstoffen in mg pro kg Trockenmasse Feinboden. (Anhang 2,1.4 Bundes-Bodenschutz- und
Altlastenverordnung, BBodSchV, vom 16. Juli 1999)
Cyanide 50 50 50 100
Quecksilber 10 20 50 80
Aldrin 2 4 10 –
Benzo(a)pyren 2 4 10 12
DDT 40 80 200 –
Hexachlorbenzol 4 8 20 200
Hexachlorcyclohexan 5 10 25 400
(HCH-Gemisch oder
β-HCH)
.. Tab. 1.19 Prüf- und Maßnahmenwerte für den Schadstoffübergang Boden-Nutzpflanze auf Ackerbauflächen und in Nutzgärten im Hinblick auf die
Pflanzenqualität in mg pro kg Trockenmasse Feinboden. (Anhang 2, 2.2 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, BBodSchV, vom 16. Juli 1999)
Arsen KW 200b –
Blei AN 0,1 –
Quecksilber KW 5
Thallium AN 0,1 –
Benzo(a)pyren – 1 –
a
Extraktionsverfahren für Arsen und Schwermetalle: AN Ammoniumnitrat, KW Königswasser
b
Bei Böden mit zeitweise reduzierenden Verhältnissen gilt ein Prüfwert von 50 mg/kg Trockenmasse
c
uf Flächen mit Brotweizenanbau oder Anbau stark Cadmium-anreichernder Gemüsearten gilt als Maßnahmenwert 0,04 mg/kg Trockenmasse:
A
ansonsten gilt als Maßnahmenwert 0,1 mg/kg Trockenmasse
86 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Prüfwert
4 Arsen 50
Arsen 0,4
Blei 1200
5 Cadmium 20
Kupfer 1
Nickel 1,5
Kupfer 1300a
6 Nickel 1900
Zink 2
Quecksilber 2
7 Thallium 15
Benzol 1
13 Arsen 10
LHKW c
10
Blei 25
Aldrin 0,1
14 Cadmium 5
DDT 0,1
Chrom, gesamt 50
15 Chromat 8
Phenole 20
16 Kupfer 50
PAK, gesamt e
0,20
Naphthalin 2
Molybdän 50
17 Nickel 50
a
n-Alkane (C10 C39), Isoalkane, Cycloalkane und aromatische Koh-
lenwasserstoffe
Quecksilber 1 b
Leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (Benzol, Toluol,
18 Selen 10
Xylole, Ethylbenzol, Styrol, Cumol)
c
Leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (Summe der haloge-
Zink 500
19 nierten C1- und C2-Kohlenwasserstoffe)
d
PCB, gesamt: Summe der polychlorierten Biphenyle: in der Regel
Zinn 40
Bestimmung über die 6 Kongeneren nach Ballschmiter gemäß
20 Cyanid, gesamt 50 Altöl-VO (DIN 51527) multipliziert mit 5; ggf. z. B. bei bekanntem
Stoffspektrum einfache Summenbildung aller relevanten Einzelstoffe
Cyanid, leicht freisetzbar 10
(DIN 38407-3-2 bzw. -3-3)
21 Fluorid 750 e
PAK, gesamt: Summe der polycyclischen aromatischen Kohlen-
wasserstoffe ohne Naphthalin und Methylnaphthaline; in der Regel
Bestimmung über die Summe von 15 Einzelsubstanzen gemäß Liste
22 der US Environmental Protection Agency (EPA) ohne Naphthalin; ggf.
unter Berücksichtigung weiterer relevanter PAK (z. B. Chinoline)
23
1.12 • pH-Wert von Böden
87 1
.. Tab. 1.23 Vorsorgewerte für Metalle in mg pro kg Trockenmasse Feinboden. (Anhang 2, 4.1 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung,
BBodSchV vom 16. Juli 1999)
Böden mit naturbedingt Unbedenklich, soweit eine Freisetzung der Schadstoffe oder zusätzliche Einträge nach § 9 Abs. 2 und 3 dieser Verord-
und großflächig sied- nung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Bodenfunktionen erwarten lassen
lungsbedingt erhöhten
Hintergrundgehalten
.. Tab. 1.24 Vorsorgewerte für organische Stoffe in mg pro kg .. Tab. 1.25 Zulässige zusätzliche jährliche Frachten an Schadstoffen
Trockenmasse Feinboden. (Anhang 2, 4.2 Bundes-Bodenschutz- und über alle Wirkungspfade in g ha−1. (Anhang 2, 5 Bundes-Bodenschutz-
Altlastenverordnung, BBodSchV, vom 16. Juli 1999) und Altlastenverordnung, BBodSchV, vom 16. Juli 1999)
Chrom 300
Humusgehalt > 8 % 0,1 1 10
Kupfer 360
Humusgehalt < 8 % 0,05 0,3 3
Nickel 100
Quecksilber 1,5
1.11.7 Bewerten von Schadstoffen im Baugrund
– rechtliche Fragen Zink 1200
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
zz Streubreite der pH-Werte in Böden Für Böden mit weniger als 1 % Kalkgehalt gilt:
13 Der pH-Wert der meisten Böden bewegt sich in einem Bereich
zwischen 4,5 und 6,5; nur in seltenen Ausnahmefällen werden pH = 5;75 − 0;65 − log pCO2 :
14 Böden außerhalb eines pH-Bereiches von 3,0–8,0 angetroffen.
Für sodahaltige Alkaliböden gilt:
15 zz Alkalische Böden
Nach Mückenhausen (1982) werden Böden mit einem pH-Wert pH = 6;20 − 0;8 − log pCO2 :
von 7,1–8,0 als schwach alkalisch bezeichnet, bis zu einem pH-
16 Wert von 9,0 als mäßig alkalisch, bis 10,0 als stark alkalisch und Für kalkhaltige Böden ergibt sich hieraus in Abhängigkeit
darüber als sehr stark alkalisch. vom CO2-Partialdruck (pCO2) eine Schwankungsbreite von
17 Alkalische Bodenreaktionen beruhen im allgemeinen auf 1–2 pH-Einheiten. In den Böden treten aufgrund biologischer
der Anwesenheit von Carbonaten. Lösliche Carbonate, wie etwa Aktivität – u. a. abhängig von dem mit der Jahreszeit – schwan-
Soda, erzeugen im Extremfall Bodenreaktionen bis zu pH = 13; kenden Durchfeuchtungs- und Durchlüftungsgrad üblicher-
18 Kalkböden hingegen zeigen nur äußerst selten pH-Werte über weise Partialdrücke von 3 · 10−3 bis 10−1 bar auf. Der atmo-
8,3 (Scheffer und Schachtschabel 1998, 2009). Bei vielen Böden sphärische CO2-Partialdruck beträgt hingegen etwa 3 · 10−4 bar
19 trockener Klimate (Solontschake, Solonetze, Xerosole und Yer- (. Abb. 1.66).
mosole), in denen sich stark alkalische Minerale bilden, treten
20 hohe pH-Werte auf. In Mitteleuropa hingegen sind Reaktionen zz Bestimmen des pH-Wertes
oberhalb eines pH-Bereiches von 8,5 auf Kalkböden unter Salz- Mit nach DIN 19684 gewonnenen Messwerten können folglich
einfluss beschränkt, nämlich auf die Salzmarschen der Küste. keine zutreffenden Aussagen über den pH-Wert alkalischer Bö-
21 Bestimmte landwirtschaftlich genutzte Böden in Ost- und Süd- den getroffen werden.
europa zeigen aufgrund extensiver Bewässerung in Verbindung Sollen Aussagen über die pH-Verhältnisse alkalischer Bö-
22 mit hoher Evapotranspiration und geringem Abfluss ebenfalls den in situ getroffen werden, so muss das Kohlendioxid in der
mäßige bis starke alkalische Reaktion. Bodenluft, also der CO2-Partialdruck, berücksichtigt werden.
Für gesättigte CaCO3-Lösungen gilt bei 25 °C: Hierzu wird von Martin und Dachroth (1994) eine Messmethode
23 vorgeschlagen, die die bestehende DIN 19684 um einen CO2-
pH = 6;00 − 0;66 − log pCO2 : bezogenen Korrekturwert erweitert.
1.13 • Homogenität und Inhomogenitäten im Baugrund
89 1
.. Abb. 1.67 Geraden für die CO2-bezogene
Korrektur des nach DIN 19684 ermittelten pH-
Wertes für verschiedene Böden. (Martin und
Dachroth 1994)
Zur Erlangung dieses Korrekturwertes muss der CO2-Gehalt beschreibt Gesteine als Homogenbereiche, welche in sich aus
der Bodenluft bekannt sein. (Im wassergesättigten Bereich kann gleicharten oder verschiedenartigen Mineralen aufgebaut sind.
der pH-Wert direkt gemessen werden.) Nach dem Gewinnen von Die Geotechnik beschreibt Boden und Fels als Baugrund. Ein
Bodenproben, beispielsweise aus einer Rammkernbohrung, wird Homogenbereich im Baugrund besteht aus im Betrachtungsraum
der CO2-Gehalt der Bodenluft im zur Atmosphäre abgedämmten gleichartig beschaffenem Gestein oder Boden. Homogenberei-
Bohrloch (Packer) bestimmt. Hierzu dienen direkt anzeigende che können durch gleiche Entstehung (Schicht, Gang, Intru-
Messgeräte; auch können Bodenluftproben zur späteren Analyse sion), durch gleiche tektonische Beanspruchung (Störungszone,
im Labor gezogen werden. Bereich intensiver Verformung, Bereich geringer Verformung),
Aus dem gemessenen CO2-Gehalt der Bodenluft lässt durch gleiche Verwitterung (Verwitterungslehm, Laterit, Ge-
sich über die oben aufgeführten Formeln oder über eine gra- steinszersatz, Gesteinsentfestigung) und durch gleiche Verkrus-
fische Auswertung ein Korrekturwert ermitteln, der zu dem tung oder Erhärtung (Kalkkrusten, ausgehärteter Sandstein)
nach DIN 19684 ermittelten pH-Wert addiert werden muss entstanden sein.
(. Abb. 1.67).
zz Schicht
1 Eine einzelne Schicht ist gekennzeichnet durch gleiche phy-
siko-chemische Eigenschaften, gleiche petrologische Eigen-
2 schaften, gleiche lithofazielle Eigenschaften und gleichen
Fossilinhalt. Sie unterscheidet sich von darüber und darunter
liegenden Schichten. Schichten sind tafel- oder plattenförmige
3 Gesteinskörper, deren Dicke oder Mächtigkeit gegenüber der
horizontalen oder ursprünglich horizontalen Verbreitung ge-
4 ring ist. Die untere und obere Begrenzungsfläche von Schich-
ten verläuft bei ebenflächiger Schichtung parallel zueinander.
5 Seitwärts auskeilende, linsenförmige Sedimentkörper haben
gebogene Schichtflächen.
Eine Schicht kann durch Schichtfugen in Bänke oder Platten
6 unterteilt sein.
.. Abb. 1.68 Strukturen in einer Falte mit Homogenbereichen. (Wittke 1984)
7 zz Schichtung
Die Begriffe „Schicht“ und „Schichtung“ sind mit der Entste-
hung der sedimentären Böden und Sedimentgesteine verbunden. zz Metamorphe Gesteine
8 Unter Schichtung wird der Lagenaufbau und Wechsel einzelner Metamorphe Gesteine sind aus anderen Gesteine durch Um-
Schichten verstanden. Die einzelnen Schichten unterscheiden wandlung unter hohem Druck und hohen Temperaturen ent-
9 sich nach Farbe, stofflicher Zusammensetzung, Kornaufbau, standen. Sie können eine petrographische Vielfalt zeigen. Im
Korngröße, Kornform, Dichte und Verfestigung. Die Unter- technischen Sinne sind sie von der Entstehung her als Homo-
10 schiedlichkeit resultiert aus abweichenden Sedimentationsbe- genbereich anzusprechen.
dingungen wie veränderte Körnung als Folge veränderter Fließ-
geschwindigkeit, veränderte chemische Zusammensetzung als
11 Folge von Konzentrationsänderungen bei der Ausfällung, ver- 1.13.2 Homogenbereiche in tektonisch
änderte organische Zusammensetzung als mögliche Folge ver- verformtem Gebirge
12 änderter Klimabedingungen.
Gesteinskörper können durch tektonische Beanspruchung ge-
zz Schichtenfolge klüftet, zerschert, verstellt, verlagert und verformt sein. Der For-
13 Die übereinander lagernden Schichten werden als Schichtenfolge menschatz der Tektonik beschreibt mit Bruchstrukturen, Falten-
nach DIN 4023 dargestellt. Bei Schichtwechsel im Zentimeter- strukturen und Diapiren betont außergewöhnliche Strukturen im
14 bis Dezimeterbereich werden Schichten nach Möglichkeit zu Untergrund. Das Trennflächengefüge zerteilt den Gesteinskörper
Schichtpaketen von mehreren Metern Mächtigkeit zusammen- in Kluftkörper. Hieran können unterschiedliche Trennflächen-
15 gefasst, denen für die geotechnische Beurteilung einheitliche bo- arten beteiligt sein (▶ Abschn. 1.3.1). Regelmäßig zerklüftete,
denmechanische oder felsmechanische Kenngrößen zuerkannt gleichartige Gesteinsmassen können als Homogenbereich ange-
werden. sehen werden. Der Faltenbau im Gebirge zeigt lagenweise Ver-
16 formung mit einen komplexen Wechsel von Druck- und Zugbe-
zz Magmatische Gesteine anspruchung der Gesteine. Großklüfte, Kluftscharen, Störungen,
17 Magmatische Gesteinskörper sind von der Entstehung her Verwerfungen, Bruchstrukturen, Überschiebungen, Abschiebun-
weitgehend homogen. Sie sind als Magmatite (Granit, Diorit, gen, Flexuren und Blattverschiebungen treten als Einzelelemente
Gabbro u. a.) in größerer Tiefe entstanden und bilden große auf und tragen zur Inhomogenität bei.
18 Massen (Plutonite) einheitlicher Gesteine. Als Ganggestein
(Porphyr, Basalt, Aplit, Pegmatit) können Magmatite in ein Homogenbereiche im gefalteten Gebirge Innerhalb des gefalteten
19 anderes Gestein eingedrungen sein. Dadurch kann im Ge- Gebirges lassen sich Schichten unterschiedlicher Kompetenz er-
steinsverband Inhomogenität vorliegen. Liegen magmatische kennen. Als kompetent bezeichnet man Gesteinslagen, die in der
20 Gesteine parallel zur Schichtung oder Bankung, spricht man Lage sind, ohne eigene Verformung den Druck auf andere Gesteine
von einem Lagergang. Durchschlagen solche Gesteine die zu übertragen. Als inkompetent bezeichnet man Gesteinslagen, die
Schichtung oder Bankung in meist steiler Lagerung, spricht unter Druck plastisch verformt wurden. Stets haben sich im gefal-
21 man von einem „Gang“ oder „Schlot“. Ganggesteine können teten Gestein einige Lagen gegenüber anderen verformten Lagen
auch durch Ausscheidung aus wässriger Lösung entstanden kompetent verhalten. Es lassen sich entsprechend Kompetenzreihen
22 sein (Erzgang, Quarzgang). aufstellen. Die Kompetenz der Gesteine ist temperaturabhängig.
Vulkanische Gesteine sind je nach Vulkantyp, Zusammen- Gefaltete Lagen weisen Sattel- und Muldenstrukturen auf.
setzung und Mächtigkeit der geförderten Produkte (Lava, Te- Zusätzlich können sie von unterschiedlichen Trennflächen
23 phra; Abschn. 2.2.1) als homogen oder inhomogen einzustufen. durchzogen sein. Homogenbereiche lassen sich nur in gleichar-
Aus Tephra (Tuff, Tuffit) können homogene Massen mit großer tig beanspruchten und verformten Teilen einer Falte ausweisen
Mächtigkeit und Verbreitung bestehen. (Wittke 1984; Wittke und Erichsen 2001; . Abb. 1.68).
1.13 • Homogenität und Inhomogenitäten im Baugrund
91 1
.. Abb. 1.69 Homogenbereiche in Boden und Fels. a Stofflich homogener, isotroper Boden und Fels ohne Trennflächen (Dünensand, Ton, Schluff, Verwit-
terungslehm, nicht geklüftete Festgesteine), b geschichteter Boden und Fels, nach Schicht- und Schieferungsflächen anisotrop (Schichtgesteine, Schiefer,
engscharig geklüftete Massengesteine), c dünnbankiger bis plattiger, linear anisotroper Fels mit engschariger Klüftung und langgestreckten Kluftkörpern
(metamorphe Gesteine, Griffelschiefer), d orthogonal geklüfteter Fels mit drei gleichwertigen Trennflächenscharen (Granit), e Wechsellagerung dünnbankiger,
harter Gesteinslagen (Kalkstein, Sandstein) mit kluftarmen, meist veränderlich festen Gesteinslagen (Tonstein, Schluffstein, schluffiger Sandstein); der Ge-
steinsverband ist nach der Schichtung stark inhomogen und anisotrop, f gebankter Fels mit wechselnder Bankungsstärke (Sandstein, Quarzit); der Gesteinsver-
band ist nach der Bankung und Klüftung stark anisotrop, g Fels mit hexagonal angelegten Abkühlungsklüften und Querklüften in unregelmäßigem Abstand
(Basalt), h räumliches Trennflächengefüge mit Abweichungen vom orthogonalen System (tektonisch beanspruchte Massengesteine, Granit, Quarzit), i Fels mit
Haupttrennflächen in steiler Lagerung, stark anisotrop (Schiefer), k Fels mit sich im steilen Winkel verschneidenden Trennflächen und hierauf ausgleitenden
Kluftkörpern (tektonisch beanspruchte Gesteine, Kalkstein, Schiefer, Gneis)
Homogenbereiche im geklüfteten Gebirge Trennfugen (Klüfte) Schichtung oder Bankung sowie senkrecht zueinander stehende
im Gebirge können unterschiedliche Ursachen haben. Unter- Längs- und Querklüfte). In söhlig bis flach liegenden Gesteinslagen
schieden werden Lagerungsklüfte, Entlastungsklüfte, Abküh- sind Lagerungsklüfte die vorherrschende, wenn nicht einzige Kluft-
lungsklüfte und tektonische Klüfte (. Abb. 1.69). art. Kluftabstand und Kluftöffnungsweite sind in unterschiedlich
mächtigen Gesteinsbänken verschieden und oft der Bankstärke
zz Lagerungsklüfte angepasst. Würfel und Quader sind häufige Kluftkörperformen.
Zusammenhängende Gesteinsmassen unterliegen der Einwirkung Das Gefügemodell im Gesteinsverband mit unterschiedlich star-
von Spannungen aus Schwerkraft, Schrumpfprozessen und Tempe- ken Bänken aus Sandstein oder Quarzit unterscheidet zwischen
raturwechsel. Dies führt in verfestigten Gesteinslagen (Kalkstein, den Trennflächen nach der Schichtung, welche den Felskörper
Dolomitstein, Kalksandstein und kieselig gebundener Sandstein) einheitlich durchziehen, und Trennflächen senkrecht zur Schicht-
zur Ausbildung von Lagerungsklüften. Gesteinslagen aus oder fläche, welche nur die einzelne Bank durchziehen. In manchen
mit hohen Anteilen an Feinkorn sind kluftarm bis kluftfrei. Lage- Sandsteinvorkommen ist zudem die Ausrichtung der Klüfte in den
rungsklüfte liegen im Gestein orthogonal vor (Trennflächen nach unterschiedlichen Bänken verschieden. Gleichmäßig geklüfteter
92 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Fels aus Sandstein, Quarzit, Kalkstein, Dolomitstein und Tuffstein Trennflächen. Sie durchziehen das Gestein als parallel orien-
1 kann trotz unterschiedlicher Bankungsstärke und unterschiedli- tierte Einzelklüfte. Das Kluftsystem besteht aus unterschiedlich
cher Kluftabstände als Homogenbereich angesprochen werden. orientierten Kluftscharen, die sich in vom rechtwinkligen oder
2 orthogonalen Kluftsystem abweichenden Winkeln verschnei-
zz Entlastungsklüfte den und im Extrem das Gestein diagonal durchziehen. Zu den
In allen Gesteinen können sich oberflächenparallele Klüfte als tektonischen Klüften zählen auch Großklüfte, Kluftscharen und
3 Folge von Druckentlastung einstellen (▶ Abschn. 2.3.1). Ursa- Störungen, die als weit durchhaltende Diskontinuität das Gestein
che für Druckentlastung kann Erosion oder künstlicher Abtrag durchziehen. Das Auftreten von Kluftscharen oder Störungen
4 sein. Entlastungsklüfte treten als Einzelelemente auf und tragen trägt zur Inhomogenität bei.
zur Inhomogenität bei. Der Abstand der Entlastungsklüfte liegt
5 oberflächennah bei 0,1–0,5 m und liegt wenige Meter unter oder
1.13.3 Homogenbereiche
hinter der Oberfläche im Meterbereich.
Zur Tiefe nimmt der Abstand der Entlastungsklüfte deutlich in Verwitterungsböden
6 zu. Entlastungsklüfte haben Bezug zur Oberfläche und sind oft
rundbucklig ausgebildet. Verwitterung und Zersatz von Gesteinen (▶ Abschn. 2.3) erfolgt
7 vorrangig unter dem Einfluss der Atmosphärilien an der Oberflä-
zz Abkühlungsklüfte che. Die Oberflächenverwitterung findet im Bereich der ungesät-
In magmatischen Gesteinen entstehen Klüfte bei der Abkühlung. tigten Bodenzone statt. Die Tiefenwirkung reicht im Maximalfall
8 In Tiefengesteinen (Granit) kann ein gleichmäßiges orthogonales bis zum Grundwasserspiegel. Daneben wird Gesteinszersatz im
Kluftsystem vorliegen. In Vulkaniten (Basalten), welche oberflä- von Grundwasser (Thermalwasser) durchflossenen tieferen Un-
9 chennah erstarrt sind, wird oft eine unregelmäßige Ausrichtung tergrund beobachtet.
der Klüftung angetroffen. Im Inneren von Lavaergüssen und im
10 Vulkanschlot erstarrte Basalte können Säulenklüftung aufweisen. zz Oberflächenverwitterung
Kluftabstand und Durchmesser der meist sechseckigen „Basalt- An der Oberfläche führt physikalische Verwitterung zur An-
säulen“ werden in der Größenordnung von wenigen Zentimetern sammlung körniger oder stückiger Lockermassen. Diese sind
11 bis zu mehreren Metern angetroffen, wobei innerhalb eines Vor- meist vom Ort der Verwitterung verlagert und schichtartig ak-
kommens oder einer Lage alle Säulen etwa gleiche Durchmes- kumuliert. Durch physikalische Verwitterung können stoffliche
12 ser haben. Die Länge der Basaltsäulen kann ein Vielfaches des Homogenbereiche entstehen. Verwitterungsprodukte aus physi-
Durchmessers betragen. Kluftabstände sind in der Längsrich- kalischer Verwitterung können zusätzlich durch Bodenbildung
tung benachbarter Säulen unregelmäßig und werden häufig in und chemische Verwitterung verändert sein.
13 der Größenordnung des Vier- bis Achtfachen des Säulendurch- In humiden Klimaten führt chemische Verwitterung zum
messers angetroffen. Das Gefügemodell im säulig geklüfteten Zersatz der die Gesteine aufbauenden Minerale. Die chemische
14 Basalt kennt primär keine den Fels einheitlich durchziehenden Verwitterung findet oberflächennah in der ungesättigten Boden-
Kluftflächen. zone (Boden-Wasser-Luft-Zone) statt. Als oberste Lage entsteht
15 ein Boden (Mutterboden) als Standort für Pflanzen. Dabei zeigen
zz Abkühlungsklüfte bei Kissenlava die Gesteine unterschiedliche Verwitterungsresistenz.
Kissenlava entsteht beim Lavaausfluss unter Wasser. Dabei wird Verwitterung und Bodenbildung führen in der oberen Bo-
16 die Lava in als Kissen bezeichnete ellipsoidale Blöcke aufgeteilt. denzone zum Zersatz der silikatischen Minerale und zur Bildung
Die Kissen sind zwischen 60 und 120 cm lang und haben ihre von Tonmineralen.
17 Form in einem Zustand mit noch formbarer Haut aus teilweise Im gemäßigten Klima führt die Bodenbildung zu gering-
erstarrter Lava (Glas) erhalten. Die Unterseite der Kissen ist mächtigen Verwitterungsböden mit unterschiedlichen Boden-
unregelmäßig, die Oberseite konvex. Kissenlaven erstarren zu horizonten und trägt somit zur Inhomogenität bei. In tropisch-
18 einem Festgestein mit einem von anderen Festgesteinen stark humiden Klimabereichen können hingegen unter dem Einfluss
abweichenden Trennflächengefüge. Vorherrschend sind rund- der Bodenbildung feinkörnige homogene Böden in großer Mäch-
19 bucklige Trennflächen in ebener Lagerung (Schichtung). Das tigkeit (mehrere Meter bis Zehnermeter) entstehen (Laterit).
Gefügemodell im Fels aus Kissenlava kennt primär keine den In tieferen Bodenzonen (Felsverwitterungszone) können Ge-
20 Fels einheitlich durchziehenden Kluftflächen. steine im Mineralverband entfestigt sein. Bei magmatischen Ge-
steinen und bei klastischen Sedimentgesteinen ist die Kornbin-
zz Tektonische Klüfte dung verloren gegangen. Die Gesteine der Felsverwitterungszone
21 Tektonische Klüfte sind durch tektonische Spannungsfelder im sind in den Grenzbereich zwischen Festgestein und lockerem Bo-
Gestein verursacht. den einzustufen. Im Extrem liegen mürbe, zerreibliche Gesteins-
22 Gleichmäßig in das Gestein eingetragene Spannungen kon- massen aus sand- bis kieskorngroßen Gesteinskomponenten bzw.
zentrieren sich in vom Material abhängigen regelmäßigen Ab- Gesteinsgrus (Granitgrus) vor. Die Felsverwitterungszone kann
ständen. Heterogenität im Mikrogefüge führt zu Mikrorissen mehrere Meter bis Zehnermeter tief reichen. Häufig wird diese
23 und zum initialen Versagen der Scherfestigkeit. Gerichtete Span- Verwitterungsform nach unten durch den Grundwasserspiegel
nungsverlagerung in Richtung Rissende führt zum progressiven begrenzt. Bei entsprechender Mächtigkeit können entfestigte Ge-
Bruch. Tektonisch angelegte Klüfte sind relativ ebene und glatte steine der Felsverwitterungszone als Homogenbereich angespro-
1.13 • Homogenität und Inhomogenitäten im Baugrund
93 1
chen werden. Häufig führen jedoch in der Felsverwitterungszone masse durch Erosion oder Abtrag aus der Festgesteinsmasse
geringe petrographische Unterschiede sowie Unterschiede in der herauspräpariert. Die Formung der Felsen durch Steinschlag,
Exposition zu unterschiedlichem Festigkeitsabfall mit breit ge- Blocksturz oder Felssturz setzt an Trennflächen im Gebirge an
streuter Varianz in den verbliebenen Festigkeitswerten. Ein gro- und führt zu teils ebenflächigen, teils kantigen Felsformen. Die
ßer Teil der Arbeiten mit Ziel Felsabtrag oder Hangsicherung Formung der Felsen durch Abmehlen, Absanden oder Abgrusen
erfolgt in der Felsverwitterungszone mit den diesen angewitter- setzt im Korngefüge der Gesteine an und führt zu abgerundeten
ten Felspartien eigenen Inhomogenitäten. Felsformen.
Eine andere Form tiefgreifender Oberflächenverwitterung Felsen sind beständige morphologische Formen im Festge-
führt bei kristallinen Gesteinen zur „Wollsackverwitterung“. birge mit Standzeiten von über 10.000 Jahren bis Millionen von
Ausgehend von den Klüften, werden große Kluftkörper rand- Jahren. Im veränderlich festen Gebirge bilden sich in vergleichba-
lich zersetzt. Der Zersatz schreitet in Form konzentrischer rer Position „Badlands“ mit Erdpyramiden und anderen felsen-
Schalen auf einen nicht verwitterten oder weniger verwitterten förmigen Erosionsresten. Diese haben Standzeiten von wenigen
Kern zu. Im Extrem können große, massige, unverwitterte Ge- Jahren bis einigen hundert Jahren.
steinsblöcke in einem lockerem Boden aus Gesteinsgrus und Felsen sind Einzelgebilde und tragen stets zur Inhomogeni-
Verwitterungslehm vorliegen. Wollsackverwitterung führt zur tät im Baugrund bei. Für die Beurteilung von Felsen ist neben
Inhomogenität im Verwitterungsboden. Die Tiefenwirkung der Trennflächengefüge und Gesteinseigenschaften die Kenntnis
Wollsackverwitterung kann gleichfalls mehrere Meter bis Zeh- der morphogenetischen Vorgeschichte wichtig. Vielfach haben
nermeter tief reichen und wird nach unten durch den Grund- sie ihre Form in einer vom heutigen Klima abweichenden Zeit
wasserspiegel begrenzt. Häufig ist fossile Wollsackverwitterung, erhalten. Die Kenntnis der Felsengenese ist wichtig, wenn im
deren untere Begrenzung einen fossilen Grundwasserstand an- Festgesteinsanschnitt (Fels) naturnahe Böschungsgestaltung ge-
zeigt. wünscht ist.
Im Felsen steht unverwittertertes, frisches Festgestein oder
zz Hydrothermaler Gesteinszersatz zusätzlich verfestigtes Gestein an der Oberfläche. Das Gestein
Im tieferen Untergrund kann durch Grundwasser und besonders liegt seit langer Zeit an der Oberfläche und ist diesem spannungs-
durch Thermalwasser Gestein bis in große Tiefen (mehrere tau- freien Zustand angepasst.
send Meter) gelöst oder zersetzt werden. Die Lösungsvorgänge Festgestein kann an der Oberfläche durch mineralische Aus-
führen zu Hohlraumbildung und Subrosion und tragen zur scheidungen eine Verfestigung bis Verkrustung erfahren. Häufig
Inhomogenität bei. Der hydrothermale Zersatz von Gesteinen werden in Krusten, Felsen und Blöcken größere Gesteinsfestig-
geht im Festgebirge von wasserwegsamen Klüften aus. Der Zer- keiten als im unverwitterten Fels (z. B. aus Bohrungen) angetrof-
setzungsgrad im Gestein reicht von Feldspatverwitterung und fen. Genese und Zerfall von Felsen kann auf folgende Prozesse
Tonanreicherung auf Kluftflächen über lagenweisen Zersatz im zurückgeführt werden.
sonst unverwitterten Festgesteinskörper bis zum vollständigen
Zersatz von Gesteinskörpern. Der hydrothermale Zersatz trägt 1.13.5.1 Felsen
zur Inhomogenität im Fels bei. zz Erosionsformen im Gebirge, in Flusstälern und an
Steilküsten
Oberhalb der Vegetationsgrenze unterliegt das Festgebirge der
1.13.4 Nässe- und feuchtigkeitsbedingte physikalischen Verwitterung. Das bereitgestellte Lockermaterial
Inhomogenitäten wird durch Wind, Wasser und Steinschlag abgetragen und sam-
melt sich am Fuß der Felswand im Schuttkegel an. An steilen
Böden und Festgesteine können bei Zutritt von Wasser unter- Talflanken und Steilküsten kann sich bei schnellem Abtrag keine
schiedlich reagieren. Der Zutritt von Wasser stellt in fast jedem Bodenbildung einstellen. Das nach seinen chemisch-petrogra-
Falle eine Arbeitserschwernis dar. Zusätzlich kann der Baugrund phischen Eigenschaften unveränderte Festgestein steht steil an.
bei Zutritt von Wasser eine Änderung seiner Festigkeit erfahren Die Formung des Gebirges erfolgt durch Ausbrüche und Nach-
(veränderliche feste Gesteine). Neben der Nennung von Boden brüche unter Bevorzugung der Trennflächen und der von die-
art oder petrographischer Bezeichnung sind Angaben zum Was- sen gebildeten Schwächezonen. Dadurch können Bergkuppen
sergehalt, zu den plastischen Eigenschaften sowie zur Lage und oder Bastionen als Felsen herauspräpariert werden. Zusätzliche
Schwankungsbreite von Wasserständen Kriterien für die Abgren- Formung und Gliederung der Oberflächen durch Erosion, Glet-
zung von Homogenbereichen. scherschliff, Rutschungen, Denudation und Abrasion ist möglich.
Hohlräume können als primäre Höhlen gleichzeitig mit dem Ge- Erdbauwerke (Deiche, Straßen, Flugplätze) und flachgegrün-
stein entstehen. Bei vulkanischen Gesteinen können Hohlräume dete Bauwerke über lockerem Boden können durch unterirdische
als gaserfüllte Hohlräume (Gasblasen), als leergelaufene Lava- Erosion (Suffussion, Erosionsgrundbruch, Piping, Ausspülung
tunnel und in locker gelagerten Schweißschlacken entstehen. im Bereich von Leitungen) und durch Wühltätigkeit von Tieren
Geologisch junge Ausscheidungen von Kalktuffen, Sinterkalken Schaden nehmen.
und Riffkalken können Hohlräume unterschiedlicher Größe
enthalten. Dabei können Hohlräume anstelle von organischem
Material verbleiben und Grobporigkeit im Festgestein bewirken 1.14 Isotrope oder anisotrope
(Porenweite im Millimeter- bis Zentimeterbereich). Größere Spannungsverteilung im Boden
Hohlräume im Dezimeter- bis Meterbereich können von Sinter-
kalk oder Korallenkalk umschlossen werden. Die Begriffe Bodenmechanik und Felsmechanik sowie Erdbau
Sekundäre Hohlräume und Höhlen bilden sich bei Gesteins- und Grundbau sind untrennbar verbunden. Es ist die Aufgabe
verformung, Verwitterung und Abtrag. Als „tektonische Höh- dieser ingenieurtechnischen Wissenschaften, die Folgen von Ein-
len“ werden Hohlräume bezeichnet, die durch das Öffnen von griffen in den Baugrund zu erkennen und hieraus grundbauliche
Gesteinsfugen, Klüften und Spalten entstehen. Einen großen Konzepte zu entwickeln.
Raum nehmen die durch Gesteinslösung entstehenden Karst- Während geowissenschaftliche Disziplinen versuchen, Boden
höhlen (▶ Abschn. 2.3.3) und die durch Verwitterung (Entfes- und Fels in eine Vielzahl von Gliedern mit Einzelbezeichnung
tigung) und Materialaustrag entstehenden Verwitterungshöhlen aufzuteilen, ist es das Ziel dieser Ingenieurwissenschaften, ein
(z. B. Tafoni) ein. Versturzhöhlen oder Trümmerhöhlen werden vereinfachtes Modell für den Baugrund zu erstellen. Eingriffe
durch nachbrechende Gesteinsmassen geformt. Erosionshöhlen in den Baugrund und Belastungen des Baugrundes bewirken
(Brandungshöhlen) entstehen durch erodierende Wirkung des im Untergrund Veränderungen im Spannungszustand. Diese
bewegten Wassers. In bindigen Böden (Schluff, Löss, Laterit) können im Untergrund zu Verformungen oder (bei zu starker
können durch Erosion (Gullywirkung) Schlucklöcher und un- Beanspruchung) zum Versagen führen.
terirdische Fließgänge entstehen. In den oberen Bodenschich- Es ist das Ziel der boden- bzw. felsmechanischen Betrach-
ten können Hohlräume als Wurzelgänge und als Grab- oder tung, die Spannungszustände im Untergrund und die Verände-
Wühlgänge durch biologische Tätigkeit entstehen. Große Be- rungen der Spannungszustände in mathematischen Modellen
deutung haben aktiver und aufgelassener Bergbau sowie histo- zu erfassen. Das übliche Berechnungsmodell ist der elastisch-
rischer Altbergbau. isotrope Halbraum. Für dieses Modell wird für den idealisierten
Zur Beurteilung der durch Bergbau verursachten Schä- Untergrund ein homogenes, elastisches und isotropes Material
den besteht im Fachbereich „Bergbau und Markscheidewesen“ mit unendlicher horizontaler Geländeoberfläche angenommen.
die Fachrichtung „Bergschadenkunde“ (Kratzsch 1974, 2012, Die natürlichen Spannungszustände im Untergrund ergeben
Nendzda 1992, ▶ Abschn. 2.7.2). sich aus der Eigengewichtskraft des Baugrundes γ mit Dichte ρ
Das Auffinden und Begrenzen von Hohlräumen ist mit gro- in Abhängigkeit von der Überlagerungshöhe z zu γ · z, aus dem
ßen Schwierigkeiten verbunden. Über geophysikalische Verfah- hydrostatischen Druck der Wassersäule u, aus dem Porenwasse-
ren zum Orten oberflächennaher Hohlräume berichten Dresen rüberdruck ∆u infolge Spannungsänderungen und aus von Ka-
(1974) sowie Gaertner et al. (1995). Als neue geophysikalische pillarkräften hervorgerufenen Spannungen, welche jedoch meist
Erkundungsmethoden zum Orten von Hohlräumen bieten sich unberücksichtigt bleiben.
Georadar (Pawellek 1998) und Cereskopie (▶ Abschn. 1.9.3 und Das Verhältnis von vertikal wirkender Spannung (σz) zu ho-
1.9.5) an. Werden Hohlräume im Baugrund durch Bohrungen, rizontal wirkender Spannung (σx, σy) wird in der Tiefe z durch
Stollen oder Schächte erschlossen und freigelegt, so sind diese die Querdehnungszahl m (reziproker Wert zur Poisson-Zahl ν;
nach Größe und Ausmaß zu vermessen oder abzuschätzen. Aus m = 1/ν) ausgedrückt. Die Querdehnungszahl m für Wasser ist
der Kenntnis von Raumgröße und Felsqualität kann auf Stand- 1, jene für Boden und Fels ist meist kleiner 1.
zeiten geschlossen werden (▶ Abschn. 13.2.1). Durch das Aufbringen von Lasten ergeben sich Spannungs-
Im Untergrund vorhandene Hohlräume können instabil vor- änderungen und Änderungen der natürlichen Gleichgewichte,
liegen und eine Gefahr bei zusätzlicher Belastung durch Bau- z. B. durch Abtrag oder Erosion. Eine der Aufgaben der obenge-
werke darstellen. Das geologische Erkunden und Bewerten der nannten Ingenieurwissenschaften ist es, aus dem Spannungs-De-
Untergrundverhältnisse ist geboten. Soweit erforderlich, können formationsverhalten von Boden und Fels die infolge von Span-
Hohlräume durch statische Konstruktionen überbrückt, verfüllt nungsänderungen eintretenden Deformationen im Baugrund zu
oder stabilisiert werden. In löslichen und leicht löslichen Ge- berechnen.
steinen (Salz, Gips, Anhydrit) ist zu befürchten, dass natürliche Die Bodenmechanik versteht sich als wissenschaftliche
Hohlräume während der Bestandszeit von Bauwerken neu ent- Grundlage zur Beurteilung von Standsicherheitsfragen bei Grün-
stehen oder dass bestehende Hohlräume sich durch Lösungs- dungen, Erdbauwerken, Böschungen, Stützbauwerken, Veran-
vorgänge gefahrbringend vergrößern. Bei schwer löslichen Ge- kerungen und Hohlräumen im Boden bzw. Lockergestein. Für
steinen (Kalkstein und Dolomitstein) und sehr schwer löslichen den Homogenbereich im Boden (Schicht) wird die quantitative
Gesteinen (silikatische Gesteine) sind solche Befürchtungen Größe (Bodenkenngröße) der geotechnisch wirksamen Boden-
nicht angebracht. Bei Hohlräumen kann die Gefahr des Nach- kennwerte aus Feld- und Laborversuchen ermittelt. Das Ermit-
bruches bestehen. Hierauf sind Deckengewölbe zu untersuchen. teln der Bodenkennwerte erfolgt in der Regel nach in Prüfvor-
96 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
11
Diese Empfehlungen sind Bestandteil der „Technischen Prüf-
vorschriften für Boden und Fels im Straßenbau“ (TP BF-StB,
C 1–17). Für den Rechenansatz werden wirklichkeitsnahe
Gefügemodelle erstellt, die für den betrachteten Raum einen
- Trennflächengefüge in den einzelnen Schichten bedingt.
gefügebedingtes anisotropes Verhalten
Das Trennflächensystem besteht aus verschiedenen Kluft-
scharen mit Unterschieden in Durchtrennung, Kluftöff-
12 Homogenbereich darstellen. Dieser Homogenbereich ist durch nung, Kluftabstand, Kluftfüllung, Verwitterung auf den
eine oder mehrere Scharen annähernd ebener, zueinander Kluftflächen und Reibung auf den Kluftflächen. Diese
13
14
paralleler Trennflächen zerteilt. Durch Unterschiedlichkeit in
der inneren Gestalt können im Fels Anisotropien vorgegeben
sein. Anisotropien ergeben sich im Fels vorrangig aus Ge-
steinstextur, Schichtung, Trennflächengefüge und tektonischer
- Unterschiede bedingen bei Belastung die Anisotropie.
deformationsbedingtes anisotropes Verhalten
Gesteinsschichten gleicher Zusammensetzung können
durch tektonische Kräfte verfaltet, gezerrt, gestaucht, ge-
Deformation. Andere Ursachen können Hohlräume, Hohl- schiefert, zerbrochen und gegeneinander verschoben sein.
15 raumverfüllungen sowie konkretionäre Einlagerung härterer Je nach Verformung und Richtung einer Krafteintragung
oder weicherer Massen sein. Die Frage nach Isotropie oder können solche Gesteine unterschiedlich reagieren.
Anisotropie orientiert sich an bestimmten physikalischen Ei-
16 genschaften wie Elastizität, Plastizität, Festigkeit, Durchlässig-
keit. Ein Körper ist hinsichtlich der gefragten physikalischen 1.15 Korngröße und Korngrößenverteilung
17 Eigenschaft isotrop, wenn er sich nach allen Richtungen gleich
verhält. Fels verhält sich anisotrop, wenn eingetragene Kräfte J. Brezina, W. Dachroth
durch seine innere Gestalt in bevorzugter Richtung abgetragen
18 werden (. Abb. 1.70). Gesteinsfolgen mit einem schichtweisen zz Probevorbereitung
Wechsel zwischen zwei und mehr Gesteinsarten sind zudem Es ist Aufgabe der Probevorbereitung, die bei der Analyse stö-
19 noch inhomogen und verlangen ein entsprechend angepasstes renden Eigenschaften des Materials zu beseitigen und die Pro-
Berechnungsmodell. bemenge den Repräsentativitätsansprüchen und dem jeweiligen
20 Zu unterscheiden sind nachstehende geologisch bedingte Analyseverfahren anzupassen. Zu den störenden Eigenschaften
21 -
Ursachen für Anisotropien:
texturbedingtes anisotropes Verhalten
Die Textur beschreibt die räumliche Anordnung der
Gemengeteile im Gestein. Bei metamorphen und mag-
zählen unerwünschte nicht analysierbare Stoffe, die außerhalb
des Messbereiches liegen, wie z. B. organische Stoffe und bei der
Sedimentationsanalyse lösliche Stoffe.
Die Korngrößenverteilung als Qualitätsmerkmal des Materials
22 matischen Gesteinen sind Glimmer, Feldspäte und andere ist an repräsentativen Proben zu bestimmen. Repräsentative Pro-
Minerale oft in parallelen Flächen angeordnet. Damit ben erhält man durch Teilen der Proben mit einem Probeteiler.
sind bevorzugte Spaltrichtungen, Durchflussrichtungen, Die besten Ergebnisse werden mit Rotationsprobeteilern erreicht.
23 aber z. B. auch bevorzugte Lagen elektrischer Leitfähigkeit Für das Vorbereiten der Proben kann ein erforderlicher Zeit-
gegeben. Der Untergrund verhält sich bei entsprechender oder Arbeitsaufwand in gleicher bis mehrfacher Größenordnung
Beanspruchung anisotrop. wie für die Analyse selbst anfallen. Für Probeabnahmeverfahren,
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
97 1
z. B. aus Lieferungen körniger Massen, und für das Aufteilen der Korngrößen können als geometrische Korngröße oder als
gewonnenen Proben sind die Vorgaben der DIN EN 932-1 zu Sedimentations-Korngröße angegeben werden.
beachten. Bei Angaben zur geometrischen Korngröße ist nach der beim
--
Messen berücksichtigten Dimension zu unterscheiden zwischen:
dimensionslos gemessener Korngröße;
--
zz Dispersitätsgröße
Korngrößenverteilung ist eine Kennzeichnung eines Partikelkol- eindimensional gemessener Korngröße;
lektivs, bei der die Korngröße als Dispersitätsgröße gewählt und zweidimensional gemessener Korngröße;
die Menge von Elementen (Partikel, Körner, Teilchen) durch eine dreidimensional gemessener Korngröße.
Verteilungsfunktion dargestellt wird (Rumpf und Ebert 1964).
Dispersitätsgröße ist eine durch Zahlenwert und Maßein- zz Menge
heit bestimmte und messbare physikalische Größe. Als Disper- Auch die für die Verteilungsfunktion gemessene Menge ist nach
sitätsgröße ist jede beliebige Eigenschaft geeignet, nach der die der beim Messen berücksichtigten Dimension zu unterscheiden
Körner eindeutig eingeteilt werden können (Rumpf 1975). Die
geläufigste Dispersitätsgröße ist die Korngröße.
Die Kornform ist Teil der Definition der Korngröße. Ohne -
(Herdan et al. 1960):
dimensionslos gemessene Menge
Anzahl der Körner in den Kornfraktionen, ausgezählt z. B.
Definition der Kornform hat die Korngröße keinen Inhalt. Die
Kornform muss nicht für alle Körner gleich sein. Sie kann vari-
ieren, sodass sie als eine Verteilung, nämlich als Kornformver- - mit Counter.
eindimensional gemessene Menge
Gesamte Länge der Körner in den Kornfraktionen, ermit-
teilung, ausgedrückt werden kann.
Die einfachste Kornform ist die Kugel, weil sie in allen Rich-
tungen die gleiche Abmessung hat. Bei allen anderen Formen
sind die Abmessungen verschieden. Für die Korngröße muss
- telt durch Längenmessung.
zweidimensional gemessene Menge
Gesamte Fläche der Körner in den Kornfraktionen,
ermittelt durch Flächenmessung (z. B. photometrisch, an
dann eine von unendlich vielen möglichen Abmessungen ge-
wählt werden, z. B. Länge, Breite und Dicke. Die Art der ausge-
wählten Messgröße ist anzugeben.
Innerhalb eines Kollektivs haben natürliche Partikel ver-
- Kornschnitten oder Kornprojektionen).
dreidimensional gemessene Menge
Gesamtes Volumen der Körner in den Kornfraktionen
(hierzu gehört auch die als Masse ausgewogene Menge der
schiedene unregelmäßige, komplizierte und schlecht definierbare Körner in den Kornfraktionen).
Kornformen, die von der Kugel stark abweichen. Zur Vereinfa-
chung wird für alle Körner eine bestimmte Kornform, die soge- Die dreidimensional gemessene Mengenart ist bei vielen Korn-
nannte Bezugskornform, in der Regel die Kugel, als Konstante größenanalysen mit der Masse (bzw. dem Gewicht) der Kör-
angenommen. ner dargestellt, was meistens dem Volumen entspricht, weil die
Bei der Anwendung von Korngrößenverteilungen, z. B. Per- Körner (insbesondere bei Böden) eine weitgehend einheitliche
meabilitätsberechnungen, spielt die spezifische Oberfläche, das Dichte besitzen.
Verhältnis zwischen Oberfläche und Volumen, die wichtigste Die Dimensionswahl der Menge spielt eine fundamentale
Rolle. Die spezifische Oberfläche ist nicht nur von der Korn- Rolle. Beim Zählverfahren wird die gemessene Menge feiner
größe stark abhängig (sie vervierfacht sich mit halbierender Körner im Vergleich zu groben Körnern am stärksten hervor-
Korngröße), sondern auch von der nichtkugeligen Kornform. gehoben. Auch bei Längen- und Flächenmessungen wird die
Weil die extreme Bezugskornform „Kugel“ die kleinste spe- gemessene Menge feiner Körner hervorgehoben. Erst bei einer
zifische Oberfläche hat, reduziert man mit der Wahl dieser Be- dreidimensional gemessenen Menge (Volumen- oder Mas-
zugsform die errechnete oder angenommene spezifische Ober- senmessung) wird die Mengenverteilung unserer Vorstellung
fläche erheblich und verfälscht somit die von der Korngröße entsprechen. Die dreidimensional gemessene Menge stellt eine
abgeleiteten physikalischen Eigenschaften (z. B. Permeabilität) ausgeglichene Wertung dar und soll als Standard für Korngrö-
des Partikelkollektivs. Mit der Anwendung einer realistischeren ßenanalysen bevorzugt werden. Es wird empfohlen, ein- oder
Bezugskornform können solche Fehler reduziert werden. zweidimensional gemessene Mengen in dreidimensionale Men-
Für die meisten Anwendungen hat sich der Kornform-Faktor gen zu transformieren. Solche Transformationen sind jedoch nie
(„shape factor“, SF) nach Corey (1949) sowie McNown und Ma- ohne gravierende Fehler durchführbar, weil die dafür notwendi-
laika (1950) bewährt: gen Kornformverteilungen meistens nicht bekannt sind.
SF = a=.bc/0;5 :
1.15.1 Geometrische Korngrößen
a, b, c sind die zueinander senkrechten Abmessungen des Parti-
kels mit c ≥ b ≥ a.
Dieser Kornform-Faktor drückt die Flachheit der Körner aus.
Für natürliche Sandkörner empfiehlt es sich, einen realistischen
Wert für SF zu wählen (z. B. 0,65), auch wenn dieser nicht gemes-
-
Nach der Messart werden unterschieden:
dimensionslos gemessene Korngrößen
Dimensionslos gemessene Korngrößen sind durch die
Anzahl der Rasterpunkte pro Korn definiert. Ein typisches
sen wurde. Dabei ist der Fehler wesentlich kleiner als der, der mit Messverfahren ist das Zählverfahren beim Bearbeiten von
dem extremen Wert für die Kugel (SF = 1,0) verursacht würde. Dünn- und Anschliffen mithilfe eines Mikroskops.
98 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
-
π = Ludolphsche Zahl (3,14159 …)
onstisch, an Dünn- und Anschliffen.
zweidimensional gemessene Korngrößen zz Sieben
6 Zweidimensional gemessene Korngrößen werden durch Beim Sieben wird eine von der Korngröße abhängige Menge des
die Projektions- oder Schnittfläche definiert. Ein typisches Siebgutes durch mehrere Siebe in Fraktionen getrennt und es
7 Messverfahren ist die Photometrie. Eine zufällig geführte werden deren Massenanteile ermittelt. Die Maschenweiten müs-
Schnittfläche ist bei dreidimensionalen Objekten kleiner als sen im Verhältnis von konstanten Quotienten stehen. In Europa
8
9
- eine zufällig geführte Projektionsfläche.
dreidimensional gemessene Korngrößen
Dreidimensional gemessene Korngrößen werden durch
das Volumen der Körner definiert. Bei einheitlicher Dichte
sind diese Quotienten an die dekadischen Reihen in Millimetern
angelegt (in Deutschland DIN, in Frankreich AFNOR, in Russ-
land GOST und andere Normen); in den USA sind sie an eine
halbierende Reihe (Wentworth, ASTM-Norm) in Millimetern
der Körner ist die Masse dem Volumen proportional. oder Inch angelegt.
10 Ein typisches Messverfahren ist das Tauchverfahren von Es gibt verschiedene Grundreihen, die nach dem Prinzip der
Kieskörnern und Steinen. Aus dem Volumen kann der geometrischen Reihen aufgebaut sind, d. h. die Nachbarzahlen
kugeläquivalente (nominale) Partikeldurchmesser nach der Reihe stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander.
11 Wadell (1932, 1935) sowie Krumbein und Pettijohn (1938) In den USA haben sich Reihen auf der Basis von 2 (1 / 2) nach
errechnet werden. Weil aber natürliche Partikel weitgehend C. K. Wentworth (1922), in Europa auf der Basis von 10 (1 / 10)
12 nichtkugelig sind, soll man eine realistischere Form als die nach dem französischen Erfinder Charles Renard (1877) als
Kugel für die Referenzkornform annehmen und mit einem Normzahlreihen R in ISO 3 und DIN 323 (ursprünglich DIN 3)
Kornform-Faktor (typischer Wert: 0,65) charakterisieren. durchgesetzt.
13 So sind die Siebreihen mit verschiedenen Quotienten ent-
Kornform und Messanordnung sind wichtige Einflussfaktoren standen. Dabei wird der Quotient durch einen Exponenten
14 zur Definition der geometrischen Korngröße. n = log10q definiert. Der Zahlenwert des Quotienten wird als
Bei der Ansicht loser Partikel werden die maximalen Korn- Stufensprung bezeichnet. Nach ISO 3 und DIN 323 werden u. a.
15 projektionen betrachtet. Bei der Ansicht von Anschliffen und die in . Tab. 1.26 genannten Reihen vorgegeben.
Dünnschliffen werden Zufallsschnitte betrachtet, die eine verän- Die Zahlenreihe R5 (R10, R20, R40) ist so aufgebaut, dass das
derte Verteilungsfunktion und veränderte Parameter aufweisen: dekadische Intervall zwischen 1 und 10 aus 5 (10, 20,40) logarith-
16 der Mittelwert wird um fast 30 % kleiner, und andere Verteilungs- misch äquidistanten Intervallen besteht.
parameter, wie die Streuung und Schiefe, werden meistens größer. Die gerundete Reihe R5 lautet am Beispiel der Dekade 1 bis 10:
17
zz Messverfahren 1 1;6 2;5 4;0 6;3 10
Die geometrische Korngröße kann durch mechanische, optische
18 und andere physikalische Verfahren bestimmt werden. Zu den Diese Zahlenreihe ergibt sich aus folgender Multiplikation:
mechanischen Verfahren zählen das lineare und das volumet-
19 rische Ausmessen einzelner grober Partikel und das Sieben. Zu 1 1;6 1 1;6 1;6 1;6 2;5 1;6 4 1;6 6;3
den physikalischen Verfahren zählt das Bestimmen flächenab-
20 hängiger Eigenschaften wie Permeabilität und Kapillardruck. Zu Die gerundete Reihe Rio lautet am Beispiel der Dekade 1 bis 10:
den optischen Verfahren zählen mikroskopisches Untersuchen,
rechnergestützte Bildanalyse und Strahlenabsorption. Das lineare 1 1;25 1;6 2;0 2;5 3;15 4;0 5;0 6;3 8;0 10
21 und volumetrische Ausmessen und das Sieben sind gleichwertige
22
23
-
Messverfahren:
lineares Ausmessen
Grobe Partikel werden mit Lineal oder Schieblehre in drei
Dimensionen ausgemessen. Aus den drei Messwerten wird
Die Rn/3(z. B. R10/3)DIN-Reihen nähern sich weitgehend
der auf der Basis von 2 aufgebauten US-Normen, an die die
DIN 18123 angeglichen ist.
In Deutschland erfolgt die Siebanalyse allgemein nach
das geometrische (nicht das arithmetische) Mittel, also die DIN 66165 und speziell für Boden als Baugrund nach DIN 18123
.. Tab. 1.26 Definitionen der Normzahlreihen (Haupt- und Nebenreihen). (Nach ISO 3 und DIN 323)
Reihe R5/3 R2 R10/3 R5 R20/3 R10 R40/3 R20 R80/3 R40 R80
Exponent n von 10 3/5 1/2 3/10 1/5 3/20 1/10 3/40 1/20 3/80 1/40 1/80
0,6 0,5 0,3 0,2 0,15 0,1 0,075 0,05 0,0375 0,025
Quotient q 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 100,0125
Stufensprung 3,9811 3,1623 1,9953 1,5849 1,4125 1,2589 1,1885 1,1220 1,0902 1,0593 1,0292
Mineralarten differenziert werden. Es können verschiedene Kor- Die letzten zwei Variablen sind von der Temperatur und in ge-
neigenschaften gemessen und als Verteilung dargestellt werden: ringem Maße vom Druck abhängig.
Kornart, größter Durchmesser, kleinster Durchmesser, Projekti-
onsfläche, Rauigkeit, Faserlänge, äußerer und innerer Umfang, zz Einfluss der Kornform
Orientierung, Fläche der Einschlüsse, Fläche der konkaven Aus- Die Korngröße wird nur unter Annahme einer Bezugskornform
sparungen (. Abb. 1.72 und 1.73). definiert. In der Regel wird die Kugel als Bezugskornform gewählt.
100 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 1.27 Normzahlenreihen nach DIN 323 und Maschenweiten für Drahtsiebböden nach DIN und ASTM; zu den mm-Werten sind die PHI-Äquiva-
lente angegeben
DIN 4022 DIN 18123 DIN 66165 [mm] [mm] PHI PHI [mm] [inch] Mesh
3 [mm] [mm] [mm]
9 20 20 20 −4,3219
13
9 −3,1699 −3,2517 9,525 0,375
14 7,1 −2,8278
5 5 −2,3219
4 4 4 4 −2,0000 −2,0000 4 5
17 3,55 −1,8278 −1,7485 3,36 6
20 2 2 2 2 2 −1,0000 −1,0000 2 10
1,8 −0,8480
1,12 −0,1635
23 1 1 0,0000 0,0000 1 18
0,9 0,1520
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
101 1
DIN 4022 DIN 18123 DIN 66165 [mm] [mm] PHI PHI [mm] [inch] Mesh
[mm] [mm] [mm]
0,45 1,1520
0,224 2,1584
0,18 2,4739
0,112 3,1584
0,028 5,1584
0,022 5,5063
9 Fläche
10
Umfang
11
maximale
Projektion
12 Faserlänge
13 minimale
Projektion Fläche der
14 Einschlüsse
15
mittlere Anzahl der
Projektion Einschlüsse
16
17
Weite Orientierung Rauhigkeit
18
19 Zahl beschreibt das Verhältnis der Trägheitskraft des Partikels Die Sedimentation eines Partikels wird durch den Widerstands-
zur Reibungskraft (Viskositätskraft) der Flüssigkeit und ist de- beiwert CD („drag coefficient“) beschrieben:
20 finiert als:
4d.s − f /g
dVf dV CD = :
3V 2
21 Re =
=
v
Der Widerstandsbeiwert ist eine nichtlineare Funktion der
22 d = Korngröße [cm] Reynolds-Zahl, die sowohl für kugelige als auch für nichtkuge-
V = Sinkgeschwindigkeit [cm s−1] lige Partikel bekannt ist. Für verschiedene SF-Kornformwerte
gilt die als Polynom ausgedrückte Funktion nach Brezina
23 ρf = Dichte der Flüssigkeit [g cm−3]
η = dynamische Viskosität [g s−1 cm−1 = Poise] (1979):
v = kinematische Viskosität [cm2 s−1 = Stokes]
ρs = Korndichte [g cm−3] CD = A Re−1 + B Re−0;5 + C
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
103 1
.. Abb. 1.74 Widerstandsbeiwert log CD als
Funktion der Reynolds-Zahl log Re für unter-
schiedliche SF-Kornformwerte. Die Funktion gilt
für Partikel mit natürlicher Rauigkeit. Diagonal
sind die Werte von PHI (binärlogarithmische
Korngröße), PSI (binär-logarithmische Sink-
geschwindigkeit) und SF′ (Corey-Kornform)
eingetragen. (Brezina 1979)
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16 Aus diesen Gründen ist die Partikelkonzentration zu minimie- Die Sedimentation aus homogener Suspension ist frei von
ren. Die Probemenge ist möglichst klein zu wählen, sodass die diesem Fehler. Die Dichteanordnung einer homogenen Suspen-
17 Repräsentativität gerade noch gewährleistet ist. Fehler aus der sion wird im Laufe der Sedimentation nie instabil: sie nimmt im
Partikelkonzentration können z. B. durch Partikelbeschleuni- oberen Teil ab und im unteren zu.
18
19
gung (Zentrifuge) und durch die Suspensionsanordnung (Über-
schichtung) reduziert werden.
-
(DIN 66111):
über die abnehmende Konzentration der Suspension in
einer bestimmten Höhe in der Suspensionssäule (inkre-
- Zu den inkrementalen Methoden gehören:
Bestimmen des Massenanteils des Schwebstoffes in einer
bestimmten, konstanten Suspensionsmenge, welche mit
einer Pipette aus einer bestimmten Tiefe im Sedimenta-
- mentale Methoden);
über die zunehmende Sedimentmenge oder die abneh-
tionsgefäß entnommen wird (Pipette-Verfahren; Andre-
asen 1928, Andreasen und Lundberg 1930; DIN 66115;
mende Gesamtmenge des suspendierten Feststoffes (kumu-
lative Methoden).
- . Abb. 1.77d).
Bestimmen des Massenanteils des Schwebstoffes durch dif-
ferenziell manometrische Messung nach Crowther (1927).
-
zz Sedimentation aus homogener Suspension
Zu den kumulativen Methoden gehören:
Bestimmen des Massenanteils des Sedimentes mit der
Odénschen Sedimentationswaage (Odén 1915; DIN 66116;
- Gemessen werden Druckunterschiede (. Abb. 1.77e).
Bestimmen des Massenanteils des Schwebstoffes durch
Dichtemessung mit an einer Waage aufgehängtem Tauch-
körper nach Schurecht (1921), von Hahn (1928), Haas
. Abb. 1.77a), hergestellt u. a. von den Firmen Sartorius, (1997) etc. Gemessen wird der abnehmende Auftrieb als
Mettler und Cahn; Gewichtszunahme (. Abb. 1.77f).
106 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
-
6 0,125 3 der Suspension oder des Sedimentes analysiert werden:
0,25 2 Suspensionerfassung
7 0,5 1
Die Suspension kann manometrisch oder anderweitig (z. B.
photometrisch differenziell) erfasst werden. Beim Erfassen
1,0 0 der Suspension kann man den Konzentrationsfehler nicht
8 2,0 −1 durch die Wahl einer niedrigeren Partikelkonzentration
verringern, weil diese die zu erfassende Messgröße ist.
9 4,0 −2
Die bekannteste Anwendung erfolgt manometrisch in den
8,0 −3 Ausführungen nach Mason (1949), Appel (1953), Whitney
10 und Ziegler (1960, Woods Hole Rapid Sediment Analyzer),
-
16,0 −4
32,0 −5
Schlee (1966) sowie Brezina (1964, 1967).
Sedimenterfassung
11 64,0 −6
Die Sedimentmenge kann volumetrisch oder gravimetrisch
12
13
- Bestimmen des Massenanteils des Schwebstoffes durch
Dichtemessung mit freischwebenden Tauchkörpern nach
Berg (1940; . Abb. 1.77g). Gemessen wird die Sedimen-
gemessen werden. Beim Erfassen der Sedimentmenge kann
man den Konzentrationsfehler durch die Wahl einer nied-
rigeren Partikelkonzentration verringern. Die bekanntesten
Methoden zur volumetrischen Sedimenterfassung wurden
tationsstrecke und die Sedimentationszeit von mit den von van Veen (1936), Emery (1938, Emery’s Settling Tube),
Tauchkörpern markierten Dichtezonen in der Suspension, Fowler (1954), Poole (1957, St. Anthony Falls Hydraulic
14 die sich im Laufe der Sedimentation aus der homogenen Laboratory), Sathapathi (1957), Rukavina (1961) sowie
Suspension entwickeln. Gearbeitet wird mit verschiede- Rukavina und Duncan (1970) beschrieben.
15
-
nen Tauchkörpern im Dichtebereich zwischen 1,0005 und Diese Verfahren sind mit folgenden Fehlerquellen behaftet:
16 - 1,01 g cm−3.
Bestimmen des Massenanteils des Schwebstoffes durch
photometrische Verfahren (Absorption elektromagne-
die Sedimentpartikel lagern sich in Abhängigkeit von
Korngröße, Kornform und Korndichte verschieden dicht
ab, und die Sedimentsäule sackt mit der Zeit in sich
-
tischer Strahlung, Photosedimentometer, γ-Strahlen- zusammen;
17 Sedimentometer). Gemessen wird der Strahlungsdurchgang das Sedimentvolumen wird über eine konische Veren-
(. Abb. 1.77h). gung einem engen Messrohr zugeführt, wo es gemessen
wird; auf der konischen Fläche wird die Sedimentation
18
-
zz Sedimentation mit Überschichtung verzögert;
Bei der Überschichtung ist die Sedimentationsstrecke aller das Sedimentvolumen wird in bestimmten Sedimentati-
19 Partikel bekannt. Während bei Verfahren mit homogener onszeitintervallen visuell erfasst.
Suspension die Partikelkonzentration im unteren Teil der Se- Die bekanntesten Methoden zur gravimetrischen
20 dimentationssäule zunimmt, sinkt diese beim Verfahren mit Sedimenterfassung (Unterwassergewicht mit einer Sedi-
Überschichtung mit fortschreitender Sedimentation. Die Probe mentationswaage) wurden von Doeglas und Brezesinska-
muss gleichzeitig horizontal-homogen in die oberste Schicht Smithuysen (1941), Plankeel (1962) Walger (1966), Felix
21 zur Sedimentation freigegeben werden. Zu Beginn der Sedi- (1969), Geldof (1978), Geldof und Slot (1979), Gibbs (1971,
mentation ist die Partikelkonzentration am größten, sodass 1974), Gibbs et al. (1971), Flemming (1976), Amos et al.
22 hieraus eine inverse Dichteschichtung entsteht (. Abb. 1.78). (1981) sowie Brezina (1971, 1979) beschrieben.
Damit verursachte Fehler aus Konvektion sind auf diesen Zeit- Die entwickelten Geräte unterscheiden sich vor allem durch
raum begrenzt. die Probenaufgabe, die Abmessungen der Sedimentations-
23 Einer solchen Instabilität kann man mit einer stabileren säule und die Zeitkonstante der Waage.
Dichteschichtung entgegenwirken. Diese Stabilisierung kann Marktreife hat das MacroGranometerTM erreicht (Brezina
erreicht werden, wenn im obersten Teil der Sedimentations- 1971; . Abb. 1.79).
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
107 1
.. Abb. 1.77 Messverfahren zum Bestimmen der Korngrößenverteilung feinkörniger Partikel durch Sedimentation im stehenden Medium (Wasser). a–c kumu-
lative Verfahren, d–h inkrementale Verfahren
108 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1
2
3
4
5
6
7 e
8
9
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11
12
f
13
14
15
16
17
g
18
19
20
21
22
h
23 .. Abb. 1.77 (Fortsetzung)
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
109 1
--
Korngrößenverteilungen können dargestellt werden als
Tabellen;
zz Statistische Parameter
Die Ergebnisse für geologische und insbesondere für sedimen-
1
2
3
4
5
6
.. Abb. 1.80 Gebräuchliche Darstellungen der Korngrößenverteilung als Verteilungssummenkurve (a) und als Verteilungsdichtekurve (b) am Beispiel eines
7 Sand-Kies-Gemisches mit 50 % Grobsand, 28 % Fein- und Mittelkies, 19 % Fein- und Mittelsand und 3 % Schluff
Entsprechend ihrer Definition können diese Verteilungseigen- Darstellen der Korngrößenverteilung als Körnungslinie (Vertei-
8 schaften direkt mit den vier Momenten beschrieben werden. Weil lungsdichtekurve) ist in DIN 18123, Pos. 5, 7, 9 und 10 und in
früher das Berechnen dieser Größen zeitaufwendig war, war es DIN ISO/TS 17892-4 bzw. in CEN ISO/TS 17892-4 beschrieben
9 üblich, die Perzentil- bzw. Quantilwerte zu schätzen. und demonstriert. Für Gesteinskörnungen (gebrochenes Mate-
Als erster von diesen Parametern wird der Median (50%iger rial und Zuschlagsstoffe) gilt das Regelwerk DIN EN 933-1 bis
10 Perzentil bzw. Quantil) z. B. aus dem Lehrbuch der statistischen -10. Nachteile dieser geometrisch-statistischen Methode treten
Methoden von F. C. Mills (1924) übernommen. Trask (1932) bei Anwendungen ein, bei denen die spezifische Oberfläche eine
führt den Sortierungs- und den Skewness-Koeffizienten als Ana- physikalische Einflussgröße ist.
11 logien zur Quartilabweichung und Quartilschiefe ein. Für das Beim Sieben werden die Partikel nach Maschenweiten klas-
Berechnen der Kurtosis verwendet Krumbein den 4. Moment siert. In der Praxis werden jedoch feinere Partikel mit kleinerer
12 um den Mittelwert, zunächst in PHI-Einheiten (Krumbein 1936), Wahrscheinlichkeit gemessen, weil sie sich in mehreren Schichten
dann in ZETA-Einheiten (Krumbein 1937). Eine Zusammenfas- vor den Maschen aufstauen. Dieser Nachteil wäre durch eine län-
sung ist in Krumbein und Pettijohn (1938) enthalten. gere Siebzeit, durch Sieben mit einem Luftstrahl oder durch Nass-
13 Auf der Basis von Charakteristiken einer Gauß’schen Nor- sieben auszugleichen. Ohne diesen Ausgleich werden die feineren
malverteilung hat Inman (1952) seine vier Perzentilparameter Partikel gröber gemessen, also unterrepräsentiert dargestellt.
14 abgeleitet. Folk und Ward (1957) sowie Folk (1966) modifizieren Nichtkugelige Partikel, die eine größere spezifische Ober-
diese Parameter so, dass sie mehrere Perzentile benutzen. Damit fläche haben, werden gemeinsam mit gröberen Partikeln, die
15 wird zwar der mittlere Teil der Verteilung besser erfasst, was für eine kleinere spezifische Oberfläche haben, also inkonsistent
bimodale Verteilungen vorteilhaft ist, die Extremwerte der Ver- bezüglich der spezifischen Oberfläche, gemessen. Durch diese
teilungen (Minimal- und Maximalkorngrößen) nehmen jedoch systematische Vergröberung von nichtkugeligen Partikeln er-
16 einen unangemessen hohen Einfluss auf solche Parameterwerte, rechnet sich für ein Partikelkollektiv eine kleinere spezifische
fast so stark wie die Momentparameter. Diesen nachteiligen Ein- Oberfläche.
17 fluss haben viele Anwender leider nicht erkannt. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Korngrößenspektrum
nur in wenige Intervalle unterteilt wird. In der Darstellung der
Siebergebnisse ergibt sich eine Verschiebung um die Intervall-
18 1.15.4 Bewerten der Methoden breite (etwa 0,25 PHI oder 8 der Korngröße) in Richtung feinere
zur Korngrößenanalyse sandkörniger Teilchen (. Abb. 1.81b). Wegen dieser systematischen Fehler ist
19 Partikel die Siebanalyse für die Güteüberwachung gesiebter oder durch
Sieben klassierter Produkte nur bedingt geeignet.
20 Die nach verschiedenen Verfahren erarbeiteten Korngrößenana- Eine Kombination von Sieb- mit Sedimentationsanalysen
lysen erfassen die Korngröße über unterschiedliche Variablen, ist wegen des Anschlusskörnungsbereichs zwischen 0,05 und
welche auf nicht erfüllte Annahmen in verschiedener Weise re- 0,1 mm problematisch. Die Korngrößen beider Verfahren sind
21 agieren. Deshalb sind die Analysenergebnisse aus verschiedenen unterschiedlich definiert, das Anschlussintervall ist groß, und
Verfahren nicht direkt miteinander vergleichbar. beide Verfahren stoßen an ihre Gültigkeitsgrenzen. Deshalb ent-
22 stehen im Anschlusskörnungsbereich zwangsläufig Fehler.
zz Sieben Die Sedimentation von Quarzpartikeln > 0,05 mm
Die Verteilung der sandkörnigen Partikel wird meist durch Sie- (Re > 0,1) ist nicht mehr laminar und kann deshalb nicht mit
23 ben bestimmt. Einen Überblick zu diesem Analyseverfahren der Stokes’schen Gleichung beschrieben werden. Diesen Fehler
geben Schmidt, Körber und Coppers (2003). Das Durchführen umgeht die Gleichung nach Brezina (1979), die die Übergangs-
und Auswerten der Körnungsanalyse durch Sieben und das strömung berücksichtigt.
1.15 • Korngröße und Korngrößenverteilung
111 1
Verteilungsdichte Verteilungs- Verteilungsdichte Verteilungs-
(%/0,02 PHI) summe (%/0,25 PHI) summe
4 100 100
40
90 90
80 80
3
70 30 70
60 60
Kumulative Prozente
Kumulative Prozente
Differenzprozente
Differenzprozente
2 50 50
20
04 04
30 30
1
10
20 20
10 10
0 0 0 0
0 1 2 3 PHI 0 1 2 3 PHI
a 1 0,85 0,71 0,6 0,5 0,43 0,36 0,3 0,25 0,21 0,18 0,15 0,125 mm b 1 0,85 0,71 0,6 0,5 0,43 0,36 0,3 0,25 0,21 0,18 0,15 0,125 mm
.. Abb. 1.81 Vergleich der Ergebnisse von MacroGranometer-Analyse (a) und Präzisionssiebanalyse (b) einer Kalibrationsprobe mit Glaskugeln gleicher
Dichte. Die Kalibrationsprobe enthält eine Mischverteilung aus drei engen Siebfraktionen, ausgesiebt mit Präzisionsrundlochsieben. Es ergeben sich folgende
Unterschiede: a Die Auflösung ist bei der MacroGranometer-Analyse um den Faktor 12,5 größer. Die drei eingegebenen Komponenten, auch die nahe beiei-
nanderliegenden Grobsandkomponenten, werden erkannt und getrennt erfasst. b Die mit dem Intervall 0,25 PHI erstellte Siebanalyse löst die beieinander-
liegenden Grobsandkomponenten nicht auf und ergibt eine nur zweigipfelige Verteilungsdichte. Verteilungssumme und Verteilungsdichte sind um 1 / 8 des
Korndurchmessers bzw. um etwa 0,25 PHI (Intervallbreite) in Richtung feinere Teilchen verschoben. (Ausgezogene Linien: Verteilungsdichte Kurven, punktierte
Linien: Verteilungssummenkurven. Gezeichnet nach Analysewerten Dr. Brezina)
Es kann mit geringen Partikelkonzentrationen gearbeitet Suspension, welche – vermutlich schon nach kürzeren Sedimen-
1 werden (Feststoff-Volumen-Konzentration CV = 0,1–0,2 %). Es tationszeiten – Aussagen zur Kornverteilung erlauben.
werden neun Teilproben im Zeitraum von 28 h entnommen, ge- Das während der Kriegswirren publizierte Verfahren hat in
2 wogen und erfasst. Die Sedimentationshöhe verringert sich mit Literatur und Praxis nur geringe Würdigung erfahren. Eine An-
jeder Messung. passung an zeitgemäße Techniken steht aus.
3 zz Aräometer-Verfahren zz Druckmessverfahren
Für das Aräometer-Verfahren (DIN 18123) werden zwischen Druckmessverfahren werden heute kaum mehr verwendet.
4 10 und 50 g Boden im Messzylinder (1000 cm3) aufgeschlämmt
(Feststoff-Volumen-Konzentration CV = 0,4–2 %). Es wird mit
1.15.6 Korngrößenunabhängige
5 hohen Partikelkonzentrationen gearbeitet. Es werden acht Mess-
Analyseverfahren
werte in 24 h abgelesen. Gemessen wird die mittlere Dichte der
Suspension innerhalb der Eintauchtiefe des Aräometers. Mit der
6 Dichteabnahme vergrößert sich die Eintauchtiefe. Die Dichteab- zz Bildanalyse
nahme wird inverskumulativ erfasst. Die Bildanalyse deckt den größten Korngrößenbereich ab und
7 Kalkulierbare Fehler gehen u. a. von der hohen Raumkon- übertrifft damit alle anderen Verfahren. Sie bietet kaum aus-
zentration der Partikel, der Ablagerung von Sediment auf dem schöpfbare Analysemöglichkeiten zum gleichzeitigen Beschrei-
Aräometer, dem zusätzlichen Auftrieb sowie von Konvektions- ben der Kornform, Kornart und Korngröße. Die reine Analysen-
8 strömungen aus dem Sedimentationsschatten unter dem Aräo- zeit beträgt bis zu einer Minute. Mit Probenvorbereitung können
meter aus. Nicht kalkulierbare Fehler gehen von Strömungen aus, pro Arbeitsstunde etwa 12–15 Bildanalysen durchgeführt wer-
9 die beim Herausnehmen und Eintauchen des Aräometers in der den. Von Vorteil ist die Möglichkeit, neben Streupräparaten
Suspension verursacht werden. auch Anschliffe, Dünnschliffe und Suspensionen verarbeiten zu
10 Geräte sowie das Durchführen und Auswerten der Korngrö- können.
ßenanalyse durch Sedimentation und das Darstellen der Korn- Nachteilig ist, dass mit der Bildanalyse nur zwei Dimensio-
größenverteilung als Körnungslinie (Verteilungsdichtekurve) ist nen erfasst werden und die dritte Dimension unberücksichtigt
11 in DIN 18123, Pos. 6, 7, 9 und 10 und in CEN ISO/TS 17892-4, bleibt. Fehlermöglichkeiten ergeben sich aus der Art der Bildauf-
Pos. 6 für die Aräometeranalyse, in Pos. 5 für die Pipettenanalyse nahme, wobei zwischen den Extremen von Zufallsschnitt und
12 beschrieben und demonstriert. Projektion zu unterscheiden ist.
Bei starken Vergrößerungen ist man auf Beobachtungen im
zz An Waage aufgehängte Tauchkörper konvergenten Licht angewiesen. Dadurch bilden sich die Partikel
13 Beim Verfahren der Dichtemessung mit einem an einer Waage verzerrt ab.
aufgehängten Tauchkörper (Schurecht 1921) wird der Auftrieb
14 der Suspension-Dichtezone gemessen, die den Tauchkörper zz Zufallsschnitte
umgibt. Damit wird die augenblickliche Feststoffkonzentra- In Anschliffen und Anschnitten werden Zufallsschnitte betrach-
15 tion in der Messebene ermittelt (inkrementales Verfahren). tet, in denen die angeschnittenen Partikel kleiner als die volu-
Mit den absinkenden Dichtezonen nimmt der Auftrieb ab. menäquivalenten Kugeldurchmesser eingemessen werden. Die
Fehler gehen u. a. von der hohen Partikelkonzentration, der Streuung und andere statistische Verteilungsparameter werden
16 Ablagerung von Sediment auf dem Tauchkörper, dem zusätz- verfälscht.
lichen Auftrieb sowie von Konvektionsströmungen aus dem
17 Sedimentschatten unter dem Tauchkörper aus. Das Beseitigen zz Projektionen
der Ablagerungen auf dem Tauchkörper durch Herausneh- Bei Streupräparaten, in denen die Partikel die stabilste Lage ein-
men und Eintauchen (Haas 1997) zerstört die zu messende nehmen, stellen die Projektionen die größten Schnittflächen dar.
18 Schichtung der langsam sinkenden Suspension-Dichtezonen. Ihre flächenäquivalenten Kreisdurchmesser sind immer größer
Schon von Hahn (1928, S. 297) ist der Ansicht, dass die Feh- als ihre volumenäquivalenten Kugeldurchmesser. Auch wenn
19 ler eine allgemeine Verwendung dieser Methode nicht ratsam man erreicht, dass die Teilchen sich nicht waagerecht mit ihrer
erscheinen lassen. größten Projektionsfläche, sondern zufallsorientiert einregeln,
20 sind ihre Projektionen meist größer. Die Streuung und andere
zz Frei schwebende Tauchkörper statistische Verteilungsparameter werden verfälscht.
Das Verfahren mit Tauchkörpern nach Berg (1940) arbeitet mit
21 geringer Partikelkonzentration und mehreren kleinen Tauchkör- zz Dünnschliffe
pern, deren Sinkgeschwindigkeit über die Sedimentationsstrecke Dünnschliffe stellen einen Übergang zwischen Projektionen
22 und Zeit gemessen wird. Da diese innerhalb einer Suspensions- und Zufallsschnitten dar. Dabei ist es wichtig, in welchem
schicht mit gleicher Dichte frei schweben und mit dieser absin- Verhältnis die Korngröße zur Dünnschliffstärke liegt. Parti-
ken, kann sich auf ihnen kein Sediment ablagern. kel, deren Durchmesser wesentlich kleiner als die Stärke des
23 Das Verfahren liefert eine Vielzahl von Daten zur Dichtever- Dünnschliffes (0,025 mm) ist, stellen sich in der Projektion dar
teilung und zu Sinkgeschwindigkeiten von Dichtezonen in der und werden größer eingemessen. Je mehr die Partikel größer
1.16 • Wassergehalt
113 1
als die Dünnschliffstärke sind, desto stärker nähern sich ihre Der Wassergehalt dient zum Beurteilen der geotechni-
Abbilder den Zufallsschnitten und die Partikel werden kleiner schen Eigenschaften von Boden. Er geht in die Berechnung
eingemessen. der Trockendichte ρd ein und bestimmt Zustandsform, Volu-
menänderung beim Quellen oder Schrumpfen und Festigkeits-
eigenschaften fein- und gemischtkörniger Böden sowie die Ver-
1.16 Wassergehalt dichtungsfähigkeit von fein- und grobkörnigen Böden.
Der durch Trocknen ermittelte Wassergehalt wird pauschal
Im Boden oder Gestein kann Wasser als Kristallwasser, Haftwas- als „Gesamtwassergehalt“ betrachtet. Kristallwasser und Haft-
ser und als frei bewegliches Porenwasser enthalten sein. Letzteres wasser werden nicht gesondert erfasst, und deren Bedeutung
kann kapillar gebunden sein oder als fließfähiges Wasser vor- wird in der Geotechnik weitgehend negiert!
liegen. Der Anteil dieser unterschiedlichen Arten von Wasser
ist abhängig von der mineralogischen Zusammensetzung, den
Adsorptionskräften auf der Oberfläche der feinkörnigen Boden- 1.16.1 Effektiver Wassergehalt
teilchen, den Kapillarkräften an Berührungsstellen der Boden-
teilchen und der Lage zum Grundwasserspiegel. Für bestimmte geotechnische und hydrogeologische Fragen ist
Das Haftwasser bestimmt die physikalischen Eigenschaften das Bestimmen des effektiven Wassergehaltes wichtig.
des Bodens. Für Stofftransporte im Grundwasser muss zwischen dem für
Bei feinkörnigen Böden und Gesteinen kann der Wasserge- die Konvektion effektiven Wassergehalt und dem für die Diffu-
halt auch oberhalb der Wassersättigung durch Wasseraufnahme sion effektiven Wassergehalt unterschieden werden.
und Quellen bzw. durch Wasserabgabe und Schrumpfen variieren Ein effektiver Wassergehalt kann durch Trocknen nur bei
(Konsistenzbereiche plastisch bis halbfest). Bei sensitiven wasser- solchen Böden und Gesteinen bestimmt werden, die bei Tempe-
gesättigten Tonböden können scheinbar geringfügige Wasserge- raturen bis 105 °C kein Kristallwasser abgeben, z. B. bei Quarz-
haltsschwankungen (Größenordnung 1 %) zu Bauwerksschäden sand. An Böden und Gesteinen, die Feinkorn, Tonminerale, or-
führen. An Laborversuchen weist Bachmann (1999) nach, dass ganische Substanz oder Minerale mit Kristallwasser enthalten,
im wassergesättigten Tonboden bei Wasserabgabe Saugspannun- welches bei Temperaturen unter 105 °C abgegeben wird, z. B.
gen aufgebaut werden. Er zeigt auf, dass eine Wassergehaltsab- Gips, wird durch Trocknen ein Mischwert aus unterschiedlich
nahme von 30,5 auf 29 % den Aufbau einer Saugspannung in der zu bewertenden Wasseranteilen bestimmt. Nach DIN 18121,
Größenordnung 250 kN m−2 zur Folge haben kann. Teil 1 ermittelte Massen für die trockenen Proben können noch
Beim Bestimmen des Wassergehaltes ist zwischen dem nach Kristallwasser und Teile des Haftwassers enthalten, deren Aus-
DIN 18121 erfassbaren Wassergehalt, dem für Konvektion ef- treiben vom Dampfdruck (Vakuum, Temperatur) und der Ein-
fektiven Wassergehalt (mobiles Wasser) und dem für Diffusion wirkzeit bestimmt wird. Solches Wasser kann beim Anwenden
effektiven Wassergehalt zu unterscheiden. von Schnellverfahren nach DIN 18121, Teil 2 in unterschiedli-
chem Maße ausgetrieben werden. Es werden dann abweichende
zz Wassergehalt nach DIN 18121 – Gesamtwassergehalt Wassergehalte ermittelt.
Für den Erd- und Grundbau ist der Wassergehalt in DIN 18121, Indirekte Methoden der Wassergehaltsbestimmung arbeiten
Teil 1 definiert. mit dem Messen von Diffusionsströmen, elektrischer Leitfähig-
Der Wassergehalt w ist das Verhältnis der in einer Probe keit, Wärmeleitfähigkeit, Geschwindigkeit bzw. Dämpfung einer
enthaltenen Wassermasse mw zur Masse der trockenen Probe elektromagnetischen Welle (Georadar) und Wasserspannung
md. Der Wassergehalt wird in Massenprozent, bezogen auf die bzw. Matrixpotential (Tensiometer).
Trockenmasse, angegeben. Nach dieser Definition können z. B.
organische Böden mit geringer Trockenmasse Wassergehalte zz Effektiver Wassergehalt für Konvektion
deutlich über 100 % enthalten. Dieser Wassergehalt kann als Differenz zwischen wassergesät-
tigtem Boden und der Feldkapazität definiert werden. Das Be-
w=
mw
ŒMassen-% stimmen der Feldkapazität erfolgt am wiederholt ge- und ent-
md wässerten Boden. Das Wässern kann durch Unterdruck (z. B.
im Exsikkator) forciert werden. Die ungestörte Bodenprobe wird
Das Bestimmen erfolgt gravimetrisch durch Trocknen im Ofen sofort nach dem Wässern gewogen und zum Abtropfen auf ein
bei 105 °C. Das Durchführen und Auswerten der Analyse ist Drahtgitter gestellt. Das Abtropfen geschieht in einem geschlos-
in DIN 18121-1, Pos. 7, 8, 9 und Anhang und in DIN ISO/ senen Gefäß (. Abb. 8.15) und wird über die Gewichtsabnahme
TS 17892-1 beschrieben und demonstriert. Für Gesteinskörnun- kontrolliert. Ist Gewichtskonstanz erreicht (2. Wägung), wird der
gen (gebrochenes Material und Zuschlagsstoffe) gilt das Regel- Boden bei 105 °C im Ofen getrocknet. Der für die Konvektion ef-
werk DIN EN 1097-5. fektive Wassergehalt ist die Differenz zwischen erster und zweiter
Bei Schnellverfahren nach DIN 18121, Teil 2 kann das Trock- Wägung bezogen auf die Trockenmasse.
nen mit Infrarotstrahler, Elektroplatte, Gasbrenner, Mikrowellen-
herd oder ohne Trocknen mit Tauchwägung, Calciumkarbidver-
fahren oder Luftpyknometerverfahren erfolgen.
114 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
10
sich durch eine einfache Mischungsrechnung die Porenwasser-
menge bestimmen, in die sich das Tritium während des ersten
-
sergehalte bestimmt:
Fließgrenze wL: Grenze zwischen flüssig (nach Atterberg)
11
Austauschexperimentes ausgebreitet hat.
Der Austausch erfolgt über die Luftfeuchte im geschlosse-
nen Gefäß. Zum Vermeiden von Kondenswasserbildung an der
Gefäßwand und von Kapillarkondensation in der Gesteinsprobe
-- und plastisch;
Ausrollgrenze wP: Grenze zwischen fest und plastisch;
Plastizitätszahl IP: Differenz [%] zwischen Fließgrenze und
Ausrollgrenze: IP = wL − wP :
12 wird der Sättigungsdampfdruck über dem freien Wasser durch
Ansalzen auf mindestens 10 g NaCl pro Liter abgesenkt. Geräte sowie das Durchführen und Auswerten der Analysen
Der so ermittelte effektive Wassergehalt für Diffusion ist ein zum Bestimmen von Fließgrenze und Ausrollgrenze sind in
13 Maximalwert. DIN 18122-1, Pos. 6 bis 11 und in DIN ISO/TS 17892-12, Pos. 4
Dieses Austauschverfahren kann in abgewandelter Form bis 6 beschrieben und demonstriert.
14 auch für in Porenwasser gelöste Gase (z. B. Helium) und im Po-
renwasser gelöste Salze oder sonstige Stoffe durchgeführt werden. zz Konsistenzzahl
15 So kann deren molekulardiffusive Ausbreitung im Porenwasser Die Konsistenzzahl IC ist ein zahlenmäßiger Ausdruck für die
ermittelt werden. Beziehung zwischen (natürlichem) Wassergehalt und plastischen
Aus der Dauer des Rücktausches kann die Diffusionskons- Eigenschaften des Mineralbestandes einer feinkörnigen Boden-
16 tante bestimmt werden. probe. Der IC-Wert ist eine Zahl zwischen 0 und 1.
17 IC =
wL − w
1.16.2 Angabe des Wassergehaltes wL − wP
in Volumenprozent
18
Für bestimmte hydrogeologische Fragestellungen ist der Wasser- zz Liquiditätszahl
19 gehalt in Volumenprozent gefragt. Es ist das Verhältnis des in ei- Die Liquiditätszahl IL ist definiert als:
ner Probe enthaltenen Volumens der Wassermasse Vw [g = cm3;
20 mw = Vw] zum Probevolumen V [cm3]: IL = 1 − I C :
.. Tab. 1.29 Zustandsformen des plastischen Bereiches .. Tab. 1.30 Eignung von schrumpffähigem Boden als Baugrund oder
Baustoff
Zustandsform Konsistenzzahl IC Liquiditätszahl lL
Schrumpfmaß VS [%] Bewertung
Breiig 0–0,5 1–0,5
<2 Geeignet
Weich 0,5–0,75 0,5–0,25
2–5 Bedingt geeignet
Steif 0,75–1 0,25–0
5–10 Schlecht, wenig geeignet
-
gelten folgende Faustregeln:
breiig
Breiig ist ein Boden, der beim Pressen in der Faust zwi-
hat die Einheit g cm−3 oder t m−3. Als Masse m geht die feuchte
Probe einschließlich der mit Flüssigkeit oder Gas gefüllten Poren
ein. Als Volumen geht beim Bestimmen das Probevolumen V ein:
-
= m=V:
Weich ist ein Boden, der sich leicht kneten lässt.
steif Die Dichte des feuchten Bodens ist Grundlage für Lastberech-
Steif ist ein Boden, der sich schwer kneten lässt. Er lässt nungen bei Aushub, Transport und Wiedereinbau sowie für das
-
und Pollage > 9,83 m s−2. Diese Angabe von g in m s−2 ist für geophysikali-
mendrücken zu lassen. sche Arbeiten zu grob. Daher wird die Erdbeschleunigung nach internationa-
fest ler Absprache von 1967 in g. u. („gravity unit“) gemessen. 1 g. u. = 10−6 m s−2,
entsprechend: 10 g. u. = 1 Milligal. Die theoretische Erdbeschleunigung be-
Fest ist ein Boden, der ausgetrocknet ist und der sich nicht
trägt für NN in Äquatoriallage gnorm = 9.780.318,5 g. u. und berechnet sich
kneten und sich nicht zu einem Klumpen zusammenballen für die NN-Werte anderer Breitengrade L zu: gnorm = 9.780.318,5 + 51.629,27
lässt. Zwischen halbfester und fester Konsistenz findet ein sin2L + 229,5 sin4L. Die Differenz zwischen Pol und Äquator beträgt
Farbumschlag von dunkel zu hell statt. Der Boden oberhalb 50.000 g. u. In den mittleren Breiten zwischen 40 und 50° ändert sich der
der Schrumpfgrenze verändert sein Volumen in Abhän- Schweregradient g um etwa 8 g. u. pro km Nord-Süd-Distanz. Der häufig
zitierte Wert g = 9,81 m s−2 gilt etwa für den 49. Breitengrad auf NN. In der
gigkeit vom Wassergehalt. Unterhalb der Schrumpfgrenze
deutschen bautechnischen Normung wird g vereinfachend mit 10 m s−2
ist das Bodenvolumen vom Wassergehalt unabhängig und angenommen. Entsprechend werden Bodenkenngrößen für die Dichte ρ
nahezu konstant. einfach mit dem Faktor 10 in γ umgeschrieben.
116 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Abschätzen der bleibenden Auflockerung oder Überverdichtung Das Bestimmen erfolgt in der Geotechnik als Korndichte ρs
1 (Abschn. 8.8). Sie ist die Ausgangszahl für das Berechnen der nach DIN 18124. Beim Prüfen von Naturstein und Gesteins-
Kennwerte für Trockendichte und Wichte. körnungen erfolgt das Bestimmen als Korndichte ρk nach
2 Das Bestimmen der Dichte kann entsprechend DIN 18125 DIN EN 1936.
durch Auswiegen der Probemasse und Ausmessen des Probe- Geräte sowie das Durchführen und Auswerten der Analysen
volumens erfolgen. In Abhängigkeit von der Bodenart werden zum Bestimmen der Korndichte mit dem Pyknometer (Kapil-
-
3 folgende Methoden der Volumenbestimmung angewendet: larpyknometer und Weithalspyknometer) sind in DIN 18124,
feinkörnige Böden und Sand Pos. 7 bis 10 und in DIN ISO/TS 17892-3 beschrieben und de-
4 Ausstechzylinderverfahren (. Abb. 1.5); Probemenge: monstriert.
-
6 igkeit: 10 g; teln der Korndichte erfolgt nach DIN 18124 durch Bestimmen
sandfreier Kies und Schotter der Probemasse bei Wägegenauigkeit 0,001 g, des Probevolu-
7 Ersatzverfahren mit Wasser, Bentonit oder Kleister mens im geeichten Kapillarstopfenpyknometer (100 cm3) und
19 d =
: zz Porenzahl
.1 + w=100/ Die Porenzahl e beschreibt das Verhältnis des Porenanteils zum
20 Anteil der Festmasse (Trockenmasse). Die Porenzahl lässt sich
Die Trockendichte ist Ausgangswert für Aussagen über den Ver- bei Kenntnis der Dichte ρ, der Korndichte ρs und des Wasserge-
dichtungsgrad eines Bodens. haltes w errechnen:
21
zz Korndichte n
22
e= :
Die Korndichte ρs ist die Masse der Körner md (nach Trocknung 1−n
bei 105 °C), bezogen auf das im Kapillarpyknometer bestimmte
Volumen Vk der Körner:
23
s = md =Vk :
1.17 • Wichte und Dichte
117 1
.. Tab. 1.31 Korndichte ρs [g cm−3] der gesteinsbildenden Minerale .. Tab. 1.32 Bezeichnungen von Boden nach der Sättigungszahl Sr
zz Porengröße
Die Größe (Öffnungsweite) der Poren und Porenkanäle ist ein 1.17.3 Proctordichte
Maß für die Durchlässigkeit des Bodens. Sie wird in Millimetern
für den Porendurchmesser angegeben. Mit dem Proctorversuch wird die Verdichtbarkeit und der
Verdichtungsgrad einer verdichteten Schüttung kontrolliert
zz Sättigungszahl (. Tab. 1.33, . Abb. 1.82, ▶ Abschn. 12.4 und 12.5). Verdichtung
Der Porenanteil n ist ein Maß für den Hohlraumgehalt. Bei ist die bleibende Verminderung des Porenanteils n bzw. die blei-
Lage unter dem Grundwasserspiegel ist n ein Maß für den bende Erhöhung der Trockendichte ρd. Die Verdichtungsleistung
Wassergehalt in Volumenprozent. Oberhalb des Grundwas- ist vom Wassergehalt w und der eingesetzten Arbeit abhängig
serspiegels können die Poren mit Wasser und/oder Luft ge- (Abschn. 8.3). Die Proctordichte ρPr ist die unter Versuchsbedin-
füllt sein. Hieraus ergeben sich Aussagen zur Wassersättigung. gungen nach DIN 18127 erreichbare größte Trockendichte ρd.
Das Maß der Wassersättigung ist abhängig von der räumlichen In Abhängigkeit vom zulässigen Größtkorn (20; 31,5; 60 mm)
Lage, von Witterung und Klima und von der Porengröße im wird mit unterschiedlich großen Versuchszylindern und Ver-
Boden bzw. der wirksamen Korngröße des Bodens. Die Sät- dichtungsgeräten gearbeitet (d1 = 100 mm, h1 = 120 mm, Ham-
tigungszahl Sr ist der Kennwert für den mit Wasser gefüllten mergewicht m1 = 5 kg; d2 = 150 mm, h2 = 125 mm, m2 = 4,5 kg;
Porenraum nw. Sie ist eine Zahl zwischen 0 und 1. Der Wert 1 d3 = 250 mm, h3 = 200 mm, m3 = 15 kg).
entspricht einem wassergesättigten Boden mit Wasserge- Geräte, Durchführen des Versuches, Auswerten, Bestimmen
halt wges. und Berechnen des Wassergehaltes und der Trockenmasse im
Einzelversuch, das Bestimmen der Proctordichte und das Dar-
nw w stellen der Ergebnisse sind in DIN 18127, Pos. 5 bis 9 mit An-
Sr = =
n wges wendungsbeispielen im Anhang erklärt.
Als Verdichtungsgrad DPr einer Schüttung wird der Quotient
. Tab. 1.32 enthält die üblichen Bezeichnungen für Boden nach aus Trockendichte ρd und Proctordichte ρPr bezeichnet:
der Sättigungszahl.
118 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 1.33 Im Proctorversuch ermittelte Kennwerte für die Konstruktion der Sättigungslinie in . Abb. 1.82
Punktbezeichnung A B C D
2 Wassergehalt [%] 25 30 35 37,5
Temperatur [°C] 20 20 20 20
3 −3
Dichte des Wassers [g cm ] 0,998 0,998 0,998 0,998
4
−3
Kornrohdichte [g cm ] 2,71 2,71 2,71 2,71
Sättigungszahl Sr 1 1 1 1
5 −3
Trockendichte ρdSr [g cm ] 1,614 1,493 1,39 1,343
8 w Sr
1 .. Tab. 1.35 Festigkeiten wichtiger Gesteine (zu beachten sind die besonderen Hinweise zu . Tab. 1.34)
12
Die Gleichsetzung des Glühverlustes mit dem Gehalt an or- Unter Bruch versteht man das Versagen eines festen Kör-
ganischer Substanz ist bei feinkörnigen Bodenarten durch die pers bei Beanspruchung durch Aufteilung in zwei oder meh-
13 Abgabe von Kristallwasser verfälscht. Bei kalkhaltigen Böden rere Teilkörper entlang einer oder mehrerer neu entstehender
geht freigesetztes CO2 in den Glühverlust ein. Ein genaueres oder neu aufspaltender Trennflächen (Bruchflächen, Scher-
14 Bestimmen kann durch Nassoxidation mit 30 %igem Wasser- flächen).
stoffperoxid (H2O2) oder 3 %iger Natronlauge (NaOH) durch-
15 geführt werden.
1.19.1 Druckfestigkeit
a b c
d e f
Die Druckfestigkeiten von Stein und Beton geben Aussagen zur Aus dem Festigkeitsindex bei Lastpunktabstand 50 mm kann
Belastbarkeit, so u. a. die Bemessung. An getrockneten und nach statistischen Auswertungen auf die einaxiale Druckfestig-
nassen Proben wird die Erweichbarkeit bestimmt. Versuche an keit geschlossen werden:
gefrorenen und aufgetauten Proben geben Aussagen zur Frost-
und Wetterbeständigkeit. Die Druckfestigkeit ist die höchste Fes- u = ˛Is :
tigkeitsgröße eines Gesteins. Bei anisotroper Gesteinsstruktur
(Schichtung, Schieferung) ist anzugeben, ob die Last senkrecht, Erfahrungswerte für α liegen bei homogenem, hartem Gestein
schräg oder parallel zur Anisotropie aufgebracht wurde (DIN mit isotropen Festigkeitseigenschaften in der Größenordnung
EN 1926, Bild 2). 24–25. Bei verwitterten Gesteinen und bei Gesteinen mit an-
Für Sachfragen der Steinbruchindustrie wird die Druckfes- isotroper Festigkeit zeigen ermittelte Festigkeitsindizes große
tigkeit von Naturstein nach DIN EN 1926 an Würfeln mit 50 mm Streuung.
Kantenlänge, bei grobkörnigem Gefüge an Würfeln mit 100 mm
Kantenlänge bestimmt.
Das Prüfen nach DIN EN 1926 ergibt höhere Festigkeitswerte 1.19.2 Zugfestigkeit
als nach DIN 18136.
Die Zugfestigkeit σz ist der maximale Widerstand, den ein Körper
zz Festigkeitsindex nach dem Punktlastversuch dem Zerreißen entgegensetzt. Sie wird als Zugspannung σz, also
Der Punktlastversuch gibt Anhaltswerte zur Druckfestigkeit. als die auf die Flächeneinheit A bezogene Zugkraft F, angegeben:
Dabei werden Gesteinsproben zwischen zwei abgerundeten
Kegelspitzen (r = 5 mm) bis zum Bruch belastet (. Abb. 1.85). F
maxZug = z = ŒN m−2
Gemessen wird der Abstand a zwischen den Kegelspitzen, der
--
A
Durchmesser d und die Bruchlast F [N]. Der Festigkeitsindex Is
ergibt sich zu: F = bei Brucheintritt gemessene Zugkraft [N]
A = Anfangsquerschnittsfläche der Probe [cm2 oder mm2]
F
Is = ŒN m−2 :
a2 Obwohl kohäsive Böden in Abhängigkeit von der Konsistenz ge-
ringe Zugfestigkeiten aufweisen, spielen diese in der Geotechnik
a und d sollen bei gedrungenen Proben 50 mm messen. Bei axial meist keine Rolle. Die nachfolgenden Betrachtungen betreffen
belasteten zylindrischen Prüfkörpern soll das Verhältnis der Pro- feste Prüfkörper. Die Zugfestigkeit ist bei spröden Stoffen wie
belänge L zum Lastpunktabstand a (= Durchmesser d) > 1,4 sein Stein oder Beton die geringste Festigkeitsgröße.
(Wittke 1984). Abweichende Lastpunktabstände können korri- Auf Zug werden Gesteine in der Natur bei Volumenausdeh-
giert werden (. Abb. 1.86). nung und Volumenkontraktion beansprucht. Ungleichmäßige
122 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Porenwasserdruck wirkt der Auflast entgegen und kann den Rei- von Baugruben, mit ca. 45°, also steiler als im Winkel der inneren
bungsanteil bis φ = 0 verringern. Reibung, angelegt werden.
Der auf Kohäsion beruhende Anteil der Scherfestigkeit ist Längliche und plattige Körner und Gerölle können im Sand,
eine von der Belastung weitgehend unabhängige Bodenkenn- Kies oder Schotter eingeregelt vorliegen (primäre Gefügeeinre-
größe. Meist wird die Kohäsion als konstante Größe angesehen. gelung, Dachziegellagerung, Imbrikation). Daraus resultiert wie
Die Kohäsion bindiger Böden kann sich jedoch im Laufe der bei einem Trockenmauerwerk eine Gefügekohäsion.
Zeit ändern. Während z. B. bei Schüttungen vielfach ein Kohäsi- In anstehenden Zersatzsanden (Gneiszersatz, Granitzersatz
onsaufbau beobachtet wird, wird bei bestimmten Böden, z. B. in bzw. vergruster Granit) bewirkt das erhaltene und in dichter Pa-
Abtragsböschungen, Kohäsionsabfall beobachtet. ckung vorliegende Korngefüge eine Gefügekohäsion (Kohäsion
Die Kohäsion ist der Zusammenhalt der Bodenteilchen. durch Umschließung; Kieslinger 1962). Diese kann bei Abgra-
Dieser Zusammenhalt kommt bei feinkörnigen Böden über ver- bungen eine hohe Standfestigkeit der Wände bewirken.
schiedene Kräfte und Bindungen im Feinkornbereich zustande. Auf Sanddünen kann die dichte Packung eingeregelter Sand-
Bei Gesteinen und verfestigten Böden sind es mineralische Bin- körner eine feste befahrbare Deckschicht abgeben.
dungen und Verkittungen. Dichter oder verdichteter grobkörniger Boden und über-
Im Baugrund mit Kohäsion können standfeste senkrechte verdichteter feinkörniger Boden werden unter dem Einfluss ei-
Wände gebildet werden. Im Baugrund ohne Kohäsion liegen die ner Scherspannung zunächst bis zum Wert der Bruchfestigkeit
maximalen Hangneigungen in der Größenordnung des Winkels der mit der größten Scherfestigkeit τf weiterverdichtet. Bei geringer
inneren Reibung, etwa in der Größenordnung zwischen 30 und 40°. Änderung im Scherweg steigt die Scherspannung in der Probe
Die Scherfestigkeit ist bei grobkörnigem Boden, feinkör- stark an. Im Zustand des Zerbrechens oder Zerscherens wird der
nigem Boden und Fels jeweils unterschiedlich verursacht und Boden aufgelockert, und der weitere Abschervorgang bewirkt zu-
wird durch unterschiedliche Anteile von Reibung und Kohäsion nächst eine Volumenvermehrung bei gleichzeitiger Abnahme der
bestimmt. Scherfestigkeit bis zu einer kritischen Dichte mit zugehöriger kri-
tischer Scherfestigkeit τkr. Diese Verformungen können sich auf
Scherfestigkeit grobkörniger Böden Die Scherfestigkeit grob- eine Fläche konzentrieren (Ausbildung einer Scherfuge), oder es
körniger Böden ist ausschließlich durch den Reibungsanteil kann ein größerer Bereich des Baugrundes oder der Scherprobe
bestimmt und wird durch die Reibung zwischen den Körnern von dieser Auflockerung erfasst werden (Ausbildung mehrerer
verursacht. Der Reibungswinkel hängt von Kornform, Korn- Scherfugen). Bei sehr langen Scherwegen fällt die Scherfestigkeit
rauigkeit, Korngröße, Dichte, Porenvolumen, Wassergehalt, auf einen Minimalwert ab, welcher der Gleitfestigkeit oder Rest-
Porenwasserdruck und auch von den gewählten Versuchsbe- scherfestigkeit τr entspricht (. Abb. 1.88).
dingungen ab. Er liegt bei Sand und Kies zwischen 30 und 40° Bei lockeren grobkörnigen Böden und bei weichen feinkör-
(. Tab. 1.36). Der Böschungswinkel trocken aufgeschütteter nigen Böden steigt die Scherspannung mit zunehmendem Scher-
Massen entspricht im Grenzfall dem Reibungswinkel. Feuchter weg flach an. Der Boden wird bis zur kritischen Dichte verdich-
Sand enthält eine mit dem Wassergehalt variierende Kapillar- tet. Es ergibt sich ein gleicher Wert für τf,, τkr und τ.
kohäsion (scheinbare Kohäsion) und kann in steilerem Winkel
abböschen. Da die Kapillarkohäsion beim Austrocknen oder bei Scherfestigkeit feinkörniger Böden In feinkörnigen Böden wir-
Wassersättigung den Wert Null annimmt, ist die Standfestig- ken anziehende und abstoßende Oberflächenkräfte zwischen den
keit aller übersteilten Böschungen im feuchten Sand gefährdet Teilchen.
(Kieslinger 1962). Die Scherfestigkeit feinkörniger Böden wird von Reibung und
Für Standsicherheitsberechnungen wird die Kohäsion bei Kohäsion bestimmt. Sie ist bezüglich des Reibungsanteils unter-
grobkörnigen Böden mit Null angesetzt und die Kapillarkohä- schiedlich zu bewerten. Neben einem echten Reibungsanteil ist
sion in der Regel nicht berücksichtigt. In der Praxis wird die Ka- ein Teil der Reibung durch unterschiedliche Ladung der Tonmine-
pillarkohäsion von Sand dann genutzt, wenn Böschungen, z. B. rale zu erklären. Beim Abschervorgang muss in der Gleitfuge die
124 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 1.36 Größenordnung der Kohäsion und Reibung von verschiedenen Lockergesteinen und Böden. Die Tabellenwerte zeigen die Schwankungs-
breite. Besonders groß ist die Schwankungsbreite in Mischböden. Diese und vergleichbare Tabellen geben Anhaltswerte und sollen der Beurteilung der
Ergebnisse von Laborversuchen dienen. Die in der Praxis leider oft zu beobachtende Nennung von Bodenkenngrößen ohne Absicherung durch Versu-
2 che zum Bestimmen der Scherparameter sowie anderer Kennwerte ist nicht vertretbar. Analog entspricht dies einer Bewehrung von Baukonstruktionen
ohne statische Berechnung
3 Art des Lockergesteins oder Bodens Gruppe nach DIN 18196 Reibungswinkel φ′ [°] Kohäsion c′ [kN m
−2
]
zz Van-der-Waals-Kräfte
Elektromagnetische Wechselwirkungen zwischen den Elektro-
nenwolken benachbarter Moleküle bewirken gegenseitige Anzie-
hung. Diese Kräfte sind nur bei sehr geringen Teilchenabständen
wirksam und nehmen in der sechsten Potenz ab.
abstoßende Wirkung aus elektrostatischen Kräften überwunden Scherfestigkeit von Fels Bei Fels hängt die Scherfestigkeit von
werden. Diese Wirkung ist von Kornart, Korngröße, Kornform, der Druckfestigkeit des den Fels aufbauenden Gesteins und von
Tonanteil, Art der Tonminerale, Ionenbelegung der Tonminerale, der Ausbildung des Trennflächensystems ab. Die Kohäsion wird
Ladung der Tonminerale, Wassergehalt, Ausdehnung der Dop- bei Gesteinen durch mineralische Bindung und bei verfestigten
pelschicht, Elektrolytgehalt der Porenlösung und der sich hieraus Böden durch Verkittung verursacht.
einstellenden Pression im Boden abhängig. Die Ausdehnung des Die Kohäsion von Gesteinen und mineralisch verfestigten
in der Doppelschicht gebundenen Wassers kann in feinkörnigen Böden wird über die einaxiale Druckfestigkeit geprüft. Die Rest-
Böden über Ionenaustauschvorgänge gesteuert werden. scherfestigkeit eines zerbrochenen und abgescherten Gesteins
Im feinkörnigen tonigen Boden stellt sich ein osmotisches wird nur durch die Reibung bestimmt und ist viel kleiner als die
Druckgleichgewicht zwischen Porenlösung und Doppelschicht ein. einaxiale Druckfestigkeit.
Dieser Druck heißt Pression und stellt als abstoßende Kraft eine Im geklüfteten Fels wird die Scherfestigkeit vorrangig durch das
Gegengröße zu den anziehenden Kräften dar. Die Pression findet Trennflächensystem bestimmt. Die vom Felsverband aufnehmbare
Ausdruck in der Ausdehnung der Doppelschicht und spiegelt sich maximale Schubspannung ist abhängig von der räumlichen Lage
in verschiedenen Bodeneigenschaften wider. Dies sind der Winkel der Trennflächen, vom Trennflächenabstand und von der Trennflä-
der inneren Reibung und die mit diesem korrelierenden Eigenschaf- chenausbildung. Die Ausbildung der Trennflächen kann zwischen
ten wie Wasseraufnahmefähigkeit, Saugspannung, Wasserdurchläs- wenig durchscherten Klüften mit bestehenden Materialbrücken
sigkeit, Plastizität, Konsistenz und Zusammendrückbarkeit. und offenen Fugen mit Materialfüllung und/oder Wasserführung
Der Reibungsanteil wird bei feinkörnigen tonigen Böden, variieren. Der Fels besteht aus ineinandergefügten Kluftkörpern,
abhängig von deren Art und Zusammensetzung, durch die ge- welche eine auf Reibung aufbauende Gefügefestigkeit besitzen.
nannten Kriterien beeinflusst und bewirkt. Eine mit vorgegebener Beanspruchungsrichtung einwirkende
Bei Mischboden kann sich die Reibung aus echten mecha- Schubspannung ist im Trennflächensystem nach Anisotropie-
nischen Reibungskräften und aus der genannten Pression zu- effekten zu beurteilen (. Abb. 7.5 und 7.6). Anisotropie wird
sammensetzen. aus der Lage der verschieden orientierten und verschieden stark
Die Kohäsion wird bei feinkörnigen Böden durch die Summe ausgeprägten Trennflächenscharen und aus der möglichen un-
der anziehenden Kräfte gebildet. Sie ergibt sich aus dem Zusam- terschiedlichen Beanspruchung durch Schubspannungen im Fels
menwirken von adhäsiven Oberflächenkräften, Van-der-Waals- hervorgerufen. Nicht immer wirken angreifende Kräfte in der
Kräften, polaren Bindungen und Ionenbindungen (Martin 1992). Richtung vorgegebener Schwachstellen mit geringer Scherfestig-
Diese Bindungsarten werden mit wachsendem Teilchenabstand keit auf bestehenden Trennflächen ein, sodass sich aus günstiger
unwahrscheinlich. Die Kohäsion nimmt mit wachsender Dop- Raumlage der Trennflächen für beanspruchte Felsmassen eine
pelschicht und zunehmendem Wassergehalt ab. höhere Scherfestigkeit ergeben kann.
Schubspannungen, die entlang von Trennflächen wirken,
zz Adhäsion und Kapillarkohäsion können nur von Reibungskräften kompensiert werden. Die Rei-
Die Adhäsion ist von der Ausdehnung der Doppelschicht un- bung ist abhängig von der Kluftrauigkeit und der Kluftfüllung.
abhängig. Sie wirkt in Kapillaren und Zwickelräumen zwischen Zunehmende Rauigkeit der Kluftflächen bewirkt Öffnen der Fu-
Körnern. Die von der Adhäsion des Wassers verursachte Kapil- gen und Verringern der Berührungspunkte zwischen den anein-
larkohäsion (scheinbare Kohäsion) tritt nur im feuchten, nicht anderliegenden Kluftkörpern. Klaffende Fugen können mit Ver-
wassergesättigten Boden auf. Die die Adhäsion verursachende witterungslehm oder eingeschwemmtem Lehm ausgekleidet oder
126 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
verfüllt sein und somit in der Reibungswirkung stark erniedrigt ben. In der europäischen Norm CEN ISO/TS 17892-10
1 sein. Wasser und besonders Druckwasser kann die Scherfestig- (gleich mit DIN ISO/TS 17892-10) wird das Rahmenscher-
keit in den Fugen herabsetzen. Vielfach ist dies die Ursache für gerät unter Pos. 4.1 beschrieben. Zusätzlich zum konven-
2 Rutschungen im Fels. tionellen Gerät der DIN 18137-10 kennt diese Norm ein
Die Scherfestigkeit von Fels kann in Großversuchen (Gelän- parallel geführtes Rahmenschergerät.
deversuchen) oder großdimensionierten Rahmenscherversuchen Die Bodenprobe wird in die Scherbüchse eingebaut
3 (Labor) getestet werden. und durch eine Normalkraft σ1 stufenweise belastet und
Bei unvollkommener Durchklüftung mit nur teilweise durch- konsolidiert. Die Scherbüchse besteht aus zwei starren
4 gehenden Trennflächen (Durchtrennung < 1) ist zwischen der Rahmen, von denen der eine fest, der andere beweglich
Scherfestigkeit der noch bestehenden Materialbrücken und der ist. Die Probe wird in Höhe der Rahmenfuge zwischen
5 Scherfestigkeit in bereits geöffneten Fugen (Gleitfugen) zu un- den beiden Rahmen abgeschert (. Abb. 1.89b). Es wer-
terscheiden. Es ist Aufgabe der Geotechnik herauszufinden, mit den vier bis fünf Versuche bei verschiedenen Laststufen
welchen Scherfestigkeiten zu rechnen ist. Es muss jedoch beach- durchgeführt. Der Versuch eignet sich für feinkörnige
6 tet werden, dass Fels dazu neigt bei starker Spannungskonzentra- Böden und für Sande. In großen Scherrahmen können
tion sich im Trennflächensystem aufzulockern. Nicht abgescherte auch Kiese und Gesteinsblöcke abgeschert werden,
7 Gesteinsbrücken können durchreißen, oberflächenparallel kön- letztere zum Bestimmen der Reibung auf Kluftflächen.
nen sich neue Trennflächen ausbilden. Feinkörnige Proben können gestört bei der Fließgrenze
Die Reibungswinkel in den Trennflächen der Felsgesteine lie- oder ungestört eingebaut werden.
8 gen in vergleichbarer Größenordnung zu gleichen körnigen Ma- Die Restscherfestigkeit wird durch mehrfaches Abscheren
terialen im Boden, also in der Größenordnung zwischen Sanden und Zurückfahren des Scherschlittens ermittelt und für
9 und tonigen Schluffen. Es ist falsch, beim Anstehen von Fels für den Widerstand bestimmt, bei dem keine Änderung der
10
erdstatische Berechnungen ungeprüft Kennwerte des Bodens zu-
grunde zu legen. Es ist vielmehr erforderlich, das Trennflächen-
system mit Streichen und Fallen aufzunehmen und hieraus Bruch-
mechanismen zu konstruieren. Nur auf diese Weise können unter
- Scherkraft mehr eintritt.
Kreisringscherversuch
Beim Kreisringscherversuch wird die Probe in einen Ring
eingebaut. Die Scherkraft wird durch Drehen des oberen
11 Umständen Analogien zu Bodenbetrachtungen getroffen werden. Rahmens aufgebracht (. Abb. 1.89c). Der Scherweg ist
unbegrenzt. Die Restscherfestigkeit wird abgelesen, wenn
12 Versuchsanordnungen zum Bestimmen der Scherparameter Zum keine Änderung der Scherkraft mehr eintritt.
Bestimmen der Scherparameter sind folgende Versuchsanord- Der Versuch wird nach DIN 18137 Teil 3 durchgeführt. Der
13
14
-
nungen üblich:
Triaxialversuch
Im Triaxialversuch nach DIN 18137, Teil 2 wird eine
zylindrische Bodenprobe in einer Gummihülle zwischen
Geräteaufbau ist unter Pos. 5.1.2, der Einbau der Probe-
körper, das Durchführen und Auswerten des Versuches,
das Bestimmen der Scherparameter sowie das Darstellen
der Ergebnisse sind in Pos. 6 bis 9 und in der europäi-
zwei Druckplatten eingebaut und ringsum über eine schen Norm CEN ISO/TS 17892-10 (gleich mit DIN ISO/
15
16
Druckflüssigkeit belastet (σ1 = σ3) Durch Steigerung des
Druckes über die Druckplatten (σ1 > σ3) wird die Probe
gestaucht. Wird die Scherfestigkeit nach kurzer Stauchung
überschritten, spricht man von sprödem Bruch. Wird die
- TS 17892-10) beschrieben und demonstriert.
direkter Scherversuch, Großscherversuch
Der direkte Scherversuch wird im Gelände bei grobstü-
ckigem Boden und bei aufgelockertem Fels durchgeführt.
Probe stärker gestaucht, spricht man von plastischem Bruch Es werden durch seitliches Abgraben würfel- oder qua-
17 und bei sehr großer Stauchung von plastischem Fließen. derförmige Versuchskörper so aus dem Gesteinsverband
Die Versuchsanordnung gestattet die freie Ausbildung von herauspräpariert, dass sie anschließend durch seitliches
Scherflächen (. Abb. 1.89a). Der Versuch eignet sich für Abpressen über ihre Grundfläche abgeschert werden
18 gestörte und ungestörte bindige Böden, aus denen sich (. Abb. 1.89d; Habetha 1968).
standfeste Probekörper erstellen lassen. Es können auch Die Normalkraft σ1 resultiert aus dem Eigengewicht des
19 nicht standfeste Probekörper aus bindigen und nicht-bindi- Bodens, aus einer künstlich aufgebrachten Auflast oder im
20
gen Böden hergestellt und untersucht werden.
Geräte, Herstellen der Probekörper, Durchführen und Aus-
werten des Versuches sowie Darstellen der Ergebnisse sind
in DIN 18137 Teil 2, Pos. 5 bis 8 und in DIN ISO/TS 17892-
- Tunnelbau aus gegen die Firste abgestützte Pressen.
Flügelscherversuch/Flügelsondierung
Weiche feinkörnige und organische Böden können im
Gelände mit der Flügelsonde nach DIN 4094-4 auf die
-
21 8, Pos. 5 bis 8 beschrieben und demonstriert. Scherfestigkeit des undränierten wassergesättigten Bodens
Direkter Scherversuch mit dem Rahmenschergerät (Kasten- untersucht werden. Die Flügelsonde besteht aus einem
22 schergerät) Stab mit über Kreuz stehenden Flügeln am unteren Ende.
Der Versuch wird nach DIN 18137 Teil 3 durchgeführt. Der Die Flügelbreite beträgt 50 bzw. 75 mm, die Flügelhöhe
Geräteaufbau ist dort unter Pos. 5.1.1, der Einbau der Pro- 100 bzw. 150 mm und das Verhältnis von Flügelhöhe H zu
23 bekörper, das Durchführen und Auswerten des Versuches, Flügelbreite D 2:1.
das Bestimmen der Scherparameter sowie das Darstellen Geräte sowie das Durchführen und Auswerten des Versu-
der Ergebnisse sind in Pos. 6 bis 9 dieser Norm beschrie- ches sind in DIN EN ISO 22476 T. 9 und in DIN 4094-4,
1.19 • Festigkeit
127 1
.. Abb. 1.89 Versuchsanordnungen zum Bestimmen der Scherfestigkeit. a Triaxialgerät, b Rahmenschergerät, c Kreisringschergerät, d Großscherversuch,
e Flügelsonde. (Umgezeichnet nach Schultze und Muhs 1967)
128 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
Pos. 5 bis 9 geregelt. Die Flügelscherversuche werden nach Der konsolidierte, dränierte Versuch mit konstant gehal-
1 der Flügelbreite wie folgt bezeichnet: Flügelscherversuch tenem Volumen (CCV-Versuch) wird an konsolidierten
DIN 4094-FVT 50; Flügelscherversuch DIN 4094-FVT 75. Prüfkörpern durchgeführt. Durch fortlaufende Regelung
2 Die Flügelsonde wird langsam und gleichmäßig gedreht, von mindestens einer Hauptspannung wird bei konstan-
und der Drehwiderstand wird mit einem Drehmoment- tem Porenwasserdruck Volumenänderung verhindert. Der
messgerät bestimmt (. Abb. 1.89e). Die Drehgeschwindig- CCV-Versuch kann anstelle eines CU-Versuches durchge-
-
3 keit soll in weichen Böden mit geringer Sensitivität bei etwa führt werden.
30° pro Minute, in Böden mit hoher Sensitivität bei 5–10° unkonsolidierter, undränierter Versuch
4 pro Minute liegen. Maßgebend ist das maximale Drehmo- Der unkonsolidierte, undränierte Versuch (UU-Versuch)
ment Mmax, welches beim erstmaligen Abscheren auftritt. ist ein Scherversuch an Prüfkörpern aus feinkörnigem
5 Das maßgebende Moment für die Restscherfestigkeit Mr Boden mit gleichem Wassergehalt wie im Baugrund. Bei
kann auf gleiche Weise ermittelt werden, nachdem die geschlossenem Porenwassersystem werden die Prüfkör-
Flügelsonde zuvor mehrfach gedreht wurde (etwa zehn Um- per belastet und abgeschert. Der Porenwasserdruck wird
6 drehungen im Zeitraum von sechs Minuten bei etwa 10° pro nicht gemessen. Bestimmt werden die Scherparameter des
Sekunde). Abgelesen wird ein Wert für die Scherfestigkeit. undränierten Bodens cu und φu.
7 Reibung und Kohäsion können nicht unterschieden werden. UU-Versuche können mit Triaxial- und Biaxialgeräten
Der Scherwiderstand τ wird als Kohäsion in kN m−2 ange- (. Abb. 1.84c) durchgeführt werden. Bei einaxialen Druck-
geben, und zwar für den maximalen Scherwiderstand als cfv versuchen und bei Flügelsondierungen wird nur ein Punkt
8 und für den Restscherwiderstand als crv. Er ergibt sich zu der Grenzbedingungen erhalten. Es sind demnach verein-
fachte Sonderfälle zum UU-Versuch.
9 max = cfv = 0;273 Mmax =D 3
Bewerten von Scherparametern Für das Berechnen der Standsi-
10 und cherheit von Bauwerken werden die wirksamen Scherparame-
ter c′ und φ′ eines wassergesättigten Bodens oder die Scherpara-
r = crv = 0;273 Mr =D 3 : meter c und φ eines teilgesättigten Bodens verwendet.
11 Für das Berechnen der Anfangsstandfestigkeit, z. B. von
Die Laborflügelsonde wird zum Bestimmen der undränier- Schüttungen aus oder auf geringdurchlässigen nassen Böden,
12 ten Scherfestigkeit von Klärschlämmen eingesetzt (ATV- wird die undränierte Scherfestigkeit τu aus dem undränierten
Arbeitsbericht 1989). Scherversuch (CU-Versuch oder UU-Versuch) mit den Scher-
parametern cu und φu verwendet.
13 Versuchsarten zum Bestimmen von Scherparametern Abhängig Für das Beurteilen von aktiven Rutschungen und Gleitungen
von Versuchsbedingungen können für den gleichen Boden un- ist die Größe der wirksamen Restscherfestigkeit τr von Interesse.
14 terschiedliche Parameter φ und c gewonnen werden. Bei überkonsolidierten Tongesteinen besteht zwischen Bruch-
21 diesen kein Wasser austreten kann. Der Versuch wird an 1.20 Verformbarkeit
Prüfkörpern aus wassergesättigtem feinkörnigem Boden
22 durchgeführt. CU-Versuche können mit Triaxial- und Bei Laständerung (Belasten oder Entlasten) können Böden
Biaxialgeräten mit Vorrichtungen zum Messen des Poren- und Gesteine ihr Volumen und ihre Form ändern. Zu unter-
wasserdruckes durchgeführt werden. Bestimmt werden die scheiden ist zwischen elastischer und plastischer Verformung
23
- Scherparameter des undränierten Bodens cu und φu.
konsolidierter, dränierter Versuch mit konstant gehaltenem
Volumen
(. Abb. 1.90). Eine einseitige Beanspruchung eines Körpers in
einer bestimmten Richtung mit der Spannungsänderung ∆σ be-
wirkt in Richtung dieser Krafteinwirkung, z. B. in der Länge des
1.20 • Verformbarkeit
129 1
E= ŒMN m−2 :
"
.. Abb. 1.90 Spannungs-Verformungs-Diagramm für Böden mit elastischem
Bereich, plastischem Bereich und einem weitgehend unbekanntem Bereich
mit elastoplastischem Verhalten. pa Belastung am Übergang vom elastischen Im anisotropen Fels können Poisson-Zahl und Elastizitätsmodul
in den elastoplastischen Bereich; pb Bruchlast in den drei senkrecht aufeinanderstehenden Betrachtungsrich-
tungen (x, y, z) verschieden groß sein.
Für felsmechanische Fragestellungen ist der Elastizitätsmo-
Prüfkörpers l eine Stauchung ∆l. Damit ist stets eine Änderung dul der einzelnen Gesteinsprobe nur selten relevant. Gefragt ist
des Querschnitts d um die Verdickung ∆d verbunden. Das Ver- vielmehr das elastische und plastische Verhalten des Baugrundes
hältnis von Änderung in der Querdimension zur Änderung in bzw. Gebirges unter Einbeziehung des Trennflächengefüges und
der Längendimension beschreibt die Poisson-Zahl v: der möglichen Auflockerung. In der Felsmechanik werden E-
Moduln für Fels aus Verformungsmessungen im Labor und aus
d In-situ-Versuchen in Fels und Boden ermittelt. In-situ-Versuche
v=
l werden in Bohrlöchern oder in untertägigen Hohlräumen durch-
geführt. Gearbeitet wird in Schlitzen mit Druckkissen, in Bohrlö-
Die Poisson-Zahl v liegt für einen volumenkonstanten Körper in chern mit Druckpatronen, Bohrlochaufweitungssonden, Dilato-
der Größenordnung 0–0,5. metersonden, Seitendrucksonden, in untertägigen Hohlräumen
In der Regel liegt die Poisson-Zahl v bei Festgesteinen zwi- und Gräben mit Druckstempeln, Lastplatten, Doppellastplatten,
schen 0,1 und 0,3, bei dichten und mineralisch verfestigten Bö- Druckplatten, Radialpressen. Die so aus statischen Versuchen be-
den zwischen 0,25 und 0,4. stimmten Elastizitätsmoduln werden mit Estat. gekennzeichnet. Bei
Der reziproke Wert der Poisson-Zahl ist die Querdehnungs- bekannter Dichte und Poisson-Zahl können Elastizitätsmoduln
zahl m: aus den unterschiedlichen Wellengeschwindigkeiten von Longi-
tudinal- und Transversalwellen (Seismik) berechnet werden. Die
l 1 so ermittelten Elastizitätsmoduln werden mit Edyn gekennzeichnet.
m= =
d v
Die Verformung εl beschreibt das Verhältnis von Stauchung ∆l 1.20.1 Verformbarkeit von Boden
zur Probelänge l:
zz Verformungsmodul
l Der Verformungsmodul Ev beschreibt das Verhältnis zwischen
"1 = Œ%:
l Spannungsdifferenz ∆σ und der dazugehörenden Verformung ε
aus dem nichtlinearen Teil der Spannungs-Verformungskurve
Die Verformung εd beschreibt das Verhältnis von Querdehnung (. Abb. 1.92).
∆d zum Probequerschnitt d (. Abb. 1.91). In Boden und Fels werden die Verformungsmoduln mit den
Die Verformung von Körpern wird durch Moduln charak- gleichen Geräten wie der Elastizitätsmodul als bleibender Ver-
terisiert. Häufig verwendet werden Elastizitätsmodul, Verfor- formungsanteil gemessen. Der Elastizitätsmodul ergibt sich aus
mungsmodul, Steifemodul und Schubmodul. der Entlastungskurve.
3 zz Bettungsmodul
Für Aufgaben im Straßen- und Flugplatzbau kann der Bettungs-
4 modul ks nach DIN 18134 mit einem Plattendruckversuch mit
der Lastplatte mit 762 mm Durchmesser ermittelt werden. Aus
5 .. Abb. 1.92 Spannungs-Verformungs-Diagramm für den elastischen
der Last-Setzungs-Linie der Erstbelastung wird die Belastung
herausgegriffen, der das Setzmaß s = 1,25 mm zuzuordnen ist.
Bereich. Der E-Modul entspricht der Steigung der Geraden und ist über die
Der Bettungsmodul wird bestimmt zu:
6 Länge des dargestellten Bereichs gleich
.. Abb. 1.95 Zeitlicher Verlauf von Stoßkraft und Setzung bei Stoßbelastung
mit dem Leichten Fallgewichtgerät nach „Technische Prüfvorschrift für Boden
und Fels im Straßenbau“ (TP BF-StB, Teil B 8.3), Forschungsgesellschaft für
Straßen- und Verkehrswesen
und nimmt zur Unterkante der Probe auf null ab. Beim Versuchs-
aufbau mit schwebendem Ring (Kompressionsgerät/Ödometer,
. Abb. 1.84f) dringen zwei Stempel in den Ringraum ein. Die
Mittelfläche der Probe liegt stabil mit der Bewegung null. Die
Teilchen aus Ober- und Unterkante der Probe werden um den
jeweils halben Betrag der Setzung am Metallring vorbeibewegt.
Beim Versuch wird die Belastung stufenweise aufgebracht
.. Abb. 1.94 Prinzipskizze des Leichten Fallgewichtgerätes nach „Technische
und von Laststufe zu Laststufe verdoppelt. Die Dauer der Be-
Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau“ (TP BF-StB, Teil B 8.3),
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. 1 Lastplatte, 2 Trag-
lastung ist bodenabhängig und soll bei allen Laststufen gleich
griffe, 3 Setzungsmesseinrichtung, 4 Fallgewicht, 5 Federelement, 6 Führungs- sein (bis 24 h pro Laststufe!) Es wird jeweils die Endsetzung ∆h
stange, 7 Ausklinkvorrichtung, 8 Kippschutzvorrichtung abgelesen und auf die Anfangshöhe der Probe bezogen.
132 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
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.. Abb. 1.97 Zeit-Setzungs-Linie mit Unterscheidung
von Sofortsetzung, primärer Setzung und sekundärer
10 Setzung. (Aus Schultze und Muhs 1967)
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h Das Druck-Setzungs-Diagramm enthält bei jung abgelager-
16 s0 =
h ten feinkörnigen Böden einen Knickpunkt mit der Vorbelastung
σp. Laststeigerungen über die Vorlast hinaus führen zu einem
17 Die auf die Anfangshöhe „bezogene Setzung“ s′ wird in ein halb steileren Verlauf der Druck-Setzungskurve. Der gleiche Effekt
logarithmisches Druck-Setzungsdiagramm gegen die Auflast σ kann durch Entlasten und Wiederbelasten erreicht werden, wo-
eingetragen (. Abb. 1.96). bei der Wiederbelastungsast im Diagramm flacher verläuft als
18 der Erstbelastungsast (vgl. . Abb. 1.93).
Zeit-Setzungsversuch Beim Zeit-Setzungsversuch wird die nach Der Steifemodul Eoed wird aus der Steigung der an die Set-
19 Ablauf von Zeitabschnitten eingetretene Setzung abgelesen. (Bei zungskurve angelegten Tangente ermittelt:
Direktablesung kann folgendes Schema gewählt werden: 6, 12, 24,
20 48, 60 s; 2, 4, 8, 15, 30, 60 min; 2, 4, 8, 16, 24 h.) Das zeitabhän- Eoed =
=
ŒMN m−2 oder ŒMPa :
gige Setzmaß wird im zeitlogarithmischen Maßstab aufgetragen s 0 .h=ha /
(. Abb. 1.97). Der Setzungsvorgang klingt bei gut durchlässigen
21 und kohäsionsfreien Böden (Sand, Grobschluff, Löss) schnell ab. Der Steifemodul dient zum überschlägigen Abschätzen von
Bei feinkörnigen, nur geringdurchlässigen Bodenarten dauert Setzungsvorgängen unter Gebäuden. Der Steifemodul ist lastab-
22 der Setzungsvorgang lange an. Die Zeit-Setzungs-Kurve lässt hängig und für den projektierten Belastungsbereich unter der
dann eine Unterscheidung von Sofortsetzung, Primärsetzung Gründungssohle zu ermitteln. . Tab. 1.37 gibt einen Überblick
und Sekundärsetzung zu. Der Zeit-Setzungs-Versuch dient zum zur möglichen Schwankungsbreite der Steifemodule Eoed (altes
23 Abschätzen der erforderlichen Zeit von Setzungsvorgängen unter Symbol: Es) für verschiedene Bodenarten.
Bauwerkslasten. Er dient weiterhin zum näherungsweisen Er- Der Steifemodul von jungen Ablagerungen ohne starke Vorbe-
mitteln des Durchlässigkeitsbeiwertes k (von Soos 1990, 2001). lastung und ohne Verfestigung kann im Regelfall ab der Spannung
1.20 • Verformbarkeit
133 1
zz Volumenzunahme beim Quellen, Quelldruck oder von Widerlagern sowie für das Dimensionieren der Si-
Feinkörnige Böden können unter Wasseraufnahme der Ton- cherung und Auskleidung von Stollen und Druckschächten
minerale (Einbau zwischen die Schichtgitter) eine Volumen- werden felsrelevante Messgrößen für Elastizitätsmodul, Ver-
zunahme erfahren. Volumenzunahme und Quelldruck werden formungsmodul und Bettungsmodul benötigt. Versuche
im Ödometer oder in einer Drucksetzungskammer bestimmt. können an zugänglichen Messpunkten wie in untertägigen
Als Quelldruck wird die Spannung [MPa] oder [MN m−2] be- Hohlräumen und Geländeeinschnitten oder in Bohrlöchern
zeichnet, bei der die Quellerscheinung durch Gegenlast kompen- durchgeführt werden. An zugänglichen Messpunkten werden
siert wird. Quelldrücke liegen in der Größenordnung von etwa Plattendruckversuche und Versuche mit Druckkissen durchge-
2 MN m−2. Höhere Drücke treten bei Umkristallisationsvorgän- führt. In Bohrlöchern werden Bohrlochaufweitungsversuche,
gen auf (▶ Abschn. 13.5.2). Dilatometer-, Seitendrucksonden- und Pressiometermessun-
gen eingesetzt. Da das anstehende Gebirge selten homogen
ist, muss ein repräsentatives Gebirgsvolumen geprüft werden.
1.20.2 Verformbarkeit von Fels Um die durchschnittliche Gebirgsstruktur zu erfassen, soll die
Versuchsfläche nach Möglichkeit mehrere Kluftkörper über-
Für das Planen und Bemessen von Baumaßnahmen im Fels, decken.
besonders für das Bemessen der Belastbarkeit von Untergrund
134 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
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.. Abb. 1.99 Messbeispiel mit Versuchsaufbau (oben) und Last-Verformungs-Diagrammen (unten) eines Plattendruckversuches. (Gesamtkatalog Interfels
.. Abb. 1.101 Auswertebeispiel eines Kissendruckversuches mit sieben Laststufen. a Gegenüberstellung von Kissendruck und Versuchsdauer; b Gegenüber-
stellung von Kissendruck und Kissenaufweitung. (Umgezeichnet nach Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad Bentheim)
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13 Der Versuch wird zum Bestimmen der In-situ-Spannungszu-
stände von direkt zugänglichen Felsoberflächen angewendet und
14 ist auch zum Überprüfen der Belastungszustände in Bauteilen
wie Pfeiler, Gründungsmauerwerk oder Tunnelauskleidung alter
15 Bauwerke geeignet. Der Versuch besteht aus zwei Versuchspha-
sen. Zunächst wird mit einer Gesteinssäge ein Schlitz hergestellt.
Verschiebungen an den Schnittufern werden eingemessen. Da-
16 nach wird ein hydraulisches Druckkissen in den Schlitz einge-
führt (. Abb. 1.100) und der Druck wird solange erhöht, bis die
17 Verschiebungen an den Schnittufern wieder rückgängig gemacht
(kompensiert) sind. Der Vorteil der Methode ist, dass für das
Auswerten keine Materialkennwerte benötigt werden. Die zu
18 bestimmende Spannungskomponente normal zum Schlitz σn
berechnet sich aus dem Druck im Kissen p, einem Formfaktor
19 des Kissens Km und dem Verhältnis von Fläche Druckkissen zu
Fläche Schlitz Ka:
20 n = pKm Ka :
21 .. Abb. 1.103 Definition der im Biaxialversuch ermittelten Gebirgsmoduln. Es wird pro Versuch eine Normalspannungskomponente ermit-
Der Verformungsmodul wird am Belastungsast, der Elastizitätsmodul am telt.
22 Entlastungsast bestimmt. (Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad Bentheim)
zz Biaxial- und Triaxialkissenversuch
Für das geotechnische Beurteilen größerer Felsbauwerke mit ho-
23 hem Sicherheitsbedürfnis (Talsperren, Kavernen, risikobelastete
Untertagedeponien) sind Verformbarkeit, Standsicherheit und
Belastbarkeit des umgebenden Gebirges von besonderer Bedeu-
1.20 • Verformbarkeit
137 1
.. Abb. 1.104 Grafische Darstellung der Druck-Verformungs-Kurven bei einem Biaxialversuch. (Umgezeichnet nach Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad Bentheim)
tung. Die felsmechanischen Eigenschaften des anstehenden Ge- Zehnermeterbereich getestet werden.) Das Spektrum der Elas-
birges sind in verschiedenen Richtungen zu testen. tizitätsmoduln E und Verformungsmoduln Ev von Boden und
Beim biaxialen Druckkissenversuch werden zwei Paare Fels erstreckt sich von ca. 1 MPa (1 MN m−2 oder 1 N mm−2)
von Druckkissen in quadratischer Anordnung eingesetzt für weiche Böden bis etwa 100 GPa (100.000 MN m−2) für festen
(. Abb. 1.102, 1.103 und 1.104). Beim triaxialen Versuch Fels. Die üblichen Bohrlochaufweitungssonden decken jeweils
wird zusätzlich eine senkrecht wirkende Normallast auf den nur einen Teil dieser Anwendungsbereiche ab (. Abb. 1.106).
von Druckkissen umgebenen Gebirgskörper aufgebracht Bohrlochaufweitungsversuche, Geräte und Versuchsaus-
(. Abb. 1.105). wertung sind in DIN 4094-5 geregelt. Diese Norm unterscheidet
Bei der triaxialen Versuchsanordnung wird der Gebirgskör- zwischen Dilatometerversuchen im Boden (SDT, soil dilatometer
per in allen Richtungen kontrolliert geprüft. test), Dilatometerversuchen im Fels (RDT, rock dilatometer test),
Die Orientierung der Belastung kann bei biaxialem wie triaxi- Pressiometerversuchen (MPT, Ménard pressuremeter test) und
alem Versuchsaufbau so gewählt werden, dass sie in Beziehung zur
erwarteten Beanspruchungsrichtung durch das Bauwerk steht. Ge-
arbeitet wird mit einer maximalen Gebirgspressung von 15 MPa.
Für das untersuchte Gebirge lassen sich mit diesen Versuchen
-
Seitendruckversuchen (BJT, borehole jacking test):
Dilatometerversuch
Die Dilatometersonde ist ein mit einer Gummimanschette
ummantelter Stahlzylinder (Gummipacker; . Abb. 1.107)
Verformungsmodul, Elastizitätsmodul, Querdehnungszahl, Fes- mit einem Durchmesser zwischen 73 und 101 mm. Der
tigkeitsparameter, Anisotropieverhältnisse, Kriechverhalten und Druck wird auf pneumatischem oder hydraulischem Wege
In-situ-Spannungszustand jeweils in zwei oder drei Richtungen auf die Bohrlochwand aufgebracht (1–100 bar) und über
bestimmen. Der untersuchte Versuchskörper hat üblicherweise Feinmessmanometer kontrolliert. Das Aufweiten der Bohr-
Abmessungen von 1,2 ∙ 1,2 ∙ 1,2 m und wird mit einer Schlitzsäge lochwand wird über drei Wegaufnehmer (Messtaster) mit
oder Bohrvorrichtung aus dem Gebirgsverband herausgetrennt. einer Messgenauigkeit von 0,001 mm bei einem Messweg
von bis zu 36 mm gemessen. Unterschieden werden Geräte
zz Bohrlochaufweitungsversuche mit Messtaster an der Bohrlochwand für das Messen im
Bohrlochaufweitungssonden bieten die Möglichkeit, den Un- Fels (RDT) und Geräte mit Messtaster am Inneren der
tergrund vom Bohrloch aus auf seine Verformbarkeit zu testen. Gummimembran für das Messen im Boden (SDT). Die
Mit Hilfe einer zylindrischen, radial dehnbaren Sonde können Sonde kann mithilfe eines Gestänges orientiert in das Bohr-
an beliebiger Stelle innerhalb eines Bohrloches statische Belas- loch eingebaut werden.
tungsversuche durchgeführt werden. Die Vorteile eines solchen Für das Messen mit der Dilatometersonde muss die Beschaf-
In-situ-Verfahrens bestehen in der Möglichkeit, die Eigenschaf- fenheit des Bohrlochs bekannt sein. Festigkeitsunterschiede,
ten des Baugrundes im nahezu ungestörten Zustand zu erfassen. offene Spalten, Klüfte und Felsausbrüche können bei hohen
Die Dilatometerversuche erfassen einen Bereich von etwa dem aufgebrachten Drücken Schäden am Gerät verursachen.
Zwei- bis Dreifachen des Bohrlochdurchmessers, also den Dezi- Die Sonde wird im unverrohrten Bohrloch innerhalb von
meter- bis knappen Meterbereich. (Inhomogener Baugrund mit Homogenbereichen an Stellen mit glatter Bohrlochwand
Wechselschichtung im Boden soll zusätzlich zu den Bohrlochauf- orientiert eingebaut und mit einem Anfangsdruck an die
weitungsversuchen über Plattendruckversuche im Meterbereich Bohrlochwand angelegt; Anfangsdruck ∆ρd1 und Anfangs-
oder in Versuchen mit übergroßen Druckkissen im Meter- bis durchmesser d werden aufgezeichnet.
138 Kapitel 1 • Erkunden und Beschreiben des Untergrundes für bautechnische Zwecke
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.. Abb. 1.106 Anwendungsbereich verschiede-
ner Bohrlochaufweitungsmesssysteme. (Gesamt-
17 katalog Interfels GmbH, Bad Bentheim)
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1.20 • Verformbarkeit
139 1
Das Belasten der Bohrlochwand erfolgt in mehreren Last- .. Abb. 1.107 Schematischer Schnitt der
Dilatometersonde IF 096. 1 Hochdruck-
zyklen. Verformungen des Bohrlochs ∆d werden bei jeder
schlauch zur Druckbeaufschlagung der
einzelnen Laststufe ∆pd abgelesen und in der jeweiligen Bohrlochwand; 2 Wegaufnehmer zum
Endstufe des Lastzyklus ∆ρd2 bis zum Abklingen verfolgt. Bestimmen der Bohrlochdurchmesser;
Der Maximaldruck ρmax wird beim Zweifachen der zu 3 Druckleitung; 4 Sumpfrohr mit Anschluss-
erwartenden Bemessungsgrößen angesetzt. Die Messergeb- stutzen für das Gestänge. (Umgezeichnet
nach Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad
nisse werden in Belastungs- und Entlastungskurven dar-
Bentheim)
gestellt (. Abb. 1.108). Mit den in situ gemessenen Daten
d = Anfangsdurchmesser der Bohrung [mm], ∆d = Bohrlo-
chaufweitung [mm], ∆ρd2 − ∆ρd1 = Druckdifferenz [MPa]
und ν = Poisson-Zahl (aus Laborversuchen) lassen sich
der Dilatometermodul ED und der Entlastungsmodul EE
ermitteln:
d
ED = d.1 + v/ :
d
E.1 − v/
-
Es = :
.1 + v/.1 − 2v/
Seitendruckversuch
Der Dilatometerversuch ist in DIN EN ISO 22476 Teil 5 als Das Seitendruckgerät besteht aus zwei halbschaligen,
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13 1.21 Messen von Spannungen messungen aus verschiedenen Richtungen. . Abb. 1.109 zeigt
und Spannungsänderungen Anwendungsbeispiele für den Einsatz von Druckdosen in der
14 Geotechnik.
Spannungen im Baugrund rühren von der statischen Auflast aus
15 überlagernden Bodenschichten, überlagernder Wassersäule, Bau- zz Überbohren von Spannungsmesszellen
werkslasten und von aus diesen hervorgehenden dynamischen Das Verfahren dient zum Bestimmen absoluter Spannungszu-
Bewegungen (Rutschungsdruck, Fließdruck) sowie von statisch stände im Fels. Von der Sohle eines Bohrloches mit Durchmes-
16 tektonischem Druck und dynamisch tektonischem Druck (Ab- ser 116 mm wird mit einem zentrierten Kernrohr (Durchmesser
schn. 13.5). Durch künstliche Eingriffe wie Aushub, Verbau und 36 mm) ein zentrales Bohrloch von 1,2 m Länge ausgebohrt. In
17 Überlagerung der Einflusszonen verschiedener Bauwerke kön- dieses wird eine Spannungsmesszelle (2D-Messzelle „Doorstop-
nen Spannungsänderungen im Baugrund eintreten. Spannungen per“ oder 3D-Triaxialmesszelle von Interfels) eingebaut und
können im Baugrund und unter Bauwerken mit Druckdosen, mit der Bohrlochwand verklebt. Nach Abbinden des Klebers
18 Spannungsmesszellen, Bohrlochschlitzsonden und Druckkissen- und einer Nullmessung wird die Spannungsmesszelle mit dem
versuchen gemessenen werden. umgebenden Fels überbohrt (Durchmesser 116 mm). Durch die
19 Die vom Gestein bei Spannungsänderung emittierten elek- Entspannung tritt im überbohrten Kern eine Deformation ein,
tromagnetischen Impulse können mit dem Cereskop (▶ Ab- die sich auf die Messzelle überträgt. Die Entspannung des Kerns
20 schn. 1.9.5) gemessen werden. Dadurch kann die Lage von wird über einen Zeitraum von mindestens 24 h mit Ablesungen
Spannungskonzentrationen und Bruchstellen geortet werden alle 4–6 h kontrolliert. Unter Kenntnis der im Labor bestimm-
(. Abb. 1.42, 1.43, 1.44, 1.45 und 1.48). ten Poisson-Zahl ν und des Elastizitätsmoduls E lassen sich die
21 3 Hauptspannungen aus den gemessenen Dehnungen berechnen
zz Druckdosenmessungen (. Abb. 1.110). Das Verfahren kann auch in Horizontal- und
22 Druckdosen sind rund bis oval gestaltet und bestehen aus einer Schrägbohrungen angewendet werden.
dicken Grundplatte und einer flexiblen Deckplatte. Zwischen die-
sen miteinander verschweißten Platten befindet sich eine Druck-
23 flüssigkeit, die bei Druckaufnahme den Druck hydraulisch auf
zz Spannungsmessungen mit der Bohrlochschlitzsonde
Bohrlochschlitzen ist ein zweidimensionales Spannungsmessver-
eine Messstation überträgt. Druckdosen können in verschiedener fahren und basiert auf dem Prinzip lokaler Spannungsentlastung.
Ausrichtung eingebaut werden und erlauben somit die Druck- Mithilfe einer Bohrlochschlitzsonde (Durchmesser 90 mm) mit
Literatur
141 1
.. Abb. 1.109 Einsatz von Druckmessdosen in der Geotechnik. a Messen von Radial- und Tangentialdrücken im Tunnelbau, b Messen der am Pfahlkopf und
Pfahlfuß einwirkenden Kraft, c Messen von Erddrücken hinter Stützmauern, d Messen von Gebirgsdrücken in Bohrlöchern und zum Überwachen von Span-
nungsänderungen bei einem sekundären Spannungszustand. (Abschn. 13.5.2; Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad Bentheim)
.. Abb. 1.110 3D-in-situ-Spannungsmessungen mit der Triaxialzelle von Interfels. a Vorbereitende Bohrung (116 mm) und Pilotbohrung (36 mm) im Fels mit
primärem Spannungszustand (σ1, σ2, σ3), b Einbau der Sonde in das Pilotbohrloch, Verkleben der Dehnungsmessstreifen und Nullmessung, c Überbohren
und Kerngewinn mit innenliegender Sonde, d Entspannung des Kerns, Folgemessungen an den Dehnungsmessstreifen. (Gesamtkatalog Interfels GmbH, Bad
Bentheim)
Peer reviewed
Lichtenberger M (2005a) Determination of horizontal principal directions of
stress in the Lower Muschelkalk in Northern Baden-Württemberg (Ger-
many) from geogenic electromagnetic radiation. Neues Jahrbuch für Geo-
logie und Paläontologie – Abhandlungen 238(2): 279–312
Lichtenberger M (2005b) Regional stress field as determined from electromag-
netic radiation in a tunnel. Journal of Structural Geology 27(12): 2150–2158
143 2
Geogene Gefahren
Wolfgang Dachroth
2.10
1.2.1 Frost
MinimaimVeniam
Baugrund
– 21 – 221
2.10.1 Eigenschaften des gefrorenen Bodens – 221
2.10.2 Frostsprengung und Frostbeständigkeit – 222
146 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
-
werden:
Bruch der Ortsbrust wegen erhöhter Spannungskonzentra-
-- tion;
Bruch an einer geologischen Störungszone;
Scherbruch des Liegenden entlang von Bergfesten, Pfeilern,
- Stempeln;
Scherbruch des Liegenden entlang der Abbaukante.
.. Tab. 2.1 Intensitätsskala (MSK-Skala) nach Medwedjew et al. (1964, zitiert in: Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg 1995)
7 Sehr stark Viele flüchten ins Freie Mäßige Schäden an Gebäuden, Vereinzelt Erdrutsch an steilen
Risse im Verputz, in Wänden und Abhängen
Schornsteinen
12 Große Katastrophe Hoch- und Tiefbauten werden total Tiefgreifende Umgestaltung der
zerstört Erdoberfläche, Flutwellen
werken Tn, der Eintrittswahrscheinlichkeit E eines Bebens und Man unterscheidet zwischen probabilistischen Gefährdungs-
der mittleren Wiederholungszeit Tm gilt: aussagen, die auf statistischen Berechnungen beruhen, und de-
terministischen Aussagen, für die ein Beben mit bestimmter
Tn Magnitude festgelegt wird. Für das Bewerten seismotektonischer
Tm = :
ln.1 − E/ Strukturen sind aktive Verwerfungen zu lokalisieren und deren
nachweisliche Verschiebung während der letzten 100.000 Jahre
Erdbeben, die sich durchschnittlich alle 100 Jahre ereignen zu bestimmen. Hieraus ergibt sich eine jährliche Verschiebungs-
(Tm = 100 Jahre), treten daher in 100 Jahren (Tn = 100 Jahre) mit rate in mm a−1. Nach einem Vorschlag von Cluff und Cluff (1984,
63 % Wahrscheinlichkeit (E = 0,63) auf. Wenn ein Gebäude über zitiert in Riemer 1995; . Tab. 2.2) kann hiermit eine Klassifika-
einen Zeitraum von 50 Jahren bestehen soll und eine Eintritts- tion von aktiven Verwerfungen durchgeführt werden. Die Fest-
wahrscheinlichkeit eines Bebens von 10 % nicht überschritten legung erfolgt aufgrund geologischer und seismotektonischer
werden darf, folgt aus dieser Gleichung eine mittlere Wiederho- Gesichtspunkte. Die mögliche Auswirkung am Standort wird
lungsperiode Tm von 475 Jahren. Mehr als die Hälfte aller Staa- berechnet. Derartige Gefährdungsabschätzungen sind wichtig
ten, die eine Erdbebennorm publiziert haben, verwendet heute für besondere Bauwerke wie Talsperren und Atomkraftwerke, für
diese mittlere Wiederkehrzeit als Bemessungsgrundlage (Len- die zusätzliche Nachweise der Betriebssicherheit erbracht werden
hardt 1996). Für Talsperren gelten besondere Auflagen (Riemer müssen, welche weit über die für übliche Hochbauten geltenden
1995; Huber und Linsbauer 1996; Kolymbas 2011). Anforderungen hinausgehen.
Klasse 3
Magnitude, Ms ≥ 6,5
23 Rekurrenzintervall [Jahre] 500 – 5000
2.1 • Erdbeben und Erschütterungen
151 2
Klasse 4 Klasse 4A
−1
Verschiebungsrate [mm a ] 0,1 – 1
Klasse 5
Klasse 6
der Boden zur Bodenverflüssigung neigt. Betroffen sind sandige dass das angelegte Deckungskapital einerseits zur Deckung der
und schluffige Böden sowie Aufschüttungen mit unzureichen- direkten Erdbebenschäden benötigt wird, sich andererseits je-
der Verdichtung über Fels. Die lokale Mächtigkeit der Locker- doch der Wert dieser Anlagen an den internationalen Finanz-
sedimente übt einen großen Einfluss auf die Lokalintensitäten märkten vermindert.
aus. Langwellige Frequenzen unter 2,5 Hz werden im lockeren In Europa gibt es etwa alle 200 Jahre ein verheerendes Erdbe-
Boden verstärkt, alle anderen Frequenzen werden gedämpft. ben (Basel 1356, Wien 1590, Lissabon 1755, Messina 1908, Friaul
Von dem breitbandigen Frequenzspektrum im Epizentrum ei- 1976, Mittelitalien 2016). Aus Gebäudeschäden und der Weite
nes Erdbebens werden mit zunehmender Entfernung nur noch des Schüttergebietes wird für das Erdbeben von Basel auf eine
die niedrigen Frequenzen wahrgenommen. Wenn die Eigen- Magnitude M = 7 geschlossen. Auf der Intensitätsskala wird es
frequenz von Bauwerken mit jener des Untergrundes und der auf 9–10 eingestuft, womit es das stärkste Beben in historischer
einfallenden Erdbebenwelle koinzidiert, kann es auch an vom Zeit nördlich der Alpen war. Beben mit Lokalmagnitude 5,8, wie
Epizentrum weiter entfernten Orten zu Schäden kommen. Die das für Erdbebenschäden in Deutschland typische Albstadt-Be-
Erschütterungen bewirken im Boden Verdichtung, Porenwasser ben vom 03.09.1978, haben in Deutschland eine Eintrittswahr-
überdruck und Abbau der Scherfestigkeit bis zur Verflüssigung. scheinlichkeit von etwa 30 Jahren (DGEB 2000).
Für Bauwerke auf Flächengründungen bestehen Gefahren in Das Risiko der Wiederholung eines solchen Bebens muss
Form von Grundbruch, Geländebruch und Setzungen. Lenhardt kalkuliert werden. Im Großraum Basel existiert eine der welt-
(1996) und Kolekova et al. (1996) empfehlen, Bauwerke in derart weit dichtesten Konzentrationen der chemischen und pharma-
gefährdeten Gebieten über Pfähle zu gründen. zeutischen Industrie. Bei einem Beben können aus Tanklagern,
Transportbehältern und Leitungen z. T. hochtoxische Gase, Flüs-
zz Erdbebenrisiko sigkeiten und Feststoffe austreten. Zusätzlich zu den Bauwerks-
Das Erdbebenrisiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit möglicher schäden können vor Ort Atemluft und Gewässer sofort gefähr-
Schadenskosten durch Erdbeben und ist vorrangig für Versiche- det werden. Eine Ausbreitung von Schadstoffen über Wind und
rungsfragen von Interesse. Während die Zahl der pro Zeiteinheit Wasser könnte sich europaweit auswirken.
(Jahrzehnt) beobachteten starken Erdbeben (hohe Magnitude auf Die Vorsorge gegen solche Erdbebenfolgen und die Anwen-
der Richterskala) weltweit in etwa konstant oder sogar rückläufig dung erdbebensicherer Bauweisen für Bauwerke und technische
ist, steigt als Folge des Bevölkerungswachstums und der bauli- Anlagen ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.
chen Verdichtung in Ballungsräumen das Erdbebenrisiko. Die
Erdbebenstatistik weist für den Zeitraum von 10 Jahren (1985
bis 1995) 40 schwere Beben aus, denen 90.000 Menschen zum 2.1.5 Erdbebensicheres Bauen
Opfer fielen. Der Sachschaden liegt bei über 200 Mrd. Dollar.
Japan und Kalifornien dominieren in dieser Statistik. Als Indus- zz Technische Regelwerke
trieländer auf tektonisch sehr aktivem Untergrund sind sie hin- In Erdbebengebieten sind im Vergleich zu Gebieten ohne Erdbe-
sichtlich der Erdbebenhäufigkeit und Erdbebenstärke besonders ben erhöhte Risiken zu erwarten. Betroffen sind Standsicherheit
stark gefährdet. Das Erdbebenrisiko ist in diesen Ländern sehr und Verkehrssicherheit baulicher Anlagen. Zu beachten sind
hoch. Ein Erdbeben in der Wirtschaftsregion Tokio von gleicher die technischen Regelwerke DIN 1311, Teil 1–4 („Schwingungs-
Stärke wie im Jahre 1923 würde heute die Weltwirtschaft weit lehre“), DIN 4149 („Bauten in deutschen Erdbebengebieten“)
härter treffen. Aufgrund der internationalen Verflechtung des und Eurocode 8, DIN EN 1998 T1–6 („Auslegen von Bauwerken
Kapitals besteht für Versicherer die große Gefahr („worst case“), gegen Erdbeben“).
152 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
dynamischer Vorhersagen wurde z. B. von B. O. Schkandrij und Künstliche Schwingungen werden im allgemeinen durch
V. W. Rogatschenko am Ukrainischen Institut für Mineralres- schwingungsdämmende Lagerung abgefedert („schwimmender
sourcen in Simferopol betrieben. Die Methode umfasst geophy- Estrich“ zur Trittschalldämmung; Gummilagerung von Maschi-
-
sikalische und hydrogeologische Observationen:
geophysikalische Observation: erdbebenseismische Ob-
servation zum Erkunden von Art, Häufigkeit und Häufig-
keitszunahme der Beben; geoelektrische Observation zum
nen; vom übrigen Bauwerk getrennte, weich gegründete Einzel-
fundamente). In den Boden eingetragene Schwingungen werden
auf kurze Distanz gedämpft. Im Fels können sich Schwingungen
und insbesondere niederfrequente Schwingungen über weite Dis-
Erkennen möglicher Veränderungen des spezifischen elekt- tanzen bei nur geringer Dämpfung ausbreiten (. Abb. 2.4). Beim
rischen Widerstandes im Untergrund; Geländevermessung Einsatz schwingungserregender Maschinen ist zum Vermeiden
(Deformationsmonitoring, Hüttle 2011); zum Erkennen von Resonanzschäden mit entsprechender Sorgfalt vorzugehen.
von Hebungen und Senkungen an der Geländeoberfläche; Gefahrensituationen, wie sie bei flachgründigem Fels bestehen,
seismische Untersuchungen zum Erkennen möglicher können durch schwingungstechnische Analysen erkannt werden.
Veränderungen der Geschwindigkeit seismischer Wellen
- (P-Wellen) im Untergrund.
hydrogeologische und hydrochemische Observation: Be-
obachtungen zur piezometrischen Druckhöhe des Grund-
wassers aus verschiedenen Tiefen und Grundwasserleitern;
2.2 Vulkanismus
9
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23
2.2 • Vulkanismus
155 2
zz Lava
Gesteinsschmelzen, die an die Oberfläche gelangen, und deren 2.2.2 Vulkanische Landschaftsformen
erkaltete Produkte heißen Lava. Die Art der Effusion wird von
der Viskosität der Lava bestimmt. Niedrigviskos sind basaltische Die Austrittsstellen von Vulkanen sind punktförmige Schlote
und andesitische Laven. Hochviskos sind Laven mit viel Kiesel- oder langestreckte Spalten. Die Art der Austrittsstelle und die mit
säure, z. B. rhyolithische Laven. Nach Fließverhalten und Erstar- unterschiedlichen Anteilen geförderten Produkte (Lava, Tephra,
rungsform wird zwischen Seillava, Brockenlava, Blocklava und Gase) lassen die unterschiedlichen vulkanischen Landschaftsfor-
Kissenlava unterschieden. men wie Schildvulkan, Tafelvulkan, Stratovulkan, Aschevulkan,
Dünnflüssige Laven können auf geneigten Flächen mit gro- Maar und Caldera entstehen. Die Vulkanform lässt auf die Art
ßer Geschwindigkeit (ähnlich wie Wasser) abwärts fließen. Nach der vulkanischen Eruptionen und Effusionen schließen.
den Oberflächenformen, die durch Zusammenschieben der ab-
gekühlten plastischen Haut über heißer fließender Lava entste- zz Schildvulkan
hen, heißen solche Laven Seillava oder Gekröselava. Schildvulkane entstehen durch Effusion dünnflüssiger Lava über
Als Brockenlava bezeichnet man unregelmäßige, scharfkan- sehr lange Zeiten an gleicher Stelle (Zentraleruption). Die nach-
tige Brocken eines blasenreichen, porösen Gesteins an der Ober- einander austretenden Lavaströme fließen radial divergirend
fläche und den Seiten des erkalteten Lavastroms. auseinander und bilden flach geneigte Vulkankegel mit 3–6°
Als Blocklava bezeichnet man glattwandige, eckige Blöcke Neigung an den auslaufenden Flanken und bis zu 12° Neigung
aus blasenfreiem, dichtem Gestein an der Oberfläche und den am zentralen Austrittspunkt. Schildvulkane bestehen überwie-
Seiten des erkalteten Lavastroms. gend aus Lava.
Kissenlava entsteht beim Lavaausfluss unter Wasser. Dabei
wird die Lava in kissenartige ellipsoidale Blöcke aufgeteilt. Die zz Tafelvulkan, Spaltenvulkan
Kissen sind zwischen 60 und 120 cm lang und haben ihre Form Lava fließt aus einer Spalte und überlagert großflächig die Land-
in einem Zustand mit noch formbarer Haut aus teilweise erstarr- schaft mit Flutbasalt bzw. Plateaubasalt. Bekannt ist diese Vul-
ter Lava (Glas) erhalten. Die Unterseite der Kissen ist unregelmä- kanform vom Ausbruch der Laki-Spalte in Island im Jahre 1783.
ßig, die Oberseite konvex. Plateaubasalte als fossile Produkte von Spaltenvulkanismus sind
weltweit verbreitet.
zz Tephra
Von Vulkanen ausgeworfenes Lockermaterial nennt man unab- zz Stratovulkan
hängig von Zusammensetzung und Korngröße Tephra. Pyroklas- Stratovulkane entstehen durch den Wechsel von Lava-Effusion
ten ist der Oberbegriff für die einzelnen vom Vulkan ausgeworfe- und Tephra-Eruption an gleicher Stelle (Zentraleruption). Im
nen Partikel oder Stücke. Nach der Korngröße unterscheidet man Schlot oder Zentralbereich können solche Vulkane festes Lava-
Aschen, Lapilli und Bomben (. Tab. 2.3). Bomben können aus gestein enthalten. Die den Schlot umgebenden Kernzone besteht
plastisch verformbaren Lavafetzen oder aus Festgestein bestehen. aus brekzisierten Intrusivgesteinen. Das aus dem Vulkan ausge-
Tephra kann sich schnell verfestigen und erhärten. Verfes- worfene pyroklastische Material baut sich zu einem Kegel mit
tigte Tephra heißt Tuff. einer Neigung von 30–35° auf. Dieser wird durch Erosion zer-
furcht und ständig abgetragen. Ausfließende Lava kann in durch
zz Gase Erosion vorgegebenen Abflussrinnen abfließen und erstarren.
Die volumenmäßig bedeutendsten vulkanischen Gase sind Was- Von Lavagestein erfüllte Abflussrinnen bieten der Abtragung
serdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Stickstoff (N2), Schwefel- erhöhten Widerstand und bleiben vorübergehend als Härtling
dioxid (SO2), Salzsäure (HCl), Wasserstoff (H2), Schwefelwas- an der Oberfläche (Reliefumkehr) oder werden von Tephra
156 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
15 Die Vielfalt an Vulkaneruptionen kann nach einem auf Mercalli zz Subplinianischer Typ (Vulcanianischer Typ,
(1907) zurückgehenden, später erweiterten Vorschlag unter- Vesuvianischer Typ)
gliedert werden (Green und Short 1971). Namengebend sind Am Vulkan wechseln Eruptionsphasen mit längeren Ruhezeiten
16 typische Vulkane und Vulkanausbrüche. Das Spektrum reicht (beim Vesuv etwa 50 Jahre). Der Vulkanausbruch beginnt mit
vom „milden“ Ausfließen von Lavamassen bis zur katastropha- dem Aufbruch des mit ausgehärteter Lava verstopften Schlotes
17 len Explosion. Berücksichtigt werden Art und Menge der För- und dem Auswurf von Bomben, Lapilli und Asche. Es bilden sich
derung von Lava, Tephra und Gasen sowie die Reichweite und große, schwarze Aschewolken. Nach der explosiven Phase tritt
Ausdehnung der vom Vulkanausbruch betroffenen Gebiete, zähflüssige Lava aus und fließt hangabwärts. Insgesamt findet
18 unterschieden nach Reichweite der Lavaausflüsse, Reichweite eine gemischt explosiv-effusive Eruption statt. Die Eruptionen
des Niederschlages von Bomben, Lapilli, Bimsstein und Asche haben eine räumlich begrenzte Schadenswirkung im näheren
19 und Reichweite der Hitzeeinwirkung von Glutwolken und Glut- Umkreis des Vulkans.
lawinen. Teilweise parallel zur Klassifikation zwischen einem
20 dominanten, gleichmäßigen Lavaausfluss und hochexplosiver zz Plinianischer Typ
Eruption verschiebt sich das Verhältnis zwischen der Dauer der Dieser Ausbruchstyp ist nach dem antiken Schriftsteller und Na-
vulkanischen Aktivität und der Dauer der Ruhepausen. Im all- turforscher Plinius d. Ä. benannt, der beim Ausbruch des Vesuv
21 gemeinen kann davon ausgegangen werden, dass bei explosiven im Jahre 79 ums Leben kam.
Vulkanen das Ausmaß katastrophaler Eruptionen mit der Dauer Bei plinianischen Ausbrüchen handelt es sich um sehr heftige
22 der Ruhepausen ansteigt. Eruptionen von Gas und pyroklastischem Material in Form einer
Neben der physikalisch-energetischen Betrachtung nach sehr hohen Eruptionssäule. Die Eruptionsgeschwindigkeit der
Masse, Hitzeeinwirkung und Brisanz vulkanischer Eruption bis ausgeworfenen Massen ist sehr groß (> 500 m s−1) und lässt eine
23 Explosion ist auch die Art, Menge und Giftigkeit der austreten- Eruptionssäule entstehen, die im unteren Teil als Gasschubsäule
den Gase ein Kriterium zur Klassifikation von Vulkankatastro- und darüber als Konvektionssäule der mitgerissenen erwärmten
phen. Luftmassen aufsteigt. Gas, Asche und Staub werden in sehr große
2.2 • Vulkanismus
157 2
-
zz Ultraplinianischer Typ
Derartige Eruptionen sind verheerende Naturkatastrophen, wie Strecken bedecken.
sie die Erde etwa alle 100.000 Jahre einmal erlebt. In historischer Erdbeben
Zeit hat kein Ausbruch ultraplinianischen Typs stattgefunden. Neben ständigen Erschütterungen (Tremor) können von
Die Bildung großer Calderen, z. B. der Yellowstone-Caldera vor Vulkanen Erdbeben ausgelöst werden, die bei subpliniani-
600.000 Jahren, wird mit derartigen Katastrophen in Verbindung schen und plinianischen Eruptionen im näheren Umkreis
gebracht (Francis 1988). des Vulkans zerstörende Wirkung haben können. Davon
ausgelöste Fernwellen (Tsunamis) können auch an weit
zz Peléanischer Typ
Der katastrophale Ausbruch der Montagne Pelée auf Marti-
nique (1902) ist hierfür namengebend. Es handelt sich um - entfernt liegenden Küsten Schäden verursachen.
Eislawinen
Gletschereis kann bei Eruptionen abbrechen und als Eisla-
hochexplosive Vulkaneruptionen, bei denen neben Tephra
große Gasmassen gefördert werden. Zähflüssige Lava kann
an den Flanken des Stratovulkans ausbrechen. Es entstehen
Glutwolken, die unabhängig von der Morphologie mit großer
- wine talwärts bewegt werden.
Hochwasser
Auf dem Vulkan befindliche Eis- und Wassermassen (Glet-
scher, Kratersee) können beim Vulkanausbruch mobilisiert
Geschwindigkeit die Landschaft überziehen und alles Leben werden. Schmelzwasser und auslaufendes, ausgeschleuder-
vernichten. Glutwolken stellen eine der Hauptgefahren dar, die tes oder verdrängtes Kraterseewasser kann einen Wasser-
von Vulkanen ausgehen. schwall und damit eine Block- und Geröllflut auslösen und
stoßenen Wolken, Effusion, Explosion) Gesetzmäßigkeiten der Die Vorhersage soll Aussagen zu Art, Ort, Zeitpunkt und
1 eruptiven Mechanismen zu ergründen, Gefahrensituationen zu Dauer des Ausbruches sowie zum hiervon betroffenen Gebiet
erkennen und Schutzmaßnahmen einzuleiten. Besondere Gefah- umfassen. Entscheidungskriterien hierfür können die Häufigkeit
2 ren gehen von Vulkanen aus, die als erloschen angesehen werden und Stärke von Erschütterungen (Erdbeben) am Vulkan und die
und daher keiner ständigen Observation unterliegen. Deutung von Deformationen an der Oberfläche des Vulkans sein.
Vulkanausbrüchen geht eine unterirdische Platznahme von Die Vorhersage und ihre politische Umsetzung (Evakuierung: ja
3 Magmen voraus. Diese Platznahme ist mit Veränderungen im oder nein?) ist je nach Art des Vulkans und der zu erwartenden
Untergrund und an der Geländeoberfläche verbunden, deren Eruption unterschiedlich schwer zu bewerten. Schwierig ist auch
4 Auswirkungen direkt oder indirekt gemessen werden können. die Vorhersage von Gefahren indirekter Art. Ausmaß und Zeit-
Folgende Observationen können Beiträge zur Gefahrener- punkt des Eintritts von Überschwemmungen, Schlammströmen,
5
6
-
kennung liefern:
optische und fotografische Observation: Infrarotphotogra-
phie zum Erkennen möglicher Aufheizung der Oberfläche;
Luftbildauswertung zur Kontrolle vulkanischer Aktivitäten;
Lahars oder Eislawinen können, besonders in Verbindung mit
Gletschereis, nur schwer abgeschätzt werden.
Das Risiko eines Fehlalarms, aber auch einer Unterschätzung
der vulkanischen Aktivität ist groß. Dennoch ist das Evakuieren
geodätische und satellitentechnische Vermessung zur Kon- des gefährdeten Gebietes die wichtigste (passive) Schutzmaß-
7 trolle von Hebungen, Senkungen und Verformungen der nahme. Hierfür sind Evakuierungspläne zu erstellen, Warnsys-
8 - Oberfläche.
geophysikalische Observation: erdbebenseismische Auf-
zeichnungen zum Erkunden von Tremor und Lokalbeben;
seismische Untersuchungen zum Orten von Magmenkam-
teme einzurichten und die Bevölkerung entsprechend auszubil-
den.
Aktive Schutzmaßnahmen sind bei Vulkanausbrüchen nur
begrenzt möglich.
9 mern (flüssige Magmen!); Gravitationsmessungen zum Lavaströme, die Städte und Bauwerke bedrohen, können
Erkennen möglicher Änderungen im Schwerefeld; geoelek- im besonderen Fall durch Gräben, Barrieren oder Sprengungen
10 trische Messungen zum Erkennen möglicher Änderungen (z. B. gezielten Bombenabwurf) abgelenkt werden.
der elektrischen Leitfähigkeit im Untergrund; geomagneti- Kraterseen, deren Wassermassen die unterliegenden Tä-
sche Messungen zum Erkennen möglicher Änderungen der ler mit Hochwassern, Schlammströmen und Lahars bedrohen,
-
11 magnetischen Eigenschaften im Untergrund. können durch technische Maßnahmen entleert werden (Stollen,
hydrogeologische und hydrochemische Observation: Horizontalbohrungen, Heberanlagen).
12 Kontrolle des Grundwasserspiegels und Deutung möglicher Unter der Last dicker Aschelagen können Dächer zusammen-
Änderungen als Folge von Deformationen; Kontrolle der brechen. Dies betrifft besonders Flachdächer und wenig geneigte
Seewasserspiegel (besonders im Kratersee) und Deutung Dächer. Gefahrbringende Ascheansammlung und Überlastung
13 möglicher Änderungen als Folge von Deformationen; der Dachflächen lässt sich durch rechtzeitiges Entfernen der
Kontrolle des Quellabflusses und der betroffenen Wasser- Asche vermeiden.
14 mengen; Kontrolle der Temperatur von Grund- und Ober-
flächenwasser und Deutung möglicher Erwärmung als vul-
Verwitterung
15 kanischer Prozess; Kontrolle periodischer Wasseraufbrüche 2.3
(Geysire, Wallbrunnen); Kontrolle der Grundwasserchemie
und der im Grundwasser gelösten Gase; Kontrolle der Böden und Gesteine, die im Baugrund mit bestimmten physika-
-
16 Seewasserchemie und der im Seewasser gelösten Gase. lischen Eigenschaften für Dichte, Wassergehalt, Festigkeit und
Observation an Gasen: Kontrolle der Temperatur und Zu- Verformbarkeit angetroffen werden, können diese Eigenschaften
17 sammensetzung austretender vulkanischer Gase; Kontrolle im Laufe der Zeit verändern. Veränderungen der Minerale und
der Solfatarentätigkeit. Gesteine, die im Kontakt zu Hydrosphäre, Atmosphäre und Bio-
sphäre (Atmosphärilien) eintreten und in der Regel zur Ernied-
18 Es ist anzustreben, für alle der etwa 500 bis 550 tätigen Vulkane rigung von Dichte, Festigkeit sowie Zunahme der Verformbarkeit
Gefahrenkarten zu erstellen. In solche Gefahrenkarten sind die führen, werden unter dem Begriff „Verwitterung“ zusammenge-
19 potentiellen Risiken (Lavaströme, Glutlawinen, Lahars, Richtung fasst. Grundsätzlich ist zwischen physikalischer und chemischer
und mögliche Reichweite der durch Explosion ausgeworfenen Verwitterung zu unterscheiden. Die Intensität der Verwitterung
20 Massen, Richtung und mögliche Reichweite des Ascheregens) ist in unterschiedlichen Klimazonen verschieden. Als Baustein
einzuzeichnen. eingesetzte Natursteine sind in Häusern, Mauern und anderen
Bauwerken gegenüber dem im natürlichen Verband befindlichen
21 Gestein besonderen Verwitterungsbedingungen ausgesetzt. Sie
2.2.6 Katastrophenvorhersage zeigen häufig von natürlichen Bedingungen abweichende Ver-
22 und Schutzmaßnahmen witterungserscheinungen. Festgesteine, die einseitig den Atmo-
sphärilien ausgesetzt sind (Felswände, Bausteine in Bauwerken),
Die mögliche Art und Stärke eines bevorstehenden Vulkanaus- wittern an der Luftseite auf und werfen aufgewittertes Material
23 bruches kann aus der Kenntnis des Vulkans, seiner Vorgeschichte ab (Abgrusen, Absanden, Abmehlen). Durch diesen Vorgang der
und aus observatorischen Daten mit begrenzter Genauigkeit vor- Rückverwitterung wird die Frontseite des freistehenden Festge-
hergesagt werden. steins in Richtung Bergseite bzw. Bauwerk verschoben.
2.3 • Verwitterung
159 2
Am Hang führt die einige Meter tief greifende Verwitterung Brandung ausgesetzte Gesteine und Bauwerke sind kurzlebig und
--
zur generellen Abfolge:
Mutterboden,
müssen etwa alle 10 Jahre nachgebessert oder erneuert werden.
-- Gesteinszersatzzone,
Felsverwitterungszone,
zz Eissprengung im Stein
Eissprengung (Kryoklastik) wirkt schnell und intensiv. Sie ist
- Felsauflockerungszone,
Fels.
Die Auflockerung von Fels und der Zerfall von Gesteinen und zz Temperaturwechsel (Insolationsverwitterung) am Stein
Mineralen in kleinere stoffgleiche Teilchen wird als physikalische Der extreme Wechsel zwischen Erwärmung (Aufheizung) und
Verwitterung bezeichnet. Ursachen hierfür können Druckent- Abkühlung bewirkt in den äußeren Gesteinspartien einen star-
lastung, Druckwechsel, Temperaturwechsel, Frostsprengung, ken Wechsel zwischen Ausdehnung und Kontraktion. Helle und
Kristallisationssprengung (Salzsprengung), Wurzeldruck von dunkle Minerale erwärmen sich unterschiedlich stark. Unter-
Pflanzen und mechanische Beanspruchung sein. Zerstört werden schiedliche Ausdehnungskoeffizienten bewirken Spannungen,
Festgesteine und veränderlich feste Gesteine. die im Festgestein, aber auch innerhalb der Mineralkörner zur
Rissbildung führen. Kernsprünge an Steinen und Blöcken, scha-
zz Physikalische Verwitterung am Stein liges Gesteinsablösen (Desquamation) und zu Staub zerfallende
Physikalische Verwitterung an freiliegenden Steinen und Ge- Mineralkörner (besonders Feldspäte) sind die Folge.
steinen findet vorrangig in morphologisch hervortretender
Expositionen (Felsen, Bauwerke) statt. Verstärkt tritt sie unter zz Salzsprengung im Stein
extremen Klimabedingungen (Wüste, Kältewüste) und an Or- Salzsprengung tritt in den Trockengebieten der Erde, aber auch
ten mit starkem Angriff der die physikalische Verwitterung för- an Orten mit aridem Mikroklima auf. Die im Wasser gelösten
dernden Prozesse auf (Gebirge, Hang, Ufer, Flussbett, Küste). Inhaltsstoffe werden nicht abgeführt, sondern durch Verduns-
Die physikalische Verwitterung am Stein kann ursächlich von tung angereichert. Aus übersättigten Lösungen können Salze aus-
Druckentlastung, Druckwechsel, Frost und Frost-Tau-Wechsel, kristallisieren und, analog zur Eissprengung, einen gesteinszer-
Temperaturwechsel und von der Auskristallisation von Salzen störenden Kristallisationsdruck aufbauen. Festzustellen ist, dass
ausgehen. Räumlich kann sie von solchen Oberflächen ausge- auch im humiden Klimabereich in Gegenwart von Salzen (z. B.
hen, die den atmosphärischen Einflüssen besonders ausgesetzt Streusalz) Gesteine schneller zerfallen. Deshalb sind Pflaster-
sind. Es gibt gesteinstypische Unterschiede beim physikalischen steine bei Frost-Tau-Wechselversuchen auch in Salzlösungen zu
Verwitterungsbild. testen.
Kristallisationsdruck kann von Natriumchloriddihydrat
zz Druckentlastung am Stein (NaCl · 2H2O) ausgehen, welches bei Temperaturen unter −10 °C
Druckentlastung ist eine häufige Ursache für Gesteinsauflocke- auskristallisiert.
rung und Gesteinszerfall. Die Kristallisation verschiedener Magnesiumsulfate findet
Durch Erosion oder künstlichen Gesteinsabtrag wird ur- bei Temperaturen zwischen 0 und 48 °C bzw. zwischen 48 und
sprünglich tiefer liegenden Gesteinen die Auflast (γ · h) genom- 68 °C statt. Bei Temperaturen zwischen 1,5 und 32,4 °C kris-
men. Mineralkörner, Gesteine und Felsverbände reagieren mit tallisieren verschiedene Natriumsulfate mit unterschiedlichen
Ausdehnung und oberflächenparalleler Rissbildung oder Kluft- Wassergehalten aus und können zur Kristallisationssprengung
aufweitung (Kieslinger 1958, 1960). beitragen. Unter atmosphärischen Bedingungen sind bei diesen
Die entstehenden Risse können im Millimeter- bis Meter- Salzen Hydratations- und Dehydrationsvorgänge im Tages- oder
abstand auftreten. Bei aus großer Tiefe gewonnenen Werkstein- Jahresrhythmus möglich. Neben dem Kristallisationsdruck kön-
blöcken kann die Druckentlastung zu Rissen und zur Zerstörung nen in Gegenwart von Salzen auch Vorgänge der Lösungsver-
von hieraus gefertigten Ziersteinen oder Plastiken führen. Im witterung und der chemischen Verwitterung verstärkt auf das
Felsverband führt Druckentlastung zur Bildung und/oder Auf- Gestein einwirken (Fitzner 1988).
weitung oberflächenparalleler Risse.
zz Druckwechsel im Stein
Druckwechsel führt in der Brandungszone zur Auflockerung
des Felsverbandes und zur Gesteinszerstörung. Durch das Auf-
-
Gesteinstypische Bilder der physikalischen Verwitterung am Stein
Dichte, massige Gesteine
Bei dichten, massigen Gesteinen (Granit, Porphyr, Basalt,
Kalkstein, Quarzit) führen solche Einwirkungen zum Auf-
schlagen der Wellen findet in Gesteinsrissen ein steter Wechsel splittern und Absplittern kleinerer Gesteinspartikel (Staub/
zwischen Belastung und Entlastung mit Sogwirkung statt. Der Schweb, Sand) und auch zum Zerreißen der oberflächen-
160 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
nahen Gesteinspartien in größere brecciöse Gesteinsstücke von Gesteinsart, Trennflächensystem, Wasserverhältnissen und
1 (scharfkantige Kieskörner/natürlicher Schotter, Steine und dem Einwirken der Atmosphärilien.
Blöcke). Stein und Fels werden durch solche Vorgänge Der Verwitterung ausgesetzte Böschungen und Steilwände
2 oberflächennah entfestigt und aufgelockert. Die Oberflä- haben im gleichen Gestein gegenüber dem unterirdischen Hohl-
chen derart verwitternder Gesteine und Gesteinsstücke raumbau (▶ Abschn. 13.2) verkürzte Standzeiten. Dies betrifft
sind primär rau und kantig. Unter der Einwirkung von besonders nicht verkleidete und nicht gesicherte Böschungen
3 Sand in bewegtem Wasser können die Oberflächen von von Steinbrüchen und Baugruben aus scheinbar standfestem
Steinen und abgesprengten Körnern gerundet und glatt, Fels. Beeinträchtigt werden Bauwerke und Häuser, die dicht vor
4 unter dem Einfluss von Sandtrieb/Sandsturm gerundet und ungesicherten Felswänden hochgezogen werden. Die Rückver-
matt sein. witterung kann in Geländeanschnitten eine große Gefahr darstel-
5 Durch Insolation treten an und unter den Gesteinsoberflä- len. Rosenthal (1995) beschreibt aus dem Pfälzer Buntsandstein
chen Temperaturunterschiede auf, verursacht z. B. durch Hohlkehlen in einem 120 Jahre alten Bahneinschnitt, die 1,2–
Unterschiede beim Einstrahlungswinkel. Helle und dunkle 1,6 m, im Extremfall bis 3 m tief ausgewittert sind, woraus sich
6 Minerale besitzen zudem unterschiedliche Ausdehnungs- eine jährliche Rückverwitterung zwischen 1 und 2,5 cm ergibt.
koeffizienten und bewirken das Absplittern und Abspalten Die physikalische Verwitterung kann gewöhnlich nicht aufgehal-
7 von Gesteinspartikeln. Wenige Millimeter bis Zentimeter ten oder eingedämmt werden. Unterschutzstellung von künstlich
unter der Oberfläche können sich in dichten Gesteinen angelegten Steilwänden, Steinbrüchen, Gruben und Hohlwegen
infolge Temperaturschwankungen Risse bilden, welche kann diesen natürlichen Zerfallsvorgang nicht aufhalten und ist
8 oberflächenparallel oder senkrecht zur Oberfläche verlau- häufig wirkungslos.
fen. Im Fortgang der Verwitterung werden solche Risse
9 aufgeweitet und das Gestein wird entfestigt, aufgelockert
-
zz Druckentlastung im Fels/Gebirge
und in scherbige Stücke zerlegt. Druckentlastung ist eine häufige Ursache für Auflockerung im
10 Feinkörnige Sedimentgesteine und tonig gebundene Sand- Fels/Gebirge. Wird einem Felsverband die Auflast oder die seit-
steine liche Abstützung, bzw. der seitliche Gegendruck genommen, so
Ton- und Schluffsteine, tonig gebundene Sandsteine und kann dieser sich ausdehnen und mit dem Öffnen und Aufweiten
11 feinkörnige vulkanische Tuffsteine sind „veränderlich feste vorhandener Klüfte und neu aufreißender Risse/Klüfte reagieren.
Gesteine“. Meteorologische Einwirkungen wie Beregnen, Es bilden sich oberflächenparallele Klüfte. Der Abstand solcher
12 Durchfeuchten, Austrocknen, Temperaturwechsel, Frost- oberflächenparalleler Klüfte nimmt von der abgetragenen Fläche
Tau-Wechsel, Erosionskraft von fließendem Wasser führen nach unten und nach der Seite zu. Er kann großflächigem geo-
zum Aufweichen, Aufreißen, Aufbröckeln, Aufblättern und logischem Abtrag oberflächennah im Bereich von Dezimetern,
-
13 Zerfallen dieser Gesteine. tiefer von mehreren Metern liegen. Auch an Talhängen kann
Sandsteine der Fels durch oberflächenparallele Klüfte mehrere Meter tief
14 Bei massigen Sandsteinen hängt die Festigkeit und Verwit- aufgelockert sein. Beim Aushub von Baugruben, beim Abtrag
terungsresistenz gegen meteorologische Einwirkungen von von Böschungen und beim Ausbruch unterirdischer Hohlräume
15 Gesteinsentstehung, Korngrößenverteilung, Verfestigung kann der Fels/das Gebirge in gleicher Weise etwa oberflächenpa-
und Zementation ab. Der Witterungsangriff führt zum rallel aufreißen, sich auflockern und zu ungewolltem Mehraus-
Absanden und zum Zerfall in ihre ursprünglichen körni- bruch führen (▶ Abschn. 5.3.1, . Abb. 5.3, und ▶ Abschn. 13.4,
16 gen Bestandteile. Die flächenhafte Rückverwitterung kann . Abb. 13.9).
bei kieselig gebundenen Sandsteinen bei etwa 0,5 mm in
17 100 Jahren liegen. Je nach Exposition kann Wabenverwitte- zz Druckwechsel und Druckerhöhung im Fels/Gebirge
rung und auch Lochverwitterung auftreten. In karbonatisch Belastungsänderungen durch starke Schwankungen bei Grund-
gebundenen Sandsteinen können Formen der Karstverwit- wasserstand und Wasserdruck und im Hochgebirge auch Frost
18 terung auftreten. können mehrere Meter bis Zehnermeter tief in den Fels/das Ge-
birge einwirken. Der Fels/das Gebirge kann durch solche Vor-
19 zz Physikalische Verwitterung im Fels oder Gebirge gänge in seinem Trennflächengefüge entfestigt und aufgelockert
Durch Abtrag freigelegte Gesteinsflächen, Böschungen und und die Wasserwegsamkeit erhöht werden. Beim Aufstau von
20 Felswände sind der physikalischen Verwitterung ausgesetzt und Talsperren, besonders beim ersten vollen Einstau, wird der Un-
können oberflächennah auflockern, Blöcke, Steine oder Grus tergrund einseitig belastet. Dies kann zu Brüchen im Untergrund
abwerfen und Sand und Staub für den Windtransport (Abra- bis hin zum katastrophalen Versagen der Talsperre führen (Bruch
21 sion) freisetzen. Dies kann zum Rückverwittern und Versagen der Staumauer Barrage Malpasset oberhalb Frejus, Frankreich,
von Böschungen und Felswänden führen. Davon betroffen sind 1959). Auch das Kracken tiefliegender Gebirgsschichten zum
22 Flurstücke und Bauwerke oberhalb und unterhalb der Abgra- Erhöhen und Verbessern der Wegsamkeit für Wasser bei der
bung. Die Zeit vom Freilegen der Felsfläche bis zum Eintreten Wassergewinnung und bei der Tiefengeothermie, für Gas und Öl
des Versagens wird als Standzeit bezeichnet. Diese ist abhängig beim Gewinnen dieser Energieträger geschieht durch erhöhten
23 von der bei den Abtragsarbeiten verwendeten Technik, vom Wasserdruck im Gebirge.
räumlichen Ausmaß der Freilegung, von technischen und/oder In der Brandungszone führt der vom Wellenschlag verur-
geologischen Spannungseinflüssen aus der Nachbarschaft sowie sachte Druckwechsel zur Auflockerung im Felsverband. Durch
2.3 • Verwitterung
161 2
Sogwirkung öffnen sich Klüfte zu offenen Spalten, Kluftkörper Schwefelsäure, Salpetersäure und eine Vielzahl organischer Säu-
werden aus dem Verband gerissen. Vom Wellenschlag bewegte ren wie Oxalsäure, Äpfelsäure, Citronensäure, Huminsäuren und
Steine fördern am Kliff das Entstehen von Brandungshohlkehlen aromatische Säuren. Der chemische und biochemische Verwitte-
und damit das Untergraben und Nachbrechen von Steilküsten. rungsangriff hängt von den Faktoren Temperatur, Wasserdarge-
Im kleineren Maßstab können solche Vorgänge auch an Fluss- bot, Wasseraustausch, biologische Aktivität in den überlagernden
ufern beobachtet werden. Bodenschichten und Zuführung mineralangreifender Stoffe ab.
Mineralangreifende Stoffe können als Lösungsinhalt im Wasser
zz Biologische Gesteinsauflockerung – Bioturbation oder als Aerosol auf das Gestein einwirken. Die Verwitterungs-
im Fels resistenz der Gesteine hängt von der Gesteinsart und dem physi-
Pflanzenwurzeln können, wenn sie in Risse und Spalten eindrin- kalischen Verwitterungsgrad, besonders Oberflächenausbildung
gen, durch ihr Dickenwachstum und die auf die Wurzeln über- und Massigkeit der Gesteinskörper, ab.
tragene Windlast mechanischen Druck auf den Gesteinsverbund
ausüben und Gesteinsblöcke auseinanderdrücken.
In Felsböschungen bewirken große Bäume mit dicken Wur- 2.3.3 Lösungsverwitterung
zeln physikalische Auflockerung und Zerstörung. Durch die gra-
bende Tätigkeit von Tieren, durch den Wurzeldruck von Pflan- Gesteine können von Lösungsmitteln angegriffen, angelöst oder
zen und besonders durch umstürzende Bäume (Windbruch) aufgelöst werden. Die in Lösung gegangenen Anteile werden mit
wird der Boden mehrere Meter tief umgelagert und verstärkt der dem Wasser weggeführt. Nicht gelöste Gesteinsmassen können
chemischen Verwitterung ausgesetzt. Die Bioturbation ist in der im Zustand der ursprünglichen Festigkeit (Kalkstein, Dolomit,
oberen Bodenzone besonders stark. Flachgründende Bauwerke, Gips, Anhydrit, Salz) oder als Residualstoffe (Residualton; scher-
z. B. wenig befahrene Fahrbahndecken aus Pflaster, können in big bis kleinstückig zerbrochene, veränderlich feste Gesteinsstü-
wenigen Jahren durch die grabende Tätigkeit von Tieren, z. B. cke) verbleiben. Lösungsverwitterung führt zur Verkarstung.
von Ameisen, oder durch den Wurzeldruck von Pflanzen zerstört Karstverwitterung kann an der Oberfläche (Oberflächenkarst),
werden. unter Bodenbedeckung (bedeckter Karst) oder auf freien Fels-
flächen (nackter Karst) erfolgen. Karstverwitterung an freiste-
henden Kalksteinfelsen, Blöcken und Bausteinen ist auf den Lö-
2.3.2 Chemische Verwitterung sungsangriff der Niederschläge und darin gelöster Stoffe (CO2)
zurückzuführen.
Als chemische Verwitterung bezeichnet man Prozesse, die Ge- Die Löslichkeit löslicher und leicht löslicher Stoffe bzw. Salze
steine durch stoffliche Änderungen im Mineralbestand zerstö- in Wasser (▶ Abschn. 1.2.7) ist von der Temperatur und der Lö-
ren. Die chemische und biochemische Verwitterung findet in sungszusammensetzung des Wassers abhängig. Die Löslichkeit
humiden Klimabereichen unter mehr oder minder mächtiger einiger Salze (z. B. CaSO4) nimmt mit steigendem Lösungsinhalt
Bodenbedeckung statt. In den Tropen kann die Mächtigkeit an anderen Salzen im Wasser stark zu. Wichtig für den Bestand
solcher Verwitterungsschichten mit Gesteinszersatz bis > 70 m leicht löslicher Salze im Untergrund ist deren geologischer Ab-
betragen. Betroffen sind die Gesteine in der Sickerwasserzone. schluss durch Ton und Gips gegen den Grundwasserkreislauf.
In vulkanisch aktiven Zonen der Erde können Gesteine unter Das chemische Lösen von Kalkstein, Dolomitstein und Mergel-
Einwirkung von heißem Wasser und den darin mitgeführten ge- stein folgt dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht und ist abhän-
lösten Stoffen intensiv verwittern (Schlammvulkane). Auch wer- gig vom Dargebot an Kohlensäure. Die Löslichkeit silikatischer
den, z. B. in Graniten, Hohlräume angetroffen, die teils Verwitte- Gesteine erfolgt durch Hydrolyse, vorrangig durch Hydrolyse der
rungston, teils Quarzdrusen enthalten. Solche Hohlräume oder Feldspäte in Magmatiten (Granit), verfestigten Tuffsteinen und
Höhlen sind im Einflussbereich von geothermalem Tiefenwasser feldspathaltigen Sandsteinen.
entstanden. Auch von hydrothermalen Erzgängen durchzogene
Gesteine sind häufig am Kontakt zur ehemaligen Aufstiegsbahn zz Lösen von Salzgesteinen
des erzabscheidenden geothermalen Tiefenwassers verwittert. In Salzgesteinen, meist NaCl, kann zutretendes Grundwasser
Die Vorgänge der chemischen und biochemischen Verwitte- etwa 270 g l−1 lösen. Konzentrierte Salzlösungen können von
rung führen zu Änderungen im Mineralbestand und entfestigen dem das Salzvorkommen umströmenden Grundwasser aufge-
das Korngefüge zwischen den das Gestein aufbauenden unter- nommen und in stark verdünnter Form an die Oberfläche ge-
schiedlichen Mineralkristallen. Von diesen werden zunächst die bracht werden. Teilweise entwickeln schwere Salzlaugen im Un-
verwitterungsempfindlichen aufgelöst. Die chemischen Reakti- tergrund eine eigene Fließdynamik und unterschichten leichteres
onen sind Lösen, Hydrolyse, Oxidation und Komplexbildung. Süßwasser.
Auswirkungen der chemischen Verwitterung sind teilweises oder Nach oben sind geologische Salzkörper durch einen meist
vollständiges Lösen und Wegführen von Gesteinsmassen bzw. ebenen Salzspiegel begrenzt, an welchem das Salz mit scharfer
Verringerung von Gesteinsdichte und Gesteinsfestigkeiten bis Grenze gegen die nichtlöslichen Deckschichten stößt. Reguläre
zum Gesteinszerfall. In der ungesättigten Bodenzone und beson- Salzablaugung reicht im humiden Klima Deutschlands bis in
ders in der belebten Bodenzone tragen Bakterien, Algen, Pilze Tiefen zwischen 300 und 500 m, irreguläre Auslaugung bis in
und Wurzeln zur Verstärkung der chemischen Verwitterung bei Tiefen über 1000 m (. Abb. 2.5). An Stellen mit starkem Diapi-
(biochemische Verwitterung). Als Säuren wirken Kohlensäure, rismus (tektonisches Hochpressen von Salzmassen) und in vor
162 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
1
2
3
4
5
6
7
8
.. Abb. 2.5 Schema der regulären (a) und irregulären (b) Auslaugung. (Nach Weber 1952)
9
10 Ablaugung geschützter Hochlage kann Steinsalz auch in gerin- folgt die Umwandlung innerhalb weniger Tage bis Wochen. Der
gerem Abstand unter der Oberfläche auftreten (Lüneburg 40 m, einmal eingeleitete Vorgang hält sehr lange an und lässt sich nicht
Ormesheim/Saarland 80 m). stoppen. Bei Baumaßnahmen, die Gesteine mit feinverteiltem
11 Anhydrit anschneiden, ist jede Art von Wasserzutritt zu vermei-
zz Hydratation von Anhydrit den. Bei massigem Anhydrit (z. B. Verwendung als Baustein)
12 Anhydrit (CaSO4) wird bei Wasserzutritt unter 60 % Volumenzu- erfolgt die Hydratation langsam und gestattet eine begrenzte
nahme (Schwellen) in Gips (CaSO4 · 2H2O) umgewandelt. Damit technische Nutzung.
werden Klüfte verschlossen, und der Anhydrit, welcher häufig
13 leicht lösliche Salzlagen einschließt oder überdeckt, umgibt sich zz Lösungsvorgang bei Gips
mit wasserundurchlässigem Gips (Gipshut). Reiner Anhydrit Gips wird von zutretendem Wasser an seiner Oberfläche, dem
14 kann als massiges oder geschichtetes Gestein im Untergrund und Gipsspiegel, gelöst. Der Gipsspiegel bezeichnet die meist unre-
im künstlichen Aufschluss auch an der Oberfläche auftreten. An- gelmäßige Fläche zwischen gipsfreiem, ausgelaugtem Gestein
15 hydrit kann auch mehr oder weniger fein verteilt in feinkörnigen (Rückstandston, Residualton) und gipshaltigem Gestein. Das
Sedimenten auftreten. an den Gipsspiegel herangeführte Grund- oder Oberflächen-
Bankweise Umwandlung von Anhydrit in Gips führte unter- wasser kann in Abhängigkeit von der Lösungszusammensetzung
16 irdisch zu Stauchfalten, oberflächennah zu Schichtaufwölbungen des Wassers zwischen 2 und etwa 10 g CaSO4 pro Liter lösen.
und Höhlenbildungen. Bekannt sind die „Zwergenhöhlen“, wel- An der Oberfläche führt dies zu Lösungserscheinungen des
17 che dadurch entstehen, dass an der Oberfläche liegende, zusam- Oberflächenkarstes wie Karren (millimeter- bis dezimeterbreite
menhängende Schichtplatten aus Anhydrit (10–50 cm stark) sich Gesteinsrippen, Furchen, Rinnen und aufgeweitete Klüfte),
beim Schwellvorgang vom Untergrund abheben, sich aufwölben trichterförmigen Vertiefungen (Lösungsdolinen), Karstmulden
18 und bis etwa 1 m hohe und 2–3 m weite Hohlräume bilden. (Uvalas), Karsttälern, Poljen und Ponoren. Das Lösen des Gipses
Im Untergrund kann Wasser über offene Spalten (Störungen) kann sowohl an der Oberfläche (nackter Karst) wie auch unter
19 oder über Kluftgrundwasserleiter (Kalkstein oder Dolomitstein einer Bodenbedeckung (bedeckter Karst) erfolgen. Karstverwit-
im Liegenden der Anhydritlagen) an den Anhydrit herangeführt terung an freistehenden Gipsfelsen, Blöcken und Bausteinen aus
20 werden. Anhydrit wird auch hier durch zutretendes Wasser in Gips ist auf den Lösungsangriff der Niederschläge zurückzu-
Gips umgewandelt („Grundgipsschichten“). führen.
Als Anhydritspiegel bezeichnet man die Fläche, unter der
21 Calciumsulfat im Gestein als Anhydrit und über der es als zz Lösungsvorgang bei Carbonatgesteinen
Gips vorliegt. Bei feinverteiltem Anhydrit im Tonstein können durch Kohlensäure
22 Sohlhebungen in der Sohle von Baugruben und unterirdischen Das chemische Lösen der Carbonatgesteine folgt dem Kalk-
Hohlraumbauten bzw. Tunneln auftreten (Schwelldruck; ▶ Ab- Kohlensäure-Gleichgewicht. Das den Lösungsvorgang bzw. die
schn. 13.5.2 , . Abb. 13.8). Ausfällung bestimmende Agens ist die Kohlensäure. Die Koh-
23 Die Wasseraufnahme von Anhydrit und seine Umwandlung lensäure ist in der Bodenluft gegenüber der Atmosphäre etwa
in Gips ist abhängig von dessen Massigkeit, Reinheit und Dichte. um den Faktor 20–50 angereichert. Sie entstammt biologischen
Bei feiner Verteilung im Tonstein (süddeutscher Gipskeuper) er- Prozessen im Boden. Andere mögliche Quellen für Kohlensäure
2.3 • Verwitterung
163 2
Das Gleichgewicht ist druck- und temperaturabhängig. > 10,72 > 30 Sehr hart
c.CO2 / = Kc 2 .HCO−3 /c.Ca2+ / sen, Blöcken und Bausteinen aus Kalkstein ist auf den Lösungs-
9
10
-
festigkeit, Durchlässigkeit.
Bedeutung des Begriffes „angewittert“ am Stein
Beim Stein bedeutet der Zustand „angewittert“, dass auf, an
und nahe unter der Oberfläche des Steins Kristallflächen
Durch Hydrolyse der Silikate wird beispielsweise der Ortho-
klas oder Kalifeldspat in einen „Wasserstoff-Feldspat“ umgewan-
delt:
und einige Kristalle befallen und verändert sind. Dem KAlSiO3 O8 + H+ + OH− −! HAlSi3 O8 + K+ + OH− :
Geologen und Petrographen dient der Geologenhammer
11 dazu, die angewitterten Gesteinspartien abzuschlagen um Der weitere Verlauf der Hydrolyse bewirkt die Bildung von Alu-
12
13
- das frische Gestein einsehen zu können.
Bedeutung des Begriffes „verwittert“ am Stein
Im Zustand „verwittert“ sind im Stein Kristallflächen und
Kristalle in einem solchen Ausmaß befallen, dass die Ge-
miniumhydroxid und Kieselsäure:
steinsfestigkeit und andere Kennwerte erniedrigt sind. Die Bei längerer Einwirkung des Wassers auf Feldspat und andere
technische Verwendungsmöglichkeit ist stark eingeschränkt Silikate führt dies zu deren völligen Zersetzung und zur Neubil-
14 („fauler Stein“). dung von Tonmineralen. Bei der hydrolytischen Verwitterung
Die Geowissenschaft/Petrographie kennt etwa 10 Gruppen von Plagioklas, Hornblende, Augit und Olivin werden neben
15 gesteinsbildender Minerale. Die häufigsten sind Feldspäte, Aluminiumhydroxid und Kieselsäure erhebliche Mengen von
Pyroxene (Augit), Amphibole (Hornblende), Olivine, Quarz Na-, Ca- und Mg-Ionen freigesetzt. Oberflächennah werden die
und Glimmer. Sie bilden die Hauptgemengeteile der magma- freigesetzten Stoffe von Pflanzen aufgenommen oder mit dem
16 tischen und metamorphen Gesteine und bestimmen deren Sickerwasserstrom fortgeführt. In tieferen Gesteinsschichten
quantitativen Mineralbestand. Diese Minerale unterscheiden werden die gleichen Minerale unter dem Einfluss von Thermal-
17 sich in ihrer chemischen Zusammensetzung, Farbe, inneren wasser zersetzt. Im Thermalwasser erhöht sich die Lösungsfracht
Kristallstruktur und äußeren Kristallform. Die Kombination (Mineralwasser).
dieser Minerale als Hauptgemengeteile drückt die Bezeich- Die Geschwindigkeit der hydrolytischen Verwitterung wird
18 nung einer Gesteinsgruppe aus, z. B. Gabbro und Basalt aus im feuchtwarmen Klima durch Kohlensäure und organische Säu-
Pyroxen (Augit), Feldspat (Labradorit) und teilweise Olivin ren bei niedrigem pH-Wert beschleunigt. In geringeren Mengen
19 oder Granit aus Kalifeldspat (Orthoklas), Kalzium-Natrium- vorhandene starke Säuren (Schwefelsäure, Salpetersäure) aus
Feldspat (Oligoklas), Quarz und Glimmer (meist Biotit), natürlichen oder anthropogenen Quellen (Luftverschmutzung)
20 seltener Pyroxen (Hornblende). Im Gestein kann die prozen- erhöhen die Verwitterungsintensität. Es verändern sich zunächst
tuale Zusammensetzung, die Kristallgröße und das Kristall- die verwitterungsempfindlichsten Minerale, während andere
gefüge variieren, wobei für das Benennen der Gesteine und (noch) beständig und frisch bleiben. So kann z. B. im Granit der
21 das Abgrenzen von anders benannten Gesteinen prozentuale Biotit verwittert sein, während die in größerer Menge vertrete-
Grenzwerte festgelegt wurden. nen Feldspäte noch frisch erhalten sind und dem Stein weiterhin
22 Sind magmatische oder metamorphe magmatische Ge- Festigkeit verleihen.
steine bestimmten Verwitterungsbedingungen ausgesetzt, Die Verwitterungsstabilität der Silikate steigt für vergleich-
werden von den gesteinsbildenden Mineralen die dunklen bare Korngrößen in der Reihenfolge
23 Gemengeteile Olivin, Pyroxen, Amphibol, Biotit schneller
angegriffen und zersetzt als die hellen Minerale Feldspat, Olivin < Anorthit < Augit < Hornblende < Albit
Muskowit und Quarz. Gesteine sind in sich inhomogene < Biotit < Muskowit < Orthoklas Quarz:
2.3 • Verwitterung
165 2
-
ren sind Vermiculit und Smectit: schiedenen Klimaten im gleichen Raum auftreten, was sich durch
Vermiculit Klimawechsel im Laufe der Erdgeschichte erklärt.
Vermiculit ist ein Verwitterungsprodukt aus Biotiten
und Mg-reichen Gesteinen. Es sind grünlichbraune zz Verwitterung in der polaren und subpolaren Klimazone
quellfähige Minerale. Im Boden verursachen sie die In Polargebieten, im Hochgebirge und in den von Winterkälte
Fixierung des Kaliums. Beim Erhitzen blättern Vermi- betroffenen Gebieten der Erde tritt vorrangig Frostverwitterung
culite auf ein Vielfaches ihres ursprünglichen Volumens auf. Es bilden sich scharfkantige Zerfallsprodukte. Die stärkste
auf und werden in diesem Zustand als Isolier- und Auswirkung der Frostverwitterung wird an Südhängen mit häu-
Verpackungsmaterial verwendet. figem Frost-Tau-Wechsel beobachtet.
166 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Die chemische Verwitterung tritt in den Polargebieten zurück ter den mit Hangschutt bedecktem Fuß aufragender Felsen aus
1 und findet bei Temperaturen unter 0 °C nicht statt. Am stärksten Sandstein, Granit, Gneis und anderer Festgesteine seitlich mehrere
vertreten ist chemische Verwitterung an den Südhängen. Meter tief reichen. Der aufragende Felsen und bei fortschreiten-
2 der Verwitterung auch Großblöcke und Blöcke können zersetztem
zz Verwitterung in der gemäßigt-humiden Klimazone und entfestigtem Gesteinsmaterial aufliegen. Es besteht die Mög-
In den gemäßigt-humiden Gebieten wirken gleichermaßen lichkeit, dass anstelle von vermeintlich „gesundem“ Festgestein
3 die physikalische und chemische Verwitterung. Typisch sind Lockerboden vorliegt. Solche Beobachtungen bieten zum einen
mächtige Hangschuttmassen und Deckschichten aus Verwitte- einen bislang kaum beachteten Aspekt bei der Ursachenforschung
4 rungslehmen (Braunlehm) oder Sedimenten, die die verdeckten zur Morphogenese von Felsen, Felswänden und Blöcken. Zum an-
Felsgesteine vor weiterem starken physikalischen Verwitterungs- deren birgt eine solche unter die Felswand greifende Verwitterung
5 angriff schützen. Für magmatische Gesteine ist die Wollsackver- Gefahren bei Grabarbeiten am Fuß von Felsen. Durch Bohren
6 -
witterung typisch.
Bedeutung des Begriffes „verwittert“ im Fels/Gebirge.
In den gemäßigten Breiten werden Feldspat und chemisch
ähnlich aufgebaute Minerale in silikatische Tonminerale
kann eine solche Verwitterung meist nicht erkannt werden. Bes-
sere Einsicht bieten gezielt angesetzte Schürfgruben.
zz Verwitterung in Trockengebieten
7 (Montmorionit, Illit, Kaolinit) umgewandelt (siallitische In den vegetationslosen Trockengebieten wirken Insolation und
Verwitterung). Das an der Erdoberfläche entstehende Temperaturwechsel auf Fels- und Gesteinsoberflächen ein. Dies
Endprodukt aus Ton, Limonit und Restmineralen (Quarz) bewirkt den Zerfall der Gesteine zu Sand und Staub, welche vom
8 ist Lehm. Diese mineralogische Veränderung kann Wind verweht werden. In den Abtragungsgebieten der Wüste
graduiert über mehrere Zwischenstufen vorliegen und (Felswüste) bildet die harte, unverwitterte Felsoberfläche die
9 betrifft Mineralbestand, Farbe, Oberflächenbeschaffenheit, Geländeoberfläche, welche als Ebene (Kieswüste), Blockwüste
Polierfähigkeit, Ritzfestigkeit, Dichte (Rohdichte, Rein- (Hamada) oder Gebirgswüste vorliegt. Niederschlagwasser und
10 dichte), Wasseraufnahme, Frostsicherheit, Frostsicherheit Tauwasser wird von den Gesteinen aufgenommen und bewirkt
bei Zutritt von Salz, Druckfestigkeit, Elastizitätsmodul, seis- im Gestein Lösungsvorgänge und hydrolytische Verwitterung.
mische Wellengeschwindigkeit und die Standfestigkeit von Das im Porenraum der Gesteine aufgenommene Wasser wird
11 Böschungen und Hohlräumen. über Saugspannungen an die Felswände abgegeben, wo es ver-
Fels/Gebirge aus chemisch angewitterten oder teilweise ver- dunstet. Mit dem Wasser werden als Zement wirkende Mine-
12 witterten Gesteinen kann trotz mineralogischer Nachweise ralstoffe gelöst und an der Außenwand als Verhärtungskrusten
von Mineralzersatz einen festen Zusammenhalt aufweisen. ausgeschieden. Hinter solchen Krusten verbleibt stark aufgelo-
Der Zustand, dass verwitterungsempfindliche Minerale im ckertes Material, das beim Verletzen der Kruste herausfällt oder
13 Umfang einiger Prozente in ihrer Substanz aufgelöst oder durch Einwirken von Wind und windbewegtem Sand erodiert
verändert sind, muss für das Bearbeiten von Fels keinen wird. Durch den Wechsel von Hartrinden und ausgeräumtem,
14 geotechnisch markanten Einfluss haben und ist entspre- ehemals aufgewittertem Material entstehen Hohlformen. Als
chend zu beschreiben und zu bewerten. Kleinformen bezeichnet man Waben und Zitzen, als Großformen
15 Physikalische Verwitterung mit Auflockerung im Trennflä- metertiefe Löcher und Rippen. Hohlblöcke aus Granit können
chensystem geht bei Wollsackverwitterung der chemischen bei einer Wandstärke von 5–10 cm über 3 m Durchmesser auf-
Verwitterung voraus. Ausgehend von den Trennflächen, weisen. Höhlen am Fuß von Zeugenbergen und Steilkanten in
16 Klüften und Spalten können die ursprünglich den Fels auf- Trockengebieten (Tafoni, Bröckelhöhlen) entstehen durch che-
bauenden Kluftkörper aus frischem Gestein unter Bedeckung mische Verwitterung ohne Hartrindenbildung.
17 von Bodenmaterial in einzelne runde Blöcke aufgelöst sein, Verkrustete Gesteine, z. B. Silikat- und Eisenkrusten, können
welche von ihrem Verwitterungsmaterial umgeben sind. Im unabhängig von ihrer ursprünglichen Petrographie als dichte Ge-
Kern können solche Blöcke noch frisches unverwittertes steine zerreißen und zerbröckeln.
18 Gestein enthalten. An den ehemals wasserführenden Spalten
ist das Gestein in Lehm umgewandelt. Durch Klimawandel, zz Verwitterung in tropischen Feuchtgebieten
19 Erosion und durch Quelldruck der plastischen Verwitte- In den tropischen Feuchtgebieten führt die chemische Verwitte-
rungslehme können derart gerundete Blöcke heute an der rung zu sehr mächtigen und gleichmäßigen Verwitterungsprofi-
20 Oberfläche liegen und Block- oder Felsenmeere bilden. len mit oben häufig 10 bis 30 m Laterit. Tiefer sind die Gesteine
vergrust und zersetzt, noch tiefer im unterschiedlich starken
Unter den Verwitterungsformen an Felsen finden sich auch For- Maße verwittert (stark verwittert – verwittert – schwach verwit-
21 men, wie sie im kalten Klima entstehen, und solche, wie sie im tert) und noch tiefer angewittert bis frisch. Ursache für gleichmä-
ariden Klima entstehen. ßige Verwitterung ist die große Tiefenwirkung der Verwitterung.
22 In wärmeren Klimaten und Ortslagen, in denen die Frostver- Der tief liegende Fels bleibt unter der mächtigen Schicht aus Ver-
witterung keine Rolle spielt, wirkt während der humiden Jahres- witterungsmaterial während der Verwitterung unter ebenem Ge-
zeiten die chemische Verwitterung mit tiefgründiger Vergrusung lände (peneplain) gleichmäßig belastet. Im Gegensatz zu Hang-
23 und der Bildung von Kaolinit und Montmorillonit. Dies betrifft lagen findet keine Auflockerung im Trennflächengefüge statt.
magmatischen Gesteine, metamorphe Gesteine und feldspathal- Die Sickerwege für das Sickerwasser sind isotrop. Unter Einfluss
tige Sedimentgesteine. So kann biochemische Verwitterung un- des Sickerwassers greift der Verwitterungsfortschrift auf immer
2.3 • Verwitterung
167 2
tiefere Gesteinslagen über. Entsprechend der Verwitterungssta- Spritzwasser, Regen und Exposition zu beschreiben. Verschie-
bilität der gesteinsbildenden Minerale eilt die Verwitterung der dene Bauwerksteile entsprechen unterschiedlichen kleinklima-
weniger stabilen dunklen Minerale wie Olivin, Anorthit, Augit, tischen Zonen mit unterschiedlichen Verwitterungsmerkmalen
Biotit voraus und findet in den tiefsten Zonen der Verwitterung an den dort eingebauten Bausteinen.
statt. Die hellen und mehr verwitterungsresistenten gesteinsbil- Die Verwitterungsbedingungen für Bauwerke und Bausteine
denden Minerale wie Kalifeldspat, Muskowit und Quarz sind in können gegenüber natürlichen Verwitterungsbedingungen durch
höheren Lagen des Verwitterungsprofils noch gesteinsbildend die Gefahren von Rauchgas, Brand, Ruß (Verschmutzung) und
mit festem Verbund im Mineralkorngefüge erhalten. Wasser- Schlagregen verstärkt sein. Die zu beobachtenden Verwitterungs-
lösliche Mineralstoffe werden über den tieferen Grundwasser- formen sind nicht an eine bestimmte Petrographie gebunden,
kreislauf abgeführt. Oberflächenwasser und Grundwasser aus wenngleich Gesteine gleicher oder ähnlicher Petrographie ver-
dem oberflächennahen Grundwasserkreislauf sind in der Regel gleichbare Verwitterungsformen erkennen lassen. Unter den
mineralarm (. Abb. 1.51, 1.52, 1.53). sehr unterschiedlichen Gesteinen, die als Bausteine verwendet
Die tieferen Teile der Verwitterungsböden haben vielfach die werden oder wurden, lassen sich Gruppen zusammenfassen, die
Textur- und Strukturformen der einstigen Gesteine erhalten. Der vergleichbare Verwitterungsmerkmale aufweisen.
ursprüngliche Mineralbestand ist jedoch zersetzt und in Tonmi- Zum Schutz gegen Bausteinverwitterung können an Bauwerke
nerale und Hämatit umgewandelt. Bei der chemischen Verwitte- Putzschichten, Fassadenplatten oder Vormauerwerk angebracht
rung im tropischen Klima überwiegt die allitische Verwitterung. werden, welche gleichfalls der Verwitterung ausgesetzt sind.
Kieselsäure wird abgeführt. Neu entstehende Tonminerale sind
Kaolinit und Hydrargillit. Endprodukte der allitischen Verwit-
terung sind Rotlehm, Laterit und Bauxit, meist angereichert mit 2.3.8 Lage und Exposition von Bauwerksteilen
Knollen und Krusten aus Aluminiumhydraten, Eisenoxiden und und Felswänden
Eisenoxidhydraten. Die meisten tropischen Verwitterungsbö-
den sind von feinverteilten Hämatitkristallen kräftig rot gefärbt, zz Bauwerksteile unter Wasser
welche als Pigment Ton- und Quarzkristallen anhaften (Late- Fundamente, Hafenmauern und Brunnenkammern können so
rit). Häufig sind mehrere Zehn Meter mächtige Gesteinslagen konzipiert sein, dass sie unter Wasser oder im Bereich wech-
gleichmäßig zersetzt/vergrust (Granitzersatz, Gneiszersatz, Ge- selnder Wasserstände stehen. Druckwechsel, Frost, Lösen und
steinszersatz). Dies betrifft vorrangig großflächige Vorkommen Oxidationsverwitterung, letzteres besonders bei Stahlbeton im
in den Tropen. In Mitteleuropa wird Gesteinszersatz in großer Seewasserbereich, können zur Gesteinszerstörung führen. Die
Mächtigkeit aus lang zurückliegenden Erdperioden unter der meisten Gesteine sind jedoch unter Grundwasser sehr beständig.
Auflagerung bestimmter Schichten aus Zechstein, Buntsandstein,
Kreide, Tertiär angetroffen. Bisweilen wird beobachtet, dass sol- zz Bauwerksteile im Bereich der Grundfeuchte des Bodens
cher Gesteinszersatz nach unten mit einer scharfen Grenzfläche Fundamente und untertägige Bauwerke (Keller, Brunnen, Stol-
endet, – wohl einem fossilen Grundwasserstand. Beim vollstän- len, Kammern, Höhlen) sind einem den natürlichen Bedingun-
digen Zersetzen von kristallinen Gesteinen vergehen/verschwin- gen im Boden ähnlichen Verwitterungsangriff ausgesetzt. Je nach
den im Zuge der chemischen Verwitterung zunächst die weniger Gesteinsart oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit vergleich-
stabilen dunklen Minerale wie Olivin, Anorthit, Augit, Biotit und baren Verwitterungsmerkmalen können Bausteine und bearbei-
die gesteinstypischen Minerale wie Hornblende, Glimmer, Feld- tete Flächen im Fels in diesem Umfeld sehr beständig sein oder
spat folgen etwa in der Reihenfolge der Verwitterungsstabilität Anzeichen für Auflösung und Zerfall zeigen.
von oben nach unten. Es bilden sich neue Minerale wie Ton und
Limonit oder Hämatit. Als Endprodukt vollständig zersetzter zz Bauwerksteile im Bereich von Spritzwasserzone
kristalliner Gesteine entstehen Lehm (Verwitterungslehm), La- und kapillarem Aufstieg
terit und Bauxit. Pflastersteine und Bausteine, die direkt über dem Boden im
Die meisten tropischen Verwitterungsböden sind kräftig rot aufgehenden Mauerwerk eingebaut sind, können wechselnder
gefärbt (Laterit). Die Tonfraktion besteht fast nur aus Kaolinit. Feuchte bis Vernässung durch Oberflächenwasser, Spritzwasser
und kapillar aufsteigendes Wasser ausgesetzt sein. Frostverwit-
terung, Salzverwitterung, Lösungsverwitterung und hydrolyti-
2.3.7 Bausteinverwitterung und Verwitterung sche Verwitterung können verstärkt angreifen. Der Sockelbereich
an freistehenden Felsen der Häuser ist stark der Verwitterung ausgesetzt. Häufig werden
Sockel aus verwitterungsresistentem Gestein erstellt. Gebäude
Im gleichen Klimabereich kann die Bausteinverwitterung anders können durch den Einbau adhäsionsbrechender Kiesschichten
als die natürliche Gesteinsverwitterung verlaufen. Herausgelöst und bituminöser Sperrschichten gegen kapillaren Wasseraufstieg
aus dem Gesteinsverband, ändert sich für den Baustein das kli- geschützt werden. Bei bestehenden Gebäuden ist dies nachträg-
matische Umfeld. lich durch Injektion wasserabweisender Stoffe möglich.
Gleiche Bausteine, die an verschiedenen Stellen in Bauwer-
ken eingesetzt sind, können entsprechend der Umgebung stark zz Freistehende Bauteile
unterschiedlich reagieren. Die Bausteinverwitterung ist getrennt In den aufragenden Bauwerksteilen ohne Kontakt zur Boden-
nach der Lage der Bauwerksteile zu Grundwasser, Bodenfeuchte, feuchte herrscht weitgehend ein Trockenklima. Das Verwitte-
168 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
rungsbild an Außen- und Innenwänden ist unterschiedlich. An den Calcit nach dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht. Calcitisch
1 Außenwänden ist zwischen stark der Witterung ausgesetzten und gebundene Sandsteine sind besonders gefährdet.
witterungsgeschützten Bauwerksteilen zu unterscheiden (Exposi-
2 tion). Dabei sind glatt aufragende Bauwerksteile, die von Schlag- zz Wirkung des Schlagregens
regen getroffen werden, oft gut erhalten. Die Exposition am Bau- Bei Wind und Regen trifft ein Großteil der Niederschlags-
werk bezieht sich nicht nur auf die Lage zur Sonneneinstrahlung menge im schrägen Winkel auf Bauwerke und Fassadenflä-
3 und Hauptwindrichtung. Der Begriff umfasst auch die Lage zum chen auf und läuft auf diesen ab. Dies führt zu einem Wechsel
Bauwerkskörper, zu anderen Bauwerksteilen und zu benachbarten von Lösungs- und Abtragungsvorgängen (Rauwitterung) mit
4 Gebäuden. Im Bauwerksteil gehören Befeuchtung, Beschattung, äußerlicher Säuberung, aber auch bereichsweiser Verschmut-
Verdunstung und seitliche kapillare Lösungszufuhr zur Exposition. zung der Fassade. Für das Ablaufwasser bilden sich Bahnen,
5 Durch die besonderen Bedingungen an Bauwerken ist das wobei Strukturen im Naturstein bevorzugte Ablaufbahnen
Verhältnis von Niederschlag zu Verdunstung in Richtung „arid“ bilden können. An vorkragenden Bauwerksteilen bildet sich
verschoben. Dies bewirkt kapillare Verlagerung von Lösungen Stauwasser mit vom Kapillarwasser ausgehenden Verwitte-
6 entgegen der Schwerkraft in Richtung „Verdunstung“. Daraus rungserscheinungen.
erklären sich Konvergenzerscheinungen zu Verwitterungsfor-
7 men aus dem semiariden bis ariden Klimabereich wie Rinden-, zz Wirkung thermischer Wechselbeanspruchung
Krusten- und Schalenbildung (Reichel 1975). Die unterschiedliche Ausdehnung von Kristallen kann im Korn-
Zusätzlichen Verwitterungsangriff auf Bausteine leisten die gefüge der Gesteine bei anisotropen Spannungsverteilungen zu
8 Rauchgase. Wirksam sind vorrangig Schwefeldioxid, schweflige Verformungen und Rissen führen. Über Ursachen mangelnder
Säure, Schwefelsäure (SO2, H2SO3, H2SO4) und Kohlensäure Formbeständigkeit bei Marmor berichten Tschegg et al. (1999).
9 (CO2, H2CO3), daneben Salpetersäure und Salzsäure.
zz Brandwirkung
10 2.3.9 Verwitterungsbedingungen
Brandschäden und Hitzeeinwirkung hinterlassen an Bausteinen
Verwitterungs- oder Zerstörungserscheinungen. Hitzeeinwir-
für Bausteine kung führt zu Abplatzungen und Absplitterungen. Im Stein ent-
11 haltene Feuchtigkeit kann Dampfdruck bis zur Sprengwirkung
zz Wirkung von Schwefelsäure und Schwefeldioxid entwickeln. Quarz erfährt beim Aufheizen über 573 °C eine
12 Die Schwefelsäure wird als Aerosol verfrachtet. Schwefelsäure Strukturänderung von Tiefquarz zu Hochquarz, die mit Volu-
als Aerosol ist keineswegs auf das moderne Industriezeitalter menausdehnung verbunden ist. Kalkstein bzw. Calciumcarbonat
beschränkt. kann in gebrannten Kalk übergehen. In Verbindung mit Lösch-
13 Als Bestandteil der lebenden und abgestorbenen organi- wasser bildet sich gelöschter Kalk.
schen Substanz ist Schwefel in großen Mengen im natürlichen
14 Kreislauf enthalten und mit hohen Anteilen am sauren Regen zz Verschmutzung
beteiligt. Geogene Quellen sind vulkanische Exhalationen, die Ruß verdirbt das Gesicht der Bauwerke, nicht ihre Substanz. Der
15 bakterielle Reduktion von Sulfaten zu Sulfid oder Schwefel und Ruß ist chemisch tot, kann aber als Feuchtigkeitspolster andere
die Verwitterung von Sulfiden. Messungen aus „Reinluftgebieten“ aggressive Schadstoffe auf die Gesteinsoberfläche ziehen. Die
mit 0,005–0,020 mg SO2 pro m3 Luft geben Anhaltswerte für die Schwärzung der Fassaden verlangt mehrfach nach erneuten An-
16 natürliche Grundbelastung der Luft in Deutschland. strichen oder Beseitigung der verrußten Schichten mittels Sand-
Künstliche Quellen sind Bergbau, Verhüttung von Sulfider- strahlgebläse. Bei einigen Bauwerken aus ursprünglich hellen
17 zen, Erdarbeiten in sulfidhaltigem Boden oder Gestein (Torf, Gesteinen, wie dem Kölner Dom (weißer Trachyt) und der Porta
Auelehm, Schwarzschiefer) und die aus dem Verbrennen fossiler Nigra in Trier (weißer Voltzien-Sandstein), haben wir uns an den
Rohstoffe abzuleitenden Rauchgase. Die seit den Siebzigerjah- Ruß früherer Jahrhunderte gewöhnt und diesen zum Bestandteil
18 ren übliche Rauchgasentschwefelung führt seitdem zu sinkenden des Bauwerks erhoben.
Schwefelbelastungen. Höchstwerte in Stadtzentren lagen in den
19 sechziger Jahren bei > 0,1 mg SO2 pro m3 Luft.
Schwefelsäure bewirkt im Baustein die Auflösung von Car- 2.3.10 Verwitterungsarten an Felsen
20 bonat und damit die Zermürbung des Gesteins. Ein Teil der und Bausteinen
Carbonatsubstanz wird in Gips umgewandelt. Damit sind Vo-
lumenzunahme und Kristallisationssprengung mit Zerstörung zz Abmehlen, Absanden, Abgrusen
21 oder Verformung der Bausteine verbunden. Auffällige Verwitte- Die Begriffe bezeichnen das Herauslösen einzelner Mineralkör-
rungserscheinung sind schwarze Gipskrusten, die ganze Fassa- ner aus dem Gesteinsverband. Dabei wird der Zement aufge-
22 denflächen überziehen können. Marmorplatten können sich bei löst. Die Vorgänge betreffen porige Gesteine und porige Ver-
teilweiser Umwandlung von Calcit in Gips verbiegen. witterungskrusten von Hartsteinen. Beobachtet wird selektives
Auswittern an texturellen Merkmalen im Gestein (Schichtung,
23 zz Wirkung der Kohlensäure Sedimentationsmarken, Fossile) und „punktuelles“ Auswittern
Die Kohlensäure führt bei erhöhten Konzentrationen in Indus- unterschiedlich dimensionierter Löcher mit dazwischen stehen-
triegebieten zu verstärkter Lösung und Wiederausfällung von gelassenen Rippen (Wabenverwitterung). Der Verwitterungsfort-
2.3 • Verwitterung
169 2
schritt kann in scheinbar stabilen Felswänden bei 0,1–1 mm pro kristallinen Gesteinen und Mörtel jedoch anhaltende Zersetzung
Jahr liegen. im Gestein oder im Bauwerksteil anzeigen.
Die Ausblühsalze bestehen chemisch aus Ca2+, Mg2+, Na+,
+ −
zz Vergrusen, Zerfallen K , NH+4, HCO2− 3 , SO4 , Cl , NO3 , NO2 und PO4 , vorwiegend
2− − − 3−
Durch intensive chemische Verwitterung, durch Salz- und Frost jedoch aus Chloriden und Sulfaten von Calcium und Natrium.
einwirkung können körnige Gesteine zu Sand und Grus zerfal-
len. Der Prozess des Vergrusens ist bei Graniten und massigen zz Verkrusten
magmatischen Gesteinen langsam. Bei porösen magmatischen Anlagerungen und Auskristallisationen an der Gesteinsober-
Gesteinen, bei Tuffsteinen, Sandsteinen und Mergelsteinen kann fläche führen zur Ausbildung von Krusten. Beobachtet werden
der Zerfall schnell eintreten. Es sind Übergänge zu veränderlich Gipskrusten, Salzkrusten und Schmutzkrusten (Ruß). Hinter der
festen Gesteinen zu beobachten. Qualitativ schlechte Bausteine Kruste geht die mineralische Bindung im Gestein verloren. Das
können binnen weniger Jahre zerfallen. Gestein zerfällt zu Sand und/oder Mehl, welche beim Aufbrechen
der Kruste herausfallen.
zz Reißen, Absplittern, Abplatzen, Ausbrechen, Der Begriff „Sinterkrusten“ bezeichnet dünne Krusten an
Zersplittern Kalk- und Kalksandsteinen. Diese treten an Stellen auf, die vor
Die Begriffe bezeichnen den Zerfall dichter, porenarmer Ge- direktem Niederschlag (Platzregen) geschützt sind. An höheren
steine, welche kaum Feuchtigkeit aufnehmen. Davon betroffen Bauwerksteilen wird der Kalkstein vom kohlensauren Regen
sind homogene, dichte Gesteine wie Basalt, feinkörniger dichter gelöst und über den Oberflächenabfluss dem Ort der Krusten-
Kalkstein, dichter Anhydrit und dichte verkrustete Gesteine, z. B. bildung zugeführt. Sinterkrusten können die Oberfläche von
Eisenkrusten im Sandstein. Solche homogenen und massigen Bausteinen, aber auch Wand- und Felsmalereien und Glas vor
Gesteine zerfallen zu scharfkantigen Stücken in Kies- bis Stein- weiterer Verwitterung schützen.
größe (vergleichbar mit Splitt und Schotter). In der Natur bilden
sich Hang- oder Verwitterungsbrekzien. Bei inhomogenen Kalk- zz Aufblättern, Abblättern, Abschalen
steinen kann es durch Auswittern der feinkörnigen Matrix zum Die Begriffe bezeichnen das Ablösen schichtparalleler Gesteins-
Ausbrechen kompakterer Konkretionen oder stärker verfestigter blätter. Diese texturellen Inhomogenitäten können entweder aus
Partien kommen. der Entstehung der Gesteine abgeleitet werden (Schichtung),
Bei Bauwerken bleibt eine durch unregelmäßige Ausbrüche oder sie sind durch die Bildung von Krusten im Zuge der Ver-
zurückgewitterte Oberfläche. Solche Ausbrüche können kurz- witterung neu entstanden. „Geschwürartiges“ Aufblättern der
zeitig auftreten. Bei Dekorsteinen und Fassadenplatten büßt der Gesteine wird häufig beobachtet.
Stein sofort seine Funktion als optisches Element und/oder Bau-
werkschutz ein. Ausbrüche an Pflastersteinen, Randsteinen und zz Rahmenverwitterung
Stufenplatten stellen ein Unfallrisiko dar. Im aufgehenden Mau- Dieser Begriff (Kieslinger 1959) beschreibt an Gesteinsplatten
erwerk hält die Entwicklung der Schäden über lange Zeit an, bis und -quadern den Zerfall von der Mitte einer Gesteinsfläche
wegen Rückverwitterung um die Standfestigkeit der Bauwerke nach außen. Während in den mittleren Teilen der betroffenen
gefürchtet werden muss. Flächen sich im Gestein eine Schale nach der anderen ablöst oder
das Gestein absandet und auswittert, bleiben die Kanten stehen.
zz Abschuppen Die Mitte der Fläche wird vertieft, die hervorstehenden Kanten
Bei dichten Hartsteinen können sich oberflächenparallel mil- bilden den Rahmen. Die Rahmenverwitterung ist eine Sonder-
limeterdicke, seltener zentimeterdicke Gesteinslagen ablösen form der Krustenbildung und des Aufblätterns, Abblätterns und
(Desquamation). Der Vorgang tritt im Laufe von einem bis we- Abschalens mit Übergängen zur zelligen Verwitterung. Sie wirkt
nigen Jahren, bei kristallinen Gesteinen auch erst im Laufe meh- entgegengesetzt zur Wollsackverwitterung und Rauwitterung,
rerer hundert Jahre ein. bei welchen der Verwitterungsangriff an den hervorstehenden
Kanten ansetzt.
zz Ausblühen
Aus Gestein und/oder Mörtel können Zementanteile gelöst und zz Abbröckeln, Ausbröckeln, Zerbröckeln
kapillar an die Gesteinsoberfläche verfrachtet werden, wo diese Aus dem Gesteinsverband lösen sich unregelmäßige Gesteins-
ausblühen („Mauersalpeter“). Aus Mörtelfugen austretende Lö- stücke und/oder Kornaggregate. Ansatzpunkte dieser Verwitte-
sungen können auch kleinflächige Krusten hinterlassen (Aus- rungsform sind gesteinsinterne Schwachstellen wie Schichtung,
bluten der Mörtelfuge). Vorrangig handelt es sich bei solchen schlierenartige Anreicherung von Glimmer oder feinkörnigen
Schadensbildern um optische Mängel. Die Festigkeit der Ge- Mineralen, Sedimentstrukturen oder Fossile.
steine und der daraus erstellten Bauwerke wird durch das in den
ersten Jahren nach Bauwerkserstellung beobachtete Ausblühen zz Zersprengen, Absprengen, Aufreißen
im allgemeinen nicht vermindert. Oft hält das Ausblühen nur Zu Oxidation oder Umkristallisation neigende Stoffe im Baustein
wenige Jahre an. Danach sind die leicht löslichen Salze ausge- (Pyrit im Schiefer, gebrannter Kalk im Ziegel, in Bohrungen oder
laugt. Die Ausblühungen („Mauersalpeter“) werden vom Regen Aushöhlungen eingepasstes Eisen oder einbetonierter Baustahl)
abgewaschen und verschwinden bei nachlassendem Ausblühen entwickeln einen Kristallisationsdruck und zersprengen den
von selbst. Langandauerndes Ausblühen kann bei Kalksteinen, Stein.
170 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Werkstein gestalteten Figuren und Verzierungen an Bauwerken Klüften zeigen. An der Wetterseite sind auch Ausblühungen,
ist aus den vergangenen Jahrhunderten belegt. Die betroffenen Schalenbildungen und Verkrustungen mit Abbröckeln, Abblät-
Bauwerksteile wurden in den vergangenen Jahrhunderten regel- tern oder Abschuppen der gelockerten Teile möglich. In aller
mäßig ersetzt. So wurden um 1850 am Kölner Dom Fialen aus Regel sind Bauwerke aus kristallinen Gesteinen sehr beständig.
Württemberger Sandstein eingebaut, welche um 1900 bereits zer-
stört waren. Am Dresdner Zwinger waren im 18. Jahrhundert zz Verwitterungsformen bei dichten carbonatischen
Bauteile aus Elbsandstein nach 60 Jahren ersatzbedürftig. Der Gesteinen – Kalksteinverwitterung
Schöne Brunnen in Nürnberg wurde um 1350 mit einer unge- Bausteine dieser Gruppe sind dichte polierfähige Kalksteine,
wöhnlich großen und nischenreichen Oberfläche fertiggestellt; Marmore und Dolomitsteine.
1385 begannen die Erneuerungsarbeiten (Simon 1974). Kalksteine zählen nach bautechnischen Kriterien unter
An witterungsgeschützten Stellen können Gesteine dieser Grundwasser und im Bereich der Grundfeuchte als verwitte-
Gruppe über sehr lange Zeiten Bearbeitungsspuren, Verzierun- rungsstabil (Seidel und Steiner 1988). In längeren geologischen
gen und Schriftbilder erhalten. Die Außenhaut der Sandsteine Zeiträumen unterliegen sie der Auflösung. Maßgebendes Agens
kann, wie an antiken Felsbauwerken oder vorzeitlichen Felsbil- hierfür ist Kohlensäure.
dern zu sehen ist, die Bearbeitungsspuren über Jahrtausende Im Bereich der Spritzwasserzone können Dickenreduzierun-
erhalten, in direkter Nachbarschaft aber 2–3 m tiefe Rückver- gen durch Abmehlen oder Ablösen (einige Millimeter pro Jahr-
witterung aufzeigen. hundert) neben der Ausscheidung von Kalkkrusten auftreten.
Auf porösen Kalksteinen können sich Ausblühungen und Polituren werden in wenigen Jahren stumpf. Rissbildungen und
Krusten (Schmutzkrusten, Gipskrusten) bilden. Unter den Krus- Abplatzungen sind möglich. Wegeplatten können nach Art der
ten kann Gefügeauflockerung bis zum körnigen Zerfall auftreten. Rahmenverwitterung abschalen und auswittern.
Bei Kalktuff bzw. Travertin wird tiefgreifender Substanzverlust Freistehende Bauwerksteile, die Schlagregen und Rauver-
der Oberflächen und Abwittern der Ecken und Kanten beob- witterung ausgesetzt sind, verlieren im Laufe einiger Jahre die
achtet. Poröse Kalksteine neigen wie Sandstein zum Abbröckeln, Polituren. Von der der Verwitterung ausgesetzten Oberfläche
Abgrusen, Absanden oder Abmehlen. ausgehend, setzt eine Auflockerung im Kristallgefüge ein, die
Bei Stahlbeton kann sich neben dem für „Sandstein“ typi- sich durch Volumenzunahme bzw. Schwellen äußert (Grimm
schen Zerfall Rissbildung einstellen. Ursache hierfür ist die 1999). Das kann bei Platten aus Marmor oder dichtem Kalkstein
Oxidationssprengung nach Verlust des alkalischen Schutzes im im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten dazu führen, dass sich
Beton durch fortschreitende Neutralisation unter Einwirkung der diese durch innere Spannungen verbiegen. Bei plattenverzierten
atmosphärischen Säuren. Bauwerken kann dies dazu führen, dass durchgebogene Platten
(ca. 5 cm auf 1 m Plattenlänge) sich vom Mörtelbett abheben und
zz Verwitterungsformen bei grobkörnigen magmatischen herausfallen. Diese Verwitterungsform führt im fortschreitenden
Gesteinen – Granitverwitterung Stadium zu Rissen und zum Ausbrechen von Körnern und Ge-
Dichte, grobkörnige kristalline Gesteine (Granit, Gneis, Diorit, steinsfragmenten, aber auch zum Zerbrechen verformter Platten
Gabbro) sind unter Grundwasser verwitterungsresistent. Im Be- und Skulpturen. Im weiter fortgeschrittenem Stadium können
reich der Grundfeuchte verwittern und vergrusen diese Gesteine dichte Kalksteine reißen, scherbig ausbrechen, ausplatzen, ab-
bei gleichzeitiger Abnahme der Dichte und Zunahme der Porosi- bröckeln und zerbröckeln.
tät. Der Vorgang des Vergrusens erfolgt unter dem Einfluss von Abhängig von der Exposition können Sinterkrusten auftre-
Mikroorganismen und benötigt geologische Zeiträume. Grob- ten, die die Oberfläche des Kalksteins umschließen und bewah-
blockige kristalline Gesteine zeigen oft Wollsackverwitterung. ren. Schwarze Gipskrusten bilden sich unter dem Einfluss von
Angewitterte Gesteine dieser Gruppe besitzen eine höhere Po- saurem Regen auf Kalkstein durch die Reaktion zwischen Schwe-
rosität und verhalten sich wie Sandstein. felsäure und Calziumcarbonat. Besonders auffällig und störend
In der Geotechnik zählen Bausteine aus frischen kristallinen sind solche schwarzen Flecken und Krusten auf weißem Marmor.
Gesteinen als verwitterungsresistent. Platten aus Marmor können sich durch das Umwandeln von Kal-
In der Spritzwasserzone neigen diese Gesteine zum Ver- zit in Gips verbiegen und sich von ihrer Unterlage trennen.
lust der Politur und zu rauem Abwittern mit Abgrusen ober- Im Gegensatz zu den Gesteinen dieser Gruppe verwittern po-
flächennaher Minerale. Moose und Flechten können den Ver- röse Kalksteine im aufgehenden Bauwerk wie Sandstein, können
witterungsfortschritt beschleunigen. Die Rückverwitterung an sich aber gelegentlich vom Sandstein durch die Ausbildung von
Granitblöcken mit rauer Oberfläche liegt in Mitteleuropa in der Sinterkrusten unterscheiden.
Größenordnung 1 mm in 5 Jahren. Schalenbildung (Desqua-
mation) ist häufig. Im Einflussbereich von Streusalz sind auch zz Verwitterungsformen bei dichten Quarzgesteinen –
stärkere Schäden möglich. Bordsteine und aufgehendes Mauer- Quarzit- und Quarzverwitterung
werk können nach Art der Rahmenverwitterung abschalen und Gesteine dieser Gruppe sind weitgehend verwitterungsresistent.
auswittern. Durch monomineralischen Aufbau und intensive Verwachsun-
In freistehenden Bauwerksteilen sind Granit und kristalline gen im Interngefüge sind diese Gesteine gegen Temperaturwech-
Gesteine beständig gegen den Angriff der Hydrolyse, wenn das sel unempfindlich und, soweit chemisch geeignet, als feuerfeste
Regenwasser schnell abläuft. Die Gesteine können vereinzelt Auskleidung von Hochöfen geeignet. Sie sind nur schwer bear-
Abplatzungen, Schalenbildung und Ausbrüche an verborgenen beitbar und werden für Sockelbauwerke, aber auch für Pflaster-
172 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
steine, Wegplatten und Wasserbausteine verwendet. Zerfall kann Restdruckfestigkeit einzelner Bausteine unter die erforderliche
1 durch Rissbildung und Ausbrechen eintreten. Belastbarkeit absinken. Gefahren für Einsturz oder Abbruch
und Absturz von Bauwerksteilen können sich einstellen. Zur
2 zz Verwitterungsformen bei dichten magmatischen Schadensanalyse von kulturhistorisch wertvollen Gebäudeteilen
Gesteinen – Basaltverwitterung und Kunstwerken werden zunehmend Ultraschallmessungen als
Dichte magmatische Gesteine mit feinkörniger Grundmasse und Untersuchungsmethode eingesetzt. Die Wellengeschwindigkeit
3 häufiger Verzahnung der nadelartigen Kristalle unterscheiden der Longitudinalwellen Vp wird mit der Porosität korreliert, um
sich von Granit durch erhöhte Verwitterungsresistenz. Vergleich- über die Porositätszunahme durch Gefügeauflockerung einen
4 bar zu dichtem Kalkstein und Quarzit kann Zerfall durch Riss- Hinweis auf Verwitterungsschäden zu bekommen (Dürrast et al.
bildung und Abplatzung einsetzen. Aufgebrachte Polituren sind, 1999; Lindner et al. 1999). Es bestehen Vp-Schadenstypen-Klas-
5 auch in der Spritzwasserzone, sehr beständig. sifikationen für Marmor und Schaumkalk.
Bei der Anlage von Böschungen werden freigelegte Fels-
zz Verwitterungsformen bei Schiefer anschnitte der Verwitterung ausgesetzt. Dabei ist die Verwitte-
6 Schiefer wird als Baustein, als Dachschiefer und als Fassaden- rungsanfälligkeit der freigelegten Gesteinsarten vergleichend zu
stein verwendet. Bei der Auswahl muss auf pyritfreie Varietä- prüfen und in Versuchen zu testen. Rascher Festigkeitsverlust
7 ten geachtet werden. Abplatzen, Abschuppen und Aufblättern (veränderlich feste Gesteine) und die Gefahr rascher Rückwitte-
nach den Schieferungsflächen können auftreten. Daneben ist rung mit Ausbildung von Hohlkehlen sind vorauszusagen.
Absanden, Lochverwitterung und vereinzelt Wabenverwitterung Bei der Risikoabschätzung und Gefahrenbeurteilung kann
8 möglich. vergleichbar zu dem in ▶ Abschn. 2.6.8 aufgezeigten Verfahren
vorgegangen werden. Um Verwitterungsgefährdung zu erken-
9 zz Verwitterungsformen bei löslichen Gesteinen nen, sind folgende Sicherungsfragen zu erörtern:
In einigen Regionen wurde Gips und Anhydrit als Baustein 1. Was kann passieren?
10 verwendet. Im Innenbereich der Häuser ist Gipsputz verbreitet. 2. Was kann passieren, wenn?
Diese Gesteine gehören zwar wegen ihrer hohen Löslichkeit zu 3. Was darf passieren?
den verwitterungsanfälligsten Gesteinen, doch können sie als
11 Baustein durchaus beständig sein (Lucas 1992). Bauwerke aus Aus der Beantwortung dieser Fragen ergibt sich eine Gefahrenbe-
Gips oder Anhydrit zeigen Lösungsverwitterung mit Substanz- urteilung und eine mögliche Gefahrenbegegnung. Verwitterung
12 verlust zwischen 1 und 30 mm pro 100 Jahren. In witterungsge- ist zwar prinzipiell ein langsamer Vorgang, aber rasche Verwitte-
schützten Lagen können Bauwerke aus Gips mehrere hundert rung kann schon nach wenigen Jahren die Nutzung von Bauwer-
Jahre ohne Schaden überstehen. Mikrokarst, Dickenreduzierung ken beeinträchtigen und kostenaufwendiges Sanieren erfordern.
13 und die Ausbildung schwarzer Krusten sind häufige Verwitte- Soweit bei Felsbauwerken die Verwitterungsempfindlichkeit der
rungserscheinungen. An der Außenfläche der Wände können Gesteine bekannt ist, kann schon in der Planung Raum für spä-
14 Ausblühungen und Mehlbildung entstehen, die beim nächsten teres Sanieren vorgesehen werden.
Regen abgewaschen werden. Häufig beobachtet werden Rissbil-
15 dung, scherbiges Ausbrechen, Ausplatzen oder Abbröckeln. Dies
2.4 Krusten und Verkrustungen
sind Verwitterungsmerkmale dichter Gesteine.
Häufig stellen solche Kalkkrusten Mischtypen aus nachstehend (z. B. römische Thermen in Baden-Baden), so können bei aus-
beschriebenen Carbonatisierungsarten dar. bleibender Pflege die Baulichkeiten vom Quellsinter erfüllt und
umschlossen werden.
zz Tagwassercarbonatisierung In Trockengebieten kann in Talauen und abflusslosen Senken
Großflächige Kalkkrusten finden sich in den Trockengebieten flächenhaft aufsteigendes Grundwasser weitflächiges Ausfällen
der Erde. Kalkkonkretionen im Boden finden sich in Gebieten von Calciumcarbonat verursachen. Solche Ausfällungen reichen
mit ausgeprägten Regen- und Trockenzeiten und in gemäßigt von Ausblühungen weißen Calciumcarbonatpulvers über Kon-
humiden Gebieten mit jahreszeitlichem Wechsel zwischen Som- kretionsbildungen bis zu meterdicken massiven Kalkkrusten.
mer und Winter. Aus calcithaltigen Bodenschichten (Löss) wird Calcit kann in Gesteinsspalten, innerhalb von Talsedimenten
Calcium als Bicarbonat im Sickerwasser gelöst und mit dem oder Bodenhorizonten und auch an der Oberfläche von Böden
Sickerstrom nach unten verfrachtet. Nach kurzem Sickerweg, oder Krusten auskristallisieren. Solche Krusten enthalten häu-
abhängig von Wasserdargebot und Bodenfeuchte, wird bei ab- fig Einkieselungen und Ausscheidungen anderer Mineralarten,
nehmendem CO2-Partialdruck in der Bodenluft (Trockenzeit/ welche im Zuge des Grundwasserkreislaufes in größerer Tiefe
Winter) Calcit ausgefällt und in Konkretionen (Lösskindel) an- gelöst wurden. Abhängig von wechselnden Wasserständen und
gereichert. Im Fortgang dieses Prozesses können sich im Boden Witterungsbedingungen kann das Ausfällen des Calciumcarbo-
zusammenhängende Krusten bilden. Nach Abtrag des entkalkten nats in verschieden hohem Abstand zur Bodenoberfläche erfol-
Oberbodens bilden Kalkkrusten eine vegetationsarme bis vege- gen. Die Bildungsdauer einer Kruste wird von der aufsteigenden
tationsfreie Oberfläche, deren weitere Umlagerung zur Tiefe mit Wassermenge und dessen Lösungsinhalt bestimmt. Flächenhaft
Ausbleiben der Kohlensäure stark verlangsamt wird. Der Parti- kann die Krustenablagerung zwischen 0,1 und 1 mm pro Jahr
aldruck der Kohlensäure in der Bodenluft ist abhängig von der liegen. Durch Erosion des Oberbodens können auch unter Flur
Vegetation. Er ist in Vegetationsphasen hoch und wechselt in entstandene Krusten an die Oberfläche gelangen. Bei zeitweiser
gemäßigt-humiden Gebieten zwischen Sommer- und Winter- Wasserüberdeckung können Kalksteinlagen mit Merkmalen der
halbjahr etwa um den Faktor 5–15. In Trockengebieten wechselt Carbonatausfällung unter Wasser aufwachsen.
der CO2-Partialdruck der Bodenluft zwischen Regenzeit und
Trockenzeit. Calcitausscheidung in Wurzelröhren, Wühlgängen zz Krustenbildung – Calciumcarbonatausfällung
und an Konkretionen und Krusten geschieht an den Stellen, an unter Wasser
denen die Bodenluft diffusiv CO2 an die Atmosphäre abgibt. Durch Entgasen infolge Entlastung, Bewegung oder Erwärmung
In Entnahmevorrichtungen für Bodenluft kann Calciumcar- kann im Wasser der CO2-Partialdruck erniedrigt und Calcium-
bonat aus dem im Luftstrom mitgeführten Bodenwasser ausge- carbonat ausgefällt werden. In offenen natürlichen Gewässern
fällt werden und Ansaugstellen für Bodenluft verschließen. Der kann das Ausfällen durch assimilierende Pflanzen und durch
Vorgang kann binnen weniger Tage bis Wochen eintreten. Calciumcarbonat ausscheidende Tiere, Pilze, Algen und Bak-
terien verstärkt werden. Häufig führt das Ausfällen von Cal-
zz Hangwassercarbonatisierung ciumcarbonat unter Wasser zu laminiertem Aufbau der Kalk-
Im Hang kann aus Sickerwasser, welches im lockeren Hangsedi- krusten mit Wachstum von unten nach oben, in Rohrleitungen
ment oder Hangschutt in geringem Abstand zur Oberfläche über und Kanälen von außen nach innen. Ausfällungen werden in
einem Stauhorizont bzw. über Fels hangabwärts strömt, durch die Entnahmevorrichtungen, Leitungen, Becken und Apparaturen
Einwirkung von Diffusion und Verdunstung Calciumcarbonat von Wasserversorgungssystemen beobachtet. In Gebieten mit
ausgefällt werden. Dies kann zu mehrere Meter mächtigen fels- kalkhartem Wasser kann Oberflächenwasser in natürlichen und
artigen Verfestigungen oberflächennaher Bodenschichten führen künstlichen Gerinnen und besonders an Wasserschnellen und
(verfestigte Kiese, Sande, Nagelfluh). Werden solche krustenar- Wehren Kalkausfällung bewirken. Ausgefällter Calcit oder Ara-
tigen Verfestigungen von lockeren Böden unterlagert, kann dies gonit kann Leitungen und Dränagen in ihrem Querschnitt ver-
im Baugrund bei Nichterkennen der Situation zu kostenträchti- engen oder sogar verschließen. In künstlichen und natürlichen
gen Fehldeutungen führen. Gerinnen und Gefällstrecken können schnellwachsende Sinter-
terassen entstehen. Hinter solchen Terrassen kann das Wasser
zz Quell- und Grundwassercarbonatisierung aufgestaut und die Grundwasserlandschaft verändert werden
Im aufsteigenden Grundwasser oder seitlich auslaufenden Quell- (Plitwitzer Seen).
wasser kann infolge von Druckentlastung, Diffusion, Bewegung In Seen kann sich unter Wasser ausgefälltes Calciumcarbonat
oder Erwärmung der CO2-Partialdruck erniedrigt werden, was als Seekreide ablagern.
bei kalkharten Wässern zum Ausfällen von Calciumcarbonat
führt. An Quellen und künstlichen Austrittstellen von Wasser
kann sich Sinterkalk ablagern und die Nutzung von Bauwer- 2.4.2 Gips- und Salzkrusten, Versalzung
ken oder Bauwerksteilen behindern. Flächige Verkrustungen
können an Austrittsstellen von Mineral- und Thermalwässern Böden, die wasserlösliche Salze enthalten, werden als Solont-
auftreten. Bekannt sind schnellwachsende Sinterterrassen (meh- schake (Salzboden) bezeichnet. Solontschake kommen natür-
rere Millimeter bis Zentimeter pro Jahr) wie Grand Mamouth lich vor in abflusslosen Senken mit hohem Grundwasserstand
im Yellowstone-Park/Wyoming, Pamukalee/Türkei und andere. (Grundwassersolontschake, Sebkha), in Gebieten mit Meerwas-
Werden mineralhaltige Thermalquellen gefasst und umbaut serversalzung (Küstensebkha) und in Trockengebieten mit atmo-
174 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Das Lösen und Ausfällen von Eisen und Mangan richtet sich lium. Sie ist das Produkt chemischer Verwitterung auf Grundlage
nach dem Redoxpotential Eh im Wasser. Unter Mitwirkung von von Taubefeuchtung. Wüstenlack wird auch auf jungen Gesteins-
Mikroorganismen können die im Wasser gelösten Eisenionen bruchflächen beobachtet. Viele fälschlich als „Felszeichnung“
(Fe2+) oder Manganionen (Mn2+) zu Eisenhydroxid oder Eisen- beschriebenen Darstellungen aus Wüstengebieten sind „Abkrat-
oxidhydrat aufoxidiert und abgeschieden werden. Dies führt zum zungen“ von Wüstenlack. Vergleichbare Bildungen treten ab-
Verockern von Brunnen, Wasserentnahmestellen und Quellen. hängig von der Exposition auch in humiden Klimaten auf und
Im Schwankungsbereich von Grundwasserständen können Bo- können helle Gesteine dunkel verfärben.
denhorizonte verockern (Houben, Weihe 2011).
Beim Brunnenbau muss mit biologischer Verockerung ge-
rechnet werden. Kriterien hierfür sind Lösungsinhalt von Fe2+ 2.4.4 Kieselkrusten (Silcretes, Duricretes)
und Mn2+ im Wasser, Fließgeschwindigkeit und Unterschiede in
der Fließgeschwindigkeit des Wassers, Einstellen eines bestimm- Weite Gebiete der Erdoberfläche (z. B. in Nord- und Südafrika,
ten Redoxpotentials sowie die Gegenwart der das Ausfällen und Australien) tragen oft mehrere Meter dicke Kieselkrusten un-
Verkrusten herbeiführenden Bakterien. Ein Eindämmen der terschiedlicher Entstehung. Seitlich können solche Silcretes in
Verockerung kann durch keimabtötende Mittel (z. B. Chlorlö- Ferricretes übergehen. Die Entstehung erfolgte überwiegend in
sungen) erreicht werden. Auch wird im Umkreis der Brunnen zurückliegenden Erdperioden, hält aber in abflusslosen Trocken-
das Impfen des Grundwassers mit sauerstoffangereichertem gebieten bis heute an. Geotechnisch wichtig ist die Kenntnis vom
Wasser empfohlen. γ-Bestrahlungen zum Abtöten der Bakterien Auftreten solcher extrem schwer bearbeitbarer Oberflächenbil-
sind in Deutschland wegen Unkenntnis über etwaige Nebenwir- dungen. Vielfach verursachten solche Krusten Reliefumkehr und
kungen nicht gebräuchlich. bilden heute die Oberfläche von Hochflächen und Plateaubergen.
Die Regeneration eines von Verockerung befallenen Brun- Kleinräumig können Kieselkrusten an Thermalquellen auf-
nens muss rechtzeitig erfolgen, da die zunächst ausgeschiedenen, treten.
weichen Eisen(III)-Hydroxide durch Abgabe von Hydratwasser
zu Goethit oder Limonit umkristallisieren und erhärten.
Die Regenerationsbedürftigkeit eines Brunnens oder sein Fil- 2.5 Natürlicher Erdabtrag – Erosion,
tereintrittswiderstand kann aus kontinuierlicher Kontrolle und Denudation
Vergleich von Fördermenge, Flowmessungen in der Filterstrecke,
Pumpenstromaufnahme und Wasserspiegelhöhe im Brunnen Die Oberflächenformen der Erde werden überwiegend durch
festgestellt werden. Kurzzeitpumpversuche, Kalibermessungen Wechselbeziehungen zwischen Hebung, Senkung, Abtrag und
und fernsehoptische Aufnahmen sind weitere Untersuchungs- Sedimentation gestaltet. Maßgebend für Abtrag und Formge-
möglichkeiten. bung ist das Klima. Die Prozesse „Abtrag durch fließendes Was-
Zur Regeneration werden mechanische Verfahren (Reinigen ser“, „Abtrag durch Gletscher“ und „Abtrag durch Wind“ werden
mit Bürsten, Gummischeiben, Hochdruckreinigungssystemen), vom Klima gesteuert.
chemische Verfahren (abschnittsweises Zugeben eines Lösungs- Die Oberfläche der Erde unterliegt ständiger Veränderung.
mittels bzw. Regenerats unter Beachtung der Umweltschutzbe- In Senkungsgebieten bilden sich Hohlformen, die vom Wasser
stimmungen) und Kombinationen beider Verfahren eingesetzt eingenommen werden können und die durch Sedimentation
(Paul 1987). (Anlanden, Anschwemmen, Absetzen, Anwehen, Ausfällen)
ausgeglichen werden.
zz Eisenkrusten unter Podsol (Bleicherde) Hebungsgebiete und Vulkane bilden Hochlagen, Hochebe-
Im kalten bis gemäßigt-humiden Klima bilden sich bei hohen nen, Gebirge und Berge, die durch Abtrag (Erosion, Denudation
Niederschlägen auf kalkarmem Untergrund vorwiegend unter und Massenschwerebewegung, Abrasion und Deflation) ausge-
Nadelhölzern Podsolböden mit Eisenanreicherung und Krusten- glichen werden. In den Trockengebieten der Erde bilden sich
bildung im B-Horizont. Solche Eisenkrusten oder Eisenschwar- Ebenen. In Regengebieten wird die Oberfläche der Erde durch
ten können wasserstauend wirken und sind kaum durchwurzel- fließendes Wasser zertalt. Zwischen den Tälern bleiben Berge
bar. (Riedel, Hügel) zurück.
Im glazialen Klimabereich und erdgeschichtlich während der
zz Ferricretes Eiszeiten schürfen Gletscher die von Flüssen geschaffenen Täler
Im Zuge von Lateritverwitterung und Bauxitverwitterung wird tiefer und breiter aus und hinterlassen auf dem vom Lockermate-
dreiwertiges Eisen in Form von Knollen und Krusten ange- rial entblößten Untergrund eine rundbucklige Landschaft.
reichert. In Lateritgebieten kann dieses Material als Kies oder Für den Abtrag durch Flüsse und Gletscher ist der Meeres-
Schotter aufbereitet und verwendet werden. Die Bildung benötigt spiegel die Erosionsbasis, wobei jedoch zu beachten ist, dass
längere Zeiträume. durch Zusammenwirken von Meeresströmung und Ebbströ-
mung die erodierende Kraft großer und tiefer Flüsse auch unter-
zz Wüstenlack halb des Meeresniveaus angreifen kann. Im Binnenland können
In Wüstengebieten können Steine, Blöcke und Felswände Seen und Senkungs- bzw. Ablagerungsräume die Funktion einer
von dunklem bis schwarzem Wüstenlack überzogen sein. Die lokalen Erosionsbasis übernehmen. Im Sinne der Geomorpho-
schwarze Kruste besteht aus Eisen, Mangan, Aluminium und Ka- logie sollte gelten: Je höher über und je näher an der Erosions-
176 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
basis ein bestimmtes Areal liegt, desto stärker ist die Abtragung. trag bzw. Denudation ausgesetzt ist. Im Hang und besonders im
1 Aus geotechnischer Sicht muss veränderte Schuttanlieferung, Steilhang finden schwerkraftbedingte Bewegungen statt (Talzu-
hervorgerufen durch Gesteinswechsel oder Auflockerung bzw. schub). Auf lange Zeit betrachtet, befinden sich alle Hänge in
2 Entspannung, berücksichtigt werden. Im gleichen Gestein kann einem labilen Zustand und unterliegen ständiger Verformung.
sich einmal starke Erosion einstellen, z. B. im Wildbach, während
an anderer Stelle steile und hohe Felswände und Felsen zu den zz Wände
3 beständigen Landschaftsformen mit nur geringem Gesteinsab- Wände sind steile bis senkrechte Flanken von Tälern, Bergen
trag zählen. und künstlichen Hohlformen (Felswände, Bergwände, Gruben-
4 Die Erosionsbasis Meeresspiegel ist im Laufe geologischer wände). Auf den steil bis senkrecht geneigten Wandflächen kann
Zeiträume Schwankungen unterworfen. Im Unterlauf der Flüsse sich kein Lockermaterial ansammeln.
5 führt sinkender Meeresspiegel zum Versteilen, steigender Mee-
resspiegel zum Abflachen des Gefälles. Versteilen des Fließge- zz Kliffe
fälles führt zu flussaufwärtsschreitender Erosion. Abflachen des Abbruchformen an Steilküsten werden Kliffe genannt.
6 Fließgefälles führt zu flussaufwärtsschreitender Anlandung oder
Sedimentation (▶ Abschn. 14.2). zz Böschungen
7 Einschneiden und Verbreitern der Fluss- und Bachbetten Böschungen sind künstlich geneigte Geländeoberflächen, die
sowie fortschreitende Küstenerosion führen in der Landschaft nach den Regeln der Technik stabil angelegt werden. Der Begriff
zum Versteilen der Flanken (Hang, Leite, Felswand, Steilküste, „Böschung“ bezog sich ursprünglich auf geneigte, grasbestan-
8 Steilufer, Kliff). An den Flanken der Steilküsten, Täler und Berge dene Anschüttungen oder Abgrabungen beim Festungsbau des
wirkt flächenhafter Hangabtrag (Denudation). Schwerkraftbe- 17. Jahrhunderts (Busch, Bosch).
9 dingt bewegen sich in Form einer unmittelbaren Massenschwe-
rebewegung aufgelockerte Felsmassen und Lockermassen im zz Halden
10 Hang oder über den Hang auf den Talboden zu (Talzuschub) Der Begriff „Halde“ wird für künstliche und natürliche Formen
und werden dort vom Fluss erodiert. Längs von Küsten und verwendet. Künstliche Schutthalden sind Anhäufungen von un-
Ufern bewegen sich Lockermassen auf die Küste zu und werden brauchbaren oder nicht gebrauchten Massen, natürliche Sturz-
11 dort vom Wellenschlag und von der Küstenströmung erodiert halden Anhäufungen von Lockermaterial aus Vorgängen der
und verfrachtet. Der Vorgang der Denudation (Entblößung) Verwitterung, welche durch fallende, rollende oder rutschende
12 beschreibt Bewegungen im Boden der Hänge, durch die im Bewegungen akkumuliert werden. Künstliche Halden bauen sich
Extrem der Fels freigelegt wird. Das Niveau der Tallinie bildet über dem natürlichen Gelände auf.
das Denudationsniveau. Im Laufe der zurückliegenden Erdpe-
13 riode (Eiszeit) unterlag das Denudationsniveau einem mehrfa- zz Kippen
chen Wechsel. Wechselndes Klima führte zu unterschiedlichen Kippen sind künstliche Auffüllungen von Hohlformen mit Erd-
14 Vorgängen beim flächenhaften Hangabtrag. Entsprechend der massen oder mit unbrauchbaren bzw. nicht gebrauchten Massen,
variierenden Morphogenese können Hänge unterschiedlich ge- welche durch fallende, rollende oder rutschende Bewegungen
15 formt und im Lockermaterial der Deckschichten unterschiedlich abgelagert werden. Der Begriff wird nur für künstliche Formen
aufgebaut sein. verwendet. Die dabei entstehende Geländeoberfläche heißt Kip-
Zu den Vorgängen der Denudation zählen mittelbare Mas- penböschung.
16 senschwerebewegungen durch Wasser (Erosion bzw. Flächen-
spülung), durch Wind (Deflation bzw. Winderosion) und durch
17 Betreten, Befahren und Bearbeiten sowie unmittelbare Massen- 2.5.1 Erosion
schwerebewegungen durch gravitative Eigenbewegung (Rut-
schungen). Der Begriff „Talzuschub“ umfasst alle Vorgänge, die Abtrag durch Wasser wird als Erosion (Ausnagung) bezeichnet.
18 zur zeitweisen bzw. vorübergehenden Einengung von Tälern füh- Fließendes Wasser kann Bodenbestandteile mechanisch aus ih-
ren. Bei in Festgestein eingeschnittenen Tälern können große zu- rem Verband lösen und verfrachten. Dabei setzen Böden und
19 sammenhängende Felsmassen (Bergmassen) zu Tal driften oder Gesteine dem Erosionsangriff einen Widerstand (Erodibilität)
gleiten und das Tal klammartig einengen. Bei Hängen mit Deck- entgegen. Dieser Widerstand hängt von der topographischen
20 schichten aus Lockermaterial kann Talzuschub zu Ansammlun- Lage, der Hangneigung, dem Wasserdargebot und den Boden-
gen von Lockermaterial am Hangfuß führen. oder Gesteinseigenschaften ab. Schluffe und Feinsande setzen
Für geneigte Flächen im Gelände werden die Begriffe „Hang“, dem Erosionsangriff des Wassers den geringsten Widerstand
21 „Wand“, „Kliff “, „Halde“, „Kippe“ und „Böschung“ verwendet. entgegen. Böden mit hohen Anteilen an Schluff sind besonders
erosionsempfindlich.
22 zz Hänge
Hänge sind natürlich geneigte Geländeflächen, die aus aufge- zz Quellerosion durch fallende Quellen
lockertem Fels oder aus Lockermaterial aufgebaut sind. Die Fallende Quellen sind Austrittsstellen des Grundwassers im Hang
23 Deckschichten bestehen aus Lockermaterial, welches durch oder in der Bergwand. Dabei fließt im Untergrund gestautes
die Prozesse Auflockerung, Verwitterung, Nachfall, Anwehung Wasser in Richtung des geringsten Widerstandes seitlich aus. Die
oder Anlandung akkumuliert wird und flächenhaftem Hangab- Schnittlinie zwischen Geländeoberfläche und dem an tiefster Stelle
2.5 • Natürlicher Erdabtrag – Erosion, Denudation
177 2
angeschnittenen Grundwasserkörper bildet einen Quellhorizont. wasserüberdruck. Das aufsteigende Wasser bewirkt Bodenauflo-
Der Wasseraustritt ist bei Felsgestein meist durch Inhomogenität ckerung und Materialaustrag.
(z. B. Scharung von Klüften) vorgegeben. Im Porengrundwasser- Sonderformen mit Verkrustungen sind die Austrittsstellen
leiter bewegt sich das Wasser in konvergierenden Stromfäden auf natürlicher Mineral- und Thermalquellen.
eine Hohlform in der Landschaft (Tal, Senke) zu. Das Wasser tritt Durch Bodenabtrag oder Wasseraufstau können künstlich die
häufig an einem Quellpunkt aus. Am Quellaustritt bewirkt der Voraussetzungen für aufsteigendes Quellwasser geschaffen wer-
Wasseraustritt verstärkte Verwitterung und Abtragung (Quell- den, womit die Gefahren von hydraulischem Grundbruch und
mulde, Quelltrichter). Die von fallenden Quellen hervorgerufene Erosionsgrundbruch verbunden sein können (▶ Abschn. 6.3.1
Quellerosion ist ein häufiger Fall der rückschreitenden Erosion. und 6.3.2). Eine häufig gegebene Situation ist die Überlagerung
Bei Erdarbeiten und bei in den natürlichen Wasserablauf ein- von Lehm über Sand und Kies durch mit Grundwasserstand
greifenden Bauaufgaben können sich mehrfach erosionsgefähr- innerhalb der Lehmlagen. Beim Unterschreiten einer gewissen
dete Situationen ergeben. Abgrabungen, die unter das Grundwas- Mindestdicke der verbleibenden feinkörnigen undurchlässigen
ser reichen, schaffen künstliche Voraussetzungen für seitlichen Schicht besteht die Gefahr für Sohlauftrieb oder für hydrauli-
Wasseraustritt und damit verbundene Erosionswirkung. Auch sches Durchströmen der Baugrubensohle. Das Austreten ge-
Wasserentnahme über Bohr- oder Schachtbrunnen kann bei feh- spannter Grundwässer in der Sohle von Baugruben (pseudoar-
lendem Filter im Untergrund Erosion auslösen und Hohlraum- tesische Quellen) kann im Boden zu Auflockerung und Erosion
bildung, z. B. unter Bauwerken, verursachen. führen, wodurch dessen Belastbarkeit stark gemindert bis zer-
Erosionsgefährdet sind alle Böden, besonders Sande und stört wird. Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch bietet
Sand-Kies-Gemische. Locker gelagerte Sandschichten, die un- die geschlossene Wasserhaltung.
ter Porenwasserüberdruck stehen, heißen Fließsand (Sand un- Im Festgebirge tritt beim Austritt gespannter Grundwässer
ter Lehm in Tallage). Werden Fließsandlagen beim Graben an- (Fels unter Lehm) keine Minderung der Belastbarkeit ein.
geschnitten, kann Wasser ausfließen und Sand ausspülen. Mit
Wegfall des Porenwasserüberdruckes kann eine Verdichtung zz Suffussion
der Sandschicht eintreten. Dies kann zu Volumenminderung, Durch den Fließdruck des Grundwassers können im Unter-
Sackungen an der Oberfläche und Setzungsschäden an Bauwer- grund Bodenteilchen bewegt und ausgetragen werden. Das Aus-
ken führen. Sandlagen mit Porenwasserüberdruck können mit schwemmen von Feinteilen aus Klüften und Grobporen wird als
Sondierungen erkannt werden. Suffussion oder mechanische Suffussion bezeichnet. Chemische
Die Durchführbarkeit einer offenen Wasserhaltung in Bau- Suffussion bezeichnet das Herauslösen von Bindemittel (z. B.
gruben wird auch von der Erosionsgefährdung bestimmt. Der Calcit) aus dem Porenraum grobkörniger Gesteine. Bei den Vor-
mögliche Absenkungsbetrag ist von der Bodenart abhängig gängen der Suffussion wird eine Erhöhung der Durchlässigkeit
(▶ Abschn. 6.1.2). beobachtet. Die die Standfestigkeit bedingende Internstruktur
Durch dauerhaften oder zeitlich begrenzten Wasserstau des Baugrundes kann zunächst erhalten bleiben.
kann strömendes Wasser im Porenraum eines homogenen Bo- Suffussionsgefährdet sind Sand-Kies-Gemische mit Feinsand
dens (Baugrund, Deichkörper) und besonders auf Fließbahnen und Grobschluff bei nicht ausreichender Filterstabilität. Injekti-
längs vorliegender Inhomogenitäten (Wühlgänge, Wurzelgänge, onen sowie das Aufbringen von Filterschichten sind mögliche
eingebaute Grobkornlagen, Sondierlöcher, Drän- und Leitungs- Sanierungsmaßnahmen.
gräben) zu ungewolltem Wasseraustritt (Quellaustritt) mit den
Wirkungen rückschreitender Erosion führen. zz Linienerosion
„Erosionsgrundbruch“ bei abwärtsgerichtetem Fließgefälle Das abfließende Wasser kann längs der Linie des Wasserlaufes
ist ein (meist künstlich herbeigeführter) Fall rückschreitender nach unten und nach der Seite erodieren; hieraus ergeben sich
Quellerosion. die Begriffe „Tiefenerosion“ und „Seitenerosion“.
Mögliche Sanierungsmaßnahmen sind sofortiges Vermei-
den des Sickerwasserzuflusses, Einbau von Sperrschichten und zz Tiefenerosion
Verpressen der Hohlräume, Dränen des austretenden Wassers, Der Begriff „Tiefenerosion“ umfasst den Abtrag von Lockermas-
Erniedrigen der Sickerlinie und Auftrag von Filterschichten oder sen aus der Sohle des Fließgewässers, wobei die Lockermassen
Sandsäcken (▶ Abschn. 6.3.2 und 14.4.3). entweder als Boden oder Lockergestein vorliegen oder in der
Felssohle durch Gesteinsentspannung und Auflockerung als
zz Quellerosion durch aufsteigende Quellen Kluftkörper bereitgestellt werden. Auch können durch Geschie-
Aufsteigende Quellen (artesische Quellen, Talquellen) treten betrieb am Felsuntergrund Abschürfungen hervorgerufen wer-
meistens in der Talsohle zutage und können dort zu flächenhaf- den (Korrasion). Das Eintiefen durch Korrasion kann bei hartem
ter Vernässung führen. Bei konzentriertem Wasseraustritt bilden Fels (Magmatite) 1–2 mm pro Jahr betragen.
sich in der Talaue Quelltöpfe oder Quellkessel, in denen aufströ- Durch Tiefenerosion entsteht ein Kerbtal, V-Tal oder Can-
mendes Wasser und mitgeführter Sand aufwallen. Diese wasser- yon.
erfüllten Hohlformen können 1–3 m tief und im Durchmesser Gesteinsschichten, die dem erodierenden Angriff des Was-
mehrere Meter weit sein. sers hohen Widerstand entgegensetzen, und tektonisch aktive
Die hydrodynamische Situation verursacht im Grundwasser- Hebungszonen können sich im Flusslauf als Engstelle mit Aus-
leiter bei Überlagerung durch feinkörnige Böden einen Poren- kolkung der Flusssohle oder als Gefälleknick mit Stromschnellen,
178 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Kaskaden oder Wasserfällen abbilden. Hinter Engstellen können sion. Der Mangel an Pflanzenbedeckung kann vom Klima, vom
1 sich in der Flusssohle Vertiefungen (Tosbecken, Kolke) bilden. Boden und von der Landnutzung vorgegeben sein. Zu den im
Die Tiefe großer Kolke liegt häufig bei 5–10 m unter der mitt- Boden oder Gestein enthaltenen Stoffen, die Pflanzenwachstum
2 leren Flusssohle und kann an Engstellen großer Flüsse bis 75 m verhindern, zählt Pyrit. Durch anhaltend hohe Erosionsraten ge-
tief reichen. langt unverwittertes pyrithaltiges Material in oberflächennahe
Wasserfälle und Kaskaden sind meist Formen rückschreiten- Bodenschichten. Hier führt die Oxidation von Pyrit (FeS2) zur
3 der Erosion. Sie sind als flussaufwärts wandernde Stromschnellen Bildung von Schwefeldioxid und Schwefelsäure.
und Wasserfälle von ortsfesten Akkumulationsformen zu unter- Bei kleinflächigem Auftreten von Racheln, z. B. in Straßen-
4 scheiden. Chemische und biologische Ausfällung von Calcit und einschnitten, kann tiefgründiger Bodenaustausch Abhilfe schaf-
anderen Stoffen (Kieselsäure, Eisen, Mangan) kann zu wasserstau- fen. Großflächige Rachellandschaften (Badlands) gehören zu den
5 enden Akkumulationsformen mit Abfluss über Wasserfälle oder Formen aktiver Veränderung auf der Erdoberfläche und können
Kaskaden führen (Plitwitzer Seen in Kroatien, Sinterterrassen in keiner Nutzung zugeführt werden.
Pamukalee/Türkei). Es sind flussabwärts wandernde Stromschnel-
6 len, Kaskaden und Wasserfälle. Nach Bremer (1989) können Was- zz Seitenerosion
serfälle tropischer Flüsse durch Rindenbildung stabilisiert werden. Seitenerosion wird durch anströmendes Wasser und auflaufende
7 Rutschmassen können den Talabfluss aufstauen und einen Wellen bewirkt und kann durch Quellaustritte längs der Uferlinie
Gefälleknick mit erhöhtem hydraulischem Gradienten für das verstärkt werden, wobei die Uferlinie und die Menge des zuflie-
abfließende Wasser bewirken. Durch rückschreitende Erosion ßenden Grundwassers mit dem Wasserstand wechseln kann. Der
8 und häufig verbunden mit einem „Dammbruch“ können solche Materialaustrag durch Grundwasser ist bei fallendem Wasser-
Massen in sehr kurzer Zeit abgetragen werden und bedürfen ent- stand groß. Dadurch können am Steilufer auch Rutschungen und
9 sprechender Schutzbauten (▶ Abschn. 14.1). Abbrüche ausgelöst werden.
Bei Flüssen kann Tiefenerosion mit einer Änderung der Schutz vor Seitenerosion geben Uferbauwerke, die an der
10 Gleichgewichtslage zwischen Anlanden und Abtrag in der Fluss- Wasserseite grobe Steine gegen Wellenschlag tragen und gegen
sohle erklärt werden. Ursachen können Versteilung des Gefälles, den anstehenden Baugrund zum Schutz vor Materialaustrag
Zunahme der Wasserführung oder Verringerung der Geschie- durch Geotextillagen oder korngestufte Filterlagen geschützt sind
11 bezufuhr sein (▶ Abschn. 14.1.1). Vertiefungen in der Flusssohle (▶ Abschn. 14.1 und 14.2).
(Kolke) wandern flussaufwärts (rückschreitende Tiefenerosion)
12 und bedrohen Bauwerke, Brückenpfeiler und Ufermauern. Zum zz Flächenspülung (flächenhaft wirkende Erosion) –
Erkennen möglicher Gefahren werden die Flusssohlen regelmä- Bodenerosion
ßig vermessen (▶ Abschn. 14.2.1). Niederschläge können zu flächenhafter Abspülung führen. Vor-
13 Durch Tiefenerosion und Rinnenbildung können Böschun- aussetzung ist ein vegetationsfreier bis vegetationsarmer kohäsi-
gen von Geländeanschnitten und Aufschüttungen zerstört wer- onsfreier Boden, wie er häufig bei frisch gepflügtem Ackerland
14 den. Schutz vor Erosion bietet eine stabile Grasnarbe, die je nach auftritt. Abspülungen werden bei örtlichen Starkregenereignissen
Situation durch Ansäen oder durch Verlegen von Rasensoden beobachtet und können auf oft engbegrenztem Raum die Acker-
15 angelegt wird. krume abtragen. Neben flächenhaftem Abtrag (Denudation)
Im nichtbewachsenen Gelände kann die Erosion die Oberflä- wird Erosion in nur kurzzeitig wirksamen Rillen beobachtet.
chenform von Böden oder von veränderlich festen Gesteinsmas- Oft mündet flächenhafter Hangabtrag oder flächenhafte Hang
16 sen prägen. Starkregen können auf wenig geneigtem Gelände, abspülung in initiale Linienerosion in Form von Runsen und
besonders auf frisch gepflügtem Acker, tiefe Erosionsrinnen aus- Erosionsrinnen mit Wildbachcharakter.
17 bilden. In der Landwirtschaft schützt man sich am besten durch Bodenerosion stellt eine Gefahr dar, die mit jeder Art der
höhenparallel angelegte Feldraine und Ackerfurchen sowie klei- Landnutzung, vorrangig mit der Landwirtschaft, verbunden ist.
nere Parzellierung. Der Einsatz von Großgeräten verlangt jedoch Sie bedroht die Ernährungsbasis der Menschheit. Erosionskon-
18 geräteangepasste Flächen und kann auf die Erosionssicherheit trolle und Maßnahmen zur Bodenerhaltung sind eine wichtige
wenig Rücksicht nehmen. Disziplin der Angewandten Geowissenschaften (Morgan 1999).
19
zz Racheln, Badlands zz Abrasion
20 Steilhänge in feinkörnigen Böden (Schluff, Löss, Tuff) können Der Abtragungsvorgang durch Wellen oder Brandung an
durch die Erosion von in engem Abstand parallel verlaufenden Küsten oder Ufern wird als Abrasion bezeichnet. Gebräuch-
und/oder sich verzweigenden Regenfurchen (Racheln, Calan- lich ist auch der Begriff „Küstenerosion“. Abtragung längs
21 chen) oberirdisch zerschnitten bis zerfurcht sein. Die Oberfläche einer Küste führt zur Ausbildung einer Steilküste mit einem
ist in einzelne steilwandige Grate, Erdpfeiler, Erdpyramiden, Erd- Kliff und einer meerseits vorgelagerten Küstenplattform oder
22 kegel oder Erdnadeln aufgelöst. Formen unterirdischer Erosion Schorre. Brandung, Wellenschlag und auch Lösungsangriff
bzw. Suffussion sind Höhlen, Röhren und Schlucklöcher. Wegen des Wassers führen zur Unterhöhlung am Klifffuß. Die Ab-
ihrer Unbrauchbarkeit werden Rachellandschaften als Badlands rasion wirkt bei Festgesteinen während des Tidehochstandes
23 bezeichnet. am Kliff, bei Lockergesteinen nur bei extremen Hochwasser-
Die Ursache für Badlands liegt in der leichten Erodierbarkeit ständen am weiter landeinwärts liegenden Kliff. Die Steilwand
der betroffenen Böden. Diese haben stets eine nur geringe Kohä- entsteht durch Abbruch und Stürzen. Während (bestehender)
2.5 • Natürlicher Erdabtrag – Erosion, Denudation
179 2
Stillstandsphasen wirkt auch die Witterung auf die Kliffwand Aus trockenem Lockermaterial kann vom Wind Sand und
ein. Bei Tonstein, Schluffstein oder anderem veränderlich fes- Staub (Schluff, Gesteinsmehl) ausgeblasen werden. Das Sand-
tem Gestein kann das Steilufer durch Rutschungen überprägt und Staubtreiben (Springkorn) wirkt ähnlich einem Sandstrahl-
sein. Bei wenig standfestem grobkörnigem Boden bildet sich gebläse und bewirkt Abschleifungen (Windschliff, Windkorra-
unter der Abbruchkante des Kliffs eine Hangverschüttung. Der sion, Windabrasion), welche unmittelbar über dem Boden am
Rückgang von Steilküsten ist stark von der Exposition abhän- stärksten sind (Pilzfelsen, Windkanter). Bei der Bildung von
gig. Gierloff-Emden (1980) nennt bis 40 m Rückgang am Kliff Tischfelsen wirken häufig Windabrasion und Verwitterung in
der neuentstandenen Insel Surtsey durch Kliffabbruch aus dem der Zone des kapillaren Wasseraufstieges zusammen.
Beobachtungsjahr 1969/70. Die Ausbildung einer etwa 1 m tie- Die ausblasende Wirkung des Windes ist in vegetationsfreien
fen Hohlkehle im harten Vulkangestein durch mechanischen Flächen groß. Davon betroffen sind Wüsten (Hitzewüsten, Kälte-
Abrieb der in der Brandung bewegten Steine benötigte etwa ein wüsten, Hochgebirgswüsten), Halbwüsten, Strände, Kliffe, Bau-
Jahr. Häufig genannte spektakuläre Werte für den Küstenrück- stellen, nicht befestigte Wege und Ackerflächen.
gang an stark gefährdeten Steilufern liegen in der Größenord- An leicht ausblasbaren Stellen bilden sich Deflationswannen
nung von 0,3–1,7 m pro Jahr. Diese Werte gelten für Fest- und oder Deflationsfurchen.
Lockergestein. Weltweit rechnet Gierloff-Emden (1980) mit Winderosion hat weltweit eine große Bedeutung. Von
einem statistischen Mittel von 5 cm Küstenrückgang an 10 m Windausblasung gestaltete Landschaftsoberflächen wie Kies-
hohen Steilküsten. Doch sind auch heute nichtexponierte Steil- und Felswüsten nehmen einen großen Teil der Erdoberfläche ein.
küsten bekannt, an denen seit Jahrhunderten kein Küstenrück- Auf Baustellen stellt das Ausblasen durch Wind eine Um-
gang stattgefunden hat. weltbelastung dar. Zur Abwehr von Sand- und Staubbelästigung
Eine Küstenplattform ist eine diskordante Kappungsfläche werden ausblasfähige Flächen besprüht, beregnet, abgedeckt oder
des Meeres. Diese Kappungsfläche taucht meerwärts ab. Bei Fels bepflanzt. Auch Straßendecken sind vorrangig ein Schutz vor
findet auf ihr weiterer mechanischer Verwitterungsangriff und Staubbelästigung.
Abtrag statt. Der bei Ebbe landfeste Teil der Küstenplattform Das Ausblasen durch Wind wird auf Baustellen durch die
heißt bei Festgestein Schorre. Bei lockerem Boden heißt der bei erodierende Wirkung des Verkehrs verstärkt.
Hochwasserstand geformte und bei Niedrigwasser freiliegende
Teil der Küstenplattform Strand, unterteilt in trockener Strand,
Strandwall bzw. Spülsaum und nasser Strand. 2.5.3 Erdabtrag durch Betreten, Bearbeiten
und Befahren
zz Prielerosion
In den durch das strömende Wasser von Ebbe und Flut ge- Durch Betreten, Bearbeiten oder Befahren kann der Untergrund
prägten Watten bilden sich Gezeitenstromrinnen oder Priele. in seinem Zusammenhang gelockert werden. Es handelt sich
Durch diese Priele strömen die Flut- und Ebbströme ein und um die Vorgänge Abscheren, Abziehen, Abreißen, Abreiben,
aus. Die Rinnen werden übertieft und schneiden sich rück- Abstoßen oder Abdrücken. Erodierend wirkt die Trittkraft in
wärts in die Marschflächen und auch auf die Küste zu ein. Die Verbindung mit der Schwerkraft sowie die Reibungskraft von
Beherrschung der Prielerosion ist wesentliche Aufgabe des Antriebsrädern. Die Erosion durch Betreten und Befahren kann
Küstenschutzes. als Linien- und als Flächenerosion (Denudation) auftreten. Bei
fehlender Fahrbahndecke können im Berg- oder Hügelland
zz Glazialerosion Wege zu Hohlwegen erodieren. Schwere Maschinen können
Durch bewegtes Eis wird die vom Gletscher überfahrene Land- nichtbefestigte (und auch befestigte) Wege und befahrenes Ge-
oberfläche erodiert. Lockermaterial wird als Moräne vom Glet- lände auflockern und der erodierenden Kraft des Wassers aus-
scher aufgenommen und verfrachtet. Gletscher verursachen setzen. Fahr- oder Spurrinnen sind oft der Ausgang für weitere
unterschiedliche Formen bei Abtrag, Gestaltung der zurück- Rinnenerosion.
bleibenden Landoberfläche und Verformung des Untergrundes. Auf überweideten Flächen kann die Grasnarbe zerstört wer-
Von Gletschern bedeckte Gebiete gehören zu den Formen aktiver den. Befinden sich solche Flächen in Hanglage, können Gras-
Veränderung auf der Erdoberfläche und können keiner Nutzung narbe und Mutterboden durch Betreten hangabwärts bewegt
zugeführt werden. Die Glazialerosion ist kein Thema der Inge- und zusätzlich der flächenhaften Abspülung ausgesetzt werden.
nieurgeologie. Tränk- und Fütterungsstellen sowie zu kleine Koppeln sind be-
sonders von Erdauflockerung und Erdabtrag durch Betreten
gefährdet.
2.5.2 Winderosion, Deflation, Windabrasion In Hanglage kann landwirtschaftliches Bearbeiten zu Hang
abtrag führen, meist unterstützt durch Vorgänge natürlicher
Der Wind wirkt flächenhaft auf die Landoberfläche ein. Er kann Erosion. Hangaufschreitende Bodenbearbeitung mit der Hacke
anstehenden Boden austrocknen und einzelne Körner aus dem sowie Umpflügen parallel zur Höhenlinie in immer gleicher
Bodenverband lösen (ausblasen) und diese verwehen (Deflation). Pflugrichtung mit hangabwärtsgerichtetem Umlegen der Scholle
Vom Wind mitgeführte Partikel können beim Auftreffen auf verlagern den Mutterboden mit jedem Arbeitsgang hangabwärts.
Gestein weiteren Abtrag (Windkorrasion oder Windabrasion) In Steilhängen können durch Betreten Sand, Kies, Steine oder
bewirken. Blöcke gelockert und hangabwärts bewegt werden.
180 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Zum anderen sind Übergänge zum mittelbaren Massentransport Masse. Rotation über den Fuß wird auch bei einzelnen Blöcken in
besonders durch das Transportmedium Wasser möglich. Zum Hanglage beobachtet. Unterhöhlen, Unterspülen und ungleich-
einheitlichen Gebrauch der für das Beschreiben von Rutschun- mäßiges Einsinken (Setzen) führen hier zur Exzentrizität und
gen zu verwendenden Fachbegriffe wurde von der UNESCO-Ar- zum Verlust der stabilen Lage.
beitsgruppe der internationalen Gesellschaft zur Inventarisierung Auslösende Momente für Kippbewegungen können Erschüt-
von Rutschungen ein mehrsprachiges Glossar über Rutschungen terungen, erhöhter Erddruck, Gleitdruck oder Kriechdruck in-
herausgegeben (deutsche Fassung: Krauter 1993). Die dort ge- folge Durchfeuchtung, Frost oder Frostaufgang, aber auch Wur-
troffenen Festlegungen betreffen Rutschungstypen, Rutschungs- zeldruck und andere Vorgänge der Bioturbation sein.
merkmale, Rutschungsdimensionen, Zustand der Rutschungs-
aktivitäten, Verteilung der Rutschungsaktivitäten und Art der
Rutschungsaktivitäten. Sie werden nachstehend in Anlehnung 2.6.2 Rutschungstyp „Fallen“
an Krauter (1993) wiedergegeben.
Es ist das Ziel, die von Rutschungen bedrohten Lebensräume „Fallen“ ist der freie Sturz von Erd- und Gesteinsmassen. Die
in Gefahrenkarten auszuweisen. Hierin sind Rutschungstyp, Rut- Bewegungsformen „Springen“ und „Abrollen“ werden dem Rut-
schungsdimensionen sowie Zustand, Verteilung und Art der Rut- schungstyp „Fallen“ zugerechnet.
schungsaktivitäten aufzunehmen (Angerer 1995). Aus Steilwänden können Massen in unterschiedlicher Größe
Nach Art der Bewegung werden die Rutschungstypen „Kip- herausfallen. Nach der Größe der fallenden Massen werden die
pen“, „Fallen“, „Fließen“, „Driften“ und „Gleiten“ unterschieden Begriffe „Abmehlen“, „Absanden“, „Abgrusen“, „Steinschlag“,
(. Abb. 2.6). „Blocksturz“, „Felssturz“ und „Bergsturz“ gebraucht (. Abb. 2.6b
und 2.7). Durch den Sturz und die Materialansammlung am Fuß
der Steilwand kann Schaden entstehen.
2.6.1 Rutschungstyp „Kippen“
zz Abmehlen
„Kippen“ ist der Verlust der Standfestigkeit eines Boden- oder Aus der Wand fällt feinkörniger Staub (Schluff). Dieser sammelt
Felskörpers bei Rotation in Steillage. sich am Fuß der Wand oder wird vom Wind oder vom fließenden
In Steilwänden oder Steillagen können sich einzelne Blöcke Wasser aufgenommen.
oder zusammenhängende Boden- bzw. Gesteinsmassen unter
dem Einfluss der Schwerkraft aus dem Gebirgsverband lösen. zz Absanden
Auslösende Momente für das Abtrennen von der zusammenhän- Aus der Wand fällt Sand. Dieser sammelt sich am Fuß der Wand
genden Boden- oder Gesteinsmasse (Fels) können das Aufreißen oder wird vom Wind oder vom fließenden Wasser aufgenom-
oder Öffnen von Klüften durch Entspannung (Bergzerreißung) men.
sowie das Aufweiten von Spalten durch Wurzeldruck, Wasser-
druck oder Eisdruck sein. Die von der übrigen Fest- oder Locker- zz Abgrusen
gesteinsmasse losgetrennte, zusammenhängende Boden- oder Aus der Wand fällt Verwitterungsmaterial in der Korngröße von
Felsmasse kann auf ihrer Aufstandsfläche gleiten, driften, einsin- Grobsand bis Feinkies. Dieses sammelt sich am Fuß der Wand an
ken, knicken oder ausbeulen. Auch kann der Untergrund oder oder wird vom fließenden Wasser aufgenommen.
die Aufstandsfläche wegbrechen und versagen. Dabei kann eine Abmehlen, Absanden und Abgrusen können bei ungleich-
Schwerpunktsverlagerung bis zum Kippen eintreten. Die Kipp- mäßigem Verwitterungsfortschritt in der Wand zur Bildung von
bewegung kann gegen die Felswand oder von dieser weg gerichtet Hohlkehlen mit überhängenden Blöcken oder Felspartien füh-
sein. Die kippgefährdete Masse erfährt eine Rotationsbewegung. ren und Ursache für großvolumigere Fallbewegungen sein. Die
rückwitternde Wand kann in ihrer Standsicherheit beeinträchtigt
zz Kippbewegung gegen die Wand werden.
Bei einer Kippbewegung gegen die Wand findet eine Rotation
um den Kopf der abreißenden Masse statt. Diese kann an der zz Steinschlag
Felswand abgleiten. Eine häufige Form, z. B. an Steilküsten, ist Aus der Wand fallen Gesteinsstücke in der Größe von Mittelkies,
das Absetzen großer, zusammenhängender Erdmassen „en bloc“. Grobkies, Steinen oder kleineren Blöcken.
In hohen Steilwänden geht auch die Kippbewegung gegen die Ursache für Steinschlag können Auflockerung, Tempe-
Wand in fallende Bewegung über (. Abb. 2.7c). Eine Rotation raturänderungen, Niederschläge, Erschütterungen und auch
um den Kopf tritt auch bei Gleitungen in homogenen kohäsiven Rutschungen sein. Verstärkter Steinschlag aus Felswänden wird
Böden auf (. Abb. 2.6e). beim Erwärmen durch Sonneneinstrahlung, besonders in der
Frostperiode, beobachtet. Steinschlag kann als Vorbote größeren
zz Kippbewegung gegen den luftseitigen Raum Rutschungen vorausgehen.
Durch Rotation über den Fuß mit Kippbewegung von der Wand
weg (. Abb. 2.6a und 2.7b) geht die abkippende Masse direkt zz Blocksturz
in fallende Bewegung über. Diese Art der Kippbewegung tritt Aus Fels- oder Steilwänden im kohäsiven Lockermaterial (Mo-
in Steilhängen und Steilwänden, Baugruben, Gräben und auch räne, Verwitterungslehm mit Steinblöcken aus der Wollsack-
Schürfgruben auf. Es folgt immer ein plötzliches Abstürzen der verwitterung, Hangschutt) können einzelne Blöcke herausfallen
182 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
1
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13
.. Abb. 2.7 Formen und Merkmale zum Rutschungstyp „Fallen“. a Abmehlen, Absanden, Abgrusen sowie Steinschlag und Blocksturz aus einer abwitternden
14 Steilwand aus Moränenmaterial, b Felssturz durch abbrechende Felsmassen nach Kippbewegung über den Kopf, c Felssturz durch ausbrechende Felsmassen
nach Kippbewegung über den Fuß, d Bergsturz durch Abreißen großer Felsmassen mit Aufbranden am gegenüberliegenden Hang, e Bergsturz mit einer über
15
ebenem Gelände im Flachstrom auslaufenden Blocklawine
oder stürzen. Die Fallbewegung kann schwerkraftbedingt durch eine hohe kinetische Energie haben und in hohem Maße zerstö-
16 Rückwitterung des umliegenden oder unterliegenden Gesteins rerisch wirken. Gefahren bestehen für Menschen, Verkehrswege,
bzw. Materials sowie durch Auflockerung, Untergrabung und Bauwerke, Tiere und Pflanzen.
17 Belastung verursacht sein. Auslösende Momente können Tem-
peraturwechsel, Nässe, Frost, Tauwetter, Erschütterungen oder zz Erdsturz
Blitzschlag sein. In der sich auflockernden Felswand können Steilwände im Lockermaterial (Sandgruben, Kiesgruben, Bau-
18 einzelne Blöcke den Zusammenhalt mit dem Gesteinsverband gruben, Schürfgruben, Gräben, Steilküsten) können plötzlich
verlieren und durch Rotation über den Fuß oder den Kopf kip- ausbrechen, und zusammenhängende Erdmassen (Erdschollen)
19 pen. Auch Wurzeldruck und das Übertragen von Winddruck auf können abstürzen. Auslösende Faktoren können zu steiles oder
die Wurzeln von Bäumen können in der Steilwand Blocksturz zu tiefes Abgraben, Aufbringen von Lasten oberhalb der Wand,
20 auslösen. Unterhöhlen, Durchnässen, Austrocknen, Erschütterungen sowie
Blocksturz umfasst auch das Abrollen einzelner Blöcke aus langsame Kriech- oder Gleitbewegungen sein. Die abgestürzten
der Hanglage, häufig mit springenden Bewegungen. Auch block- Erdmassen bilden am Fuß der Steilwand einen Sturzkegel oder
21 reiche Rutschmassen, die über eine Steilkante gleiten (z. B. Hang- längs unterhalb der Steilwand eine Hangverschüttung. Auf die
schutt über einer Steinbruchwand), können Blocksturz auslösen. Unfallgefahr durch einstürzende Wände ist bei Baugruben, bei
22 Das Material aus Steinschlag und Blocksturz sammelt sich Sand- oder Kiesgruben, beim Grabenbau und auch bei Schürf-
unter dem Fuß der Steilwand in Stein- und Blockhalden (Sturz- gruben hinzuweisen.
halden, Sturzkegel). Sturzhalden haben Neigungswinkel von über Maßnahmen gegen einstürzende Wände im Boden bei Bau-
23 20°. Die größten Blöcke liegen meist im unteren Teil der Halde. maßnahmen ergeben sich aus der konsequenten Einhaltung der
Der fallende Block oder Stein kann je nach Fallhöhe und Masse Regelungen zur Baugrubenabböschung und maximalen senk-
2.6 • Rutschungen – unmittelbare Massenschwerebewegungen
183 2
rechten Abgrabung ohne Verbau sowie den Verbauregeln nach Direkt vom Bergsturz gefährdete Gebiete sind die Ausbruchs-
DIN 4124 (▶ Abschn. 7.1 und 7.5). stelle im Fels, die Sturzbahn, die Aufschlagfläche, die von der
Natürliche Steilwände in Lockergesteinen wie Steilküsten, Blocklawine überrollte Fläche und die Zerstörungszone der
Kliffe und Steilufer kommen in Gebieten vor, die durch Erosion vom Bergsturz verdrängten oder freigesetzten Wassermassen
aktiv verändert werden. Diese Räume sind lebensfeindlich und (Wasserschwall und/oder Sogwirkung von plötzlich abfließen-
der Nutzung durch den Menschen abhold. den Wassermassen). Indirekte Gefahren können aus einem vom
Bergsturz verursachten Wasseraufstau resultieren.
zz Felssturz
Das Ausbrechen zusammenhängender Felspartien aus der Fels- zz Eissturz
wand wird als Felssturz bezeichnet. Die Felsmasse löst sich längs Durch Gletscherbewegung können aus Gebirgsgletschern Eis-
einer oder längs sich verschneidender Abrissflächen. Im Fels massen abbrechen und abstürzen. Als Gletschersturz oder Glet-
bleibt eine Abrissnische zurück. Die stürzenden Massen zerbre- scherfall werden Stellen im Gelände bezeichnet, an denen der
chen beim Aufprall. Gletscher über einen steilen Felshang gleitet, das Eis abbricht und
Felsstürze können durch Felsauflockerung im vorgegebenen stückweise herabfällt. Aus der Gletscherstirn können in etwa re-
Kluftsystem, Verwitterung auf vorgegebenen Schicht- oder Kluft- gelmäßigen Abständen Eismassen abbrechen. Die abstürzenden
flächen, Ausbildung und Aufweitung neuer oberflächenparalleler Eismassen können eine Eislawine auslösen. Stürzen die Eismas-
Klüfte (Risse) sowie durch Unterschneidung, Erschütterung und sen in einen See, so kann hierdurch ein Wasserschwall ausgelöst
Durchnässung ausgelöst werden. werden.
zz Bergsturz
Unmittelbare Massenschwerebewegungen im Hochgebirge, bei 2.6.3 Rutschungstyp Fließen – Lawinen –
denen größere Teile einer Bergkuppe oder Bergwand abbre- Muren – Kriechvorgänge
chen und abstürzen, werden als Bergsturz bezeichnet. Die Berg-
sturzmasse geht in aller Regel aus einer gleitenden Bergmasse „Fließen“ ist das Verschieben und kontinuierliche relative Be-
hervor. Die Bergkuppe oder Teile der Bergkuppe bewegen sich wegen der Feinbauteile (Körner) in einer Lockermasse mit Än-
auf einer vorgegebenen Gleitfläche (Schichtfläche, Schieferungs- derung der äußeren Form. Die Geschwindigkeitsverteilung der
fläche, Störungsfläche) auf den Abhang zu und verlagern ihren bewegten Masse gleicht der einer viskosen Flüssigkeit.
Schwerpunkt bis zum Kippen. Auslösende Faktoren für den In kohäsionsfreien Lockermassen stützen sich die einzelnen
Sturz können variierende Wasserstände, Wasserdrücke, Erddrü- Körner oder Kornaggregate gegenseitig ab. Die Festigkeit dieser
cke oder Erschütterungen sein. Beim Sturz spielt das beteiligte Massen beruht auf der Reibung zwischen den einzelnen Kör-
Wasser keine besondere Rolle. Beim Sturz und Aufschlag wird nern. Wird die innere Reibung der Lockermassen überschritten,
die Gesteinsmasse zertrümmert. In und unter der fallenden Ge- dann bricht das innere Gefüge zusammen und die Lockermas-
steinsmasse kann sich ein Druckluftkissen bilden, auf welchem sen verlieren vorübergehend ihre Festigkeit. Die einzelnen Teile,
die Sturzmasse nach ihrem Auftreffen im Tal in Abhängigkeit Körner oder Stücke verändern ihre Lage zueinander. Die äußere
von der Morphologie in einem Flachstrom horizontal ausfließen Gestalt des Lockergesteinskörpers verändert seine Form, das
kann (. Abb. 2.8). Aus der Bergsturzmasse kann in Hang- oder Material geht in fließende Bewegung über (. Abb. 2.6c). Das
Tallage eine Blocklawine mit hoher Bewegungsgeschwindigkeit Fließen von Lockermaterial kann in trockenem oder in nassem
(bis über 100 m s−1!) hervorgehen. Zustand erfolgen. Beim Fließen in nassem Zustand als unmit-
184 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
telbare Massenschwerebewegung kann die Reibung durch Po- ausfallen und Luft und Gase unter ihrer Last zusammendrü-
1 renwasserüberdruck und durch die Gleitwirkung des Wassers cken. Solche heißen, wasserfreien Massen können mit hoher
vermindert oder aufgehoben werden. Beim Fließen als unmit- Geschwindigkeit (50 m s−1 beim Ausbruch des Mt. St. He-
2 telbare Massenschwerebewegung im vorwiegend trockenen Zu- lens) den Hang hinabfließen und die Landschaft überdecken
stand kann die Reibung durch eingeschlossene Druckluft oder (. Abb. 2.9e). Glutheiße Schlacken und Gläser können die Ge-
Gase vermindert oder aufgehoben werden. Im Steilhang können steinsmassen verbacken und verfestigen. Eine Sonderform der
3 Lockermassen ihren Halt verlieren und in fließende Bewegung Glutlawinen sind Glutwolken (heiße Gaswolken, „surges“) mit
übergehen. Vorwiegend trocken ablaufende, schnelle Fließvor- nur geringen Anteilen an feinkörnigen Aschen (Tephra). Diese
4 gänge heißen Lawinen (nach Labina oder Lava, Stein!). Nasse, können in kurzer Zeit große Strecken zurücklegen (10–30 km)
wasserübersättigte Fließbewegungen als unmittelbare Massen- und durch Hitze und giftige Gase sehr schnell tödliche und zer-
5 schwerebewegungen heißen Mure, Schuttstrom, Schlammstrom störerische Wirkung entfalten.
oder, als Sonderform am aktiven Vulkan, auch Lahar. Muren,
Schutt- oder Schlammströme laufen schnell ab. Kriechen ist eine zz Schneelawinen
6 langsam ablaufende Sonderform des Fließens im nicht oder nur Aus schneeüberlasteten Berghängen können sich Schneemassen
zeitweise wassergesättigten Boden am Hang. lösen und als Lawine abgehen. Besonders gefährdet sind Hänge
7 Im Hochgebirge sind mit Abgängen nach dem Rutschungstyp mit Neigungen zwischen 28 und 50°. In Steilwänden können sich
„Fließen“ besondere Gefahren verbunden, die in Gefahrenkar- keine gefahrbringenden Schneemassen ansammeln.
ten für Prozesse wie Lawinen oder Murgänge dargestellt werden Die Lawinengefahr steigt mit der Schneehöhe und einer nach
8 können (Angerer 1995). Schneeart und Temperatur ungünstigen Schichtung innerhalb
der Schneemassen. Beim Abgang einer Lawine fließen Schnee-
9 zz Lawinen – Trockenes Fließen von Lockermaterial massen aus dem Abrissgebiet im hochgelegenen Hang über eine
Der Begriff „Lawine“ umfasst neben dem Abfließen von Schnee- Sturzbahn in das Auslaufgebiet. Nach Schneeart und Bewegungs-
10 und Eismassen auch das Abfließen von körnigen Lockermassen. art werden Lockerschneelawinen, Schneestaublawinen, Schnee-
Nach der Korngröße der abfließenden Massen kann zwischen brettlawinen und Fließlawinen unterschieden.
Staub-, Sand-, Korn-, Stein- und Blocklawinen unterschieden Die Häufigkeit, mit der in bestimmten Gebieten mit Lawinen
11 werden. Vulkanische Sonderformen sind die Glutlawinen. gerechnet werden muss, ist in Lawinenrisikokarten ausgewiesen.
Bei regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen werden die Gefah-
12 zz Sand-, Staub- und Kornlawinen renzonen in Bebauungsplänen beachtet.
In den Trockengebieten der Erde können Lockermassen aus Hänge, an denen Lawinen im Abstand von Jahrzehnten bis
übersteilter Lagerung abfließen. Bei Sanddünen sind dies regel- Jahrhunderten abgehen, werden häufig als lawinensicher ange-
13 mäßig zu beobachtende Vorgänge. Das Abfließen von Kies oder sehen. Es ist jedoch möglich, dass gerade aus solchen Hängen,
Sand-Kies-Mischungen aus einer Steillage kann nach Austrock- und zwar nur bei extremen Schneelagen, Großlawinen abgehen.
14 nen aus frisch abgegrabenen oder frisch durch Erosion oder Erd-
rutsch freigelegten Steilwänden erfolgen. zz Lockerschneelawinen
15 Lawinen können bei Arbeiten in Silos, Bunkern oder Spei- Wenn sich in Steilhanglagen viel pulvriger Neuschnee ansam-
chern auftreten. Das Stocken im Materialfluss und das sich häu- melt, kann sich hieraus eine Lawine entwickeln. Dies geschieht
fig anschließende lawinenartige Fließen von Mehl, Pulver, sand- dann, wenn die Haftkräfte zwischen einer mächtigen Neuschnee-
16 oder grieskörnigem Material, aber auch von grobkörnigem und decke und deren Unterlage überschritten werden. Die Lawine
kiesigkörnigem Material (Getreide) stellt beim Fördern, Abfüllen kann allein durch Erhöhung der Schneelast ausgelöst werden.
17 und auch bei der Vorratshaltung eine große Gefahr dar. In Stein- Fremdeinwirkungen (Befahren, Sprengen, Schall) erhöhen die
bruchbetrieben sind Brecher- und Siebanlagen durch Blocksturz Lawinengefahr. Die Schneemassen gehen plötzlich in fließende
und Blocklawinen gefährdete Bereiche. und stürzende Bewegung mit Geschwindigkeiten bis 100 km h−1
18 über.
zz Stein- und Blocklawinen
19 Im Hochgebirge können Ansammlungen von Steinen und Blö- zz Schneestaublawinen
cken in rollende und fließende Bewegung geraten und als Block- Bei sehr steilen Sturzbahnen können Lockerschneelawinen
20 lawine den Hang herabstürzen. Dabei können einzeln fallende in die gefürchteten Schneestaublawinen übergehen. Der feine
Steine oder Blöcke die Lawine auslösen. Sturzmassen aus Fels- Schnee wird aufgewirbelt und bildet eine Staubwolke, die mit bis
und Bergstürzen können in fließende Bewegungen übergehen. zu 360 km h−1 talwärts stürzt. Vor der Lawinenfront kommt es
21 Die eingeschlossene Druckluft lässt die Blocklawine horizontal zum Aufbau enormer Luftdrucke und Luftströmungen. Hiervon
ausfließen. Das horizontale Ausfließen erstreckte sich beim Berg- werden Häuser in Sekunden zerstört. Das Schnee-Luft-Gemisch
22 sturz von Elm auf 1,5 km (. Abb. 2.8), beim Bergsturz in der wird in alle Hohlräume, auch in Nase, Mund und Lunge, gepresst
Goldau auf 5 km. und kann zum Erstickungstod führen.
23 zz Glutlawinen (pyroklastische Ströme) zz Schneebrettlawinen
Bei der Eruption von Vulkanen können aus Aschefontänen Wenn im Steilhang liegende Schneemassen interne Schich-
oder aus der Eruptionssäule heiße Aschen, Lapilli und Bomben tung aufweisen, kann hieraus eine Lawinengefahr erwachsen.
2.6 • Rutschungen – unmittelbare Massenschwerebewegungen
185 2
a b
c d
e
.. Abb. 2.9 Formen zum Rutschungstyp „Fließen“. a Boden- oder Hangkriechen, b Erdfließen, c Solifluktion, d Murgang, e trockenes Fließen eines pyroklasti-
schen Stromes mit Glutwolke
Die Schichtung kann Folge von wechselnden Wetterereignis- bei zerbricht die Masse in einzelne, bis 30 t schwere Schol-
sen und auch von Umkristallisationsvorgängen sein. Wenn len, welche zunehmend in fließende Bewegung übergehen.
feste Schneeschichten einer lockeren Schneelage oder einer Schneebrettlawinen werden häufig von Skifahrern, aber auch
Gleitschicht aufliegen, kann sich ein Teil der Schneemasse von anderen meist nur geringen Erschütterungen ausgelöst.
als Schneebrett lösen und als zusammenhängende Masse mit Schneebrettlawinen kommen meist vor Erreichen der Talsohle
Geschwindigkeiten bis etwa 60 km h−1 talwärts gleiten. Da- zum Stehen.
186 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Ausfließen des Bodens verursachen. Hangaufwärts liegende (. Abb. 2.9a). Die Bodensäule vollführt eine talwärts gerich-
Schichtteile verlieren dadurch ihren Halt und rutschen (gleiten) tete Rotation. Als Folge davon können in den Boden eingestellte
ab. Die ausgeflossenen Erdmassen bewegen sich zungenförmig Pfähle und Steine (Stellkanten, Bordsteine, Steinplatten, Säulen),
hangabwärts (. Abb. 2.9b). Eine Sonderform des Erdfließens aber auch junge Bäume (Säbelwuchs) mit Neigung zur Talseite
ist die Solifluktion, welche sich in aufgetauten Bodenschichten schräggestellt werden. Bei Trockenmauerwerk werden die Ge-
über gefrorenem Untergrund einstellen kann (. Abb. 2.9c). An steinsblöcke der oberen Lagen am weitesten talwärts bewegt
Böschungen können sich die über der nicht verdichteten Damm- und über die darunter liegenden Lagen verschoben. Die Wand
schulter locker aufgetragenen Erdmassen und der Mutterboden bekommt eine Neigung zur Luftseite und ist zunächst optisch
bei Starkregen und Durchnässung anders verhalten als die tiefer gekippt.
liegenden, verdichteten Schüttlagen. Der locker aufgetragene Bo- Inhomogenitäten im Baugrund (einbindende Bauteile, Wur-
den nimmt Niederschlagwasser und zulaufendes Oberflächen- zeln) können die in hangabwärtsgerichteter Bewegung befind-
wasser auf. Dieses Wasser fließt als Porenwasser zu großen Teilen lichen Massen aufstauen. Lose verfüllte Baugruben am Hang,
oberflächenparallel in den locker aufgetragenen Erdmassen dem z. B. hinter Kellerwänden, können durch Kriechvorgänge beim
Böschungsfuß zu und verursacht dort Fließdruck oder Poren- Talzuschub über längere Zeit so zusammengeschoben und ver-
wasserüberdruck. Die aufgetragene Schicht des Mutterbodens dichtet werden, dass erst nach Jahrzehnten der Erddruck auf das
kann ausfließen. Der Zulauf von Oberflächenwasser kann Rin- Mauerwerk wirksam wird. Nicht ausreichend gegen Erddruck
nenerosion begünstigen. ausgesteifte Kellerwände geben vielfach erst nach Jahrzehnten
In Abtragsböschungen können anstehende Böden und Ge- nach.
steine oberflächennah auflockern. Die Auflockerungsschicht Zeitweise können auch in tiefer liegenden Bodenlagen, be-
kann sich bei Durchnässung verflüssigen und abfließen. Davon sonders bei inhomogenem Bodenaufbau mit feinkörnigen oder
betroffen sind Böschungen in kohäsiven Böden wie Lösslehm, organischen Lagen und Staunässe, Kriechbewegungen auftreten,
Schluff, Verwitterungslehm, schluffige Sande und Moränen sowie die schneller als jene an der Hangoberfläche sind. Die Boden-
Böschungen in veränderlich festen Sandsteinen, Tonsteinen und säule vollzieht dann eine bergwärts gerichtete Rotation. Als Folge
Mergelsteinen. davon können sich im unteren Teil von Trockenmauern und in
Zum Schichtfließen rechnet Krauter (1990) auch die rasch Kellerwänden Ausbeulungen einstellen.
ablaufenden Fließbewegungen in Quicktonen („quick clays“). Kriechbewegungen sind zusammen mit anderen Massen-
Es handelt sich hierbei um in sich instabil aufgebaute, thixo- schwerebewegungen ein Teil des Talzuschubs. Werden die dem
trope Tonablagerungen. Beim Eintrag von Kräften (Erschüt- Tal zugeführten Lockermassen nicht erodiert, können diese
terungen) können sich diese Tone verflüssigen und selbst bei durch Rückstau verdichtet werden. Dies kann zum Verlangsamen
flacher Lagerung seitlich auseinanderfließen. Nach erneuter bis zum Stillstand der Kriechbewegungen führen. Ein zeitweises
Ablagerung kann sich im vormaligen Quickton eine stabile Erhöhen der Hangstabilität ist möglich.
Lagerung der Einzelteilchen einstellen. Quicktone sind häufig
junge marine Ablagerungen, die durch tektonische Hebungen zz Kriechvorgänge im Fels
landfest und durch Regenwasser ausgesüßt worden sind. Sie Kriechvorgänge im Fels sind Vorgänge der Rheologie, womit die
werden in Küstengebieten von Skandinavien und Alaska an- Mechanik deformierbarer Körper im Bereich von nicht ganz fest
getroffen. bis nicht ganz flüssig beschrieben wird. Rheologisches Fließen
ist das Verschieben der Feinbauteile eines Körpers, was bei Vo-
zz Kriechen als langsamer Fließvorgang im feuchten lumenkonstanz zu bleibender Verformung führt.
bis nassen Boden Bei steilen Anschnitten im kubisch geklüfteten Fels können
„Kriechen“ ist eine langsame fließende Bewegung. Im Boden und die Kluftkörper der oberen Lagen weiter talwärts bewegt und
im aufgelockerten klüftigen Fels können im Hang unter dem Ein- über darunter liegende Lagen verschoben werden als tiefer lie-
fluss von Verwitterung, schwerkraftbedingter Schubspannung, gende Kluftkörper. Die Wand zeigt dann eine hängende Abtrep-
Schwell- und Schrumpfvorgängen und Bioturbation (Durch- pung. Im steilstehenden dünnplattigen Festgestein (z. B. Schie-
wurzelung, Wurzeldruck, Wühl- und Grabvorgänge, Betreten) fer) werden durch Kriechvorgänge im aufgelockerten Fels und
Erd- und Gesteinsmassen in ihrem Interngefüge verformt und in auch unter dem Einfluss des darüber etwas schneller talwärts
eine hangabwärtsgerichtete langsame Fließbewegung überführt kriechenden Bodens die Schichtköpfe talwärts abgerissen und
werden. Derartige Bewegungen werden als Kriechen bezeichnet. verschleppt (Hakenschlagen).
Der Begriff „Kriechen“ darf demnach nicht auf andere langsam Die Kriechbewegung nimmt in der Regel im homogenen
ablaufende Bewegungen übertragen werden. Zu unterscheiden Fels in gleicher Weise wie im homogenen Boden von oben nach
sind Kriechvorgänge im Boden bzw. in Lockermaterial und unten ab.
Kriechvorgänge im Fels. Bei inhomogener Schichtenfolge können in tiefer liegenden,
stark verwitterten oder stark zerklüfteten Schichten kriechende
zz Kriechvorgänge im Boden, Bodenkriechen, Hangkriechen Fließvorgänge mit Verschiebungen und Bewegungen im Korn-
Bewegt werden Bestandteile des Bodens im Hang. Die Verfor- gefüge stattfinden. Die oberhalb dieser Schichten von Kriechbe-
mung und Bewegung liegt in der Größenordnung von Mil- wegungen erfassten Felsmassen werden dann passiv mitbewegt.
limetern bis Zentimetern pro Jahr. Die Bewegung ist unstetig Die durch Kriechvorgänge im Untergrund passiv mitbewegten
und nimmt im homogenen Boden von oben nach unten ab Massen unterliegen dem Rutschungstyp „Driften“. Neben Kriech-
188 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
bewegungen können in tieferen Lagen im Fels auch langsam ab- ter verwitterbaren (veränderlich festen) Gesteinen und verwitte-
1 laufende Bewegungen auf vorgegebenen Trennflächen im Fels rungsresistenten (festen) Gesteinen bestimmt. Veränderlich feste
stattfinden. Solche Bewegungen werden fälschlicherweise als Gesteine können bei Zutritt von Wasser und Witterung rasch
2 Kriechbewegung beschrieben, obwohl es sich hierbei nicht um verwittern und zu feinkörnigen oder gemischtkörnigen Verwit-
diese Sonderform des Fließens handelt. Solche Bewegungen sind terungsmassen zerfallen oder zerbröckeln. Zusammenhängende
dem Rutschungstyp „Gleiten“ zuzuordnen. Felslagen aus Festgestein können dadurch von zersetzten Ge-
3 steinsmassen (Lockermaterial) unterlagert werden. Fließ- oder
Kriechvorgänge können in solchen zersetzten oder aufgeweich-
4 2.6.4 Rutschungstyp „Driften“ ten Gesteinslagen stattfinden. Dadurch können höher liegende
massige Gesteinslagen und Bergmassen verdriftet werden. Häufig
5 Der von Krauter (1993) eingeführte Rutschungstyp „Driften“ ist Driften auch Ursache für Bergzerreißung. Bei Vorgängen der
bezeichnet Massenschwerebewegungen, bei denen zusammen- Bergzerreißung werden Felslagen oder zusammenhängende Ge-
hängende Felsmassen oder Blöcke fließ- oder kriechfähigem Bo- birgsmassen in einzelne große, innerlich zusammenhängende
6 den oder zersetztem bzw. aufgeweichtem Gestein aufliegen und Felsmassen aufgeteilt. Weitere Felszerreißung kann bis zur
durch hierin ablaufende Fließ- oder Kriechbewegungen passiv Blockgröße herunterreichen. Die Größe der zusammenhängen-
7 verfrachtet werden (. Abb. 2.10). den Gesteinsmassen (Blöcke) nach Bergzerreißung ist von der
Häufig ist die Voraussetzung für Driften in der Schichten- Gesteinsart und Bankungsstärke abhängig. Blöcke im Haupt-
folge begründet. Bei Abfolgen von kompetenten Gesteinslagen konglomerat/Buntsandstein des Pfälzer Waldes und der Voge-
8 wie Kalkstein oder Sandstein über inkompetenten, duktilen und sen können ein Volumen von 100–200 m3 erreichen. Von der
meist überkonsolidierten Tonsteinen oder Mergelsteinen wird Bergmasse getrennte Pfeiler und Bastionen in Felsenlandschaften
9 dieser Rutschungstyp häufig beobachtet (z. B. Oberer Muschel- können ein Volumen von 5000–10.000 m3 aufweisen. Blöcke aus
kalk über Mergel- und Tonsteinen des Mittleren Muschelkalkes). vulkanischem Gestein an der Küste von Oregon werden auf ein
10 Vergleichbar sind vulkanische Abfolgen mit Basalt über Tuff Volumen von über 50.000 m3 geschätzt.
oder die Lagerung von kompakten Gneis- oder Granitmassen Liegen solche zusammenhängenden Felsmassen einem fließ-
über in flachliegenden Störungszonen aufgewitterten Gesteins- fähigem Boden auf, kann in diesem unter Einfluss von Durch-
11 lagen. feuchtung und Auflast eine Fließbewegung (meist Kriechen)
Eine weitere Voraussetzung für Driften kann die wechselvolle bewirkt werden. Durch diese Fließ- oder Kriechbewegung im
12 Geschichte von Verwitterung und Hangabtrag beim Entstehen unterlagernden zersetzten Gestein können Blöcke und zusam-
und Vergehen von Felsen sein. Aus ursprünglich homogenen menhängende Felsmassen passiv bewegt werden.
Gesteinsschichten, z. B. Sandstein oder Granit, haben sich im
13 Zuge der Morphogenese Felsen und Felskappen gebildet. Das
die Felsen aufbauende Gestein ist ausgehärtet und verwitte- 2.6.5 Rutschungstyp „Gleiten“
14 rungsresistent. Das die Felsen unterlagernde Gestein kann seit-
lich von der Verwitterung angegriffen und zersetzt werden. Zu- Gleiten bezeichnet hangabwärts gerichtete Bewegungen von Bo-
15 sammenhängende Massen solcher ausgehärteten Felsen können den- oder Felsmassen auf einer oder mehreren Gleitflächen oder
in diesem Verwitterungsmaterial einsinken. Durch Fließ- oder einer verhältnismäßig dünnen Zone intensiver Scherverformung.
Kriechbewegungen in solchen Lagen aus zersetztem Gestein (Lo- Die über der Gleitfläche liegenden Gesteins- oder Erdmas-
16 ckermaterial) können die auflagernden Felsen und Blöcke passiv sen können im zusammenhängenden Verband relativ ungestört
bewegt werden. hangabwärts bewegt und verlagert werden. In der Gleitfläche
17 Der Begriff „Driften“ bezieht sich zwar auf die passive Be- kann die Scherfestigkeit gegenüber den überliegenden und un-
wegung von Blöcken oder Felsmassen, muss aber immer im Zu- terliegenden Gesteinslagen bis zur Restscherfestigkeit vermin-
sammenhang mit dem darunterliegenden, in Bewegung befind- dert sein. Die Summe der abschiebenden Kräfte übersteigt in
18 lichen Boden oder aufgeweichtem bzw. aufgelockertem Gestein der Gleitfuge die Summe der widerstehenden Kräfte. Auslösende
gesehen werden. Unter der Driftmasse kann die duktile Boden- Momente können Abgrabung, Reliefänderung, Belastung, Ein-
19 oder Gesteinsmasse in beträchtlicher Stärke und bis zu einem trag zusätzlicher Momente (z. B. Fließdruck des Grundwassers),
Mehrfachen der Stärke des Driftkörpers in Bewegung sein. Der Änderungen von Klima, Wasserstand, Wassergehalt und Wasser-
20 Rutschungstyp „Driften“ ist weit verbreitet, und das Ausmaß der führung, Aufbau eines Porenwasserüberdruckes und Abbau der
Verdriftung von Gesteinsmassen wird sowohl im Rahmen der Scherfestigkeit durch Bruch, Verwitterung oder Durchnässung
geologischen Deutung für Gesteinslagerungen wie auch im Rah- sein. Gleichgewichtsbetrachtungen zur Standfestigkeit von Gleit-
21 men der morphologischen Veränderung der Erdoberfläche und körpern lassen sich im Gegensatz zu allen anderen Rutschungsty-
der Gefährdung des Baugrundes unterschätzt. pen nach einschlägigen und genormten Verfahren berechnen.
22 Driften kann auch Bauwerke betreffen. Eine Sanierung muss Unterschieden werden Translationsrutschungen, Blockglei-
unterhalb des lockeren Bodens bzw. unterhalb des aufgeweichten ten, Rotationsrutschungen, Serienrutschungen und kombinierte
oder verwitterten Gesteins ansetzen. Rutschungen. Translationsrutschungen auf geologisch vorgege-
23 Landschaftsform und Landschaftsformung werden stark von benen Gleitflächen sind weitaus häufiger als Rotationsrutschun-
dem in der Schichtenfolge vorgegebenen Wechsel zwischen leich- gen.
2.6 • Rutschungen – unmittelbare Massenschwerebewegungen
189 2
.. Abb. 2.10 Formen zum Rutschungstyp „Driften“.
a Kalkstein über Tonstein mit kappenartigem Abset-
zen der Kalksteinbank sowie Abdriften einzelner
Blöcke, b fester, felsenbildender Sandstein über
veränderlich festem Sandstein mit Felszerreißung
und Abdriften einzelner Blöcke, c Abdriften einer
zusammenhängenden, wenig verwitterten Gneis-
masse über stark zerklüfteten und verwitterten
Gneisen und Myloniten
1
2
3
4
5 a b c
6
7
8
9
10
11
d e f
12
.. Abb. 2.11 Formen von Translationsrutschungen im Fels. a Gleiten einer Bergkuppe über einer ebenen Gleitfläche, b Felsgleiten auf ebener Gleitfläche,
c Blockgleiten auf ebener Gleitfläche, z. B. Schichtfläche auf Ton oder Tonstein, d Ausgleiten eines Felsblockes über zwei sich verschneidenden Trennflächen,
13 e Felsgleiten über konkav gebrochener Gleitfläche, f Felsgleiten über konvex gebrochener Gleitfläche
14
zz Blockgleiten Merkmale und Dimensionen von Rotationsrutschungen sind in
15 Aus dem Gebirgsverband gelöste große Kluftkörper und Blöcke . Abb. 2.13 und 2.14 dargestellt.
können auf gleitfähigem (glitschigem) Untergrund (geneigte Das Berechnen der Standsicherheit erfolgt nach DIN 4084.
Schicht- bzw. Oberfläche aus Tonstein, Ton, Eis) abgleiten. Block- Das dort geregelte Verfahren ist bei der Beurteilung der Stand-
16 gleiten tritt häufig bei Schichtwechsel von massigem Gestein sicherheit von Erdbauwerken und Erdanschüttungen sowie von
(z. B. Kalkstein, Dolomit, Sandstein, Basalt) über veränderlich Anschnitten und Belastungen im gleichmäßigen Boden, aber nur
17 festem Gestein im geneigten Gelände auf. Auch Eis kann eine ausnahmsweise von Anschnitten und Belastungen im gleichmä-
Gleitfläche für Blöcke abgeben. Blockgleiten ist eine Sonderform ßig geklüfteten und stark aufgelockerten Felsgestein anzuwenden.
der Translationsrutschung. Im Gegensatz zum Driften ist beim
18 Blockgleiten der Untergrund standfest. Übergänge zum Driften zz Serienrutschungen
können bei stark aufgeweichtem Untergrund, in den dann der Durch die Rotation einer ausgleitenden Rutschmasse entsteht
19 Block einsinkt, bestehen. Für das Berechnen der Standsicherheit am Hauptabriss eine steil einfallende Fläche am hangseitig nicht
von Böschungen werden Berechnungsmodelle zum Blockgleit- bewegten Boden (. Abb. 2.12). Dieser Hauptabriss einer Pri-
20 verfahren mit zusammengesetzten Bruchmechanismen angebo- märrutschung stellt eine Belastung für den bis dahin standfesten
ten. Boden dar und kann hangaufwärts eine Folgerutschung auslösen.
Ausgehend von einer Untergrabung oder Erosion am Hangfuß,
21 zz Rotationsrutschungen können progressiv Rutschungen entstehen und hangaufwärts
In homogenen kohäsiven Böden bilden sich unter dem Einfluss wandern. Häufig entwickelt sich hieraus ein großflächiges Rut-
22 der Schwerkraft kreisförmige bis spiralförmige Gleitflächen, auf schareal aus derartigen Serienrutschungen.
denen die abschiebende Erdscholle eine Rotationsbewegung Störungen im Hanggleichgewicht können auch im mittleren
ausführt. Derartige Rutschungen werden als Rotationsrutschung oder oberen Teil eines Hanges Rutschungen auslösen. Am Fuß
23 oder asequente Rutschung bezeichnet. Häufig können sich aus einer solchen primären Rotationsrutschung wird verlagertes Ma-
einer primären Rotationsrutschung Serienrutschungen ergeben. terial akkumuliert und damit der tiefer liegende Hang belastet.
2.6 • Rutschungen – unmittelbare Massenschwerebewegungen
191 2
d
.. Abb. 2.12 Serienrutschungen, verursacht durch Laständerung im Hang.
a Primärrutschung mit Laständerung durch Akkumulation in der Fußzone
und Entlastung bzw. Untergrabung im Sackungsraum; Ausbreiten der
Rutschung durch Sekundärrutschungen als b talwärts fortschreitende
Rutschung und c hangaufwärts rückschreitende Rutschung, d mehrfache
progressive Rotationsrutschung .. Abb. 2.13 Rutschungsmerkmale nach UNESCO-Arbeitsgruppe (deutsche
Fassung von Krauter 1993). Die im Längsschnitt schraffiert dargestellten
Massen liegen in ursprünglicher Position; die mit Strichen dargestellten Mas-
sen wurden verlagert. 1 Krone, 2 Hauptabriss, 3 Top, 4 Kopf, 5 Sekundärabriss,
6 Hauptrutschkörper, 7 Fuß, 8 Fußspitze, 9 Front, 10 Gleitfläche, 11 Gleitflä-
Zusätzlich kann sich in der von der Primärrutschung erzeugten
chenfront, 12 Überschiebungsfläche, 13 verlagertes Material (punktiert),
Hohlform Wasser ansammeln, das den tiefer gelegenen Hang 14 Sackungszone, 15 Akkumulationszone, 16 Sackungsraum, 17 Sackungs-
durchnässen kann. Infolge dieser doppelten Belastung kann un- masse, 18 Akkumulation, 19 Flanke, 20 ursprüngliche Geländeoberfläche
terhalb einer Primärrutschung eine Folgerutschung eintreten, aus
der sich in Serie weitere Rutschungen ergeben können. In derart
rutschgefährdeten Gebieten ist es wichtig, Untergrabungen zu Gleitfläche des Rotationsrutschungsanteils in tangentiale Teil-
vermeiden und eingetretene Rutschungen schnellstmöglich zu flächen aufgelöst.
entwässern und zu sanieren.
1 - Überschiebungsfläche
Teil der ursprünglichen Geländeoberfläche, die vom Fuß
-
3 ckungsmasse als auch die Akkumulation.
Sackungszone
4 Bereich der Rutschung, in dem das verlagerte Material
6
- der ursprünglichen Geländeoberfläche liegt.
Sackungsraum
Volumen, das vom Hauptabriss, von der Sackungsmasse
7
- und der ursprünglichen Geländeoberfläche begrenzt wird.
Sackungsmasse
Teil des verlagerten Materials, das über der Gleitfläche und
-
8 unter der ursprünglichen Geländeoberfläche liegt.
Akkumulation
9 Volumen des verlagerten Materials, das über der ursprüng-
-
.. Abb. 2.14 Rutschungsdimensionen nach UNESCO-Arbeitsgruppe (deut-
sche Fassung von Krauter 1993). Das ursprüngliche Gelände wurde verformt.
lichen Geländeoberfläche liegt.
10 Der schraffiert dargestellte Boden blieb unverändert Flanke
Das in situ liegende Material, das unmittelbar an die seit-
11
- Top
Höchster Punkt des Kontaktes zwischen verlagertem Mate-
lichen Abrisse anschließt. Zur Kennzeichnung der Flanke
wird die Angabe der Himmelsrichtung bevorzugt. Die
Bezeichnung „rechte“ und „linke“ Flanke bezieht sich auf
12
- rial (13) und Hauptabriss.
Kopf
Oberer Rand der Rutschung entlang dem Kontakt zwischen - die Sicht von oben nach unten.
ursprüngliche Geländeoberfläche
Oberfläche des Hanges, die vor Beginn der Rutschung
-
13 verlagertem Material und Hauptabriss. bestand.
Sekundärabriss
14 Durch unterschiedliche Bewegungen innerhalb des
verlagerten Materials der Rutschung über der Gleit- 2.6.7 Rutschungsdimensionen
15 fläche zwischen Hauptabriss und Gleitflächenfront
16 - entstanden.
Hauptrutschkörper
Teil des verlagerten Materials der Rutschung über der Gleit-
Zum Beschreiben der Dimension enthält . Abb. 2.14 am Beispiel
einer Rotationsrutschung Definitionen zu Angaben der Breite,
Länge, Tiefe und Mächtigkeit von Rutschmasse und Gleitfläche.
17
- fläche zwischen Hauptabriss und Gleitflächenfront.
Fuß
Unterer Teil der Rutschmasse, der über die Gleitfläche
hinausreicht und über der ursprünglichen Geländeober -
Begriffe zum Benennen der Rutschungsdimensionen
(. Abb. 2.14):
Breite der Rutschmasse
Die Breite der Rutschmasse Wd ist die maximale Breite
-
18 fläche liegt. zwischen den Flanken der Rutschung, senkrecht zur Längs-
19
Fußspitze
Teil der Front, der am weitesten vom Top der Rutschung
- achse Ld.
Breite der Gleitfläche
20 - entfernt liegt.
Front
Vordere, meist gekrümmte Begrenzung des verlagerten
Materials der Rutschung, die am weitesten vom Hauptab- -
Die Breite der Gleitfläche Wr ist die maximale Breite zwischen
den Flanken der Rutschung, senkrecht zur Längsachse Lr.
Gesamtlänge der Rutschmasse
Die Gesamtlänge L ist der kleinste Abstand zwischen Fuß-
- -
21 riss entfernt liegt. spitze und Krone der Rutschung.
Gleitfläche Länge der Rutschmasse Ld
22 Fläche, welche die untere Grenze des verlagerten Materials Die Länge der Rutschmasse Ld ist der kleinste Abstand
23
-
unter der ursprünglichen Geländeoberfläche bildet (oder
gebildet hat).
Gleitflächenfront
Meist verdeckte Grenzlinie zwischen dem unteren Teil der
- zwischen Gleitflächenfront und Krone.
Mächtigkeit der Rutschmasse
Die Mächtigkeit der Rutschmasse Dd ist die maximale Tiefe
der Gleitfläche unter der Oberfläche der Rutschmasse,
Gleitfläche und der ursprünglichen Geländeoberfläche. senkrecht gemessen zur Ebene Wd und zu Ld.
2.6 • Rutschungen – unmittelbare Massenschwerebewegungen
193 2
-
(. Abb. 2.15):
aktive Rutschung
-
Gelände ist vorübergehend standfest, die Rutschung ist inaktiv. 3 Reaktivierte
eingestuft werden. Rutschung; ein weitere Block kippt. 4 Latente Rutschung; auf dem gekipp-
ten Block beginnen Bäume zu wachsen, randlich setzt Verwitterung ein.
latente Rutschung
5 Abgeschlossene Rutschung; am Steilrand beginnen Bäume zu wachsen,
Latente Rutschungen sind inaktive oder blockierte Rut- andersartige Flussablagerungen bedecken den Hangfuß. 6 Stabilisierte
schungen, die durch die gleichen Faktoren wie bei der
-
Rutschung; eine Mauer stützt den Hangfuß. 7 Fossile Rutschung; es hat sich
vorangehenden Rutschung reaktiviert werden können. ein gleichmäßiger Baumbestand gebildet
abgeschlossene Rutschung
Abgeschlossene Rutschungen sind inaktive Rutschungen,
die nicht mehr von den ursprünglichen, die Rutschung „rückschreitend“ oder hangabwärts „fortschreitend“ vergrößern.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13 - sich verkleinernde Rutschung
In einer sich verkleinernden Rutschung verringert sich
das Volumen des pro Zeiteinheit verlagerten Materials - Begriffe zur Art der Rutschungsaktivitäten (. Abb. 2.17):
Einzelrutschung
Eine Einzelrutschung weist nur eine Einzelbewegung des
14
15 - (. Abb. 2.16d).
begrenzte Rutschung
In einer begrenzten Rutschung gibt es einen Abriss.
Eine Gleitfläche ist am Hangfuß jedoch nicht sichtbar
- verlagerten Materials auf (. Abb. 2.17a).
sukzessive Rutschung
Eine sukzessive Rutschung ist vom gleichen Typ wie die be-
nachbarte ältere Rutschung. Verlagertes Material und Gleit-
16
- (. Abb. 2.16e).
sich fortsetzende Rutschung
In einer sich fortsetzenden Rutschung bewegt sich die - fläche sind jedoch voneinander getrennt (. Abb. 2.17b).
Mehrfachrutschung
Eine Mehrfachrutschung weist die wiederholte Entwicklung
17
18 -
Rutschmasse ohne sichtbare Veränderung von Gleitfläche
und Volumen des verlagerten Materials (. Abb. 2.16f).
sich ausweitende Rutschung
In einer sich ausweitenden Rutschung breitet sich die Gleit-
- gleichen Bewegungstyps auf (. Abb. 2.17c).
zusammengesetzte Rutschung
Eine zusammengesetzte Rutschung weist mindestens zwei
Bewegungstypen auf, die gleichzeitig in verschiedenen
19
20
fläche in eine oder in beide Flanken der Rutschung seitlich
aus (. Abb. 2.16g).
- Teilen der Rutschmasse auftreten (. Abb. 2.17d).
komplexe Rutschung
Eine komplexe Rutschung weist zwei oder mehrere der
Rutschungstypen „Kippen“, „Fallen“, „Fließen“, „Driften“
2.6.10 Art der Rutschungsaktivitäten und „Gleiten“ in Folge auf (. Abb. 2.17e).
und der eigentlichen geotechnischen Untersuchung mit techni- geeigneter Messverfahren, Messgeräte und Messpunkte schließt
schen Geräten. Es ist das Ziel, Rutschungstyp, Rutschungsmerk- die Phase der Vorerkundung ab.
male und Rutschungsdimensionen sowie Zustand, Verteilung
und Art der Rutschungsaktivitäten zu ermitteln. Neben dem zz Geotechnisches Untersuchen rutschgefährdeter Gebiete
geometrischen Aufbau und der Verteilung der Rutschmassen Es ist das Ziel, die Kinematik von Rutschungen zu erfassen.
sind die zutreffenden bodenmechanischen Kenngrößen zu be- Dieses Ziel kann mit Schürfgruben, Bohrungen, Sondierungen,
nennen. Kinematische und dynamische Einflussfaktoren sind zu Untersuchungsschächten, Untersuchungsstollen, verschiedenen
benennen und gegebenenfalls zu messen. geophysikalischen Methoden (Refraktionsseismik, Geoelekt-
rik, Georadar; Messen der natürlich emittierten elektromag-
zz Vorarbeiten netischen Wellen, Cereskopie), verschiedenen geodätischen
Die Vorarbeiten umfassen die Sichtung des Archivmaterials Methoden (Fluchten/Alignement, Abstandsmessungen, Nei-
bis hin zur Auswertung von Satellitenbildern, welche heute gungsmessungen, Nivellement, Triangulation, Trilateration,
von allen Gegenden der Erde im Abstand von wenigen Wo- Photogrammetrie, Satellitengeodäsie/GPS, Geodätische Ro-
chen angefertigt werden. Die Geländebegehung dient dem Er- botik), mit fels- und baumesstechnischen Methoden (Inklino-
kennen und Erkunden von Geländeform, geologischem Bau meter, Fissurometer, Extensometer, Lotanlagen), mit aktiven
sowie von Art und Ausmaß der Massenschwerebewegungen. oder passiven Reflektoren und mit Bildverarbeitung (Fotogra-
Wellen, Buckel, Mulden, Abrisse, Gräben und schiefstehende fie, Videoaufnahmen) angegangen werden (Wunderlich 1995).
Bäume sind Indizien für Hangdeformationen. Wasser, Wasser- Wichtig für Standsicherheitsberechnungen ist das Ermitteln
stau, Wasserfließdruck und Porenwasserüberdruck sind in den der zutreffenden bodenmechanischen Kenngrößen, besonders
meisten Fällen bewegungsauslösende Faktoren. Das Erkunden das Bestimmen der Restscherfestigkeit oder Gleitfestigkeit in
der Wasser- und Grundwassersituation und deren Variation der Bewegungsfuge. Wichtig ist weiterhin, dass die richtige,
im Jahreslauf ist stets wichtig. Neben dem Erscheinungsbild der Geologie des Rutschkörpers angepasste Modellrechnung
von Rutschungen sind Anzahl, Tiefe und Form von Gleitflä- angewendet wird.
chen sowie die Mächtigkeit und Tiefenlage von fließfähigem Ein anderes Ziel ist das Erfassen der klimatischen und
Boden oder zersetztem, aufgeweichtem Gestein zu erkunden. dynamischen Einflussfaktoren. Hierzu dienen meteorologi-
Zur Art der möglichen Erkundung dieser Faktoren ist im sche Messungen, Vergleiche von Niederschlägen, Pegelstän-
Rahmen der Voruntersuchung ein Untersuchungsprogramm den und Quellschüttungen sowie Erschütterungsmessungen
auszuarbeiten. (Erdbeben). Aus dem Zusammenspiel von kinematischem
Der Einsatz von Bohrgeräten ist im aktiven Rutschhang nicht Modell und dynamischem Modell kann eine Gefahrenana-
immer möglich. Geodätische und geophysikalische Messungen lyse erstellt werden (Linkwitz 1991; Mathesius 1995; Kuntsche
können dann einen indirekten Aufschluss liefern. Die Auswahl 1996).
196 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
zontaler Verschiebungen auch Aufstauchungen und Hebungen ergreifen zu können, unterhalten große Bergbauunternehmen
1 einstellen. Über oberflächennahen Hohlräumen können sich bei eigene Bergschadenabteilungen. Daneben gibt es Sachverstän-
deren Zusammenbrüchen Tagbrüche (Erdfälle) einstellen. Bau- dige für Bergschadenkunde. Die Bergschadenkunde ist ein seit
2 werke können in Sattellage geraten (. Abb. 11.24a). Bei Bauwer- über 100 Jahren im Rahmen des Markscheidewesens gepflegtes
ken können sich Schieflage, Risse oder Zerstörung einstellen. Bei Spezialgebiet der Bergbaukunde. Für das Bearbeiten von Scha-
Verkehrswegen sind sich plötzlich einstellende Stufen gefürchtet. densfällen, die dem Formenkreis Bergschäden zuzuordnen sind,
3 Bei Leitungen können Senkungen zu verändertem Fließgefälle, wird auf Literatur (Kratzsch 2012, Placzek 2009, Schürken und
zu Überdehnung oder Pressung oder zum Bruch führen. Finke 2008) hingewiesen.
4 Bei oberflächennahem Abbau bis etwa 150 m Tiefe sind die Nach Einstellen der Bergbautätigkeit und der Wasserhaltung
Schadwirkungen meist intensiver als beim Abbau in größerer in den Gruben kann das Grundwasser etwa auf das Niveau vor
5 Tiefe. Beim Gangerzbergbau im standfesten Gebirge können dem Abbau wieder ansteigen und in den abgesenkten Bauwerken
Schadwirkungen über Jahrhunderte ausbleiben. zu Schaden führen. Die Aufwendungen für Wasserhaltungsmaß-
Ursächliche Faktoren für das Ausmaß von Absenkung und nahmen können einen beträchtlichen Umfang bei der Abwick-
-
6 Schadwirkung an der Oberfläche sind: lung von Bergschäden erfordern.
Art der künstlich geschaffenen Hohlräume: Kavernen, Unterirdisches Aussolen (Auslaugen) von Salz kann zu Über-
7 Kammern, Tunnel, Stollen, Schächte, Brunnen, Strecken, schneidungen zwischen künstlich verursachten und natürlich
-
8 maximale Breite großer Kavernen liegt bei etwa 35 m.
Festigkeitseigenschaften des Gebirges und Gebirgs- 2.7.3 Klassifikation gesteinstypischer
9 klasse des den Hohlraum umgebenden Gebirges (▶ Ab- Subrosionsformen
10 - schn. 13.1.6).
Art des Ausbruchverfahrens (händischer Ausbruch,
maschineller Ausbruch, Sprengverfahren, Bohrverfahren,
Die Erscheinungsformen der Subrosion und Verkarstung werden
von der Art, Mächtigkeit und Tiefenlage des löslichen Gesteins,
11
12
- ▶ Abschn. 13.4).
Art der Eingebauten Sicherungsmaßnahmen zum Schutz
gegen Auflockerung und Verbruch (▶ Abschn. 13.6). Zu-
sätzliche Schadbilder können beim Einsatz von Gefrierver-
von der Art und dem geologischen Bau der Deckschichten bzw.
des Deckgebirges, von der Wasserwegsamkeit in den Deck-
schichten bzw. dem Deckgebirge, von der hydrogeologischen,
hydrodynamischen und hydrochemischen Situation, vom Klima
13 - fahren auftreten.
Angewandtes Abbauverfahren/Ausbruchverfahren (▶ Ab-
schn. 13.4): Bei den bergbaulichen Abbauverfahren ist zu
unterscheiden zwischen Abbauverfahren mit Bergever-
und der Vegetation an der Oberfläche und von der Gesteins-
bzw. Grundwassertemperatur geprägt. Unterschiedliche Typen
der Auslaugung mit nachfolgender Verformung im Gebirge und
an der Geländeoberfläche werden bei Salz (Chloride), Gips und
14 satz (Strossenbau, Firstenbau, Firstenstoßbau, Stoßbau, Anhydrit (Sulfate), Kalkstein und Dolomitstein (Carbonate) und
Strebbau, Pfeilerbau), Abbau mit Bergfesten (Örterbau, auch bei silikatischen Gesteinen beobachtet. Die Hohlraument-
15 Kammerbau, Weitungsbau), Bruchbauverfahren (Pfeiler- wicklung erfolgt unter dem Lösungsangriff von Wasser oder von
bruchbau, Kammerbruchbau, Weitungsbruchbau, Streb- im Wasser gelöstem Kohlendioxid. Unterschieden wird zwischen
16
17
-- bruchbau).
Geologische Eigenschaften des hangenden Gebirges,
Alter der künstlichen Hohlräume (gegenwärtig akti-
ver Bergbau/Hohlraumbau, neuzeitlicher Bergbau und
dem Lösungsangriff vadoser Wässer im Sickerwasserbereich und
dem Lösungsangriff phreatischer Wässer in mit Grundwasser
erfüllten Karsthohlräumen.
Nach der Löslichkeit der Gesteine wird unterschieden zwi-
Hohlraumbau aus zurückliegenden Jahrhunderten – meist
aufgelassen, mittelalterlicher Bergbau, antiker Bergbau, vor-
-
schen:
Subrosion in sehr leicht löslichen Gesteinen (Bittersalz,
- -
18 geschichtlicher Bergbau), Carnallit);
Im Senkungsgebiet können im Boden verlegte Wasser- Subrosion und Verkarstung in leicht löslichen Gesteinen
-
19 leitungen auf Biegen beansprucht werden und brechen. (Steinsalz);
Ausströmendes Wasser kann ursächlich für Erdfälle sein. Subrosion und Verkarstung in löslichen Gesteinen (Anhyd-
20
Die neuzeitlichen und gegenwärtigen Einwirkungen des Berg-
- rit, Gips);
Subrosion und Verkarstung in schwer löslichen Gesteinen
21
22
baus auf Bauwerke werden im Rahmen der „Bergschadenkunde“
erfasst, vermessen und bewertet. Die baulichen Maßnahmen
zum Vermeiden oder Mindern solcher schadhaften Einwirkun-
gen werden als „Bergschadensicherung“ bezeichnet.
- (Kalkstein, Dolomitstein);
Subrosion und Verkarstung in sehr schwer löslichen Gestei-
nen (silikatische Gesteine).
leicht löslicher Gesteine unterschieden werden. Eine geotech- Bodensenkungen können durch Bergbautätigkeit verstärkt
nisch wichtige Rolle spielen Gesteinslagen/Schichten aus sehr werden. Bei Salzgewinnung über Soleanlagen im Raum Heilbronn
leicht löslichen Salzen (Kalium- und Magnesiumsalze) bei Hohl- wurden über längere Zeit großflächige Bodensenkungen zwischen
raumbau und Hohlraumnutzung in Salzgesteinen. Bei Hohl- 50 und 100 mm pro Jahr, auf kleineren Flächen > 200 mm pro
räumen, die durch künstliches Auslaugen von Salz geschaffen Jahr gemessen. Nach Einstellen der Bergbautätigkeit hören die
werden, kann in Gegenwart sehr leicht löslicher Salzlagen ein Bergsenkungen allgemein nach 5 bis 10 Jahren auf oder nähern
weitreichendes, schichtweises Aussolen erfolgen. Intensive Ver- sich dem Nullpunkt. Durch künstliches Aussolen kann aber auch
faltung solcher Salzlagen in Salzstöcken ist für das Beherrschen langanhaltende natürliche Subrosion ausgelöst werden.
von Aussolungen sowie untertägiger Abfallentsorgung und Rest-
stoffverwertung nachteilig. zz Großerdfälle bei Salzauslaugung im tiefen Untergrund
Bei irregulärer Auslaugung entstehen im Salz mit Lauge ge-
füllte Hohlräume. Hieraus resultierende Großerdfälle können
2.7.5 Auslaugung in leichtlöslichen Gesteinen – bis 1000 m tief reichen. Die Morphologie der Hohlform an der
Salzkarst, Chloridkarst Oberfläche ist abhängig vom geologischen Bau, der Schichten-
folge im Salz, der Schichtenfolge in den das Salz überlagernden
An der Oberfläche ist die Persistenz leicht löslicher Salze nur Deckschichten, den tektonischen Strukturen in den Deckschich-
im extrem trockenen Klima möglich. Häufig angetroffen wird ten und von der Tiefenlage der leicht löslichen Gesteinsschich-
Salz in Salzseen und Salztonebenen (Sebkha, Chott, Salar). Mor- ten. An der Oberfläche bilden sich in Festgesteinen engbegrenzte
phologisch hervorgehoben kommt Steinsalz z. B. im Iran und in Einbruchschlote, in Böden und veränderlich festen Gesteinen
Israel (Totes Meer) vor. Morphologisch exponiertes Salz zeigt trichterförmige Einbrüche. Die Hohlform wird an der Oberfläche
Formen des nackten Karstes wie Salzsäulen, Rillen und Schlotten mit Verwitterungsschutt, mit wasserverfrachteten feinkörnigen
mit scharfkantigen Graten, Röhren und Höhlen. Bodenarten und häufig mit organischem Material (Torf, Kohle)
Die Subrosion unterirdischer Salzlagen erfolgt im humiden aufgefüllt. Einbruchschlote können auch mit Versturzbrekzien
Klima in der Tiefe von mehreren hundert bis etwa tausend Me- aus der Schlotwand aufgefüllt sein. Die in den Einbruchschlot
tern. Unterschieden wird zwischen regulärem und irregulärem oder Trichter eingetragenen Massen werden schwerkraftbedingt
Auslaugen (Weber 1930). Reguläres Auslaugen findet bei ebener nach unten verlagert. Es handelt sich um eine Form unmittelba-
Lagerung der salzführenden Schicht in der Schichtfläche oder rer Massenschwerebewegung. Dabei hängt die Absinkgeschwin-
im etwa horizontalen Salzspiegel eines Salzstockes statt. Bei digkeit von der Ablauggeschwindigkeit im Untergrund ab.
geneigter Lagerung und großer Salzmächtigkeit findet regulä- Einbruchschlote über ausgelaugten Salzgesteinen des Zech-
res Auslaugen am Salzhang statt. Irreguläres Auslaugen findet steins in Osthessen haben Durchmesser von 20–50 m, in einzel-
kleinflächig in tektonisch gestörten Gebieten mit tiefreichender nen Fällen über 100 m, und waren zur Zeit ihrer Entstehung im
Wasserwegsamkeit statt (. Abb. 2.5). Tertiär bis zu 1000 m tief. Das die Einbruchschlote umgebende
Gebirge ist im allgemeinen wenig gestört und steht mit meist
zz Flächenhafte Absenkung bei Salzablaugung steiler Schlotumgrenzung an.
im Untergrund Mit Erdreich aufgefüllte Flächen über Einbruchschloten oder
Die aus regulärer Salzablaugung resultierenden Subrosionssen- Trichtern können rasch nachsinken. Für die Subrosionssenke
ken sind weitgestreckte, flache Hohlformen. Sie entstehen durch „Der See“ bei Kleinensee in Osthessen (Durchmesser ca. 350 m)
flächenhaftes Auslaugen einzelner Salzlagen oder durch flächen- berechnet Greiling (1977) 3,3 cm pro Jahr.
haftes Ablaugen mächtiger Salzmassen am unterirdischen Salz-
hang. Das Deckgebirge setzt sich bei fortschreitendem Ablau-
gen sanft und kontinuierlich auf die verbleibenden Salzmassen 2.7.6 Auslaugung in löslichen Gesteinen –
oder auf die Schichten im Liegenden des (ehemaligen) Salzlagers Anhydritkarst, Gipskarst
(. Abb. 2.5).
An der Oberfläche bilden sich weitgestreckte Senken. Die Subrosion in Anhydrit und Gips erfolgt meist oberflächen-
In nassen, grundwassererfüllten Subrosionssenken kön- nah in zehn bis hundert Meter Tiefe. Subrosion kann im massi-
nen sich Niedermoore ausbilden. Subrosionssenken am Hang gen Anhydrit, im gipshaltigen Anhydrit und im Gips erfolgen.
können mit windverfrachtetem feinkörnigem Bodenmaterial Subrosion und Höhlenbildung im Anhydrit ist immer mit dem
(Löss) oder mit kolluvial verlagerten Massen aufgefüllt sein. Vorgang der Hydratation und der Umwandlung in Gips bei etwa
Große Löss- und Lehmmächtigkeiten über auslaugungsfähi- 60 % Volumenzunahme verbunden. Lösen erfolgt an den Stellen,
gen Schichten im Untergrund können durch Auffüllung von an denen geringmineralisiertes Wasser dem Anhydrit zufließt.
Subrosionssenken entstanden sein und als Anzeichen für an- Dies kann flächenhaft längs wasserführender Schichten und
haltende Bodensenkung gelten. Baugrund ist in solchen Fällen kleinflächig an Spalten und Bruchstrukturen erfolgen.
auf Subrosionsgefahr zu untersuchen. Die Geschwindigkeit der
Ablaugungsvorgänge wird vom Grundwasserstrom gesteuert. zz Senkungen und Erdfälle über Höhlen im Anhydrit
Für flächenhafte natürliche Senkung bei Heilbronn (Subrosi- Subrosion kann schichtflächenparallel von solchen Schichtgren-
onsmulde mit 1,5 km Durchmesser) berechnet Dachroth (1983) zen ausgehen, an denen wasserführende Gesteine, z. B. Kalk-
3 mm pro Jahr. stein, an Anhydrit grenzen oder von diesem überlagert werden.
200 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Horizontal kann Subrosion vom Grundwasserspiegel ausgehen, Grundwasser kann je nach Fließrichtung den Gips durch-
1 und zwar an den Stellen, an denen geringmineralisiertes Schicht- strömen und längs der Strömungsbahnen Gips ablaugen und
wasser dem Grundwasser zufließt. Dies kann längs wasserfüh- Hohlräume schaffen. Es können sich Höhlen (Höhlengänge,
2 render Schichten und auch an Spalten und Bruchstrukturen Hallen) mit beträchtlichen Ausmaßen und Spannweiten bis
geschehen. über 60 m bilden. Diese Höhlen können über Gänge, Einbruch-
Es entstehen großräumige, flache Höhlen mit wasserdichter schlote (Erdfälle) oder künstliche Zugänge mit der Oberfläche
3 Firste. Höhlen im Anhydrit zeigen an ihren Wänden und Decken in Verbindung stehen. Bei Wasserführung können solche Lö-
den Übergang vom Anhydrit in Gips. Oberhalb des Grundwas- cher als Schwinden (Ponore) oder Karstquellen fungieren. Bei
4 serspiegels erfolgt diese Umwandlung über die Luftfeuchtigkeit. sinkendem Grundwasserstand fällt der auf die Wände stabili-
Die damit verbundene Volumenvermehrung bewirkt, dass sich sierend einwirkende Wasserdruck weg. Dies kann zum Zusam-
5 mehrere Zentimeter starke Gesteinslagen von der kompakten menbrechen trockengefallener Hohlräume mit unregelmäßigen
Gesteinsmasse abtrennen und als „Gipslappen“ herunterhängen. Bodensenkungen und Erdfällen an der Oberfläche führen. Die
Die Hohlraumentwicklung erfolgt im Anhydrit vorrangig durch Standzeit der Gipshöhlen liegt in der Größenordnung 10.000
6 Wasseraufnahme (Hydratation). Der Fortbau der Höhle erfolgt bis 20.000 Jahre. Die Erdfallgefahr über Hohlräumen im Gips
nach oben und nach den Seiten, sodass sich Höhlen mit flachem ist groß bis sehr groß.
7 Gewölbe entwickeln.
Hohlräume im Anhydrit sind im Gegensatz zu Karsthohl-
räumen im Kalkstein „schnelllebig“. Es werden Standzeiten in 2.7.7 Auslaugung in schwerlöslichen
8 der Größenordnung bis 10.000 Jahre angegeben. Durch den Gesteinen – Carbonatkarst
Fortbau der Höhle von unten nach oben und nach den Seiten
9 und durch das Ablaugen von Gips am Gipsspiegel von oben Die Korrosion von Kalkstein und Dolomitstein kann an der Luft,
nach unten wird die Tragfähigkeit des Deckengewölbes ge- unter Bodenbedeckung, in der ungesättigten Bodenzone, im Be-
10 schwächt. Plastische Verformungen in den das Höhlengewölbe reich der Karstwasseroberfläche, im seichten Karstwasser und
tragenden Deckschichten können an der Oberfläche Senkungen auch im tiefen Karstwasser stattfinden. An der Oberfläche bilden
hervorrufen. Erdfälle treten ein, wenn das über der Spannweite sich Lösungsformen wie Rillen (Karren, Schratten), Näpfe und
11 der Höhlendecke verbleibende Festgestein das Eigengewicht Löcher („Lösungsdolinen“), die sich nach unten in zu Spalten
und das Gewicht von Deckschichten und Zusatzlasten nicht und Röhren aufgeweiteten Kluft- und Schichtfugen, Gängen,
12 mehr tragen kann. Dabei kann das Deckengewölbe weitge- Höhlenkammern, Höhlendomen und Karstschloten fortsetzen.
streckter Höhlen in einem Ereignis zusammenbrechen, oder Carbonatgesteine zählen in der Geotechnik zu den schwer lösli-
13 der Einbruch des geschwächten Deckengewölbes kann sich in
mehreren kleineren, zeitlich gestreckten Erdfällen einstellen.
--
chen Gesteinen. Unterschieden werden:
Karst in Kalkstein;
14
Auch solchen kleineren Erdfällen gehen häufig Bodensenkun-
gen voraus.
-- Karst in Dolomitstein;
Karst in Kreide, Travertin und Weichkalkstein;
--
2.7.8 Auslaugung in sehr schwer löslichen durch:
Gesteinen – Silikatkarst geologische Verhältnisse im Untergrund;
Einsturzlöcher entstehen. Die Erdfallgefahr ist in silikatischen Die Bestandsaufnahme der geologischen Verhältnisse soll die
Gesteinen sehr gering. Verbreitung und Lagerung der die auslaugbaren Gesteine unter-
lagernden Schichten sowie bestehende, verfüllte und überbaute
Hohlformen und Senken kartenmäßig erfassen. Sie stützt sich
2.7.9 Dimensionen von Erdfällen auf den Vergleich alter und neuer Karten, Pläne, Luftbilder, Bau-
und Senkungen werksschäden etc.
Die geologische Exposition eines zu beurteilenden Standortes
Die meisten Erdfälle haben Anfangsdurchmesser unter 5 m. Erd- berücksichtigt Gesteinsaufbau und Gesteinslagerung im Unter-
fälle mit größeren Anfangsdurchmessern sind selten. Die meis- grund, Lage und Schwankungsbreite des Grundwasserspiegels,
ten großen Erdfallformen bis 50 oder 100 m Durchmesser sind unterirdische Wasserwege (Karstbäche) mit Art und Menge der
durch zahlreiche kleinere Nachbrüche entstanden. Großerdfälle Wasserführung sowie Lage von Ablaugungsrändern und Salz-
werden aus Deutschland mit 100 m Durchmesser bei Tecklen- hang oder Auslaugungshang im Untergrund.
burg/Westfalen (1913) und mit etwa 500 m Durchmesser und Durch Auswerten der Bestandsaufnahme erhält man Infor-
27 m Absenkung am Arendsee (1685) genannt (Büchner 1996). mationen über die auslaugungsfähigen Gesteine im Untergrund
Tolmatschew (1995) beschreibt aus Russland einen Erdfall im und über die Ursprungstiefen möglicher Erdfälle.
Industriegebiet von Dzershinsk mit 35–40 m Durchmesser und In Niedersachsen sind etwa 20.000 Erdfalltrichter be-
8–12 m Absenkung. kannt. Es wird davon ausgegangen, dass die heute morpho-
. Tab. 2.5 zeigt die Verteilung der Anfangsdurchmesser logisch erkennbaren Erdfalltrichter ein Alter von weniger als
von Erdfällen im südlichen Niedersachsen. Häufig wiederho- 10.000 Jahren, in den meisten Fällen von weniger als 5000 Jah-
len sich Erdfälle an gleicher Stelle im Abstand von Jahren bis ren haben.
Jahrzehnten. Für das südliche Niedersachsen besteht eine Klassifikation
nach den Risikokategorien 0–6 (Büchner 1991, 1996; . Tab. 2.6).
202 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
-
1 .. Tab. 2.6 Klassifikation des Schadenrisikos durch Erdfälle
über eingebaute Kontrollleitungen;
Kategorie Beschreibung Kontrolle der Dicke einer eingebauten Erdschüttung über
2 0 Keine löslichen Gesteine im Untergrund
Geotextil mit anheftendem elektrischem Leiter – gemessen
werden Distanzänderungen zwischen Nullmessung und
17 Baugrund und Bauwerke in erdfallgefährdeten Gebieten können 2.8 Wasser und Wind – Erosion, Denudation,
so kontrolliert und überwacht werden, dass Senkungen an der Transport und Anlanden von Boden
Oberfläche und Nachbrüche im Untergrund frühzeitig erkannt
-
18 werden (Beljaew 1995). Mögliche Verfahren sind: Das durch Verwitterung bereitgestellte und durch Erosion ge-
Messtechnisches Überwachen – Nivellement, Winkelmes- löste Material kann von Wasser, Eis und Wind transportiert und
--
19 sung, Längenmessung; an anderer Stelle abgelagert werden. Unter Kultur genommene
Messtechnische Kontrolle an tragenden Bauwerksteilen; Flächen können von durch Wasser oder Wind transportierten
20 Inklinometermessungen in Bohrlöchern und an Bauwer- Massen verdeckt, verschüttet und überlagert werden.
- ken;
Registrieren seismischer und akustischer Emissionen aus
Auf geneigtem Gelände kann Boden durch Flächenspülung
(Schichtfluten) transportiert und abgelagert werden. In Fließ-
-
21 dem Untergrund; gerinnen, Bächen und Flüssen hängt das Frachtvermögen des
Cereskopie – Registrieren elektromagnetischer Impulse aus fließenden Wassers von der Fließgeschwindigkeit, der Korn-
22
23
- dem Untergrund;
Kontrolle an Erdfallpegeln – gemessen wird das Absinken
oder Abstürzen einer Plombe im Bohrloch über einem sich
oder Stückgröße des bewegten Bodenmaterials und bei großen
Körnern, Steinen oder Blöcken auch von der Wassermenge ab.
Nach der Art der in Bächen, Flüssen und Kanälen transportierten
Zwischen Quellgebiet und Mündung nimmt das Fließgefälle kann bei geringeren Wassermengen eine Blockhalde sein.
ab und die Wassermenge zu. In den nacheinander durchflosse- Bei größeren Wassermengen bilden sich tiefe Kolke oder
nen Flussabschnitten ändert sich das Bild der Flusslandschaft Tosbecken.
als Folge von Unterschieden im Erosionsverhalten und Trans- Die großen Wasserfälle der Erde sind vom Niagaratyp. Ihr
portvermögen, in der Korn- bzw. Stückgröße des transportierten Absturz erfolgt aus ebenem Gelände! Unter dem Wasserfall
Materials und in der Art der Anlandungen. Flussabschnitte, die durchfließt das Wasser in einem canyonartig eingetieften
sich nach Wassermenge, Art der Wasserbewegung und Fracht- Tal eine Gleichgewichtsstrecke.
vermögen gleich verhalten, können als Flusslandschaften oder Die zahlreichen kleineren Wasserfälle nach dem Hängetal-
Flusstypen klassifiziert werden. typ finden sich am Rand eiszeitlich überformter Gebirgstä-
Längs der Küsten werden durch Ebbe und Flut Wassermas- ler (U-Täler). Sie werden in der Literatur den Wildbächen
sen bewegt. Fließstrecken sind Flussmündungen (Ästuare), Priele
und Gatts. Die Brandung bewirkt küstenparallele Brandungs-
strömung.
Anlandungen sind in bebauten Gebieten und auf Verkehrs-
- zugeordnet.
Springen, Stürzen, Spritzen: Bei dieser Bewegungsform
bewegt sich das Wasser mit einer starken horizontalen
Komponente über Kaskaden und Blöcke in Richtung Tal.
flächen unerwünscht. Gefürchtet sind Geröll- und Schuttab- Bei schießender Wasserbewegung kann ein Teil des Was-
lagerungen von Muren, Wildbächen und Gebirgsflüssen. In sers seitlich im „Strahl“ wegspritzen. Die Kaskaden kön-
landwirtschaftlich genutzten Überschwemmungsauen kann nen aus mehreren hintereinander gestaffelten Abstürzen
hingegen regelmäßiges Anlanden von Schwebstoffen ertrags- bestehen und können natürlich oder künstlich verursacht
fördernd sein. Allerdings können mit den Schwebstoffen auch sein. Die abfließende Wassermasse nimmt unterschied-
Schadstoffe ausgetragen werden. Im Watt können die natürli- lich viel Luft auf, wodurch das Gesamtvolumen vermehrt
chen Sedimentationsvorgänge durch den Eingriff des Menschen
verstärkt und zu Küstenschutz und Landgewinn herangezogen
werden.
Wind ist in der Lage, Sand und Staub zu verwehen und an
- wird.
Turbulentes Fließen: Bei dieser Bewegungsform des
Wassers werden die Stromlinien an Felsrippen, Blöcken,
mitgeführtem Holz und Uferbegrenzungen gebrochen.
anderen Stellen abzulagern. Kultivierte Flächen können in kurzer Die bergab strebenden Wassermassen werden unter-
Zeit von Sand oder Staub bedeckt, überlagert oder verschüttet schiedlich nach Richtung, Menge und Geschwindigkeit
werden. aufgeteilt und wieder zusammengeführt. Teilströme mit
unterschiedlicher Fließgeschwindigkeit treffen im Längs-
profil des Flusslaufes immer wieder aufeinander und auch
2.8.1 Bewegungsformen des fließenden auf den Abfluss hindernde Barrieren. Die innere Reibung
Wassers – Abflusstypen ist hoch. Die Wasserteilchen bewegen sich unterschiedlich
schnell.
Die Bewegungsformen des Wassers und das Abflussverhalten von Es ist das normale Bild wellenreicher Wasserbewegung in
anfallenden Wassermassen sind ursächlich für die vom Wasser
ausgehenden Prozesse bei Erosion, Transport und Sedimentation
von Bodenmaterial. Das Abflussverhalten der zu Tal fließenden
Wassermassen kann sich an Knickpunkten im Längsprofil von
- natürlichen Bächen und Flüssen der Mittelgebirge.
Laminares Fließen: Die Stromlinien des Wassers verlaufen
parallel. Die innere Reibung ist geringer als beim turbu-
lenten Fließen. Die Fließgeschwindigkeit in Flüssen ist in
Bächen und Flüssen ändern. Das morphogenetische Formen und Strommitte größer als am Rand. Unter der Wasseroberflä-
Gestalten der Flussabschnittsformen „Oberlauf “, „Mittellauf “ che lassen sich Linien gleicher Fließgeschwindigkeit (Iso
und „Unterlauf “ mit ihrem jeweils unterschiedlichen Abfluss- tachen) ermitteln, die den zentralen Wasserstrom ringartig
verhalten kann im Längsprofil mancher Flüsse mehrfach und umgeben. Bestimmt werden Fließgeschwindigkeiten an
sich wiederholend beobachtet werden. Folgende Abflusstypen der Wasseroberfläche mit Schwimmkörpern und unter
-
lassen sich unterscheiden:
Fallen: Bei dieser Bewegungsform fällt das Wasser an
einer Steilkante vertikal nach unten. Die Steilkante kann
der Wasseroberfläche durch Messen mit Flügelsonde oder
Ultraschall. Die wirksame Strömungs- und Transportkraft
für Geschiebe (Geschiebetrieb) ist im Talweg des Flusses
natürlich (Wasserfall) oder künstlich (Wehr) verursacht
sein. Bei Wasserfällen wird unterschieden zwischen der von
einer Schichtstufe verursachten Steilkante (Niagaratyp), der
durch unterschiedliche Genese zwischen Haupt- und Ne-
- am größten.
Stationäres Fließen: In Kanälen mit konstanter zugeführ-
ter Wassermenge, konstantem Querschnitt, konstanter
Wasserhöhe und konstantem Gefälle sind Fließgeschwin-
bental verursachten Steilkante (Hängetaltyp) und der durch digkeit und Abfluss Q im gleichen betrachteten Querschnitt
chemisches oder biologisches Ausfällen von Calcit und konstant.
anderen Stoffen aufgebauten Steilkante (Akkumulationstyp/
▶ Abschn. 2.4.1).
Wasserfälle stellen den extremsten Fall für erodierende
Wirkung im Wildbach oder verwilderten Fluss dar. Sie
bewirken rückschreitende Erosion. Der Aufschlagspunkt
204 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
2.8.2 Art der vom fließenden Wasser Gleichgewichtszustand und Auflandungszustand führen.
1 transportierten und abgelagerten Beim Gleichgewichtszustand bleibt das Gefälle konstant,
Feststoffe die Auflandung führt örtlich zu einem geringeren Gefälle,
2 die Erosion führt zu einem größeren Gefälle.
Zum Beschreiben der in Flüssen transportierten Feststoffe wer-
3
-
den folgende Begriffe verwendet:
Feststoffe
Vom Wasser mitgeführte Schwimmstoffe, Schwebstoffe,
Die Unterteilung zwischen Schwebstoff und Geschiebe betrifft
etwa die Grenze zwischen feinkörnigem und grobkörnigem
Boden. Bei hoher Fließgeschwindigkeit und unter turbulenten
4
5 - Geschiebe und Treibeis.
Schwimmstoffe
Vom Wasser mitgeführte natürliche Bestandteile (Bäume,
Äste, Laub, Holz, Kadaver) und Zivilisationsrückstände
Fließbedingungen können grobkörnige Bodenteilchen (Sand,
Feinkies, seltener Mittel- und Grobkies) aufgewirbelt und im
stark bewegten Wasser transportiert werden (Saltation). Aufge-
wirbeltes grobkörniges Material setzt sich bei abklingender Tur-
6
7
- (Dosen, Flaschen, Plastik, Müll).
Schwebstoffe
Natürliche Verwitterungsprodukte (Lehm, Schluff, Ton, or-
ganische Fasern und Mazerale) und Zivilisationsrückstände
bulenz ab. Grobschluff-, Sand- und Kieskörner können nur dann
in Suspension bleiben, wenn die Auftriebskräfte aus der Was-
serbewegung größer oder gleich der Sinkgeschwindigkeit sind.
Geschiebeführung findet ab einer Grenzgeschwindigkeit
8 - (Klärschlamm, Industrieschlämme).
Schwebstoffbelastung
Gewichtsanteil der Schwebstoffe in mg l−1, g m−3 oder
kg m−3. Das Bestimmen erfolgt durch Trübemessung oder
statt. Es besteht eine Beziehung zwischen Korngröße und kri-
tischen Fließgeschwindigkeiten für Erosion, Transport und Ab-
lagerung (. Abb. 2.18). Der Korntransport erfolgt in der Sohle
des Flusses rollend bis gleitend. Die Größe der bewegten Körner,
9 Wägung von Wasserproben, die mittels Schöpfgefäßen Gerölle, Steine und Blöcke ist von der Fließgeschwindigkeit und
aus unterschiedlicher Wassertiefe entnommen werden. der Wassermenge abhängig. Dabei vergrößert sich die Fließge-
10 Die Werte können häufig bis 1 g l−1, kurzzeitig bei extrem schwindigkeit mit zunehmender Wassermenge. Bei Flüssen kann
-
13 stimmten Zeitspanne (Tag, Monat, Jahr) abströmen. stärksten Strömung auf der Sohle des Flusses, dem „Talweg“, statt.
Geschiebe Die feinkörnigen Schwebstoffe (Feinschluff und kleiner) sin-
14 Sand, Kies und Steine, die auf der Gerinnesohle mitgeführt ken auch bei geringen Fließgeschwindigkeiten (1 cm s−1) nicht ab
15 - werden.
Geschiebetrieb
Geschiebeführung pro m Gerinnebreite und Zeiteinheit in
und verursachen die Trübung des Flusswassers. Große Flüsse füh-
ren häufig während des ganzen Jahres Schwebstoffe. Bei kleineren
Flüssen und Bächen kann die Trübung auf den Oberflächenab-
16
- kg m−1 s−1 oder m3 m−1 s−1.
Geschiebeführung
Geschiebemenge, die pro Zeiteinheit abtransportiert wird,
fluss während und nach einem Regenereignis begrenzt sein.
-
zz Ablagern von Schwebstoffen
17 in kg s−1 oder m3 s−1. In langsam fließenden und besonders in staugeregelten Fluss-
Geschiebefracht abschnitten verringert sich die natürliche Schwebstoffbelastung;
Geschiebemenge, die während einer Zeitspanne (Tag, Mo- Feinsand, Schluff und organischer Schlamm werden abgelagert.
-
18 nat, Jahr) abtransportiert wird, in kg, t oder m3. Sedimentation tritt in Stauseen, hinter Wehranlagen und in der
Geschiebemessung vom Hochwasser überfluteten Aue ein. Zwischen Flussbett und
19 Die Geschiebe werden auf Lagerungsart, Gesteinsart, Aue bildet sich längs schwebstoffbelasteter Flüsse ein natürli-
Stück- oder Kornform, Stück- oder Korngröße und Grö- cher Wall (Uferwall, natürlicher Flussdamm) aus (Ahnert 1996).
20 ßenverteilung untersucht. Der Geschiebetrieb kann mit Hochwasser, das die Krone eines solchen Walls überströmt, ver-
einem Geschiebefänger, einem flussaufwärts geöffneten liert plötzlich an Fließgeschwindigkeit, was das Absetzen von
Kasten aus Drahtgeflecht, gemessen werden. Weitere An- Sand und Grobschluff und somit Verbreitern und Aufhöhen
21 haltspunkte geben markierte Gerölle, wobei sich besonders des Walls bewirkt. In der überfluteten Aue kommt vorwiegend
22
23
- das Markieren mit radioaktiven Isotopen bewährt hat.
Gleichgewichtslage der Flusssohle
Die räumliche und zeitliche Entwicklung der Flusssohle
hängt von der Geschiebebilanz ab. Eine Änderung der Ge-
Mittel- und Feinschluff zur Ablagerung (Schwemmlehm). In der
pflanzenbestandenen Aue werden Schwebstoffe verstärkt zurück-
gehalten und angelandet. Der Wechsel mineralischer Anlandun-
gen mit Bodenbildung und Anreicherung von organischem Ma-
schiebezufuhr, Wasserführung oder Fließgeschwindigkeit terial führt zur Ausbildung des Auelehms.
kann in einem bestimmten Streckenabschnitt zur Ände- Die kohäsiven Aueablagerungen (Schluff, Schwemmlehm,
rung der Gleichgewichtslage zwischen Erosionszustand, Auelehm) stellen dem Abtrag erhöhten Widerstand entgegen
2.8 • Wasser und Wind – Erosion, Denudation, Transport und Anlanden von Boden
205 2
-- (Sand);
im Delta in Senken zwischen Flussarmen (Schweb, Schluff);
- im Ästuar (Schlick);
im vorgelagerten Küstenbereich (Sand, Strandsand).
--
Fließgeschwindigkeit ein. Dies kann der Fall sein:
im Überschwemmungsgebiet von Schichtfluten (Lehm, Sand);
in der Stauwurzel natürlicher oder künstlicher Aufstauungen 2.8.4 Flusslandschaften und Flusstypen –
- (Steine, Kies);
am Gefälleknick zwischen Gebirgsfluss und Ebene (Kies,
Zwischen Quellgebiet und Mündung kann sich das durch den
Wechsel von Erosion und Anlanden geprägte Landschaftsbild
- Sand);
an Einmündungen in langsam fließende Gewässer (Sand-
eines Flusses mehrfach ändern. Zu unterscheiden sind Flussab-
schnitte mit Erosionscharakter und Flussabschnitte mit Sedimen-
- bank);
längs von Flussläufen durch Auffüllung von Kerbtälern
tationscharakter. Flussabschnitte mit Erosionscharakter sind Ero-
sionstrichter von Wildbächen, Kerbtäler (Klammen, Canyons,
- (Kies, Sand);
längs breiter Flussbetten durch Aufschotterung der Talsohle
V-Täler) und Sohlentäler mit steilen oder geneigten Hängen. Das
Gefälle der Talsohle liegt etwa zwischen 0,1 und 5 %.
- (Kies, Sand);
längs mäandrierender Flüsse in der Flusssohle und an
Die Übergänge von Oberlauf zu Mittellauf bzw. von Mittel-
lauf zu Unterlauf werden im Längsprofil der Bäche und Flüsse als
- Gleithängen (Sand);
in der Flusssohle und am Wall uferwallbegrenzter Flüsse
(Sand);
„Knickpunkte“ bezeichnet. Unter Einfluss der rückschreitenden
Erosion wandern solche Knickpunkte flussaufwärts und verla-
gern somit den Ort starker Verwilderung. Der geologische Wech-
206 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
sel zwischen leicht und schwer erodierbaren Gesteinen sowie der Lockermaterial bereitgestellt wird. Hinter Rutschmassen oder
1 tektonische Wechsel zwischen Hebungszonen (Schwellen, Gebir- Schwimmstoffen kann Wasser vorübergehend aufgestaut werden.
gen) und Senkungszonen (Senken, Gräben) im Längsprofil der Beim schwallartigen Ablaufen solcher Wassermassen können
2 Flüsse können im Längsprofil Knickpunkte verursachen. Mehr- große Geschiebemengen und auch große Blöcke bewegt werden.
faches Wiederholen der morphologischen Charaktermerkmale Natürliches Anlanden von Geschiebe ist im Wildbach hinter
für „Oberlauf “, „Mittellauf “ und „Unterlauf “ ist so möglich. An Staustellen möglich. Zum Schutz des Vorlandes vor wildem An-
3 solchen Knickpunkten im Längsprofil von Bächen und Flüssen landen und Überschottern kann das Anlanden und Zurückhal-
ändert sich das Abflussverhalten der anfallenden Wassermassen. ten der Geschiebe im Wildbach künstlich herbeigeführt werden
4 Flussstrecken mit starker Verwilderung, Wildwasserstrecken, fin- (▶ Abschn. 14.1).
den sich in Flussläufen an Wasserfällen und Katarakten sowie an
5 den Strecken mit hohem Gefälle. Stärkste Verwilderung bringen zz Schwemmkegel und Schwemmfächer
Wasserfälle vom Niagara-Typ, welche sich aus einem ebenen Schwemmkegel und Schwemmfächer sind die Aufschüttungs-
Strombett oberhalb des Falles ergießen. form von Flüssen am Austrittspunkt von Gebirgstälern in eine
6 In Flussabschnitten mit Sedimentationscharakter (Aufschüt- Ebene. Der in die Ebene einmündende Fluss verliert an dieser
tungstalboden) bestimmen Wassermenge und Gefälle weitge- Stelle die Vorflut und die seitliche Führung durch Talflanken. Der
7 hend den Charakter der Flusslandschaft mit unterschiedlichen Fluss lagert mitgeführtes Geschiebe nach allen Seiten halbkreis-
Formen für Erosion, Transport und Anlanden. Unterschieden förmig ab. Der natürliche Flusslauf teilt sich im Schwemmkegel
wird zwischen aufgefüllten Kerbtälern (Schwemmkegel und oder Schwemmfächer auf. Der einzelne Wasserlauf verliert da-
8 Talaue), geraden Flüssen, verzweigten Flüssen, mäandrieren- durch gegenüber dem im V-Tal geführten Fluss an Wassermenge,
den Flüssen, uferwallbegrenzten Flüssen und Deltas. Vielfach Schubkraft und Fließgeschwindigkeit.
9 sind Flussläufe künstlich gestaltet und begradigt. Bei mangeln- Die Begriffe „Schwemmkegel“ und „Schwemmfächer“ sind
der Pflege begradigter oder anderweitig künstlich gestalteter Synonyme für die gleiche Landschaftsform, wobei sich Schwemm-
10 Flussbetten kann Flussverwilderung eintreten. Der Fluss kann kegel aus der Blickrichtung von der Ebene auf den Talausgang,
sich zu der für diesen Flussabschnitt typischen Form zurück- Schwemmfächer aus der Blickrichtung vom Talausgang in die
entwickeln. Ebene ableitet.
11 Das auf Schwemmkegeln oder Schwemmfächern abgelagerte
zz Wildbäche im Hochgebirge Material reicht von groben Blöcken am Talausgang von Wildbä-
12 Im Einzugsgebiet für den Oberlauf von Wildbächen ist im chen bis zu Kies- und Sandablagerungen in flachen Schwemm-
Hochgebirge vielfach ein Erosionstrichter ausgebildet. Er ist fächern großer Flüsse mit Neigung unter 0,5 %. In den Trocken-
durch Rutschungen und rückschreitende Erosion gekennzeich- gebieten der Erde können Schwemmkegel distal auch in flach
13 net. Oft bilden orographisch hoch aufragende Felswände eine liegende Ablagerungen aus Feinsand und Schluff übergehen.
Erosionskante zwischen Hochgebirgsflur und Erosionstrichter. Die Neigung der Schwemmkegel steigt von den distalen
14 Niederschlagswasser und Schmelzwasser aus der Hochgebirgs- Ausläufern des Fächers in der Ebene bis zur Kegelwurzel am
flur wird über steile Wasserrisse, Schrunden oder Rinnen und Talaustrittspunkt an. Zur Neigung der Geländeoberfläche auf
15 streckenweise auch über Wasserfälle entwässert. Solche Wasser- Schwemmkegeln/Schwemmfächern gibt Ahnert 1996 folgende
risse durchziehen in fast gleichmäßigen Abständen die steilen
Felswände. Am Fuße solcher Wasserrisse sammelt sich Fels- und
--
Werte an:
Nahe der Kegelwurzel 3,5 bis 10 Grad
-
16 Gesteinsmaterial auf einer Blockhalde, über die das Wasser kas- Mittlerer Teil 1,5 bis 3,5 Grad
kadenartig talwärts fließt. Unterer ausfächernder Teil kleiner 1,5 Grad
17 Abhängig vom Schichtenbau des Gebirges treten in oro-
graphisch mittlerer bis unterer Hanglage des Erosionstrichters Bei Wildbächen ist die Neigung des Schwemmkegels von der
fallende Quellen (Schichtquellen) aus. Sie bewirken primär Größe und Rauigkeit des abgelagerten Materials sowie von der
18 rückschreitende Erosion und damit das Versteilen der höher ge- Höhendifferenz zwischen Austrittspunkt und Ebene abhängig.
legenen Hänge und Felswände. Rutschungen sind häufig. Das in Es gibt Übergänge zu Sturzkegeln unter Wasserfällen mit steil
19 Rinnen und Bächen abfließende Wasser bewirkt über Seitenero- abgelagertem Blockschutt und zu Murkegeln.
sion das seitliche Aufweiten des Erosionstrichters. Schwemmkegel sind oft bevorzugte Siedlungsgebiete. Aller-
20 Am Fuß des Erosionstrichters fließen die hieraus ablaufenden dings besteht permanent die Gefahr, dass Siedlungsraum und
Wasser zusammen und bilden den Mittellauf und eigentlichen Feldflur überschottert werden. Gefürchtet ist schwallartiger Ab-
Wildbach. Dieser durchfließt im tief eingeschnittenen Tal mit stei- fluss plötzlich freigesetzter Wassermassen aus Wildbächen. Der-
21 len Flanken die Strecke zwischen Einzugsgebiet und Schwemm- artige Geröllfluten stellen mit ihren verheerenden Verwüstungen
kegel bzw. der Vorflut des Hauptflusses. Massigen Fels durchque- eine besondere Gefahr für Siedlungen auf den Schwemmkegeln
22 ren die Wasser des Wildbaches in einer Klamm mit standfesten und in Gebirgstälern dar. Ganze Ortschaften können in einem Er-
senkrechten Wänden. In durch Verwitterung aufgelockerten Ge- eignis vernichtet und überschottert werden. Durch Wasserschwall
steinen bilden die Talflanken ein V-Tal, aufgebaut aus mächtigen können mehrere Kubikmeter große Blöcke bewegt werden.
23 Hangschuttmassen. In solchen Wildbächen grenzt der Hangfuß Die von Schwemmkegeln eingenommene Fläche und die
unmittelbar an das Bachbett oder Flussbett. Hangunterschnei- Masse des hierin abgelagerten Sediments ist von den örtlichen
dungen provozieren Rutschungen, wodurch leicht erodierbares geologischen und klimatologischen Verhältnissen abhängig.
2.8 • Wasser und Wind – Erosion, Denudation, Transport und Anlanden von Boden
207 2
zz Flüsse in Kerbtälern
Kerbtäler (V-Täler) können im Gebirge geradlinig oder gewun-
den verlaufen. Zu unterscheiden ist, ob der Fluss einer im Ge-
birge vorgegebenen Lineation folgt oder ob er einem Flusslauf
aus einer zurückliegenden geologischen Epoche mit anderer
Flusslandschaft (gerader Fluss, mäandrierender Fluss) folgt.
Im Zuge von Gebirgshebung und Tiefenerosion können solche
ererbten Strukturen in den tieferen Untergrund eingeschnitten c
werden (Talmäander, ererbte Mäander). Geradlinige Flussläufe .. Abb. 2.19 Grundtypen von Sohlentälern, schematisch dargestellt im
folgen oft tektonischen Strukturen (Störungszonen, geradliniges Talquerschnitt. a Tal mit breiter Talaue über verfülltem V-Tal, b Tal mit breiter
Ausstreichen einer morphologisch hervortretenden Schicht). An Talaue über verfülltem Canyon, c Tal mit breiter Talaue mit Felssohle in
Kreuzungspunkten mit anderen Strukturen kann die Laufrich- geringer Tiefenlage
tung wechseln und eine scharfe Kurve bedingen.
Ererbte Mäander kommen in allen Klimabereichen der Erde zz Flusstypen mit Aue
vor. Form und Veränderung von Flussbett, Ufer und Hangfuß Talauen (Sohlentäler) gehen entweder aus der Überschotterung
werden in Kerbtälern unter dem Einfluss des Klimas von den flachliegender Felssohlen oder aus der Auffüllung von Kerbtä-
Festigkeitseigenschaften und der Verwitterungsanfälligkeit der lern (V-Täler) hervor (. Abb. 2.19). Diese zwei Grundtypen von
anstehenden Gesteine und Schichten bestimmt. Veränderungen Sohlentälern unterscheiden sich in Form und Tiefenlage der Fels-
im Flusslauf durch Erosion am Prallhang und Abschneiden von oberfläche und in der Mächtigkeit der abgelagerten Sande und
Flussschlingen geschehen langsam (Größenordnung: 10.000 bis Kiese, jedoch nicht in der Talform. Die Tiefenlage der Felsober-
100.000 Jahre). Bei fortschreitender Seitenerosion kann aus ei- fläche ist durch Bohrungen nachzuweisen und kann nicht aus
nem Kerbtal ein Sohlental entstehen. morphologischen Kriterien geschlossen werden. Fehleinschät-
Geschiebeführung findet vorwiegend im Bereich der stärks- zungen können sich bei Bauvorhaben nachteilig auswirken.
ten Strömung auf der Sohle des Flusses, dem „Talweg“, statt. Ver- Durch Seitenerosion untergrabene Hänge können steil bis
ringerung von Wassermenge oder Strömungsgeschwindigkeit senkrecht oder geneigt abgeböscht sein, wobei veränderlich feste
kann zum Anlanden von Kiesbänken führen. Bei Hochwasser Gesteine flache bis geneigte Hangformen, Sandstein, Kalkstein,
können in den überschwemmten Tallagen Schwimmstoffe und Vulkanite und Metamorphite steile Hangformen (Kastentä-
Schwebstoffe abgelagert werden. ler) abgeben. In der Talgeschichte können Klimaänderungen
Kerbtäler eignen sich am ehesten zum Aufstau. An Wehr- Schwankungen in der Erosionsbasis und den Wechsel zwischen
anlagen und Staustufen wird mit solchen Maßnahmen in die Aufschotterung und Abtragung bedingt haben. Tiefliegender
Geschiebe- und Schwebstofffracht der Flüsse eingegriffen. Das Meeresspiegel (tiefliegende Erosionsbasis) bedingt Tiefenerosion.
Geschiebe lagert sich im Bereich der Stauwurzel ab. Vor solchen Bei steigendem Meeresspiegel oder Anheben der Erosionsbasis
Sperrbauwerken können Sand, Kies, Steine und Blöcke durch setzt Seitenerosion mit gleichzeitigem Anlanden (Aufschottern)
ausschießendes Wasser aus dem Untergrund aufgewühlt und in am Gleithang ein (. Abb. 2.20).
geringer Entfernung flussabwärts in Sandbänken abgelagert wer- Bei starkem Gefälle, meist tiefliegendem Grundwasserstand
den. Dadurch kann die Schifffahrt beeinträchtigt werden. und zeitweise starker Wasserführung bildet sich auf der aufge-
208 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
1
2
3
4
5 .. Abb. 2.21 Aufsicht und Querschnitt zur Unterscheidung der Flussland-
schaften und ihrer Anlandungen nach der Art der Fließkanäle im Sohlental:
Auffüllen einer breiten Tallandschaft mit Sand und Kies durch ein verzweigtes
6 a (verflochtenes) Flusssystem („braided river“). Bei Niedrigwasser werden nur
wenige tiefe Rinnen, bei Mittelwasser werden alle Rinnen und bei Hochwas-
ser wird die ganze Talsohle vom Wasser eingenommen. Abgelagert werden
7 Mittelsand, Grobsand und Kies
des Wassers für diesen Flusstyp formengebend. Gerade Fluss- nen Ungarischen Tiefebene). Nebenarme mit geringer Wasser-
1 abschnitte entwickeln sich in Sohlentälern und Senken durch führung zeigen dann den mäandrierenden Flusstyp, der Haupt-
Laufverkürzung aus der mäandrierenden Form. Dieser Vor- fluss den gerade verlaufenden Flusstyp mit Uferwall.
2 gang kann durch Teilgrabungen künstlich unterstützt werden Die Lage des Flussbettes ist bei uferwallbegrenzten, zur Fluss-
(Rheinkorrektur durch Thulla) oder direkt durch vollständiges gabelung neigenden Flüssen nur scheinbar stabil. Die Neigung
Neugestalten des Flussbettes künstlich herbeigeführt werden. zur Flussbettverlagerung birgt Gefahren der Fehleinschätzung.
3 Eine solche Flusskorrektur hat nur dann Bestand, wenn der das Es besteht die Gefahr eines plötzlichen seitlichen Dammbruches
Mäandrieren bewirkende Wasserstau abgebaut wird und wenn mit weiträumiger Überschwemmung! Hierzu zählen die Über-
4 Erosionsschäden an den Uferbauwerken sofort und regelmäßig schwemmungskatastrophen mit Laufveränderung am Hwangho
behoben werden. In begradigten Flüssen fließt das Wasser ganz- in historischer Zeit. Bei derartigen Hochwassern sollen am Jankt-
5 jährig bei etwa gleichen Wasserständen auf kurzem Weg. Durch sekiang 1931 über 1 Mio., in Nordchina 1959 über 2 Mio. Men-
permanenten Gegendruck der Wassersäule sind relativ steile schen ertrunken sein.
Uferböschungen mit Böschungsneigungen zwischen 1:2 und 1:8
6 bei Sand und Sand-Kies-Gemischen möglich. zz Deltas
Im Mündungsbereich von Flüssen an Binnenseen oder am Meer
7 zz Uferwallbegrenzte und eingedeichte Flüsse stößt das fließende Wasser auf stehendes Wasser. Die Strömungs-
In durchflossenen Senken sowie im Unterlauf wird die Fließ- geschwindigkeit des Flusswassers wird abgebremst. Deltas entste-
geschwindigkeit großer Flüsse bei sehr geringem Gefälle von hen an Flussmündungen in Seen und am Meer als sich see- bzw.
8 der Schubkraft der Wassermassen bestimmt. Der Flusslauf ist meerwärts vorbauende und nach oben aufbauende Sedimentkör-
weitgehend gerade oder verläuft in langgezogenen Biegungen. per, in welchen sich der Fluss mehrfach aufgabelt.
9 Der Flussquerschnitt ist breit und von langgestreckten Inseln In Bergseen können Deltaablagerungen zu großen Teilen aus
unterbrochen. Der dem Wasserfluss entgegenwirkende Wider- mitgeführten Geschieben bestehen. Diese werden vor der Fluss-
10 stand ist gering. Der Fluss baut sein Bett und die umgebende mündung Lage um Lage in den See vorgebaut.
Landschaft nach oben auf. Natürliche Uferwälle und künstliche Schwebstoffe bleiben in Süßwasserseen zunächst in der
Hochwasserschutzdämme (Deiche, . Abb. 14.8c) bilden die Ufer Schwebe und lagern sich am Seeboden in ebenen Bodenschich-
11 und begrenzen das Flussbett gegen die Überschwemmungsaue. ten ab.
Der natürliche Uferwall wird bis zum Niveau des höchsten Hoch- Große Ströme transportieren in ihrem Delta an der Meeres-
12 wassers aufgehöht. Dies bewirkt, dass bei kleineren Hochwasser- küste nur noch wenig Sand und Geschiebe. Sand wird im Bereich
ständen die Sedimentfracht im Flussbett verbleibt. Dadurch kann der Flussrinnen abgelagert. Der vom Fluss bis vor die Flussmün-
in Wechselwirkung die Flusssohle mit Sand und der Uferwall mit dung transportierte Sand wird von küstenparallelen Strömungen
13 Feinsand und Grobschluff erhöht werden. Die Krone derartiger erfasst und küstenparallel verfrachtet.
Uferwälle ist am ehesten hochwassersicher und kann als Bau- Die vom Flusswasser transportierten Schwebstoffe werden
14 grund für Siedlungs- und Verkehrsbauten genutzt werden. Das bei Hochwasser auf dem Delta in den Senken zwischen den
Gelände dacht vom Uferwall am Fluss zu den weiter entfernt lie- Hauptflussrinnen als Schwemmlehm abgelagert. Das Flusswasser
15 genden Teilen der Talaue ab. Oft liegt der Wasserspiegel im Fluss kleinerer Flüsse oder Mündungsarme wird im Mündungsbereich
über der Talaue. In flussfernen Niederungen der Talaue steht das mit Meerwasser durchmischt. Mitgeführte Schwebstoffe (Schluff,
Grundwasser an der Oberfläche und bildet weite Sumpfgebiete. Ton) koagulieren, flocken aus und bilden kohäsive Schlickschich-
16 Es reagiert mit Verzögerung auf Wasserstandsänderungen im ten. Bei großen Flüssen können die anströmenden Süßwasser-
Fluss. Bei Überschwemmungen wird auf dem Uferwall Fein- massen das Salzwasser überschichten. Das Vermischen mit
17 sand und Grobschluff, in der Überschwemmungsaue Feinschweb Meerwasser und das Ausflocken der Schwebstoffe kann dann
(Ton, Fein- und Mittelschluff) abgelagert. im Abstand von mehreren Kilometern vor der Küste erfolgen.
Deltas sind Gebiete mit großer Sedimentanhäufung, welche
18 zz Flussgabelung von uferwallbegrenzten Flüssen besonders im Flachwasser zu einem raschen Landzuwachs und
Natürliche Uferwälle sind nicht gleichmäßig hoch und können Deltavorbau in der Größenordnung von mehreren Zehnern bis
19 bei extremem Hochwasser an gefährdeten Stellen überflutet Hunderten von Metern pro Jahr führen kann. Die Aufhöhung der
und erodiert oder aufgeweicht und abgeschwemmt werden. Es Deltaebenen beträgt langfristig etwa 1 mm pro Jahr. Wechselnde
20 kommt zur Flussgabelung oder Bifurkation. Das Wasser sucht Wasserführung und Sturmfluten gefährden den Siedlungsraum
den Weg in den uferfernen Talbodensumpf und bildet dort Delta. Frisch entstandene Anlandungen sind zunächst nur bei
am Rande des Tales einen zum Hauptfluss parallelen Wasser- Niedrigwasser landfest und müssen durch weitere Schwebstoffse-
21 lauf. Aus mitgeführter Schwebfracht können längs des neuen dimentation erhöht werden. Frisch abgelagerte Schwebstoffe
Flussabschnittes neue Uferwälle entstehen. Die Flusslandschaft können durch Mangroven festgehalten werden. Durch gezieltes
22 besteht dann aus zwei von natürlichen Uferwällen begrenzten Bepflanzen kann der Landgewinn beschleunigt werden.
Flussarmen mit zwischengelegenem Talbodensumpf. Flussga- Der Fluss schüttet auch im Delta bei Hochwasser Uferwälle
belung führt zu breiten Flussauen mit meist zwei, seltener drei auf. Der Flusswasserspiegel liegt häufig über dem Niveau des
23 und mehr Flussarmen. Deltas. Gelegentlicher Dammdurchbruch führt zu seitlicher
In Senkungsgebieten können Flüsse sich in eine größere Zahl Hochwasserüberflutung von Flussdamm und anschließender
von Flussarmen aufgabeln (z. B. Spreewald, Donau in der Klei- Deltaniederung. Durch Flussverzweigung kann der Fluss oder
2.8 • Wasser und Wind – Erosion, Denudation, Transport und Anlanden von Boden
211 2
Strom im Delta mehrfach aufgabeln. Neu entstehende und sich und von der Form des Einzugsgebietes abhängig und für jedes
verlagernde Flussarme können Land erodieren und Siedlungsflä- Priel anders. Bei Vergrößerung des überfluteten Wattgebietes
chen vernichten. Erst nach Stabilisierung eines neu entstandenen vergrößert sich der zugehörige Priel entsprechend. Von Prie-
Wasserlaufes können sich Uferwälle bilden, welche am ehesten len geht Tiefenerosion, rückschreitende Erosion und Wattab-
hochwassersicheren Baugrund abgeben. trag aus, und sie gefährden den Bestand von Wattflächen und
Längs der Küstenlinie kann Sand verdriftet werden, wo- Küstenschutzbauwerken. Das weitere Vertiefen von Prielen und
durch sich langgezogene Ausgleichsküsten mit Sandstrand vor die fortschreitende Erosion durch deren Nebenrinnen kann ver-
dem Delta bilden. Aus dem Strandsand ausgewehte Sandmassen ringert werden, wenn der zum Priel gehörende Flutraum durch
können als aufgewehte Dünengürtel einen natürlichen Schutz vor Eindeichen verkleinert und durch Wattsicherungsdämme be-
Hochwasser und Sturmflut bieten. grenzt wird.
Alle Deltas an den Meeresküsten sind geologisch jung. Ihre Mit der Flut wird Schlick über die Priele in das Watt einge-
heutigen Formen entstanden im Zuge des postglazialen Mee- tragen. Bei Hochwasser und kenternder Flut setzt sich ein Teil
resspiegelanstieges während der letzten 10.000 bis 12.000 Jahre, der Schwebfracht auf der Wattfläche ab und erhöht diese. Künst-
und sie werden bei anhaltendem Meeresspiegelanstieg weiter lich kann die Erhöhung der Wattflächen durch Lahnungen ver-
wachsen. stärkt oder bewirkt werden. Lahnungen sind Zäune aus Pfählen
und Buschwerk, die im Watt angelegt werden, um das Feinkorn
festzuhalten. Zur Be- und Entwässerung werden flache Gräben
2.8.5 Fließwege und Strömungen (Grüppen) ausgehoben, und der Aushub wird auf den Beeten
im Küstenbereich – Art der Ablagerungen zwischen den Grüppen abgesetzt. Je nach Höhenlage des Watts
dauert die Vorlandgewinnung 20–40 Jahre. Zur Deichsicherung
zz Ästuare gilt ein 400 m tiefes Vorland als ausreichend. Das Vorland wird
Flussmündungen, die von Ebbe und Flut beeinflusst werden, begrünt und als Salzwiese angelegt.
heißen Ästuare. Allgemein handelt es sich um Trichtermün- Die Nutzung und Verstärkung der natürlichen Anlandung
dungen oder Buchten. Durch die in den Trichter einlaufende im Wattenmeer bietet die Möglichkeit für flächenhaften Küsten-
Flutwelle wird das ablaufende Süßwasser aufgestaut und dem schutz im Vorland.
Fluss werden periodische Wasserstandsänderungen aufgezwun-
gen. Süß- und Salzwasser können im Ästuar nebeneinander zz Küstenparallele Brandungsströmung
oder übereinander vorkommen. Es ist möglich, dass Süßwas- Die von See auf die Küste zulaufenden Wellenberge überkippen
ser durch einen Meerwasserkeil unterschichtet wird, der sich beim Einlaufen in seichteres Wasser. Überkippende Wellen wer-
bei Flut landeinwärts und bei Ebbe meerwärts verschiebt. Der den als Brecher bezeichnet. Wasser und Meeresboden werden
Ebbstrom wird durch das abfließende Flusswasser verstärkt. In aufgewühlt. Kleinere Wellen laufen in der Schwallzone auf den
breiten Ästuaren können mehrere Tiefenrinnen existieren, über Strand auf und bewegen Sand. Diese Vorgänge werden unter dem
die der Flutstrom einströmt oder der Ebbstrom abströmt, wobei Begriff „Brandung“ zusammengefasst. Die Brandungsströmung
der Hauptstrom von Ebbe und Flut häufig auf verschiedenen ist die küstenparallele Komponente der Brandung. Sie hat je nach
Bahnen erfolgt. Von diesen Tiefenrinnen kann Seitenerosion Lage der Küste und überwiegender Windrichtung eine unter-
ausgehen, wodurch der Mündungstrichter verbreitert wird. schiedliche Richtung. Brandung und Brandungsstrom erodieren
Zwischen den Tiefenrinnen befinden sich Sandbänke und Un- ständig an Steilküsten und am Unterwasserstrand. Der von der
tiefen mit Schlickablagerungen. Strömung aufgenommene Sand wird küstenparallel verfrach-
Suspensionen werden sowohl mit der Flut vom Meer wie tet und in einem oder mehreren Sandriffen (Kiesriffe, Barren)
auch vom Fluss in das Ästuar eingetragen. Zeitweiser Aufstau parallel vor der Küste oder unmittelbar am Strand abgelagert.
und Koagulation der Schwebstoffe können im Ästuar zu erheb- Sturmfluten sind mit hohen Erosionsraten am Kliff und starkem
lichen Anlandungen führen (z. B. Elbmündung!). Kleinere Flüsse Sandverlust an Stränden verbunden. Bei ausgeglichenem Seegang
können unter dem Einfluss der Gezeiten Mündungsmäander bilden sich die natürlichen Strände zurück.
oder Ästuarmäander ausbilden, wobei der Fluss- bzw. Mün- Durch die Brandungsströmung formt sich eine Ausgleichs-
dungsquerschnitt seewärts stark zunimmt. Der das Mäandrieren küste. Durch den Wechsel von Erosion am Kliff vorspringender
bedingende Wasserstau lässt auch große Sedimentmassen, vor- Landmassen und geradliniger Anlandung von Stränden wird die
wiegend Schlick, zur Ablagerung kommen. Mündungsmäander ursprünglich buchtenreiche Küstenlinie begradigt.
finden sich auch in den kleineren Mündungsarmen im Delta. Von einem Vorsprung der Küstenlinie aus können Sand und
Schill (Schalentrümmer von Muscheln und Schnecken) in Form
zz Priele eines langgestreckten Akkumulationskörpers, einer Nehrung, ab-
Im Rhythmus von Ebbe und Flut werden Wattflächen überflutet gelagert werden. Die Breite einer Nehrung oder Nehrungsinsel
und fallen wieder trocken. Große Teile des Tidewassers verlau- wird durch den Seegang bestimmt. Brandungswellen bewirken
fen als Flut- und Ebbstrom über Priele. Priele sind flussähnliche, bei starkem Seegang am Ende der Nehrung ein Umbiegen der
verästelte Fließrinnen, die seewärts rasch an Breite und Tiefe Strandversetzung und die Ausbildung eines Hakens. Bei ruhiger
zunehmen. Die täglich zweimal hin- und herfließende Tidewas- See setzt sich das geradlinige Wachstum der Nehrung oder Insel
sermenge entspricht an jeder Stelle dem Prielquerschnitt. Die fort. Buchten werden an gezeitenfreien und gezeitenschwachen
Konstante ist dabei vom geologischen Aufbau der Wattfläche Küsten durch Nehrungen abgeschnitten. Die Bucht wird zum
212 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Haff bzw. zur Lagune. Zuflussfreie oder zuflussarme abgeschnit- brochen. Staub kann in der Luft über weite Strecken transportiert
1 tene Buchten werden zu Strandseen. Im Haff bzw. in der Lagune werden. Flüsse, Seen und Meere sind kein Hindernis. Vom Wind
kommt es zur Ablagerung der vom Fluss mitgeführten Schweb- transportierter Sand und Staub kann entgegen der Schwerkraft
2 stoffe. Vom Meer aus können Seegang, Sturmflut und stärkerer bergauf verfrachtet und abgelagert werden.
Tidenhub in die Lagune eindringen, und es kommt zur Ablage-
rung von Sand aus dem Meer. Zusätzlich können Lagunen durch zz Staub
3 Sandeinwehungen verlanden. Staub ist kohäsionsfreies Material im Korngrößenbereich Schluff.
Unter Einwirkung von Ebbe und Flut bilden sich bei kleinem Staub entsteht vorrangig in den vegetationsfreien Trockenge-
4 Tidenhub langgestreckte küstenparallele Inseln (Nehrungsinseln, bieten der Erde. Dies sind Hitzewüsten, Kältewüsten und Ge-
Düneninseln; z. B. Sylt oder der Lido von Venedig). Bei mittlerem birgswüsten. Durch den starken Temperaturwechsel zerfallen
5 Tidenhub bilden sich kürzere Inseln (Ostfriesische Inseln) und spaltfähige Kristalle bis zur Schluffgröße und werden von Wind
bei großem Tidenhub Sandbänke, die senkrecht zur Küste und erfasst. In trockenen Windströmungen kann Staub sehr weit
parallel zum Gezeitenstrom verlaufen. Die Fließrinnen (Tiefs, transportiert werden. Ausfall von Saharastaub wird in Mitteleu-
6 Gatts) zwischen den der Küste vorgelagerten Inseln sind wegen ropa mehrfach beobachtet. In humiden Gebieten wird die Luft
großer Tidewassermengen besonders tief. Durch Gattströmung durch Regen oder Schnee vom Staub gereinigt. Aus trockener
7 werden die West- und Ostfriesischen Inseln an der Westseite ero- Luft kann Feinstaub nur bei Windstille oder bei nur sehr schwa-
diert. Küstenparallele Strömungen landen an der Ostseite dieser chen Luftbewegungen ausfallen. In dicht besiedelten Gebieten
Inseln Sand an. und Industriegebieten ist Staub meist künstlicher Herkunft.
8 Staub wird von Industrieanlagen und Befeuerungsanlagen über
Schornsteine emittiert oder durch Verkehr und Arbeitsprozesse
9 2.8.6 Art der von unterirdischem Wasser aufgewirbelt. Bei Vulkanausbrüchen kann Staub in großen Mas-
transportierten und abgelagerten sen freigesetzt und vom Wind über weite Strecken transportiert
Feststoffe
10 werden. Millimeterdicke Staubablagerungen können noch in
großer Entfernung vom Ausbruchsort beobachtet werden. Bei
Als Fließwege des unterirdischen Wassers dienen Poren, of- vegetationsfreien Ackerflächen und Baugelände kann Staub und
11 fene Spalten und Höhlen. In Spalten und Höhlen kann unter- Feinsand vom Wind aufgenommen und auf umliegendes Ge-
irdisch von Bächen Geschiebe und Schwebstoff transportiert lände verweht werden.
12 und abgelagert werden. Das Geschiebe stammt meist aus dem Bedeutung hat Staub wegen der damit verbundenen Belästi-
Nachbruch von Höhlendecke und Höhlenwand. Daneben ist gung und wegen möglicher Gefahren als Schadstoff. Von Staub-
ein Eintrag mit dem Oberflächenwasser über Bachschwinden befall ausgehende Schadwirkungen betreffen Menschen, Tiere,
13 (Schlucklöcher, Ponore) möglich. Geschiebe kann in gleicher Pflanzen, Bauwerke und Maschinen sowie viele Gegenstände des
Weise wie an der Erdoberfläche in Form von Kiesbänken ab- täglichen Bedarfs.
14 gelagert werden. Bei vielen Baumaßnahmen werden dem Betreiber Maßnah-
Schwebstoff kann unterirdisch als Residualton (Rückstands- men zum Staubvermeiden (z. B. regelmäßiges Besprühen mit
15 ton) beim Auflösen von Kalksteinen und Gipssteinen freigesetzt Wasser) auferlegt.
werden oder unterirdischen Verwitterungsprodukten (Lehm) In extremen Situationen können von großen Staubansamm-
entstammen. Über Ponore, offene Spalten und Grobporen kann lungen Gefahren ausgehen. So können z. B. Dächer bei Vulkan-
16 Schwebstoff von der Oberfläche eingetragen werden. Das im ausbrüchen unter der Staublast zusammenbrechen. Von in Steil-
Untergrund vom Wasser transportierte Feinkorn lagert sich bei lagen abgelagerten Staubmassen können Staublawinen ausgehen.
17 Wasserstau ab. Hohlräume können aufgefüllt und verstopft wer- In den 1930er-Dürrejahren und besonders zwischen 1935
den. und 1938 führte Deflation in den Greatplains der USA und Kana-
das zu Deflation und Staubstürmen (Dust Bowl). Betroffen waren
18 zz Kolmation die unter Pflug genommenen Präriegebiete, Schwarzerdegebiete
Als „Kolmation“ bezeichnet man das Zuschlämmen von Ge- auf Löss und Schwemmlöss. Im Kernland amerikanischer Ag-
19 steinsporen und Spalten mit Feinkorn und die damit verbun- rarproduktion (Weizen, Mais, Soja) wurde das Ackerland weit-
dene Erniedrigung der Durchlässigkeit im Untergrund. Dieser flächig vernichtet. Bei Trockenwetter im Frühjahr wurde vom
20 Vorgang ist beim Zuschlämmen von Versickerungsanlagen von frisch eingesäten noch vegetationsfreien Ackerland der fein-
Bedeutung. Künstliche Kolmation findet bei Injektionsverfahren körnige Boden abgetragen. Etwa 2,5 Mio. Menschen haben die
Anwendung. betroffenen Regionen verlassen. Die regionalklimatische katast-
21 rophale Situation schwächte sich in den 1940er-Jahren ab, bevor
beschlossene Maßnahmen (Gustafson 1937) greifen konnten. In
22 2.8.7 Art der von Wind transportierten gleicher Weise durch Deflation und Staubstürme gefährdet sind
und abgelagerten Feststoffe derzeit weite Gebiete in Brasilien, Indien, China und Australien.
23 Vom Wind können Staub- und Sandpartikel transportiert wer- zz Sand (Treibsand)
den. Sand wird vom Wind als Flugsand und als Springkorn ver- Korngrößen zwischen 0,06 und 1 mm können bei fehlender Ve-
frachtet. Der äolische Sandtransport wird an Flussläufen unter- getation vom Wind verfrachtet werden. Mittel- und grobkörni-
2.9 • Ansteigen und Absinken von Wasserständen
213 2
ger Dünensand ist rundkörnig. Dünensandablagerungen haben gengesetzte Windsysteme sind die Voraussetzung für das Entste-
hohe Porosität, große Wasserdurchlässigkeit und geringes Was- hen großer ortsfester Dünengebiete. Hierfür typische Sterndünen
serbindevermögen. Selbst in vegetationsfreundlichen Gebieten können 300–400 m hoch werden. Dünensand kann in solchen
bleiben frisch angewehte Dünen lange nackt und sind lange wei- Sandgebieten mehrere hunderttausend Quadratkilometer bede-
terer Umlagerung ausgesetzt. cken und zwischen 10 und 30 % der Wüstenfläche einnehmen.
In Dünen angewehter Sand kann je nach Anlagerungsbedin- Innerhalb und am Rande solcher großräumig stabilen Dünenfel-
gung an der Oberfläche locker bis sehr dicht gelagert sein. Dicht der ist jedoch der Sand gleichfalls sehr mobil. Sandverwehungen
gelagerter Dünensand kann befahren werden. In locker gelager- sind eine permanente Gefahr für Siedlungsräume und Verkehrs-
tem Sand sinkt man tief ein. Der Übergang von dicht gelagertem, wege.
befahrbarem Sand zu locker gelagertem Sand kann im Abstand
weniger Meter liegen. zz Längsdünen
Grob- und Mittelsand wird nur am Boden oder in geringer Längsdünen oder Strichdünen treten in verschiedenen Wüsten
Höhe über dem Boden bewegt (Treibsand). Feinsand kann bei der Erde auf. Sie können mehrere Kilometer bis Zehnerkilometer
Sandstürmen für mehrere Minuten hoch aufgewirbelt werden lang und mehrere hundert Meter breit sein. Die Höhen liegen
(Flugsand). Vom Sandtreiben ausgehende Schadwirkungen be- bei 30–50 m, und in einigen Fällen darüber. Längsdünen liegen
treffen neben der Erosion an Bauwerken direkt Menschen, Tiere, weitgehend fest, wenngleich der sie aufbauende Sand an der
Pflanzen und Maschinen. Oberfläche beweglich ist.
Vom Wind erfasster Sand kann als sehr beweglicher Treibsand
weit verfrachtet werden. Als Springkorn bewegen sich die Sand- zz Küstendünen
körner dicht (bis 0,5 m) über dem Boden. Im Flug erreichen sie Vegetationsfreie Sandflächen neigen in humiden Gebieten schon
hohe Geschwindigkeit. Sandtreiben mit hoher Geschwindigkeit bei schwachem Abtrocknen zu Sandabtrag und Verwehung.
wird an der Oberfläche sandarmer Kieswüsten beobachtet. Sandverwehungen finden weltweit am Meeresstrand statt. Strand-
Der über den Boden als Springkorn getriebene Sand kann sich sande sind wegen des Salzgehaltes und landeinwärts auch wegen
dem Untergrund eben auflagern, an Hindernissen aufstauen und des regelmäßigen Betretens vegetationsfrei. Der Wind kann hier
Dünen als Akkumulationsformen bilden. Dünen binden den Sand Sand aufnehmen und zu Küstendünen anhäufen. Landeinwärts
und minimieren den Sandtransport, ohne ihn ganz zu unterbinden. wird der Sand durch Vegetation stabilisiert. Strandhafer kann
in geschützten Gebieten schon in geringer Entfernung von der
zz Sandebenen, Sandtennen Küste gedeihen und die Vordüne festigen.
Eine häufige, aber wenig beachtete Form von Sandablagerung
durch Wind sind Sandebenen oder Sandtennen. Auf kleinsten zz Vermeiden von Anwehungen
Flächen bis zu Gebieten mit einigen tausend Quadratkilometern Zum Vermeiden von Sandanwehungen können Sandwächten
Ausdehnung lagert sich der Sand flach dem trockenem Unter- mit dem Ziel aufgestellt werden, den Sand entfernt von einer zu
grund auf. Unregelmäßigkeiten im Untergrund werden eben schützenden Stelle zu akkumulieren. Gegen Sandabtrag wurde
ausgeglichen. Diese Erscheinung kann auch im humiden Klima, mehrfach versucht, die Sandkörner an der dem Wind ausgesetz-
z. B. bei Sandverwehungen im Bereich von Baustellen, beobach- ten Oberfläche mit Wasser, Öl und anderen Chemikalien zu bin-
tet werden. Der Sand ist locker gelagert und kann nur mit hoher den oder mit Beton, Asphalt oder anderen Stoffen abzudecken.
Geschwindigkeit befahren werden.
-
1 mungen kann das Wasser und die mitgeführte Schwebfracht gen;
durch angepasste Landwirtschaft genutzt werden. Enge Tallagen, Deklinationsungleichheit mit einer Periode von 13,66 Ta-
2
3
Schwemmkegel und auch Hanglagen können durch strömendes
Wasser gefährdet werden. Bei wechselnden Grundwasserständen
können Wasserfassungen trockenfallen oder verunreinigt wer-
den. Bauwerke können bei nicht ausreichender Anpassung an
- gen;
tägliche Ungleichheit mit einer Periode von 27,32 Tagen.
2 Schwach bewegte See Kämme beginnen sich zu brechen, vereinzelte Schaumköpfe Bis 25 m Bis 1 m 2–3
4 Mäßig bewegte See Mäßige Wellen und überall weiße Schaumkämme Bis 75 m Bis 4 m 5
5 Grober Seegang Große Wellen, deren Kämme sich brechen Bis 100 m Bis 6 m 6
6 Sehr grober Seegang Wellen türmen sich, Schaum bildet Streifen in Windrichtung Bis 135 m Bis 7 m 7
7 Hoher Seegang Hohe Wellenberge mit dichten Schaumstreifen, See beginnt Bis 200 m Bis 10 m 8–9
zu „rollen“
8 Sehr hoher Seegang Sehr hohe Wellenberge, lange überbrechende Kämme, starke Bis 250 m Bis 12 m 10
Gischt
9 Schwerer Seegang Schaum und Gischt erfüllen die Luft, See weiß, keine Fernsicht Über 250 m Über 12 m Über 10
gelösten Welle (Tsunami) ist von der Tiefe des Meeres und der das Jahr 1000 hohe Wasserstände geherrscht. Danach waren die
1 Erdbeschleunigung abhängig. Bei einer mittleren Ozeantiefe von Wasserstände über 500 Jahre gefallen. Seit dem 16. Jahrhundert
etwa 4000 m berechnet sie sich zu 720 km h−1. Hieraus können steigt das mittlere Tidehochwasser mit einer Geschwindigkeit
2 Vorwarnzeiten für das Eintreffen und/oder das wiederholte Ein- von 22–30 cm in 100 Jahren bzw. 2,2–3 mm a−1. Weltweit liegt
treffen der Welle ermittelt werden. der mittlere Meeresspiegelanstieg bei 2 mm a−1. Er ist nicht über-
all gleich, sondern kann gebietsweise durch tektonische Vorgänge
3 zz Riesenwellen (Monsterwellen, Freakwaves) überprägt sein.
Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts sind Riesenwellen
4 als reale Erscheinungen des Seeganges anerkannt. Satellitenbe-
obachtungen von der Meeresoberfläche, Fotodokumentationen 2.9.2 Schwankungen bei Seewasserständen
5 vom Aufschlagen sehr hoher Brecherwellen auf die Aufbauten
großer Schiffe sowie auf die einer Bohrinsel in 20 bis 30 m Höhe Seen gibt es in allen Klima- und Landschaftsgürteln der Erde.
und eine von einem Forschungsschiff aus eingemessenen 29,1 m Besonders zahlreich sind sie in glazial geformten Teilen der Erde.
6 hohe Welle sind Beweise für deren gelegentliches Entstehen. Es Während Endseen in den Trockengebieten der Erde im Laufe
handelt sich um räumlich begrenzte Einzelereignisse. Zu den langer erdgeschichtlicher Perioden entstanden sind, sind die
7 Riesenwellen gezählt werden Wellen, die die Höhe der höchsten meisten Süßwasserseen geologisch jung und schnell vergänglich.
üblichen Wellen um mehr als das Doppelte überschreiten. Un- Auf allen Seen können sich bei Wind und Sturm Wellen bilden.
8
--
terschieden werden 3 Arten von Riesenwellen:
Kaventsmänner“ sind sehr hohe Einzelwellen;
Drei Schwestern“ („three sisters“) sind drei kurz aufeinan-
Besonders bei langgestreckten Seen kann durch Windstau oder
Seiches eine Erhöhung des Wasserspiegels eintreten. Plötzliche
hohe Wellen sind bei Erdbeben und bei Massenverdrängung
9
10 - der folgende Riesenwellen;
Weiße Wände“ sind steile, fast senkrechte Wellen, die eine
Breite von mehreren km einnehmen.
möglich. Natürliche und künstliche Stauseen können sich kata-
strophenartig entleeren.
zz Süßwasserseen
Das Entstehen von Riesenwellen ist noch weitgehend ungeklärt Der Wasserhaushalt von natürlichen Seen wird durch die Zu-
11 und ist Gegenstand laufender Forschungsarbeiten. Vermutet wird und Abflussmenge sowie durch Versickerung und Verdunstung
ein sich Überlagern von Einzelwellen. Ziel der Forschung ist eine bestimmt. Die direkt auf den See fallenden Niederschläge wirken
12 Seegangsvorhersage, welche auch die Gefahr von Riesenwellen sich in nur geringem Maße aus. Der Zufluss der meisten Seen
umfasst. Wellenforscher gehen davon aus, dass etwa 10 Schiffs- erfolgt oberirdisch durch Fließgewässer. Wassermenge und Was-
unglücke pro Jahr ihre Ursache bei Riesenwellen haben. (Peter O. serspiegelschwankungen im See werden durch die Zuflüsse mit
13 Walter ▶ http://www.esys.org/rev_ info/ monsterwellen.html). ihren Schwankungen in der Wasserführung bestimmt. In humi-
den Gebieten erfolgt der Abfluss von Seen meist oberirdisch. Bei
14 zz Säkulare Meeresspiegelschwankungen einigen Seen besteht nur unterirdischer Abfluss über das Grund-
Durch tektonische Bewegungen, untermeerischen Vulkanis- wasser. Dieser Abfluss reicht aus, um den Süßwassercharakter des
15 mus, Sedimentanhäufung und durch Änderungen im Wasser- Sees zu garantieren.
Eis-Haushalt der Erde ergeben sich Wassermassenverlagerungen Seen sind im erdgeschichtlichen Vergleich meist junge Bildun-
und Meeresspiegelschwankungen. Transgression oder positive gen. Zu unterscheiden sind natürliche und künstliche Hohlfor-
16 Strandverschiebung bedeutet Landverlust an abtauchenden Küs- men, die unter den Grundwasserspiegel reichen, und Stauseen,
tenlinien. Regression oder negative Strandverschiebung bedeutet in denen das Wasser oberhalb des ursprünglichen Grundwas-
17 Landgewinn an sich heraushebenden Küstenlinien. In der zu- serspiegels aufgestaut ist. Hohlformen, die unter den Grund-
rückliegenden, durch den Wechsel von Eis- und Warmzeiten ge- wasserspiegel reichen, entstehen durch tektonische Bewegungen
prägten Erdperiode hat der Meeresspiegel Schwankungen in der (Grabenbildung), Vulkanismus (Kraterseen), Erosion (besonders
18 Größenordnung 130–150 m erfahren. Tiefstände auf dem Hö- glaziale Erosion), schmelzendes Toteis, Subrosion und als künst-
hepunkt der letzten Eiszeit werden mit −120 bis −135 m ü. NN liche Formen durch den Aushub von Gruben, durch Bergbau und
19 angegeben. Hochstände aus der letzten Zwischeneiszeit sollen durch Senkung über künstlich angelegten oder verursachten Hohl-
z. B. in England bei +20 m gelegen haben (Streif 2001). Aus räumen im Untergrund. Die durch Aufstau entstandenen Seen
20 dem globalen Wasser- und Eisbestand errechnet sich für das können tektonisch, glazialgenetisch, rutschungsgenetisch oder
Abschmelzen aller Eismassen ein möglicher Wasseranstieg der chemisch durch Ausbildung von Sinterterrassen verursacht sein.
Weltmeere um etwa 77 m. Für den nacheiszeitlichen Meeres- Bei durch tektonisches Heben verursachter Stauwirkung kann es
21 spiegelanstieg ergeben sich für den Zeitraum seit 17.500 Jah- in Tälern sogar zur Umkehr der Fließrichtung kommen. Ein Teil
ren bis heute gemittelte Anstiegsraten von 7,5 mm a−1. Dieser der finnischen Seen ist so entstanden. Bei anhaltender Hebung
22 Anstieg war jedoch nicht gleichmäßig, sondern kannte Zeitab- werden sich Größe und Wasserstand dieser Seen verändern.
schnitte mit katastrophal hohen Anstiegsraten („catastrophic Bergsturzmassen können im Hochgebirge Täler versperren
rise events“, CRE) von maximal 40–70 mm a−1. In den letzten und natürliche Stauseen entstehen lassen. Keller (1962) nennt aus
23 5500 bis 6000 Jahren hat sich der Meeresspiegelanstieg verlang- dem Pamir den 1911 durch Bergsturz entstandenen Saresee mit
samt und scheint zeitweise zum Stillstand gekommen zu sein. 61 km Länge und 505 m Tiefe. Die meisten natürlichen Stauseen
An der Nordseeküste (Führböter 1986; Streif 2001) haben um sind glazialen Ursprungs. An rezenten Gletschern kann gefahrvol-
2.9 • Ansteigen und Absinken von Wasserständen
217 2
ler Aufstau von Wassermassen hinter Gletschereis oder jung aufge- Der Wasserstand künstlicher Seen (Baggerseen) in durch
schobenem Moränenmaterial mit Toteisblöcken bewirkt werden. Bodenentnahme entstandenen Hohlformen wie Steinbrüchen,
In Karstgebieten können sich durch Ausfällen von Calcium- Kies- und Sandgruben kann mit dem Grundwasser schwanken.
carbonat als Kalksinter im Fluss- oder Wasserlauf Sinterbarrieren Künstliche Seen in Ton- und Lehmgruben können bei Regen
bilden, hinter denen sich das Wasser zum See aufstaut. Tagwasserzuflüsse über das Grundwasserniveau aufstauen und
einen beträchtlichen Wechsel im Wasserstand bis zum Überlau-
zz Karstseen fen bewirken.
Periodische Karstseen können sich durch oberirdischen oder
durch unterirdischen Wasserzulauf bilden. Bei oberirdischem zz Wasseranstieg in Senkungsgebieten
Wasserzulauf können die Ponore die zulaufenden Wassermassen In natürlich oder künstlich verursachten Senkungsgebieten kann
nicht schlucken, sodass sich das Wasser vorübergehend in der die Erdoberfläche infolge tektonischer Verformung, Auslaugung
Oberflächenhohlform staut. Bei Zulauf von unten staut sich das im Untergrund (Subrosion), Einbrechen von Hohlräumen und
Wasser im Karstsee meist erst einige Zeit nach den Regenfällen Sackung im Boden unter das Niveau des Grundwasserspiegels
auf. Solche Seen stehen in Verbindung mit einem weitverzweig- absinken. Bei Wasserentnahme in vertorften Talauen kann die
ten Höhlensystem, in welchem erst im Zuge der Auffüllung Bar- Absenkung des Grundwasserspiegels zu Senkungen an der Ober-
rieren überstaut werden und somit der Zufluss zur Hohlform fläche führen. Bei Starkregen kann sich das Wasser in solchen
an der Oberfläche und der Aufstau zum See ermöglicht wird. Senken stauen.
Bei sinkendem Karstwasserstand kann die vorher als Zulauf Die Landoberfläche auf jung abgelagerten Deltasedimenten
dienende Höhlenröhre die Funktion eines Ponors übernehmen. kann sich wegen Kompaktion im Untergrund um mehrere Zen-
timeter pro Jahr absenken. Für Sandablagerungen im Bereich
zz Abflusslose Endseen der Hauptabflussrinnen ergeben sich kleinere Sackungsbeträge.
Der Wasserhaushalt abflussloser Endseen in den semiariden Ge- Große Absackungsbeträge (1–10 cm pro Jahr) werden in Deltas
bieten der Erde wird durch Zuflüsse während der Regenzeit und in den mit Schluff, Ton und Torf gefüllten Senken zwischen den
Verdunstung während der Trockenzeit geregelt. Abflusslose End- einzelnen Hauptflussrinnen beobachtet. Solche Senken können
seen sind Salzseen. Der Wasserinhalt flacher Endseen entspricht von Seen oder Sümpfen eingenommen werden.
oft nur dem Zufluss weniger Jahre. Am Urmia-See (Nordiran)
scheidet sich alljährlich im Sommer eine bis 50 cm starke Ha-
litkruste aus, die sich mit dem Ansteigen des Seespiegels wäh- 2.9.3 Schwankungen bei Flusswasserständen
rend der winterlichen Niederschlagsperiode wieder auflöst. Am
Aralsee wurden und werden sinkende Wasserstände als Folge Natürliche Flusswasserstände [m] werden vorrangig über die
technischer Eingriffe in den Wasserhaushalt der Zuflüsse Syr- Abflussmenge Q [m3 s−1] gesteuert. Der Abfluss A wird durch
darja und Amudarja beobachtet. Der Seewasserspiegel ist um fast die flächenbezogenen Größen Niederschlag N, Verdunstung V,
20 m gesunken, seine Oberfläche hat sich auf etwa 33 % seiner Rückhalt R und Brauch bzw. Aufbrauch B im Einzugsgebiet be-
ursprünglichen Ausdehnung verringert, der Salzgehalt ist von
ursprünglich 10 g l−1 auf über 35 g l−1 angestiegen. Natürliche
Wasserspiegelschwankungen werden am Großen Salzsee in Utah
seit etwa 150 Jahren beobachtet. Der höchste Wasserstand (1873)
-
stimmt. Es gilt
für lange Zeiträume und große Einzugsgebiete:
-
A = N −VI
liegt etwa 6 m über dem niedrigsten Wasserstand (1963).
für kurze Zeiträume und kleinere Einzugsgebiete:
zz Künstliche Seen
Der Wechsel im Wasserstand künstlicher Stauseen wird über A = N − V − R − B:
Zweck und Nutzung gesteuert. Stauseen hinter Hochwasser-
schutzsperren werden zu Zeiten starker Wasserführung der Die abfließenden Wassermengen können den gewässerkundli-
Zuflüsse aufgestaut und baldmöglichst nach Ablauf der Hoch- chen Hauptzahlen (▶ Abschn. 1.10.5, . Tab. 1.11) zugeordnet
wasserwelle wieder entleert. Die vom Nutzraum der Sperre bean- werden.
spruchte Überstauungsfläche kann entsprechend der nur kurzen Der natürliche Abfluss unterliegt Schwankungen, die auf
Stauzeiten als Grünland gestaltet werden. Brauchwassertalsper- Schwankungen bei Niederschlag und Lufttemperatur zurückzu-
ren haben den Zweck, Wasser in den wasserreichen Jahreszeiten führen sind. Tägliche und jahreszeitliche Schwankungen können
aufzustauen und es in Jahreszeiten mit Wassermangel für den den Charakter periodischer Schwankungen haben.
gedachten Verwendungszweck bereitzustellen. Wechsel im Was-
serstand sind zwischen Grundablass und nicht beherrschbarem zz Tägliche periodische Schwankungen
Hochwasserschutzraum möglich. Tägliche periodische Schwankungen können durch Schmelzen
In staugeregelten Flussabschnitten wird der Wasserstand au- von Schnee und Eis und durch Verdunsten von Wasser gesteuert
ßer bei extremen Hochwassersituationen ganzjährig auf einem werden. Zudem können Fluss- und Bachläufe durch technische
hoch eingestauten Pegel konstant gehalten. Beim Bau von Ver- Maßnahmen, wie erhöhten Wasserverbrauch und auch Grund-
kehrsdämmen können Nebentäler abgesperrt und flächenhafter wasserverbrauch sowie Einspeisen in den Vorfluter während der
Wasserstau provoziert werden. Tageszeit, periodische Schwankungen erfahren.
218 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
Bei Schnee- und Eisschmelze infolge hoher Sonneneinstrah- bei sehr trockener Witterung in humiden Gebieten ist der Be-
1 lung (Hochdruckwetterlagen) zeigen Bäche, besonders Glet- netzungswiderstand des Bodens stark erhöht. Regenwasser kann
scherbäche, im Hochsommer eine tägliche Periode mit Wechsel dann nicht in den Boden eindringen und fließt oberirdisch ab.
2 zwischen hohem Abfluss während der Nachmittagsstunden und Durch Einengen des Flussbettes kann Hochwasser künstlich
geringem Abfluss während der Nacht. herbeigeführt werden.
In der heißen Jahreszeit und besonders in Trockengebieten Durch Einengen des Hochwasserquerschnittes in der Talaue
3 zeigt der auf Quellwasseraustritte zurückzuführende Abfluss können Hochwässer seitlich verlagert und aufgestaut werden.
einen periodischen Gang mit der Lufttemperatur. Beobachtet Mehrere Hochwasser der letzten Jahre (z. B. Mississippi/Mis-
4 werden hohe Abflusswerte während der Nacht und geringe Ab- souri 1993 und 2001, Oder 1997, Elbe 2002, 2006; siehe Liste
flusswerte in den Nachmittagsstunden. von Hochwasser/Wikipedia) haben gezeigt, dass auch die großen
5 eingedeichten Flüsse von Zeit zu Zeit sehr große Wassermengen
zz Jahreszeitliche periodische Schwankungen führen, welche die Talaue (Überschwemmungsaue) der Flüsse in
Jahreszeitliche Abflussschwankungen werden von Niederschlag, voller Breite einnehmen.
6 Lufttemperatur, Verdunstung, Rückhalt und Versickerung im Ein- In Trockenzeiten geht die Wasserführung der Flüsse stark
zugsgebiet gesteuert. Hinsichtlich des jährlichen Abflussganges zurück. Der Abfluss wird dann nur noch aus dem Quellabfluss
7 hat fast jeder Fluss einen eigenen Charakter. Die mitteleuropäi- bzw. unterirdischen Abfluss gespeist. Bei ausbleibender Grund-
schen Flüsse haben allgemein im Winter (Januar bis April) hohe wasserneubildung geht die Schüttung der Quellen zurück. Der
Abflüsse und im Sommer (Juli bis September) niedrige Abflüsse. Rückgang der Quellschüttung (Austrocknungskoeffizient α nach
8 Von Schmelzwässern der Gletscher gespeiste Alpenflüsse ha- Maillet) ist abhängig von der Geologie und verläuft in Karst- und
ben im Winter niedrige und im Sommer hohe Abflüsse. Kluftgrundwasserleitern schnell, in Porengrundwasserleitern
9 langsam. Anhaltende Trockenheit führt zu niedrigen Wasser-
zz Unperiodische Schwankungen ständen mit Wassermangelerscheinungen oder Wasserklemmen.
10 Starke Niederschläge können dazu führen, dass Flüsse ihr Bett Wasserklemmen können sich in ausgeprägten Trockenjahren in
verlassen und die Talauen überfluten. In kleinen Einzugsgebie- den Flussläufen weiter Gebiete zur gleichen Zeit und in annä-
ten können örtliche Starkregenereignisse Hochwasser auslösen. hernd gleicher Stärke einstellen.
11 Oberflächenversiegelung (Dach-, Hof- und Straßenflächen) In der Aufeinanderfolge von Niedrigwasserjahren und Was-
beschleunigt den Abfluss und kann zu kurzzeitigem Hochwas- serklemmen sowie in der Aufeinanderfolge von Hochwasserjah-
12 serabfluss führen. In mittelgroßen Einzugsgebieten führt die ren lassen sich keine Regeln erkennen. Die Abflussbildungspro-
Kanalisierung der Flüsse zu einem raschen Abführen der Hoch- zesse, die zu Hochwasserabfluss führen, finden in verschiedenen
wasserwellen, wodurch in großen Flüssen die Hochwassergefahr Raumskalen statt. Uhlenbrook und Leibundgut (1997) betrach-
13 erhöht werden kann. Wasserbauliche Maßnahmen, wie Flussbe- ten die Abflussbildungsprozesse in den Raumskalen „Boden-
gradigung mit Laufverkürzung und Erhöhung des Gefälles so- zone“, „Teilfläche eines Einzugsgebietes“ und „Gesamtfläche eines
14 wie Betonieren der Flusssohle bis zum Ausbau zur Schussrinne, Einzugsgebietes“.
grenzen Retentionsräume (Gerinnespeicher) aus und können
15 hochwasserverstärkend wirken. zz Abfluss in der Bodenzone
Wald ist ein großer Interzeptionsspeicher. Die hohe Evapotran- Der Boden enthält Makro- und Mikroporen. In den Mikroporen
spiration sowie die abflusshemmende Spreu und hohe Infiltrations- wirken auf das Bodenwasser Kapillarkräfte ein. Der Mikropo-
16 und Speicherleistung des Waldbodens wirken hochwasservermin- renraum wirkt wasserspeichernd. In den Mikroporen enthaltene
dernd. Im Vergleich zu Wald wirken landwirtschaftlich genutzte Bodenluft verzögert oder verhindert den laminaren Abfluss nach
17 Flächen eher hochwasserverstärkend. Ihr Interzeptionsspeicher Darcy (ungesättigte Bodenzone). Bei Wassersättigung kann der
ist im Vergleich zu anderen Landnutzungsarten wesentlich gerin- Mikroporenraum nur noch begrenzt Wasser aufnehmen. Mit Ab-
ger. Dem Oberflächenabfluss kann durch dezentrale Maßnahmen nahme der Infiltrationsrate wird der Oberflächenabfluss verstärkt.
18 (Konturpflügen, Heckenstreifen, Baumgruppen) begegnet werden. In den Makroporen verläuft der Wasserabfluss inhomogen
Im gleichen Flussgebiet hat jedes Hochwasser ein individu- und schnell. Dabei wird ständig auf kapillarem Wege Wasser
19 elles Gepräge. Dabei spielen innerhalb des Einzugsgebietes die aus den Makroporen in den ungesättigten Mikroporenraum ab-
Größe der von Starkniederschlag und Schmelzwasserabfluss be- gegeben. Nach länger anhaltendem Niederschlag wird bei der
20 troffenen Gebietsteile sowie Fließwege und Fließdauer der Teil- Infiltration ein Zusammenspiel beider Porensysteme in Gang
hochwasserwellen in den Nebenflüssen eine wichtige Rolle. Im gesetzt. Dieser Vorgang wird über die bestehenden Feuchtebe-
Hauptstrom können die Hochwasserwellen aus den Nebenflüssen dingungen im Boden gesteuert. Sobald die Bodenfeuchte den
21 nacheinander eintreffen und schadfrei abfließen, oder sie können Wert der Bodenkapazität übersteigt, wird Bodenwasser in Form
sich überlagern und Hochwasser im Hauptstrom hervorbringen. einer Feuchtefront nach unten abgegeben. Das führt dazu, dass
22 Hochwasserwellen werden von Niederschlagsmenge, Nieder- das in tiefer liegenden Bodenschichten gespeicherte Wasser in
schlagsdauer, Niederschlagsintensität, vorhandenen oberirdi- gleicher Weise frontartig in Richtung Grundwasser bewegt wird
schen Wasservorräten als Schnee, Eis und Füllung von Seen und (Boxenmodell). Die Anreicherung des Grundwassers kann eine
23 von vorhandenen unterirdischen Wasservorräten in Form hoher zeitweise Erhöhung des Grundwasserspiegels bewirken. Im Fels
oder niedriger Bodenfeuchte sowie hoher oder niedriger Grund- kann der Mikroporenraum fehlen. In den wassererfüllten Makro-
wasserstände geprägt. In den Trockengebieten der Erde und auch poren (Spalten, Klüften) steigt dann der Wasserstand schnell an.
2.9 • Ansteigen und Absinken von Wasserständen
219 2
zz Abfluss auf einer Teilfläche eines Einzugsgebietes Gletscherseeausbrüche registriert (Hanisch et al. 1996). Am häu-
Auf einer Teilfläche wird der mit Abnahme der Infiltrationsrate figsten werden Endmoränendämme durch überströmendes Was-
verstärkte Oberflächenabfluss wirksam. Zusätzlich bewirken ser auf der Talseite (Luftseite) erodiert, wenn Schwallwellen den
Übersättigung in der sonst ungesättigten Bodenzone und Grund- Endmoränenwall auf breiter Front überfluten. Die Schwallwellen
wasseranstieg verstärkten Quellabfluss. entstehen durch die Wasserverdrängung abstürzender Massen.
Über hangparallelen Stauhorizonten kann es zeitweise zur Durch Resonanz kann sich der Seespiegel aufschaukeln und
Ausbildung fallender Quellen kommen, verursacht durch ge- mehrfach den Moränenwall überströmen. Dies kann zur Bildung
neigten bis horizontalen Makroporenausfluss über hangparalle- tiefer rückschreitender Erosionsrinnen im Moränenmaterial füh-
len Stauhorizonten. Zum Abfluss kommt Schichtwasser, welches ren, durch welche das Hauptreservoir des Sees angezapft werden
vor längerer Zeit (Jahre) infiltriert wurde. kann. Der See kann sich dann binnen weniger Stunden entleeren.
Der flächendeckende Anstieg des Grundwasserspiegels und Andere Vorgänge, die zum Versagen eines Moränendamms
punktuell die mit dem Grundwasser in Verbindung stehenden führen können, sind das Abschmelzen von Toteiskörpern in der
stark erhöhten Wasserspiegel in vollgelaufenen Spalten, Wurzel- Moräne und das allmähliche Auswaschen großer Sand- und
röhren, Wühlgängen bewirken das Erhöhen des hydraulischen Schluffmengen aus dem Moränenmaterial durch Sickerwässer
Potentials und damit verstärktes Schütten der Quellen. (Suffussion). Bei Seen, von denen eine Gefahr ausgeht, schafft das
künstliche Erniedrigen des Seewasserspiegels Abhilfe. Dies kann
zz Abfluss in einem Einzugsgebiet durch künstliches Vertiefen des natürlichen Abflusses, durch
In einem Einzugsgebiet können sich die Faktoren aus Nieder- Schaffen eines unterirdischen Abflusses mittels Durchtunneln
schlag, verstärktem Oberflächenabfluss, Schichtwasserabfluss oder Durchbohren oder durch Absenken des Seespiegels mit hy-
und verstärktem Quellabfluss überlagern. Einzelprozesse können draulischen Hebern erfolgen (Hanisch et al. 1996).
in einem größeren Einzugsgebiet zeitlich versetzt auftreten oder Durch vulkanische Vorgänge kann Gletschereis aufschmel-
sich überlagern. Durch Baumaßnahmen und Versiegelung kann zen. Dem Vorfluter können plötzlich große Wassermengen zu-
die Hochwassergefahr örtlich sowohl verstärkt als auch entlastet fließen und katastrophale Überschwemmungen bewirken.
werden, indem der Niederschlag ohne Verzögerung abgeführt Künstliche Eingriffe in den Wasserhaushalt von Flüssen, die
wird. Dies kann zur Aufhöhung einer Hochwasserwelle führe. neben der Wasser- und Energiegewinnung dem Hochwasser-
In gleicher Weise können Maßnahmen des Wasserbaus und der schutz und dem Ausbau der Flüsse zu Schifffahrtsstraßen dienen,
Versiegelung dazu führen, dass Hochwasserwellen aus Teilein- verändern die Abflusseigenschaften. Durch Flussbegradigung
zugsgebieten nacheinander abfließen und sich nicht zu einem kann die Fließgeschwindigkeit erhöht und damit Tiefenerosion
Extremhochwasser summieren. Neben der künstlichen Versie- und Tieferlegen des Flussspiegels bewirkt werden (z. B. Ober-
gelung wirken Felsoberflächen, gefrorener Boden sowie im Mi- rhein nach Begradigung). Natürliches Eintiefen der Flussbetten
kroporenraum gesättigte, aber auch stark ausgetrocknete Flächen durch Erosion kann in Gebirgstälern beobachtet werden.
als natürlich versiegelte Flächen. Freie Wasseroberflächen geben
den Niederschlag direkt an die Vorflut ab. Landwirtschaftliche zz Technisch verursachte Schwankungen
Nutzung greift über Bodenbearbeitung und Einsatz von Dünger des Flusswasserspiegels
und Agrochemikalien in die Infiltrations- und Speicherleistung Durch technische Maßnahmen wie Kanalbau, Tieferlegen und
des Bodens ein. Durch das Belasten mit schweren Maschinen Verkürzen von Flussläufen, Bau von Stauwerken, Wasserent-
und das Reduzieren der Bioaktivität nimmt der Porenraum im nahme, Wassereinspeisung und Bergbau können Schwankun-
Boden ab. Der Oberflächenabfluss wird erhöht. gen oder anhaltende Veränderungen des Flusswasserspiegels
Wenn nach tagelangem Regen der Boden wassergesättigt ist auftreten. Kleine Wasserläufe können bei Bergsenkungen in ihrer
und Wasser auf den Feldern, Wiesen, und auch auf nicht versie- Fließrichtung umgekehrt werden.
gelten Flächen, wie z. B. Park- und Sportanlagen, steht, spielt die
Versiegelung der Oberfläche keine Rolle mehr.
2.9.4 Schwankungen bei Grundwasserständen
zz Wasserschwall aus einmaligen Ereignissen
Natürliche und künstliche Wasseransammlungen im Gebirge Grundwasserstände können im Laufe eines Jahres oder mehre-
können aus verschiedenen Gründen einen plötzlichen Abfluss rer Jahre variieren. Die Spiegelschwankungen werden durch das
erfahren. Möglich ist Wasserverdrängung durch abstürzende wechselnde Ausmaß von Grundwasserneubildung, Einspeisung
Erd-, Fels- oder Eismassen, aber auch ein Versagen von künstli- aus Oberflächengewässern, Verdunstung, Grundwasserabstrom
chen Staumauern und Staudämmen. und Grundwasseraufbrauch bzw. -entnahme bewirkt. Nach Art,
Natürlicher Wasseraufstau hinter natürlichen Barrieren aus Erd- Ausmaß und zeitlichem Ablauf der Grundwasserspiegelschwan-
rutschmassen, Treibholz oder Eisschollen ist meist nur kurzfristig kungen bestehen Unterschiede zwischen Karstgrundwasserkör-
wirksam und verursacht schwallartiges Ablaufen einer Hochwas- pern, Kluftgrundwasserkörpern und Porengrundwasserkör-
serwelle. Die Stauwirkung von Erdrutschmassen, hinter denen sich pern. Dargestellt werden Grundwasserspiegelschwankungen als
ein Stausee bilden kann, kann sprengtechnisch verringert werden. Grundwasserganglinien von Brunnen. Grundwasserganglinien
Glaziale Hochgebirgsseen, die hinter Gletscherzungen, End- zeigen oft innerhalb eines Jahres periodische Schwankungen,
moränen oder Bergsturzmassen aufgestaut sind, können plötz- doch sind bei Karst- und Kluftgrundwasserleitern die Spitzen
lich ausbrechen. In Nepal wurden zwischen 1935 und 1996 14 einzelner Niederschlagsereignisse gravierender als gemittelte
220 Kapitel 2 • Geogene Gefahren
kungsgebieten der relative Anstieg des Grund- und Oberflächen- Im gefrorenen Boden kann es zu Umkristallisationsvorgän-
wassers zur Umkehr des Fließgefälles führen. Die damit verbun- gen und auch zu partiellem Auftauen unter Druck kommen. Eis
denen Bergschadenskosten fielen und fallen im Ruhrkohlerevier zeigt Verformungen durch viskoelastisches Verhalten in Abhän-
zeitweise in gleicher Höhe an wie alle anderen Kosten für Abbau- gigkeit von Temperatur, Druck, Verformung und Kristallorien-
einwirkungen auf Bauwerke und Verkehrswege (Kratzsch 1974). tierung (Jessberger 1991).
Grundwasserabsenkungen können sich auf Gebäude schäd-
lich auswirken (Hölting 2013, Prinz, Straub 2006). Zu befürchten
--
zz Homogene Eisverteilung in gefrorenen grobkörnigen
sind Setzungen, verursacht durch Böden
verminderten Auftrieb für trockengefallene Bodenschichten, In gefrorenen grobkörnigen Böden sind alle Körner mit einer
Beim Gefrieren wassergesättigter Böden kommt es durch die verbleibendem aufgetauten Boden über Permafrost und ganzjäh-
1 Bildung von Eislinsen und Eiskeilen zu seitlicher Druckausübung rigem Dauerfrost im tieferen Untergrund.
und Stauchung der Bodenschichten (Kryoturbation). Davon Bei Permafrost im Boden sind Bauwerke so im Dauerfrost-
2 können auch Bauteile (Leitungen) betroffen sein. boden zu gründen, dass ein Auftauen des Permafrostes unter der
Gründung (Tiefgründung) vermieden wird.
zz Eisverteilung in Festgesteinen
3 In Festgesteinen setzt die Eisbildung und Frostsprengung im
Klufthohlraum und im Porenhohlraum an. Die Sprengkraft um 2.10.2 Frostsprengung und Frostbeständigkeit
4 Klufthohlraum kann zur vollständigen Durchtrennung des Ge-
steins, zur Aufweitung des Trennflächengefüges und zur Verla- Im porösen Festgestein kann sich im Porenraum Eis bilden. Das
5 gerung einzelner Kluftkörper führen. Alle Gesteine werden beim Gestein selbst wird dadurch auf Zug beansprucht. Dieser Vor-
Gefrieren von Kluftwasser im Gefüge aufgelockert. Im porösen gang tritt ein, wenn der Sättigungsbeiwert mehr als 80 % beträgt.
Festgestein bildet sich zudem Eis im Porenraum. Hiervon kann Bei einem Wassergehalt unterhalb dieses kritischen Grenzwertes
6 ein Druck auf die Porenwände ausgehen, der in frostempfindli- dehnt sich das beim Gefrieren entstehende Eis in den Poren-
chen Gesteinen und in angewitterten Gesteinen zum Zerbröckeln hohlraum hinein aus und übt keinen Druck auf die Porenwände
7 und Zergrusen führt (Frostsprengung). aus. Bei Gesteinen geringer Festigkeit (Zugfestigkeit) kann der
Gefriervorgang zur Frostsprengung führen.
zz Tauender Boden Sehr feste und frostsichere Gesteine können den Innendruck
8 Beim Auftauen von gefrorenem Boden geht die verfestigende auf die Porenwände aufnehmen. Dabei wird bei geringen Frost-
Wirkung des Eises verloren. Die beim Gefriervorgang einge- graden der Gefrierpunkt erniedrigt, und das Wasser bleibt im Po-
9 tretene Volumenausdehnung (Frosthebung) geht zurück (Sa- renraum unter Druck flüssig. Die Frostbeständigkeit wird nach
ckung). Das beim Auftauen freiwerdende Wasser kann vielfach DIN EN 12371 im Frostwechselversuch geprüft. Dabei müssen
10 nicht abfließen und nicht versickern. Der stark aufgeweichte die Prüfstücke Innendrücke von 20 kN cm−2 aufnehmen und
Boden kann zusätzlich Wasseransammlungen an Stellen von aushalten, um als frostsicher und frostbeständig zu gelten. Ein
Eislinsen und Eisspalten enthalten. Die Scherfestigkeit des auf- zusätzliches Kriterium für die Frostbeständigkeit bietet der Ver-
11 getauten Bodens ist stark reduziert. Zusätzlich kann sich Po- gleich der Druckfestigkeiten im trockenen und im ausgefrorenen
renwasserüberdruck einstellen. Von dem durch Tauen bewirk- Zustand. Dabei darf die Druckfestigkeit der gefrorenen Probe
12 ten Tragfähigkeitsabfall ist besonders der Straßenuntergrund nur um wenige Prozent abweichen.
betroffen. Über aufgeweichtem Boden kann die Tragwirkung Zu den frostsicheren Gesteinen zählen magmatische Tiefen-
von Fahrbahndecken, Wegplatten und Pflastersteinen schlag- gesteine (Granit, Syenit, Diorit, Gabbro), Gang- und Ergussge-
13 artig verlorengehen. Wassergesättigter Boden kann in Hang- steine (Quarzporphyr, Porphyr, Porphyrit, Diabas, Basalt, An-
lage schwerkraftbedingt abfließen. Auf nicht oder nur wenig desit, Trachyt), metamorphe Gesteine (Gneis, Glimmerschiefer,
14 bewachsenen Hängen kann der Boden in fließende Bewegung Serpentin, Phyllit, Schiefer, Amphibolit) und Sedimentgesteine
übergehen (Bodenfließen). Im arktischen Klima kann der Bo- (Kalkstein, Dolomitstein, carbonatisch oder kieselig gebundener
15 den während der sommerlichen Auftauperiode metertief in flie- Sandstein, Arkose, Konglomerate, Grauwacke, Quarzit, Kiesel-
ßende Bewegung geraten (Solifluktion, . Abb. 2.9c). Es entste- gesteine, Schiefer). Im verwitterten und entfestigten Zustand
hen flache Hänge mit Tendenz zur weitgehenden Einebnung können diese Gesteine jedoch frostempfindlich sein.
16 (Kryoplanation). Dabei sind die sonnenbeschienenen Hänge Bei ton- und schluffhaltigen veränderlich festen Gesteinen
(Südhänge auf der Nordhalbkugel, Nordhänge auf der Süd- bilden sich beim Gefrieren des nassen Gesteins in gleicher Weise
17 halbkugel) stärker dem Frost-Tau-Wechsel mit Verwitterung wie bei feinkörnigen Böden Eislinsen, die eine starke Zerstörung
und Abtragung ausgesetzt als die Hänge im Bergschatten. Die und Auflösung des Gesteinsverbandes bewirken.
gleichen Unterschiede im Verwitterungsfortschritt lassen sich
18 auch in Mitteleuropa an Damm- und Einschnittsböschungen
beobachten, die in Südexposition schneller und stärker verwit-
19 tern und abrutschen als in Nordexposition.
20 zz Dauerfrostboden – Permafrost
Im arktischen und subarktischen Klimabereich ist der Boden
tiefgründig und dauerhaft gefroren. Im Sommer erfolgt nur ober-
21 flächliches Auftauen. Im gefrorenen Zustand ist der Untergrund
wasserundurchlässig. An der Oberfläche staut sich das Wasser
22 in weiten Sumpflandschaften. Die Dauergefrornis des tieferen
Untergrundes ist fossil (eiszeitlich). Im Permafrostboden ist die
Grundwasserzirkulation eingefroren. Im Randbereich des Per-
23 mafrostes besteht eine stärkere Auftauzone über dem Permafrost,
die nicht alljährlich zugefriert. Es ist dann zu unterscheiden zwi-
schen alljährlichem Tiefgang des Frostes im Winter, ganzjährig
223 3
Umweltverträglichkeitsprüfung –
Leitfaden zur Festlegung
des geowissenschaftlichen
Untersuchungsrahmens
Baldur Junker
Literatur – 252
Jeder Standort und jede Trasse ist an den unverrückbar vor- Saarland Geschäftsbereich 2 Wasser
1 gegebenen geologischen Untergrund gebunden und berührt so- Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz
mit in jedem Falle geowissenschaftliche Belange. Diese Belange ▶ http://www.umwelt.saarland.de
2 sind von den Geologischen Diensten im Rahmen der Umwelt- Sachsen Sächsisches Landesamt für Umwelt
verträglichkeitsprüfung (UVP) zu vertreten. Landwirtschaft und Geologie
Geologische Dienste des Bundes und der Länder der Bundes-
3 republik Deutschland sind (Stand 7.4.2016):
Abt. 10 – Geologie
▶ http://www.smul.sachsen.de/lfulg/
Sachsen- Landesamt für Geologie und Bergwesen
4 Bund Behörde Anhalt Sachsen-Anhalt
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Abt. 2 – Geologischer Dienst
5 Rohstoffe ▶ http://www.lagb.sachsen-anhalt.de
▶ http://www.bgr.bund.de/ Schleswig- Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und
Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik Holstein ländliche Räume Schleswig-Holstein
6 (LIAG) Abt. Geologie und Boden
▶ http://www.liag-hannover.de/ ▶ http://www.schleswig-holstein.de/DE/Lan-
7 Baden-Würt- Regierungspräsidium Freiburg desregierung/LLUR/llur_node.html
temberg Abt. 9: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Thüringen Thüringer Landesanstalt für Umwelt und
Bergbau Geologie
8 ▶ http://www.lgrb-bw.de/ Abt. 6: Geologischer Landesdienst, Grundwas-
Bayern Bayerisches Landesamt für Umwelt ser
9 Abt: 10 Geologischer Dienst ▶ http://www.tlug-jena.de/
▶ http://www.geologie.bayern.de/
10 Berlin Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Die gesetzlich geforderte Mitwirkung dieser Geologischen
Umwelt Dienste als geowissenschaftliche Fachbehörden der Länder so-
Geologie und Grundwassermanagement wie als Träger öffentlicher Belange bei der wirksamen Umwelt-
11 – VIII E 3 – vorsorge ergibt sich aus §§ 1, 2, 5 und 7 des Gesetzes über die
▶ http://www.stadtentwicklung.berlin.de/ Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) und aus der Anlage zu
12 umwelt/wasser/geologie/index.shtml § 3 UVPG in Verbindung mit den dort angeführten Gesetzen.
Brandenburg Landesamt für Bergbau, Geologie und Roh- Der Bund-Länder-Ausschuss Bodenforschung hatte im
stoffe März 1991 auf Empfehlung der Direktoren und Präsidenten der
13 Brandenburg (LBGR) Geologischen Dienste der Länder und der Bundesanstalt für Geo-
▶ http://www.lbgr.brandenburg.de/ wissenschaften und Rohstoffe der Bundesrepublik Deutschland
14 Bremen Geologischer Dienst für Bremen (GDfB) eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Geowissenschaftliche Grundlagen
MARUM im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung“ (Ad-hoc-AG
15 ▶ http://www.gdfb.de UVP) eingesetzt und diese beauftragt, eine Übersicht zu erar-
Hamburg Freie und Hansestadt Hamburg beiten, welche Felder von den Geowissenschaften bei der UVP
Behörde für Umwelt und Energie abgedeckt werden müssen.
16 Geologisches Landesamt Hamburg Als Arbeitsergebnis wurde von der Ad-hoc-AG UVP im Sep-
▶ http://www.hamburg.de/geologie tember 1994 ein bundesweit abgestimmter UVP-Leitfaden mit
17 Hessen Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt Tabellen für sämtliche UVP-pflichtigen Vorhaben vorgelegt, in
und Geologie denen die aus geowissenschaftlicher Sicht betroffenen Schutz-
güter und Nutzungen am Standort und im Einwirkungsbereich
18 – Abt. Geologie und Boden, Gerologischer Landes-
dienst – eines Vorhabens mit den allgemeinen geologischen Grundlagen
▶ http://www.hlnug.de und Fachgebieten der Geologie verknüpft sind, wodurch sich
19 Mecklenburg- Landesamt für Umwelt, Naturschutz und mögliche geowissenschaftliche Untersuchungsfelder ergeben.
Vorpommern Geologie Diese Tabellen – eine Rahmentabelle (. Tab. 3.2) und 16 bei-
20 – Geologischer Dienst – spielhafte Tabellen (. Tab. 3.3 bis 3.18) mit Punktsetzungen für
▶ http://www.lung.mv-regierung.de/ Untersuchungsfelder – sind Orientierungshilfen bei der geo-
Niedersachsen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie wissenschaftlichen Bearbeitung der in der Anlage zu § 3 UVPG
21 ▶ http://www.lbeg.niedersachsen.de/ aufgeführten UVP-pflichtigen Vorhaben. Auf dieser Grundlage
Nordrhein- Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen wird nachfolgend die Festlegung des geowissenschaftlichen Un-
22 Westfalen – Landesbetrieb – tersuchungsrahmens der UVP beispielhaft für ein Straßenbau-
▶ http://www.gd.nrw.de/ vorhaben erläutert (. Tab. 3.10).
23 Rheinland-
Pfalz
Landesamt für Geologie und Bergbau
Rheinland-Pfalz
▶ http://www.lgb.rlp.de
3.1 • Zweck, Inhalt und Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung
225 3
-
Ad-hoc-AG UVP
Dr. H. Aust, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Roh-
Vorhabens sichergestellt werden, dass die anschließende einge-
hende Untersuchung keine Möglichkeit erheblicher Fragen für
-- stoffe
Dr. R. Busse, ehemaliges Geologisches Landesamt Hamburg
Dr. H.-D. Dahm, ehemaliges Geologisches Landesamt
die Umwelt übersieht, dass der Vorhabenträger adäquate Progno-
semethoden anwendet und dass keine im Einzelfall überflüssigen
Aspekte behandelt werden. Hierbei sind der Untersuchungsge-
- Nordrhein-Westfalen
Dr. H.-P. Gruber, ehemaliges Bayerisches Geologisches
genstand, die Untersuchungsmethodik und weitere damit zusam-
menhängende Einzelheiten für jede konkrete UVP individuell
- Landesamt
Dr. P. Höringklee, ehemaliges Geologisches Landesamt
zu bestimmen.
Die UVP ist durchzuführen für folgende Vorhaben (Anlage
- Rheinland-Pfalz
Dr. B. Junker, ehemaliges Geologisches Landesamt Baden-
in einem Verfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit
nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bedarf und
- Württemberg
Dr. E. Kaufmann, ehemaliges Hessisches Landesamt für
die im Anhang zu dieser Anlage aufgeführt ist, sowie die we-
sentliche Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des
- Bodenforschung
Dr. E.-R. Look, ehemaliges Niedersächsisches Landesamt
Betriebs einer solchen Anlage, wenn von der Einbeziehung
der Öffentlichkeit nach § 15 Abs. 2 des Bundes-Immissions-
- für Bodenforschung
Dipl.-Geol. F. Putschkus †, ehemalige Thüringer Landesan-
schutzgesetzes nicht abgesehen wird und die Änderung er-
hebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 2 Abs. 1 Satz 2
- Schleswig-Holstein
Dr. H. Schmid, ehemaliges Bayerisches Geologisches
Landesamt
der Abbau einer ortsfesten kerntechnischen Anlage sowie die
wesentliche Änderung der Anlage oder ihres Betriebes, die
der Genehmigung in einem Verfahren unter Einbeziehung
der Öffentlichkeit nach § 7 des Atomgesetzes bedürfen;
-
unter Mitarbeit von
Dr. B. Kashanian, ehemaliges Sächsisches Landesamt für
3. Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Sicherstellung und
zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie die wesentliche
ner Anlagen, soweit dafür eine Planfeststellung nach § 41 des §5 Bestimmung des voraussichtlichen Untersuchungs-
Flurbereinigungsgesetzes erforderlich ist; rahmens der UVP
3 15. Errichtung von Feriendörfern, Hotelkomplexen und sonsti- §6 Erstellung des Untersuchungsberichtes über die
gen großen Einrichtungen für die Ferien- oder Fremdenbe- Umweltauswirkungen
4 herbergung, für die Bebauungspläne aufgestellt werden; §7 Überprüfung des Untersuchungsberichtes durch
16. Errichtung und Betrieb einer Rohrleitungsanlage für den berührte Behörden
5 Ferntransport von Öl oder Gas sowie die wesentliche Ände-
§9 Einbeziehung der Öffentlichkeit
rung der Anlage oder ihres Betriebes, die der Genehmigung
nach § 19a des Wasserhaushaltsgesetzes bedürfen; § 11 Zusammenfassende Darstellung der voraussicht-
6 17. Bau und Änderung einer Magnetschwebebahn, die der Plan-
lichen Umweltauswirkungen durch zuständige
Behörde
feststellung nach dem Magnetschwebebahnplanungsgesetz
7 bedürfen. § 12 Berücksichtigung der Ergebnisse der UVP im Ent-
scheidungsprozess
einen beschleunigten und wirtschaftlichen Verfahrensablauf. Den Schutzgütern und ihren Betroffenheiten gegenübergestellt
Dadurch werden zugleich die Festlegung eines Untersuchungs- sind in der Horizontalleiste die Geowissenschaftlichen Untersu-
umfanges nach bundesweit einheitlichem geowissenschaftlichem
Standard gewährleistet und zudem die Abschätzung des hierfür
--
chungsschwerpunkte
Allgemeine geologische Grundlagen (Ziffern 1–10),
erforderlichen Zeitrahmens ermöglicht.
Bei der Überprüfung des vom Träger des Vorhabens vorzu-
-- Bodenkunde (Ziffern 11–15),
Hydrogeologie (Ziffern 16–22),
legenden Untersuchungsberichtes (§ 7 UVPG) ist vom Geologi-
schen Dienst nicht nur auf die Abarbeitung des festgelegten geo-
wissenschaftlichen Untersuchungsrahmens zu achten, sondern
es sind auch die ermittelten Ergebnisse auf ihre Plausibilität zu
- Ingenieurgeologie (Ziffern 23–26),
Rohstoffgeologie (Ziffern 27–30).
--
vanten Schutzgüter
Boden (Geosphäre),
--
zz A-2 Geologischer Untergrund
Grundwasser, ist der Bereich der Erdkruste unterhalb des Bodens i. e. S.; er
Landschaft, besteht aus Locker- und Festgesteinen sowie aus flüssigen und
Kultur- und sonstige Sachgüter sowie vorhandene und ge- gasförmigen Bestandteilen.
plante Nutzungen,
zz A-3 Hydrogeologische Empfindlichkeit
gegliedert nach den wesentlichen Betroffenheiten, aufgeführt. des Bodens i. e. S. kennzeichnet den Einfluss des Bodenwasser-
Diese Betroffenheiten der Schutzgüter werden in ▶ Ab- haushaltes auf die Bodeneigenschaften und das Bodenökosystem.
schn. 3.3.1 definiert. Je nachhaltiger sich Veränderungen des Wasserhaushaltes auf
Für jedes Schutzgut sind einen Boden auswirken, umso größer ist seine hydrogeologische
A. flächendeckende Beschreibung der Umwelt am Standort und Empfindlichkeit.
im Einwirkungsbereich des Vorhabens zu geben;
B. Auswirkungen des Vorhabens auf das jeweilige Schutzgut ein- zz A-4 Geogene Anomalien
schließlich der Wechselwirkungen zu ermitteln; sind durch geologische bzw. mineralogische Prozesse verursachte
C. Maßnahmen zur Vermeidung bzw. zur Minderung der zu Stoffanreicherungen in bestimmten Böden und im geologischen
erwartenden Auswirkungen auf die Umwelt zu prüfen und Untergrund, die erheblich über dem natürlichen Schwankungs-
diesbezüglich Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht zu bereich dieser Stoffgehalte liegen; diese können möglicherweise
unterbreiten. schädigend sein.
228 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.2 Rahmentabelle „Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG“
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
3.3 • Aufbau der Tabellen
229 3
Grundsätzlich sollten die im Zusammenhang mit Grundwas- zz B-25 Verlust und Beeinträchtigung naturräumlicher
1 serabsenkung und -anstieg einhergehenden Einflüsse (z. B. Set- Besonderheiten
zungen und Hebungen) quantifiziert und zur Beweissicherung können eintreten durch Zersiedelung, Überbauung, Versiege-
2 rechtzeitig genaue Höhennivellements ausgeführt werden. lung des Untergrundes, Änderung des Grundwasserhaushalts,
Austrocknung oder Vernässung des Bodens, Rohstoffabbau, Zer-
zz B-17 Änderung der Neubildung schneidung durch eine Trasse u. a.
3 wird bewirkt durch die Veränderung der natürlichen Infiltrati-
onsbedingungen infolge Versiegelung und Verdichtung der Ge- zz C-26 Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht
4 ländeoberfläche oder durch landwirtschaftliche Nutzungsände- zur Vermeidung bzw. Minderung von Auswirkungen des Vor-
rung (Melioration, Dränung) sowie durch Bodenerosion. habens auf Landschaftsbild sowie naturräumliche Besonderhei-
5 ten beinhalten z. B. Ausgleichsmaßnahmen für Versiegelungen,
zz B-18 Veränderung von Grundwasserströmen Schaffung von Retentionsräumen, Erhalt schutzwürdiger Geo-
werden in der Regel verursacht durch bauliche Eingriffe in die tope u. a.
6 natürlichen Strömungsverhältnisse des Grundwasserleiters, z. B.
bei Kanal- und Tunnelbauten, Errichtung von Dicht- und Spund- 3.3.1.4 Kultur- und sonstige Sachgüter;
7 wänden. vorhandene und geplante Nutzungen
zz A-27 Kultur- und sonstige Sachgüter
zz B-19 Veränderung der Grundwasserqualität sind vom Menschen geschaffene Objekte wie Siedlungs-, histo-
8 beruht auf punkt-, linien- oder flächenhaften Stoffeinträgen von rische und archäologische Stätten, Anlagen und Bauwerke aller
unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Umfang. Verände- Art.
9 rungen besonderer Art können durch unterirdische Baumaßnah-
men (Schlitzwände, Wasserglas-Injektionen, Druckluftvortrieb zz A-28 Land- und Forstwirtschaft
10 u. a.) bewirkt werden. Landwirtschaft betreibt Ackerbau und Viehzucht zum Erzeugen
von pflanzlichen und tierischen Produkten. Von Bedeutung für
zz C-20 Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht die Ertragslage ist die Bonität genutzter Böden. Forstwirtschaft
11 sind zu unterbreiten zum qualitativen und quantitativen Grund- hegt und nutzt wirtschaftlich den Wald. Neben diesen unten an-
wasserschutz, z. B. zur Vermeidung von Stoffeinträgen in das geführten Aspekten dient die Forstwirtschaft dem Erosions- und
12 Grundwasser, zur Minderung der Auswirkungen auf Grund- Lawinenschutz.
wasserdynamik und Grundwasserhaushalt sowie der Wechsel-
wirkungen mit Oberflächengewässern. Zur Grundwasserüber- zz A-29 Wasserwirtschaft
13 wachung sind Messstelleneinrichtungen vorzuschlagen. Falls obliegt Gewinnung, Aufbereitung, Bewirtschaftung und Nutzung
Ersatzwasserbeschaffung erforderlich wird, sind Möglichkeiten von Grundwasser und oberirdischem Wasser; Bau und Betrieb
14 für eine Neuerschließung aufzuzeigen. von Speicheranlagen; Zuleitung des Wassers zum Abnehmer;
Grundwasserschutz; Ausweisung von Wasserschutz- und Vor-
3.3.1.3 Schutzgut Landschaft
15 ranggebieten; Pflege und Schutz der Oberflächengewässer; Hoch-
zz A-21 Geländemorphologie wasserschutz; Ableitung und Reinigung der Abwässer.
ist die natürliche Form oder Gestalt der Erdoberfläche. Diese
16 kann grob in Ebenen, Täler, Hügel und Berge unterteilt werden. zz A-30 Rohstoffwirtschaft
Je nach Ausprägung und bei engräumigem Wechsel des Ober- befasst sich mit in der Natur oberflächennah und tieferliegend
17
18
flächenreliefs besteht bei Eingriffen eine erhöhte Erosions- und
Rutschgefährdung.
--
vorkommenden mineralischen und organogenen Rohstoffen wie
Lockergesteine (Kies, Sand, Ton);
Natur- und Werksteine (Kalkstein, Dolomitstein, Sandstein,
Schiefer, Grauwacke, Quarzit, Porphyr, Basalt, Marmor,
--
zz A-22 Prägende Strukturelemente
wie z. B. Höhenrücken, Steilkanten, Schluchten, Terrassen, End- Granit, Gneis u. a.);
19 moränen, Tagebau, Halden u. a. gliedern eine Landschaft. Sie Salze (Kalisalz, Steinsalz, Gips, Anhydrit);
20
entstehen durch endogene, exogene und anthropogene Kräfte
und Einwirkungen (Tektonik, Klima, Mensch).
21 sind typisch entwickelte Formengruppen des Oberflächenreliefs zz B-31 Kultur- und sonstige Sachgüter
wie z. B. Flusslandschaften, Seenplatten, Niederungen, Nieder- z. B. Verlust archäologischer Stätten, Gebäudeschäden durch
22 und Hochmoore, Lösslandschaften, Dünen u. a. Geländebrüche, Bergsenkungen oder Änderungen der Grund-
wasseroberfläche.
23 zz B-24 Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes
entsteht z. B. durch eine Abraumhalde oder eine Mülldeponie, zz B-32 Land und Forstwirtschaft
durch Rohstoffabbau, Zerschneidung durch eine Trasse, Bebau- z. B. Bodenverlust, Schadstoffbelastung, Versauerung, Änderung
ung u. a. des Bodenwasserhaushalts und Abholzung.
3.3 • Aufbau der Tabellen
231 3
zz B-33 Wasserwirtschaft
-- schutzwürdige Geotope;
-
z. B. Verschmutzung und Verschwendung von Wasser. Fossilfundstellen;
Bodenprofile.
zz B-34 Rohstoffwirtschaft 10. Sonstiges
z. B. Überbauung oder Zerschneidung von Rohstoffvorkommen. Die Ziffern 10, 15, 22 und 30 werden freigehalten für in be-
sonderen Fällen erforderlich werdende neue, derzeit noch
zz C-35 Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht nicht überschaubare Untersuchungsschwerpunkte.
zur Vermeidung bzw. Minderung von Auswirkungen des Vorha-
bens auf Kultur- und sonstige Sachgüter sowie vorhandene und 3.3.2.2 Bodenkunde
--
geplante Nutzungen der Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirt- 11. Bodenkarten und Profile:
schaft und Rohstoffwirtschaft. vorhabenbezogene Kartenmaßstäbe;
Diese festzulegenden Maßnahmen sind abhängig von der am standortkundliche Bodenkarten (land-, forstwirtschaftli-
--
Standort und im Einwirkungsbereich des Vorhabens vorliegen- che u. a.);
den geologischen Gegebenheit und dem Relief. Stadtbodenkarten;
--
Bodenschätzungskarten;
Auswertungskarten;
3.3.2 Geowissenschaftliche Bodenarten, Mächtigkeiten, Bodentypen, Bodengüte.
--
Untersuchungsschwerpunkte 12. Bodeneigenschaften:
bodenphysikalische und bodenchemische Kennwerte;
--
(Erläuterung der Ziffern 1–30 in den Tabellen) Bodengefüge;
Bodenwasserhaushalt;
3.3.2.1 Allgemeine geologische Grundlagen effektive Durchwurzelungstiefe.
- --
1. Geologische Karten und Schnitte: 13. Empfindlichkeiten, Risiken:
vorhabenbezogene Kartenmaßstäbe (eventuell Spezial- Schadstoffbelastung, Stoffeintrag;
-- --
kartierung); Erosionsanfälligkeit;
Auswertungskarten (Naturraumpotentialkarten u. a.); Humusschwund;
Stratigraphie, Schichtenfolge. Verdichtungsempfindlichkeit.
-- --
2. Fernerkundung: 14. Bodenschutz:
Luftbilder; Rekultivierung, Renaturierung;
- -
Satellitenaufnahmen; Melioration;
Sonderbefliegungen. Erosionsschutz, ingenieurbiologische Sicherungen.
-
3. Aufschlussdaten: 15. Sonstiges
vorhandene und erforderliche Bohrungen, Sondierun- Siehe Ziffer 10.
-
gen, Schürfe;
sonstige Aufschlüsse (Steinbrüche, Gruben, Leitungsgrä- 3.3.2.3 Hydrogeologie
--
ben u. a.). 16. Hydrogeologische Karten und Schnitte:
--
4. Geophysik: vorhabenbezogene Kartenmaßstäbe;
--
Erdbebengefährdung; Grundwassergleichenkarten;
Seismik, Geoelektrik, Bohrlochgeophysik u. a. Flurabstandskarten;
--
5. Tektonik: Karten der Grundwasserbeschaffenheit, Grundwasserer-
Schichtlagerung, Klüftung, Schieferung, Störungen; giebigkeit, Verschmutzungsempfindlichkeit.
--
Sekundärtektonik (Hangzerreissung, Subrosion, Eistek- 17. Grundwassereigenschaften:
tonik u. a.). Grundwasserbeschaffenheit;
--
6. Petrographie, Mineralogie: Beschreibung und Mächtigkeit der Grundwasserleiter
-
Gesteinsart; (Poren-, Kluft-, Karstaquifer);
Tonmineralogie (Quellfähigkeit, Schrumpfverhalten). Grundwasserstockwerke, freies oder gespanntes Grund-
--
7. Geochemie: wasser.
-
Inhaltsstoffe; 18. Grundwasserdynamik:
Untersuchungsmethoden. hydrogeologische und hydraulische Berechnungen,
-- -
8. Geomorphologie: Grundwassermodelle;
topographische und geomorphologische Karten; Grundwasserströmung (Fließrichtung, Abstandsge-
- -
Landschaftsentwicklung; schwindigkeit, Gefälle, Vorflutverhältnisse);
Reliefveränderungen (Dämme, Einschnitte, Halden Grundwasserspiegelschwankungen.
--
u. a.). 19. Grundwasserhaushalt:
-
9. Geotopschutz: Grundwasserneubildung;
geologische Naturdenkmale; Wasserbilanz;
232 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
- -
Vorflutverhältnisse); Kartierung von Risikoflächen;
Ersatzwasserbeschaffung, Neuerschließung. Dokumentation und Langzeitkontrolle von Verformun-
2
--
20. Risiken: gen und Schäden (Verformungs-, Inklinometermessun-
Freilegung bzw. Versiegelung des Grundwasserleiters; gen, geodätische Messungen u. a.).
-
Schadstoffeintrag;
3 Veränderung der Grundwasseroberfläche. 3.3.2.5 Rohstoffgeologie
- --
21. Grundwasserschutz: 27. Rohstoffkarten:
4 rechtskräftige und fachtechnisch abgegrenzte Wasser- vorhabenbezogene Kartenmaßstäbe;
-- --
und Heilquellenschutzgebiete mit Schutzzonen; Abbau-, Konzessions- und Reserveflächen;
5 sonstige Grundwassernutzungen; Art der Rohstoffe;
-
Grundwassersicherungsgebiete (Vorrang-, Vorsorgege- Ausdehnung und Mächtigkeit der Rohstoffvorkommen;
--
biete); Art und Mächtigkeit der Überdeckung.
6
--
Art und Mächtigkeit der Grundwasserüberdeckung; 28. Rohstoffsicherung:
Grundwasserüberwachung (Messstelleneinrichtung, Bedeutung der Lagerstätte für die Rohstoffvorsorge;
7 Beprobung, Langzeitkontrolle). Nutzungsmöglichkeiten für das Vorhaben (Erdbaustoffe,
-
22. Sonstiges Zuschlagstoffe);
Siehe Ziffer 10. Ersatzlagerstätten.
8
--
29. Nutzungsverluste, Risiken:
3.3.2.4 Ingenieurgeologie Überbauung;
-- --
9 23. Generelle Baugrundverhältnisse: Zerschneidung von Rohstoffvorkommen;
vorhabenbezogene Kartenmaßstäbe; Verkapselung durch Massenüberschussmaterial;
10
-
ingenieurgeologische Karten und Schnitte; Abbaubeschränkung (Standsicherheit u. a.).
Lockergesteine (Kornverteilung, Lagerungsdichte, Kon- 30. Sonstiges
-
sistenzen u. a.); Siehe Ziffer 10.
11 Festgesteine (mechanische Wirksamkeit des Trenn
--
flächengefüges, Verwitterungs-, Auflockerungsgrad u. a.);
12 Tragfähigkeit, Bauwerkssetzungen; 3.3.3 Untersuchungsfelder
-
Standsicherheit, Stabilität von Hängen und Böschungen;
Grundwasserverhältnisse, Sickerwasser, Grundwasser- (Erläuterung der vorzunehmenden Punktsetzungen)
13 beschaffenheit (z. B. Betonaggressivität). Im Folgenden werden die vom Geologischen Dienst des Lan-
--
24. Berechnungskennwerte: des vorzunehmenden Punktsetzungen für die Untersuchungsfel-
14 boden- und felsmechanische Kennziffern; der beispielhaft (. Tab. 3.10) für das Vorhaben Nr. 8 der Anlage
Durchlässigkeitsbeiwerte. zu § 3 UVPG „Bau und Änderung einer Bundesfernstraße …“
15
-
25. Risiken: – die Betroffenheiten der aus geowissenschaftlicher Sicht re-
akute und latente Auslaugungsgebiete (Subrosion, Erd- levanten Schutzgüter (Zeilen 1–35; ▶ Abschn. 3.3.1) in ihrer
--
fälle); Verknüpfung mit den geowissenschaftlichen Untersuchungs-
16 Karstgebiete, Dolinen; schwerpunkten (Ziffern 1–30; ▶ Abschn. 3.3.2) – erläutert und
--
akute und potenzielle Rutschgebiete; schwerpunktmäßig begründet.
17 Steinschlag, Felsstürze, Muren, Lawinen;
-
Erosion; 3.3.3.1 Schutzgut Boden (Geosphäre)
Änderung der Grundwasserverhältnisse (Tunnel- und Das Schutzgut Boden (Geosphäre) ist flächendeckend am Stand-
18
--
Trogbauwerke, Schlitzwände, Injektionen u. a.); ort und im Einwirkungsbereich des Vorhabens zu beschreiben.
Setzungen durch Grundwasserabsenkung; Bau und Änderung von Bundesfernstraßen sind im Allge-
19 Sohlhebungen (Mineralneubildung, Umkristallisation meinen mit großen Flächeninanspruchnahmen verbunden. Für
--
u. a.); den Boden i. e. S. (Pedosphäre) im Trassen- und Einwirkungsbe-
20 Erdbebengefährdung, Erschütterungen; reich (Zeile 1) sind daher vorrangig Bodenkarten heranzuziehen
bestehender bzw. ehemaliger Bergbau (Tief- und Tage- und Bodeneigenschaften zu ermitteln.
-
bau); Zur Beschreibung des ebenfalls weitflächig und häufig auch
21 künstliche Auffüllungen, Deponien, Altlasten, Abgra- tiefgreifend betroffenen geologischen Untergrundes (Zeile 2) sind
-
bungen; mit Ausnahme der Geochemie die gesamten allgemeinen geolo-
22 Änderung der Baugrundeigenschaften und Stabilitäts- gischen Grundlagen einzusetzen. Ferner sind die ingenieurgeo-
verhältnisse. logischen Gegebenheiten als Voraussetzung für die Tragfähigkeit
-
26. Sicherungsmaßnahmen: des Untergrundes und die Standsicherheit von zu errichtenden
23 Sicherung von Bauwerken, Verkehrswegen und Entwäs- Bauwerken festzustellen. Betroffene Rohstoffgebiete sind anhand
serungsbauten; von Rohstoffkarten zu benennen.
3.3 • Aufbau der Tabellen
233 3
Die hydrogeologische Empfindlichkeit (Zeile 3) wird ermittelt In diesem Zusammenhang ist zudem abzuschätzen, ob durch
aus den bereits vorhandenen Aufschlussdaten, aus Bodenkarten Bodenabtrag hydrogeologische Risiken in Form von Stoffeintrag
und Bodeneigenschaften sowie aus hydrogeologischen Karten durch die Freilegung des Grundwasserleiters auftreten können.
und Karten der Grundwassereigenschaften unter Berücksichti- Ingenieurgeologisch sind mit Ausnahme der Berechnungskenn-
gung des schon bestehenden Grundwasserschutzes. werte dieselben Überprüfungsschritte wie bei der Veränderung
Vorhandene geogene Anomalien (Zeile 4) ergeben sich weit- des Reliefs angezeigt.
gehend aus geologischen Karten sowie aus den petrographisch- Aus Gründen des vorbeugenden Bodenschutzes werden Verän-
mineralogischen und den geochemischen Erläuterungen hierzu. derungen der Bodenstruktur (Zeile 9), die durch das Bauvorhaben
Sie sind zudem ausgewiesen in Bodenkarten mit den zugehö- entstehen können, anhand von Untersuchungen der Bodeneigen-
rigen Erläuterungen der Bodeneigenschaften unter spezieller schaften und -empfindlichkeiten abgeschätzt. Bodenverdichtungen
Berücksichtigung der von der Bodenchemie ausgehenden Emp- können zu Teilversiegelungen der Grundwasserleiter führen; die
findlichkeiten. Geogene Anomalien können sich auf die Grund- damit einhergehende Verringerung der Grundwasserneubildung
wasserbeschaffenheit auswirken. kann sich u. U. negativ auf den Grundwasserhaushalt auswirken.
Bei der anthropogenen Vorbelastung (Zeile 5) ist die Punktset- Stoffeintrag (Zeile 10) entlang der Trasse kann auf der Grund-
zung für die Untersuchungsfelder in den Bereichen Bodenkunde lage der geochemischen Befunde des Ist-Zustandes und der
und Hydrogeologie nahezu identisch, wobei besondere Risiken bodenkundlichen Untersuchungsparameter sowie anhand ver-
für das Grundwasser durch Stoffeintrag aufzuzeigen und gege- gleichbarer, bereits bestehender Trassenabschnitte auf ähnlichem
benenfalls durch Ergänzungsuntersuchungen zu verfolgen sind. geologischem Untergrund abgeschätzt werden. Stoffeintrag kann
Zu den schwerwiegenden Auswirkungen des Vorhabens auf sich auf den Boden und über die Bodenpassage auf die Grund-
das Schutzgut Boden (Geosphäre) einschließlich der Wechselwir- wasserbeschaffenheit auswirken.
kungen zählt beim Bundesfernstraßenbau der Flächenverbrauch Hinsichtlich der Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minde-
(Zeile 6), dessen Bedeutsamkeit maßgeblich von den Bodenei- rung der zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf das
genschaften und den Empfindlichkeiten der betroffenen Böden Schutzgut Boden (Geosphäre) sind Vorschläge aus geowissen-
abhängt. schaftlicher Sicht (Zeile 11) zu Geotop-, Boden- und Grundwas-
Überprüft werden sollten ferner die Beeinträchtigungen des serschutz sowie zur Rohstoffsicherung zu machen. Bei ingenie-
Grundwasserhaushaltes, die durch Versiegelung (von Fahrbah- urgeologischen Risiken im Untergrund der Trasse oder entlang
nen, Parkplätzen, Bauwerken) und verstärkte Oberflächenentwäs- dieser sind Sicherungsmaßnahmen zu benennen.
serung entlang der Trassen auftreten können. Gleichzeitig sind
hinsichtlich des Flächenverbrauchs auch die Auswirkungen auf 3.3.3.2 Schutzgut Grundwasser
bestehende oder künftige Wasserschutzgebiete sowie auf ander- Bei Bau und Änderung von Bundesfernstraßen sind zur flächen-
weitige Grundwassernutzungen (Privatbrunnen, Mineral- und deckenden Beschreibung des Schutzgutes Grundwasser im Tras-
Heilwasserförderung u. a.) zu überprüfen. Soweit Lagerstätten- sen- und im Einwirkungsbereich entsprechende Kartenwerke
vorkommen durch das Vorhaben tangiert werden, sind Fragen heranzuziehen.
der Rohstoffsicherung abzuklären. Zu erwartende Nutzungsver- Hierbei ist die Entfernung zu Wassergewinnungsanlagen
luste sind abzuschätzen und nach Möglichkeit zu quantifizieren. (Zeile 12) mit den zugehörigen Wasser- und Heilwasserschutzge-
Bei Trassenbauten sind in der Regel in Abhängigkeit von bieten, insbesondere deren Schutzzonenausweisung, zu beachten.
den topographischen Gegebenheiten Veränderungen des Reliefs Um Kenntnisse zur Vorbelastung des Grundwassers (Zeile 13)
(Zeile 7) zu erwarten. Letztere hängen je nach Gradientenfüh- zu gewinnen, sind für eine eventuelle spätere Beweissicherung
rung der Linienbestimmung von der geomorphologischen Aus- die hydrochemischen Verhältnisse, vor allem ihre anthropogene
gangssituation des Geländes ab. Überprägung, zu ermitteln. Hierbei sollten hydrochemische
Gelegentlich können hierbei auch schutzwürdige Geotope Kartenwerke und vorhandene Analysendaten von Grundwasser-
betroffen sein, die zu beachten sind. Jede geplante Reliefverän- Messstellen genutzt werden.
derung ist mit Risiken für die Böden verbunden, deren Größen- Angaben über die Empfindlichkeit des Grundwasserleiters
ordnung abzuschätzen ist. (Zeile 14) lassen sich geologischen und hydrogeologischen Spe-
Reliefveränderungen durch Trassenbauten (Einschnitte, zialkarten und Bohrdaten entnehmen.
Dammbauwerke, Massenüberschuss-Ablagerungen) können sich Zur Charakterisierung möglicher Wechselwirkungen mit
auf Standsicherheit und Tragfähigkeit des Bauwerkuntergrundes Oberflächengewässern (Zeile 15) in Tal- und Flussauen sind
und des angrenzenden Geländes auswirken. die hydrodynamischen Verhältnisse insbesondere in Form von
Zur Abschätzung der ingenieurgeologischen Betroffenheiten Karten und Schnitten darzustellen; Hinweise dazu ergeben sich
und damit verbundener Risiken sind zur Erstellung standsicherer durch Daten von Grundwasser-Messstellen und Pegeln.
Bauten die generellen Baugrundverhältnisse sowie die Berech- Die voraussichtlichen qualitativen und quantitativen Auswir-
nungskennwerte für Locker- und Festgesteine zu ermitteln sowie kungen des Vorhabens auf das Grundwasser einschließlich der
erforderliche Sicherungsmaßnahmen für die Bauphase und auf Wechselwirkungen sind darzulegen.
Dauer einzuplanen. Zur Abschätzung von Grundwasserabsenkung, -anstieg
Bezüglich Bodenabtrag im Trassenbereich und Erosion in (Zeile 16) müssen Grundwasser-Messreihen unter Zugrundele-
den Randbereichen (Zeile 8) sind alle bodenkundlichen Para- gung von geowissenschaftlichen Kartenwerken (z. B. Bodenkar-
meter besonders hinsichtlich des Bodenschutzes zu überprüfen. ten, hydrogeologische Karten) ausgewertet werden.
234 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
Zur Abschätzung der Änderung der Neubildung (Zeile 17) sicherung durchgeführt werden, wenn eine Veränderung der
1 sollte dasselbe Verfahren wie bei Zeile 16 angewandt werden. Grundwasserverhältnisse (Grundwasseranstieg, -absenkung,
Zur Veränderung von Grundwasserströmen (Zeile 18) kann es -fließrichtung) durch Bau und Änderung einer Bundesfernstraße
2 durch tiefgründende Baumaßnahmen (Trogbauwerke, Stütz- und zu erwarten ist.
Brückenbauten) kommen. Informationen hierzu lassen sich aus Eine geotechnische Dokumentation ist angezeigt, wenn Ri-
hydrogeologischen und ingenieurgeologischen Unterlagen und siken von Baugrund und geologischem Untergrund ausgehen
3 Kartenwerken entnehmen. können und sich das Vorhaben dadurch auch auf benachbarte
Eine mögliche Veränderung der Grundwasserqualität Kultur- und sonstige Sachgüter auswirken könnte.
4 (Zeile 19) ist anhand von hydrochemischen Daten (Analysen, In der flächendeckenden Beschreibung der Nutzung durch
Kartenwerke) abzuschätzen. Land- und Forstwirtschaft (Zeile 28) sind insbesondere das Relief
5 Hinsichtlich der Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minde- sowie die Böden mit ihren Eigenschaften und ihrem Wasserhaus-
rung der zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf das halt sowie ihren Funktionen darzustellen.
Schutzgut Grundwasser sind Vorschläge aus geowissenschaftlicher Die von der Wasserwirtschaft (Zeile 29) genutzten bzw. für
6 Sicht (Zeile 20) zu machen. Art und Umfang dieser Maßnahmen eine Nutzung vorgesehenen Flächen wie Wasser- und Heilquel-
hängen von der geologischen Gegebenheit und den Baugrund- lenschutzgebiete, sonstige Grundwassernutzungen, Trinkwasser-
7 eigenschaften im Bereich und entlang der Trasse sowie von Art, speicher, Grundwasservorranggebiete, Retentionsflächen u. a.
Dimension, Eingriffsbreite und -tiefe des Vorhabens ab. sind in Plänen darzustellen. Die Grundwasserentnahmen sind
quantitativ zu erfassen. Ebenso ist die Grundwasserbeschaffen-
8 3.3.3.3 Schutzgut Landschaft heit zu dokumentieren.
Zur flächendeckenden Beschreibung des Schutzgutes Landschaft Der Einwirkungsbereich (Breiten- und Tiefenwirkungen) des
9 im Bereich und im Einwirkungsbereich der Trasse sind topo- Vorhabens einschließlich der Wechselwirkungen ist im höchsten
graphische Karten und Bodenkarten heranzuziehen. Der Ist- Maße abhängig vom geologischen Untergrund (Poren-, Kluft-
10 Zustand der Geländemorphologie (Zeile 21) ist darzustellen. oder Karstaquifer) sowie von Art und Mächtigkeit der Grund-
Zudem müssen die generellen Baugrundverhältnisse bekannt wasserüberdeckung und dem Relief.
sein, um mögliche geomorphologisch bedingte Risiken abschät- Zu beschreiben sind anhand von Rohstoffkarten die im Ein-
11 zen und eventuell erforderliche Sicherungsmaßnahmen festlegen wirkungsbereich der geplanten Trasse liegenden Abbau-, Kon-
zu können. zessions- und Reserveflächen der Rohstoffwirtschaft (Zeile 30),
12 Bei der Beschreibung der prägenden Strukturelemente die Art der Rohstoffe, deren Bedeutung für die Rohstoffvorsorge
(Zeile 22) sind topographische Karten auszuwerten. Zudem müs- sowie Ausdehnung, Mächtigkeit und Überdeckung der Rohstoff-
sen die schutzwürdigen Geotope berücksichtigt werden. vorkommen.
13 Naturräumliche Besonderheiten (Zeile 23) sind in derselben Die von den Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgut
Weise wie bei Zeile 22 darzustellen. Die durch die naturräumli- Landschaft ausgehenden Wechselwirkungen auf die geomorpho-
14 chen Besonderheiten bedingten Risiken und Wechselwirkungen logischen, geologischen, hydrogeologischen und geotechnischen
sind zu benennen. Gegebenheiten und deren Einfluss auf Kultur- und sonstige Sach-
15 Bei der Beschreibung der Auswirkungen des Vorhabens auf güter (Zeile 31) sind zu betrachten und abzuschätzen.
das Schutzgut Landschaft einschließlich der Wechselwirkun- Der sich auf die Land- und Forstwirtschaft (Zeile 32) auswir-
gen ist eine mögliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes kende Flächenverbrauch und die Beeinträchtigung der Qualität
16 (Zeile 24) entsprechend der Beschreibung des Ist-Zustandes des in Anspruch genommenen Bodens – einschließlich des durch
(Zeilen 21–23) darzustellen. Baufahrzeuge beeinflussten längs der Trasse – sind zu ermitteln.
17 Verlust und Beeinträchtigung naturräumlicher Besonderheiten Die zu erwartenden Änderungen des Bodens durch Erosion
(Zeile 25) sind vor allem hinsichtlich schutzwürdiger Geotope und Stoffeintrag sowie die Einflüsse auf den Bodenwasserhaus-
zu beschreiben. halt sind abzuschätzen.
18 Hinsichtlich der Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minde- Geplante Abholzungen sind hinsichtlich der landschafts-
rung der zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens auf das schützenden Funktion eines Waldes insbesondere bei starkem
19 Schutzgut Landschaft – insbesondere auf schutzwürdige Geo- Relief zu betrachten.
tope – sind Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht (Zeile 26) Vorhandene und geplante Nutzungen der Wasserwirtschaft
20 zu machen. Dazu gehören auch auf die geomorphologischen und (Zeile 33) können nachteilig beeinflusst werden bei Eingriffen in
geologischen Gegebenheiten abgestimmte ingenieurgeologische einen empfindlichen Grundwasserleiter durch Änderungen der
Empfehlungen für Sicherungsmaßnahmen. Hierbei sind insbe- Wechselwirkungen zwischen Grundwasser und Oberflächenge-
21 sondere die von den Georisiken möglicherweise ausgehenden wässern, Grundwasserabsenkung und -anstieg, Änderung der
Wechselwirkungen zu beachten. Neubildung sowie Veränderungen der Grundwasserqualität bei
22 Stoffeintrag.
3.3.3.4 Kultur- und sonstige Sachgüter; Diese möglichen quantitativen und qualitativen Auswirkun-
vorhandene und geplante Nutzungen gen eines Vorhabens auf die Wasserwirtschaft sind zu ermitteln
23 Für Kultur- und sonstige Sachgüter (Zeile 27) sollte im Rahmen bzw. abzuschätzen (s. hierzu Zeilen 14–19). In Einzelfällen kön-
der flächendeckenden Beschreibung am Standort und im Ein- nen auch Grundwassermodelle zur Simulierung der Auswirkun-
wirkungsbereich des Vorhabens eine hydrogeologische Beweis- gen auf die wasserwirtschaftlichen Belange erforderlich sein.
3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
235 3
Die Nutzungsverluste der Rohstoffwirtschaft (Zeile 34) durch gemäß § 7 UVPG; er ersetzt keinesfalls eine auf die geologische
Überbauungen, Zerschneidungen und Abbaubeschränkungen Gegebenheit und die Dimension des Vorhabens abzustimmende
(Standsicherheit u. a.) von Rohstoffvorkommen sowie deren Ver- Einzelfallprüfung.
kapselung durch Überschussmaterial sind darzustellen. Ebenso Für die mehrheitliche Anzahl von Straßenbauvorhaben mit
ist zu beschreiben, ob sich das Vorhaben auf schutzwürdige durchschnittlichem Beanspruchungsgrad des Untergrundes in
Geotope, die sich in von der Rohstoffindustrie geschaffenen einer geologischen Situation ohne Besonderheiten gewährleistet
Aufschlüssen befinden, auswirkt (z. B. durch Verfüllung mit dieser erläuterte geowissenschaftliche Untersuchungsrahmen
Überschussmaterial). einen angemessenen Untersuchungsumfang.
Hinsichtlich der Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Min- Hinsichtlich der Anzahl der Punktsetzungen für relevante
derung der zu erwartenden Auswirkungen sind zur Sicherung Untersuchungsfelder ist insbesondere dann von der beispielhaf-
und Erhaltung von Anlagen und Bauwerken sowie zum Schutz ten Tabelle abzuweichen, wenn einerseits sehr einfache bauliche
betroffener Kultur- und sonstiger Sachgüter erforderlichenfalls Eingriffe in einen unproblematischen homogenen geologischen
auch Vorschläge aus geowissenschaftlicher Sicht (Zeile 35) für Untergrund erfolgen (Verringerung der Untersuchungsfelder)
den Erhalt der Tragfähigkeit und Standsicherheit einschließlich oder andererseits sehr komplexe Bauvorhaben mit großer Brei-
Erosionsschutz u. a. zu machen. ten- und Tiefenwirkung in komplizierten heterogenen geologi-
Ferner sind Vorschläge zu unterbreiten zur Vermeidung bzw. schen Gegebenheiten geplant werden (Vermehrung der Unter-
Minderung von Auswirkungen des Fernstraßenbaus auf schutz- suchungsfelder).
würdige Geotope und geologische Naturdenkmale, zu Verbrauch In den meisten Fällen wird bereits im Frühstadium eines
und Beeinträchtigung von wertvollen Böden der Landwirtschaft Verfahrens die Abschätzung möglich sein, ob es sich bezüglich
sowie zur Erhaltung der landschaftsschützenden Funktionen der des erforderlichen Umfangs der geowissenschaftlichen Unter-
Forstwirtschaft. suchungsfelder um ein Vorhaben handelt, für das der Untersu-
Zur Vermeidung bzw. Minderung von quantitativen und chungsrahmen der entsprechenden beispielhaften Tabelle weit-
qualitativen Auswirkungen auf die Belange der Wasserwirtschaft gehend zutrifft, oder eine wesentlich verringerte bzw. vermehrte
sind auf die geologisch-hydrogeologischen Gegebenheiten abge- Anzahl von Untersuchungsfeldern dem Vorhaben angemessen
stimmte Vorschläge zu erarbeiten. ist. Dadurch lässt sich zugleich auch der hierfür erforderliche
Bei unvermeidlichen Nutzungsverlusten, die eine Ersatzwas- Zeitrahmen abschätzen.
serbeschaffung erforderlich machen, sind Hinweise für mögliche Die Punktsetzungen für relevante geowissenschaftliche Unter-
Neuerschließungen von Grundwasser zu geben. suchungsfelder sind im Einzelfall je nach geologischer Gegebenheit
Aus Sicht der Rohstoffsicherung ist gegebenenfalls auf die und Dimension des Vorhabens vom zuständigen Geologischen
Nutzungsmöglichkeit der anfallenden Überschussmassen als Dienst zu entscheiden.
Erdbau- und Zuschlagstoffe für das Vorhaben hinzuweisen. Für
nicht verwertbares Überschussmaterial sind Deponierungsmög-
lichkeiten zu benennen; bei Massendefiziten sind Hinweise auf 3.5 Schriftenverzeichnis
Gewinnungsmöglichkeiten des für Dammbauten, Aufschüttun- zur Umweltverträglichkeitsprüfung
gen und ähnliches benötigten Schüttmaterials zu geben.
Bei Verlust eines Rohstoffvorkommens durch das Straßen- 3.5.1 Rechtsgrundlagen, Prüfungsinhalte
bauvorhaben sind – soweit möglich – Ersatzlagerstätten aufzu- und -methoden
zeigen.
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom
12. Februar 1990 (BGBl. I, S. 205), zuletzt geändert durch Art. 2
3.4 Schlussbemerkungen des Magnetschwebebahnplanungsgesetzes vom 23. Novem-
ber 1994 (BGBl. I, S. 3486)
Dieser bundesweit abgestimmte Leitfaden zur Festlegung des Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ge-
geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens für UVP-pflich- setzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPVwV) vom
tige Vorhaben trägt in verwaltungsbehördlichen Verfahren we- 18. September 1995 (GMBl. 1995, Nr. 32, S. 671)
sentlich bei zu Verfahrensbeschleunigung, Verfahrenssicherheit Zusammenstellung und Übersicht der Rechtsgrundlagen,
und Wirtschaftlichkeit. Prüfungsinhalte und -methoden:
Der in ▶ Abschn. 3.3.3 anhand der beispielhaften . Tab. 3.10; Storm P-C, Bunge T (Hrsg) Handbuch der Umweltverträg-
▶ Abschn. 3.5.2 für das Vorhaben Nr. 8 der Anlage zu § 3 UVPG lichkeitsprüfung (HdUVP) – Ergänzbare Sammlung der Rechts-
„Bau und Änderung einer Bundesfernstraße …“ erläuterte geo- grundlagen, Prüfungsinhalte und -methoden für Behörden,
wissenschaftliche Untersuchungsrahmen der Umweltverträglich- Unternehmen, Sachverständige und die juristische Praxis. Erich
keitsprüfung mit seinen Punktsetzungen für die Betroffenheiten Schmidt Verlag, Berlin
der Schutzgüter bezüglich der UVP-relevanten geowissenschaft-
lichen Untersuchungsschwerpunkte ist eine Orientierungshilfe
bei der Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrah-
mens gemäß § 5 UVPG sowie bei der Überprüfung des Untersu-
chungsberichtes über die Umweltauswirkungen eines Vorhabens
236 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
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15
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18
19
20
21
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23
3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
237 3
.. Tab. 3.4 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 2 Errich-
tung, Betrieb, Stilllegung, der sichere Einschluß oder der Abbau einer ortsfesten kerntechnischen Anlage sowie die wesentliche Änderung der Anlage
oder ihres Betriebes, die der Genehmigung in einem Verfahren unter Einbeziehung der Öffentlichkeit nach § 7 des Atomgesetzes bedürfen.
238 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.5 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 3 Errich-
tung und Betrieb einer Anlage zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder
ihres Betriebes, die einer Planfeststellung nach § 9b des Atomgesetzes bedürfen.
2
3
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
239 3
.. Tab. 3.6 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 4 Errich-
tung und Betrieb einer Deponie sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes, die der Planfeststellung nach § 7 Abs. 2 des
Abfallgesetzes bedürfen.
240 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.7 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 5 Bau und
Betrieb sowie wesentliche Änderung einer Abwasserbehandlungsanlage, die einer Zulassung nach § 18 c des Wasserhaushaltsgesetzes bedürfen.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
241 3
.. Tab. 3.8 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 6 Herstel-
lung, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer sowie Deich- oder Dammbauten, die einer Planfeststellung nach
§ 31 des Wasserhaushaltsgesetzes bedürfen.
242 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.9 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 7 Bergbau-
liche Vorhaben, die der Planfeststellung nach dem Bundesberggesetz bedürfen.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
243 3
.. Tab. 3.10 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 8 Bau
und Änderung einer Bundesfernstraße, die der Planfeststellung nach § 17 des Bundesfernstraßengesetzes oder eines Bebauungsplans nach § 9 des
Baugsetzbuchs bedürfen.
244 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.11 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 9 Bau
und Änderung einer Anlage der Deutschen Bundesbahn, die der Planfeststellung nach § 36 des Bundesbahngesetzes bedürfen.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
245 3
.. Tab. 3.12 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 10
Errichtung und jede Änderung einer Versuchsanlage, die nach dem §§ 2 und 12 des Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur
Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr der Planfeststellung bedürfen.
246 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.13 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 11 Bau
und Änderung einer Straßenbahn, die der Planfeststellung nach § 28 des Personenförderungsgesetzes oder eines Bebauungsplans nach § 9 des Bauge-
setzbuchs bedürfen.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
247 3
.. Tab. 3.14 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 12 Aus-
bau, Neubau und Beseitigung einer Bundeswasserstraße, die der Planfeststellung nach § 14 des Bundeswasserstraßengesetzes bedürfen.
248 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.15 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 13 Anla-
ge und Änderung eines Flugplatzes, die der Planfeststellung nach § 8 des Luftverkehrsgesetzes bedürfen.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
249 3
.. Tab. 3.16 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 14
Schaffung der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen sowie Änderung, Verlegung oder Einziehung vorhandener Anlagen, soweit dafür eine
Planfeststellung nach § 41 des Flurbereinigungsgesetzes erforderlich ist.
250 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
1 .. Tab. 3.17 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 15
Errichtung von Feriendörfern, Hotelkomplexen uns sonstigen großen Einrichtungen für die Ferien- und Fremdenbeherbergung, für die Bebauungspläne
aufgestellt werden.
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3.5 • Schriftenverzeichnis zur Umweltverträglichkeitsprüfung
251 3
.. Tab. 3.18 Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der Anlage zu § 3 UVPG Nr. 16. Errich-
tung und Betrieb einer Rohrleitungsanlage für den Ferntransport von Öl oder Gas sowie die wesentliche Änderung der Anlage oder ihres Betriebes, die
der Genehmigung nach § 19a des Wasserhaushaltsgesetzes bedürfen.
252 Kapitel 3 • Umweltverträglichkeitsprüfung – Leitfaden zur Festlegung des geowissenschaftlichen Untersuchungsrahmens
Literatur
1
Ad-hoc-AG UVP (1995) Geowissenschaftlicher Untersuchungsrahmen der Um-
4.2 Bewerten von Boden- und Felsarten für den Einbau – 263
4.2.1 Feinkörnige Böden – 264
4.2.2 Gemischtkörnige Böden – 266
4.2.3 Grobkörnige Böden – 266
4.2.4 Gebrochenes Felsmaterial bzw. Gestein – 267
4.2.5 Klassifikation zur Verdichtbarkeit von Böden nach ZTVA-StB – 268
Die Natur bietet eine große Vielfalt an Festgesteinen und Böden. Auskunft über Arbeitsanfall beim Bearbeiten, über Eigenschaften
1 Die Variationsbreite reicht von zusammenhängenden, gleich- und Verwendungsmöglichkeiten als Baustoff oder über Belas-
mäßig festen Gesteinsmassen bis zum mehrfachen Wechsel ver- tungsmöglichkeiten als Baugrund.
2 schiedener Gesteine mit unterschiedlichen Festigkeitseigenschaf- Für Aufgaben der Ingenieurgeologie und Geotechnik (Bau-
ten. Die Gesteine können im festen Verbund (massiger Fels), aber grund und Grundwasser) erfolgt die Bodenansprache bei grob-
auch entfestigt bis aufgelockert vorliegen. In den obersten Lagen körnigen Bodenarten durch Zuordnen zu Korngrößenbereichen
3 von Verwitterungsprofilen und tieferreichend in Hanglagen kann nach DIN EN ISO 14688-1 und 14688-2 (▶ Abschn. 1.1.1), bei
Fels/Gestein zusätzlich zur Auflockerung im Trennflächensys- feinkörnigen (bindigen) Bodenarten nach den plastischen Ei-
4 tem (physikalische Verwitterung) im unterschiedlichen Grade genschaften (DIN 18196), bei Festgesteinen nach Druckfestigkeit
durch chemische Verwitterung verändert sein (▶ Abschn. 1.2.3 und Trennflächenabstand.
5 und 2.3.2 bis 2.3.13). Bei Teilverwitterung in Form der „Wollsack- Für Aufgaben der bodenkundlichen Standortbeurteilung
verwitterung“ sind von den ehemaligen Kluftkörpern nur noch (Nutzungspotential und Wasserhaushalt des Bodens) erfolgt die
Gesteinsblöcke erhalten, welche schalenartig von Verwitterungs- Bodenansprache bei grobkörnigen Bodenarten durch Zuordnen
6 material umgeben sind. Ein solcher Baugrund kann als Boden zu Korngrößenbereichen nach DIN 4220.
mit Blöcken benannt werden. Lockermassen aus Steinen und Blöcken (Lockergesteine
7 Bei Schichtgesteinen und Gneis können leichter verwitter- i. e. S.) werden in keiner der Klassifikationen ausreichend be-
bare Schichten mit verwitterungsresistenten Schichten wechseln. rücksichtigt und müssen individuell beschrieben werden.
Bei solchen teilverwitterten Gesteinsfolgen kann ein Nebenein-
8 ander und Übereinander von Boden und Fels vorliegen. Bei gro-
ßen und sehr großen Blöcken (> 3 bis 5 m3) kann der Hauptanteil 4.1.1 Bodenklassifikation für bautechnische
9 des Untergrundes aus Felsblöcken bestehen. Zwecke nach DIN 18196
Bei großen Mächtigkeiten im Verwitterungsprofil (mehrere
10 Zehn Meter) können tief liegende kristalline Gesteine gleichmä- Die Norm bezieht sich auf Lockermaterial in Form von anste-
ßig verwittert, höher liegende ehemalige Gesteinslagen zergrust hendem Boden, umgelagertem Boden, natürlichen und künst-
und zersetzt sein (Granitzersatz, Gneiszersatz). Derartiger Ge- lichen Mineralstoffen und Recyclingbaustoffen. Die zu einer
11 steinszersatz ist typisch für Verwitterung im tropischen Klima Gruppe zusammengefassten Böden haben als Baugrund oder
und kommt auch fossil unterhalb bestimmter Gesteinsformati- als Baustoff annähernd gleiche Eigenschaften bei Festigkeit,
12 onen vor. Wasserempfindlichkeit, Verformbarkeit, Verdichtungsfähigkeit,
Entsprechend dieser Vielfalt kennt die Geologie sehr viele Durchlässigkeit, Frostempfindlichkeit und Erosionsempfind-
Fachausdrücke, die nicht nur das Gestein beschreiben, sondern lichkeit.
13 auch die Gesteinsentstehung, das Gesteinsalter, die Gesteinsge- DIN 18196 unterscheidet die nachstehend genannten Haupt-
schichte und die Gesteinsveränderung im Laufe der Gesteinsge- gruppen und Gruppen und enthält für die Unterteilung und
14 schichte erklären. Einstufung in 5 Tabellen zahlenmäßige Festlegungen, Erken-
Die auf den jeweiligen Bauzweck ausgerichtete geologische nungsmerkmale, Beispiele und Anmerkungen zu bautechnischen
15 Untersuchung ist dem Ingenieur und Baumeister sehr wichtig. Eigenschaften und bautechnischer Eignung.
Die Anwendung der erwähnten Fachvokabeln ist diesem Kreis
jedoch wenig nützlich. Die umschriebenen Schwierigkeiten in zz Grobkörnige Böden
16 der Verständigung werden durch die Methode der Bodenklassi- Grobkörnige Böden sind Böden mit mehr als 95 % Massenan-
fikation versuchsweise gelöst. teilen > 0,06 mm.
17 Bei grobkörnigen Böden richtet sich das Zuordnen zu ei-
ner Gruppe nach den Massenanteilen der Korngrößenbereiche
4.1 Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen Kies und Sand. Gemische mit mehr als 40 % Kiesanteil heißen
18 Kies.
Klassifikation ist die bestehende Gruppeneinteilung der Böden Die Gruppen der grobkörnigen Böden sind Kies enggestuft
19 und Felsarten in Klassen für bautechnische Zwecke mit festge- (GE), Kies weitgestuft (GW), Kies intermittierend gestuft (GI),
legten Merkmalen und Kriterien. Sand enggestuft (SE), Sand weitgestuft (SW) und Sand intermit-
20 Klassifizieren ist das Neuaufstellen oder Neuformulieren sol- tierend gestuft (SI).
cher Gruppen oder Klassen für bautechnische Zwecke.
Zuordnen: Es ist Aufgabe des Geotechnikers, den Baugrund/ zz Gemischtkörnige Böden
21 Untergrund als Boden und/oder Fels für den bautechnischen Gemischtkörnige Böden sind Böden mit über 60 % Massen-
Zweck zu untersuchen, zu benennen und, soweit festgelegt, einer anteilen > 0,06 mm. Der Feinkornanteil liegt zwischen 5 und
22 bestimmten fallbezogenen Klasse zuzuordnen. 40 %.
Damit konzentriert sich die Geotechnik auf eine Einengung Bei gemischtkörnigen Böden richtet sich das Zuordnen zu
der großen Vielzahl von Gebirgsarten, Gesteinen, Böden und einer Gruppe nach den Massenanteilen der Korngrößenbereiche
23 Lockermaterial in wenige überschaubare Gruppen mit rein stoff- Kies und Sand sowie der Art des Feinkorns. Gemische mit mehr
licher Information. Solche Informationen geben z. B. qualitative als 40 % Kiesanteil heißen Kies-Gemische.
4.1 • Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen
255 4
zz Feinkörnige Böden
Feinkörnige Böden sind Böden mit mehr als 40 % Massenantei-
len < 0,06 mm.
Bei feinkörnigen Böden richtet sich das Zuordnen zu ei-
ner Gruppe nach den plastischen Eigenschaften und der Lage
auf dem Plastizitätsdiagramm nach Casagrande (DIN 18196, .. Abb. 4.1 Plastizitätsdiagramm nach Casagrande für das Zuordnen
. Abb. 4.1). Die Gruppen der feinkörnigen Böden sind leicht feinkörniger Böden nach ihrem Wassergehalt bei der Fließgrenze wL und der
Plastizitätszahl IP
plastischer Schluff (UL), mittelplastischer Schluff (UM), ausgeprägt
zusammendrückbarer Schluff (UA), leicht plastischer Ton (TL),
mittelplastischer Ton (TM) und ausgeprägt plastischer Ton (TA). (VOB) regelt Rechte und Pflichten von Auftraggebern und Auf-
tragnehmern. Die geltenden Verfahrensregeln sind den EG-Be-
zz Organogene Böden stimmungen angeglichen oder setzen diese für den Bau-bereich
Organogene Böden sind grobkörnige, gemischtkörnige oder in Deutschland um.
feinkörnige Böden mit bis etwa 20 % Massenanteil an organi-
schen Beimengungen.
- Auf DIN 18196 beziehen sich:
Einstufung von Boden und Fels bei Erdarbeiten: DIN 18300
Bei organogenen Böden richtet sich das Zuordnen zu einer
Gruppe nach der Bodenart, der Art der organischen Beimen-
- VOB/C (ATV);
Einstufung von Boden und Fels bei Bohrarbeiten:
gungen, nach den plastischen Eigenschaften und auch nach
Merkmalen einer Verkrustung oder Ausscheidung von Kalk oder
- DIN 18301 VOB/C (ATV);
Einstufung von Boden und Fels bei Nassbaggerarbeiten:
Kieselsäure.
Die Gruppen der organogenen Böden sind Schluffe mit orga-
- DIN 18311 VOB/C (ATV);
Vortriebsklassen bei Untertagebauarbeiten: DIN 18312
nischen Beimengungen (OU), Tone mit organischen Beimengun-
gen (OT), grob- und gemischtkörniger Boden mit Beimengungen
- VOB/C (ATV);
Einstufung von Boden und Fels bei Rohrvortriebsarbeiten:
humoser Art (OH) und grob- und gemischtkörniger Boden mit
kalkigen und/oder kieseligen Bildungen (OK).
- DIN 18319 VOB/C (ATV);
zulässige Belastung des Baugrundes: DIN 1054,
- DIN EN 1997-1;
Beurteilen der anstehenden Boden- und Felsarten für den
-
zz Organische Böden
Organische Böden sind (im trockenen Zustand) brenn- oder Einbau: ZTVE-StB 09;
schwelbare Böden. Sie bestehen aus organischer Substanz und Beurteilen des Bodens für Bodenverfestigung und Boden-
können Ton, Schluff und Sand enthalten.
Bei organischen Böden richtet sich das Zuordnen nach dem
- verbesserung im Straßenbau: ZTVE-StB 09;
Anforderungen an den Verdichtungsgrad DPr bei grob-,
Zersetzungsgrad der organischen Substanz. Die Gruppen der or-
ganischen Böden sind Torf, nicht bis mäßig zersetzt (HN), Torf,
- gemischt- und feinkörnigen Böden: ZTVE-StB 09;
Klassifikation von Bodengruppen der Frostempfindlichkeit
zersetzt (HZ) und Faulschlamm (F).
Vertragsbedingungen für Bauleistungen“ – ATV und für die „Zu- In den „Zusätzlichen Technischen Vorschriften und Richtlinien
sätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Ausführung von Lärmschutzwänden an Straßen, Er-
für Erdarbeiten im Straßenbau“ – ZTVE-StB. Die ATV-Normen gänzungen: Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen für Bohr-
DIN 1829 bis 1845 sind in der „Vergabe und Vertragsordnung pfahlgründungen und Stahlpfosten von Lärmschutzwänden an
für Bauleistungen“ VOB Teil C verankert. Davon befassen sich Straßen“ (ZTV-Lsw 88, Ergänzung 97, Anhang B) werden in der
DIN 18300 bis DIN 18320 mit Erdarbeiten oder erdnahen Ar- dort aufgeführten Tabelle der Bodengruppen für die Regelfälle
beiten. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Bodengruppen nach DIN 18196 unter A, B oder C (Boden) zu-
256 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
1 .. Tab. 4.1 Anforderungen an Boden bei Pfahlgründungen nach den „Zusätzlichen Technischen Vorschriften und Richtlinien für die Ausführung von
Lärmschutzwänden an Straßen (ZTV-Lsw) Ergänzungen: Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen für Bohrpfahlgründungen und Stahlpfosten von
Lärmschutzwänden an Straßen, Ergänzung 97, Anhang B“. Soweit nicht anders festgelegt, können die hier genannten Mindestanforderungen auch auf
2 andere Anwendungsfälle übertragen werden
Boden Boden- Bodenmecha- Lage- Verdich- Spitzen- Schlagzahlen N10 Charakteristische Werte
3 gruppe
nach
nische Bezeich-
nung
rungs-
dichte
tungs-
grad
wider-
stand
der Rammsonden der Bodenkenngrößen
6 A Grob-
körnige
Sande, Kiese Mittel-
dicht
97 ≥ 7,5 ≥ 16 ≥ 11 ≥6 19 35 0
Böden
7 GW.GI.GE,
SW.SI.SE
9
GU , GT, G Tonen steif
T , SU, SU ,
ST, ST
12
13
sammengefasst (. Tab. 4.1). Hierzu werden die Anforderungen
an den Boden hinsichtlich Lagerungsdichte1/Konsistenz, Verdich-
tungsgrad, Spitzenwiderstand der Drucksonde, Schlagzahlen N10
der Rammsonden und die charakteristischen Werten der Boden-
-- Die Klassen heißen:
Klasse 1: Oberboden
Definition nach DIN 18300:
Oberste Schicht des Bodens, die neben anorganischen
14 kenngrößen Wichte, Reibungswinkel und Kohäsion genannt. Stoffen, z. B. Kies-, Sand-, Schluff- und Tongemischen,
auch Humus und Bodenlebewesen enthält.
15 4.1.2 Boden- und Felsklassen für den Zustand
Die in diese Klasse einzustufenden Böden werden in
DIN 18196 und DIN 4023 als Mutterboden bezeichnet. Hie-
beim Lösen nach DIN VOB-Teil C (2016), runter wird vorrangig die durch land- oder gartenwirtschaft-
16 ATV DIN 18300 (2006) und ZTVE-StB 09 liches Bearbeiten aufgelockerte Bodenschicht verstanden.
Baumstümpfe, Baumwurzeln oder verfilzte Grasnarben kön-
17 Boden und Fels sind entsprechend ihrem Zustand beim Lösen nen eine Arbeitserschwernis darstellen. Sie sind gesondert
einer von sieben Klassen (Boden- und Felsklassen) zuzuordnen. aufzuführen und gegebenenfalls durch Begriffe wie „Waldbo-
18
19
Im Gegensatz zu früheren Ordnungssystemen beruht diese Klas-
sifikation nicht auf dem Beschreiben der Schwierigkeit der Ar-
beitsausführung beim Lösen (z. B. „Hackboden“, „Schießfels“),
sondern auf bodenmechanischen und geologischen Kriterien.
-- den“, „Wurzelboden“ oder „Wiesenboden“ zu kennzeichnen.
Klasse 2: fließende Bodenarten
Definition nach DIN 18300:
Bodenarten, die von flüssiger bis breiiger Beschaffenheit
Die Art des Lösens, wie z. B. Baggern oder Sprengen, ist nicht sind und die das Wasser schwer abgeben.
20 das Kriterium der Zuordnung. Nach ZTVE-StB gehören zu dieser Klasse:
In ZTVE-StB werden die Gruppen nach DIN 18196 auf- 1. organische Böden der Gruppen HN, HZ und F;
gezählt, welche diesen definierten Klassen zuzuordnen sind. 2. feinkörnige Böden der Gruppen UL, UM, UA, TL, TM,
21 DIN 18299 und DIN 18300 sind als Anhang in ZTVE-StB 94/97 TA sowie organogene Böden und Böden mit organischen
enthalten. Beimengungen der Gruppen OU, OT, OH und OK, wenn
22 sie eine breiige oder flüssige Konsistenz (Ic < 0,5) haben;
3. gemischtkörnige Böden der Gruppen SU, ST, GU und GT,
1 Zu beanstanden ist die Verwendung des Wortes „Lagerungsdichte“. Hier ist
wenn sie eine breiige oder flüssige Konsistenz haben.
23 von einer bestimmten Dichte die Rede. Der dimensionslose Verhältniswert
Die Zugehörigkeit der Böden nach 2. und 3. zur Klasse 2
„Lagerungsdichte“ ergibt sich aus der Bestimmung der Dichte grobkörni-
ger Böden (Sande) bei lockerster und dichtester Lagerung nach DIN 18126 setzt als weiteres Kennzeichen voraus, dass sie beim Lösen
und ist nicht identisch mit der Bodenkenngröße „Dichte“. ausfließen.
4.1 • Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen
257 4
Das Ausfließen von grobkörnigen Böden der Gruppen SW, durch Gefügeeinregelung und Reibung bewirkt wird. Die
SE, SI, GW, GI und GE ist dagegen kein kennzeichnendes eingeregelten Kies- und Steinmassen sind standfest und
-- Kriterium.
Klasse 3: leicht lösbare Bodenarten
Definition nach DIN 18300:
Nichtbindige bis schwachbindige Sande, Kiese und
rutschen in der Böschung nicht nach. Eingeregeltes Kies-
und Steinmaterial ist nur begrenzt baggerfähig und bedarf
besonderer Arbeitsgänge zum Aufbrechen des Gefüges,
z. B. durch Reißen oder Aufsprengen mit Wasserkanonen.
Sand-Kies-Gemische mit bis zu 15 % Beimengungen Besondere Schwierigkeit bietet der Nassabbau.
an Schluff und Ton (Korngröße < 0,06 mm) und mit Die allein auf Stückgrößen und Prozentanteilen beruhende
höchstens 30 % Steinen von über 63 mm Korngröße bis Klassifikation nach DIN 18300 ist hier nicht ausreichend.
-
zu 0,01 m3 Rauminhalt2. (Nach Aufbruch des Interngefüges ist das Material bei
Organische Bodenarten mit geringem Wassergehalt, gleicher Stückgrößenverteilung der Klasse 3 oder 4 zuzu-
z. B. feste Torfe. ordnen!) Das Zuordnen zur Klasse 4 oder 5 bedarf einer
Nach ZTVE-StB 09 gehören zu dieser Klasse: ergänzenden Nennung und Beschreibung der beim Abbau
1. grobkörnige Bodenarten der Gruppen SW, SI, SE, GW, GI
und GE;
2. gemischtkörnige Böden der Gruppen SU, ST, GU und
GT;
-- zu erwartenden Schwierigkeiten.
Klasse 6: leicht lösbarer Fels und vergleichbare Bodenarten
Definition nach DIN 18300:
Felsarten, die einen inneren, mineralisch gebundenen
3. Torfe der Gruppe HN mit geringem Wassergehalt, soweit Zusammenhalt haben, jedoch stark klüftig, brüchig,
-
Gemische von Sand, Kies, Schluff und Ton mit mehr als chemische Bindungen.
-
15 % der Korngröße kleiner als 0,06 mm. Nichtbindige und bindige Bodenarten mit mehr als 30 %
Bindige Bodenarten von leichter bis mittlerer Plastizität, Steinen von über 0,01 bis 0,1 m3 Rauminhalt.
die je nach Wassergehalt weich bis halbfest sind und die Nach ZTVE-StB 09 gehören zu dieser Klasse:
höchstens 30 % Steine von über 63 mm Korngröße bis 1. Fels, der nicht den Kriterien der Klasse 7 entspricht;
zu 0,01 m3 Rauminhalt enthalten. 2. Bodenarten der Klassen 4 und 5 mit fester Konsistenz.
Nach ZTVE-StB 09 gehören zu dieser Klasse: Wird zur Erleichterung des Lösens durch Bohr- oder
1. feinkörnige Böden der Gruppen UL, UM, UA, TL und TM;
2. gemischtkörnige Böden der Gruppen SU, ST, GU und GT;
3. organogene Böden und Böden mit organischen Beimen- -- Sprengarbeit gelockert, ändert sich die Einstufung nicht.
Klasse 7: schwer lösbarer Fels
Definition nach DIN 18300:
- -
0,01 m3 Rauminhalt. dergleichen.
Nichtbindige und bindige Bodenarten mit höchstens Steine von über 0,1 m3 Rauminhalt.
-
30 % Steinen von über 0,01 bis 0,1 m3 Rauminhalt. Nach ZTVE-StB 09 gehören zu dieser Klasse:
Ausgeprägt plastische Tone, die je nach Wassergehalt 1. angewitterter und unverwitterter Fels mit durch Trenn-
weich bis halbfest sind. flächen begrenzten Gesteinskörpern, deren Rauminhalt
-
Nach ZTVE-StB 09 gehören zu dieser Klasse: mehr als 0,1 m3 beträgt
feinkörnige Böden der Gruppen TA und OT bei weicher 2. Schlackenhalden gehören zu dieser Klasse nur, soweit es
bis halbfester Konsistenz. sich um verfestigte Schlacken handelt.
Nach dem Stein- und Blockanteil gehören zur Klasse 5 Wird zur Erleichterung des Lösens durch Bohr- oder
blockreiche Moränen, Flussablagerungen, Murkegelabla- Sprengarbeit gelockert, ändert sich die Einstufung nicht.
gerungen und Hangschutt, wenn sie den in der Definition
genannten Blockgrößen und Blockanteilen entsprechen. zz Geologische Kriterien für das Klassifizieren von Fels
Einer besonderen Beurteilung bedürfen nicht verfestigte Das Klassifizieren von Fels nach geologischen Gesichtspunkten
(nicht mineralisch gebundene) Lagen aus Kies und Stei- in die Klasse 6 (leicht lösbarer Fels) oder 7 (schwer lösbarer Fels)
nen mit Dachziegellagerung („Imbrikation“, z. B. in Schüt- sowie zum Unterscheiden zwischen reißbar und nicht reißbar
tungen von Gebirgsbächen). Im natürlichen Verbund kön-
nen sie einen sehr festen Zusammenhalt aufweisen, was
-
berücksichtigt folgende Kriterien:
Felsart
(glasig, porphyrisch, körnig, ophitisch etc.). Die Struktur An natürlich vorgegebenen bevorzugten Spaltrichtungen
-
1 gibt technische Aussagen zur Körnigkeit und Korngröße. (Anisotropien) ist der mineralisch gebundene Zusammenhalt
Gefüge im Gestein weniger stark ausgebildet. Dies muss bei technischen
2 „Raumdaten im Inneren eines betrachteten Bereiches“ Prüfungen beachtet werden.
--
(Sander 1948). Diese Raumdaten sind: Aus der geologisch-petrographischen Benennung kann für
Korngefüge; frische, unverwitterte Gesteine auf den inneren mineralischen
3
--
Trennflächengefüge; Zusammenhalt und die Druckfestigkeit geschlossen werden.
Kluftweite; Die Größenordnung der Druckfestigkeit kann Tabellenwerten
--
4 Klüftigkeitsziffer; entnommen werden (. Tab. 1.35). Unterschieden werden harte,
Kluftabstand (Trennflächenabstand); mäßig harte, mäßig mürbe, mürbe und sehr mürbe Gesteine
-
5 Kluftkörperform; (▶ Abschn. 1.2).
Durchtrennungsgrad. Mürbe Gesteine haben entweder einen primär geringen Ver-
-
Genetisch wird unterschieden zwischen: festigungsgrad oder sind durch Verwitterung im mineralischen
6 Großgefüge als Primärgefüge: Schichtung, Bankung, Zusammenhalt entfestigt.
-
Absonderung; Die vom mineralisch gebundenen Zusammenhalt vorgege-
7 Großgefüge als Sekundärgefüge: Klüftung, Schieferung, benen Grenzen zwischen Klasse 6 (leicht lösbarer Fels) und 7
Bankung. (schwer lösbarer Fels) sowie zwischen reißfähig und nicht reiß-
fähig liegen im massigen und sehr weitständig geklüfteten Fels
8 Das Gefüge gibt technische Aussagen zum Hohlraumvolumen im Druckfestigkeitsbereich zwischen 5 und 12,5 MN m−2 (mäßig
(Korngefüge: Porenvolumen; Klüftigkeitsziffer und Kluftweite: mürb). Mit zunehmendem Trennflächenabstand in Schichtung
9 Klufthohlraumvolumen) und zur Festigkeit. und Klüftung verschieben sich die Grenzen in Richtung druck-
Die Festigkeit eines Gesteins wird weiterhin von Inhomoge- festere Gesteine (Klasse 7).
10
11
- --
nitäten und Anisotropien beeinflusst. Hierzu zählen:
Verwitterungsgrad:
unverwittert;
kkGefügefestigkeit
Festgesteinsmassen sind meist an Trennflächen zerlegt und in
--
angewittert; Kluftkörper aufgeteilt.
teilverwittert; Messbare Größen zur Gefügefestigkeit sind Schicht- oder
- ---
12 verwittert (im Kornverband entfestigt); Bankungsstärke, Trennflächenabstand (Kluftabstand), Durch-
zersetzt. trennungsgrad, Raumstellung der Trennflächen und die sich
räumliches Ausmaß der Verwitterung: hieraus ergebende Kluftkörperform und Kluftkörpergröße.
13 gleichmäßige Verwitterungstiefe; Aus der Vielzahl möglicher Gefügedaten und aus der Be-
--
ungleichmäßige Verwitterung im Trennflächengefüge; rücksichtigung möglicher Inhomogenitäten und Anisotropien
14 ungleichmäßige Verwitterung im Schichtaufbau; ergibt sich, dass keines dieser Merkmale als generelles Klassifi-
ungleichmäßige Verwitterung strukturlos im Gesteins- zierungsmerkmal gelten kann. Zum Klassifizieren sind mehrere
15
16
- -- körper.
Gesteinslagerung:
Streichen und Einfallen der Schichten;
söhlige, flache, geneigte, steile, senkrechte Lagerung.
Merkmale zu beurteilen und zu gewichten. Für das Zuordnen
zur Klasse 6 oder 7 können Tendenzen ausgesprochen und
bewertet werden, z. B. nach zahlenmäßiger Festlegung (Paul
1996).
17 zz Geotechnische Kriterien für das Klassifizieren von Fels zz Bewerten der geologischen und geotechnischen
Das Klassifizieren von Fels nach geotechnischen Gesichtspunk- Kriterien
ten in die Klasse 6 (leicht lösbarer Fels) oder 7 (schwer lösbarer
18 Fels) nach DIN 18300 sowie zum Unterscheiden zwischen reiß-
kkPetrographie (innerer, mineralisch gebundener
Zusammenhalt, Druckfestigkeit)
bar und nicht reißbar basiert auf den Kriterien „innerer, mine- Nach Petrographie und innerem, mineralisch gebundenem Zu-
19 ralisch gebundener Zusammenhalt der Gesteine“ und „Gefüge- sammenhalt tendieren zur Felsklasse 7 magmatische Gesteine,
festigkeit“ (Festigkeit im Felsverband). metamorphe Gesteine und verfestigte Sedimentgesteine wie Quar-
20 zit, Kalkstein, Dolomitstein, Mergelstein, paläozoische Schiefer,
kkInnerer, mineralisch gebundener Zusammenhalt der Sandsteine und Grauwacken, z. T. die mesozoischen Schiefer und
Gesteinsproben Sandsteine der deutschen Mittelgebirge; zur Felsklasse 6 Sediment-
21 Der mineralische Zusammenhalt wird technisch mit der Druck- gesteine mit geringer Verfestigung wie tertiäre Mergelsteine und
festigkeit von Gesteinsproben angegeben. Die Druckfestigkeit Kalksteine sowie veränderlich feste Tonsteine, Mergelsteine und
22 kann direkt als einaxiale Druckfestigkeit und ersatzweise als Sandsteine aus dem Mesozoikum der deutschen Mittelgebirge.
Punktlastfestigkeit gemessen werden. Indirekte Prüfmethoden Diese Gesteine sind stets reißfähig und zum Teil baggerfähig.
bestimmen die Rückprallhärte mit Betonprüfhammer (Prallham-
23 mer nach Schmidt) und/oder die durchschnittliche seismische kkVerwitterungsgrad
Geschwindigkeit im Prüfkörper, gemessen in 3 orthogonalen Von den nach der Petrographie zur Felsklasse 7 tendierenden
Richtungen am Ultraschallgenerator. Gesteinen erfolgt eine weitere Zuordnung nach dem Verwitte-
4.1 • Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen
259 4
einem Rauminhalt > 0,1 m3. Bei stärker geklüfteten Felsgestei- Porphyr, Diabas 700–1600 2000–7000
nen, aber unvollkommener Durchtrennung hat gleichfalls die
im nicht aufgelockerten Gesteinsverband vorliegende mittlere
Kluftkörpergröße Gültigkeit und zählt ab dem Rauminhalt Die Grenze der Reißbarkeit von Gesteinen ist geräteabhängig.
> 0,1 m3 hierzu. Zur Felsklasse 6 tendieren Felsmassen mit en- . Abb. 4.2 enthält eine Gegenüberstellung der Reißfähigkeits-
gem Trennflächenabstand und hohem Durchtrennungsgrad. grenzen für kleine und große Reißgeräte.
Felsmassen mit einer Klüftigkeitsziffer > 6,4 beim Durchtren- Für den geplanten Einsatz von Maschinen beim Lösen ist es
nungsgrad 1 und einer zugehörigen Kluftkörpergröße mit Raum- wichtig zu unterscheiden, ob das Felsgestein in seinem Trennflä-
inhalt < 0,1 m3. chengefüge oder in seinem Mineralkorngefüge aufgelockert und
gebrochen wird. Festgesteine in festem Gesteinsverband werden
kkKluftkörperform beim Lösen auf die Druck- und Zugfestigkeit im Mineralkornge-
Aus Trennflächenabstand und Raumstellung der Trennflächen füge beansprucht. Hierfür ist hervorzuheben, dass Unterschiede
ergeben sich Größe und Form der Kluftkörper. Neben orthogo- im Mineralbestand und Bindemittel zu starken Abweichungen bei
nal begrenzten Kluftkörpern werden, besonders im tektonisch Gerätebeanspruchung und aufzuwendender Arbeitszeit (z. B. bei
beanspruchten oder gefalteten Gebirge, spitzkantige und keil- Bohrarbeiten) führen können. So sind hornblendehaltige Gesteine
förmige Kluftkörper angetroffen. Es tendieren zur Felsklasse 7 gegenüber anderen Massengesteinen (z. B. Granit) bis zum Fak-
würfelige, quaderig-säulige, quaderig-bankige und gedrungene tor 5 schwerer bearbeitbar. Bei Quarziten und kieselig gebunden
Formen; zur Felsklasse 6 säulige, plattige, tafelige, spitzkantige Gesteinen bestehen erhebliche Unterschiede zwischen der häufigen
und keilförmige Formen. Form des Kristallquarzites und den auf Druck- und Zugfestigkeit
hoch beanspruchbaren Zementquarziten. Derartige Besonderhei-
kkSeismische Geschwindigkeit ten können u. a. durch Dünnschliffmikroskopie erarbeitet werden.
Ein wichtiges Merkmal zum Beurteilen der Festigkeitseigen- Neben der Einstufung in die Felsklasse 6 oder 7 interessieren
schaften von Fels bietet die seismische Geschwindigkeit. Sie Aussagen darüber, welche Maßnahmen das Lösen des Gesteins
kann mit refraktionsseismischen Messmethoden kostengünstig begünstigen oder erschweren und ob das Gesteinslösen durch
ermittelt werden (. Tab. 4.2). Reißen, durch schlagende Werkzeuge des Hydraulikbaggers
Floss (1974) gibt folgende Unterschiede in der Geschwin- (Aufreißhämmer) oder durch Sprengen erfolgen kann. Wenn
digkeit der Longitudinalwellen bei refraktionsseismischen Mes- sich der Fels reißen lässt, kann die optimale Richtung des Rei-
sungen an (. Tab. 4.2). Die Laufzeit der Mintropwelle und die ßens und die Tiefenwirkung der Reißzähne in Abhängigkeit vom
daraus abgeleitete Schallgeschwindigkeit der Gesteine reagieren einzusetzenden Gerät in Vorversuchen überprüft werden. Die
empfindlich auf den Auflockerungszustand. Im verwitterten und Prüfung kann das Reißen mit einem oder zwei Reißzähnen, die
aufgelockerten Gesteinsverband setzt sich die Schallgeschwin- Form des Reißzahnes und die Reißgeschwindigkeit umfassen.
digkeit aus den Gesteinswerten für das unveränderte Gestein Von Interesse ist auch die erzielte Stückgrößenabstufung des ge-
und den zu den Hohlraumfüllungen (Wasser, Luft, Verwitte- rissenen Felsmaterials für den Wiedereinbau.
rungslehm) gehörigen Geschwindigkeitswerten zusammen.
. Tab. 4.2 darf als zusätzlicher Hinweis, jedoch nicht als al-
lein gültiges Kriterium verstanden werden. Da mit zunehmender 4.1.3 Boden- und Felsklassen bei Bohrarbeiten
Schallgeschwindigkeit Öffnungsweite und Durchtrennungsgrad nach ATV DIN 18301
der Kluft- und Trennflächensysteme stark abnehmen, kann
bestimmten Felsarten als Reißbarkeitsgrenze eine bestimmte Die im Untergrund anstehenden Boden- oder Gesteinsmassen sind
Schallgeschwindigkeit zugeordnet werden. Diese liegt höher als einer Klasse nach DIN 18301 zuzuordnen. Unterschieden werden
die in . Tab. 4.2 angegebene Untergrenze für schwer lösbaren grobkörnige („nichtbindige“) Böden, feinkörnige (bindige) Böden,
Fels. organische Böden, Böden mit Steinen und Blöcken und Fels.
260 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
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18
b
19
20 Klassifikation: dränierten Scherfestigkeit cu. Böden mit flüssiger bis breiiger
BN – Sand, Kies sowie Sande und Kiese mit geringem Feinkorn- Konsistenz tendieren zur Klasse BB 1, mit weicher bis steifer
anteil (Nichtbindige Böden). Das weitere Zuordnen zu den Klas- Konsistenz zu BB 2, mit halbfester Konsistenz zu BB 3 und mit
21 sen BN 1 und BN 2 richtet sich nach dem Feinkornanteil mit fester bis sehr fester Konsistenz zu BB 4.
BN 1< 15 % und BN 2 > 15 % Massenanteil. Nach der Klassifika- Nach dem Bodenkennwert „Scherfestigkeit cu“ richtet sich
22 tion der DIN 18196 gehören die Bodengruppen SW, SI, SE, GW, das Zuordnen nach deren Bodenkenngröße. Es tendieren Kenn-
GI, GE, SU, ST, GU, GT zur Klasse BN 1 und die Bodengruppen größen bis 20 kN/m2 zur Klasse BB 1, 20 bis 200 kN/m2 zu BB 2,
SU*, ST*, GU*, GT* zur Klasse BN 2. 200 bis 600 kN/m2 zu BB 3 und über 600 kN/m2 zu BB 4.
23 BB – Schluff, Ton sowie Sand und Kies mit hohem Feinkorn- BO – Torf, Mudde, Streu, Humus (Organische Böden). Das
anteil (Bindige Böden). Das Zuordnen zu den Klassen BB 1 bis Zuordnen zu den Klassen richtet sich nach dem Erhaltungszu-
BB 4 richtet sich nach der Konsistenz und/oder nach der un- stand bzw. dem Zersetzungsgrad. Zersetzte und weiche Böden
4.1 • Klassifikation, Klassifizieren, Zuordnen
261 4
(HZ) tendieren zur Klasse BO 1, faserige, wenig bis nicht zer- 4.1.4 Boden- und Felsklassen
setzte Böden (HN) zur Klasse BO 2. bei Nassbaggerarbeiten nach ATV
Zusatzklasse BS – Steine und Blöcke. Die genannten Böden DIN 18311
können Steine und Blöcke enthalten, welche zusätzlich anzuge-
ben sind. Das Zuordnen zu den Klassen BS 1 bis BS 4 richtet Die ATV gilt für das Lösen von Boden und Fels unter Wasser, ein-
sich nach Stückgröße und Volumenanteil. Steinige Böden mit schließlich Laden, Fördern und Ablagern unter oder über Wasser.
bis 30 % Steinen (63–200 mm) tendieren zu BS 1, mit über 30 % Sie gilt auch für das Lösen von Boden und Fels, der über Wasser
Steinen zu BS 2. Blockhaltige mit bis 30 % Blöcken (>200 bis ansteht, wenn die Lösearbeit unter Wasser ausgeführt wird.
630 mm) tendieren zu BS 3, mit über 30 % Blöcken zu BS 4. Die Klassifikation gilt auch für Schlitzwandarbeiten nach
Große Blöcke > 630 mm sind gesondert anzugeben. ATV 18313.
F – Fels. Das Zuordnen zu den Klassen FV 1 bis FV 6 richtet Es werden 11 Klassen und drei Zusatzklassen unterschieden.
sich nach Verwitterungsgrad und Trennflächenabstand. Verwit- Die Klassifikation richtet sich nach Bodenart, Korngrößenver-
terter und/oder im Mineralverband entfestigter Fels tendiert zur teilung, Lagerungsdichte, Wassergehalt; Konsistenz; Plastizität,
Klasse FV 1, teilverwitterter („angewitterter“) Fels mit Trennflä- Anteil an organischer Substanz, Größe und Massenprozent des
chenabstand < 30 cm zu FV 2, mit Trennflächenabstand > 30 cm Steinanteils und nach dem Schichtenaufbau. Die Einstufung in
zu FV 3. Bei frischem Fels ohne Verwitterungsspuren und ohne die Klasse L oder M richtet sich nach Gefügefestigkeit und Ge-
Entfestigung im Mineralverband richtet sich das Zuordnen nach steinsfestigkeit (mineralische Bindung).
dem Trennflächenabstand. Ein Trennflächenabstand unter 10 cm
tendiert zu FV 4, ein Trennflächenabstand von 10 bis 30 cm ten- Klassifikation:
diert zu FV 5 und ein Trennflächenabstand > 30 cm zu FV 6. NB – bezeichnet die nichtbindigen Böden Sand, Kies sowie
Bei frischem oder auf Kluftflächen angewittertem Fels/Ge- Sande und Kiese mit geringem Feinkornanteil. Nach Körnung
birge ist zusätzlich zur Angabe des Verwitterungsgrades die ein- und Klassifikation der DIN 18196 werden die Klassen NB 1 bis
axilale Druckfestigkeit (ergänzend) anzugeben. Diese kann z. B. NB 5 unterschieden.
im Punktlastversuch (▶ Abschn. 1.19.1, . Abb. 1.85) ermittelt Die Klasse NB 5 umfasst die kiesigen Bodengruppen GI, GW,
werden. Die Klassifikation unterscheidet als Zusatzklasse FD zwi- GE, GU, GT, GU*, GT*
schen: FD 1 mit bis 20 kN/m2 Druckfestigkeit, FD 2 mit 20 bis Die Klassen NB 1 bis NB 4 umfassen die sandigen überwie-
80 kN/m2, FD 3 mit 80 bis 200 kN/m2, FD 4 mit 200 bis 300 kN/ gend sandigen Bodengruppen mit < 10 % Kies, 10 % SI, SW, SE,
m2 und FD 5 mit > 300 kN/m2. SU, ST, GU*, GT*.
Das Zuordnen zu einer bestimmten Klasse soll den Arbeits- Sand mit weniger als 10 % Massenanteil Kies ist den Klas-
aufwand und damit den Kostenaufwand beim Bohren vorab er- sen NB 1 oder NB 2 zuzuordnen. Das weitere Zuordnen zu den
mitteln. Gefragt ist bezüglich der Trennflächen deren Abstand Klassen NB 1 und NB 2 richtet sich nach dem Feinkornanteil mit
und Öffnungsweite vor dem Bohren und nicht der Zustand des NB 1 < 15 % und NB 2 > 15 %.
zerbohrten Bohrgutes. Solche nach DIN 18301 geforderten An- Sand-Kies-Gemische mit 10–40 % Kiesanteil sind den Klas-
gaben sind mangels Einsicht vorab nicht möglich. Auch kann an sen NB 3 oder NB 4 zuzuordnen. Das weitere Zuordnen zu den
Bohrkernen der Abstand vertikal angelegter Trennflächen nicht Klassen NB 3 und NB 4 richtet sich nach dem Feinkornanteil mit
bestimmt werden. Im besonderen Fall können geophysikalische NB 3 < 15 % und NB 4 > 15 %.
Untersuchungen weiterhelfen. BOB – bezeichnet die bindigen und organischen Böden
Eine Sonderform der Zusatzklassen FD kann bei Teilverwit- Schluff, Ton, organische Böden sowie Sand und Kies mit hohem
terung bei kristallinen Gesteinen mit „Wollsackverwitterung“ Feinkornanteil. Nach der Klassifikation der DIN 18196 gehören
vorliegen. Kennzeichnend hierfür ist schaliger Aufbau der in Ver- die Bodengruppen TL, TM, TA, UL, UM, UA, SU*, ST*, GU*,
witterung befindlichen Gesteinsmassen. Die über ein weitständi- GT*, HZ, HN und F zur Klasse BOB. Nach Konsistenz und
ges Trennflächensystem angreifenden Agenzien der Verwitterung undränierter Scherfestigkeit cu. werden die Klassen BOB 1 bis
bewirken einen Verwitterungsfortschritt von außen nach innen. BOB 4 unterschieden – Böden mit flüssiger bis breiiger Konsis-
Im Extrem können im Verwitterungslehm eingelagerte große Ge- tenz tendieren zur Klasse BOB 1, mit weicher bis steifer Konsis-
steinsblöcke vorliegen, deren Festigkeit von unterschiedlich stark tenz zu BOB 2, mit halbfester Konsistenz zu BOB 3 und mit fester
zersetzten bis verwitterten Zonen bestimmt ist, welche schalenartig bis sehr fester Konsistenz zu BOB 4.
einen nur wenig verwitterten oder noch frischen Gesteinskern des Nach dem Bodenkennwert „Scherfestigkeit cu“ richtet sich das
ehemaligen Kluftkörpers umgeben. Ein solcher Untergrund stellt, Zuordnen nach deren Bodenkenngröße. Es tendieren Kenngrößen
im Gegensatz zu Aushubarbeiten nach ZTVE-StB und DIN 18300, bis 20 kN/m2 zur Klasse BOB 1, 20 bis 200 kN/m2 zu BOB 2, 200
bei Bohrarbeiten eine Erschwernis dar. Spülung und Anpressdruck bis 600 kN/m2 zu BOB 3 und über 600 kN/m2 zu BOB 4.
müssen dem wechselnden Bohrfortschritt angepasst werden. Aus- Zusatzklasse S – Steine und Blöcke. Die genannten Böden
lenken von Bohrgestänge oder Sondiergestänge ist nahezu unaus- können Steine und Blöcke enthalten, welche zusätzlich anzuge-
weichlich und kann auch zu Fehlinterpretation führen. ben sind. Das Zuordnen zu den Klassen BS 1 bis BS 4 richtet
Aus geologischer Sicht ist zu beanstanden, dass die Norm im sich nach deren Stückgröße. Böden mit Steinen (Durchmes-
Fels nicht das Einfallen der Trennflächen berücksichtigt, obwohl ser < 200 mm) tendieren zur Klasse S 1, mit Blöcken zwischen
dies zu Bohrabweichungen und damit zu deutlichen Schwierig- 200 und 400 mm Durchmesser zu S 2 und solche mit Blöcken
keiten beim Abteufen führen kann. > 400 mm Durchmesser zu S 3.
262 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
F – Fels. Das Zuordnen zu den Klassen F 1 oder F 6 richtet sich Klasse BO 1, faserige, wenig bis nicht zersetzte Böden (HN)
-
1 nach Verwitterungsgrad und Trennflächenabstand. Im Mineralver- zur Klasse BO 2.
band entfestigter und/oder teilverwitterter (angewitterter) Fels mit S bezeichnet die Zusatzklasse „Steine“ und „Blöcke“
2 Trennflächenabstand < 10 cm tendiert zur Klasse F 1, frischer Fels Die genannten Böden können Steine und Blöcke enthal-
mit Trennflächenabstand > 10 cm zu F 2. ten, welche zusätzlich anzugeben sind. Das Zuordnen zu
Einer besonderen Beurteilung bedürfen nicht verfestigte La- den Klassen S 1 bis S 4 richtet sich nach Stückgröße und
3 gen aus Kies und Steinen mit Dachziegellagerung (Imbrikation, Volumenanteil. Steinige Böden mit bis 30 % Steinen (63-
z. B. Schüttungen von Gebirgsbächen). Im natürlichen Verbund 200 mm) tendieren zu S 1, mit über 30 % Steinen zu S 2.
4 können sie einen sehr festen Zusammenhalt aufweisen, was Blockhaltige mit bis 30 % Blöcken (> 200 bis 630 mm) ten-
durch Gefügeeinregelung und Reibung bewirkt wird. Die einge- dieren zu S 3, mit über 30 % Blöcken zu BS 4. Große Blöcke
5
6
regelten Kies- und Steinmassen sind standfest und rutschen in
der Böschung nicht nach. Eingeregeltes Kies- und Steinmaterial
ist nur begrenzt baggerfähig und bedarf besonderer Arbeitsgänge
zum Aufbrechen des Gefüges durch Reißen oder Aufsprengen
- > 630 mm sind gesondert anzugeben.
FD und FZ - Fels. Das Zuordnen zu den Klassen FZ 1 bis
FZ 4 und FD 1 bis FD 4 richtet sich nach dem Trennflä-
chenabstand (FZ < 10 cm, FD > 10 cm) und der einaxialen
mit Wasserkanonen. Druckfestigkeit in Vortriebsrichtung. Diese kann z. B. im
7 Eingruppieren in Klasse NB-5 mit Zusatzklasse ist hier nicht Punktlastversuch (▶ Abschn. 1.19.1, . Abb. 1.85) ermittelt
ausreichend. werden. Die Klassifikation unterscheidet FD 1 bzw. FZ 1
mit bis 20 kN/m2 Druckfestigkeit, FD 2 bzw. FZ 2 mit 20
8 bis 50 kN/m2, FD 3 bzw. FZ 3 mit 50 bis 100 kN/m2 und
4.1.5 Boden und Felsklassen bei FD 4 bzw. FZ 4 mit 100 bis 200 kN/m2.
9 Rohrvortriebsarbeiten nach DIN 18319
Aus geologischer Sicht ist anzumerken, dass die Norm das Ein-
10 Die im Baugrund anstehenden Boden- oder Gesteinsmassen fallen von Trennflächen, die Schichtlagerung und mögliche
sind einer Klasse nach DIN 18319 zuzuordnen. Unterschieden Wechsel bei der Auflast, z. B. unter Bahnstrecken, nicht berück-
werden die Klassen LNE 1, LNE 2, LNE 3, LNW 1, LNW 2, sichtigt, obwohl dies zu Abweichungen von der Vortriebsrich-
11 LNW 3, LN 1, LN 2, LN 3, LBM 1, LBM 2, LBM 3, LBO 1, tung und damit zu deutlichen Schwierigkeiten beim Vortrieb
LBO 2, LBO 3, S 1, S 2, S 3, S 4, FZ 1, FZ 2, FZ 3, FZ 4, FD 1, führen kann.
12
13
-
FD 2, FD 3, FD 4.
LN bezeichnet die nichtbindigen Böden Sand und Kies
sowie Sande und Kiese mit Feinkornanteil. Der Massenan-
teil an Feinkorn beträgt bei LNE und LNW < 15 %, bei LN
4.1.6 Klassifizieren nach dem Merkblatt über
Felsgruppenbeschreibungen für
> 15 %. bautechnische Zwecke im Straßenbau
14 Nach DIN 18196 gehören zu den Klassen LNE 1 bis LNE 3
die Bodengruppen GE und SE, zu den Klassen LNW 1 bis Das Merkblatt fasst Felsarten für das Beurteilen der Lösbarkeit
15 LNW 3 die Bodengruppen SW, SI, GW, GI, SU, ST, GU, GT in Gruppen mit annähernd gleichem Stoffbestand zusammen. Es
und zu den Klassen LN 1 bis LN 3 die Bodengruppen SU*, will damit die sehr komplizierten Zusammenhänge in der geolo-
ST*, GU*, GT*. Die Zahlen 1, 2 und 3 stehen für „locker“, gisch-wissenschaftlichen Gesteinsbeschreibung für den bautech-
16 „mitteldicht“ und „dicht“ (z. B. LNE 3: dicht gelagerter, nischen Zweck vereinfacht wiedergeben. Die Anwendung des
17
- eingestufter Sand oder Kies).
LBM bezeichnet die mineralischen bindigen Böden Schluff,
Ton sowie Sand und Kies mit hohem Feinkornanteil (Boden-
Merkblattes setzt eine geologische Untersuchung mit Aufnahme
aller Details unter Verwendung der im Straßenbau eingeführten
Begriffe voraus. Hierzu besteht das „Merkblatt zur Felsbeschrei-
18
19
- gruppen UL, UM, UA, TL, TM, TA, SU*, ST*, GU*, GT).
LBO bezeichnet die organogenen bindigen Böden (Boden-
gruppen OT, OU, OH, OK).
Das Zuordnen zu den Klassen LBM 1 bis LBM 3 bzw. LBO 1
bung für den Straßenbau“ (1992). Die Klassifikation orientiert
sich an petrographischen Merkmalen, am Verwitterungsgrad
der Gesteine und am Trennflächengefüge des Gebirges.
bis LBO 3 richtet sich nach der Konsistenz. Böden mit flüssi- zz Petrographisch-gewinnungstechnische Bezeichnung
20 ger bis breiiger Konsistenz tendieren zur Klasse LBM 1 bzw. Die mineralogische Zusammensetzung und die Gesteinsgenese
LBO 1, mit steifer bis halbfester Konsistenz zu LBM 2 bzw. stellen die wesentlichen Merkmale für die Gesteinsbezeichnung
21
- LBO 2 und mit fester Konsistenz zu LBM 3 bzw. LBO 3.
P bezeichnet Zusatzklassen nach der Plastizität mit P 1 für
leichtplastische Böden und P 2 für ausgeprägt plastische
dar. Das vom Geologen untersuchte, petrographisch bestimmte
und einer geologischen Einheit zugeordnete Gestein ist einer der
sechs in . Tab. 4.3 aufgeführten Gruppen (Bezeichnung) zuzu-
22
23
- Böden.
LO bezeichnet die organischen Böden Torf, Mudde, Streu,
Humus (HN, HZ, F). Das Zuordnen zu den Klassen richtet
sich nach dem Erhaltungszustand bzw. dem Zersetzungs-
ordnen und entsprechend aufzuführen.
zz Verwitterungsgrad
Das Merkmal fasst unter Verwitterungsgrad die Merkmale der
grad. Zersetzte und weiche Böden (HZ) tendieren zur Gesteinsverwitterung (physikalisch, chemisch) und die der Fels
4.2 • Bewerten von Boden- und Felsarten für den Einbau
263 4
--
zz Trennflächengefüge des Gebirges
Das Merkblatt unterscheidet zwischen: flächen als Haupttrennfläche deutlich hervortritt oder wenn eine
Kluftflächen (K1, K2, … Kn; vgl. . Abb. 4.3); extrem plattige oder extrem säulige Ausbildung der Kluftkörper
Das Lösen von Fels und die Abbauleistungen werden durch die 4.2 Bewerten von Boden- und Felsarten
Lage und die Ausbildung der Trennflächen beeinflusst. Das Trenn- für den Einbau
flächensystem, das am deutlichsten ausgebildet ist (gleichmäßige
Ausbildung, gute Durchtrennung, geringer Trennflächenab- Unter günstigen Voraussetzungen können alle mineralischen Bo-
stand), wird als „Haupttrennflächensystem“ bezeichnet. Dies ist denarten für erdbautechnische Zwecke verwendet werden. Nicht
in Schichtgesteinen vorwiegend die Schichtfläche; vielfach kom- verwendbar sind stark organische Böden wie Faulschlamm,
men auch Schieferungsflächen und Kluftflächen (K1, K2, K3) in Mudde, Gyttja, Torf und Kohle. Grenzgehalte liegen bei 10 %
Betracht. organischer Substanz.
.. Tab. 4.4 Bezeichnung des Verwitterungsgrades von Gesteinen nach dem Merkblatt über Felsgruppenbeschreibung für bautechnische Zwecke im
Straßenbau (1980)
VU Unverwittert Unverwittert, frisch, kein Verwitterungseinfluss erkenn- Keine verwitterungsbedingte Auflockerung an Trenn-
bar flächen
VA Angewittert Auf frischer Bruchfläche Verwitterung von einzelnen Teilweise Auflockerung an Trennflächen
Mineralkörnern erkennbar (Lupe), beginnende Mineral
umbildung und Verfärbung
VE Entfestigt Durch Verwitterungsvorgänge gelockertes, jedoch Vollständige Auflockerung an Trennflächen
noch im Verband befindliches Mineralgefüge, meist in
Verbindung mit Mineralumbildung, insbesondere mit
und an Trennflächen
VZ Zersetzt Noch im Gesteinsverband befindliches, durch Mine- Kluftkörper ohne Festgesteinseigenschaften
ralneubildung verändertes Gestein ohne Festgesteins-
eigenschaften (z. B. Umwandlung von Feldspäten zu
Tonmineralen, von Tonschiefer zu Ton)
264 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
2
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4
5
6
7
8
9
10
11 .. Abb. 4.4 Gebirge mit Schicht-
flächen Ss und zwei Kluftscharen K1
und K2, von denen die Schichtfläche
12 als Haupttrennfläche ausgebildet ist
13
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17
--
18
4.2.1 Feinkörnige Böden Winkel der inneren Reibung φ;
19 Durchlässigkeitsbeiwert k.
In der Verwendung stark eingeschränkt sind ausgeprägt plas-
20 tische Tone (TA) sowie stark plastische Tone und Schluffe mit Feinkörnige Böden mit einem Wassergehalt im Bereich des op-
organischen Beimengungen (OT, OU). Die Verwendung fein- timalen Wassergehaltes können als Dammschüttmaterial direkt
körniger Böden im Erdbau hängt von folgenden Bodenkenn- verwendet werden. Nachteilig gegenüber grobkörnigen Schütt-
--
21 größen ab: materialen ist der niedrige Reibungswinkel, welcher flache Bö-
Wassergehalt w; schungswinkel voraussetzt.
22
-- optimaler Wassergehalt wPr;
Fließgrenze wL;
In den meisten Fällen wird jedoch der natürliche Wassergehalt
mehr oder weniger stark vom optimalen Wassergehalt abweichen.
23
--Ausrollgrenze wP;
Schrumpfgrenze ws;
Wegen der geringen Wasserdurchlässigkeit ist das Verdichten fein-
körniger Böden (Ton und Schluff) nur bei Gegenwart von Luft in
-Plastizität IP;
Kohäsion c;
den Porenräumen möglich. Nasse und nahezu wassergesättigte
Böden können nur verdichtet werden, wenn es gelingt, dem Bo-
4.2 • Bewerten von Boden- und Felsarten für den Einbau
265 4
.. Abb. 4.5 Gebirge mit Schichtflächen Ss
und zwei Kluftflächen K1, K2, von einer
Störung St durchtrennt. Schichtflächen und
Störungsflächen sind als Haupttrennflächen
ausgebildet
.. Tab. 4.5 Bezeichnung der Gesteinsausbildung nach Art und .. Tab. 4.6 Bezeichnung der Raumstellung der Haupttrennflächen
Ausbildung der Trennflächen nach dem Merkblatt über Felsgruppen- nach dem Merkblatt über Felsgruppenbeschreibung für bautechnische
beschreibung für bautechnische Zwecke im Straßenbau (1980) Zwecke im Straßenbau (1980)
A10 5–10 Stark klüftig Dickplattig den Wasser zu entziehen. Da ein wasserhaltender, feinkörniger
Boden sein Wasser nur über die Kapillarwirkung abgibt, ist das
A30 10–30 Klüftig Dünnbankig
Abtrocknen von feinkörnigem, bindigem Material bei trockenem
A60 30–60 Schwach Dickbankig Wetter mit Zusatzarbeiten für Auflockern und gleichmäßiges Be-
klüftig
lüften verbunden. Andernfalls verbleibt ein Unterschied im Was-
A61 > 60 Kompakt Massig sergehalt zwischen Oberfläche und tiefer liegenden Teilen der
feinkörnigen Erdmassen. Trockene feinkörnige Böden können
nur nach Anfeuchtung verdichtet werden. Das Anfeuchten be-
darf besonderer Sorgfalt und längerer Einwirkzeit zum Erreichen
einer gleichmäßigen Bodenfeuchte. Werden feinkörnige Böden
mit einem Wassergehalt oberhalb oder unterhalb des günstigsten
Wassergehaltes verdichtet, so ergeben sich zu geringe Dichtewerte.
Bei einem zu trocken eingebauten Boden werden sich die verblei-
benden Hohlräume mit dem versickernden Niederschlagwasser
sättigen und der Boden wird aufweichen. Bei einem zu nass ein-
gebauten Boden zeigt der Boden zunächst keine Neigung, zusätz-
liches Niederschlagwasser aufzunehmen. Dieser Boden bleibt bei
einer geringeren Tragfähigkeit gegenüber dem optimal verdichte-
ten Boden so lange standfest, wie keine gravierenden Änderungen
.. Abb. 4.6 Richtung der Haupttrennflächen in Bezug auf die Straßenachse in seinem Wassergehalt auftreten. Wird ein solcher Boden durch
mit Bezeichnung und Toleranz für achsgerechte Ausrichtung RA, querschlä- seine Lage im Raum (oberflächennah) oder durch die gegebenen
gige Ausrichtung RQ und schräge Ausrichtung RS nach dem Merkblatt über Klimaverhältnisse dem Wechsel von Austrocknen und Durchnäs-
Felsgruppenbeschreibung für bautechnische Zwecke im Straßenbau (1980) sen ausgesetzt, so geht auch diese geringere Tragfähigkeit verloren.
266 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
2
3
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8
9
10 Die Verdichtungs- und Verformungseigenschaften von lagertes, verwittertes Bodenmaterial auf. Typisch für solche Bö-
Schluffen und Tonen werden maßgeblich durch die Kohäsions- den ist, dass die Kornzusammensetzung in großer Breite variiert
kräfte an der sehr großen wirksamen Oberfläche der Einzelteil- und dass die plastischen Eigenschaften sehr unterschiedlich sind.
11 chen in Abhängigkeit von Wassergehalt und Plastizität bestimmt. Die erreichbare Trockendichte nimmt bei gleich großer Ver-
Zum Überwinden dieser Kräfte werden statisch wirkende dichtungsarbeit mit steigendem Grobkornanteil zu. Liegt der
12 und zusätzlich knetende Geräte (Glattwalzen, Gürtelradwalzen, Wassergehalt der feinkörnigen Bodenteile unter dem optimalen
Schaffußwalzen, Gummiradwalzen) und dynamisch wirkende Ge- Wassergehalt (wPr), so bewirken schon geringe Grobkornmengen
räte (Fallplattenstampfer, Explosionsstampfer) eingesetzt. Müssen eine Verbesserung im Verformungsverhalten und eine günstige
13 – z. B. wegen Nichtverfügbarkeit geeigneter Massen – zu nasse Verdichtbarkeit. Bei hohem Wassergehalt der feinkörnigen An-
Böden eingebaut werden, so ist eine mechanische Bodenverbes- teile werden hingegen große Grobkornmengen benötigt, um eine
14 serung durch Einmischen von geeigneten Körnungen oder durch günstige Verdichtbarkeit zu bewirken. Gemischtkörnige Böden
Einrütteln oder Einschlagen von Steinen und Blöcken anzuraten. mit Steinen zeigen ein Verdichtungsverhalten, welches zwischen
15 Als weitere Möglichkeit bietet sich eine Bodenverfestigung mit dem der feinkörnigen Bodenarten Ton und Schluff und dem der
hydraulischen Bindemitteln, mit Feinkalk oder mit Kalkhydrat an. grobkörnigen Bodenarten Sand, Kies und Steine liegt. Häufig
Die Beziehungen zwischen Wassergehalt und Trocken- sind zur genauen Beurteilung Probeverdichtungen erforderlich.
16 dichte bei gleicher Verdichtungsarbeit (Proctorversuch) sind in Die Verdichtungseigenschaften der gemischtkörnigen Böden
. Abb. 4.7 dargestellt. Der Luftgehalt feinkörniger Böden darf werden durch die Kohäsionskräfte im Feinkornanteil und durch
17 nach ZTVE-StB 09 wegen der vorgenannten Eigenschaften 12 % die Reibungskräfte in dem vom Grobanteil gebildeten Steinske-
ihres Volumens nicht überschreiten. Dies ist durch die Verdich- lett bestimmt. Zur Überwindung dieser Kräfte werden bei der
tung zu gewährleisten. Verdichtung Vibrationswalzen als Glattwalzen oder Schaffußwal-
18 zen, Gitterradwalzen, Fallplattenstampfer, Explosionsstampfer
und schwere Vibrationsplatten eingesetzt.
19 4.2.2 Gemischtkörnige Böden
20 Enthält ein Boden neben Schluff und Ton auch Sand, Kies und 4.2.3 Grobkörnige Böden
Steine, so wird die Verdichtbarkeit von folgenden Faktoren be-
21
--
stimmt:
Mischungsverhältnis von Fein- und Grobkörnung;
Die Verdichtbarkeit grobkörniger Böden (Sand, Kies, Steine und
deren Mischungen) hängt von der Kornverteilung, Kornform
22
-- Kornabstufung und Kornform der Grobkörnung;
Korngrößenverteilung der feinkörnigen Bestandteile;
und Rauhigkeit der Kornoberfläche sowie vom Wassergehalt
ab. Dabei ist für die Verdichtbarkeit vor allem die Kornabstu-
Mischböden treten als schluff- und tonhaltiger Sand und Kies, als
fung von Bedeutung. Das Optimum für die Verdichtbarkeit liegt
bei weitgestuften und intermittierend gestuften Sand-Kies-Ge-
mischen mit glatten und runden Einzelkörnern und einer Un-
gleichförmigkeitsziffer von U = 36. Dieser Wert entspricht der
tonhaltiger steiniger Verwitterungsboden (Lehm) und als umge- Ungleichförmigkeit der „Fuller-Parabel“, die z. B. in der Beton-
4.2 • Bewerten von Boden- und Felsarten für den Einbau
267 4
.. Abb. 4.8 Beziehung zwischen Trocken-
dichte und Wassergehalt von Sanden und
Kiesen bei Verdichtungsarbeit für die einfa-
che Proctordichte. (Voss 1961)
technologie für den sogenannten Zuschlag (Sand/Kies bzw. Sand/ stellenverkehr aufgelockert. In ungünstigen Fällen kann diese
Splitt) eine optimale Abstufung liefert. Dabei sind Korngrößen Auflockerung allein durch einen Grundwasseranstieg eintreten,
und Kornverteilung so aufeinander abgestimmt, dass die nach- und es sind Fälle bekannt, bei denen die Auflockerung bis 1 m
folgend kleinere Korngröße in die Lücken zwischen die gröberen tief unter das Planum reichte.
Körner passt. Die Fuller-Parabel hat die Gleichung: Grobkörnige Böden lassen sich durch Glattwalzen, Gummi-
radwalzen, Explosionsstampfer, Flächenrüttler, Vibrationswalzen
s und Vibrationsschaffußwalzen verdichten.
d
a = 100 : Ungünstige Verdichtungseigenschaften zeigen gleichförmige
dmax und gleichkörnige Sande und Kiese (Flugsande, Dünensande,
-- durchgang)
d = Maschenweite [mm]
dmax = Durchmesser bzw. Maschenweite für das Größtkorn
bis 12 angestrebt werden. Zur Bodenverfestigung und zur Versie-
gelung des Planums gegen die Einwirkungen der Witterung (be-
sonders vor einer Arbeitspause im Winter) wird als Bindemittel
Zement beigemischt. Die Beziehungen zwischen Trockendichte
In Anlehnung an die Fuller-Parabel werden für Tragschichten in und Wassergehalt von Sanden und Kiesen sind in . Abb. 4.8 dar-
Kies- und Schotterwerken entsprechende Mischungen zusam- gestellt.
mengestellt.
Die Rauigkeit der Kornoberflächen wirkt der Verdichtungs-
arbeit entgegen. Gebrochenes Material (Brechsand, Splitt, Schot- 4.2.4 Gebrochenes Felsmaterial bzw. Gestein
ter) ergibt bei gleicher Verdichtungsarbeit und Körnung eine ge-
ringere Lagerungsdichte als die meisten natürlichen Sande und Die Eignung und Verdichtbarkeit von gebrochenem Felsmaterial
Kiese. Mit zunehmender Dichte erhöht sich die Scherfestigkeit hängt ab von der Gesteinsart, der erreichten Zerkleinerung mit
und vermindert sich die Verformbarkeit des Bodens; es werden Stückform, Stückgröße und Stückgrößenverteilung und auch von
höhere Verformungsmoduln (Ev-Werte) erreicht. Dabei lassen der Druckfestigkeit der einzelnen Stücke. Beim Lösen von Fels
sich selbst gut verdichtete Sande und Kiese unter der Einwirkung ist auf das Zertrümmern des Haufwerkes unter eine vorgegebene
der Witterung und des Baustellenverkehrs leichter verformen maximale Stückgröße zu achten. Grobes Felsmaterial mit engge-
und auflockern als verdichtete Schüttungen aus gebrochenem stufter Stückgrößenverteilung lässt sich nur wenig oder gar nicht
Material. Verdichtetes Material ist in sich verspannt. Dabei wird verdichten. Im Straßenbau darf es im Dammbereich nur bis 1 m
die Verspannung bei gebrochenem Material vorrangig durch unter Planum eingebaut werden. Den oberen Abschluss bildet
die Reibung, bei Sanden und Kiesen mit glatter Oberfläche in eine filterartig aufgebaute Trennschicht, welche verhindert, dass
hohem Maße auch von der scheinbaren Kohäsion getragen. Kies- und Sandkorn sich nach unten verlagert. Sonst besteht die
Diese scheinbare Kohäsion geht beim Austrocknen und beim Gefahr, dass sich unter dem Planum bzw. unter der Fahrbahn-
Durchnässen verloren, und das Planum wird durch den Bau- decke Hohlräume bilden.
268 Kapitel 4 • Klassifizieren und Bewerten von Boden und Fels für bautechnische Zwecke
Ein Zertrümmerungseffekt und damit eine höhere Dichte Für den Einsatz der gängigen Verdichtungsgeräte gibt ZTVA-
1 kann beim Verdichten von grobem Felsmaterial durch den Ein- StB 97 zu diesen Verdichtbarkeitsklassen Anhaltswerte für Eig-
satz schwerer rüttelnder Walzen erreicht werden (Zertrümme- nung, Schütthöhe und Zahl der Übergänge.
2 rungsverdichtung, Brauns 1979).
Grobes Gestein kann durch Beimischen von Sand und Kies
zu einem Korngemisch mit günstiger Korngrößenverteilung ver- 4.3 Klassifizieren von Böden zur
3 bessert werden. Frostempfindlichkeit nach ZTVE-StB
Bei der Beurteilung von Gesteinen ist auf die Unterschei-
4 dung von festen Gesteinen und veränderlich festen Gesteinen Boden, Fels und gebrochene Mineralstoffe können bei Frostein-
zu achten. wirkung unterschiedlich reagieren. Die Frostempfindlichkeit von
5 Diese Unterscheidung nach Keil (1959) beurteilt die Gesteine Boden wird von der Korngrößenverteilung, besonders vom Fein-
nach ihrem Verhalten gegenüber den Atmosphärilien. kornanteil, und von den plastischen Eigenschaften bestimmt.
Veränderlich feste Gesteine zerbrechen beim Lösen in glei- Frostschäden an konstruktiven Bauwerken und Erdbauwerken
6 cher Weise wie die festen Gesteine in scharfkantige Gesteinsstü- treten auf, wenn in der Gefrierzone des Bodens Wasser vor-
cke von zunächst noch hoher Druckfestigkeit. Auch beim Ein- kommt oder zufließt. Im trockenen Boden schaden Temperatu-
7 bau zeigt frisch gebrochenes, veränderlich festes Gestein gleiche ren unter dem Gefrierpunkt allgemein nicht.
Verdichtungseigenschaften wie Material aus festen Gesteinen. Die Klassifikation nach ZTVE-StB unterscheidet folgende
8 Im frisch geschütteten und verdichteten Damm wie auch in
einer lose geschütteten Halde wird jedoch bei den veränderlich
-
Frostempfindlichkeitsklassen:
F 1: nicht frostempfindliche Böden der Gruppen G W, GI,
9
festen Gesteinen (Schieferton, Mergel u. a.) die Verwitterung an
Kanten einsetzen. Die Reibung wird erniedrigt und somit ein
- GE, SW, SI, SE;
F 2: gering bis mittel frostempfindliche Böden der Gruppen
10
kontinuierlicher Zusammenbruch des Gefüges (bzw. ein Zusam-
mengleiten des Gefüges) herbeigeführt. Durch Wasseraufnahme
tritt in der aus veränderlich festem Felsgestein hergestellten
Schüttung eine weitere Kornverfeinerung ein, die mit erheblichen
- TA, OT, OH, OK, ST, G T, SU, GU;
F 3: sehr frostempfindliche Böden der Gruppen TL, TM,
UL, UM, UA, OU, ST, GT, SU, GU.
11 Verformungen verbunden sein kann. Ergeben sich hinsichtlich der Klassifikation der Frostempfind-
Dammschüttungen aus veränderlich festen Gesteinen müssen lichkeit Zweifel, so können diese durch Frostversuche abgeklärt
12 daher weitgehend hohlraumfrei ausgeführt werden. Dies setzt in- werden. Dies betrifft vorwiegend schwach tonige oder schwach
tensives Zertrümmern der Gesteinsmassen zu einem Schüttgut schluffige Böden der Gruppen ST, GT, SU und GU.
mit geeigneter Kornabstufung voraus, welches anschließend, z. B. Das Prüfen der Frostempfindlichkeit von Steinen, Baumate-
13 mit Schaffußwalzen, knetend oder stampfend zu verdichten ist. rial und Boden erfolgt im Frost-Tau-Wechsel-Versuch nach DIN
Die Schütthöhen im lockeren, nicht verdichteten Zustand müs- EN 1367-1 bis -6 sowie nach den „Technischen Prüfvorschriften
14 sen erfahrungsgemäß auf maximal 40 cm begrenzt werden. Der für Gesteinskörnungen im Straßenbau“ (TP Gestein-StB).
Luftgehalt soll wie bei feinkörnigen Böden 12 % des Volumens
15 nicht überschreiten.
23 -
dichtbarkeitsklasse zuzuordnen. Die Verdichtbarkeitsklassen sind:
V1: grob- und gemischtkörnige Böden der Gruppen GW,
-
1 Gräben und Geländeanschnitten (. Abb. 8.2b).
Aushub unter Wasser mit Baggergerät mit langem Greifer.
2 Die knappe Baulandsituation in Städten und Ballungsgebieten Solche Geräte arbeiten sich auf dem gleichzeitig einge-
führt zum Wunsch nach immer mehr Untergeschossen und bauten Schüttboden, z. B. einem Damm, vorwärts. Dabei
unterirdischem Verlegen von Verkehrswegen, Leitungen und besteht jedoch die Gefahr, dass weiche Massen im Unter-
-
3 Kabeln. Zunehmend werden auch außerhalb der Ballungsge- grund verbleiben (. Abb. 8.2c).
biete für das Verlegen von Verkehrswegen Geländeeinschnitte Aushub unter Wasser in großer Tiefe (bis ca. 35 m) mit
4 geplant. Bauvorhaben im geneigten oder bewegten Gelände Spezialbaggergeräten mit teleskopartig verlängerbarem
sowie im Bergland oder Gebirge erfordern in der Regel Gelän- Greifarm und Tieflöffel.
5 deanschnitte. Für solche Bauvorhaben muss in entsprechend
tiefen Baugruben, Einschnitten, Gräben oder Anschnitten der zz Aushub für Bodenaustausch
Baugrund ausgehoben oder abgetragen werden. Für das Bereit- Bei weichem und nicht tragfähigem Baugrund kann ein Boden-
6 stellen von Baumaterial ist der Aushub oder Abtrag von Boden austausch erforderlich werden. Weiche Schichten in geringer
oder Fels in Sandgruben, Kiesgruben, Tongruben, Lehmgruben, Mächtigkeit können – soweit dies wirtschaftlich ist – ausgeho-
7 Steinbrüchen und auch in unterirdischen Entnahmestellen er- ben und durch grobkörnigen Boden ersetzt werden. Beim Pla-
forderlich. nen eines Bodenaustausches ist darauf zu achten, dass die Bau-
Der Geotechnische Bericht ist wesentliche Grundlage für werkslasten innerhalb des ausgetauschten Bodens unter einem
8 die Kalkulation von Bodenabtrag, Aushub und Entnahme. materialabhängigen Winkel zwischen 45 und 60° abgetragen
Hierzu ist der Baugrund nach den Kriterien der Geologie mit werden können. Der Böschungswinkel im weichen Austausch-
9 Schichtenfolge und Gesteinslagerung sowie den Wasser- und boden richtet sich nach dessen Standfestigkeit und ist unter Be-
Grundwasserverhältnissen zu beschreiben. Beim Planen von rücksichtigung von DIN 4124 festzulegen. Zusätzlich soll das
10 Entnahmestellen ist die Eignung des zum Abbau vorgesehenen Gründungsplanum gegenüber dem Bauwerksgrundriss einen
Materials zu prüfen. Für Gräben, Baugruben, Geländeanschnitte allseitigen Überstand (0,5–1 m) aufweisen. Dadurch kann sich
und Entnahmestellen sind Aussagen zum anfallenden Grund- die auszuhebende Baugrube erheblich vergrößern (. Abb. 5.1).
11 und Oberflächenwasser und zu erforderlicher Wasserhaltung Die Kostenkalkulation muss neben Bodenaushub, Abfahren und
zu treffen. Für Abtrag und Aushub unter Wasser sind geeignete Deponieren der zusätzlichen Bodenmassen sowie Kaufpreis, An-
12 umweltverträgliche Löseverfahren und Aushubverfahren zu be- fahrt und Einbau des Austauschbodens auch mögliche Mehrkos-
nennen. Die anstehenden Boden- und Gesteinsschichten sind ten für Wasserhaltung und Böschungsgestaltung berücksichtigen.
nach ihren Eigenschaften beim Lösen entsprechend DIN 18300 In den meisten Fällen liegt der auszuhebende Boden unter
13 bzw. DIN 18311 einzustufen. Es sind Aussagen zur Böschungs- Wasser und ist nach einem der obengenannten Verfahren aus-
gestaltung und zum Umfang der erforderlichen Aushubarbeiten zuheben. Aushub im Trockenen kann erforderlich werden, wenn
14 zu treffen. Bei Böschungsvarianten müssen Kostenvergleiche nicht tragfähige Massen (z. B. Deponiegut) oberhalb des Grund-
zwischen Böschung und Verbau auch die Mehrkosten für Mehr- wasserspiegels anstehen.
15 aushub, Ab- und Rücktransport, Zwischenlagerung und Wieder-
einbau berücksichtigen (Simons und Toepfer 1991).
5.3 Abtrag von Fels
16
5.2 Abtrag von Boden Baugruben, Geländeeinschnitte und Geländeanschnitte werden
17 im leicht lösbaren Fels direkt mit Baggergeräten ausgehoben.
zz Aushub von Baugruben Schwer lösbarer Fels ist in der Regel vor dem Aushub aufzulo-
Der Aushub von Baugruben erfolgt mit schweren Maschinen ckern. Weiche Felslagen und Fels mit gut ausgebildetem Trenn-
18 (Raupen, Bagger, LKWs) und nur in Ausnahmefällen per Hand. flächensystem können mit Reißzahn oder Hydraulikmeißel auf-
Hierfür sind die Bedingungen für Zufahrt, Lademöglichkeit und gelockert werden. Unterschieden wird zwischen Lösevorgängen,
19 Arbeitsraum nach den in verschiedenen Bauphasen vorliegenden die im Trennflächensystem die Auflockerung herbeiführen, und
Verhältnissen von verfügbarem Flächenmaß im Geotechnischen Lösevorgängen, bei denen das meist weiche Gestein zerbrochen
20 Bericht zu diskutieren. Empfindliche Böden wie Löss, Lösslehm, wird. Fester und stark zusammenhaltender Fels mit weitem
Auelehm, sandiger Lehm, Ton, Mergel, Feinsand und organische Trennflächenabstand wird mit Sprengungen gelockert.
Böden können bei ungünstiger Wasserhaltung nicht befahren Paul (1996) unterscheidet beim Lösen von Fels die Wirkungs-
21 werden. Lössböden und vergleichbar strukturierte Böden werden weisen „Abschieben“, „Hebeln“, „Reißen“, „Graben“, „Sprengen“,
beim Befahren schwammartig aufgelockert, sodass ein Aushub „Schälen“, „Brechen“ und „Zertrümmern“ (. Abb. 5.2).
22 der Fundamentgräben von Hand oder eine Bodenverbesserung Beim Geländeabtrag für Einschnitte und Anschnitte im Fest-
in der Sohlfläche kombiniert mit Plattengründung erforderlich gestein ist das „Merkblatt für gebirgsschonende Ausführung von
werden kann. Spreng- und Abtragsarbeiten an Felsböschungen“, Forschungsge-
23
- Der Aushub von Baugruben unter Wasser ist möglich als:
Aushub unterhalb des Grundwasserspiegels mit seilgeführ-
tem Greifer (. Abb. 8.2a).
sellschaft für Straßen- und Verkehrswesen zu beachten.
Im verbleibenden Böschungsbereich kann sowohl durch
Felsreißen wie durch den Einsatz von Großbohrlochsprengungen
5.3 • Abtrag von Fels
271 5
.. Abb. 5.1 Ausmaß für Bodenaushub und Bodenaustausch bei Bauwerksgründungen. Der weiß belassene Raum kann, soweit dies die geplante Flächennut-
--
zung zulässt, mit nicht verdichtungsfähigem bzw. nicht tragfähigem Bodenmaterial verfüllt werden
mit hochbrisanter Ladung der natürliche Felsverbund aufgelo- angewittertes Gestein, fester Verbund im Trennflächengefüge;
ckert werden. Im aufgelockerten Fels sind Böschungen flacher
anzulegen als im „gesunden“ Fels. Ist Fels bis zum Blockschutt
- angewittertes Gestein, im Trennflächengefüge aufgelockert;
verwittertertes Gestein, fester Verbund im Trennflächenge-
aufgelockert, muss die Böschungsneigung unter 45° liegen, um
Steinschlag zu verhindern. Andernfalls muss die Böschung all-
- füge;
verwittertertes Gestein, im Trennflächengefüge aufgelo-
jährlich beräumt werden, oder es müssen Maßnahmen gegen
Steinschlag und Blocksturz vorgesehen werden.
Starke Auflockerungen können durch gebirgsschonenden Ab- - ckert;
verfestigtes (erhärtetes) Gestein eines geologischen Körpers
bzw. einer Schicht mit festem Verbund im Trennflächenge-
trag und gebirgsschonendes Sprengen vermieden werden. Zu den
wesentlichen Forderungen eines gebirgsschonenden Abtrags zählt,
dass der Großabtrag mittels Reißen oder Großbohrlochsprengen
nur 1–3 m an die endgültige Böschungsfläche heranreichen darf.
- füge als freistehender Felsen;
verfestigtes (erhärtetes) Gestein eines vom geologischen
Körper bzw. von der Schicht getrennten Blockes (nicht
anstehend) mit festem Verbund im Trennflächengefüge.
Beim gebirgsschonenden Sprengen wird der Fels in der vorgese-
henen Böschungsfläche im engen Abstand durchbohrt und mit Bei massigem, unverwittertem Fels (Magmatite, Sandstein, Dolo-
gestreckter Ladung durchrissen. Unterschieden werden die Ver- mitstein, Kalkstein, Anhydrit) werden häufig keine Schichtfugen
fahren „Vorspalten“, „Abspalten“, „Vorkerben“ und „Abkerben“. (Löser) angetroffen, die zum Herauspräparieren von Felsbänken
Nach den „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: geeignet sind. In solchen Gesteinen wird die ingenieurtechnische
Landschaftsgestaltung“ (RAS-LG 3) sollen bei der Geländeaus- Ausbildung von Bermen vorgeschlagen. Bei gebanktem Fels mit
formung Erdbau und Lebendverbau in enger Wechselbeziehung Zwischenlagen aus veränderlich festem Gestein ist die Standfes-
stehen. Harte und haltbare Felsschichten sind in der Böschung als tigkeit der Böschung von der Standfestigkeit der verwitternden
Felsbänke herauszuarbeiten. Die Vorschrift gibt hierzu Ansichts- Lagen abhängig. RAS-LG 3 schlägt die Ausbildung der haltbaren
bilder für Beispiele mit unterschiedlicher Gesteinsausbildung. Felsschichten als Felsbänke und Abböschungen im Bereich der
Es ist festzustellen, dass das Beurteilen der Verwitterungsre- weichen Zwischenschichten vor. Eine solche Baumethode führt
sistenz bestimmter Felspartien und der dauerhaften Standfestig- zu Böschungen, die mit flacher Neigung sehr hoch und weit in
keit herauspräparierter Felsbänke zusätzlich zum geotechnischen den Hang hineinreichen.
Wissen umfangreiche gesteinstypische und regionalgeologische Beim Felsabtrag ist darauf zu achten, dass das Unterschnei-
Erfahrungen voraussetzt. Die einzelnen Felsbänke sind in der den von Böschungen vermieden wird. Wegen möglicher Unre-
Regel geologisch genau erfasst und an verschiedenen Stellen in gelmäßigkeiten des Gebirges ist bei Felsböschungen eine stän-
-
unterschiedlicher Erhaltungsform erhalten wie:
unverwittertertes (frisches) Festgestein, fester Verbund im
dige baugeologische Kontrolle der in der Böschung anstehenden
Gesteine und damit verbunden eine ständige Fachberatung bei
- Trennflächengefüge;
unverwittertes (frisches) Festgestein, im Trennflächenge-
füge aufgelockert;
notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu empfehlen.
Felsböschungen müssen in den Jahren nach der Fertigstel-
lung regelmäßig kontrolliert werden. Dies betrifft besonders die
272 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
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15
16 Steinschlaggefahr nach Frostaufgang. Schutz gegen Steinschlag damit ein möglichst angepasster Lösevorgang (Sprengen oder Rei-
bieten Drahtnetze, Fangzäune, Fangwände und Fangmauern. ßen) angemessen gewählt werden kann. Zum Beurteilen möglicher
17 Für Arbeiten im Bereich der Deutschen Bahn ist „Ril 836 – Mehrkosten durch Mehrausbruch ist zu hinterfragen, bei welchen
Erdbauwerke, Modul 836.0507, Felsböschungen“ zu beachten. Böschungen ein Arbeitsraum vorzusehen ist, welcher in der Regel
später mit Sand und/oder Kies verfüllt wird, und bei welchen Bö-
18 zz Geologisch bedingter Mehrausbruch schungen direkt gegen Fels betoniert werden kann. Soweit direkt
Für den Abtrag von Fels ist die innere Gestalt des Gebirges zu gegen den nicht aufgelockerten Fels betoniert werden soll, ist auch
19 untersuchen und in Bezug auf das Lösen des Gesteins zu beur- jede Art von Mehrausbruch durch Beton zu ersetzen. Die hierfür
teilen. Es ist festzustellen, ob Felsabtrag und Böschungsgestaltung anfallenden Kosten übertreffen die für den Einbau von Sand und/
20 von der Geologie her so eingehalten werden können, wie im Plan oder Kies um das Zehnfache. Auch kann bei großen Baugruben
festgelegt. Aus der Kenntnis des Trennflächengefüges ist auf die der Mehranfall an Haufwerk bei Baggerleistung und Transport
Möglichkeit und Gefahr eines geologisch bedingten Mehraus- zu spürbaren Mehrkosten führen. Neben dem geologisch be-
21 bruches hinzuweisen und z. B. aus vergleichbaren Baugruben dingten Mehrausbruch kann, durch die Struktur des Gebirges be-
abzuschätzen. Der Mehrausbruch wird als mittleres Maß der dingt, die gleiche Lösetechnik auch zum Minderausbruch führen
22 Abweichung in Zentimetern gegen die geplante Ausbruchslinie (. Abb. 5.3). Durch erforderliches Nacharbeiten der Felsböschung
(„pay line“) angegeben. Der Mehrausbruch ist für die Sohlfläche oder der Baugrubensohle, z. B. mit Hydraulikmeißel (Baggeran-
und die nach Raumstellung und Neigung unterschiedlichen Bau- baugerät), Presslufthammer, Explosionshammer, Elektrohammer
23 grubenwände getrennt zu beurteilen. oder per Hand mit Spitzhacke und Schaufel, entstehen gleichfalls
Auf die Gefahr eines gefügebedingten (geologisch bedingten) zusätzliche Kosten, auf welche durch eine genaue Felsbeschreibung
Mehrausbruches ist in der Ausschreibung aufmerksam zu machen, bereits im baugeologischen Gutachten hingewiesen werden soll.
5.3 • Abtrag von Fels
273 5
.. Abb. 5.3 Aufsicht und Querschnitt durch einen im Felsgestein ausgehobenen Graben mit geologisch bedingtem Mehrausbruch und Minderausbruch bei
gebirgsschonender Sprengtechnik. Staustufe Serrig, Saar, Hunsrückschiefer
Bei tiefen Baugruben im Fels ist stets die Möglichkeit der das Festgestein gezogen werden. Beim Reißen besteht die Gefahr,
Auflockerung durch Entspannung zu diskutieren. Besonders dass die Auflockerung unter die herzustellenden Flächen und
Schiefergesteine neigen dazu, dass sich nach wenigen Tagen Profile reicht (. Abb. 5.3a und 5.4).
Kluftkörper vom Gesteinsverband lösen. Für die Beschaffenheit
der Baugrubensohle und Böschungen ist auf die Gefahr der zeit- zz Reißarbeiten mit Baggerwerkzeugen
abhängigen Auflockerung hinzuweisen, besonders wenn die Aus- Das Reißen geschieht durch einen am Baggerarm angebrachten
hubarbeiten vorgezogen und gesondert vergeben werden, wobei Reißzahn. Der Zahn wird mit der Kraft des Baggerarms durch
sich eine deutliche zeitliche Verzögerung zwischen Aushub und das anstehende Festgestein gezogen. Dabei kann der Ansatz-
Fundamentarbeiten ergeben kann. Für den Ausbruch müssen in punkt des Reißzahns gezielt auf Schwachstellen im Fels angesetzt
bestimmten Fällen Auflagen wie Lösen durch Reißen, Reißverbot werden. Zu unterscheiden sind die Arbeits- und Wirkungsweisen
oder schonendes Sprengen benannt werden. „Reißen“, „Hebeln“, „Abziehen“ (Abschieben), „Abschälen“ und
Bei Erdarbeiten im Straßenbau ist das „Merkblatt für die ge- „Abgraben“, welche sich aus Ansatz und Bewegungsrichtung des
birgsschonende Ausführung von Spreng- und Abtragsarbeiten Reißzahnes ergeben (. Abb. 5.2, 5.4 und 5.5).
an Felsböschungen“ zu beachten. In beiden Fällen wird die als Querschneide ausgebildete
Reißzahnspitze keilartig in die Querklüfte des Gebirges gedrückt.
Die Kluftkörper werden zur Ausweichbewegung gezwungen, wo-
5.3.1 Felslösen mit Reißzahn oder Meißel durch schon durch den hydraulischen Andruck eine Eindring-
tiefe des Zahnes bis zu 0,5–0,7 m möglich ist. Beim Übergang
zz Reißarbeiten mit Raupenfahrzeugen aus dem Stand in die eigentliche Reißbewegung wird das Ge-
Das Reißen geschieht durch Reißzähne oder Reißhaken, die an wicht der Raupe oder des Baggers wirksam, und es werden noch
einem Raupenfahrzeug angebracht sind und beim Fahren durch größere Eindringtiefen erreicht. Mit dem Eindringen des Reiß-
274 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
8
Kluftkörper über. Es treten seitliche, liegende und hintere Abriss-
flächen auf (. Abb. 5.4). Beim Reißen mit zwei oder mehr Reiß-
zähnen verstärkt sich die seitliche Reißwirkung in den liegenden
Abrissflächen und das Felsgefüge wird flächenhaft zerstört. Die
-
1984):
Laderaum
Der Laderaum dient zur Aufnahme der Sprengladung. Un-
terschieden wird zwischen natürlichem Laderaum (Spalten,
9 Reißarbeit und die auf den Gesteinsverband abgestellte Lösetech- Risse, Klüfte) und künstlichem Laderaum (Bohrlöcher,
10
nik richtet sich nach der Ausbildung des Festgesteins und nach
dem hierin enthaltenen Trennflächengefüge hinsichtlich der
räumlichen Lage der Trennflächen, dem Trennflächenabstand
und dem Durchtrennungsgrad. Das Ermitteln der günstigsten
- Kessel, Kammern).
Sprengladung
Sprengladung bezeichnet eine für sich zündbare Spreng-
stoffmenge, die in den Laderaum eingebracht wird. Die La-
-
11 Reißrichtung mit optimaler Reißtiefe und optimalem Reißfur- demenge wird nach Formeln der Sprengtheorie berechnet.
chenabstand erfolgt in Reißversuchen. Sprengstoffe
12 Das Bestimmen der qualitativen Reißfähigkeit erfordert, Sprengstoffe sind Explosivstoffe, die dazu bestimmt sind,
dass der geologische Bau und das bestehende Trennflächenge- eine Sprengwirkung zu erzeugen. Sie entwickeln bei ihrer
füge erfasst wird, z. B. im Vergleich mit der seismischen Wel- Umsetzung durch Detonation in sehr kurzer Zeit ein gro-
-
13 lengeschwindigkeit im Gesteinskörper oder mit durchgeführten ßes Gasvolumen bei hoher Temperatur.
Reißarbeiten in der Nachbarschaft. Auch die anfallende Stück- Sprengstoffdichte
14 größe im Haufwerk ist ein Kriterium für die Reißfähigkeit. Die Sprengstoffdichte bezeichnet das Verhältnis von Spreng-
15
Forderung nach kleinstückigem Haufwerk kann dazu führen,
dass nicht die volle Reißkraft eingesetzt werden darf. Die Reiß-
fähigkeit eines Felsverbandes wechselt mit der Ausbildung und
Stärke der Felsauflockerungszone. Diese von der Natur vorgege-
- stoffmasse zu Volumen.
Ladedichte
Ladedichte bezeichnet das Verhältnis von Sprengstoff-
menge zu Bohrlochvolumen bzw. den Füllungsgrad des
-
16 bene Auflockerung kann durch Auflockerungssprengen verstärkt Bohrloches.
oder ersetzt werden. Zündstoffe
17 Schlimmer als beim gebirgsschonenden Sprengen ergeben Zündstoffe sind Initialsprengstoffe, die in anderen Explo-
18
sich beim Gesteinslösen durch Reißen über die gewünschte Tie-
fenwirkung hinaus Felsauflockerungen, die zur Entfestigung im
Sohl- und Böschungsbereich der Baugrube führen. Mithin sollte
gutachterlich festgestellt werden, in welchem Abstand von der
- sivstoffen eine Detonation auslösen.
Zünder
Als Zünder bezeichnet man Initialsprengstoffe in Zünder-
hülsen, die elektrisch über einen Glühdraht oder als Brenn-
19 geplanten Aushublinie das Gebirgsreißen nicht mehr gestattet zünder über eine Zündschnur zur Detonation gebracht
werden kann (. Abb. 5.5). werden. Die Detonation erfolgt beim Momentzünder sofort
20 und beim Zeitzünder mit Verzögerung, wobei Kurzzeit-
zz Meißelarbeiten zünder (Millisekundenzünder mit Zeitstufen 1 bis 16),
Das Felslösen geschieht mit einem hydraulisch oder pneuma- Viertelsekundenzünder und Halbsekundenzünder verwen-
-
21 tisch angetriebenen Meißel. Arbeiten in geringem Umfang kön- det werden.
nen per Hand mit Presslufthammer, Explosionshammer oder Detonation
22 Elektrohammer ausgeführt werden. Für umfangreichere Arbei- Detonation bezeichnet die Koppelung von energieliefern-
ten werden Baggergeräte eingesetzt, an deren Arm ein Meißel der Umsetzung mit einem Verdichtungs- bzw. Detonati-
angebracht ist. Der Meißel kann gezielt auf Schwachstellen im onsstoß (bis 800 m s−1), der wiederum diese Umsetzung
23 Fels angesetzt werden. Meißelarbeiten können gebirgsschonend auslöst. Die Detonation kann Luftzwischenräume sowie
ausgeführt werden. Sie eignen sich zum Nachputzen von durch feste und flüssige Zwischenräume bis zu einer gewissen
Abtrag hergestellten Flächen und Profilen. Stärke überspringen.
5.3 • Abtrag von Fels
275 5
Gestein ρ νus νi w
ρ Dichte
vus Ultraschallwellengeschwindigkeiten; im Labor gemessen
vi Seismische Längswellengeschwindigkeit; im Gebirgsverband gemessen
w Schallhärte oder Impedanz (w = ρ vi)
- renden Sprengstoffes.
Detonationsgeschwindigkeit
Der Detonationsstoß erzeugt eine Druckwelle (Detona-
tionswelle), die mit der Detonationsgeschwindigkeit im -
Das Wort „Abschlag“ bezeichnet den durch Sprengen unter
Zusammenwirkung mehrerer Ladungen gelösten Gebirgsteil.
Ausbruch
Das Wort „Ausbruch“ bezeichnet den beim Sprengen
-
der Longitudinalwelle und Dichte des Sprengstoffes oder
Gesteins (. Tab. 5.1 und 5.2).
Schwadenvolumen
Das Schwadenvolumen ist das pro Kilogramm Sprengstoff
- gen wirken und den gewünschten Ausbruch schaffen.
Besatz/Verdämmung
Zum Verdämmen wird feinkörniges Bodenmaterial (Letten)
oder Bohrklein in das Bohrloch eingebracht, um dieses
anfallende Volumen an gasförmigen Schwaden in Litern, be- abzuschließen. Dieser Abschluss (Endbesatz) verhindert das
zogen auf 0 °C und 760 mm Hg. Mit zunehmendem Schwa- Entweichen von Gas, das Herausschlagen von Flammen und
- vorhanden sind.
Vorgabe
Die Vorgabe ist der Abstand der Sprengladung zur nächst-
die Sprengwirkung besser ausgenutzt (. Abb. 5.6).
Sprengstoff ρ νD SV w
2 [t m−3] [m ms−1] [l kg−1] [t m−2 ms−1]
8
.. Abb. 5.6 Verfahren zum gestreckten Laden
von Sprenglöchern. (Wilmers 1982)
9
10
11
12
13
14
15
16
Trennflächenabstand leichter als in engscharig durchtrennten der Bohrlöcher führen. Die mögliche Bohrtiefe ist hierdurch auf
17 Gesteinsmassen. Bei Schiefergesteinen hängt der Erfolg von der 12 m begrenzt. Als Hilfsmittel für erhöhte Richtungsgenauigkeit
Raumstellung der durch Sprengung herzustellenden Flächen beim Bohren haben sich Steuerzylinder, biegefeste Bohrstangen
zur Raumstellung und Durchtrennung des Trennflächengefüges und besonders gestaltete Gestängeverbindungen bewährt. Der
18 (Schicht-, Kluft- und Schieferungsflächen) ab. Ebenflächige Pro- Bohrdurchmesser ist von untergeordneter Bedeutung. Er muss
file können im Schiefer nicht garantiert werden; ein geologisch wesentlich größer sein als der Ladungsdurchmesser, um einen
19 bedingter Mehrausbruch ist möglich. Unterschieden werden die ausreichenden Luftspalt zu haben, der für ein Abpuffern des
Verfahren „Vorspalten“, „Abspalten“, „Abkerben“ und „Vorker- Detonationsstoßes wichtig ist. Die Bohrlöcher werden in vol-
20 ben“. ler Länge mit einer gestreckten Säule aus einem Sprengstoff mit
hoher Detonationsgeschwindigkeit geladen. Bewährt haben sich
zz Vorspalten sowohl Sprengschnüre mit angebundenen dünnen Patronen als
21 Im ungestörten Gebirge wird vor der Hauptsprengung ein Spalt auch Sprengschnüre höheren Füllgewichts als alleinige Ladung.
im Bereich der geplanten Aushubfläche erzeugt. Hierzu werden Die verwendete Sprengstoffmenge liegt zwischen 100 und 250 g
22 Bohrlöcher parallel zueinander in der projektierten Profilfläche je Quadratmeter Böschungsfläche. Gegen Überladen sind nur
niedergebracht. Der Abstand richtet sich nach der Sprengbarkeit Gesteine mit geringer Festigkeit empfindlich. Die Ladung darf
des Gesteins und nach den Abständen im Trennflächengefüge. im Bohrloch nicht verdämmt sein. Die besten Ergebnisse werden
23 Bei massigen Gesteinen sind Abstände bis zu 1,2 m möglich. beim Einbringen der Ladung auf Holzlatten oder Kunststoffpro-
Wichtig ist ein richtungsgenaues Bohren, denn Abweichungen filen erzielt. Es werden auch Sprengstoffe in Plastikrohren mit
von wenigen Grad können zu einem starken Auseinanderlaufen Abstandshaltern geliefert. Diese Hilfsmittel sind bei schrägen
5.3 • Abtrag von Fels
277 5
.. Abb. 5.7 Sprengen eines Felsein-
schnittes mit senkrechten oder bö-
schungsparallelen Bohrlöchern. (Wilmers
1982)
böschungsparallelen Bohrlöchern im Böschungsbau anzuwen- Ein besseres Sprengergebnis lässt sich erzielen, wenn der
den (. Abb. 5.11a). Abstand der Bohrlöcher und deren Bohrdurchmesser sowie die
Größe der Vorgabe und die Lademenge pro Bohrloch verrin-
zz Abspalten gert werden. Bei Trennflächenabständen über 0,5 m sollte der
Nach der eigentlichen Abtragssprengung wird durch das Zünden Bohrlochabstand nicht größer als der doppelte bis dreifache
der Ladung einer durchgehenden Bohrlochreihe ein Spalt in der Trennflächenabstand sein. Zum Vermeiden falsch und zu tief
geplanten Aushubfläche erzeugt. Die Löcher werden im Abstand sitzender Bohrlöcher sollte jede Bohrstelle nach Lage und Höhe
von 0,5–1,2 m in der gewünschten Profilfläche gebohrt. Alle eingemessen werden.
Löcher erhalten eine gestreckte Ladesäule, die gegen die Bohr- Um das Gebirge zu schonen und ein gleichmäßiges Spreng-
lochwand abgepuffert ist (. Abb. 5.6 und 5.11b). Das Zünden ergebnis zu erzielen, ist es günstig, die Bohrlöcher im Neigungs-
der Ladungen geschieht gleichzeitig. Durch das Zünden soll das winkel der Böschung zu bohren (. Abb. 5.7). Es besteht auch die
Gestein vom Profil gelöst und die Vorgabe geworfen werden. Bei Möglichkeit der Kombination von senkrechten und böschungspa-
diesem Verfahren gibt es gute Erfolge bei Vorgaben bis zu 3 m. rallelen Bohrlöchern (. Abb. 5.8). Hierbei dürfen die Wirkungs-
Unter Tage hat sich das Abspalterverfahren gut eingeführt, wobei zonen der senkrechten Bohrungen die Ebene der böschungsparal-
die Ladung der Spaltreihe mit der letzten Zünderzeitstufe eines lelen Bohrungen nur berühren und auf keinen Fall durchschlagen.
Abschlages gezündet wird. Die Sprengladung wird über die ganze Länge des Bohrloches
eingebracht, wobei der Bohrlochmund gut verdämmt wird, um
zz Abkerben Ausbläser zu verhindern. Die Besatzlänge soll etwa der Vorgabe
Es wechseln sich in der Bohrlochreihe geladene Löcher mit un- oder dem halben seitlichen Bohrlochabstand entsprechen.
geladenen Löchern ab. Das Abkerben ist eine Abwandlung des Die Wahl des Sprengstoffes richtet sich nach Elastizität,
Vor- und Abspaltens. Druckfestigkeit und Dichte des Gesteins. Die Energieübertra-
gung von der Detonationssäule in das Gestein steigt mit dem
zz Vorkerben Verhältnis der Impedanz (Schallhärte) des Gesteins zu der des
Eine enggebohrte Reihe ungeladener Löcher in der geplanten Sprengstoffes (. Tab. 5.1 und 5.2). Als günstiges Verhältnis wird
Aushubfläche gibt die Fläche an, bis zu der die Sprengwirkung 5:1 bis 3:1 angegeben.
der Lösesprengung reichen soll. Dieses Verfahren wird in gleicher Für das Beurteilen der sprengtechnischen Eigenschaften ei-
Weise wie das Abkerben nur in Sonderfällen angewendet, nämlich nes Festgesteins ist es sinnvoll, die Geschwindigkeit der seismi-
dann, wenn stark gegliederte Profile auszubrechen sind oder wenn schen Longitudinalwellen und die Dichte des Gebirgsverbandes
Sprengarbeiten unmittelbar neben Gebäuden durchzuführen sind. zu bestimmen. In Felsauflockerungszonen mit Wellengeschwin-
digkeiten unter 1800 m s−1 ist die Gebirgsimpedanz niedrig. Um
die Wirkung des Sprengstoffes an das Gebirge anzupassen, kann
5.3.4 Gebirgsschonendes Gewinnsprengen die Ladung durch Strecken vermindert werden.
Die Zündung erfolgt mit verzögerter Detonationsauslösung
Mit dem Gewinnsprengen soll der Fels in ein leicht zu lösendes der einzelnen Ladungen oder Ladungsgruppen. Dadurch wird
und leicht zu ladendes Haufwerk, welches gegebenenfalls vom die Sprengerschütterung verringert, die Haufwerkszerkleinerung
Kornaufbau her gut verdichtbar sein soll, verwandelt werden verbessert und das gezielte Werfen der Vorgabe ermöglicht. Die
(. Abb. 5.11c,d). Dieses Ziel wird üblicherweise durch den Ein- Zündverzögerung wird mit Sprengzeitzündern erreicht. Ver-
satz großer Mengen brisanter Sprengstoffe erreicht, die in weit wendet werden Millisekundenzünder mit 20 und 30 ms Verzö-
auseinanderstehenden Bohrlöchern mit großem Bohrdurch- gerungsintervall und 18 Zeitstufen, Viertelsekundenzünder mit
messer verteilt sind. Häufig werden die Bohrlöcher bis auf die 250 ms Verzögerungsintervall sowie Halbsekundenzünder mit
zukünftige Böschungsfläche heruntergebracht, wo die Spreng- 500 ms Verzögerungsintervall und 12 Zeitstufen.
kraft zur Gebirgsauflockerung und zu einem technisch bedingten Die Bewegung der Vorgabe beginnt, wenn die Schockwelle
Mehrausbruch führen kann. etwa siebenmal die Vorgabe durchlaufen hat (. Tab. 5.3). Zu
278 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
1
2
3
4
5
6
7
8
.. Abb. 5.8 Mögliche Tiefen senkrechter Bohrlöcher bei gebräuchlichen Böschungsneigungen. (Wilmers 1982)
9
.. Tab. 5.3 Zusammenhang zwischen Vorgabe, Schockwellenge- mit Millisekundenzündern gezündet. Die gegenüberliegenden
10 schwindigkeit, Laufzeit und Beginn der Bewegung der Vorgabe beim
Sprengen. (Wilmers 1982)
Ladungen dürfen nicht gleichzeitig gezündet werden. Bei Gräben
bis etwa 1,2 m Breite genügt eine mittlere Bohrlochreihe für den
Ausbruch. Ihre Löcher sollen mit 70° oder flacher gebohrt wer-
11 Vorgabe Schockwellen-
geschwindigkeit
Laufzeit L Beginn der Bewe-
gung der Vorgabe den und gleichfalls gestreckt bis nahe an den Bohrlochmund ge-
νL t=7L laden werden. Die Lösesprengung wird in einem Zündgang mit
12 [m] [m ms−1] [ms] [ms]
der Ladung des Spalts mit Millizündern entsprechend gestaffel-
ten Zeitstufen gezündet. Die Bohrlöcher für die Lösesprengung
sind etwa 20 cm unter die Grabensohle zu bohren. Der Abstand
13 1,5 1,5 1,0 7,0
der Bohrlöcher beträgt 0,9 m bei Grabentiefen < 0,9 m.
3,0 0,5 3,5
Werden bei größerer Grabentiefe (2 m und mehr) nahezu
14 5,0 0,3 2,1
senkrechte Wände angestrebt, so müssen beim Unterschreiten
2,0 2,0 1,0 7,0 ungünstiger Trennflächen Felssicherungsmaßnahmen durch-
15 5,0 0,4 2,8 geführt werden. Anlage, Lademenge und Zündplan sind dem
Trennflächengefüge im Fels anzupassen (. Abb. 5.10b, c).
Beim Heraussprengen von Baugruben mit kleinem Umriss
16 jeder Zündzeitstufe gehört eine Vorgabe. Jede Vorgabe einer (Entwässerungsschächte, Einzelfundamente) muss der Aushub
Zeitzünderstufe muss sich nach der vorhergehenden freiwerfen mit einem Einbruch eingeleitet werden. Hier sind sinngemäß
17 können und damit die nachfolgende Zündzeitstufe entlasten, ehe die im Tunnelbau üblichen Kegeleinbrüche und Keileinbrüche
diese ihre Sprengwirkung entwickelt. Werden mehrere Ladungen (. Abb. 5.10) anzuwenden. Paralleleinbrüche sind zu vermei-
oder Ladungsgruppen in einer Reihensprengung gezündet, so den, da diese große Erschütterungen bewirken. Bei sehr engen
18 muss die Zündfolge bei der freien Fläche (Laderaum für Bag- und kleinen Baugruben (z. B. für Mastfundamente) mit einem
ger und LKW) beginnen und zur geplanten Böschung hinlaufen Verhältnis von Durchmesser zur Tiefe kleiner 1:1 müssen die
19 (. Abb. 5.9). Außenrandlöcher nach innen 1:0,33 oder flacher geneigt sein.
Enge Baugruben und Gräben können mit zusätzlichem Vor- Hierbei kann das Abspalten günstiger als das Vorspalten sein.
20 spalten gesprengt werden. Die Spaltlöcher werden in der geplan-
ten Grabenwand mit etwa 70° Neigung zum Graben hin gebohrt.
Der Abstand der Spaltlöcher soll in der Reihe 60–70 cm nicht 5.3.5 Gebirgsschonendes Sprengen mit
21 überschreiten. Die Bohrlöcher der beiden Reihen müssen ver- Expansionsmitteln
setzt zueinander angeordnet werden, um ein ungewolltes Spalten
22 quer durch den Graben zu vermeiden. Die Bohrlochtiefe braucht Älter als das Sprengen mit brisanten Explosionsmitteln – die erste
die Sohltiefe nicht wesentlich zu durchstoßen. Die Ladesäule bergmännische Sprengung fand im Jahre 1627 durch den Tiroler
muss gestreckt und gut gepuffert sein und muss bis zum Bohr- Kaspar Weindl in der Bergstadt Schemnitz im damaligen Ungarn
23 lochmund reichen, um den Spalt voll auszubilden. Als Anhalts- statt – ist das Sprengen mit Expansionsmitteln. Alte, wohl seit der
menge kann eine auf die Bohrlöcher verteilte Sprengstoffmenge Steinzeit gebräuchliche Expansionskräfte wurden beim Gefrieren
von 120 g je Quadratmeter Spalt gelten. Die Ladungen werden von Wasser in Felsspalten und im Porenraum (Kristallisations-
5.3 • Abtrag von Fels
279 5
.. Abb. 5.9 Sprengplan für schonendes Spren-
gen. a Für Felsabtrag mit freiem Wurffeld, b für
Felsabtrag neben einer Straße. Der Plan sieht das
Vorspalten des Profils in einem Zündgang mit der
schonenden Gewinnsprengung vor. Das Profil-
sprengen (Vorspaltreihe in der zukünftigen Bö-
schungsfläche mit engem Bohrabstand) sieht vor,
dass der Spalt für den nächsten Abschlag teilweise
mitgesprengt wird. Die Gewinnsprengungen sind
so angelegt, dass ihre Ladungen im Falle (a) einen
Winkel mit der Böschung, im Falle (b) einen Keil
vor der neuen Böschung bilden und ausbrechen.
Mit Zündern einer Zeitstufe werden nicht mehr als
drei Bohrlochladungen gezündet. (Wilmers 1982)
druck) und beim Aufquellen von trocken eingetriebenen Hölzern geführt wird. Im Bohrloch verfestigt sich diese Mischung, erhär-
(Quelldruck) erzielt. In jüngerer Zeit wurde Branntkalk (▶ Ab- tet und expandiert mit Drücken von 30–40 MN m−2. Die Dauer
schn. 8.4) versuchsweise als Expansionsmittel verwendet. Der in bis zum Einsetzen der Sprengwirkung ist vom Mischungstyp
Löcher eingebrachte Branntkalk expandiert beim Löschvorgang. und von der Temperatur abhängig. Der Verbrauch hängt vom
Da der Kalk jedoch nicht erhärtet, weicht die Expansionskraft in gewünschten Effekt ab und liegt zwischen 3 und 5 kg pro m3
die Richtung des geringsten Widerstandes aus. Die Bohrlöcher Hartgestein bei leichter Rissbildung und 7–9 kg m−3 bei Bag-
müssen fest verschlossen sein. gerfähigkeit des Haufwerkes. Das Anordnen der Sprenglöcher
Es sind mehrere Expansionsmittel im Handel. geschieht nach Sprengplänen wie beim Verwenden von explo-
Das in EP 0162 276 A 2 patentierte Expansionsmittel besteht siven Sprengstoffen. Anstelle unterschiedlicher Zündungszeiten
aus einem Zweikomponentensystem. Komponente 1 enthält wird beim Expansionsmittel „Bristar“ tempiert gearbeitet, d. h.
Branntkalk, Tonerde, Aluminiumoxid und Ligninsulfat oder die Ladungen werden nacheinander im Abstand von Stunden
Magnesiumsulfat. Komponente 2 enthält Wasser, Melanin-Form- eingebaut (. Abb. 5.12).
aldehyd-Harz; Natriumsulfat und Citronensäure oder Weinsäure. Die Anwendung von „Bristar“ ist gegenüber den explosiven
Unter der Firmenbezeichnung „Bristar“ ist eine Mischung aus Sprengstoffen aufwendig (erhöhte Bohrkosten, erhöhte Material-
Branntkalk, Silikaten und anderen Zusatzstoffen auf dem Markt. kosten, lange Sprengzeiten) und sollte daher in Situationen erfol-
Es ist ein Pulver, das mit Wasser angerührt in die Bohrlöcher ein- gen, die bezüglich Lärm und Erschütterung besondere Rücksicht
280 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
.. Abb. 5.12 Beispiel für einen Sprengplan zum Felslösen mit dem Expansi-
onsmittel „Bristar“. In der ersten Zeitstufe werden die Fußlöcher (Bohrlochab-
stand a1 = 30–40 cm) gefüllt. In der zweiten Zeitstufe mit mindestens einer
Stunde Zeitabstand werden die eigentlichen Abtragslöcher (Bohrlochab-
stand a2 = 60–90 cm) gefüllt. (Schwarz 1981)
c
--
nerns – vgl. „Knappe“) kann auf folgende Weise geschehen:
mit der Fallbirne;
--mit Explosionshammer;
mit Elektrohammer;
--
mit Bohrlöchern und eingebrachtem Sprengstoff;
mit aufgelegtem Sprengstoff;
durch Einpressen von Wasser mit hohem Druck in ein
d
-
Bohrloch;
durch Aufsprengen mit Expansionsmitteln, z. B. „Bristar“
oder „Darda“.
Das Erkunden von Baustoffvorkommen (Baustofflagerstät- Diese Faustformel gilt für Massenrohstoffe. Bei Naturwerkstei-
--
1 ten) umfasst folgende Aufgaben: nen ist zusätzlich die Rohblockhöffigkeit zu berücksichtigen (Sin-
Prüfen der Eignung des Baustoffes; gewald 1992; Weber et al. 2001).
2 Darstellen der räumlichen Verbreitung und Lagerung der Das Ausarbeiten von Abbaukonzepten muss neben den geo-
3 -- Lagerstätte;
Vorratsberechnung der Lagerstätte;
Aufzeigen der geologischen Gegebenheiten, die den Abbau
logischen und topographischen Gegebenheiten die Vorgaben aus
Grundstücksgrenzen und Auflagen der Genehmigungsbehörde
berücksichtigen. Zudem ist im Abbaukonzept auf mögliche Ge-
4
- günstig oder ungünstig beeinflussen;
Beschreiben der Art und Eigenschaften der Deckschichten
fahren hinzuweisen, die sich aus der geologischen Lagerung und
der örtlichen Situation im Zuge des Abbaus ergeben können.
- Deckschichten;
Massenberechnung für die Deckschichten (unbrauchbaren
nungen für Beton, DIN EN 13055 Leichte Gesteinskörnungen,
DIN EN 13139 Gesteinskörnungen für Mörtel, DIN EN 13450
-
6 Massen); Gesteinskörnungen für Gleisschotter sowie die „Technischen
Darstellen und Beschreiben der Wasser- und Grundwas- Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau“ (TP
7 sersituation mit Hinweisen auf Nutzungsmöglichkeiten, Gestein-StB), die „Technischen Lieferbedingungen für Gesteins-
Verschmutzungsgefahren und erforderliche Wasserhal- körnungen im Straßenbau“ (TL Gestein-StB), die „Zusätzlichen
8
9
- tung;
Entwickeln eines Abbaukonzeptes.
b c
d
.. Abb. 5.13 Geräte zum Trockengewinnen von Sand und Kies. a Radlader mit maximal zulässiger Wandhöhe, b Kompakt-Schaufelradbagger mit Gewinnen
im Blockverhieb, c Schürfkübelbagger mit Aufbau und Arbeitsbereich, d Schrapperanlage, umgezeichnet nach Stoll (1992). Schürfkübelbagger und Schrapper-
anlage können auch im Nassabbau eingesetzt werden
dass ein wirtschaftliches Gewinnen von Sand und Kies fundiertes mitbestimmt. Beim Tiefschnitt wird beim Gewinnen Hubarbeit
Planen voraussetzt. Wichtige Grundlage für solches Planen ist geleistet, was zu höheren Förderkosten führt.
die genaue Kenntnis des geologischen Aufbaus der Lagerstätte Zum Trockenabbau können Radlader, Schürfkübelbagger,
und die Kenntnis der angebotenen Gewinnungstechniken. Nach Schaufelradbagger und Schrapperanlagen eingesetzt werden
technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist im Rahmen (. Abb. 5.13).
eines zu erstellenden Abbaukonzeptes das Gerät auszuwählen, Im Trockenabbau können mit diesen Geräten die in . Tab. 5.4
das für die jeweilige Situation am besten geeignet ist. Bei einem aufgeführten Abtragsmächtigkeiten bearbeitet werden.
projektierten Abbau muss zunächst geklärt werden, ob das Vor-
kommen im Trocken- oder Nassabbau gewonnen werden soll. zz Nassabbau
Kies und Sand wird im Baggersee unter Wasser gelöst und he-
zz Trockenabbau rausgehoben. Soweit erlaubt, kann die Lagerstätte bis zur Sohle
Über dem Grundwasser anstehende Sand- und Kieslager sind der anstehenden Kies- oder Sandschicht hereingewonnen
für den Trockenabbau geeignet. Abbauart und Abbauhöhe be- werden. Beim Einsatz von Nassbaggergeräten ist das selektive
rücksichtigen die über Grundwasser anstehenden Schichtstär- Gewinnen einzelner Schichten und ein Profilschneiden nicht
ken der zum Abbau freigegebenen Sand- oder Kiesmassen. Beim möglich. Bei herkömmlichem Abbau entsteht auf dem Gewäs-
Trockenabbau ist zum Vorbeugen möglicher Grundwasserver- sergrund eine Kraterlandschaft. Unvollständiges Ausbeuten der
schmutzung ein Abstand von 1 m zum höchsten Grundwasser- Lagerstätte mit verbleibenden Restschichten von 1–1,5 m ist
stand einzuhalten. möglich. Moderne Vorrichtungen arbeiten mit Baggerpositio-
Die in der Abbaufront anstehenden Schichten, Mutterboden, nierung mittels DGPS in Verbindung mit Sonaranlagen (Echo-
Deckschichten sowie auch einzelne Sand- oder Kieslagen können lot). Mit dieser Ausstattung kann der Baggergrund und der Ort
bei Trockenabbau selektiv abgeschoben oder gewonnen werden. der Bodenentnahme mit der Genauigkeit von 1 m elektronisch
Der eigentliche Abbau kann im Hoch- oder Tiefschnitt, also erfasst werden. Das so überwachte Abbauverfahren hilft Fehl-
oberhalb oder unterhalb des Geräteplanums, erfolgen. baggerungen zu vermeiden und ermöglicht den gezielten Abbau
Beim Hochschnitt darf nach bestehenden Sicherheitsvor- verbliebener Kiesmassen.
schriften die Höhe der Abbauwand die Reichhöhe des eingesetz- Unter Wasser stellen sich Böschungen mit vom Material
ten Gerätes nur um 1 m überragen. Bei mächtigeren Vorkommen abhängigen Böschungswinkel ein (Sand 1:3 bis 1:8, Kies 1:2).
muss der Abbau in mehreren Strossen erfolgen. Lehm und verfestigte Lagen sowie Kies, Steine und Blöcke mit
Beim Tiefschnitt wird die Wandhöhe vom Arbeitsbereich des eingeregeltem Gefüge (Dachziegellagerung, Imbrikation) können
eingesetzten Gerätes und von der Standfestigkeit der Böschung steil bis senkrecht abböschen. Beim Nachbrechen steiler Wände
284 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
1 .. Tab. 5.4 Mit den Geräten zum Trockengewinnen von Sand und Kies bearbeitbare Abtragsmächtigkeiten und mögliche Gewinnleistungen
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
.. Abb. 5.14 Geräte zum Nassgewinnen von Sand und Kies, a Eimerkettenbagger als Landgerät, b schwimmender Eimerkettenbagger, c,d Schwimmgreiferan-
21 lage mit Schuten, e Saugbagger, f Prinzip des Lufthebeverfahrens beim Pneumatikbagger
22 können Baggergeräte (Greifer, Eimerkette) verschüttet werden. Durch den so verbleibenden Spalt fallende Sand- und Kiesmas-
Verschüttete Baggergeräte können meist nur durch den Einsatz sen verringern die Förderleistung. Bei Eimerkettenbaggern kann
eines weiteren Greifers geborgen werden, wodurch erhebliche durch Stammholz und Blöcke der Schöpfvorgang behindert, die
23 Förderausfälle eintreten können. Baggerleistung verringert und der Verschleiß erhöht werden.
Stammholz, Steine und Blöcke sind beim Baggervorgang Zum Nassabbau können Schrapperanlagen, fahrbare
hinderlich. Sie können das Schließen des Greifers verhindern. Land-Eimerkettenbagger, schwimmende Eimerkettenbagger,
5.4 • Abtrag zum Gewinnen von Baustoffen
285 5
5.4.2 Gewinnen von Ton und Lehm
.. Tab. 5.5 Mit den Geräten zum Nassgewinnen von Sand und Kies
bearbeitbare Abtragsmächtigkeiten und mögliche Gewinnleistungen
Das Gewinnen von Lehm und Ton als Rohstoff für die Ziegelin-
Geräteart Tiefschnitt [m] Gewinnleistung dustrie sowie als Baustoff kann im Trockenabbau an Standorten
[m3 h−1]
über dem Grundwasser und im Nassschnitt an Standorten unter
Land-Eimerkettenbagger Bis 13 Bis 250 Wasser erfolgen. Wichtig ist das gleichmäßige Vermischen des
Materials aus den in der Lagerstätte anstehenden Schichten beim
Schwimmeimerkettenbagger Bis 21 100–400
Gewinnen und Verarbeiten.
Schwimmgreiferbagger Bis 100 60–500
-
passen:
landgestützte Eimerkettenbagger (. Abb. 5.14a)
Sie bewegen sich auf vorbereiteten Fahrwegen. Diese
müssen hoch belastbar sein und dürfen durch die Bagger-
zz Gewinnen im Nassschnitt mit Eimerkettenbagger
auf Schiene
Das Gerät (. Abb. 5.15) steht auf dem von Deckschichten oder
Mutterboden abgeschobenen Gelände. Entlang der Abbaustrecke
arbeit nicht untergraben werden. Die Eimerkette wird unter sind Schienen verlegt, auf denen das Gerät über einen Quervor-
Neigung von etwa 30° über die Böschung geschleppt (hoher schub geführt wird. Über den veränderlichen Neigungswinkel
Verschleiß!). Grenzbaggerarbeiten sind nicht allseitig mög- der Eimerleiter kann eine bestimmte Materialmächtigkeit zwi-
- gering.
Saugbagger (. Abb. 5.14e)
Das Gerät ist bei gut fließenden sandigen Böden einsetz-
bar. Der Boden wird durch den Unterdruck einer Krei-
kostspielig; der Untergrund muss hierfür in seinen Trageigen-
schaften verbessert und verfestigt werden; innerhalb der Abbau-
grube ist der Gerätetyp unflexibel.
selpumpe aus seinem Verband gelöst. Standfeste Gesteine zz Gewinnen mit Eimerkettenbagger
können hydraulisch oder mechanisch (z. B. mit vorgeschal- auf Raupenfahrwerk
tetem Schneidkopf) gelöst werden. Das Baggern erfolgt Das Gerät ist als Hochbagger an einer Abbauwand und als
kontinuierlich. Energieverbrauch und Verschleiß sind Tiefbagger, auch im Nassschnitt, an einer Böschung einsetzbar
- hoch.
Pneumatikbagger (. Abb. 5.14f)
Der Bagger arbeitet nach dem Prinzip des Lufthebeverfah-
rens. Die minimale Gewinnungstiefe liegt bei 6–8 m, die
(. Abb. 5.16). Der Bagger wird für den Abtrag quer zum Rau-
penfahrzeug an die Abbaustrecke gestellt, und die Eimerleiter
wird an die Abbauböschung angelegt. Das Zustellen der Span-
stärke erfolgt über Leiterwinden, der Vorschub über das Rau-
maximal angewendete Gewinnungstiefe bei 90 m. penfahrwerk. Sind die Zustellmöglichkeiten der Eimerleiter er-
schöpft, wird durch Rangieren des Fahrwerkes der Bagger erneut
angestellt und auf den Längsschnitt ausgerichtet.
Vorteile: der Baggertyp ist innerhalb der Grube sehr flexibel;
dadurch kann auf Materialunterschiede und auf Witterungsein-
286 Kapitel 5 • Abtrag von Boden und Fels
11
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15
16 flüsse eingegangen werden; es wird eine gute Mischung des ab- zz Nachbehandeln des gewonnenen Materials
getragenen Materials erzielt; die Bodenbelastung kann über die Das gewonnene Material erfährt in der Ziegelei bis zum End-
17 großflächige Raupenauflage gering gehalten werden. produkt zahlreiche Bearbeitungsschritte, mit denen ein Homo-
Nachteile: die Spurtreue des Baggers ist nicht stabil und muss genisieren des Materials angestrebt wird. Neben der Zerkleine-
durch Korrekturbewegungen ausgeglichen werden; damit ist rungstechnik mittels Haspelbändern, Kollergängen und Sieben
18 auch die Schnittstärke über der Abbaufläche nicht so exakt wie sind die Mischvorgänge von Bedeutung. Letztendlich wird das
bei einem schienengeführten Gerät. auf unter 1 mm zerkleinerte Material in ein Sumpfhaus einge-
19 bracht.
zz Gewinnen mit Tieflöffel unter Wasser Bei der Entnahme aus dem Sumpfhaus zum Fertigen des
20 Der Tieflöffelbagger ist ein diskontinuierlich arbeitender hyd- Endproduktes sollte ebenfalls dem Grundprinzip des Vermi-
raulischer Bagger. Das Gerät ist sehr flexibel einsetzbar. Beim schens Rechnung getragen werden. Dies kann z. B. durch den
Gewinnen werden nur bedingt Materialmischungen erzielt. Das Einsatz eines kontinuierlich arbeitenden Eimerkettenbaggers
21 Gerät besitzt eine aufwendige Technik und bedarf besonderer erfolgen.
Pflege und Wartung. Es ist motorisch hoch installiert.
22
zz Gewinnen mit Kratz- oder Schürfkette 5.4.3 Gewinnen von Naturstein
Der Bagger ist mit einer Kratz- oder Schürfkette ausgestattet, wel-
23 che über die Abbauböschung gezogen wird. Die Arbeitsweise ist Natursteine werden als Baustoff für Erdbaumaßnahmen oder als
der eines Eimerkettenbaggers ähnlich, jedoch sind die Schürf- Zuschlagstoff für Beton und Asphalt gewonnen. Das Aufbereiten
kräfte geringer und die Verschleißkosten höher. besteht im Zerkleinern (Brechen) des angefallenen Haufwerks
5.4 • Abtrag zum Gewinnen von Baustoffen
287 5
.. Abb. 5.17 Abbaurichtungen mit Bezug zur Lagerung der Haupt-
trennflächen
und im Trennen (Sieben und Klassieren) des gebrochenen Ma- zum Liegenden, können die Abbauwände nachbrechen. Der
terials nach Korngrößen. Das Material kann im Steinbruch stark Arbeitsaufwand für das Gesteinslösen kann geringer ausfallen
klüftig und kleinstückig vorliegen. Die Stück- oder Blockgröße als bei anderen Abbaurichtungen. Aus Sicherheitsgründen sollte
stellt kein besonderes Anforderungskriterium dar. Die Produkte die Wandneigung parallel zum Einfallen der Haupttrennflächen
(Brechprodukte) der Natursteinindustrie sind Wasserbausteine, angelegt werden.
Schotter, Splitt, Edelsplitt und Brechsand. Das für die Natur- Beim Abbau in Richtung des Einfallens (mit dem Einfallen)
steinindustrie benötigte Material muss den zu Beginn dieses ergeben sich standfeste Wände. Das Gewinnen ist erschwert.
Abschnittes genannten qualitativen Anforderungen entsprechen. Der Abbau parallel zum Streichen (im Streichen) der Haupt-
Gewinnungsbetriebe der Natursteinindustrie zeichnen sich oft trennflächen stellt aus gewinntechnischen, sicherheitstechni-
dadurch aus, dass hohe Anteile des gelösten Materials als ver- schen und wirtschaftlichen Gründen in aller Regel das Optimum
wertbarer Rohstoff gewonnen werden. dar (. Abb. 5.17).
Steinbrüche der Natursteinindustrie können wie ein Fest- Beim Großbohrlochsprengverfahren wird mit Bohrloch-
gesteinstagebau geplant und abgebaut werden (Goergen 1987). volumen von über 65 mm Durchmesser und über 12 m Tiefe
Das Abbausystem wird durch die Art der Lagerstätte, durch die gearbeitet. Die Bohrlöcher werden bei hohen Wänden in einer
Topographie und durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Abbau- Reihe, bei niedrigen Wänden auch in zwei und mehr Reihen
art, Abbauverfahren und Abbauführung sind diesen Vorgaben abgebohrt. Die kennzeichnenden geometrischen Parame-
anzupassen. ter für den Sprengplan sind Vorgabe, Bohrlochabstand und
Bohrlochdurchmesser. Deren Bemessung erfolgt im Rahmen
zz Abbauart einer sprengtechnischen Begutachtung und ist abhängig von
Geologische Vorgaben, die die Abbauart bestimmen, ergeben Gesteinsart, Gesteinshärte bzw. Bohrbarkeit, Einfallen und
--
sich aus der Form der Lagerstätte. Unterschieden wird zwischen:
flözartiger söhliger Lagerstätte;
Streichen der Gesteinsschichten, Lage der Haupttrennflächen,
Raumlage, Abstand und Durchtrennungsgrad der Klüfte, aber
- massiger Lagerstätte;
stock- oder linsenförmiger Lagerstätte.
7 b
zz Flächenhafter Abbau
Das zum Abbau vorgesehene Gestein steht als Schicht weitge-
hend söhlig oder mit nur geringer Neigung an. Der flächenhafte
8 Abbau erfolgt als Streifenabbau. Dabei entfernt sich die Abbau-
front vom Bezugspunkt für die Förderung. Mit fortschreitender
9 Förderung werden die Wege zum Bezugspunkt länger und fla-
cher (. Abb. 5.18d).
10 Diese Abbauart kommt häufig bei Sand- und Kalkstein so-
wie bei Ton oder Tonstein vor. Im Bergbau kommt flächenhafter
c Abbau bei Kohle-, Bauxit- und Eisenerzlagerstätten vor. Der Ab-
11 bau erfolgt in einer oder in mehreren Strossen, wobei innerhalb
einer Strosse gleichartiges Material (Abraum, Hartstein, Kohle,
12 Erz) gefördert wird. Neigung und Höhe der Abbauwände richten
sich nach Schichtmächtigkeit und Standfestigkeit der anstehen-
den Schicht. Dabei hat das Transportwesen stets überragende
13 Bedeutung.
d Soweit der Stein als Schotter gewonnen werden soll, ist
14 Sprengen das geeignete Abbauverfahren. Bei anderen Rohstof-
.. Abb. 5.18 Abbauarten in Steinbrüchen und Tagebauen in Abhängigkeit
fen und beim Abraum werden Bagger, Schürfkübelbagger oder
von Lagerstätte, Topographie und Wahl des Bezugspunktes für die Förde-
15 rung. a Hangabbau, b Hügelabbau mit Förderung über Rolloch und Stollen
Schaufelradbagger eingesetzt.
oder Geländeeinschnitt, c Abbau nach der Tiefe, d flächenhafter Abbau mit Bei flächenhaftem Abbau ist das Verkippen des Abraums auf
zwei Strossen und Innenkippe einer Innenkippe im großen Umfang möglich.
16
Beim Abbau derartiger Lagerstätten wird entweder die Berg- zz Abbau unter Tage
17 flanke zurückgesetzt und steiler angelegt, oder der Berg wird Untertägiger Abbau von Natursteinen kann bei Schichtlagerstät-
völlig abgetragen. Der Bezugspunkt für die Förderung liegt auf ten, z. B. im Kalkstein, in Sonderfällen eine wirtschaftlich inte-
einer Ebene unterhalb der abzubauenden Masse. Für das Ge- ressante Form sein. Die Abbauart ist landschaftsschonend und,
18 steinslösen bietet sich Sprengen oder gruppenweises Sprengen soweit die Brecheranlagen unter Tage installiert sind, umwelt-
mit großen Sohlenhöhen als geeignetes Abbauverfahren an. schonend, jedoch stets viel teurer als der Tagebau.
19 Schwerkraftbedingt bewegt sich ein Großteil des Fördergutes Der untertägige Abbau von Kalksteinflözen als Rohstoff für
auf den Bezugspunkt zu (. Abb. 5.18a). Eine Alternative für Branntkalk wurde bis vor wenigen Jahrzehnte im Kleingewerbe,
20 den Transport bietet die Abförderung über einen zentralen z. B. im Pfälzer Bergland, betrieben. Im Saarland wird Kalkstein
Schacht (Rolloch) mit Abzug des Fördergutes über einen Stol- für die Hüttenindustrie unter Tage abgebaut.
len (. Abb. 5.18b).
21
zz Abbau nach der Tiefe 5.4.4 Gewinnen von Naturwerksteinen
22 Das zum Abbau vorgesehene Gestein steht unter weitgehend ebe-
nem Gelände oder unter einem bereits abgetragenen Hügel an. Naturwerksteine werden als Blöcke gewonnen und maßgerecht
Der Bezugspunkt für die Förderung ist oberhalb der abzubau- in eine gewünschte Form zerspalten, zerschnitten, gefräst oder
23 enden Massen einzurichten. Für den Transport sind Fahrstraßen behauen. Die Ausführung von Naturwerksteinarbeiten regelt
mit möglichst gleichbleibender Steigung sowie leistungsstarke ATV DIN 18332. Verwendungszwecke sind Monumentalsteine,
Transportfahrzeuge vorzusehen. Mit dem Vordringen in die Tiefe Dekorationssteine, Mühl- und Schleifsteine, Bausteine, Pflaster-
5.4 • Abtrag zum Gewinnen von Baustoffen
289 5
steine, Bordsteine, Gehwegplatten sowie Fassaden und Dach- der Lage der Haupttrennflächen. Unterscheiden lassen sich, wie
platten. Die Naturwerksteinindustrie benötigt möglichst große bei allen Festgesteinstagebauen, Hügel- oder Hangabbau, Abbau
fehlerfreie Blöcke, welche meist in großen stationären Sägegat- nach der Tiefe und flächenhafter Abbau. Besondere Aufgaben
tern mit Trennscheiben, Sägeblättern oder Seilsägen zerschnit- stellt der Transport großer Blöcke.
ten werden. Die Blöcke müssen im Sägegatter standfest sein und
sollen eine Mindestgröße (schmalste Kante: 0,4 m, Mindestvo- zz Hügel- oder Hangabbau
lumen: 0,4 m3; Singewald 1992) nicht unterschreiten. In der La- Hangsteinbrüche erlauben den Abbau mächtiger Gesteinsschich-
gerstätte bestimmen Richtung und Abstände der Trennflächen ten in mehreren Ebenen. Das Erkunden der Rohblockgrößen
die Lage der Abbaufront und die Abmessung und das Volumen und Rohblockhöffigkeit ist mit Schürfen schon im frühen Sta-
der Rohblöcke. Bei der Vorratsermittlung ist die Rohblockhöf- dium möglich. Da meist nur geringer Abraum zu bewältigen
figkeit gefragt. Diese liegt oft weit unter den Werten der mit der ist, kann mit der Produktion schon in einem frühen Stadium
Faustformel (▶ Abschn. 5.4) durchgeführten Vorratsberechnung der Abbautätigkeit begonnen werden. Sofern das Gestein sich in
für Natursteine. Abfall und unbrauchbare Massen, welche bei kleinere Blöcke zerlegen lässt, ist das Fördern mit Bagger oder
Hartstein gegebenenfalls als Brechprodukte verwendet werden Radlager möglich. Die potenziell gewinnbare Blockgröße wird
können, liegen oft bei 70–80 % der im Steinbruch gelösten Ge- vielfach durch die Leistungsfähigkeit der Lade- und Transport-
steinsmassen. geräte begrenzt.
Die Rohblockhöffigkeit lässt sich aus dem mittleren Trenn- Je nach Ortslage sind hohe Aufwendungen für den Bau der
flächenabstand als Prozentanteil der brauchbaren Blöcke in- Anfahrtswege einzuplanen. Unbrauchbare Massen sind auf Au-
nerhalb der Lagerstätte abzuschätzen. Singewald (1992) nennt ßenkippen zu lagern.
für einen Rohblock als Mindestabmessungen: Länge = 1,0 m,
Breite = 1,0 m, Dicke = 0,4 m. Dazu wird, getrennt nach den zz Abbau nach der Tiefe
orthogonalen Hauptrichtungen für Länge (x), Breite (y) und Grubenabbaue werden bei Massengesteinen (Granit, massiger
Dicke (z), die Summe aus den Trennflächenabständen, welche Sandstein oder Kalkstein), bei Schicht- und Ganggesteinen mit
die Mindestwerte (x = 1,0 m, y = 1,0 m, z = 0,4 m) übersteigen, steiler Lagerung und bei vertikalen Vulkanschloten (Basalt, An-
gebildet. Diese Teilsummen (∑x, ∑y, ∑z) werden zur Länge der desit) angetroffen. Die Voraussetzungen für den Grubenabbau
zugehörigen Messstrecke in das Verhältnis gesetzt und ergeben ergeben sich teils aus geologischen Gegebenheiten, teils aus dem
somit ein prozentuales Verhältnis für die Häufigkeit der Trenn- Zuschnitt der Abbaufläche. Grubenabbaue mit allseitig verti-
flächenabstände größer als der Mindestwert. Die Rohblockhöf- kalen Steinbruchwänden haben den Nachteil des erschwerten
figkeit als maximal möglicher Anteil an (brauchbaren) Roh- Zuganges. Die Standsicherheit der Wände kann durch meist
blöcken einer Naturwerksteinlagerstätte ergibt sich zu 1/3 der oberflächenparallele Entlastungsklüfte beeinträchtigt werden.
Summe aus den den drei Raumrichtungen zugehörigen Prozent- Es bestehen trogförmige Steinbrüche und Tagebaue mit über
zahlen für die den Mindestwert übersteigenden Trennflächen- 100 m tiefen senkrechten Wänden. Die Förderung erfolgt über
abstände. Genauere Werte zur Rohblockhöffigkeit können mit schwenkbare Kräne („Derricks“) oder Seilzugvorrichtungen.
einer rechnergestützten Auswertung gewonnen werden (Weber Zufahrten im Inneren des Grubenabbaues über Fahrwege ver-
et al. 2001). langen nach einem weiträumigen Abbau. Soweit es die Mor-
Bei Schichtgesteinen kann eine gesteinsgenetisch oder dia- phologie zulässt, ist zu prüfen, ob eine seitliche Zufahrt (Ge-
genetisch bedingte Variation der Körnung und/oder Bindung ländeeinschnitt, Stollen) möglich ist. Die Wasserhaltung ist als
Qualitäts- und Festigkeitsunterschiede bedingen. Das Anlage- wichtiger Kostenfaktor zu kalkulieren. Grundwasserstände,
rungsgefüge der einzelnen Schichten und die hierin enthaltenen Grundwasserzulauf und Zulauf an Oberflächenwasser sind zu
Qualitätswechsel sind bei Sandsteinlagerstätten in die Wirt- ermitteln. Unbrauchbare Massen sind auf Außenkippen zu la-
schaftlichkeitsanalyse einzubinden. Lepper und Weber (2001) gern.
schlagen eine Methodenkombination vor, die folgende Bewer-
--
tungskriterien umfasst:
fluviatile Architekturelement-Analyse (Miall 1996);
zz Flächenhafter Abbau
Der Abbau von nur geringmächtigen Gesteinslagen erfordert
18 zz Schlitzbohren
Durch unmittelbar nebeneinander angeordnete Bohrlöcher wer-
den kontinuierliche Schlitze hergestellt. Schwierigkeiten bereitet
19 das Abdriften des Bohrgestänges neben bereits gebohrten Lö-
chern. Durch die Wahl größerer Kronendurchmesser und eines
20 geringeren Andruckes kann die Gefahr des Auslenkens reduziert
werden. Ein oft geübtes Verfahren arbeitet mit Kronendurch-
messer 63 mm und Seitenabstand 114 mm. Das Erweitern der
21 Bohrlochreihe zum Schlitz erfolgt durch Aufbohren der Brücken
bei seitlicher Führung des Bohrgestänges.
22
zz Schlitzen mit Schrämmaschine
Das Gestein wird mit einer umlaufenden Kette aufgesägt. Die
23 Kettenglieder sind mit Hartmetall oder Diamant besetzt. Die
Schrämarmlängen liegen bei 2–4 m. Das Verfahren eignet sich
für weichen Kalkstein, Travertin und Tuffstein.
291 6
Wasserhaltung, Entwässerung
und Wasserversickerung
Wolfgang Dachroth
Zu den wichtigen Voraussetzungen für das Vorbereiten und der freien Wasserfläche abgetrennt und leergepumpt (gelenzt)
1 Ausführen sowie für das Sichern, für den Bestand und für das werden.
gefahrfreie Nutzen von Bauwerken, Gräben, Gruben, untertägi- Baugruben und Geländeeinschnitte, denen Oberflächenwas-
2 gen Hohlräumen, Verkehrswegen, Plätzen, Böschungen, Hängen ser oder oberflächennahes Grundwasser (Hangwasser, Schicht-
und Deponien gehört deren wirkungsvolles Entwässern. Nieder- wasser) in geringer Menge zufließt, sowie Baugruben und un-
schlagwasser ist aufzufangen und in Entwässerungseinrichtun- terirdische Hohlräume in standfestem Fels können in offener
3 gen zur Vorflut abzuleiten. Für die Größe der Entwässerungs- Wasserhaltung trockengelegt werden. Das Wasser wird während
einrichtungen ist die Kenntnis über die Größe der Abflüsse der des Aushubs in Gräben, Rohrleitungen oder im Tiefensicker bzw.
4 zu entwässernden Flächen Voraussetzung. Die dem Bemessen Pumpensumpf gesammelt und dem natürlichen Gefälle folgend
von Entwässungseinrichtungen zugrundeliegende Berechnung abgeleitet oder abgepumpt.
5 geht in der Regel vom Bemessungsregen mit Niederschlagsdauer
15 min (r15), der Wiederkehrzeit 1 (einmal pro Jahr) und der
ortsbezogenen Niederschlagsspende RN [l s−1 ha−1] aus (▶ Ab- 6.1.1 Wasserhaltung mit Fangdämmen
6 schn. 1.10.1). in offenen Gewässern
Für das Entwässern von Straßen sind die „Richtlinien für
7 die Anlage von Straßen, Teil Entwässerung“ (RAS-Ew) der For- Je nach Bauvorhaben wird durch den Fangdamm ein Fluss um-
schungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen zu beach- geleitet (z. B. beim Bau einer Talsperre mit einem Umleitungs
ten. Für Entwässerungsarbeiten im Bereich der Deutschen Bahn stollen, . Abb. 6.1), oder es wird der Fluss in seinem Querschnitt
8 ist „Ril 836 – Erdbauwerke der DB Netz AG, Module 836.0801 eingeengt (. Abb. 6.2). Bei großen Bauvorhaben wird der durch
bis 836.0805 (Entwässerungsanlagen)“ zu beachten. Fangdämme abgeschirmte Bereich durch einzelne Querdämme
9 Baugruben, die unter den Wasserspiegel reichen, erfordern in Kammern aufgeteilt. Fangdämme werden in verschiedenen
in der Regel eine Wasserhaltung. Die Sohle der Baugrube ist für Arten, z. B. als Erddamm, Spundwand, Kastenfangdamm oder
10 ungehinderte Ausführung der Bauarbeiten und besonders für Zellenfangdamm, ausgeführt. Die Wahl der Ausführungsart
Bodenverdichtungsarbeiten trocken zu halten. Unterschieden richtet sich nach der abzuhaltenden Wasserhöhe zwischen Bau-
wird zwischen offener Wasserhaltung in Gewässern, offener grubensohle und Hochwasserstand und dem Kostenfaktor bei
11 Wasserhaltung mit Gräben oder Rohrleitungen in Baugruben, Überschwemmung der Baugrube (Zerstörungen, Ausfallzeiten,
geschlossener Wasserhaltung mit Brunnen bei tiefen Baugruben Beseitigen des eingeschwemmtem Bodenmaterials).
12 in kohäsionslosen Sanden oder Kiesen und Bauverfahren mit
wasserdichten Wannen oder Sperren zum Einhalten eines Soll- zz Erddämme
Grundwasserstandes oder zum Vermeiden von kontaminierten Erddämme werden im ständig oder bei Hochwasser über-
13 Zuflüssen. strömten Bereich eines Wasserlaufes aus Fremdmaterial oder
Wasserhaltungsarbeiten mit Grundwasserabsenkung bedür- aus einem in der Flusssohle entnommenen Dammbaumaterial
14 fen der behördlichen Genehmigung. Auch das Einleiten des an- hergestellt. Günstig sind gemischtkörnige Bodenarten, die bei
fallenden Wassers in einen Kanal, in ein offenes Gewässer oder in Schüttung unter Wasser und ohne Verdichtung standfest und
15 den Untergrund bedarf der wasserrechtlichen Erlaubnis. nur gering wasserdurchlässig sein sollen. Bei kurzen Bauzeiten
Dränagen dienen zum dauerhaften Absenken des Wasser- kann die Dammhöhe niedrig gewählt und Überschwemmung
spiegels in Böden, Böschungen und erdhinterfüllten Räumen bei Hochwasser in Kauf genommen werden, da Erddämme im
16 von Bauwerken. Bei Hangbebauung kann das in Dränagen ge- Gegensatz zu anderen Baumaßnahmen kostengünstig wiederher-
sammelte Wasser frei auslaufen und die Bauwerkssohle kann zustellen sind. Jedoch besteht die Gefahr, dass bei Hochwasser
17 dauerhaft trockengehalten werden. Bauwerke, deren Sohle oder die feinkörnigen Anteile des Dammschüttmaterials ausgespült
Untergeschoß zeitweise (oder andauernd) im Niveau des Grund- und verfrachtet werden. Neben der Dammzerstörung bestehen
wasserspiegels liegt, können mit Ringdränagen und Hebeanlagen die Gefahren unzulässiger Schwebstoffbelastung des Flusses und
18 nach dem Prinzip einer andauernden Grundwasserabsenkung erhöhter Dammdurchlässigkeit mit zunehmenden erforderlichen
trockengehalten werden. Räume unter Grundwasser können als Pumpleistungen. Erddämme können in Flüssen mit geringer
19 wasserdichte Wanne ausgebildet werden. Fließgeschwindigkeit etwa 3–4 m hoch geschüttet werden.
Über Sickeranlagen wird Grundwasser durch gezieltes Zu- Fangdämme, die eine längere Standzeit besitzen sollen, kön-
20 führen der anfallenden Niederschlagswässer von Dach-, Hof- nen lagenweise aus geringdurchlässigem verdichtetem Erdmate-
und Verkehrsflächen angereichert. rial erstellt werden. Die Böschungsneigung beträgt etwa 1:2. Die
Beim Verpressen wird Wasser über Bohrlöcher in den (tiefe- Böschung wird luftseitig mit korngestuften Filterlagen abgedeckt
21 ren) Untergrund eingepresst. Diese Methode wurde (und wird) (. Abb. 14.9 und 14.11).
mehrfach zum Versenken kontaminierter Wässer angewendet. Schotterdämme aus gebrochenem Gesteinsmaterial haben
22 hohe Standfestigkeiten und können etwa 1:1,5 abgeböscht wer-
den. Das Dammschüttmaterial erfordert eine zusätzliche Dich-
6.1 Offene Wasserhaltung tung, die nach Fertigstellung des maximal etwa 12 m hohen
23 Dammes eingebaut wird. Als Dichtwände eignen sich Spund-
Für bauliche Maßnahmen in offenen Gewässern (Flüsse, Seen, wände, Schlitzwände und Schmalwände mit Bentonit-Zement-
Meer) können mit Fangdämmen Baugruben oder Kammern von Suspensionen (▶ Abschn. 7.5.2).
6.1 • Offene Wasserhaltung
293 6
zz Zellenfangdämme
Zellenfangdämme bestehen aus einzelnen zylindrischen Zellen,
die verfüllt in sich standfest sind. Diese einzelnen Hauptzellen
werden durch kleine Verbindungszellen miteinander verbun-
den (. Abb. 6.3). Zellenfangdämme dienen zur Baugrubenum-
schließung bei großen Wassertiefen. Die Zellen werden über ein
Führungsgerüst (Schablone) gerammt. Als Spundbohlen dienen
.. Abb. 6.1 Umleitung eines Flusses während der Bauzeit mit Fangdämmen Flachprofile, die in den Schlössern große Zugkräfte aufnehmen
und Umleitungskanal oder Umleitstollen können. Zum Abdichten gegen das Wasser müssen die Wände
in den undurchlässigen Untergrund einbinden. Bei Felsunter-
zz Spundwandfangdämme grund und fehlender Felsüberdeckung binden die Spundwände
Es wird eine Wand aus miteinander verbundenen Stahlspund- in Beton ein, der auf die von Felsauflockerungen gesäuberte
bohlen oder Stahlspunddielen in den Untergrund gerammt. Die Felsoberfläche aufgebracht wurde. Bei Felsüberdeckung kann
im Untergrund eingerammte und eingespannte Spundwand kann das Abdichten durch Injektion erfolgen. Auch besteht die Mög-
je nach Profil etwa 2,5–3 m Wasserdruckhöhe ohne zusätzliche lichkeit, die Zelle im unteren Teil mit Dichtsäcken (gefüllt mit
Abstützung oder Rückverankerung aufnehmen. Der Grundwas- Mischungen aus Bentonit, Zement und Wasser) aufzufüllen. Bei
serzufluss zu umschlossenen Baugruben kann nach Davidenkoff Zellenfangdämmen muss der Nachweis der ausreichenden Auf-
und Franke (1966) sowie nach Günther (2000) ermittelt werden. triebssicherheit geführt werden.
Die baugeologische Beurteilung des Untergrundes für die
zz Kastenfangdämme Wasserhaltung einer Baugrube im offenen Wasser stützt sich
Es werden zwei parallelverlaufende Spundwände gerammt und auf die Beschreibung der Schichtenfolgen im Untergrund mit
gegenseitig verankert. Der Raum zwischen den Spundwänden Angaben zur Gesteins- oder Bodenart, Schichtmächtigkeit, Was-
(Kasten) wird mit Erdbaustoff oder Beton aufgefüllt. Dabei fal- serdurchlässigkeit und Rammfähigkeit. Die geologische Ausbil-
len bei hohen, betongefüllten Kastenfangdämmen nachträgliche dung des Untergrundes und die abzuhaltende Wasserhöhe sind
Kosten beim Sprengen und Beseitigen des Fangdammes an. Bei maßgebend für die Wahl der auszuführenden Konstruktion.
Wassertiefen bis etwa 2,5 m wird die Kastenbreite gleich der Was-
sertiefe gewählt. Bei größeren Wassertiefen werden nach E 101,
EAU schlankere Konstruktionen mit einem Höhen-Breiten- 6.1.2 Offene Wasserhaltung im Grundwasser
Verhältnis 2:1 gewählt.
Beim Aushub von Erdmassen unterhalb des Grundwasserspiegels
zz Betonfangdämme fließt das Wasser aus dem umgebenden Gestein der Baugrube zu.
Als Sonderform des Kastenfangdammes werden beim Gründen In der Baugrube wird es in Gräben und Gruben (Sumpflöcher)
auf Fels Spundwände als Schalung verwendet. Zum Befestigen aufgefangen und abgeleitet (. Abb. 6.4a). Die offene Wasserhal-
der Schalung werden Stahlträger in vorgebohrte Löcher im Fels tung wird in Felsgesteinen und standfesten Bodenarten angewen-
eingestellt und einbetoniert. Der Fangdamm wird gegen den von det. In Kies- und Sandböden ist die offene Wasserhaltung durch
Auflockerungen gesäuberten Fels betoniert. die Wassermenge und durch die Schleppkraft des fließenden Was-
1
2
3 .. Abb. 6.3 Aufbau einer Kreiszellenwand
-- -
Dränagerohres
15 kungsbeträgen:
unbegrenzt: im standfesten Felsgestein; t = Tiefe der für den Zufluss wirksamen Zone; t = H, wenn
16
-- 4-6 m: in standfesten feinkörnigen Böden (Ton, Lehm);
4-6 m: in standfesten gemischtkörnigen Kiesen;
-- T > H; t = T, wenn T < H
R = Reichweite des Absenkungstrichters
17
18
- 1-2 m: in reinen Kiesen und sandigen Kiesen;
0,5-1 m: in Sanden.
Der Aufwand für eine offene Wasserhaltung ist geringer als der
-- L1 = Länge der Baugrube
L2 = Breite der Baugrube
H = Höhe des Ausgangswasserspiegels über Grubensohle
für eine geschlossene, und der Wasserzufluss liegt beim 0,2- bis Ist der Boden nur oberhalb der Baugrubensohle durchlässig, so
0,4-Fachen des Wasserzulaufs bei einer Grundwasserabsenkung gilt die vereinfachte Formel:
19 über Brunnen. Es besteht die Möglichkeit der Kombination einer
offenen Wasserhaltung mit Dränagen und mit Tiefbrunnen. L1
Q = kH 2 m + :
20 Das Berechnen des Wasserzuflusses Q zu einer Grube erfolgt R
nach Davidenkoff (1956):
Für lange schmale Baugruben mit der Länge L gilt vereinfacht
21
Q = kH 2 1 +
t
m+
L1
1+ n
t
nach Dupuit:
-
H R H
22 L2
Q=
k 2
H + h20 L:
m = Beiwert aus R (. Abb. 6.5a)
--
R
23 t
n = Beiwert aus R (. Abb. 6.5b)
T = Abstand zwischen Sohle der Baugrube und Sohle des
Grundwasserleiters
6.2 • Geschlossene Wasserhaltung
295 6
.. Abb. 6.5 Beiwerte m (a) und n (b) für das
Berechnen des Wasserzuflusses in eine Grube.
(Nach Davidenkoff 1956)
6.2 Geschlossene Wasserhaltung Baugrube gleich bis zur endgültigen Tiefe. Die Förderhöhe ist nur
durch die Leistung der gewählten Pumpe begrenzt. Der Platz-
6.2.1 Grundwasserabsenkung mit Brunnen bedarf für die Tiefbrunnenanlage ist gering. Voraussetzung für
die Durchführbarkeit ist eine Durchlässigkeit des Bodens in der
Bei geschlossener Wasserhaltung ist das Grundwasser vor Aus- Größenordnung k = 10−2 m s−1 bis k = 10−4 m s−1. Große Absen-
hub über Bohrbrunnen abzusenken. Gearbeitet wird mit Tief- kungsbeträge über Tiefbrunnen erfordert der Bergbau, welcher
brunnen und Saugbrunnen. Elektroosmotische Entwässerung bei Tagebaubetrieben (z. B. zur Braunkohlegewinnung) Absen-
wird zum Trockenlegen von Tonböden eingesetzt. kungsbeträge bis zu 200 m aus 300–400 m tiefen Brunnen kennt.
In kohäsionslosen Sand- und Kiesböden muss das Grund- Flachbrunnen werden bei Böden mit Durchlässigkeiten zwi-
wasser vor dem Aushub tiefer Baugruben über Brunnen abge- schen k = 10−2 m s−1 und k = 10−4 m s−1 in Form engstehender
senkt werden. Das Absenken wird durch einen oder mehrere Flachbrunnenanlagen angelegt. Für das Einhängen der Sauglei-
gemeinsam wirkende Einzelbrunnen erzielt. Um das Absenk- tungen genügen Brunnendurchmesser von 150 mm. Größere
ziel zu erreichen, werden die Brunnen bis zur Tiefe h − h0 nach Durchmesser werden erforderlich, wenn bei Feinsand Filter
. Abb. 6.4b abgepumpt. Der Brunnen muss so tief gebohrt wer- eingebaut werden müssen. Nachteilig im Vergleich zu Tiefbrun-
den, dass die errechnete Eintrittshöhe h0 vorhanden ist. nenanlagen ist der größere Platzbedarf.
In der Regel wird das Grundwasser über Bohrbrunnen abge- Man kann versuchen, durch geringe Brunnentiefen oder
pumpt, die um die Baugrube herum angeordnet sind. Dem Boden durch flachliegende Dränagen die zu fördernde Gesamtwasser-
wird mehr Wasser entnommen, als der späteren Baugrube in of- menge gering zu halten.
fener Wasserhaltung zufließen würde. Der abgesenkte Wasser- Im Baustellenbetrieb erfolgt das Fördern des Wassers über
spiegel soll etwa 0,5–1 m unter der geplanten Aushubsohle bzw. Pumpen mit einer schwerkraftbedingten maximalen Saug-
Arbeitsebene liegen. Die aus der Anlage geförderte Gesamtwas- höhe von 8 m. Die damit erreichbaren Absenkungen liegen bei
sermenge Q [m3] bis zum Erreichen des Absenkzieles ist abhängig 3,5–4 m. Werden größere Absenkungsbeträge erwünscht, so sind
vom Absenkziel und von den hydrogeologischen Verhältnissen mehrstaffelige Anlagen zu erstellen (. Abb. 6.6). Das Umrüsten
(Mächtigkeit, effektive Porosität und Durchlässigkeit der wasser- der mehrstaffeligen Anlagen ist jedoch arbeits- und zeitaufwen-
erfüllten Schicht). Nach Erreichen dieses Absenkzieles besteht ein dig.
stationärer Zustand; die weitere Wasserentnahme entspricht dem Punktbrunnenanlagen bzw. Wellpoint-Anlagen arbeiten mit
Zufluss. Die anfallende Wassermenge q [m3 s−1] ist eine Funktion eingespülten Stahlrohren oder Plastikschläuchen. Die Durch-
von Mächtigkeit und Durchlässigkeit (Transmissivität) der was- messer liegen bei 50–100 mm. Am unteren Ende des Rohres ist
serführenden Schicht. Zur Grundwasserabsenkung werden Tief- ein Filter angebracht. Die Brunnen lassen sich in Sandböden
brunnen, Flachbrunnen und Punktbrunnenanlagen eingesetzt. sehr schnell herstellen. In schweren Böden kann es zweckmä-
Tiefbrunnen mit Bohrdurchmessern von mindestens 350 mm, ßig sein, die Stahlrohre bzw. Plastikschläuche in Bohrlöcher
zum Einhängen der Tauchpumpen, entwässern die projektierte mit kleinem Durchmesser einzubauen. Wegen der geringen
296 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
Leistung der Einzelbrunnen ist jedoch eine größere Anzahl 6.2.2 Unterdruckentwässerung
6 erforderlich. Das Wasser wird durch die unmittelbar am Brun-
nen angeschlossene Saugleitung gefördert. Bei fehlendem oder Feinsand und Grobschluff mit Durchlässigkeitsbeiwerten zwi-
7 schadhaftem Filter können dem Boden Feinsand und Grob- schen 10−5 und 10−7 m s−1 lassen sich über Schwerkraftanlagen
schluff entzogen werden, was zur Gefährdung der Nachbarbe- nicht genügend entwässern. Die auf das Porenwasser einwir-
bauung führen kann. kenden Kräfte Schwerkraft und Kapillarkraft stehen in etwa im
8 Beim Planen einer Wasserhaltung durch Brunnen ist unter Gleichgewicht. Diese Bodenarten neigen zum Fließen (Fließsand,
Berücksichtigung der hydrogeologischen Bedingungen des Or- Fließerden) und sind als wasserhaltende Bodenarten schwer zu
9 tes die zulässige Absenkung bezüglich Nachbarbebauung und bearbeiten.
behördlicher Genehmigung zu beachten. Es kann erforderlich In diesen Böden wird bei der Grundwasserabsenkung mit
10 werden, dass zum Vermeiden weiträumiger Grundwasserab- dem Vakuum-Verfahren gearbeitet. Als Vakuumbrunnen die-
senkungen eine die Baugrube umschließende Dichtwand (z. B. nen Rohre von 40–50 mm Durchmesser, an deren unterem Ende
Spundwand oder Schlitzwand) eingebaut werden muss. ein Filterstück und eine Spülspitze angebracht sind (. Abb. 6.8).
11 Das mit hohem Druck über eine Spüllanze eingebrachte Was-
zz Berechnen der Grundwasserabsenkung ser tritt durch die Spülspitze aus, lockert den Boden und fördert
12 durch Brunnenfelder in Baugruben ihn mit dem Spülstrom nach oben. Bei Erreichen der Soll-Tiefe
Bei Baugruben mit gedrungenem Umriss wird von einem Kreis wird der Hohlraum zwischen dem Rohr und der Lochwandung
mit gleichem Flächenmaß F ausgegangen. Die maximale Absen- mit Feinsand aufgefüllt. Um ein Versanden der Brunnen zu ver-
13 kung liegt im Mittelpunkt von Baugrube und Kreis, etwa 1 m meiden werden Filter verwendet, wobei folgende Möglichkeiten
unter der Sohle des Aushubs. Der Radius A dieses Ersatzkreises bestehen:
14 berechnet sich zu: 1. Verwenden von Filterrohren mit aufgebrachter Feinsandum-
mantelung.
15 A = .F=/1=2 Œm: 2. Es wird ein Filtersand zwischen Rohr und Boden während
des Einspülens eingebracht (Korndurchmesser 0,2–0,3 mm).
Bei rechteckigen Baugruben mit einem kleinen Seitenverhältnis 3. Es wird mit dem Brunnenrohr ein äußeres Mantelrohr einge-
16 b / a = m berechnet sich der Ersatzradius A' zu: spült, und nach Verfüllen des Hohlraumes zwischen beiden
Rohren wird das Mantelrohr gezogen.
17 A0 = a Œm 4. Es wird zunächst ein Loch mit ca. 150 mm Durchmesser aus-
-- η = 0,2 m · 0,37
gespült und mit Filtersand verfüllt. Anschließend wird das
Brunnenrohr eingespült.
--
18 a = große Seitenlängen [m]
b = kleine Seitenlängen [m] Die Anlage der Brunnen erfolgt nach den gleichen Grund-
19 m = b / a (Seitenverhältnis) sätzen wie bei den Brunnenanlagen, denen das Grundwasser
schwerkraftbedingt zuläuft. Der Abstand der Brunnen beträgt
20 Für langgestreckte Baugruben mit der Länge L (z. B. Leitungs- 1–1,5 m, der Abstand zwischen Brunnenreihe und Baugru-
gräben) tritt für A der Ersatzradius L/3 für die Endpunkte der benwand 0,6 m. Es werden Hochleistungs-Vakuumpumpen
Brunnenreihe und L/5 für die zwischengelegenen Punkte der eingesetzt, welche einen Unterdruck von 0,7–0,9 bar erzeugen
21 Brunnenreihe ein. und aufrechterhalten. Alle 50 m wird in der Brunnenanlage
Die Reichweite R des Absenktrichters berechnet sich nach eine Vakuumpumpe installiert. Jeder einzelne Brunnen muss
22 der Formel von Sichardt in Abhängigkeit von der Absenkung S für sich abgestellt werden können. Die erreichbare Absenkung
zu: liegt bei 6 m. Werden größere Absenkungen verlangt, so sind
Brunnenstaffeln einzurichten. Beim Abpumpen einer gestaffel-
23 p
R = 3000 S k Œm: ten Brunnenanlage bleiben die höher gelegenen Brunnenreihen
auch nach Inbetriebnahme der tieferen Staffel in Aktion. Die
Wirkungsweise der Vakuumanlage beruht darauf, dass durch
6.2 • Geschlossene Wasserhaltung
297 6
--
ln R − ln r s w
Schutz gegen Verschlammen mit feinmaschigem Drahtgewebe
Qv = abpumpbare Wassermenge beim Vakuumverfahren überzogen ist. Als Anode genügt ein einfacher Metallstab. Bei
-- s = Absenkung
p0 = atmosphärischer Druck
einer solchen Anordnung geht das Austrocknen von nur einer
Elektrode, der Anode, aus.
- p = Vakuumdruck
γw = Wichte des Wassers
--
S w .hw − h/
5
y = Wichte des Bodens unter Auftrieb
6
7
- γw = Wichte des Wassers
i = Druckgefälle
--
A w hw
wasser führenden Schicht (Sand, Kies) eine Lage aus gering-
18 durchlässigem Bodenmaterial (Ton, Schluff; . Abb. 6.11), so gilt γ = Wichte des feuchten Bodens
19
für die Grundwasserabsenkung bei einer Mehrbrunnenanlage
(Rappert 1980).
-- γ' = Wichte des Bodens unter Auftrieb
γw = Wichte des Wassers
20 Q=
2 mk.H − h/
ln R − ln A
: - F = Fläche
V = Volumen
21 Die Grundwasserabsenkung über Bohrbrunnen ist bei gespann- 6.3.1 Hydraulischer Grundbruch
ten Grundwasserverhältnissen besonders dann vorzunehmen,
22 wenn Gefahr für hydraulischen Sohlaufbruch besteht. Beim hydraulischen Grundbruch wird der Boden in der Sohle
Das Ermitteln der Aufbruchsicherheit für die Baugruben- der Baugrube vor einem Bauwerksfuß (Kaimauer, Spundwand,
sohle umfasst die Sicherheit gegen Aufschwimmen und gegen Wehr) durch die von unten nach oben wirkende Strömungs-
23 Durchströmen der verbleibenden Sohlschicht. kraft des Wassers angehoben. Der hydraulische Grundbruch
Die Sicherheit gegen Durchströmen ist abhängig von der tritt ein, wenn die Strömungskraft S die Widerstände aus dem
Bodenart. gegebenen Bodeneigengewicht G′ übersteigt. In kohäsions-
6.3 • Grundwasserabsenkung bei gespanntem Grundwasserspiegel
299 6
.. Abb. 6.11 Schema für die Grundwasserab-
senkung bei (a) freiem Grundwasserspiegel
und bei (b) gespanntem Grundwasserspie-
gel (Rappert 1980). Zu a: H Mächtigkeit des
Grundwasserleiters (GWL); S Absenkung des
Grundwasserspiegels; h verbliebene Mächtigkeit
des wassererfüllten GWL; h' Wasserspiegelhöhe
im Brunnenschacht; zu b: Br Entspannungsbrun-
nen; H Höhe der Wassersäule über der Sohle der
durchlässigen Schicht des GWL; m Mächtigkeit
der durchlässigen Schicht; GW Grundwasser-
spiegel
.. Abb. 6.12 Kriterium des Durchströmens einer Sohlschicht bei wasserdurch- .. Abb. 6.13 Kriterium der Auftriebskraft und des Aufschwimmens einer
lässigen Bodenarten (Weissenbach 1982). GW Grundwasserspiegel; G' Eigenge- Sohlschicht bei wasserundurchlässigen Bodenarten (Weissenbach 1982).
0
wichtskraft unter Auftrieb; Sd Strömungskraft; h Mächtigkeit der Sohlschicht; GW Grundwasserspiegel; G Eigengewichtskraft Boden in der Sohle; A Auf-
hw Mächtigkeit des Grundwasserleiters GWL über der Grenzschicht triebskraft; h Mächtigkeit Sohlschicht; hw Mächtigkeit des Grundwasserleiters
GWL über der Grenzschicht
freien Sanden kann Versagen durch Verflüssigen (Fluidisieren) gens durch hydraulischen Grundbruch sind DIN 1054: 2010,
des Baugrundes oder durch Erosionsgrundbruch eintreten. Bei Tab. A 2.1, zu entnehmen.
geschichtetem Baugrund mit einer natürlich anstehenden Lage Unter 2.2 dieser Norm sind 4 Bemessungssituationen (BS)
aus geringdurchlässigem bindigem Boden (Lehm, Ton) in der definiert, BS-P (ständige oder Persistant situations), BS-T (vo-
Sohle der Baugrube kann Versagen durch Aufschwimmen ein- rübergehende oder Transient situations), BS-A (außergewöhn-
treten. Gleiches kann auch bei einer in der Baugrubensohle liche oder Accidential situations) und BS-E (Situationen infolge
künstlich eingebauten Dichtungsschicht oder wasserundurch- Erdbeben).
lässigen Betonschicht passieren. Beim Versagen durch Auf- Der Teilsicherheitsbeiwert der Strömungskraft γH ist bei un-
trieb wird eine zusammenhängende Bodenschicht oder ein in günstigem Untergrund in der Bemessungssituation BS-P mit 1,8,
gleicher Weise wirkendes Bauteil gewichtslos. Das Versagen in BS-T mit 1,6 und in BS-A mit 1,35 anzusetzen.
kann durch Aufreißen, Zerbrechen oder Aufbrechen eintreten Bei günstigem Untergrund ist der Teilsicherheitsbeiwert der
(Wudtke 2008). Die zum Versagen führenden Strömungskräfte Strömungskraft γH in BS-P mit 1,35, in BS-T mit 1,30 und in
korrelieren mit der Empfindlichkeit des Bodens gegenüber BS-A mit 1,2 anzusetzen.
Durchströmen. Die Empfindlichkeit des Bodens gegen Ero- Die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch berechnet
sion und Mobilisation seiner Partikel lässt beim Einwirken von sich aus der Gegenüberstellung der nach unten gerichteten Eigen-
Strömungskräften und deren Berechnen zwischen günstigem gewichtskraft G' des unter Auftrieb stehenden Bodenkörpers (γ')
und ungünstigem Baugrund unterscheiden. Tendenziell lässt und der nach oben gerichteten Strömungskraft des Wassers S.
sich nach DIN 1054-10.3 Kies, Kies-Sand-Gemisch, dicht bis Nach Wudtke und Witt (2008) definiert ein vereinfachter Be-
mitteldicht gelagerter Grob- oder Mittelsand sowie steifer toni- rechnungsansatz die Gleichgewichtsbetrachtung in einem dis-
ger Boden als günstiger Baugrund einstufen. Locker gelagerter kreten (abgesondert zu betrachtenden) Bodenelement, bei dem
Sand, Feinsand, Schluff und bindiger Boden mit weicher oder unter Berücksichtigung des maximal wirksamen hydraulischen
breiiger Konsistenz ist als ungünstiger Baugrund einzustufen. Gradienten i die Gewichtslosigkeit im Bodenkontinuum (σ′ > 0)
Teilsicherheitsbeiwerte γF für den Grenzzustand des Versa- vermindert wird.
300 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
2
3
4
5
6
7
8
9 .w i/ H 0 G stb Der Durchfluss ist in allen Stromfäden per Definition gleich groß
und berechnet sich bei einem Quadratnetz zu:
10 Die unterschiedliche Wichtung von Einwirkungen und Widerstän-
q = kh Œm3 s−1 :
den wird durch den Teilsicherheitsbeiwert γH für die Strömungs-
kraft des Wassers und durch den Teilsicherheitsbeiwert γG stb für
11 stabilisierende ständige Einwirkungen gewährleistet. Die zufließende Gesamtwassermenge berechnet sich zu:
Die Strömungskraft S vor dem Bauwerksfuß (Spundwand)
12 kann mithilfe eines Strömungsnetzes (E 113 und E 115 EAU) Q = n2 kh Œm3 s−1 :
ermittelt werden. In . Abb. 6.14 sind Potentiallinien gleicher
Standrohrspiegelhöhen dargestellt und senkrecht hierzu verlau- Die überschlägige Berechnung der Sicherheit gegen hydrauli-
13 fend die Stromlinien als Bewegungsbahnen der Wasserteilchen. schen Grundbruch geht von einem schmalen Aufbruchkörper
Das Strömungsbild richtet sich nach den Randbedingungen aus (z. B. Querschnittslänge 1,00 m, Querschnittsbreite 0,01 m),
14 im Geländeschnitt, dem Geländeverlauf, der Schichtlagerung auf den der konstante Strömungsdruck
im Baugrund, der Lage des Baukörpers und besonders nach
15 der Lage des Wasserspiegels. Grundlage für das Ermitteln des S = hr w A
Strömungsnetzes ist die Anwendung des Darcy-Gesetzes. Meist
wird vorausgesetzt, dass der Baugrund homogen und isotrop einwirkt. Dieser Strömungskraft wird die Eigenlast des Auf-
16 beschaffen ist. Insbesondere sollen die horizontale und vertikale bruchkörpers entgegengesetzt:
Durchlässigkeit gleich groß sein. Das Strömungsnetz wird durch
17 zeichnerische Verfahren, durch elektrische Modellversuche und G 0 = t 0 A:
durch elektronische Verfahren ermittelt. Bei dem in . Abb. 6.14
gewählten zeichnerischen Verfahren beträgt der Höhenunter- Das für die Beurteilung der hydraulischen Grundbruchgefahr
18 schied zwischen Ober- und Unterwasser 4,5 m. Dieser Unter- wirksame Potential am Fußpunkt der Spundwand kann bei vor-
schied wird in 15 Potentiallinien dargestellt, woraus sich eine wiegend lotrecht umströmten Bauwerken nach Kastner (E115
19 Potentialdifferenz ∆h von 30 cm zwischen den gewählten Po- EAU) als hr bestimmt werden (. Abb. 6.15).
tentiallinien ergibt.
20 In der zeichnerischen Darstellung wird ein Seitenverhältnis h
hr = :
der Netzfelder von b / a = 1 gewählt. Aus den Aufmaßen des Ge- 1 + Œ.h=t / + 11=3
ländeschnittes und der Anzahl der gewählten Potentiallinien n1
21 ergibt sich somit der Abstand b und die Anzahl n2 für die Strom- Das vorhandene Potential des hydraulischen Grundbruchs ver-
linien. ringert sich unter der Annahme eines parallelen Unterströmens
22 Das hydraulische Gefälle i wechselt und beträgt innerhalb der der Spundwand mit l = Länge des Stromfadens zu:
betrachteten Quadrate:
23 h h hr =
h
l
t=
h
h + 2t
t:
i= oder speziell i4 = :
a a4
6.3 • Grundwasserabsenkung bei gespanntem Grundwasserspiegel
301 6
.. Abb. 6.15 Kenngrößen h, h′ und t zum Be-
stimmen des wirksamen Potentials hr (hydrauli-
scher Grundbruch nach Kastner) am Fußpunkt
einer lotrecht umströmten Wand
a b
.. Abb. 6.17 Wasserhaltung mit Druckluftverfahren. a Senkkasten, b Deckelbauweise mit Druckluft
4
5
6
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10
11
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14
15
a b
16 .. Abb. 6.19 Ausbildung einer im Düsenstrahlverfahren hergestellten Soilcrete-Dichtsohle (Keller Grundbau GmbH). a Aufsicht, b Geländeschnitt mit Schich-
tenfolge
17
werkssohle. Hierfür muss der Boden in der Stärke der einzu- zz Sicherheit gegen Aufschwimmen
bauenden Sohle (etwa 1–1,5 m) ausgehoben und durch Beton Für im Wasser liegende wasserdichte Baukörper (Wannen, Rohre,
18 ersetzt werden. Unterwasserbetonsohlen werden üblicherweise Tanks) ist der Sicherheitsnach-weis gegen Auftrieb zu führen.
nicht bewehrt. Der Einsatz von Stahlfaserbeton ist möglich Hierzu sind die höchstmöglichen Wasserstände anzugeben. Die
19 (Brem et al. 1996). Unterwasserbetonsohlen werden in der Re- Größe der Auftriebskraft Wd ergibt sich aus der größten Eintauch-
gel verankert (. Abb. 6.20). Auf die Verankerung kann nur dann tiefe hw und der Wichte des Bodens unter Wasser γ′. Dem Auf-
20 verzichtet werden, wenn sichergestellt ist, dass nur geringe Was- schwimmen können die Gebäudelast Gd und der vertikale Anteil
serdruckdifferenzen auftreten können. Die Durchlässigkeit, das von Erddrucklasten Evd sowie Zugwiderstände aus Ankern oder
Risiko von Leckagen und Sohlaufbruch sowie die Beeinflussung Zugpfählen Rzd entgegenwirken. Berücksichtigt werden nur die
21 der Grundwasserqualität und Grundwasserströmung sind ge- Lastanteile oberhalb des höchstmöglichen Wasserstandes mit
ring. Ausführungsgrenzen werden durch die Wirtschaftlichkeit ihrem ungünstigsten (kleinsten) Wert. Der Bemessungswert für
22 vorgegeben. die Erddrucklasten wird über die Scherparameter mit den Teilsi-
Anstelle der Unterwasserbetonsohle kann anstehender Bo- cherheitsbeiwerten γφ und γc nach DIN 1054, Tab. A 2.2 ermittelt.
den im Düsenstrahlverfahren zu einer hochliegenden Sohle Das geotechnische Risiko „Versagen des Gleichgewichtszustan-
23 (Borchert 1996) vermörtelt werden. Das Risiko von Leckagen des“ ist mit der Lage eines Bauwerkes in Überschwemmungsgebie-
und Sohlaufbruch sowie die Kosten sind als hoch einzustufen. ten und in Gebieten mit flachem Grundwasserstand verbunden.
Bei Bauwerken in Trogbaugruben und bei Bauwerken/Häusern,
6.5 • Dränanlagen
305 6
die in DIN 1054, Tab. A 2.1 zu HYD und UPL für die Bemes-
sungssituationen BS-P, BS-T und BS-A angegebenen Teilsicher-
heitsbeiwerte zu verwenden.
Die Teilsicherheitsbeiwerte haben die Größenordnung:
stabilisierende,
ständige Einwirkungen: γG,stb = 0,95 (für BS-P, BS-T, BS-A),
stabilisierende,
veränderliche Einwirkung: γQ,stb = 0 (für BS-P, BS-T, BS-A),
destabilisierende,
ständige Einwirkungen: γG,dst = 1,05 (für BS-P, BS-T, BS-A),
destabilisierende,
veränderliche Einwirkungen: γQ,dst = 0 (für BS-P, BS-T, BS-A).
.. Abb. 6.20 Hochliegende verankerte Sohle als Unterwasserbetonsohle Bei der Nachweisführung HYD und UPL wird die destabilisie-
(Stahlfaserbeton) oder als im Düsenstrahlverfahren vermörtelte Sohle rende Auftriebskraft (Höhe der Wassersäule ab UK-Fundament)
und das stabilisierende Eigengewicht von Bauwerk und Boden
die als Wanne mit dichtem Keller oder Tiefgeschoss konzipiert gegenübergestellt (. Abb. 6.12, 6.13 und 6.14). Berechnungsbei-
sind, besteht, soweit diese unzureichend bemessen sind, die Ge- spiele bieten Ziegler (2013) sowie Möller (2012).
fahr des Aufschwimmens. Diese Gefahr wird akut, wenn der der
Baustatik zugrundeliegende Grenzwert für eine maximale Spiegel-
höhe überschritten wird. Das Bauwerk kann seine Lagesicherheit 6.5 Dränanlagen
verlieren. Um dieses mit der Ortslage verbundene geotechnische
Risiko „Versagen durch Gleichgewichtsverlust“ auszuschließen, Das Entwässern von Boden erfolgt durch Dränen. Dies geschieht
ist durch Betrachten des Grenzzustandes ein Sicherheitsnachweis durch Einbau von Dränanlagen (Drainagen, Dränagen), Dränlei-
zu führen. Für das rechnerische Abschätzen der Sicherheit gegen tungen (Sickerrohrleitungen) oder Dränschichten. Dränschichten
Aufschwimmen gelten die Angaben in . Abb. 6.18. bestehen aus gut wasserdurchlässigen Kiesschichten, die unter
Der Auftriebskraft des (steigenden) Wassers wirkt zunächst Bauwerken eingebaut werden. Anfallendes Wasser (Sickerwas-
das Gewicht des Bauwerks entgegen. Bei Trogbaugruben mit ser, Grundwasser) kann über Dränrohre weiter- und abgeleitet
tiefliegender Dichtungssohle (. Abb. 6.18) wirken die Eigenge- werden. Dränagen sind so aufzubauen, dass sie das Feinkorn zu-
wichtskraft Gi0 der injizierten Dichtungssohle mit der Wichte Bi
0
rückhalten und das Verschlammen der Dränrohre verhindern.
(Sohle unter Auftrieb), die Eigengewichtskraft G′ des zwischen Dazu wird das Dränbett aus Kies mit einer Mischfilterschicht
der Dichtungssohle und dem Wasserspiegel in der Baugrube (Sand und Kies unterschiedlicher Körnung), mit mehreren Filter-
verbliebenen Bodens mit der Wichte B0 (Boden unter Auftrieb) schichten (Sandschichten mit unterschiedlicher Durchlässigkeit)
und die Eigengewichtskraft G des Bodens über Wasser mit der oder mit einer Vlieslage überdeckt oder umgeben. Dadurch soll
Wichte γB stabilisierend. das Verstopfen der Dränleitung und Dränschicht durch einge-
Soweit die Bauwerkssohle zusätzlich über Anker oder Zug- schlämmtes Feinkorn verhindert werden. Das Entwässern der
pfähle gesichert ist, wirken an diesen, wie auch an den Grenzflä- Dränleitungen erfolgt in Hanglage und bei tiefliegendem Ab-
chen Boden/Beton stabilisierende Reibungskräfte (. Abb. 6.20). wasserkanal über Freigefälle zur Vorflut (. Abb. 6.21). Ist bei
Der destabilisierende Wasserdruck ist nur von der Höhe der (zeitweise) hohem Grundwasserstand kein Gefälle zur Vorflut
Wassersäule abhängig. Sicherheit gegen Aufschwimmen ist gege- gegeben, so muss das in der Dränage anfallende Wasser einem
ben, wenn die Ungleichung erfüllt ist. Senkschacht zugeleitet und von dort über eine Hebeanlage der
Vorflut zugeführt werden. Die Dränanlage für Bauwerke ist in
Vk,dst Gstb
0
solchen Fällen als Ringdränage (. Abb. 6.22) anzulegen.
Adst,k H Gstb,k Für das Bemessen und den Entwurf von Dränanlagen sind
-
G,stb
Beim Überführen der charakteristischen Beanspruchungen Für die Anlage von Dränagen zum Schutz baulicher Anlagen ist
und Einwirkungen in Bemessungsgrößen der Einwirkung sind DIN 4095 zu beachten.
306 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
2
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6
7
8
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12
13
.. Abb. 6.23 Tiefensicker längs von Verkehrswegen zum Absenken des
14 Grundwassers oder zum Fassen bergseitiger Schichtwasserzuläufe
Bei bestimmten Wirtschaftsräumen oder industriell genutz- zz Abdichten gegen nichtdrückendes Wasser
ten Räumen ist Raumfeuchtigkeit willkommen oder wird nicht Es betrifft das Abdichten von Bauwerken und Bauteilen mit bitu-
als nachteilig empfunden (z. B. Wasch- und Lagerräume der Ge- minösen Werkstoffen, Metallbändern und Kunststoffdichtungs-
tränkeindustrie). bahnen gegen Wasser in tropfbar flüssiger Form (Niederschlag-
Sind in Tiefgeschossen trockene Räume erwünscht, so ist wasser, Sickerwasser), das auf die Abdichtung keinen oder nur
dies als zusätzliche und kostenträchtige Bauleistung in Auftrag vorübergehend einen geringfügigen hydrostatischen Druck aus-
zu geben. Auf die Art der Wasserführung im Baugrund und auf übt (. Abb. 6.24). Auch ist zu verhindern, das dieses tropfbare
die Notwendigkeit von wasserdichter Bauweise oder Bauwerksab- Wasser kapillar vom Bauwerk aufgenommen wird. Erdberüh-
dichtung ist im Geotechnischen Bericht einzugehen (Haack und rende Wände sind mit Bitumenanstrich oder mit Bitumenbah-
Emig 1991). nen abzudichten. Zusätzlich kann vor der Wand eine Dränschicht
DIN 18195 unterscheidet zwischen Bauwerksabdichtung ge- eingebaut werden. Zu beachten ist DIN 18195, Teil 5.
gen „Bodenfeuchtigkeit“, gegen „nicht drückendes Wasser“ und Bei bestehenden Gebäuden kann zum Vermeiden kapillar
gegen „von außen drückendes Wasser“. Erforderliche Abdichtun- aufsteigender Bodenfeuchte nachträglich eine Horizontalab-
gen müssen hierauf Bezug nehmen. dichtung eingebaut werden. Hierzu bieten sich mechanische
Verfahren und Injektionsverfahren als wirksame Methoden an
zz Abdichten gegen Bodenfeuchte (Weber, H. 2002).
Es betrifft das Abdichten von Bauwerken und Bauteilen mit bitu-
minösen Werkstoffen und Kunststoffdichtungsbahnen gegen im zz Mechanische Verfahren
Boden vorhandenes, kapillar gebundenes und auch entgegen der In das Mauerwerk können durch Aufsägen, Aufstemmen, Ein-
Schwerkraft fortleitbares Wasser. Gefährdet sind feinporige Steine rammen oder durch den Austausch von Mauerteilen (z. B. durch
und Beton, die gegen nassen oder feuchten Lehm oder Schluff Unterfangen, . Abb. 11.37) horizontal abdichtende Bauteile ein-
eingebaut werden. Schutz bietet der Einbau einer kapillarbre- gebaut werden. Als Sperrschicht werden Bleche, Kunststoffe und
chenden Kiesschicht (15 cm), in welcher der kapillare Aufstieg bitumenkaschierte Metallfolien verwendet. Das mechanische
unterbrochen wird. Auftrennen von Mauerwerk ist mit erheblichen Belastungen des
Das Abdichten gegen aufsteigende Bodenfeuchte erfolgt Bauwerkes verbunden. Gründliches Prüfen, Überlegen und Ab-
bei neu zu errichtenden Gebäuden mit Streifenfundamen- wägen ist angeraten.
ten vor und unter dem aufgehenden Mauerwerk sowie unter
oder innerhalb der Konstruktion für Bodenplatte und Fußbo- zz Injektionsverfahren
den (. Abb. 6.24). Erdberührende Wände sind mit Bitumen- Bei den Injektionsverfahren werden Injektionsmittel im Mauer-
anstrich, mit Bitumenbahnen oder mit Betonitdichtmatten querschnitt so eingebracht, dass sie sich im gesamten Mauerquer-
abzudichten. Dabei hat der Bitumenanstrich den Zweck, die schnitt verteilen können und in einer Ebene wirksam werden.
Poren im Bauwerk zu verschließen und die Kapillarität zu un- Vom Gestein im Mauerwerk müssen Porenvolumen, Porengröße,
terbrechen. In waagerechten Flächen geschieht das Abdichten Verbindung zwischen den Poren („Durchlässigkeit“), Wasserge-
mit einlagig aufgebrachten Bitumenbahnen. Zu beachten ist halt bei starker Durchfeuchtung und andere Gesteinskenngrö-
DIN 18195, Teil 4. ßen bekannt sein. Als Injektionsmittel sind verschiedene Kom-
binationsprodukte im Handel, meist basierend auf der Wirkung
308 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
Böden können deren Versickerungseigenschaften im Labor Der Flächenbedarf liegt bei kf-Werten in der Größenordnung
getestet werden (Darcy-Versuch). Bei Fels und grobstückigem 1 ∙ 10−6 ms−1 bei etwa 25 % der zu entwässernden Fläche. Bei
Hangschutt kann die Durchlässigkeit des Untergrundes über Si- kf-Werten in der Größenordnung 10−5 ms−1 bei etwa 15 bis 20 %
ckerversuche getestet werden. und bei kf-Werten in der Größenordnung 10−4 ms−1 bei etwa
Unter Versickerungsanlagen kann sich zeitweise Wassersät- 10 % der zu entwässernden Fläche. Der Grundwasserabstand
tigung einstellen. Der nach unten gerichtete gesättigte Grund- soll mindestens einen Meter betragen. Das Versickern von Nie-
310 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
derschlagswasser berührt verschiedene wasserrechtliche Festle- Volumen der Kiesfüllung. Rohrdurchmesser bzw. Porenvolumen
1 gungen, geregelt in Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Abwasserab- der Kiesfüllung ergeben das Speichervolumen.
gabengesetz (AbwAG), Bundesbodenschutzgesetz (BBogSchG), Der Einbau einer Rohr- oder Rigolen-Versickerungsanlage ist
2 Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), nur bei großem Abstand zwischen dem tiefsten Punkt der Versi-
Wassergesetze der Länder, Verordnungen und Beschlüsse zu ckerungsebene und dem Grundwasserspiegel zulässig. Kombina-
Trinkwasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten. Das tionen von Mulden und Rigolenversickerung beschreiben Tietze
3 Versickern von Niederschlägen ist auch durch kommunales (2007) und Geiger & Dreiseitl (2001).
Recht geprägt. Zum Versickern von Niederschlägen bestehen in Bei der Rohr- und Rigolenversickerung fehlen biologischer
4 den Bundesländern Ausführungsverordnungen. Abbau von Schadstoffen und Bioturbation. Mit dem Wasser
eingetragene Schwebstoffe können Porenraum verstopfen und
5 zz Muldenversickerung zur Verringerung der Wasseraufnahme im Untergrund führen.
Bei der Muldenversickerung erfolgt das Versickern des Nieder- Vorgeschaltete Absetzbecken und Filter können den Eintrag von
schlagwassers in flachen Bodenvertiefungen, in denen das Was- Schwebstoffen vermindern. Weber & Mikat (2011) berichten
6 ser für maximal 1–2 Tage zwischengespeichert werden kann. Die über das Aufbereiten von Rheinwasser und dessen Versickern
Muldentiefe (Einstauhöhe) sollte daher möglichst gering gewählt über Sickerschlitzgräben und Bohrlöcher/Schächte vom Anrei-
7 werden (10–40 cm). Bei Anschluss an das Abwassersystem kön- chern des Grundwassers im Hessischen Ried.
nen stärkere Zuläufe abgeführt werden. Die oberen 30–40 cm Rigolen- und Rohrversickerung kann angewendet werden,
der Bodenschichten in der Mulde werden vom Mutterboden wenn der geologische Schichtenbau dies erfordert (geringdurch-
8 eingenommen. Die Mulde ist zu begrünen (Rasenmulde) und lässige Schichten über gut durchlässigen Schichten) und/oder
soll für das versickernde Wasser als physikalischer Filter mit bio- wenn Flächen- oder Muldenversickerung aus Platzgründen nicht
9 logischem Abbau von mitgeführten Schmutzstoffen dienen. Vor- möglich sind. Rigolen- und Rohrversickerung kann in Wech-
teilhaft ist die chemische Abpufferung des sauren Regens über selwirkung mit Dränarbeiten am Hang durchgeführt werden.
10 Kalkanteile im Boden. Im Dränrohr abgeleitetes Schichtwasser kann an anderer Stelle
Das in der Mulde versickernde Wasser soll bis zum Grund- wieder zur Versickerung gebracht werden. Das perforierte und
wasserspiegel senkrecht nach unten abgeführt werden. Stauho- von Kies umgebene Rohr kann bei starkem Wasserandrang als
11 rizonte können im Hangbereich zu seitlichem Quellaustritt, Ver- Dränage, bei fallendem Wasserstand als Rigole funktionieren.
nässen und Hangrutsch führen. Unter der Mulde stellt sich bei
12 Starkregen Wassersättigung ein. Das Wasser fließt dann bei Sand- zz Schachtversickerung
boden mit einer Abstandsgeschwindigkeit von 3–5 m d−1 vertikal Versickerungsschächte bestehen aus handelsüblichen Brunnenrin-
nach unten. Ein biologischer Abbau ist dann kaum möglich! Der gen (Betonringen) mit aufgesetztem Konus und luftdurchlässiger
13 Durchlässigkeitsbeiwert kf im Boden soll > 10−5 m s−1 sein. Schachtabdeckung. Versickerungsschächte werden in gleicher
Die erforderliche Größe der Mulde wird vom Wasserzulauf Weise wie Brunnenschächte erstellt und unterscheiden sich von
14 und von der Durchlässigkeit des Bodens bestimmt. Im geneigten diesen nur durch die Funktion. Die Betonringe werden beim Ab-
Gelände sind hangparallele Sickermulden möglich. Gefällstre- senken des Versickerungsschachtes (Brunnenschachtes) überein-
15 cken können durch den Einbau von Erdschwellen ausgeglichen andergesetzt (. Abb. 11.4). Beim Absenken erfolgt der Erdaus-
werden, was jedoch Schwierigkeiten beim Anschluss an das Ab- hub mit seilgeführtem Greifer, in Ausnahmefällen aber auch noch
wassersystem bereitet. immer per Hand (Entwicklungsländer). Das Absenken der Ringe
16 Muldenversickerung eignet sich für ebenes, flaches Gelände erfolgt parallel zum Aushub, teils durch Nachdrücken, teils durch
mit Sand- und Kiesboden bei tiefliegendem Grundwasserspiegel. das Eigengewicht der Ringe. Mit Versickerungsschächten können
17 Geneigtes Gelände erfordert größere Konstruktionsbreiten und geringdurchlässige Schichten in größerer Mächtigkeit durchfahren
ist für diese Versickerungsart weniger geeignet. werden. Dabei muss ein ausreichender Abstand zum Grundwasser-
Bei geringdurchlässigem Untergrund kann unter der Mulde spiegel (> 1 m) verbleiben. Das Wasser wird über den durchlässi-
18 eine Rigole (kiesgefüllter Graben) vorgesehen werden. In Hanglage gen Schachtboden und über perforierte Wände an den Untergrund
kann durch eine tiefreichende Rigole das zu versickernde Wasser abgegeben. Die Sohle des Schachtes steht auf durchlässigem Un-
19 in größere Tiefe geführt werden. Dadurch können Gefahren für tergrund und ist vor Unterspülen durch aufschlagendes Wasser zu
seitlichen Wasseraustritt und Vernässung verringert werden. schützen. Hierzu kann im untersten Ring eine etwa 50 cm hohe
20 Lage aus Sand und Kies eingefüllt werden. Diese kann zusätzlich
zz Rohr- und Rigolenversickerung als Filter wirken und eingetragene Schwebstoffe zurückhalten. Der
Bei dieser Methode (Rigole) werden die Niederschlagsabflüsse Schachtinnenraum dient als Speicher. Das aufgestaute Wasser kann
21 einem kiesgefüllten Graben oder einem im Erdreich verlegten, über längere Zeit vom Untergrund aufgenommen werden. Mit dem
perforierten Rohr zugeführt, dort zwischengespeichert und zeit- Wasser eingetragene Schwebstoffe können die Durchlässigkeit in
22 verzögert vom Untergrund aufgenommen. In der Regel kommt der Schachtsohle verringern. Regeneration ist durch Austausch der
eine Kombination von Rohr- und Rigolenversickerung vor. Sohl- eingetragenen Sand- und Kiesschicht möglich. Schächte und Brun-
breite und Länge des kiesverfüllten Grabens richten sich nach nen gelten allgemein als pflegeleichte Bauwerke.
23 der Durchlässigkeit des Untergrundes und nach der zu versi- Das ATV-Regelwerk geht von einer versickerungsunwirk-
ckernden Wassermenge. Die Grabentiefe richtet sich nach dem samen Schachtsohle aus. Das Versickern soll über perforierte
geologischen Schichtaufbau und auch nach dem erforderlichen Brunnenringe erfolgen. Hierfür ist eine andere, aufwendigere
6.8 • Verpressen von Wasser über Bohrbrunnen
311 6
Schachtkonstruktion erforderlich. Ein solches Bauwerk erfor- Die Technik der Abwasserversenkung besteht aus einem
dert den Aushub einer tiefen Grube mit Sicherung der Gruben- speziell hierfür ausgebauten Bohrloch, der Injektionsbohrung
wände. Die Schachtringe sind in offener Bauweise in die Grube oder Versenkanlage (. Abb. 6.26). Dieses Bohrloch bleibt im
einzustellen. (Dabei ist Verkanten zu vermeiden, was auf einer Speichergestein unverrohrt und ist nach oben durch Packer ab-
eingebauten Reinigungsschicht mit Schwierigkeiten verbunden geschlossen. Verwendet werden Doppelrohre, wobei das innere
sein kann!) Der Raum zwischen den übereinandergesetzten als Injektionstour und das äußere wegen seiner Schutzfunktion
Schachtringen und der Grubenwand ist mit Sand und Kies auf- als Protektionstour benannt wird. Der zwischen beiden Rohren
zufüllen. Der eingefüllte Boden ist zu verdichten! Auch bei die- befindliche Ringraum ist mit einer unter Überdruck stehenden
ser Baumethode können Schwebstoffe den Porenraum in dieser antikorrosiven Flüssigkeit gefüllt, welche sowohl ein Durchros-
Sand- und Kiesschüttung verstopfen. Eine Regeneration ist sehr ten der Rohre wie auch ein Austreten der Injektionsflüssigkeit in
aufwendig. Bei dieser Bauweise vergrößern sich die Sickerfläche diesen Ringraum verhindern soll. Kontrollen sind über verschie-
und das Speichervolumen des einzelnen Brunnens. dene Messtechniken wie pH-Wert und Leitfähigkeit möglich.
Vorgeschaltete Absetzbecken und Filter können den Eintrag Der Injektionsdruck sollte nahe dem hydrostatischen Druck im
von Schwebstoffen in Sickerschächte vermindern. Auch können Wirtgestein liegen, d. h. die Höhe der Wassersäule im Injekti-
mehrere Schächte als Schachtgalerie hintereinander geschaltet onsrohr sollte nicht wesentlich über der des Grundwasserpegels
werden, indem der Auslauf des voranstehenden Schachtes als Zu- liegen. Für den Fall der Überhöhung des Verpressdruckes gegen-
lauf des nachstehenden Schachtes dient. So kann die zu geringe über dem hydrostatischen Druck an der Bohrlochsohle gibt Aust
Wasseraufnahme eines Schachtes ausgeglichen werden. (1984) den Faktor 1,2–1,3 an. Der Maximalwert von 1,9 sollte
Für das Bemessen von Schachtversickerungsanlagen ist unter nicht überschritten werden, um ein Aufbrechen der Deckschich-
dem Schacht von gesättigten Grundwasserverhältnissen mit i = 1 ten zu verhindern.
auszugehen. Die Versickerungsmenge Q [m3] berechnet sich Vom Abwasser aufnehmenden Aquiferspeicher wird verlangt,
nach dem Gesetz von Darcy. Erforderlich ist die Kenntnis der dass er zum einen ein großes Speichervolumen bei ausreichen-
Wasserdurchlässigkeit im Boden, der wirksamen Versickerungs- der Durchlässigkeit aufweist und zum anderen von geringdurch-
fläche, der zu versickernden Wassermenge und der geforderten lässigen Schichten umgrenzt sein muss (. Abb. 6.27). Genutzt
Zeit, in der das System wieder ausreichendes Speichervolumen werden Poren-, Kluft- und Karstgrundwasserspeicher. Dabei ist
bereitstellen kann. Schachtversickerungsanlagen bieten bei güns- die Ausbreitung des injizierten Abwassers im Porengrundwasser-
tigen Bodenverhältnissen gute Möglichkeiten zum Anreichern leiter am ehesten berechenbar. Enthält der Porenspeicher Ton-
des Grundwassers und zum Entlasten von überstauten Flächen minerale als Akzessorien, so kann es zu schadstoffabbauenden
und Kanälen. Je nach Durchlässigkeit des Bodens dient es auch Vorgängen wie Sorption und Kationenaustausch kommen. Kluft-
dem kurzzeitigen Speichern oder Zwischenspeichern des Nieder- grundwasserleiter zeigen gegenüber Sandsteinen eine geringere
schlagswassers. Der Platzbedarf an der Oberfläche ist gering und innere Gesteinsoberfläche und somit eine stark eingeschränkte
kann „überfahrbar“ gestaltet werden. Sorptions- und Austauschfähigkeit an der maßgebenden inne-
ren Gesteinsoberfläche. Karstgrundwasserleiter werden nur in
geringem Umfang genutzt, da ihre hohe Wasserwegsamkeit eine
6.8 Verpressen von Wasser erhebliche Gefahr für die Umwelt darstellt. Karstspeicher wer-
über Bohrbrunnen den zum Einleiten von Säuren genutzt, wobei sich der Vorzug
der Neutralisation, aber auch die Gefahr der Aquiferblockade
Wasser wird für Zwecke der wissenschaftlichen Untersuchung durch Kohlendioxid ergibt. Durch das Lösen des Carbonatge-
und für Zwecke der Entsorgung verpresst. Das Verpressen für steines werden zugleich die Hohlräume vergrößert, was Anlass
Untersuchungen dient dem Erkunden und Beurteilen der Durch- für Nachbrüche und ungewollte Wasserwegsamkeit sein kann.
lässigkeit bzw. der Dichtigkeit des Untergrundes von Wasserstau- Nach den hydraulischen Anforderungen unterscheidet Aust
anlagen. Hierzu wird Wasser in den Untergrund eingedrückt (1985) zwischen einem „offenen Aquiferspeicher“ und einem
oder eingepresst. Diese Tests werden in Form von Auffüllversu- „geschlossenen Aquiferspeicher“.
chen durchgeführt. Im Bohrloch wird über dem Wasserspiegel Der „hydraulisch offene Grundwasserspeicher“ verfügt über
eine Wassersäule von 3–5 m und mehr aufgebracht. Unter diesem Kontakte zur Biosphäre. Über wenig durchlässige Deckschichten
Druck fließt Wasser aus dem Bohrloch in den Boden (WD-Test, oder über große Fließstrecken benötigt das Wasser sehr große
▶ Abschn. 14.5.4, . Abb. 14.32, 14.33, 14.34 und 14.35). Fließzeiten, bis es wieder an die Oberfläche gelangt. Bei einer
erforderlichen Verweilzeit von 1000 Jahren und mehr sollen
zz Versenken von Abwasser sich die injizierten Substanzen in unschädliche Abbauprodukte
Ein möglicher und in zurückliegenden Jahren mehrfach began- umwandeln. Es besteht die Gefahr, dass bei gegebenen Inhomo-
gener Weg der Abwasserbeseitigung ist die Tiefenversenkung genitäten im Boden der berechenbare hydraulische Durchfluss
(Skowronek et al. 1999). Das Ziel ist, Abwässer in tiefliegende von der Wirklichkeit stark abweicht und dass sich früh Leckagen
Gesteinsschichten einzuleiten oder einzupressen. Soweit es sich bemerkbar machen.
bei den Abwässern um kontaminierte Wässer handelt, dürfen Im „hydraulischen geschlossenen Speicher“ soll der Aquifer
solche Wässer den „aktuellen hydrologischen Grundwasserzy- allseitig von undurchlässigem Gestein umgeben sein. Nach Aust
klus“ nicht tangieren oder erst nach sehr langen Zeiträumen in und Kreysing (1978) lässt sich die Injektion nur durch Kom-
diesen eintreten. pression des Formationswassers erreichen. Eine Kompression
312 Kapitel 6 • Wasserhaltung, Entwässerung und Wasserversickerung
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des Gesteins soll unterbleiben, da hier die Gefahr des hydrau- Untergrund verpressten Abwassermengen können nur durch
23 lischen Aufbrechens der Deckschichten besteht. das Verdrängen von im Untergrund befindlichen Grundwas-
Es muss hierzu festgestellt werden, dass das Wasser und sermengen (Formationswasser) Platz finden. Verdrängen findet
auch das wassererfüllte Festgestein inkompressibel sind. Die im vorrangig in Richtung des hydraulischen Potentialabfalles statt,
6.8 • Verpressen von Wasser über Bohrbrunnen
313 6
.. Abb. 6.27 Schema eines funktionsge-
rechten Injektionssystems für Salzlaugen in
Küstennähe. (Nach Aust 1978)
also in der Regel in Richtung auf die Vorflut. Der natürliche Die bislang übliche Injektion von flüssigen Abfällen und Ab-
Grundwasserkreislauf, an dem das Grundwasser in dem „ge-
schlossenen Speichersystem“ nur in geringem Maße teilhat,
wird durch die Injektion sowohl von der Wassermenge her als
auch vom hydraulischen Potential verstärkt. Der „hydraulisch
--
wässern in tiefliegende Grundwasserleiter betrifft:
Salzlösungen, Laugen, Säuren und Lagerstättenwässer;
organische Abfälle wie chlorierte Kohlenwasserstoffe, Alde-
hyde, Phenole, Säuren, Phosphor- und Stickstoffverbindun-
geschlossene Aquiferspeicher“ ist somit nur eine Sonderform
des „offenen Aquiferspeichers“.
Hoher Verpressdruck kann auch ein Verdrängen in anders - gen;
Abwässer wie Stadtabwässer, Koks-Löschwasser, Wäsche-
reiabwässer, Kessel- und Kühlturmwässer, Abwässer mit
gerichtete Fließwege erzwingen und allseitig Beeinträchti-
gungen herbeiführen. Nach dem Modell einer hydrodyna-
mischen Kettenreaktion können durch versenkte Abwässer
(z. B. Salzwässer) die in benachbarten Aquiferen enthaltenen
- hohem biologischem oder chemischem Sauerstoffbedarf;
radioaktive Abwässer mit hohem Tritiumgehalt.
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Nach dem Wasserhaushaltsgesetz „darf eine Genehmigung keit, Elastizität sowie Aussagen zu möglichen Inhomogeni-
16
zum Einleiten von Stoffen in das Grundwasser nur erteilt werden,
wenn eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers nicht
zu befürchten ist“. - täten und Störungen;
Kenntnis der hydrogeologischen Verhältnisse in der weiten
Umgebung des Standortes mit Stockwerksgliederung, Aqui-
17 In § 10 des Abwasserabgabengesetzes heißt es: „Die Länder kön-
nen bestimmen, dass das Einleiten von Wasser in Untergrundschich-
-- ferbeschaffenheit und regionaler Ausdehnung;
Kenntnis der Altersstruktur des Grundwassers;
18 ten, in denen das Grundwasser wegen seiner natürlichen Beschaf-
fenheit für eine Trinkwassergewinnung mit den herkömmlichen
- Kenntnis des Grundwasserkreislaufes;
Kenntnis der Dichte und Temperatur von Grund- und
19
Aufbereitungsverfahren nicht geeignet ist, nicht abgabepflichtig ist.“
Das Planen und Beurteilen einer Abwasserversenkung in
-- Injektionswasser und deren Einfluss auf die Hydraulik;
Nachweis über den Verbleib der injizierten Wassermassen;
20 -
tiefliegende Grundwasserleiter setzt folgende Kenntnisse voraus:
Kenntnis der geologischen Strukturen, Schichtenfolge
und Schichtmächtigkeiten sowie deren seitlicher Erstre-
-
Kenntnis der Grundwasserchemie, der Geochemie der be-
troffenen Gesteine und der Chemie des Injektionswassers;
Kenntnis der Reaktionen zwischen Gestein, Grundwasser
21
22 -
ckung und tektonischer Lagerung im weiten Umkreis des
gewünschten Standortes;
Kenntnis der geotechnischen Gesteinsausbildung des tief-
liegenden Grundwasserleiters und der ihn umgrenzenden
- und Injektionswasser;
Kenntnis über den zeitlichen und räumlichen Abbau der
schädlichen Inhaltsstoffe des Injektionswassers.
undurchlässigen Gesteinsschichten mit Gesteinsart, Dichte, Das Untersuchungsgebiet ist flächendeckend durch Kenntnis der
Art und Größe des Hohlraumvolumens (Karst-, Poren-, Literatur und Archivunterlagen zu Oberflächenkartierung, Bohr
23 Kluftgrundwasserleiter), Klüftigkeit, Durchlässigkeit im unterlagen, seismischen Untersuchungen, geotechnischen und
Kluftsystem, k-Wert der Gesteinsproben, geotechnischer hydrogeologischen Gutachten zu dokumentieren. Ergänzende
Gesteinsdurchlässigkeit und Transmissivität, Druckfestig- Untersuchungen sind anzusetzen.
6.8 • Verpressen von Wasser über Bohrbrunnen
315 6
--
den. Hierbei sind folgende Untersuchungen angeraten:
makro- und mikroskopisches Beschreiben der Bohrkerne;
--
nahme zu folgenden Themen:
mögliche Auswirkungen durch technisch bedingte Fehler;
--
mögliche Beeinträchtigung von mineralischen Lagerstätten;
mögliches Auftreten geothermischer Anomalien;
--
mögliches Auftreten von Radioaktivität;
mögliche Hebungen oder Senkungen im Gelände;
mögliche Veränderungen im Aquiferspeicher durch Reduk-
-
tion der Permeabilität oder durch Gasblockade;
Festlegen von Kontrollbohrungen und seismischen Kont-
rollstationen.
317 7
5 Nicht standfeste Böschungen können in Form von Rutschungen 32,5° 0,635 1,15 0,552 29°
versagen. Auch auf natürliche Weise können Hänge, Böschungen
oder Steilwände untergraben (unterspült) oder entfestigt werden 30° 0,58 1,15 0,5 26,5°
6 und ihre Standfestigkeit verlieren. Das Planen von Ein- und An- 27,5° 0,48 1,15 0,41 25°
schnitten im Gelände und von Sicherungsarbeiten im rutschge-
7 fährdeten Gelände erfordert eingehende Baugrunderkundungen.
Durch Geländeabtrag wird der im Geländeeinschnitt oder Gelän- solche maximale Neigung z. B. an der Lee-Seite von Dünen ein.
deanschnitt verbleibende Baugrund durch Schubspannungen aus Sandmassen, die über den Dünenkamm geweht werden, lagern
8 der Eigenlast des Bodens belastet. Diese müssen über die Scher- sich auf der Lee-Seite ab, belasten den Hang und lösen perma-
festigkeit des angeschnittenen Baugrundes kompensiert werden. nent (meist kleinere) Sandlawinen aus. Beim Besteigen eines
9 Andernfalls tritt Versagen der zu steil abgegrabenen Böschung solchen Lee-Hanges stellt sich unter jedem Tritt ein (kleiner)
oder Wand in Form von Rutschungen ein. Höhe der gewünschten Grundbruch ein. In gleicher Weise kann sich beim Aufschütten
10 Abtragung, Geländeform, Boden- oder Gesteinsart, geologische oder Abkippen von trockenem Sand, Kies, Geröll, gebrochenem
Struktur, Wassergehalt, Scherfestigkeit und Zusatzlasten bestim- Haufwerk am Schüttkegel oder in der Halden-/Kippenböschung
men Neigung und Standfestigkeit von Böschungen. eine materialbedingte maximale Neigung tan β einstellen. Ein
11 Im Geotechnischen Bericht sind Aussagen zur Gestaltung solcher Hang befindet sich aus geotechnischer Sicht im rech-
des Geländeabtrags und zur Standfestigkeit von Böschungen und nerischen Bruchzustand bzw. im Grenzzustand des Versagens
12 Baugrubenumschließungen zu treffen. Bei ausreichendem Platz (Weißenbach, Hettler 2010).
werden Baugruben, Geländeeinschnitte und Geländeanschnitte Für den in der Geotechnik erforderlichen Sicherheitsstan-
mit einer dem Baugrund angepassten, standfesten Neigung ab- dard ist für die zeitlich rasch vorübergehende (transiente) Be-
13 geböscht. Wo der Platz für eine Böschung fehlt, ist der Gelän- messungssituation BS-T (früher: Lastfall 2) dieser Schütt- oder
deabtrag unter Einsatz zusätzlicher technischer Baumethoden Reibungswinkel φk mit dem Teilsicherheitsbeiwert γφ = 1,15
14 mit steilen bis senkrechten Wänden zu erstellen. Konstruktive (DIN 1054 – 2010, Tab. A 2.2) abzumindern.
Böschungssicherungen sollen Geländebruch vermeiden und be- Für den in der Geotechnik erforderlichen Sicherheitsstan-
15 stehen aus der Böschung vorgestellten abstützenden Massen oder dard ist für die dauerhafte (persistente) Bemessungssituation
aus eingebauten Zuggliedern (Anker, Nägel, Zugpfähle). BS-P (früher: Lastfall 1) dieser Schütt- oder Reibungswinkel φk
mit dem Teilsicherheitsbeiwert γφ = 1,25 (DIN 1054 – 2010,
16 Tab. A 2.2) abzumindern.
7.1 Böschungen in anstehendem Boden Im einfachen Berechnungsfall für trockene kohäsionsfreie
17 grobkörnige Böden (Sand, Kies, Steine, Blöcke, . Tab. 7.1
In Böden und Lockermassen werden Böschungen mit gleich- und 7.2) gilt:
mäßiger Neigung angestrebt. Abweichungen sind beim gärtne-
18 rischen Gestalten der Oberfläche möglich. Böschungsneigungen tan 'd = tan 'k =®
sind von der Bodenart und der Böschungshöhe h abhängig. Die
19 Böschungshöhe h ist die Höhendifferenz zwischen Kronenkante und
und Böschungsfuß.
20 tan 'd = tan ˇ:
7.1.1 Böschungsneigung in anstehendem Die Böschungshöhe h bleibt für die persistente Bemessungssitua-
21 Boden tion BS-P (früher Lastfall 1) unberücksichtigt und kann beliebig
hoch ausgeführt werden.
22 zz Berechnen der Böschungsneigung für grobkörnige In das Berechnen der Böschungsneigung für grobkörnige
Böden Böden gehen die in Versuchen ermittelten Zahlen für den Rei-
In trockenen grobkörnigen Böden beträgt die größtmögliche bungswinkel φk ein. Die Reibung des Bodens hängt von mehre-
23 Hang- oder Böschungsneigung tan β dem Schüttwinkel von Sand
und Kies, welcher allgemein dem Winkel der inneren Reibung
tan φ gleichgestellt wird. Im natürlichen System stellt sich eine --
ren Faktoren ab. Diese Faktoren sind:
Korngröße und Korngrößenverteilung
Kornform und Kornformverteilung
7.1 • Böschungen in anstehendem Boden
319 7
.. Tab. 7.2 Ermittelte Neigungen β für dauerhafte (persistierende) .. Tab. 7.3 Regelneigung bei Einschnittsböschungen im Boden nach
Böschungen und Geländeanschnitte (Bemessungssituationen BS-T/ Ril 836 der DB Netz AG, Modul 836.0506
früher: Lastfall 1) in trockenen grobkörnigen Böden
Bodenart Gruppen- Ein Bö-
φk tan φk γφ = 1,25 tan β Βöschungswinkel β symbol schnitts schungs-
nach tiefe [m] neigung
43° 0,915 1,25 0,732 37,2° DIN 18196
40° 0,835 1,25 0,668 33,6° Grob- Weitgestufte GW, Gl 0–12 1:1,5
körnige und intermittie-
37,5° 0,77 1,25 0,616 30,7° GE, SI, SW 0–12 1:1,7
Bodenar- rend gestufte
35° 0,70 1,25 0,56 29,3° ten Kiese und
Sande, engge-
32,5° 0,635 1,25 0,508 27,0°
stufte Kiese
30° 0,58 1,25 0,464 25,0°
Enggestufte SE 0–12 1:2,0
27,5° 0,48 1,25 0,384 21,0° Sande
--
Gemischt- Schluffige Kiese GU, GU
körnige Tonige Kiese GT, GT
0–6 1:1,6
Mineralart und Mineralartverteilung
--
Bodenart Schluffige Sande SU, SU
Gesteinsart Tonige Sande ST, ST 6–9 1:1,8
Dichte
--
Fein- Leicht plastische UL 9–12 1:2,0
Einregelung der Partikel körnige Schluffe TL
Mögliche Verkittung der Partikel Bodenar- Leicht plastische
-
ten Tone
Restwassergehalt
Bindungskräfte des Wassers
widerstehenden Kräfte genutzt. Die so festgelegten Böschungs-
Weiterhin sind bei Angaben zur Scherfestigkeit für auf Dauer neigungen liegen auf der sicheren Seite.
anzulegende Böschungen mögliche Veränderungen infolge Ver- Bindige, feinkörnige und gemischtkörnige Böden können
witterung zu berücksichtigen. Für eine solche Voraussage sind wegen der Kohäsion steiler abgeböscht werden als die grobkör-
vom Geologen Versuche an Verwitterungsprodukten aus dem nigen Böden.
zu beurteilenden Material durchzuführen. Nach den „Richtlinien für die Anlage von Straßen“ (RAS)
Durch die Aufnahme von Feuchtigkeit kann sich im Sand, erhalten Einschnittsböschungen ab 2 m Höhe eine einheitliche
ausgehend vom Wasser im Porenzwickelraum der Sandkörner, Neigung (Regelneigung) 1:1,5. Der Übergang zwischen Böschung
eine (scheinbare) Kohäsion aufbauen, was (vorübergehend) und Gelände wird ausgerundet. Wenn diese Regelneigung aus
eine steilere Hang- oder Böschungsneigung ermöglicht. Beim Gründen der Standsicherheit nicht ausführbar ist, können abwei-
Planen und Abgraben von Böschungen werden häufig steilere chende Neigungen, z. B. nach Floss (1997; . Tab. 7.5), zugrunde
Böschungswinkel angelegt. Es wird die im feuchten Boden vor- gelegt werden. Bei hohen Böschungen kann die Anlage von Ber-
liegende scheinbare Kohäsion genutzt. Auch können sich aus der men zur Verbesserung der Standfestigkeit und zum Erleichtern
geologischen Lagerung und Verdichtung im Korngefüge steilere der Unterhaltung zweckmäßig sein.
Böschungen ergeben. Ein solches Vorgehen setzt geologische und Böschungen unter 2 m Höhe erhalten nach RAS-Q eine kon-
geotechnische Erfahrungen vor Ort voraus. stante Böschungsbreite von 3 m. Die Böschungsneigung wird mit
abnehmender Böschungshöhe flacher.
zz Festlegen der Böschungsneigung nach Tabellenwerten Abweichende Böschungsgestaltungen können zum Einpas-
Bei einheitlichem Lockermaterial oberhalb des Grundwassers sen der Straße in die Landschaft, zum Vermeiden von Schneever-
kann die Böschungsneigung mittels Erfahrungswerten aus Tabel- wehungen und aus Gründen des Immissionsschutzes in Betracht
len für die vorliegende Bodenart oder Bodengruppe (. Tab. 7.3, kommen.
7.4 und 7.5) festgelegt oder bei Kenntnis der Bodenkenngrößen Nach der „Richtlinie für Erdbauwerke der DB Netz AG“ (Ril
Wichte γ, Winkel der inneren Reibung φ und Kohäsion c nach 836) sind Einschnittsböschungen mit gleichmäßiger Neigung
den Verfahren von Fellenius (1926), Taylor (1948) oder Jelinek nach . Tab. 7.1 anzulegen. In Böschungen über 12 m Höhe und
(1955) mittels Nomogrammen bestimmt werden (. Abb. 7.1 steileren Neigungen als 1:1,8 sollen Bermen angelegt werden
und 7.2). Im Gegensatz zu geschüttetem Material können bei (2,5 m breit, Quergefälle 1:20 in Richtung Böschungsfuß).
anstehendem Boden höhere Scherfestigkeiten angenommen wer- Eine Sonderstellung nehmen feinkörnige Böden wie Löss,
den, sodass sich steilere Neigungen ergeben. Beim Festlegen der Schluff und tropische Verwitterungsböden im wechselfeuch-
Böschungsneigung im Lockermaterial wird in . Tab. 7.3 und 7.4 ten Klima ein. Die Böden sind kohäsiv und können begrenzt
nur von den Bodenarten und Bodengruppen ausgegangen. Von senkrechte Wände bilden. Wird der Fuß einer Böschung in
den oben genannten Faktoren, die beim Abscheren einer Boden- diesen Böden von außen durchnässt (Straßengraben, Erosi-
probe zusätzlich überwunden werden müssen, gehen nur Korn- onsrinne), bricht die Böschung in einem vertikalen Streifen
größe und teilweise die Korngrößenverteilung ein. Damit wird nach. Schräg angelegte Böschungen gehen bei gleichzeitiger
nur ein gewisser Reibungsanteil und nicht die Gesamtheit der Verbreiterung von Graben, Hohlweg oder Erosionsrinne
320 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
1 .. Tab. 7.4 Böschungsneigungen bei Einschnitten in natürlich gelagerten, homogenen, feinkörnigen Lockergesteinen von steifer Konsistenz, berech-
net nach Fellenius. (Umgeschrieben nach Reuter und Kiengel 1977)
9 6…9
9…12
1:2,1
1:2,4
12…15 1:2,5
10 Ton 0,3 20 10 1,75 0…3 1:1,5
T 3…6 1:1,5
6…9 1:2,6
11 9…12 1:3,2
12…15 1:3,5
16 GE, SE Bis 10
über 10
1:1,8
1:1,8 bis 1:2
19 GU, GT Bis 10
über 10
1:1,5
1:1,5 bis 1:1,8
23
7.1 • Böschungen in anstehendem Boden
321 7
.. Abb. 7.2 Nomogramm zum Bestimmen
der Böschungsneigung nach Jelinek (1955).
Für das Beispiel von . Abb. 7.1 ergibt sich
eine Böschungsneigung 1:1,5 bis 1:1,6 bzw.
ein Böschungswinkel β = 33,5°
3 - schungsschulter verläuft;
der Schwerverkehr in kleinerem Abstand als 2 m ab Bö-
schungsschulter verläuft.
7
7.2 Böschungen im Felsgestein
8 Die Standfestigkeit von Böschungen im Fels hängt von der Fels-
.. Abb. 7.3 a Graben mit abgeböschten Kanten, b teilweise gesicherter
art, der Ausbildung der Trennflächen, der Böschungsneigung
9 Graben mit Saumbohlen, c Baugrubenböschung mit Berme (nach DIN 4124).
β Böschungswinkel
und der Böschungshöhe ab. Für das Bestimmen einer zulässi-
gen Böschungsneigung ist eine genaue geologische Aufnahme
10 des Geländes wichtig. Neben der geotechnischen Beschreibung
Die Standsicherheit der Böschungswand und der senkrecht der anstehenden Gesteinsarten ist eine Aufnahme des Trenn-
ausgehobenen Graben- oder Baugrubenwand kann durch fol- flächengefüges mit Lage (Streichen und Fallen), Kluftabstand,
11 gende Faktoren vermindert werden, sodass im Einzelfall auch Durchtrennungsgrad und den auf den Kluftflächen oder in der
geringere Böschungsneigungen, als für den Normalfall angenom- Kluftfüllung vorliegenden Scherfestigkeiten erforderlich.
12
-
men, angesetzt werden müssen:
Störung des Boden- oder Felsgefüges durch offene,
-
Die Beurteilung der Standfestigkeit muss folgende Kriterien
berücksichtigen:
13
- engscharige Trennflächen;
Einfallen der Haupttrennflächen oder Gleitflächen auf die
günstig ist, wenn ein kompaktes Festgestein mit weitem
Trennflächenabstand, unvollkommener Durchtrennung und
14
-- Einschnittsohle zu;
Aufschüttung mit unzureichender Verdichtung;
- hoher Scherfestigkeit in allen Trennflächenscharen ansteht;
günstig ist, wenn die Schichtung oder Bankung horizon-
-
tal gelagert ist und ein orthogonales Trennflächensystem
(Lagerungsklüfte) ausgebildet ist;
- -
18 Maßnahmen: Wechsellagerung verschiedener Gesteine ansteht;
Abdecken der Böschung und der Böschungskrone mit ungünstig ist, wenn das anstehende Gestein ganz oder
-- -
19 Plastikfolie; teilweise aufgelockert, entfestigt oder verwittert ist;
Besprühen der Böschung mit Zementmilch oder Bitumen; ungünstig ist, wenn das Gestein engscharig von Trennflä-
20
21
--Auftrag von Spritzbeton;
Auftrag von bewehrtem Spritzbeton;
Einrichten von Abfanggräben und Wasserfassungen für
alles zufließende Wasser.
- chen mit hohem Durchtrennungsgrad durchzogen ist;
ungünstig ist, wenn die Streichrichtung der Haupttrenn-
flächen parallel zur Einschnittsachse verläuft und das
Einfallen dieser Trennflächen hangauswärts gerichtet ist.
Hier sollte der Böschungswinkel kleiner als der Fallwinkel
22
23
Die Standsicherheit der Graben- und Grubenwände ist rechne-
--
risch nach DIN 4084 nachzuweisen, wenn
die Böschung höher als 5 m ist;
die Böschung steiler als oben angegeben abgegraben wer-
- der möglichen Gleitflächen sein;
ungünstig ist, wenn sich zwei geneigte bis steile Trenn-
flächensysteme unter einem Winkel schneiden und der
Fallwinkel der Schnittlinien größer als der Reibungswinkel
den soll; auf den Kluftflächen ist (. Abb. 2.11d; Trunk 1995).
7.2 • Böschungen im Felsgestein
323 7
7.2.1 Standardisierte Entwurfsböschungen
in Fels
- Reibung im Trennflächengefüge.
Gruppe B
Unverwitterte und wenig geklüftete magmatische Gesteine
und metamorphe Gesteine, massige Kalksteine, Dolomit-
steine und mineralisch gebundene Sandsteine und Grauwa-
-
schiefer und Mergelsteine und Wechsellagerung von festen
Sedimentgesteinen (frostunempfindlich!).
- Möglichkeit zum nachträglichen Einbau oder Verstärken
Gruppe E
Entfestigte, mechanisch zerlegte Gesteine, stark angewit-
terte und verwitterte Gesteine, Tonschiefer und Wechsel-
lagerung von Kalksteinen oder Sandsteinen mit Tonschie-
- einer Felssicherung ohne besonderen Aufwand an Gerüsten;
erleichterte Arbeit beim Sammeln und Ableiten von Ober-
flächenwässern und gelegentlich auch von Kluftwässern.
fern, veränderlich feste Gesteine. Diese Gesteine werden Nachteile der Bermen können darin bestehen, dass bei besonde-
im Extrem wie Lockergesteine abgeböscht und verlangen ren geologischen Verhältnissen ein ungünstiger felsmechanischer
stets eine gesonderte Untersuchung und eine individuelle Zustand herbeigeführt wird. Infolge der Kerbwirkung kann sich
Festlegung der Böschungsneigung. eine erhöhte Spannungskonzentration und somit eine Schwä-
chung des jeweiligen Böschungsfußes im Bereich der Berme
zz Bermen (Banketten, Etagen) ergeben und zur Gefährdung der Böschungsstabilität führen.
Beim Herstellen hoher Felsböschungen werden üblicherweise Auch kann längs der Berme Wasser in die Böschung eindringen.
sowohl aus arbeitstechnischen Gründen wie auch aus Gründen Frost und Verwitterung können verstärkt einwirken. Die Anlage
der Stabilität, der Pflege und Wartung in Höhenabständen von von Bermen hat neben den statischen und wartungstechnischen
10–15 m Bermen angelegt (. Abb. 7.5b) . Eine solche Berme ist Gründen eine ästhetische Wirkung für das Landschaftsbild. In
--
2–3 m breit. Der Vorteil der Bermen liegt in Folgendem:
einfacher und schonender Abtrag von oben nach unten;
erleichterte Arbeit beim Einbau von Felssicherungen wie
Bohren, Setzen von Ankern und Felsnägeln, Herstellen von
gleicher Weise wird das Landschaftsbild durch das Stehenlassen
von Felsbänken stark belebt. Eine solche die Landschaft belebende
Maßnahme verursacht zusätzliche Kosten und sollte möglichst
früh in die Planung aufgenommen werden. Es dürfen nur solche
- gegen Steinschlag;
erleichterte Arbeit beim Räumen der Böschung von gelös-
1
2
3
4
5
.. Abb. 7.5 Gefügebedingte Anlage von Felsböschungen. a Geneigtes Einfallen mit der Möglichkeit einer hängenden Abtreppung, b steiles Einfallen mit
6 Abtreppung oder Berme, c steiles Schichtfallen mit zwei Varianten für die mögliche Abtreppung. Die hängende Abtreppung ist nur bei genauester Prüfung
zulässig. d Varianten einer Treppenböschung. (Umgezeichnet nach Brandecker 1971)
7
oder mehrere die Stabilität der Felsböschung erheblich beein- tung (Überlagerung, Durchströmung, Unterspülung oder Unter-
flussende Trennflächen mit ungünstiger Raumstellung auftreten, grabung) seine Standfestigkeit verliert, sind, soweit das Gelände
8 muss die Ausbildung der Felsböschung in Anpassung an das Ge- bewahrt und Bauwerke geschützt werden sollen, technische Maß-
9
-
füge erfolgen. Dabei bestehen folgende Möglichkeiten:
die Böschungsfläche wird der Gefügefläche folgen, d. h. die
Böschung wird bis auf den Einfallwinkel der Trennfläche
nahmen erforderlich. Bei den Sicherungen zum Schutze der Bö-
schung ist zwischen Vorkehrungsmaßnahmen wie Entwässerung,
ingenieurbiologischer Bauweise und konstruktiver Böschungssi-
10
11
- abgehoben (. Abb. 7.5a und 7.6c, d);
die Böschung wird in gleicher Weise wie die Entwurfsbö-
schung angelegt. Es werden zusätzliche Maßnahmen zur
Felssicherung vorgesehen (Stützmauern, Kopfmauern,
cherung zu unterscheiden. Durch Entwässern und rechtzeitiges
Bepflanzen werden Oberflächenabspülungen, Erosion und Flach-
rutschungen vermieden. Tiefgreifende Böschungsbewegungen
können nur durch konstruktiven Ingenieurbau verhindert oder
Balkenroste, Stützgewölbe, Pfeiler, Plomben, Balken, Spritz- aufgehalten werden. Durch Abtragmaßnahmen, welche eine über-
12 beton, Ankersicherung, Stahlbänder, Drahtnetze, Baustahl- steilte Böschung erfordern, werden im Böschungsbereich Gesteine
-
hende Felsgefüge (nach Brandecker 1971). a Einfallen der Haupttrennflächen
mit 0–15°, keine Anpassung, b 15–30°, keine Anpassung, jedoch Sicherung
des Schichtflächenhanges, c 30–45°, Anpassung der Böschung an das Felsge- Kombinierte Böschungssicherung und Tiefenentwässerung
füge oder umfangreiche Sicherung des Schichtflächenhanges, d 45–60°, An-
durch die Kombination von Bodenvernagelung und Drä-
passung der Böschung an das Felsgefüge, nur in Sonderfällen Sicherung des
Schichtflächenhanges, e 60–75°, Anpassung der Böschung an das Felsgefüge,
nage (System DRILL-DRAIN der Friedr. Ischebeck GmbH/
Sicherung des Schichtflächenhanges, f 75–90°, Anpassung der Böschung an Müller W 2008/▶ Abschn. 10.2).
das Felsgefüge und beidseitige Sicherung der Hänge
profilierte Böschungen vor den Einflüssen der Witterung und 7.3.2 Böschungssicherung
Erosion zu schützen. Die erforderlichen Maßnahmen betreffen mit ingenieurbiologischen Bauweisen
Entwässern, Begrünen und/oder Lebendverbau. Konstruktiv
können Böschungen durch Pflaster oder Futtermauern ge- Lebende Pflanzen oder Pflanzengesellschaften schützen die Bö-
schützt werden. schung durch ihr Wurzelgeflecht und durch die erhöhte Verduns-
tung. Eingebaut werden Pflanzen oder Pflanzenteile, vielfach in
Kombination mit Holz, Stahl, Kunststoff, Beton und Steinen. Eine
7.3.1 Entwässerung gute Kenntnis der einzelnen Bauweisen und die Beurteilung der
notwendigen und möglichen Wirkungen bei gegebenen Standort-
Zweck der Oberflächen- und Tiefenentwässerung ist das Vermei- verhältnissen sind erforderlich, um eine ökonomische und effek-
den von Erosionsschäden an unbefestigten Böschungen und das tive Sicherung zu garantieren. Zu beachten sind DIN 18915–18919
Herabsetzen des Poren- und Kluftwasserdruckes im Gestein. Die und die „Richtlinien für die Anlage von Straßen – Landschaftsge-
-
Maßnahmen erstrecken sich auf:
Entwässern des Hanges oberhalb der Böschung, z. B. durch
Gräben, Sickerschlitze, Halbschalen, Entwässerungsboh-
staltung, Lebendverbau“ (RAS-LG 3). Mit ingenieurbiologischen
Bauweisen können nur solche Böschungen geschützt werden, die
in sich standfest sind. Da das Wurzelwerk lange Aufwuchszeiten
- rungen;
Ableiten des Oberflächenwassers im Böschungsbereich
durch Dränagen, Gräben und Halbschalen entlang der
benötigt, ehe es ausreichende Zugkräfte übernimmt und zur Siche-
rung der Böschung beiträgt, müssen bei der Neuanlage Kombinati-
onen von Stützbauwerken oder verankerten Hangrosten mit leben-
-
(Schiechtl 1978, 1987, Zeh H. 2007, Hacker E., Johannsen R. 2012):
biotechnisches Entwässern durch das Anpflanzen stark
und Horizontalbohrungen. In geringdurchlässigen Böden
werden auch Vakuumbrunnen und das Elektroosmose-
- wasserverbrauchender Sträucher und Gehölze;
Stabilisieren durch Wasserentzug und Durchwurzelung bei
Verfahren zum Entwässern eingesetzt. Bei den tiefliegen-
den Dränagen muss stets darauf geachtet werden, dass die
Böschung nicht unterschnitten wird. - verschiedenen Bauweisen;
Kombination von Stützbauwerken (Krainer Wände aus
Beton oder Holz) mit Pflanzen (. Abb. 7.8a);
326 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
- Trockenmauern, Drahtschotterkörbe und grobe Block- und
- Spreitlagenbau wird aus ausschlagfähigem Astwerk flä-
16
- Geotextilien mit Maschenweite unter 5 mm verwendet;
lebende Hangroste (rostartige Bauelemente aus Holz oder
beschüttet, sodass das Astwerk nur noch an wenigen Stellen
sichtbar ist. Diese Bauweise stabilisiert erosionsgefährdete
17
-
Beton, Drahtskelettkörper; . Abb. 7.8b, c) in Kombination
mit Pflanzen;
Flechtzäune und Faschinen aus ausschlagfähigen Gehölzen.
Das Flechtwerk wird um eingeschlagene Stöcke gewunden
- Hangabschnitte und Uferböschungen;
Verlegen von Rasensoden ist für solche Standorte vorzuse-
hen, die vom Klima her nur Rasenwuchs zulassen und für
die es kein geeignetes Saatgut gibt (Hochgebirge) oder die
-
18 oder in Gräben verlegt (. Abb. 7.8d); mechanisch stark beansprucht werden (steile Böschungen,
19
20
Lagenbau mit sparrigen, nicht flechtbaren Pflanzen, die un-
ter anteiliger Mechanisierung lagenweise in der Böschung
angepflanzt werden. Der Heckenlagenbau verwendet
bewurzelte Gehölzpflanzen (Heister), der Buschlagenbau
- Sportplätze; . Abb. 7.9);
Rasensaaten werden vorwiegend als Nasssaaten, eine
Mischung von Saatgut, Bodenverbesserungsmittel, Stroh,
Kleber und Wasser, auf den Boden oder auf die Böschung
verwendet Äste ausschlagfähiger Holzarten. Beim He- aufgespritzt. Bei Trockensaaten wird großflächig Saatgut
ckenbuschlagenbau werden die Heister der angestrebten gestreut. Das Abdecken der Böschung mit Mutterboden
21 Endgesellschaft zusätzlich zu den Buschlagen verpflanzt und das Einrechen von Saatgut hat sich in steilen Lagen
22
23
- (. Abb. 7.8e, f);
Steckhölzer werden als ausschlagfähige Ruten ca. 30 cm tief
in den Boden sowie in Fugen und Klüfte eingesteckt. Diese
Bauweise eignet sich beim Verbauen von geschiebeführen- 7.3.3
nicht bewährt.
.. Abb. 7.10 Böschungspflaster aus Naturstein als Schutz gegen Erosion bei
in sich standfesten Böschungen
1
2
3
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6
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12
.. Abb. 7.11 a Trockenmauern in herkömmlicher Bauweise aus Naturstein, b Trockenmauer mit Ausbauchung, c–e Querschnitte (in m) von Futtermauern aus
13 Beton bei Geländeneigungen zwischen 20 und 70 %. (Voth 1976)
15
16
17
18
19
Spritzdüse transportiert, dort mit Wasser vermischt und ver- 7.3.6 Ertüchtigen zu steil angelegter
20 spritzt. Böschungen
Die Vorteile des Trockenspritzverfahrens liegen in der großen
Flexibilität, die es erlaubt, auch kleine Mengen zu verspritzen Längs von Straßen und Eisenbahnen können Einschnittsbö-
21 bzw. kleine Flächen zu sichern und Spritzpausen einzulegen. Das schungen, Anschüttungsböschungen und Dammböschungen aus
Verfahren ist wintertauglich. dem Altbestand nach den heutigen Regeln und Anforderungen
22 Nachteilig sind Inhomogenität durch Entmischen, hohe zu steil angelegt sein. Gegenüber früheren Annahmen sind die
Rückprallwerte, starker Spritznebel und Staubbelastung. Belastungen aus Achslasten, Fahrgeschwindigkeiten und Befah-
rungsdichte höher. Das Überprüfen der Standsicherheit und das
23 Ertüchtigen zu steil angelegter Böschungen ist angesagt (Rein-
hold, Chr. & Kudla, W. 2008). Möglichkeiten für das Ertüchtigen
von zu steilen Böschungen sind:
7.4 • Erddruck
329 7
-
hen. kraft Ea bezeichnet.
durch bergseitiges Verschieben der Böschungsschulter Bewegt sich dagegen die Wand unter dem Einfluss der Belas-
und Abgraben von Erdreich aus der Böschung und aus tung gegen das Erdreich, so wird dieses zusammengepresst. Bei
dem Gelände oberhalb der originalen Böschungsschul- einer bestimmten Bewegungsgröße wird ein Teil des Bodens auf
ter bis zur neu gewünschten Böschungsneigung. Der Bewegungsflächen abgeschert. Dabei wird der größte Druckwert,
-
Ertüchtigen der Böschung kann erfolgen durch: Gibt eine Wand unter Belastung nicht nach, d. h. sie ist
Abflachen der Böschung durch Aufbringen einer konstruktionsbedingt sehr steif, so liegt der Erddruck zwi-
Erdschüttung im Zwickel zwischen der Oberfläche der schen dem aktiven und dem passiven Erddruck. Der Erddruck
Originalböschung und der durch die Mauerkrone vorge- auf die starre Wand wird als Erdruhedruck e0 bezeichnet. Er
-
gebenen möglichen neuen Böschungsoberfläche. ist anzusetzen, wenn bei starrer Bauwerksausführung (z. B.
Kombination zwischen dem Aufbringen einer Erdschüt- ausgesteifte Kellerwände), stark verdichteter Hinterfüllung
tung im unteren Teil der Originalböschung hinter der oder Gründung auf Fels eine Bewegung nicht erwartet wer-
Mauerkrone und dem Abgraben im oberen Teil der den kann.
Originalböschung und bergseits der ursprünglichen Wird die Fähigkeit zur Eigenbewegung des Stützbauwerks
-
Böschungsschulter. bewusst eingeschränkt, um z. B. Schäden an benachbarten Ge-
Einbau von Stützscheiben (▶ Abschn. 10.3). Stützschei- bäuden zu vermeiden, so ist mit einem erhöhten aktiven Erd-
ben werden im Abstand zwischen einfacher und andert- druck zu rechnen. Ein solcher Zustand kann durch Verankern
halbfacher Böschungshöhe eingebaut. Das Ertüchtigen mit vorgespannten Ankern, durch Aussteifen von Winkelstütz-
der gefährdeten Böschung erfolgt über die räumliche mauern und durch Vergrößern der Fundamentfläche herbeige-
Tragwirkung des Gewölbes. Das zwischen den Stütz- führt werden.
scheiben befindliche Erdreich hängt sich seitlich an ea und ep sind Grenzwerte des Erddruckes. Die Erddruckbe-
den Stützscheiben auf. Zum Stand der Technik beim rechnung erfolgt nach DIN 4085.
Bemessen und Berechnen von Stützscheiben berichten Die für den Ansatz des aktiven Erddruckes vorauszusetzen-
Reinhold & Kudla (2008). Das Herstellen der Stützschei- den Bewegungsgrößen (. Abb. 7.12) liegen bei mitteldicht bis
ben erfolgt durch: dicht gelagerten Sanden und Kiesen und bei steifen bis halbfesten
– Aushub von Gräben und Wiedereinbau eines feinkörnigen Böden, unter der Voraussetzung einer Drehung um
Boden-Zement-Gemisches (Erdbeton, z. B. HZV/ den Fußpunkt der Mauer bei 1 / 500 oder 0,002, bei der Dre-
Hydrozementationsverfahren). hung um den Kopfpunkt bei 1/200 oder 0,005 der Wandhöhe. Bei
– Aushub von Gräben und deren Verfüllen mit Beton. Parallelverschiebung genügt ein Verschiebungsweg von 1/1000
(DIN 4085).
Die zum Auslösen des vollen Erdwiderstands erforderlichen
7.4 Erddruck Verschiebungswege liegen höher. Zu beachten ist das „Merkblatt
über den Einfluss der Hinterfüllung auf Bauwerke“ (Forschungs-
Erddruck ist die Druckwirkung des Bodens infolge Eigenlast gesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen 1994).
und Geländeauflasten auf die Berührungsfläche (Wand) eines Der Erddruck wird üblicherweise nach der Coulomb’schen
Stützbauwerkes oder einer rückhaltenden Ankerkonstruktion. Erddrucktheorie berechnet (. Abb. 7.13, . Tab. 7.6, 7.7, 7.8).
Hierbei wird zwischen dem Erddruck e als Spannung (kN/m2), Diese vereinfacht die Gleitzonen zu einer planaren Bewegungs-
welche zwischen der Wand des Stützbauwerkes und dem Bo- fläche an der Basis eines unverformten Rutschkeils. Die An-
den herrscht, und der Erddruckkraft E (kN oder kN/m) un- sätze nach Coulomb gelten nicht, wenn durch die geologische
terschieden. Die Erddruckkraft E wird als einwirkende resul- Vorgeschichte bestimmte Erddruckfiguren (Rutsch- oder Gleit-
tierende Gesamtkraft auf das Stützbauwerk in kN angegeben körper) vorgegeben sind.
oder wird als Einwirkung pro laufenden Meter des Stützbau- Nach der Erddrucktheorie von Rankine befindet sich hinter
werkes in kN/m angegeben. Das Ermitteln von Größe, Vertei- der Wand ein plastischer Erdkörper mit Bruch- oder Gleitflächen
lung und Richtung des Erddruckes dient der Standsicherheit an jeder möglichen Stelle im abschiebenden Erdkeil. Dieser Zu-
von Stützbauwerken. Die Größe des Erddruckes wird von Maß stand erfordert gegenüber der Theorie von Coulomb ein abwei-
und Richtung der Bewegung des Stützbauwerkes beeinflusst. chendes Berechnungsverfahren zum Ermitteln von aktivem und
Gibt eine Wand der seitlichen Druckwirkung durch Kippen passivem Erddruck.
330 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
1 .. Tab. 7.6 Beispiel für den Aufbau der Tabellen für Erddruckbeiwerte zum aktiven und passiven Erddruck Ka,h und Kp,h nach Grasshoff (1980). Die
vorliegende Einzeltabelle gilt für die Kennwerte φ = 25º, α = +20º, β = −20º bis +20º, δa = 0º, +1/3 φ und +2/3 φ sowie δp = 0º, −1/3 φ und −2/3 φ. Für
abweichende Reibungswinkel φ sind zwischen φ = 15º und φ = 42,5º jeweils im Abstand von 2,5º eigene Tabellen erstellt. Das Tabellenwerk besteht aus
2 12 Einzeltabellen
4 α° β° 0 1
+ '
2
+ '
0 1
− '
2
− '
3 3 3 3
- --
19 Für das Ermitteln des Erddruckes sind erforderlich: Der Wandreibungswinkel ist abhängig von der Rauigkeit der
Kenngrößen für den Boden hinter dem Stützbauwerk: Wand, dem Hinterfüllmaterial und möglichen Bewegungen
20 Winkel der inneren Reibung φ; (Setzungen) der Wand. Zum Ermitteln des aktiven Erddruckes
--
Wichte des feuchten Bodens γ; kann der Wandreibungswinkel bei rauer Oberfläche (unbehan-
Wichte des Bodens bei Wassersättigung γg; delter Beton) mit 2/3 φ, bei weniger rauer Oberfläche mit 1/3 φ
21
- ---
Neigung des Geländes oberhalb des Stützbauwerkes β; angesetzt werden. Kann sich die Wand stärker setzen als die Hin-
Geometrie evtl. vorhandener Rutschmassen. terfüllung, so kann eine negative Wandreibung auftreten. In die-
22 Kenngrößen für das Stützbauwerk: sem Fall ist ein Berechnen nach Coulomb nicht mehr möglich.
Höhe des Stützbauwerkes h; Bei stark schmierigem Hinterfüllmaterial und bei auf der Wand
-
Neigung der Rückwand des Stützbauwerkes α; aufgebrachter glatter Dichtung wird δ = 0.
23 Wandreibungswinkel δ. Da sich die Kohäsion mit dem Wassergehalt ändert und bei
starkem Durchfeuchten oder Austrocknen den Wert 0 anneh-
men kann, sollte sie in Erddruckberechnungen nur dann ange-
7.4 • Erddruck
331 7
.. Tab. 7.7 Beispiel für den Aufbau der Tabellen für Erdruckbeiwerte zum aktiven Erddruck Ka,h nach Coulomb, aufgestellt von H. Groß im Anhang
zu Gudehus (1990). Die vorliegende Einzeltabelle gilt für die Kennwerte φ = 25°, β = 0°, α = −30°, −20°, −10°, 0°, +10°, +20° und +30° im Abstand von
jeweils 10°, δa = +25°, +17°, +8°, 0°, −8°, −17° und −25°. Für variierende Geländeneigungen/Böschungswinkel β sind zwischen den möglichen steilsten
Neigungen βmin bzw. βmax = φ im Abstand von 5°, also vorliegend zwischen −25°, −20°, −15°, −10°, −5°, 0°, +5°, +10°, +15°, +20° und +25° jeweils eigene
Tabellen erstellt. Für variierende Reibungswinkel φ sind für die Kennwerte φ = 25°, 30°, 35°, 40° und 45° jeweils eigene Tabellengruppen erstellt. Das
Tabellenwerk besteht aus 75 Einzeltabellen
φ = 25 β = 0
δ α –30 –20 –10 0 10 20 30
.. Tab. 7.8 Beispiel für den Aufbau der Tabellen für Erdwiderstandsbeiwerte zum passiven Erddruck Kp,r nach Krey, aufgestellt von H. Groß im Anhang
zu Gudehus (1990). Die vorliegende Einzeltabelle gilt für die Kennwerte φ = 25°, β = 0°, α = −30°, −20°, −10°, 0°, +10°, +20° und +30°, δa = +25°, +17°, +8°,
0°, −8°, −17° und −25°. Für variierende Geländeneigungen/Böschungswinkel β sind zwischen den möglichen steilsten Neigungen βmin bzw. βmax = φ im
Abstand von 5°, also vorliegend zwischen −25°, −20°, −15°, −10°, −5°, 0°, +5°, +10°, +15°, +20° und +25° jeweils eigene Tabellen erstellt. Für variierende
Geländeneigungen/Böschungswinkel sind für die Kenngrößen β = −25°, −20°, −15°, −10°, −5°, 0°, 5°, 10°, 15°, 20° und 25° jeweils eigene Tabellen erstellt.
Für variierende Reibungswinkel φ sind für die Kennwerte φ = 25°, 30°, 35°, 40° und 45° jeweils eigene Tabellengruppen erstellt. Das Tabellenwerk besteht
aus 75 Einzeltabellen
φ = 25 β = 0
δ α –30 –20 –10 0 10 20 30
setzt werden, wenn ihr Vorhandensein dauerhaft gewährleistet zum anderen mit φ′ des konsolidierten Zustandes durchzufüh-
ist (. Abb. 7.14). Weist der Boden eine deutliche Schichtung ren. Beim Festlegen der für statische Berechnungen charakte-
auf, so ist beim Ermitteln des Erddruckes jede Schicht mit den ristischen Bodenkennwerte (gekennzeichnet durch den Index k)
zugehörigen Bodenkennwerten einzuführen. Dabei gilt die ist zu überlegen, ob vom konsolidierten oder unkonsolidierten
Grundwasseroberfläche als Schichtfläche. Im Falle feinkörni- Zustand auszugehen ist. In den Erddrucktabellen sind die Rei-
ger Böden ist die Rechnung zum einen mit dem Winkel der bungswinkel mit Abstufung auf 2,5° oder 5° zugrundegelegt.
inneren Reibung φ des Bodens im unkonsolidierten Zustand, In der Diskussion der Laborergebnisse wird der Geologe bei
332 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
2
3
4
5
6
7 .. Tab. 7.9 Gleitreibungswinkel δs für die wichtigsten Baustoffe
und Bodenarten
8 δS
Stahl auf Lockerboden 2/3φ .. Abb. 7.14 Abminderung und Erhöhung des Erddruckes infolge Kohäsion
Sehr raues Mauerwerk und Ortbeton . Tab. 7.6, 7.7 und 7.8 geben Beispiele für den Aufbau und das
Lesen von Erddrucktabellen. Für die Erddruckermittlung bei was-
13 Rau auf Sand und Kies 31°
sergesättigten, nicht konsolidierten, feinkörnigen und weichen
Rau auf Ton und Schluff 16–17° Böden ist nach DIN 4085 die Scherfestigkeit mit der Kohäsion
14 Rau auf Mudde, Gyttja, Faulschlamm 11–12° c′ = cu und dem Reibungswinkel bei wassergesättigtem und erst-
verdichtetem Boden φu = 0 anzusetzen. Der Erdruhedruck leitet
15 sich aus empirischer Näherung ab. Hierzu gilt die in . Abb. 7.15
der Angabe von φk diese Abstufung berücksichtigen. Die Erd- in Anlehnung an DIN 4085 verwendete Vorzeichenregelung.
druckbeiwerte für die Horizontalkomponente Ka,h, Kp,h und Die Horizontalkomponente des Erddruckes errechnet sich
--
16 K0 werden üblicherweise aus Tabellen entnommen, in die die nach der Beziehung:
Neigung der Rückwand α, die Geländeneigung β, der Winkel Eah = 0,5γh2Kah für den aktiven Erddruck [kN m−1];
17
18
der inneren Reibung φ und der Wandreibungswinkel δ einge-
hen. Andere, z. T. umfangreichere Tabellen zum Entnehmen
von Erddruckbeiwerten nach Coulomb, Krey u. a. sind gegeben
in: Bergische Universität Wuppertal – Lehr- und Forschungs-
- Eph = 0,5γh2Kph für den passiven Erddruck [kN m−1];
E0 = 0,5γh2K0 für den Erdruhedruck [kN m−1].
-
terschieden:
Erddruck auf schmale Bauwerke in Böschungen (Brücken-
tige Stützen oder bergseitige Anker aufgenommen werden. Für
Anker und verankerte Konstruktionen (Ankerwände, Anker-
-- Schächte, Bohrungen);
räumlicher Erddruck beim Erstellen von Schlitzwänden;
Silodruck.
den Kräfte über die Mantelreibung der Verpresskörper aufge-
nommen werden. Für eine verankerte Konstruktion ist weiter-
hin der Nachweis zu erbringen, dass punktuell die ausreichende
Festigkeit des durch die Ankervorspannung beanspruchten
Bestehende unterschiedliche Berechnungsverfahren werden Gesteins und generell die Sicherheit des Gesamtsystems gegen
bei Horn (1980) und Gudehus (1990, 2001), Pech & Würger Geländebruch gewährleistet ist. Die möglichen Systeme einer
(2005), Franke (2009), Wietek (2011), Kolymbas (2011), Lang Hang- oder Böschungssicherung lassen die Kombination von
et al. (2011), Türke (2012), Möller (2007, 2013), Ziegler (2012) Abstützen über Reibung, Abstützen über Einspannung und
beschrieben. Die elektronische Erddruckberechnung kann mit Festhalten über Anker zu. Das Ausarbeiten eines Entwurfs und
Programmen, wie z. B. WinWand der Firma IDAT, erfolgen. der Nachweis der Standsicherheit erfolgt durch Bauingenieure,
Über Dateneingabe an vordefinierten Wandtypen, vordefinierten wobei mehrere Ausführungsmöglichkeiten gegenübergestellt
Geländeverläufen und beliebig vielen Schichten auf der aktiven werden können (Weißenbach 1975a, b, 1992, Pech & Würger
und passiven Wandseite kann der Erddruck für Schwergewichts- 2005, Wietek 2011, Türke 2012, Möller 2013).
mauern, Winkelstützmauern und Mauern mit Kragarm berech-
net werden.
Die Erddruckbeiwerte Kag,h und/oder Kpg,h werden mit die- 7.5.1 Stützmauern
sem Programm für jeden Einzelfall neu berechnet (das Benut-
zen von Erddrucktabellen entfällt!). Für das Berechnen der Erd- Stützmauern sind Mauern, die nach Formgebung und Abmes-
druckbeiwerte müssen vom Baugrund folgende Daten bekannt sung imstande sind, die Seitendruckkräfte aus Erddruck und
--
sein:
Reibungswinkel φ′,
Zusatzlasten in den Untergrund abzuleiten. Bei steilem Gelän-
deanschnitt ohne ausreichende Standfestigkeit der Böschung
-- Kohäsion c′,
Neigung der Wand α,
muss der Erdkörper durch ein statisch bemessenes Stützbauwerk
gehalten werden. Bei Stützmauern ergibt sich diese stützende
--Böschungswinkel β,
Wichte γ,
Kraft entweder aus dem Eigengewicht (Schwergewichtsmauer,
. Abb. 7.16) oder aus dem Eigengewicht und dem zusätzlichen
--
vertikale Auflast auf dem Gelände,
Wandreibungswinkel δa/δp (aktiv/passiv),
Schichthöhe h.
Gewicht eines Teiles der gestützten Erdmasse (z. B. Winkelstütz-
mauer, . Abb. 9.13) sowie der Reibung in der Aufstandsfläche.
Für das Berechnen von Stützmauern müssen folgende Kenngrö-
--
ßen bekannt sein:
Geländeschnitt und Schichtenfolge im Bereich der Mauer;
Höhe der Mauer;
334 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
--
Lage und Ansatz der einwirkenden Kräfte ergeben sich aus . Abb. 7.20
Für alle Stützmauern ist der Sicherheitsnachweis gegen Glei-
10 Neigungswinkel α für die Rückseite der Mauer; ten, Kippen und Geländebruch zu erbringen.
--
zz Gleitsicherheit von Stützbauwerken
11 der Mauer (Verkehr, Bebauung, Bäume); Dem Gleiten einer Stützmauer auf ihrer Sohle wirken die Rei-
Wichte des Bodens hinter der Mauer γ; bung zwischen dem Baugrund und der Bauwerkssohle sowie der
12 Winkel der inneren Reibung für den Boden hinter der passive Erdwiderstand an der Stirnfläche der Gründung entge-
Mauer φ (die Kohäsion wird für den Boden hinter der gen. Nach DIN EN 1997-1, Abschn. 6.5.3, ist die Sicherheit gegen
13
- Mauer nicht in Ansatz gebracht);
Quell- und Schwelldruck des Bodens hinter der Mauer
Gleiten nachzuweisen, wenn der resultierende Lastvektor schräg
auf die Sohlfläche eines Bauwerkes auftrifft. Überprüft wird dies
14
- (zusätzlich zum Erddruck);
Wasser- und Grundwasserverhältnisse (Fließdruck, beson-
über die Ungleichung
19
--
Gründungstiefe;
Raumverhältnisse für Aushub und Baugrube;
Rp,d ist der Bemessungsbeiwert des Erdwiderstandes neben
der Gründung.
20 --
Mauer an einer Abtragsböschung oder einer Aufschüttung;
Entwässerungsmaßnahmen;
0
Rp,d = Rp,k W R,e
--
Gestehungskosten und Materialbedarf;
Höhenstaffelung der Mauer;
0
mit R,e als Teilsicherheitsbeiwert für den Erdwiderstand (DIN
--
21 Fugenausbildung und Einteilung zwischen den Mauerteilen; EN 1997, Tab. A 13).
Ausbildung der Mauerkrone; Dabei soll der passive Erdwiderstand wegen der Gefahr
22 Profil und Gestaltung der Mauer (Verblendung, Sicht einer späteren Abgrabung außer Ansatz bleiben (. Abb. 7.17,
beton). . Tab. 7.9).
Die Gleitsicherheit kann durch Neigung der Sohlfläche,
23 Stellt sich hinter einer Stützmauer Wasserstau ein (z. B. infolge durch Aufteilen der Neigung in der Sohlfläche und durch Auf-
von Starkniederschlägen, Zulauf von Fremdwasser, Fehlen oder rauen in der Sohlfläche erhöht werden.
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
335 7
.. Abb. 7.17 a, b Mögliche Gleitfugen unter Fundamenten, c,d Erhöhen
der Gleitsicherheit durch geneigten Einbau und Aufteilen der Funda-
mentsohle. Lage und Ansatz der einwirkenden Kräfte ergeben sich aus
. Abb. 7.20
a b c d
.. Abb. 7.18 Beispiele für ungünstige Gleitkreise bei Stützbauwerken für den Nachweis der Standsicherheit gegen Geländebruch
Wird die Sohlfläche entsprechend . Abb. 7.17d in mehrere ungünstiger veränderlicher Gewichtskraft γQ,dst = 1,5. Berech-
geneigte Teilflächen aufgeteilt, so ist damit ein wesentlicher Mas- nungsbeispiele gibt Schanz (2012).
senunterschied in der Bearbeitung gewonnen. Für alle geneigten Der Baugrund unter Stützbauwerken muss gleichmäßig sein,
Sohlflächen ist zu prüfen, ob parallel zur Gründungssohle eine sodass ungleiche Setzungen vermieden werden. Kann dieser
Gleitgefahr besteht. Die Gleitsicherheit ist für eine horizontale Nachweis nicht erbracht werden, so ist eine andere Konstruk-
Gleitfuge durch den tiefsten Punkt des Fundamentes zu unter- tion zu wählen.
suchen.
zz Sicherheit gegen Geländebruch
zz Kippsicherheit von Stützbauwerken Für die Stützmauer und den abgestützten Erdkeil ist nach DIN 4084
Es ist der Nachweis zu erbringen, dass die resultierende Kraft (re- der Nachweis zu erbringen, dass auch für einen ungünstigen Gleit-
sultierendes Moment M) aus aktiver Erddruckkraft (Eah.k) und kreis ausreichende Geländebruchsicherheit besteht. Kann der
die Eigengewichtskraft aus Stützmauer und Fundament G nach Nachweis nicht erbracht werden, sind konstruktive Änderungen
DIN 1054, Bild A 6.2, innerhalb der ersten Kernweite auftrifft. Bei und/oder Zusatzmaßnahmen erforderlich (. Abb. 7.18).
zusätzlichen veränderlichen Lasten muss das Moment der ungüns-
tigsten Sohldruckresultierenden die Gründungssohle noch in der zz Zulässige Belastung des Untergrundes
2. Kernweite beanspruchen. Es muss der Nachweis erbracht wer- Das Bestimmen der zulässigen Belastung erfolgt über den
den, dass die nachstehende Ungleichung eingehalten ist (Schanz Grundbruchsicherheitsnachweis (DIN 4017) und das Berechnen
2013). der zu erwartenden Verformung (DIN 4019). Die Belastbarkeit
des Untergrundes wird in einfachen Fällen nach den Tab. A 6.1
Mdst Mstb bis A 6.8 der DIN 1054 bestimmt.
Mdst: Bemessungswert für destabilisierendes (ungünstiges) Moment einer Schwergewichtsmauern Schwergewichtsmauern stützen als mo-
Einwirkung. nolithischer Block die Böschung (. Abb. 7.19). Vergleichsweise
Mstb: B
emessungswert für stabilisierendes (günstiges) Moment einer Ein- zur Winkelstützmauer ist der Erdaushub gering, der Materialbe-
wirkung. darf hoch. Die Bodenpressung unter der Sohle der Mauer aus Ei-
gengewicht und abgestützter Erdlast ist gleichfalls hoch. Die Sohl-
Es sind die in Tab. A.1 der DIN EN 1997-1 aufgeführten Teil- spannung ist unter der Vorderkante des Mauerfußes am größten.
sicherheitsbeiwerte für ständige und veränderliche Einwirkun- Die Resultierende der Aktionskräfte (. Abb. 7.20) muss inner-
gen γ zu verwenden. Das sind bei günstiger ständiger Einwir- halb der Kernweite bleiben (DIN 1054). Unter Einwirkung des ak-
kung für die Gewichtskraft γG,stb = 0,9, bei ungünstiger ständiger tiven Erddruckes werden Schwergewichtsmauern leicht nach vorn
Einwirkung für die Gewichtskraft γG,dst = 1,1, bei günstiger ver- geneigt (1:2000 bis 1:5000), wodurch die eigentliche Stützwirkung
änderlicher Einwirkung für die Gewichtskraft γQ,st = 0 und bei erst wachgerufen wird. Bei senkrechter Vorderwand (Luftseite)
336 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
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12 .. Abb. 7.19 Querschnittsformen von Schwergewichtsmauern
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18 kann ein optischer Überkippungseffekt eintreten. Deshalb wird die Betonfertigteilen wurde von einem Betonfertigteilwerk für sein
Vorderseite zwischen 4:1 und 8:1 gegen den Hang geneigt. System als Markenname übernommen. Die Raumgitterwand
19 ist erdstatisch eine Schwergewichtsmauer. Es sind die Sicher-
Raumgitterkonstruktionen Die Urform der Raumgitterkonst- heitsnachweise gegen Kippen, Gleiten, Grundbruch und Gelän-
20 ruktion ist als Stützwand eine Holzkonstruktion mit der Be- debruch zu führen. Im Gegensatz zur Grundidee der Schwer-
zeichnung „Krainer Wand“. Als freistehende Mauer und als gewichtsmauer als monolithischem schwerem Block ist die
gegen den Hang gebaute Wehrmauer war diese Konstruktion Raumgitterkonstruktion in jeder Horizontalfuge verschiebbar.
21 schon in der Antike bekannt und wurde von Caesar als „Galli- Nachweise der Gleitsicherheit bzw. der Sicherheit gegen Bruch
sche Mauer“ beschrieben. Die Raumgitter werden aus Beton- der Fertigteilknoten und der Sicherheit gegen Kippen (Abheben
22 fertigteilen zusammengesetzt und mit Erd- oder Gesteinsma- der erdseitigen Fertigteile; Brandl 1992) müssen für jede Hori-
terial verfüllt. Die Luftseite der Raumgitterstützwände lässt zontalfuge erbracht werden. Eine Füllung der Zwischenräume
sich begrünen. Zu beachten ist das „Merkblatt für den Entwurf aus Beton oder lagenweise verdichtetem Bodenmaterial erhöht
23 und die Herstellung von Raumgitterwänden und -wällen“ (For- die Stabilität des Gesamtsystems. Günstig ist ein Verfüllmate-
schungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen 1985). Die rial mit hoher Proctordichte und großem Reibungswinkel. Das
Bezeichnung „Krainer Wand“ für ein bestimmtes System aus Verfüllen der Zwischenräume mit aus gärtnerischen Gründen
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
337 7
.. Abb. 7.21 Raumgitterstützmauer im steilen
Rutschhang mit mehrfacher Verankerung.
(Brandl 1979)
nicht verdichtetem Mutterboden oder Kompost ergibt ein nied- günstigen Gleitflächen, welche durch den rückwärtigen Fußpunkt
riges Gesamtgewicht und wirkt der Grundidee einer Schwer- der Mauer verlaufen, sind auch Gleitflächen zu untersuchen, die
gewichtsmauer entgegen (Wichter und Reinschütz 1988). Der die Raumgitterwand in beliebiger Höhe durchschneiden.
Einbau humosen Bodenmaterials sollte sich auf den luftseitigen Fertigteilmauern werden in der Regel über Fundamentplat-
Zellenbereich beschränken. ten frostsicher gegründet. Bei tiefgründig aufgelockertem Un-
Für den Nachweis der Geländebruchsicherheit und der Si- tergrund und in Rutschgebieten können Raumgitterstützmau-
cherheit gegen Durchscheren der Mauer wird die Raumgitter- ern auch über Bohrpfähle, Ortwände, Brunnen oder über durch
stützmauer als Verbundkörper mit fiktiver Wichte und einer Hochdruckvermörtelung (Jet Grouting) gefertigte Injektionskör-
Systemscherfestigkeit mit φw für die Reibung und cw für die Ko- per gegründet werden.
häsion aufgefasst. Raumgitterstützmauern werden bis über 20 m Höhe gebaut
(. Abb. 7.21). Da sie begrenzt Verformungen aufnehmen kön-
'w = kw .'B + '/ nen, eignen sich diese Konstruktionen auch im rutschgefähr-
deten steilen Gelände. Eine Verstärkung der Stützwirkung wird
φB = Reibungswinkel zwischen den Betonfertigteilen durch Verankern erzielt.
φ = Reibungswinkel des Füllmaterials Hierfür werden beim Herstellen der Wand einzelne Zellen
kw = Systemfaktor, abhängig von der Raumgitterkonstruktion, den Rei- bewehrt und ausbetoniert oder nachträglich injiziert. Bei ab-
bungsbeiwerten der Baustoffe und dem Verdichtungsgrad der Füllung; schnittsweisem Herstellen im steilen Hang sowie bei langge-
kw liegt allgemein in der Größenordnung 0,3–0,5 streckten Stützwänden mit möglichen Setzungsunterschieden
wird die Raumgitterkonstruktion mit vertikal verlaufenden
Die Scherfestigkeit der Raumgitterkonstruktion kann zusätzlich Fugen ausgebildet, wobei die Fugenabstände je nach Erfor-
durch die Scherfestigkeit bewehrter Knotenverbindungen erhöht dernis und System zwischen 5 und 30 m betragen. Auf die
werden. Die Sicherheitsberechnungen bei Geländebruch und/ Notwendigkeit der Ausbildung von Fugen muss das baugeo-
oder Durchscheren der Mauer erfolgen nach DIN 4084 mit dem logische Gutachten hinweisen. Zusätzlich zu den Angaben für
Lamellenverfahren oder einer lamellenfreien Methode. Neben un- das Berechnen von Stützmauern sind im Zuge baugeologischer
338 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
-
gitterstützmauern sind:
rasches, einfaches und witterungsunabhängiges Erstellen,
Stützwände sind Bauwerke, die als Ortwände aus Stahlbeton
im noch spannungsmäßig unveränderten Gesteinsverband vor
-
16 auch im unwegsamen Gelände; Abtrag der Erdmassen erstellt werden. Hierfür werden mit seil-
gute Anpassungsmöglichkeit an örtlich wechselnde Ge- geführten Greifern einzelne Bohrlöcher (Bohrpfahlwand) oder
17
- lände-, Erddruck- und Auflastverhältnisse;
Möglichkeit für Rückbau und Wiederverwendung der
Betonfertigteile im Falle notwendiger Verstärkung oder
durchgehende Schlitze (Schlitzwand) ausgehoben und nach
Armieren mit Beton (Ortbeton) verfüllt. Es sind platzsparende
Konstruktionen, die der Sicherung von Böschungen und Hängen
-
18 Verlegung der Mauer; dienen. Die Stützkraft nehmen die Stützwände aus dem Erdwi-
naturnaher Verbau mit möglicher Begrünung. derstand ihres im Fels oder Boden eingespannten Fußes. Hohe
19 Stützwände können zusätzlich verankert werden (. Abb. 7.26).
Zum Bau von Stützmauern aus übereinandergestapelten Fertig- Für das Verankern wird der Boden schichtweise bis zur Höhe
20 teilen wird eine größere Anzahl unterschiedlicher Systeme ange- der Ankeransatzpunkte abgetragen. Die Ankerbohrungen wer-
boten. Viele dieser Systeme reagieren empfindlich auf Setzungs- den von diesem Niveau aus vorgetrieben. Nach dem Einbau der
unterschiede (Wichter und Reinschütz 1988). Andere Systeme Anker erfolgt der Abtrag bis zum nächsttieferen Niveau. Sollte
21 sind gegen Verformen unempfindlich und können sogar größere eine solche Wand falsch bemessen sein und sich während des
Verschiebungsraten überstehen (Brandl 1979, 1980, 1987, 1992). Erdaushubes verformen, so ist schnellstmöglich das abgetragene
22 Gegengewicht wiederherzustellen und die Verankerung zu über-
Gabionen – Stützmauern aus Drahtgeflechtbehältern mit Füllung prüfen.
aus frostbeständigem Steinmaterial Gabionen (ital.) oder Schanz- Für das Planen von Ortwänden müssen folgende Kenngrö-
23 körbe bezeichnet in der Kriegs- und Belagerungstechnik des 16.
bis 19. Jahrhunderts Wälle aus mehreren Reihen nebeneinander
und übereinander gestapelter, erdverfüllter Körbe ohne Boden. -
ßen bekannt sein:
Geländeverlauf und geologischer Schnitt mit Angabe der
Tiefenlage von Fels und Hindernissen (Findlinge!);
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
339 7
.. Abb. 7.23 Stützmauern aus Draht-
schotterkörben. (System „Uher“, Traunstein)
-
für die verschiedenen Grundwasserstockwerke, Durchläs-
sigkeit der Boden- und Gesteinsschichten;
- Öffnungsweite);
Angaben über Hohlräume, offene Spalten oder stark
durchlässige Böden im Baugrund, die plötzliche Verluste an
-
möglicher Fließdruck, Quelldruck oder Schwelldruck des
Bodens oder Gesteins hinter der Wand;
Geländeverlauf und Nutzung (zusätzliche Belastung) ober-
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.. Abb. 7.25 Sicherung von Böschungen durch Steinkeile bei gleichzeitiger Entwässerung. Der Steinvorsatz bietet neben der Stützwirkung eine Sicherung
gegen das Einfrieren der Dränvorrichtung, soweit hier die Frosteindringtiefe beachtet wird. (Brandecker 1971)
13
wird die Suspension in die ausgehobenen Schlitze und Bohrlö-
14 cher eingebracht. Wasser im Schlitz oder Bohrloch wird durch die
Suspension mit höherer Dichte verdrängt. Als thixotrope Flüssig-
15 keit geht die Suspension in einen gallertartigen Zustand über und
wirkt dadurch stützend auf Schlitzwände oder Bohrlochwände.
Um Ausflocken und Sedimentation in der Suspension zu ver-
16 meiden, ist es erforderlich, dass das Wasser frei von Elektrolyten
ist und dass aus dem Boden bzw. Untergrund keine schädlichen
17 Substanzen austreten und von der Stützflüssigkeit aufgenommen
.. Abb. 7.26 a Elastisch eingespannte Ortwand, b verankerte Ortwand werden können (z. B. aus Mülldeponien, aus Salzlaugen oder aus
mit Wasserglas injizierten Böden).
18 Besondere Bedeutung haben aus Bentonit-Zement-Suspensio- Nach Fertigstellen des Schlitzes bzw. Bohrloches und nach
nen gefertigte Schlitzwände als Dichtwände zum Umschließen von Einbringen der Stützflüssigkeit kann die Bewehrung eingebaut
19 Deponien und Altlasten (▶ Abschn. 15.3.3, . Abb. 15.9 und 15.10). werden. Beim Einbringen des Betons wird die Stützflüssigkeit
Beim Aushub von Bohrlöchern und Schlitzen in nicht stand- verdrängt. Damit dieser Verdrängungsvorgang einwandfrei ver-
20 festem Baugrund kann das Abstützen der Erdwände durch stüt- läuft, dürfen Wichte und Fließgrenze der Stützflüssigkeit gewisse
zende Flüssigkeiten erfolgen. Hierzu wird vorzugsweise eine Maximalwerte nicht überschreiten (DIN 4126). Die Bentonit-
Suspension aus Bentonit und Wasser verwendet. Bentonite sind suspension bzw. Stützflüssigkeit kann mehrmals, im Falle einer
21 natürlich vorkommende Tone mit hohem Anteil an Montmoril- Regeneration sogar beliebig oft verwendet werden.
lonit. Diese hochquellfähigen Bentonite werden im Zuge einer Voraussetzung der Standsicherheit einer flüssigkeits-gestütz-
22 industriellen Aufbereitung mit Na-Ionen angereichert (aktiviert).
Als Pulver wird dieser Bentonit für das Herstellen der Suspen-
-
ten Wand ist:
der Stützdruck der Flüssigkeit muss größer sein als der
23 sion unter intensivem Rühren dem Anmachwasser zugegeben
(30–60 g l−1). In Abhängigkeit von Temperatur und Konzentration
quellen die Tonminerale in einer Zeit von 12–24 h auf. Danach - Erddruck einschließlich eines möglichen Wasserdruckes;
die Stützflüssigkeit muss einen möglichen Nachfall aus der
Wand verhindern.
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
341 7
Zum Berechnen der Stabilität der flüssigkeitsgestützten Erd- seitliche Abweichung ist eine Voraussetzung für die alter-
wände bestehen verschiedene Theorien und Rechenansätze (Lo- nierende Anordnung bei der überschnittenen Bohrpfahl-
renz und Walz 1982, Heinz 2007; DIN 4126). Grundlagen für das wand. Die im zweiten Arbeitsgang erstellten Bohrpfähle
-
Berechnen und Bewerten der Stützwirkung sind:
Geländeschnitt mit Bodenarten und Mächtigkeit der zu
-
werden bewehrt (. Abb. 7.27c–e). Es wird ein wasserdich-
ter Verbau erzielt.
- stützenden Erdwand;
Bebauung und Nutzung des Geländes neben der flüssig-
aufgelöste Bohrpfahlwand
Die Bohrpfähle werden im Abstand von 1–2 m erstellt
-- keitsgestützten Erdwand;
Wasser- und Grundwasserverhältnisse;
(a ≫ D). Die Zwischenräume werden im Zuge des luft-
seitigen Abgrabens entweder verbohlt oder ausbetoniert
-
terschieden:
Bohrpfahlwand mit Abstand a zwischen den Bohrpfählen
Zwischen den Bohrpfählen verbleibt ein Pfahlabstand von
5–10 cm und mehr. Die einzelnen Pfähle werden getrennt
Schlitzwände Zu den Schlitzwänden zählen Stützwände und
Dichtwände. Sie werden in vorab ausgehobene Schlitze einge-
stellt oder eingebaut. Das Ausheben und Abstützen des Schlitzes
belastet. Jeder Pfahl kann einzeln bewehrt werden. Eine sowie das Einbauen einzelner Schlitzwandelemente (Lamellen)
Verbindung zwischen den Pfählen kann durch einen be- erfolgt abschnittsweise. Übliche Einbaustärken liegen bei 60 cm,
- (. Abb. 7.27b).
überschnittene Bohrpfahlwand
Die Bohrpfähle werden in zwei Arbeitsgängen hergestellt.
Im ersten Schritt werden unbewehrte Pfähle in einer Reihe
Vorwiegend für den Zweck des Abdichtens (z. B. gegen Zustrom
von Deponiewässern) werden bis 100 m tiefe Schlitzwände ein-
gebaut. Die hierzu verwendeten Schlitzgreifer sind bis etwa 15 m
hoch und 2–3 m breit und geben mit diesen Abmessungen bei
mit Abständen a von meist etwa 75 % des Pfahldurch- großen Tiefen eine gewisse Garantie für Richtungskonstanz.
messers erstellt (vorlaufende Pfähle). Im zweiten Arbeits- Durch ständige Neigungsmessungen können Horizontalabwei-
gang wird zwischen diesen Pfählen eine zweite Pfahlreihe chungen korrigiert werden. Während der Aushubarbeiten wer-
abgebohrt (nachlaufende Pfähle), wobei rechts und links den die freigelegten Wände durch Stützflüssigkeit (z. B. Bento-
von den bestehenden Bohrpfählen ein Teil abgebohrt wird nitsuspension) stabilisiert. Nach Beendigung des Aushubs kann
(Meißelarbeit!). Der Pfahlabstand a ist kleiner als der für die jeweilige Lamelle die Bewehrung eingestellt werden.
Pfahldurchmesser D. Die Ausführung der Bohrungen ohne Nach DIN EN 1538 sind folgende Begriffe zu unterscheiden:
342 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
-
16
Ortbetonschlitzwände Es sind Dichtwände, bei denen in die selbsterhärtende
17 Es sind Stützwände aus bewehrtem oder unbewehrtem Be- Stützsuspension abdichtende Membranen oder Spund-
ton, die in einem im Baugrund ausgehobenen Schlitz herge- wände eingebaut werden.
stellt werden. Der flüssige Beton wird durch Unterschichten
-
18 der Stützflüssigkeit eingebaut (Kontraktorverfahren). Wände aus säulenförmigen Hochdruckinjektionskörpern Nach
Fertigteilschlitzwände dem in ▶ Abschn. 8.2.6 beschriebenen Hochdruckvermörte-
19 Es sind Stützwände aus vorgefertigten Betonplatten, die lungsverfahren lassen sich durch Überschneiden der Säulen trag-
in einen im Baugrund ausgehobenen Schlitz eingebaut fähige Säulenreihen, Wände und Blöcke erstellen. Das Verfahren
20 werden. Beim Absenken wird ein Teil der Stützflüssigkeit lässt sich in Böden und künstlichen Aufschüttungen anwenden.
21 - verdrängt.
bewehrte Einphasenschlitzwände
Es sind mit Stahlbauteilen bewehrte Stützwände, bei denen
der Beton als selbsterhärtende Stützsuspension aus Zement,
Die injizierten Säulen sind zwar nicht für die Aufnahme großer
Seitendruckkräfte geeignet, dennoch bietet das Hochdruckin-
jektionsverfahren (HDI-Verfahren) eine Alternative zu ande-
ren Stütz- und Sicherungsmaßnahmen in Rutschhängen, und
22 Bentonit, Ton, Flugasche und anderen Zusätzen eingebaut zwar besonders in feinkörnigen Böden, in deren Porenraum
23 - wird.
Tonbetonschlitzwände
Es sind Dichtwände aus hochplastischem Tonbeton, der im
die Injektionsstoffe bei herkömmlichen Zement- und Chemi-
kalieninjektionen nicht eindringen können. Beim Freilegen der
injizierten Wände können durch den Einbau von Ankern oder
des Wandfußes und teils durch die rückhaltenden Ankerkräfte im Süßwasser 0,01 mm. Spundwände können teils aus optischen
die Böschung stabilisieren. Über Erkenntnisse beim Herstellen Gründen, teils zur Aufnahme von Lasten (z. B. Kranlasten oder
von HDI-Dichtblöcken berichten Wolbring et al. (2000). Pollerzug bei Kaimauern) mit einem Stahlbetonholm abschließen.
Bei Schmalwänden werden Profilträger durch Vibration in
Spundwände Spundwandbauwerke sind ins Erdreich eingetrie- den Boden eingerüttelt. Während des anschließenden Ziehens
bene Flächenbauwerke aus rammbaren Stahlspundbohlen, selte- wird der freiwerdende Spalt mit Beton (oder Bentonitsuspen-
ner aus Holzbohlen oder Spannbetonbohlen. Diese werden mit- sion) verpresst. Die Injektionsdüsen befinden sich am unteren
hilfe angewalzter Schlösser oder über Nut- und Federführung zu Ende des Profilträgers. Verpresst wird horizontal in Richtung der
einer zusammenhängenden Wand verbunden. Die Entwicklung Längsachse der Schmalwand.
führte über hölzerne Bohlen zu den heute allgemein gebräuch- Beim Freilegen der Schmalwand kann diese verstärkt und
lichen stählernen Spundwänden verschiedener Profilausbildung durch Kombination mit einer Bodenvernagelung oder einer
(. Abb. 7.28). Sonderformen sind Stahlbeton- oder Spannbeton- Rückverankerung zu einer konstruktiven Böschungssicherung
bohlen. Spundwände dienen der Aufnahme waagerechter Erd- ausgebaut werden.
und Wasserdrücke. Die erforderliche Quersteifigkeit kann durch
zusätzliche Konstruktionsglieder wie Gurte und Holme sicherge-
stellt werden. Spundwände können durch Steifen aus Rundholz, 7.5.3 Anker und verankerte Konstruktionen
Stahlprofilen oder Stahlbeton gestützt werden. Hohe Spundwände
können durch Anker oder durch Stahlkabelverankerung gegen Anker bestehen aus Stahlzuggliedern (Ankerstangen), die in
Ankerwände oder Spezialankerkörper stabilisiert werden. Nach Bohrlöcher eingebaut und am erdseitigen Ende verkrallt, einge-
Verfüllen der Baugrube können die Spundbohlen wieder gezogen klemmt, verklebt oder verpresst werden. Am luftseitigen Ende
werden. Bei längerem Einsatz an einer Stelle besteht die Gefahr, (Ankerkopf) wird die Ankerstange mit einer Mutter über einer
dass sich zwischen Spundbohlen und Boden ein fester Verbund Ankerplatte, die der freien Oberfläche des Gebirges oder einem
einstellt und dass die Bohlen nicht wieder gezogen werden kön- vorbetonierten Ankerkopf aufliegt, befestigt und gespannt. Über
nen. Hierbei neigen feinkörnige Böden zum Verkleben. In Sanden die Ankerstange und den Verpresskörper/Spreizanker werden
und Kiesen können die Spundbohlen verkrusten. Zugkräfte in den Baugrund eingeleitet.
Die Anwendung und Ausführung von Spundwandkonstruk- Anker sind im etymologischen Sinne gekrümmte Haken, die
tionen ist in DIN EN 12063 geregelt. sich außerhalb des zu sichernden Gegenstandes im festen Unter-
Der Untergrund ist beim baugeologischen Erkunden beson- grund verkrallen. Nägel (etymologisch: Finger- und Fußnägel,
ders auf seine Rammfähigkeit und auf mögliche Beeinträchti- Krallen) verkrallen sich im zu sichernden Gegenstand.
gung beim Wiedergewinnen der Spundbohlen zu untersuchen. Nach dem aktuellen Regelwerk EN 1997 (EC 7) werden die
Auf mögliche Probleme wie Korrosion, Abrieb oder Überbe-
anspruchung durch Frosteinwirkung auf den Boden hinter der
--
bisherigen Erd- und Felsanker eingeteilt in:
Verpressanker nach EN 1537 (früher DIN 4125),
Spundwand ist hinzuweisen.
In nicht rammbarem Untergrund können Spundwände in
- vorgespannte Anker aus hochfesten Stählen fy ≥ 600 MPa,
Mikropfähle (Zugpfähle) nach DIN EN 14199 (früher
einen vorgefertigten Schlitz eingestellt werden. Je nach Felshärte
kann mit überschnittenen Bohrungen oder mit Meißel und
Schlitzgreifer gearbeitet werden.
Sollen Spundwände (. Abb. 7.28) auf Dauer zum Abstützen
- DIN 4128),
Kleinverpresspfähle, schlaff, ohne Vorspannung, mit Eigen-
schaften von Betonstählen nach EC 2, Tab. C 1.
freigelegter Wände verwendet werden, so müssen Spundbohlen Im Grundbau (Uferwände, Böschungssicherungen, Baugruben-
mit größerer statischer Reserve gegen Abrosten gewählt werden. umschließungen) und im Hohlraumbau (Bergbau, Tunnelbau)
Die jährliche Profilschwächung beträgt im Meerwasser 0,12 mm, werden die jeweiligen Wandkonstruktionen (Ausmauerung,
344 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
.. Abb. 7.29 Ausbildung und Bezeichnung von Ankern. a Mechanisch wir- zz Klebeanker
6 kender Anker, b,c Klebeanker. 1 Ankerstange, 2 Spreizhülse, 3 Klebepatrone, Klebeanker sind Anker, die entweder am Ankerfuß oder über
4 Ankerplatte, 5 Mutter die ganze Ankerlänge (schlaffe Anker) durch chemische Vor-
7 gänge mit dem Gebirge verbunden sind (. Abb. 7.29b, c). Es
Ausfachung, Stützwände, Verbauwände, Spritzbetonschalen) werden unterschiedliche Bausysteme verwendet (Betonhaftan-
aus dem anstehenden Baugrund (Boden oder Festgebirge bzw. ker, Perfo-Anker, Drahtbündel- und Seilanker, Anker mit
8 Fels) auf Druck belastet. Dieser Druck kann durch Ankerkräfte Kunststoffverguss, Anker mit Kunststoffpatronen für Endver-
aufgefangen werden, wobei die Verankerung im standfesten Bau- guss und Vollverguss). Soweit die Anker mit Zementmörtel
9 grund hinter der durch Abgraben freigelegten Fläche erfolgt. Bei verpresst werden, setzt das Stabilisieren im Gebirge in Abhän-
mit Ankern oder Nägeln gesicherten Wänden entfallen die die gigkeit von der Abbindezeit des Zementes mit einer kürzeren
10 Nutzung der Baugrube störenden Stützen und Ausfachungen. (Schnellbinder) oder auch deutlich verzögerten Wirkung ein.
Im Laufe der technischen Entwicklung haben sich unter dem Bei Haftankern mit Vorspannung wird der Ankerstab (Anker-
Begriff „Gebirgsanker“ Systeme durchgesetzt, die in Bohrlöchern zugglied) über eine durch die Patrone vorgegebene Haftstrecke
11 im eingebauten Zustand durch Aufnahme von Zugkräften oder im Bohrloch mit dem Gebirge verklebt. Belasten und Prüfen er-
von Zug- und Scherkräften Gebirgsteile miteinander verbinden folgen wie beim mechanisch wirkenden Anker. Beim schlaffen
12 oder Konstruktionsteile mit dem Gebirge verbinden. Im Berg- Anker wird der Ankerstab in voller Länge im Bohrloch mit dem
und Tunnelbau sollen Gebirgsanker im Sinne der NÖT (NATM) Gebirge vermörtelt. Ein Verspannen tritt erst im Zuge von Ge-
ausschließlich Auflockerung verhindern. Gebirgsanker gibt es birgsdeformationen auf. Klebeanker werden in gleicher Weise
13 für unterschiedliche Verwendungszwecke und in zahlreichen wie mechanisch wirkende Anker im Felsgestein, mit besonders
Ausführungen. Die wichtigsten Anker sind in DIN 21521 zu- häufiger Anwendung im Tunnelbau und Bergbau, eingesetzt.
14 sammengestellt. Nach der Art des Verbundelementes werden Folgende geologische und geomechanische Punkte sind zu
15
Gebirgsanker dort als Mörtelanker, Spreizanker und Reibrohr-
anker unterschieden. Verpressanker unterscheiden sich von an-
deren Gebirgsankertypen und von Verpresspfählen und Nägeln
dadurch, dass die aufzunehmende Kraft über einen Verpresskör-
-
beachten (Müller 1978):
Trennflächengefüge
Anker sind so zu setzen, dass sie dem Herauslösen von
Kluftkörpern aus der Tunnellaibung entgegenwirken. Dabei
16 per (Ankerfuß) mit festgelegten Abmessungen in den Baugrund dürfen die Anker nicht parallel zu den Kluftflächen gesetzt
eingeleitet wird. werden, sondern sollen mindestens 30° von deren Streich-
17 richtung abweichen. Dadurch wird verhindert, dass durch
Gebirgsanker Gebirgsanker werden vorwiegend im Bergbau und den Anker Kluftkörper aus der Laibung gezogen werden
Tunnelbau angewendet. Sie dienen zur Erhaltung der Verbands- (Korkenziehereffekt). Wenn Anker in Richtung eines gerin-
18 festigkeit im Gebirge. Im nachbrechenden Gebirge bzw. Fels die- gen Verbandwiderstandes eingebaut werden, sind entspre-
nen sie zur Sicherung gegen Steinfall. Auch können Gebirgsanker chend lange Anker zu wählen. Bei engständigen Klüften
-
19 zum Aufhängen von Lasten sowie zum Abfangen von Kräften können sich die Kluftkörper im Gesteinsverband verlagern.
eingebaut werden. Mörtelanker sind als Gebirgsanker entspre- Druck- und Scherfestigkeit des Gesteins
20 chend DIN 21521 einzubauen. An der Klemmvorrichtung des Ankers wird das Gestein auf
Druck- und Scherfestigkeit beansprucht. Wird diese Fes-
tigkeit überschritten, bricht das Gestein. Der Anker lockert
-
zz Mechanisch wirkende Spreiz- und Reibrohranker
21 Diese Ankerarten verkrallen sich im Bereich eines Spreizmecha- sich und wird wirkungslos.
nismus punktförmig im Bohrloch (. Abb. 7.29a). Hierzu zählen Härte, Zähigkeit und Sprödigkeit
22 Spreizhülsenanker, Gleitkeilanker, Schlitzkeilanker, Kreuzkeilan- Mechanisch wirkende Anker müssen sich im Gestein ver-
ker, Doppelkeilanker und Explosionsanker. Das Stabilisieren er- krallen können. Bei sehr harten Gesteinen bewähren sich
23 folgt sofort beim Vorspannen. Der Einsatz bleibt auf Felsgestein,
mit besonders häufiger Anwendung im Tunnelbau und Bergbau,
beschränkt. Das Gebirge wird im Bereich der Verankerung in seiner
Druckfestigkeit beansprucht (Größenordnung 10–30 N mm−2),
- chemische Anker (Mörtel- oder Klebeanker).
Kornverband, Korngefüge
Bei geringer Kornbindung lösen sich einzelne Körner an
der Bohrlochwand und führen zur Lockerung der me-
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
345 7
chanisch wie chemisch wirkenden Anker, besonders bei .. Abb. 7.30 Injektionsanker
-
(System „Ischebeck-Titan“). Das
Sandsteinen mit runden Körnern.
Ankerrohr dient als Bohr- und Injekti-
Bohrbarkeit onsrohr. Das Injektionsgut wird über
Es ist festzustellen, ob maßgerechte Bohrlöcher oder solche
-
das Führungsrohr in der verlore-
mit Überprofil erzielt werden. nen Kreuzbohrkrone in den Raum
Erweichbarkeit zwischen Ankerrohr und Bohrloch-
wandung verpresst. Nach Aushärten
Weicht beim Nassbohren die Bohrlochwand auf, so eignen
des Verpresskörpers wird der Anker
sich chemisch gebundene Anker nicht. Mechanisch wir- durch Anziehen einer Kugelbund-
kende Anker müssen sich hinter der aufgeweichten Schicht
-
mutter über Lastverteilerplatte und
festkrallen. Keilscheiben vorgespannt
kriechfähige Gesteine
Es werden weit spreizende mechanische Anker in Kombi-
nation mit den Vorteilen des chemisch wirkenden Ankers
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.. Abb. 7.31 Grenzkraft von Ankern in grobkörnigen Böden. (Nach Ostermayer 1991)
8
auszurichten. Die Anforderungen an den Baugrund erfordern für den Winkel der inneren Reibung φk oder φu kann der Tangens
9 Aussagen zur Art, Mächtigkeit und Festigkeit des Baugrundes, dieser Reibungsbeiwerte durch den Teilsicherheitsbeiwertes γφ
zur Klüftigkeit und Durchlässigkeit von Fels und zur Aggressi- oder γφu dividiert und in Bemessungswerte überführt werden
10 vität von Grundwasser und Baugrund gegen Stahl und Beton. (DIN 1054, 2.4.6.2).
In grobkörnigen Böden können die Scherkräfte aus der La-
gerungsdichte, Reibung und Auflast abgeschätzt werden. Hieraus tan 'd0 = tan 'k0 =' 0
11 kann auf die zu erwartenden Gebrauchslasten, welche in Anker-
zugversuchen zu prüfen sind, geschlossen werden. Die Teilsicherheitsbeiwerte für γφ sind in DIN 1054, Tabelle A
12 In feinkörnigen Böden ist Aufweichen des Bodens längs des 2.2, unter GEO-3 für die Bemessungssituationen BS-P und BS-T
Verpresskörpers zu befürchten. DIN 4125 (1990) Tab. 3 schreibt aufgeführt. Diese Teilsicherheitsbeiwerte γφ oder γφu haben die
bis 24 h Beobachtungszeit bei der Abnahmeprüfung vor. Nach Größenordnung 1.15 bis 1.25. (Der mit φ’d errechnete Bemes-
13 DIN SPEC 18537 (2012) beträgt die Beobachtungszeit in grob- sungswert der Ankerkraft Pd fällt kleiner aus als eine mit dem cha-
körnigen Böden und Fels 1 h, in bindigen Böden 3 h. Zum Erhö- rakteristischen Bodenkennwert φk errechenbare Ankerkraft P!)
14 hen der Ankerkraft kann der Ankerfuß im verdrängungsfähigen Die baurechtliche Freigabe einer Baumaßnahme „Verankern“
Boden durch mehrfache Injektion oder durch spezielle Schneide erfolgt mit dem in Ankerziehversuchen ermittelten charakteris-
15 vorrichtungen birnenförmig erweitert werden. tischen Wert für den anzusetzenden Herausziehwiderstand Rk.
Fels ist auf Klüftigkeit und Durchlässigkeit zu prüfen. Offene (Nach zurückgezogener Norm 4125 „Gebrauchskraft Fw“ , nach
Spalten können große Mengen Verpressmörtel aufnehmen. Hie- DIN EN 1537 „Festlegekraft P0“, . Abb. 7.35) Dieser Wert ist
16 rauf ist im Geotechnischen Bericht hinzuweisen. Zum genaueren durch Division mit dem in Tabelle A 2.3 der DIN 1054 unter
Erkunden können Wasserabpressversuche durchgeführt werden. GEO-2 für die Herausziehwiderstände der Bemessungssituatio-
17 Bei Verpressankern im Fels sind die Ankerkräfte von der Verbin- nen BS-P und BS-T aufgeführten Teilsicherheitsbeiwerten γa in
dung zwischen Verpresskörper und Fels abhängig, besonders von Bemessungswerte zu überführen. Diese Teilsicherheitsbeiwerte
Gesteinsbeschaffenheit, Verwitterungsgrad, mineralischer Bin- γa haben für Boden- bzw. Felsnägel die Größenordnung 1.3 bis
18 dung, Trennflächengefüge und Ausbildung der Bohrlochwand. In 1,4, für Verpressanker/Verpresskörper die Größenordnung 1,1.
feinkörnigen, wasserempfindlichen Gesteinen sind Quelldruck, (Der damit errechnete Bemessungswert des Herausziehwider-
19 verminderte Reibung und Auflockerung zu beachten. standes Ra,d fällt kleiner aus als ein mit dem charakteristischen
Die Ankerkraft von Verpressankern ist von der konstruktiven Herausziehwiderstand Rk errechenbarer Ziehwiderstand.)
20 Ausbildung, von der anstehenden Boden- oder Felsart und von Die Standsicherheit ist für einen belasteten Anker oder eine
der Art der Einbindung abhängig. Die von der Konstruktion vor- belastete verankerte Konstruktion gegeben, wenn der Bemes-
gegebene zulässige Ankerkraft war beim Verwenden als Kurzzeit- sungswert der Ankerkraft Pd kleiner als der Bemessungswert des
21 anker nach DIN 4125 (zurückgezogen) für Mehrstabanker auf Herausziehwiderstandes Ra,d ist. Nach DIN EN 1997, 8.5.1 muss
1,3 MN, für Einstabanker auf 0,7 MN begrenzt. Für Daueranker die Ungleichung für die Grenzzustandsbedingung erfüllt sein:
22 ist immer der Nachweis der Brauchbarkeit zu führen.
Der Bemessungswert der Ankerkraft Pd kann überschlägig Pd < Ra, d
aus der Mantelreibung (. Abb. 7.31, 7.32, 7.33 und . Tab. 7.10)
23 und aus Länge und Umfang des Verpresskörpers rechnerisch ab- Nach Erfahrungswerten kann für die über die Mantelfläche eines
geschätzt werden. Beim Berechnen mit gemessenen oder erfah- zylindrischen Verpresskörpers mit Durchmessern 100–150 mm
rungsmäßig geschätzten charakteristischen Bodenkennwerten und Längen zwischen 3 und 6, maximal 10 m in der Regel von
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
347 7
.. Abb. 7.32 Abhängigkeit zwischen
der Grenzkraft von Ankern und dem
Eindringwiderstand von Ramm-
sonden bei Sand und Kies. (Nach
Ostermayer 1991)
.. Abb. 7.33 Grenzwert der Mantelreibung bei Ankern in feinkörnigen Böden mit Nachverpressen (a) und ohne Nachverpressen (b) nach Ostermayer (1991).
I Ton- und Schluffmergel, fest (TL, TM, UM), II Ton und Schluff, mittelplastisch (TM, UM), halbfest und Ton und Schluff, leicht plastisch (TL, UL), halbfest; III Ton,
mittelplastisch (TM) und Ton, ausgeprägt plastisch (TA), halbfest; IV Ton ausgeprägt plastisch (TA), steif
folgender Größenordnung für die mögliche zulässige Ankerkraft Ostermayer (1991) aus den Diagrammen von . Abb. 7.31, 7.32,
--
ausgegangen werden:
im Fels: bis 4 MN;
7.33 und . Tab. 7.10 abgeschätzt werden. Die geforderten Sicher-
heitsbeiwerte liegen nach DIN 4125, Tab. 1 je nach Lastfall für den
1 .. Tab. 7.10 Werte für die Mantelreibung [MN m−2] zum Abschätzen der Gebrauchslast von Verpressankern im Fels. (Ostermayer 1991)
4 Unverwittert Sehr gute minerali- Größer 0,5 bis 1,0 m 1,5 1,0 0,7
sche Bindung
Stark verwittert Mäßige mineralische Im Zentimeterbereich 0,5 0,3 0,15 oder Werte für
6 Bindung feinkörnigen Boden
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-- die Grenzlast nimmt mit der Ungleichförmigkeit stark zu; nimmt die Mantelreibung ab, die Grenzlast nimmt
- -
die Grenzlast nimmt mit der Korngröße stark zu; unterproportional zu;
15 die Grenzlast nimmt mit der Länge des Verpresskörpers die Grenzlast kann durch Nachverpressen maßgeblich
unterproportional zu. Bei Längen über 6 m erfolgt nur gesteigert werden. Dies ist auf das Erhöhen der Man-
noch eine geringe Zunahme. Größere Verpresskörper telreibung und auf das Vergrößern des Verpresskörpers
16
-
sind nicht wirtschaftlich; zurückzuführen.
der Durchmesser des Verpresskörpers hat zwischen
17 100 und 150 mm keinen Einfluss auf die Grenzlast. Bei zz Verpressen der Anker
- ---
größeren Durchmessern nimmt die Mantelreibung ab; Vor dem Einbau des Ankerzuggliedes sind im Bereich der Kraft-
die Bodenüberlagerung ist ab 4 m vernachlässigbar. eintragslänge (Ankerfuß) Spalten und stark durchlässiger Unter-
18 feinkörnige Böden: grund abzudichten, um Verpressmörtelverluste zu beschränken.
die Grenzlast nimmt mit abnehmender Plastizität zu; Nach DIN EN 1537 ist das Bohrloch beim Vorverpressen auf
19
-
die Grenzlast nimmt mit zunehmender Konsistenz zu; Wasserdichtigkeit und auf das Absetzen von (dünnflüssigem)
die Grenzlast nimmt mit abnehmendem Wassergehalt zu Verpressmörtel bzw. das Absinken eines Verpressmörtelspiegels
20 (feinkörnige Böden können zur Erhöhung der Grenzlast zu prüfen. Das eigentliche Ankerverpressen soll unmittelbar
-
elektroosmotisch entwässert werden); nach dem Einbau des Zuggliedes erfolgen. Das Zugglied ist vorab
die Grenzlast nimmt bei Mantelreibungswerten unter vor Korrosion zu schützen.
21 100 kN m−2 proportional zur Länge des Verpresskörpers
zu. Bei Mantelreibungswerten über 100 kN m−2 nimmt zz Vorspannen der Anker
22 die Grenzlast unterproportional zur Länge des Verpress- Der Verpressanker ist auf die festgelegte Ankerkraft vorzuspan-
-
körpers zu; nen. Der Spannvorgang ist zu protokollieren.
die Grenzlast nimmt im Bereich zwischen 100 und
23 150 mm Durchmesser für den Verpresskörper mit zu- zz Prüfen der Anker
nehmender Vergrößerung der Oberfläche des Verpress- Auf jeder Baustelle sind für jede Boden- und Felsart an mehreren
körpers proportional zu. Bei größeren Durchmessern Ankern Ankerprüfungen durchzuführen. Unterschieden wird
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
349 7
.. Abb. 7.35 Kraft-Verschiebungslinie einer stu-
fenweisen Eignungsprüfung eines Ankers bis zum
1,33-fachen der rechnerischen Gebrauchskraft Fw nach
DIN 4125 bzw. der Festlegekraft P0 nach DIN EN 1537.
Nach jeder Maximalbelastung wird der Anker bis zum
Wert der Vorlast Fi entlastet. (Umgezeichnet nach
Firmenprospekt Ischebeck)
Ankerneigung : 30°
Ankerlänge : 12,70 m
Verpresskörperlänge : 6,00 m
10) Belastung auf 1,00* 308 = 308 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 13,76 mm
14) Belastung auf 0,50* 308 = 154 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 7,55 mm
15) Belastung auf 0,75* 308 = 231 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 10,92 mm
350 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
16) Belastung auf 1,00* 308 = 308 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 14,62 mm
2 17) Belastung auf 1,25* 308 = 385 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 21,89 mm
5 22) Belastung auf 0,50* 308 = 154 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 11,45 mm
23) Belastung auf 0,75* 308 = 231 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 15,08 mm
6 24) Belastung auf 1,00* 308 = 308 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 18,59 mm
25) Belastung auf 1,25* 308 = 385 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 22,90 mm
7 26) Belastung auf 1,33* 308 = 410 kN (nach 1 Min.) Verschiebung = 24,42 mm
16 zwischen Untersuchungsprüfungen bzw. Eignungsprüfungen Prüflast, das Kriechverhalten oder der Spannungsabfall bis zur
und Abnahmeprüfungen (DIN EN 1537). Prüflast und die gewählte freie Stahllänge zu bestätigen.
17 Untersuchungsprüfungen sind vor dem Einbau der Bauwerks Dabei werden die Anker mehrfach stufenweise bis zur 1,5-fa-
anker an extra hierfür eingerichteten Versuchsankern durchzu- chen Gebrauchslast belastet und die elastische und plastische
führen. Geprüft werden der Widerstand gegen Herausziehen des Verschiebung des Zuggliedes wird am Ankerkopf auf 0,01 mm
18 Verpresskörpers, das Kriechverhalten des Ankers bis zum Bruch, gemessen und aufgezeichnet (. Abb. 7.34 und 7.35, . Tab. 7.11).
die kritische Kriechlast, der Spannkraftabfall des Ankers bei der Im Zuge der Untersuchungs- und Eignungsprüfungen sind
-
19 Festlegekraft P0 (nach DIN 4125 rechnerische Gebrauchskraft Fw) weiterhin zu untersuchen:
und die gewählte freie Stahllänge des Zuggliedes Lapp. Verhalten von Ankern bei Schwellbelastung. Hierzu zählen
20 Entsprechend dem Untersuchungsergebnis wird ein speziel- die Fälle, bei denen der Anker durch wechselnde Lastfälle
ler Ankertyp für den Einbau ausgewählt. häufig oder regelmäßig be- und entlastet wird (Verkehr,
21
22
Die Eignungsprüfungen sind vor dem Einbau der Bauwerk-
sanker an extra hierfür eingerichteten Versuchsankern des für
den Einbau vorgesehenen Ankertyps durchzuführen. Die Eig-
nungsprüfung soll die Tragfähigkeit des Ankers bei der Prüflast
- Wind, Hochwasser, Tidenhub, Grundwasserschwankungen).
Verhalten von Ankern bei dynamischer Belastung. Die
Einwirkungen von Schwingungen auf die Tragfähigkeit von
Ankern ist bei dynamischer Belastung des Baugrundes zu
Pp (nach DIN 4125: maximale Prüfkraft Fp), das Kriechverhalten diskutieren (Verkehr, Maschinen, Rammarbeiten, Rüttel-
oder den Spannungsabfall bis zur Prüflast und die gewählte freie arbeiten, Sprengerschütterungen, Erdbeben). Eine Gefahr
23 Stahllänge bestätigen. kann bei solchen Böden bestehen, die zur Verflüssigung
Im Zuge der Bauarbeiten werden die Bauwerksanker ein- oder zur Kornumlagerung und Volumenminderung neigen,
gebaut. In der Abnahmeprüfung sind die Tragfähigkeit bei der d. h. bei wassergesättigten, gleichkörnigen Sanden und bei
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
351 7
.. Abb. 7.36 Futtermauern als Felsverkleidung. (a–c nach Müller 1963; d nach Brandecker 1971)
-
Bei Fels und überkonsolidiertem Ton sind keine Lockerun-
gen zu erwarten.
Einfluss des Ankerabstandes. Die gegenseitige Beeinflus-
sung der Anker reicht bis zu einem Abstand, welcher dem
- Felswand gehängt und verankert (. Abb. 7.37 und 7.38b);
Fußsicherung als verankerte Betonkonstruktion
(. Abb. 7.38d).
zehnfachen Durchmesser des Verpresskörpers entspricht. Die Sicherung steiler Böschungen im Boden kann, ähnlich wie
Bei kleineren Abständen nehmen die Kriechverformungen bei Fels, über verankerte Stützelemente oder Futtermauern, be-
zu und die Grenzlasten ab. Bei den üblichen Durchmessern wehrtem Spritzbeton, Pfahlwände und Schlitzwände erfolgen.
der Verpresskörper von 100–150 mm soll der Ankerab- Der Bodenabtrag erfolgt von oben nach unten, wobei jede Stufe
stand 1,5 m betragen. durch Anker gesichert wird (. Abb. 7.39).
Bei in feinkörnigen Böden eingespannten Ankern tritt im Laufe Standsicherheit verankerter Konstruktionen Mit dem Vorspan-
der Jahre ein Kraftabfall ein. Dies betrifft besonders wasseremp- nen der Anker wird hinter der verankerten Wand dem Unter-
findliche Tone mit einem Ic-Wert < 1. Dieser durch Kriechvor- grund eine Erddruckfigur aufgezwungen. Form und Größe die-
gänge eintretende Kraftabfall kann bei halbfesten bis festen Tonen ser Erddruckfigur hängen entscheidend von der Anordnung der
etwa 6 % und bei steifen bis halbfesten Tonen etwa 12 % betragen. Anker und der gewählten Vorspannung ab. Durch verschiedene
Anordnungen und Einbindetiefen der Anker kann fast jede
Verankerte Konstruktionen zur Sicherung von Felsböschungen Bei Erddruckfigur erzwungen werden. Die Länge der Anker rich-
Felsböschungen werden im Bereich von Schwächezonen Felssi- tet sich bei Böden nach dem Nachweis der Standsicherheit in
cherungen eingebaut. Zu den gebräuchlichsten Sicherungssys- der sogenannten tiefen Gleitfuge. Man geht davon aus, dass die
--
temen gehören:
verankerte Futtermauern und Stützpfeiler (. Abb. 7.36);
Anker zusammen mit dem umgebenden Erdreich nachgeben
und dass das Gesamtsystem versagt (. Abb. 7.40 und 7.41).
- (. Abb. 7.37);
Spritzbeton und bewehrter Spritzbeton in Kombination
mit Felsankern zum Verhindern von Auflockerungen
der Beziehung:
-
zulässige Ankerkraft
A = = 1;5:
(. Abb. 7.37); vorhandene Ankerkraft
Stahlbänder, Drahtnetze und Baustahlgitter als Zugele-
mente, über eine Böschungsschulter verspannt und veran- Den Einfluss der Ankervorspannung und wechselnder Un-
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19 struktion auch bei Abminderung des Reibungswinkels und der Für den Standsicherheitsnachweis von verankerten Wänden
Kohäsion um den Sicherheitsfaktor noch sicher ist. Beispiele für und Elementen sind folgende geologische und geotechnische
20 das Berechnen der Standsicherheit in der tiefen Gleitfuge geben
Goldscheider und Kolymbas (1980a, b).
-
Kenngrößen zu bestimmen:
Geländeschnitt mit Mächtigkeiten und Tiefenangaben für
21
Für die Ankerkonstruktion ist der Nachweis der Sicherheit
gegen Geländebruch zu führen (DIN 4084). Man geht dabei von
der Vorstellung aus, dass die Baugrubenwand durch die Anker -- die angetroffenen Gesteinsschichten und Bodenarten;
Geometrie des geplanten Bauwerkes;
Geländenutzung und Lasten oberhalb der verankerten
22
23
mit dem dahinter anstehenden Erdkeil zu einem monolithi-
schen Körper verbunden ist, der auf einer Gleitfläche abrutscht
(. Abb. 7.41). In feinkörnigen plastischen Böden treten bei hohen - Wand;
Scherparameter φ′, c′, φu, cu sowie Wichten für den feuch-
ten Boden γ und den Boden unter Auftrieb γ′ für jede
Baugrubenwänden horizontale Verschiebungen in der Größenord-
nung 0,05–0,1 % der Wandhöhe, besonders bei großer Wandlänge,
auf. Bei Sand und Kies sind die Verschiebungsbeträge geringer. - einzelne Bodenschicht;
Trennflächengefüge und Reibung in den Trennflächen bei
Felsgestein und Wichte für das Felsgestein;
7.5 • Konstruktive Böschungssicherung gegen Geländebruch
353 7
- wasserleiter;
Kluftabstände und wirksame Kluftweiten zum Berechnen
.. Abb. 7.39 Hangsicherung durch verankerte Futtermauern. a Eine im Boden eingebrachte Wand (Pfahlwand, Schlitzwand, Spundwand) wird verankert und
anschließend freigelegt und durch ein Vormauerwerk verstärkt, b der Boden wird abschnittsweise abgetragen, und vor die freigelegten Wandabschnitte wird eine
Art Futtermauer gestellt oder betoniert und durch Anker gesichert. Die Wand erhält eine abschließende Verkleidung. (Umgezeichnet nach Brandecker 1971)
354 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
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10 .. Abb. 7.41 Geländebruch bei einer verankerten Stützwand
12
7.5.4 Nägel, Vernagelungen und Mikropfähle
13 Nägel, etymologisch Finger- oder Fußnägel bzw. Krallen, verkral- .. Abb. 7.42 Beispiele für verankerte Wände in geschichtetem Boden mit
len sich im zu sichernden Gegenstand. In der Geotechnik sind richtiger und falscher Anordnung der Verpresskörper. (Ostermayer 1991)
14 Nägel auf Zug beanspruchbare stabförmige Bauelemente, die, in
den Baugrund eingetrieben, diesen oder dessen Teile zusammen- für das Bemessen von Bodenvernagelungen und DIN EN 14490
15 halten. Als Nägel werden Stahlstangen (Betonrippenstahl) mit für die Ausführung. Die Einsatzbedingungen und das Vorgehen
Durchmessern 20–30 mm eingebaut. Der Einbau erfolgt durch beim Ermitteln der Nagelkräfte werden für ältere Nagelsysteme
Einrammen, Einspülen, Einrütteln (Vibration) und häufig durch in einem Zulassungsbescheid (Institut für Bautechnik Berlin) für
16 Einstellen in Bohrlöcher mit anschließendem Verpressen des die einzelnen am Markt angebotenen Systeme geregelt.
Bohrloches in voller Länge. Bei Verpressnägeln bestehen bezüg- Wie Anker können Bodenvernagelungen für temporären
17 lich der Konstruktion Gleichheiten zu Verpresspfählen mit klei- und für permanenten Einsatz ausgeführt werden. Für den Dau-
nen Durchmessern (DIN EN 14199). Beim System „Ischebeck“ ereinsatz konzipierte Nägel sind vor Korrosion zu schützen. Die
werden Injektionsanker vom Typ „Titan“ mit verlorener Bohr- Nagelkraft errechnet sich aus dem Lastanteil einer Gleitkörper-
18 krone verwendet (. Abb. 7.43). untersuchung und dem Lastanteil aus dem Erddruck auf die Au-
Dem Vernageln liegt das Prinzip zugrunde, gewachsenen ßenhaut. Die Verbindung zwischen Nagel und Spritzbetonhaut
19 Boden mit zugfesten Einlagen zu stabilisieren und zu einem zu- kann über eine Kalottenplatte erfolgen (. Abb. 7.43). Beim Ver-
sammenhängenden Block zu vereinen. Durch die Nägel wird die nageln einzelner Blöcke ist darauf zu achten, dass die Nägel den
20 Scherfestigkeit und Schubfestigkeit des Baugrundes (Fels oder Schwerpunkt der Blöcke durchfahren. Die Kalottenplatte kann in
Boden) erhöht. Die Nägel sind dabei, im Gegensatz zu Ankern, solchen Fällen auf eine aufbetonierte Betonplatte montiert und
keine einzeln zu betrachtenden Bauglieder, sondern Bestandteile mit einer Kugelbundmutter befestigt werden (Nagelkopf).
21 eines vernagelten Boden- oder Felskörpers. Dieser vernagelte Bo- Nägel dürfen planmäßig keine Scherkräfte und Biegemo-
den- oder Felskörper erhält luftseitig eine bewehrte Spritzbeton- mente aufnehmen.
22 haut. Der entstandene Verbundkörper wirkt als monolithischer Bei Nagelwänden werden allgemein Nageldichten zwischen
Block wie eine Schwergewichtsmauer. Es bestehen Analogien 0,5 und 2,0 Nägeln pro m2 ausgeführt. Die Zulassungsbescheide
zu den Systemen des bewehrten Bodens („terre armée“; ▶ Ab- gehen von 1,5 m Abstand in horizontaler und vertikaler Rich-
23 schn. 9.3.2, . Abb. 9.14 und 9.15). tung aus. Abweichungen setzen das Führen eines räumlichen
Da es sich bei Nägeln nicht um einzeln wirkende und ein- Standsicherheitsnachweises voraus. Der Standsicherheitsnach-
zeln zu bemessende Bauteile handelt, besteht seit 2009 DIN 4084 weis eines vernagelten Bodenkörpers erfolgt für die äußere Sta-
7.6 • Verbau von Baugruben und Gräben
355 7
.. Abb. 7.43 Bodennagel nach dem bilität nach der Theorie eines monolithischen Stützkörpers, mit
System „Ischebeck-Titan“. Es werden
Nachweis der Geländebruchsicherheit nach DIN 4084 und der
in etwa die gleichen Bauteile wie
beim Injektionsanker (. Abb. 7.30) Gleitsicherheit (auch zwischen den Nagellagen) nach DIN 1054.
verwendet. Das Bohrrohr dient als Für die innere Stabilität erfolgt das Bemessen nach dem Ver-
Injektionsrohr und Nagel. Der Mörtel gleich von vorhandenem und erforderlichem Reibungswinkel.
wird über das Führungsrohr in der Zum Überprüfen der Nagelkräfte sind auf der Baustelle Aus-
verlorenen Kreuzbohrkrone in den
ziehversuche durchzuführen. Die Nagellänge ergibt sich aus
Ringraum zwischen Nagelrohr und
Bohrlochwand verpresst. Der Ver- dem Standsicherheitsnachweis. Im Regelfall entspricht sie dem
presskörper verfüllt den Ringraum in 0,5- bis 0,7fachen der Wandhöhe. Die Dicke der Spritzbeton-
voller Länge bis zum Bohrlochmund. haut wird für vorübergehende Sicherungen mit 8–15 cm, für
Der Nagelkopf ist mit Spritzbeton dauerhafte Sicherungen mit 15–25 cm ausgeführt. Nach der
abgedeckt. TITAN-Verpresspfähle
Literatur werden Nägeln axiale Kräfte von 50 bis über 100 kN
sind bauaufsichtlich zugelassen
(Z 34.14-209) zugewiesen; es ist allerdings zunehmend üblich, die aufnehm-
baren Kräfte auf den Meter Nagel zu beziehen. Der Einbau von
Nägeln oder Nagelreihen kann von einer schrittweise abgegra-
benen Arbeitsplattform (. Abb. 7.44), von einem der Wand vor-
gestelltem Gerüst oder auch von einer vor der Wand hängenden
Bühne erfolgen. . Abb. 7.45 gibt Beispiele für Nagelwände zur
Böschungssicherung.
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14 .. Abb. 7.45 Beispiele für Nagel-
wände zur Böschungssicherung
nach dem System „Bauer“, Schroben-
15 hausen
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Boden unterhalb der Grabensohle einbinden. Die senkrechten 7.6.2 Waagerechter Verbau
22 Bohlen werden durch waagerechte Gurt- und Rahmenhölzer
gefasst und durch Steifen an der Gegenseite abgestützt. Die Boh- Diese Verbauart wird bei Gräben ab 1,25 m Tiefe angewendet
len werden erst nach Verfüllen der Baugrube oder des Grabens (. Abb. 7.46c–e). Es werden hierbei Bohlen von 2,5–4,5 m Länge
23 gezogen. waagerecht eingebaut, durch senkrechte Brusthölzer gefasst und
über die Brusthölzer durch mindestens 2 Steifen an der Gegen-
wand abgestützt. Für dieses Verbauverfahren muss der Boden
7.6 • Verbau von Baugruben und Gräben
357 7
.. Abb. 7.46 a,b Verkleidete Baugrube mit senkrechtem Verbau, c,d verkleidete Baugrube mit waagerechtem Verbau, e einseitige Aussteifung einer abgegra-
benen Wand mit waagerechtem Verbau, f Berliner Verbau (Trägerbohlenwand), g mit eingelegten, verkeilten Bohlen, h mit vorgehängten, durchlaufenden
Bohlen, i Berliner Verbau in breiter Baugrube mit Versteifungspfosten in der Baugrubenmitte
358 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
so standfest sein, dass der frisch ausgehobene Graben über die Bei Feinsand, gleichkörnigem Mittelsand und bei fließfähigem
1 Länge der Bohle stehenbleibt. weichem Schluff besteht die Gefahr, dass Bodenmaterial zwi-
schen den Lücken herausfließt. Rundhölzer sind in diesem Fall
2 nicht geeignet. Der im Flansch verbleibende Hohlraum ist dann
7.6.3 Trägerbohlwände mit Holz oder anderen Materialen auszustopfen.
Neben der Ausfachung mit auf den Trägerabstand zuge-
3 Dieser Verbau besteht aus senkrechten Traggliedern (Bohlträ- schnittenen Bohlen gibt es die Möglichkeit des Vorhängens
gern) im Abstand von 1–3 m und einer waagerecht verlegten der Bohlen. Hierbei werden Bohlenlängen von 4–5 m Länge
4 Ausfachung. In der ursprünglichen Form handelt es sich um verwendet, welche auch bei abweichendem Trägerabstand wie-
gerammte Stahlträger (I-Träger). Zwischen diese werden hori- derverwendet werden können. Die Bohlen werden mit Zangen
5 zontal Holzbohlen eingebaut und festgekeilt. Diese beim Berliner (Schipplie-Eisen), einfachen Klammern, Stahlbügeln oder Ha-
U-Bahnbau um 1900 entwickelte Verbauart (Berliner Verbau, kenschrauben am I-Profil des Trägers befestigt. Das Vorhängen
. Abb. 7.46f–i) hat inzwischen eine Vielzahl an Abwandlungen der Bohlen ist eine sehr wirtschaftliche Lösung. Nachteilig ist,
-
6 erfahren. Als senkrechte Tragglieder werden verwendet: dass die Bohle nicht so fest gegen das Erdreich gedrückt wird
eingerammte Walzprofile (z. B. I-Profile und Eisenbahn- wie bei eingeschnittenen Bohlen. Durch die von den Klammern
7
-- schienen);
eingerüttelte Walzprofile;
bedingten Lücken zwischen den Bohlen kann bei fließ- oder rie-
selfähigem Boden (Faulschlamm, breiige feinkörnige Bodenar-
8
9
-- in vorgebohrte Löcher eingestellte Walzprofile;
Bohrpfähle aus Stahlbeton mit seitlichen Schlitzen;
Bohrpfähle mit verlorenem Mantelrohr.
ten, Feinsand) Bodenmaterial in die Baugrube eindringen. Die
Verbauart ist dann nicht geeignet!
Zum Aussteifen werden in Gräben und Baugruben bei Brei-
ten bis etwa 10 m zwischen die gegenüberliegenden Bohlträger
Die Entscheidung, ob ein Profil eingerammt oder in ein Bohr- Rundholzsteifen, bei Breiten bis etwa 15 m Stahlsteifen einge-
10 loch eingestellt wird, ist abhängig von der Rammfähigkeit des Bo- baut. Daneben besteht die Möglichkeit, die Rammträger abzu-
dens, der Empfindlichkeit der Nachbarbebauung gegen Ramm stützen (. Abb. 7.46e) oder erdseitig zu verankern.
erschütterung und dem zulässigen Lärmpegel. Der verbleibende
11 Raum zwischen Bohrlochwand und Träger wird mit Magerbeton,
Kalkmörtel, Sand oder Boden ausgefüllt. Das verdichtete Material 7.6.4 Moderner Grabenverbau
12 muss auch nach dem Zutritt von Wasser standfest bleiben und
darf beim Freilegen im Zuge der Aushubarbeiten nicht ausfließen. Der Grabenverbau kennt als herkömmliche, aber noch immer
Wenn über den Verbau Vertikalkräfte in den Boden einge- häufig angewendete Technik das Herstellen eines Grabens über
13 tragen werden sollen, dann muss die Einbindetiefe unterhalb der eine größere Länge. Als unübertreffbarer Vorteil zeigt sich dabei
Baugrubensohle mindestens 1,5 m betragen (Empfehlung EB 9, die Überschaubarkeit der Abläufe Erdaushub, Verbauen, Ver-
14 Arbeitskreis Baugruben). Um die Vertikalkräfte in den Unter- legen von Rohrleitungen, Wiederverfüllen und Verdichten bei
15 --
grund abzutragen, sind die Bohlträger
entsprechend tief einzurammen,
gleichzeitigem Rückbau bzw. Ziehen der Verbaueinheiten. Bei
ausreichendem Platz und wenig tiefen Gräben in standfesten
.. Abb. 7.47 Bauelemente für Kammerplattenverbau, Plattenverbau und Gleitschienenverbau nach dem Baukastensystem. (Krupp Bautechnik, Walter 1993)
Der Einbau richtet sich nach der Standfestigkeit des Baugrun- Die Einsatzmöglichkeit des Gleitschienenverbaus wird durch
des. Bei vorübergehend standfestem Baugrund wird die fertig den vom Hersteller angegebenen zulässigen Erddruck von ma-
montierte, großflächige Verbaueinheit in den vorgeschachteten ximal 23 kN m−2 begrenzt. Dieser Erddruck ist abhängig von
Graben eingestellt. In weniger standfesten Böden erfolgt der der Tiefe des Grabens und von der anstehenden Bodenart mit
Einbau im Absenkverfahren gleichzeitig zum Aushub, wobei die den Kennwerten für das Raumgewicht des anstehenden Bodens
Verbaueinheit über Druckhauben in den entstehenden Graben γ [kN m−3], den Winkel der inneren Reibung φ und die Kohä-
eingedrückt wird. Der Rückbau wird Zug um Zug mit lagenwei- sion c [kN m−2].
sem Verfüllen vorgenommen. Dabei lässt sich die Verbauein- Dabei besteht eine Abhängigkeit vom Wassergehalt. Im rei-
heit als Ganzes ziehen oder je nach Erfordernis in Verbaustufen nen Sandboden liegt die Einsatzmöglichkeit für Gleitschienen-
zerlegen. Der Plattenverbau ist für Grabentiefen von 4–6 m im verbau bei maximal 4 m.
vorübergehend standfesten und nicht wasserführenden Bau- Bei weichen, nicht standfesten, feinkörnigen Böden tritt ein
grund geeignet. höherer Erddruck auf als bei grobkörnigen Böden. Der Erddruck
verringert sich, wenn im Boden eine vom Wassergehalt unab-
zz Gleitschienenverbau hängige Kohäsion vorhanden ist, also wenn der Boden teilweise
Die Bausteine des Gleitschienenverbaus „Gigant“ sind Gleitschi- standfest ist. Die Einsatzmöglichkeit für den Gleitschienenverbau
enen, Schneidenplatten, Verbauplatten, Aufsatzplatten und Füh- liegt bei 3–3,5 m, wobei durch Abschieben von Erdmassen auch
rungsrollen (. Abb. 7.47). leicht 4 m erreicht werden können.
Die Gleitschienen werden zu Beginn in den Boden einge- Beim Ziehen der Verbauplatten sind hohe Zugkräfte erfor-
drückt. Die Verbauplatten mit der Schneidenplatte als unterster derlich. Für einen 4 m tiefen Graben im Sand berechnen sich
Verbaueinheit sind miteinander fest verbunden. Jede Seite des die erforderlichen Zugkräfte je nach Annahme für die Reibung
Verbaus wird einzeln eingeführt und stufenweise mit dem fort- zwischen Stahl und Sand zu etwa 5,5–9,5 t, was ein üblicher Bag-
schreitenden Aushub abgesenkt. Beim Rückbau werden die beiden ger noch zu heben vermag. Der von Krupp-Bautechnik für den
Platten abwechselnd stufenweise gezogen. Der zulässige Erddruck Gleitschienenverbau angegebene zulässige Erddruck von maxi-
beträgt maximal 23 kN m−2. Ein weiteres einengendes Einsatzkri- mal 23 kN m−2 liegt im Sandboden bei 3,6–3,8 m, berechnet als
terium ist die hohe Mantelreibung beim Ziehen, wofür ein ent- Ordinate eah des Erddruckspannungsbildes.
sprechend starkes Hubgerät bzw. ein Bagger erforderlich ist. Bei Lehm-, Schluff- und Tonböden sind höhere Zugkräfte
Der Gleitschienenverbau eignet sich vor allem für grobkör- erforderlich. Bei ungünstigen Wassergehalten stellen sich hohe
nige Böden. Klebkräfte durch Adhäsion und Kohäsion ein und die Platten
360 Kapitel 7 • Standfestigkeit, Sicherung und Verbau von Ein- und Anschnitten im Gelände
1
2
3
4
5
6 .. Abb. 7.48 Arbeitsschritte beim Dielen-Kammerplatten-Verbau. a Einbau der Kammerplatten in den Voraushub, b Einstellen und Eindrücken, Einvibrieren
oder Einrammen der Kanaldielen, c fertiger Kammerplattenverbau, d Rückbau der Kanaldielen nach Verfüllen und Verdichten, Ziehen mit Vibrator. (Krupp
7 Bautechnik, Walter 1993)
19
20
21
22
23
361 8
8.1 Gründungsvorbereitende Arbeiten das Herstellen standfester Bauwerke gewährleisten (Flügge und
1 auf tragfähigem Untergrund Wick 2000, FGSV 2010 Merkblatt über Straßenbau auf wenig
tragfähigem Untergrund). Die Bauwerkslasten können entwe-
2 Gründungen sind bautechnische Maßnahmen, die einem Bau- der als Tiefgründung auf tiefer liegende, tragfähige Schichten
werk eine standfeste Unterlage geben. In der Regel wird hierzu übertragen werden, oder die Tragfähigkeit des nicht tragfähigen
unter geplanten Bauwerken das Erdreich bis auf die Sohle der Untergrundes ist durch gründungsvorbereitende Arbeiten (Bau-
3 Baugrube abgegraben. Die auf vorgeschriebene Höhe und Nei- grundverbesserung) zu erhöhen. Baugrundverbesserung kann
gung eingeebnete Oberfläche des anstehenden oder gegebenen- durch Entwässern des Untergrundes, Verdichten des Untergrun-
4 falls verbesserten Bodens oder Festgesteins unter der geplanten des, Einarbeiten von Grobkorn in den Untergrund, Bodenaus-
Dammsohle oder unter dem geplanten Oberbau von Verkehrs- tausch im Untergrund und Bodenverfestigung im Untergrund
5 wegen heißt Erdplanum bzw. Felsplanum. Der unter dem Erd- erreicht werden. Die geringe Tragfähigkeit weicher Schichten im
oder Felsplanum anstehende Boden bzw. Fels wird als Unter- Untergrund kann auch durch das Verwenden von Leichtbaustof-
grund oder Baugrund bezeichnet. fen beim Schütten des Dammes genutzt werden. Bei den Erdar-
6 Flächenfundamente (Flächengründungen) für Hochbau- beiten für Verkehrsbauten ist das „Merkblatt über Straßenbau auf
werke binden in den Baugrund ein oder liegen diesem auf. Die wenig tragfähigem Untergrund“ zu beachten.
7 Anforderungen an den Baugrund für Belastungen unter Flä- Nicht tragfähiger Boden kann aus allen Bodenarten be-
chenfundamenten sind in DIN EN 1997 und DIN 1054 geregelt stehen. Beispiele für nicht tragfähige Böden sind Moorgebiete
(▶ Abschn. 11.3 und 11.4). Die Schutzanforderungen an Grün- (Torf), feinkörnige und organische Ablagerungen in Seen (Faul-
8 dungen verlangen Sicherheit vor Frostschäden, Erosion, Grund- schlamm, Mudde, Seekreide, Seeton), Ablagerungen von Flüs-
bruch, Gleiten, Auftrieb, Verschieben und schädlichen Setzun- sen (Auelehm) und in Küstengebieten (Wattsand, Schlicksand,
9 gen. Baugruben sind im Hinblick auf die genannten Gefahren Schlick, Klei, Darg) und künstliche Ablagerungen in Halden,
vom Geotechniker zu prüfen. Kippen und Deponien. Geringe Lagerungsdichte, hoher Was-
10 Für Gründungen sind stets mehrere Varianten im Hinblick sergehalt, hohe Anteile an organischer Substanz und ungünstiger
auf Praktikabilität und Kosten zu prüfen. Bei nicht ausreichend Schichtaufbau im Untergrund sind häufige Befunde.
tragfähigem Untergrund bestehen die Möglichkeiten, die Grün-
11 dungen konstruktiv den Gegebenheiten des Untergrundes anzu- zz Nutzen der geringen Tragfähigkeit im Untergrund
passen oder den Untergrund durch Erdbaumaßnahmen in einen für den Straßenbau
12 ausreichend tragfähigen Baugrund zu überführen. Die geringe Tragfähigkeit weicher Schichten im Untergrund
Erdbauwerke können bei ausreichend tragfähigem Untergrund kann durch das Verwenden leichter Baustoffe beim Schütten des
direkt über der Aushubsohle aufgetragen werden. Die Anforderun- Dammes genutzt werden. Als leichte Baustoffe bieten sich aufge-
13 gen an den Unterbau von Erdbauwerken sind in den „Zusätzlichen blähte irdene Stoffe (Blähton, Bims, vulkanische Schlacken) und
Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten auch aufgeblähte Rückstandsstoffe und Industrieschlacken, so-
14 im Straßenbau“ (ZTV E-StB 09) festgelegt (. Abb. 12.4). weit umweltverträglich, an. Die Schüttdichte von Sand und Kies
Die Anforderungen an den Unterbau für Bahnkörper der liegt bei 1,7 bis > 2 t m−3, von Blähton bei 0,25 bis 0,4 t m−3. Als
15 Deutschen Bahn sind in „Ril 836 – Erdbauwerke der DB Netz weiterer Leichtbaustoff wird Hartschaumstoff aus expandiertem
AG, Module 836.0501 und 836.0502 (Ertüchtigung des Unter- Polystyrol genannt („Merkblatt über die Verwendung von EPS-
grundes)“ festgelegt (. Abb. 12.5). Hartschaumstoff beim Bau von Straßendämmen“ und „Merkblatt
16 Demnach muss bei Einschnitten bis zu einer Tiefe von 0,5 m über die Verwendung von Blähton als Leichtbaustoff im Unter-
unter Planum ein ausreichender Verdichtungsgrad des Bodens bau von Straßen“). Der Dammkörper aus Leichtbaustoff kann
17 nachgewiesen werden. Nicht ausreichend dichter Untergrund entweder direkt auf die Oberfläche des weichen Untergrundes
muss verdichtet werden. Böden mit ungünstigen Verdichtungsei- oder bei teilweisem Bodenaustausch über eine im Untergrund
genschaften können durch Abtrocknen, Veränderung des Korn- verbliebene Restschicht des wenig tragfähigen Bodens eingebaut
18 aufbaus und durch Zugabe von Chemikalien und/oder hydrauli- oder geschüttet werden. Als Trennschicht zwischen Untergrund
schen Bindemitteln in ihren Verdichtungseigenschaften verbessert und Schüttung können Vliesstoffe, Gewebe und auch Geogitter
19 werden. Durch eine abgestimmte Zugabe von Bindemitteln kann flächenhaft eingebaut werden. Zu beachten sind die „Technischen
der Boden verfestigt und seine Widerstandsfähigkeit gegen Bean- Lieferbedingungen für Geokunststoffe im Erdbau des Straßen-
20 spruchung durch Verkehr und Klima dauerhaft erhöht werden. baus“ (TL Geok E-StB) und das „Merkblatt über die Anwendung
Beim Bau von Verkehrswegen ist der Untergrund in seinen von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus“ (M Geok E).
Tragfähigkeitseigenschaften diesen in den Richtlinien genannten
21 Anforderungen anzupassen.
8.2.1 Baugrundverbesserung
22 durch Entwässern
8.2 Gründungsvorbereitende Arbeiten
auf wenig tragfähigem Untergrund Das Entwässern des Untergrundes kann durch Absenken des
23 Grundwassers (▶ Kap. 6) oder durch Wasserverdrängen gesche-
Erdbau und Grundbau auf wenig tragfähigem und/oder wei- hen. Unter Erdbauwerken (Dämme, Deiche) kann tiefgründiger
chem Untergrund verlangen nach besonderen Bauweisen, die weicher Boden über Vertikaldräns entwässert werden. Die auf-
8.2 • Gründungsvorbereitende Arbeiten auf wenig tragfähigem Untergrund
363 8
gebrachte Dammlast bewirkt im Untergrund einen Bodenwas- (. Abb. 9.2 und 9.3) zu achten. Der Einbau von Bewehrungsmat-
serüberdruck, welcher zum Entwässern mit Wasseraufstieg im ten (Stahlgewebematten, Stahlbänder, Drahtgeflechte, Kunststoff-
Vertikaldrän genutzt wird. Die Vertikaldräns werden unter und gitter) oder Geotextilmatten (Vliesstoffe, Gewebe, Verbundstoffe)
neben dem Damm eingebaut. Dabei muss gewährleistet werden, als Trennschicht zwischen Untergrund und Dammschüttmaterial
dass die Dammlast auch außerhalb des Dammfußes über einen und als Zugelement in dem zu schüttenden Erdkörper verringert
gleichmäßig entwässerten Bereich, welcher von der Druckzwie- die Gefahren für Böschungs- und Geländebruch.
bel des Dammes erfasst wird, abgetragen wird. Beschleunigtes Oft ist es günstig, die Vorbelastung mit einer Tiefenentwäs-
Entwässern und Setzen ist möglich, wenn der Rasterabstand der serung über Vertikaldräns zu verbinden. Die Dauer der Vor-
Vertikaldräns erheblich kleiner als die Moortiefe gewählt wird. belastung und der Zeitpunkt ihres Rückbaus ergeben sich aus
Um das Abfließen aus der Dränage zu gewährleisten, ist auf der Setzungsmessungen an Grundpegeln, aus Porenwasserdruck-
Oberfläche des Moores eine Schüttung aus grobkörnigem Boden messungen und aus vergleichenden Nivellements. Die Vorbe-
von mindestens 0,5 m aufzubringen. Das Schütten eines Dammes lastung soll so lange andauern, bis sich mindestens 80 % der zu
darf nur so rasch erfolgen, dass ein ausreichendes Entwässern erwartenden Setzungen eingestellt haben.
möglich ist und ein Grundbruch vermieden wird. Das Verfahren eignet sich nicht bei Haldenmaterial aus ver-
-
mit dem Tiefenrüttler
mit Sand aufgefüllt. Der Tiefenrüttler ist ein schlankes zylindrisches Gerät, das
vorgefertigte Sanddräns Schwingungen quer zu seiner Längsachse erzeugt und auf den
Der Sand wird in Gewebeschläuche mit 6,5 cm Durch- Boden überträgt. Der Boden weicht seitlich aus, der Rüttler
messer und bis 30 m Länge abgefüllt und in Bohrlöcher sinkt im Boden ein. Er hängt seilgeführt an einem Traggerät mit
- 1–2,5 m.
Streifendräns
Es werden Flachprofildräns aus Plastikstreifen oder reiß-
feste Dochtdrähte aus Polyestervlies (4 mm stark, 30 cm
den eingesetzt werden. Bei steinigem Material mit Stückgrößen
über 10 cm, wie bei stein- und blockhaltigem Hangschutt, bei
Halden- und Schlackenmaterial und bei stark aufgelockertem
Felsgestein, ist Probeverdichten zu empfehlen.
breit) bis 30 cm tief in den Boden eingezogen. Beim Rüttelvorgang wird die Reibung zwischen den Körnern
aufgehoben, die Bodenteile werden unter dem zusätzlichen Ein-
fluss der Schwerkraft umgelagert und verdichtet. An der Gelän-
8.2.2 Baugrundverbesserung deoberfläche bildet sich eine trichterförmige Setzungsmulde,
durch tiefgründiges Verdichten welche mit örtlich anstehendem grobkörnigem Bodenmaterial
oder mit Kies bzw. Schotter aufgefüllt wird. Um die scheinbare
Ein locker gelagerter, verdichtungsfähiger Boden kann in einem Kohäsion der zu verdichtenden Böden aufzuheben, wird dem
freigelegten Planum nach den in ▶ Abschn. 8.3 beschriebenen Bodenmaterial beim Verdichten Wasser oder Luft zugeführt.
Methoden verdichtet werden. Die Verdichtungswirkung reicht Wichtig ist, dass der Rüttler mit dem Bodenmaterial Kontakt
jedoch nur 30–70 cm tief. hat. Nötigenfalls wird in den Ringraum zwischen Rüttler und
Tiefgründiger Boden kann in situ durch statische Auflast anstehendem Boden Sand oder Kies eingefüllt (. Abb. 8.1b).
oder durch dynamisches Einwirken (Tiefenrüttler, dynamisches
Intensivverdichten mit der Fallplatte, Stoßverdichten durch Ex- zz Dynamisches Intensivverdichten
plosionswelle) bis in größere Tiefe verdichtet werden. Bei diesem von Ménard entwickelten Verfahren lässt man eine
Masse von 6–20 t aus einer Höhe bis zu 20 m auf den Boden
zz Verdichten durch Vorbelasten fallen (im Extrem bis 40 t bei ca. 40 m Fallhöhe). Damit wird
Auf locker gelagertem Untergrund kann Dammschüttmaterial sowohl bei grobkörnigen wie auch bei feinkörnigen Böden eine
oder Erdaushubmaterial als gleichmäßig verteilte Oberflächen- große Tiefenwirkung erreicht. Durch die wiederholte, schockar-
last aufgetragen werden. Es werden vorübergehend höhere Las- tige Einwirkung dieser Impulse in kurzen Abständen wird der
ten aufgetragen, als später vom geplanten Bauwerk ausgehen. Boden verflüssigt und das Porenwasser abgedrängt. Der Boden
Unter der statischen Last wird der Boden im Untergrund zu- wird zusammengedrückt, wobei der Porenwasserdruck im Boden
sammengedrückt. vorübergehend ansteigt. Die Anzahl der notwendigen Übergänge
Das Verfahren eignet sich bei grob- und feinkörnigen Böden hängt von der Bodenart und der gewünschten Lagerungsdichte
sowie bei organischen Böden. Die Überhöhung soll bei Dämmen ab.
20–50 % der geplanten Dammhöhe betragen. Dabei ist auf Si- Zur Kontrolle der erreichten Verdichtung eignen sich
cherheit gegen Grundbruch, Böschungsbruch und Geländebruch Ramm- und Drucksondierungen. Der Porenwasserdruck kann
364 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
zul = 10 fu Fs
zz Bodenaustausch im Spülverfahren
1 Beim Spülverfahren werden sowohl die unbrauchbaren Massen
(Moor, Torf, Klei, Schlick) als auch die spülfähigen Ersatzmassen
2 für den Einbau (enggestufte Sande) in einem Rohrleitungssystem
transportiert. Der Sand wird spülend eingebaut. Das Lösen der
Erdmassen erfolgt durch eine Schneidkopfeinrichtung (Torf)
3 oder eine Grundsaugeinrichtung (Sand). Das Boden-Wasser-
Gemisch wird von einer Pumpe angesaugt und durch die Spül-
4 rohrleitung zur Einbaustelle oder Ablagerungsfläche (Deponie)
transportiert (Hirschberger 1987). Voraussetzungen und Grenz-
5
--
werte für das Spülverfahren sind:
hoher Grundwasserstand;
6
-- geeignete Bodenart (Torf, Schlick, Sand);
große Massen (mindestens 200.000 m3);
8 - maximale Austauschtiefe 15 m;
große Ablagerungsflächen (1 m2 Deponiefläche für 1,5 m3
unbrauchbare Massen).
zz Kleinsprengverfahren
Hierbei wird der Damm in Teilen seitlich oder vor Kopf etwa
3–5 m hoch aufgeschüttet und sofort anschließend durch eine
Kleinsprengung in die gewünschte Form gebracht. Das Torfma-
terial wird dabei vor der Schüttung hergeschoben und kann sich
verfestigen. Um das zu vermeiden, wird es durch Entlastungs-
sprengungen und Druckwasser aufgelockert und verflüssigt, oder
die verfestigten Teile werden mit dem Bagger ausgehoben.
Der Vorgang von Dammaufschütten und Sprengen wieder-
holt sich fortlaufend. Es können erfahrungsgemäß täglich bis
2000 m3 Sand geschüttet werden. Beim Sprengen werden eine
Reihe Hauptminen mit 10–40 kg und eine Reihe Vorfeldminen
mit 5–20 kg und Vorgabe von einer Sekunde zur Detonation ge-
.. Abb. 8.4 Phasen der Dammerstellung beim Moor-Großsprengverfah- bracht. Zur Minderung der Erschütterung werden Millisekun-
ren. a–c Vorschütten und sprengtechnischer Einbau des Dammkernes; denzünder mit kurzen Verzögerungen zwischen den einzelnen
d–f sprengtechnisches Dammverbreitern nach vorangegangenem seitlichem Minen verwendet (. Abb. 8.4 und 8.5).
Materialauftrag
Dammschüttung in ganzer Länge! Alle Minen werden auf einmal 8.2.5 Baugrundverbesserung durch Verfüllen
gezündet, die Vorfeldminen mit einer Vorgabe von etwa 1 s. Der von Hohlräumen
Damm wird bei der Sprengung um 2–3 m angehoben und ver-
drängt beim Zurückfallen die verflüssigten Torfmassen. zz Verfüllen von Hohlräumen
Anschließend wird der Damm wieder aufgehöht und seitlich Höhlen, bergmännisch aufgefahrene Hohlräume und offene
verbreitert. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis der Damm Spalten im Untergrund sind, wenn dies die bauliche Nutzung
368 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
für Einpressarbeiten mit Feinstbindemitteln in Lockergestein“ bler Länge des Fräsbaums kann bis 9 m tiefe und bis 1 m breite
beschrieben. Schlitze fräsen. Das Verfahren erlaubt es, Schichtenfolgen un-
terschiedlicher Bodenarten in einem Arbeitsgang zu fräsen, zu
zz Eigenschaften injizierter Böden und Prüfen durchmischen und mit Zementsuspension zu injizieren. Über die
von Injektionskörpern Zugabe von Beschleunigern ist die Erhärtungsgeschwindigkeit
Durch die Injektion von Zementsuspensionen in Sand- oder steuerbar. Die hergestellten Erdbetonkörper sind von der Festig-
Kieslagen entstehen betonähnliche verfestigte Gesteinskörper. keit her mit dem HZV-Erdbeton vergleichbar. Für die zu verbes-
Diese können nach den Regeln der Betontechnologie geprüft sernden Böden sind im Vorfeld Eignungsprüfungen durchzufüh-
werden. Das Prüfen von Durchlässigkeit und Druckfestigkeit ren. Das Verfahren ist bis etwa 15° Hangneigung einsetzbar und
kann an Zylinderproben aus Bohrkernen oder an im Labor her- eignet sich zum Stabilisieren von Rutschhängen.
gestellten Prüfkörpern erfolgen. Dichteprüfung und gesteinsmi-
kroskopische Untersuchung von Dünnschliffen geben weitere zz Säulen und Scheiben aus Boden-Kalk-Gemischen
Hinweise für erfolgte Hohlraumverfüllung. Tone und tonige Schluffe können mit Kalk verfestigt werden.
Mit steigendem Ton- oder Bentonitanteil im Injektionsmit- (Organische Beimengungen stören und lassen sich nicht mit
tel sinkt die Festigkeit im ausgehärteten Injektionskörper und Kalk verfestigen!) Bei diesem Verfahren werden Bohrlöcher mit
nähert sich im Extrem der Konsistenz von weichem Ton. Die Durchmesser bis 15 cm in engem Rasterabstand (0,5–1 m) nie-
Durchlässigkeit solcher Körper ist gering (< 10−6 m s−1), das Ver- dergebracht und mit Branntkalk verfüllt. Bei einem anderen Ver-
formungsverhalten hoch. Zum Prüfen der Wirksamkeit von In- fahren wird Branntkalk im Bohrloch mit Durchmesser > 15 cm
jektionsschirmen im Untergrund von Wasserstauanlagen werden mit dem Boden vermischt. Mit Kalk verfestigte Scheiben können
im Gelände WD-Tests durchgeführt (▶ Abschn. 14.5.4). durch Auffräsen von Boden in Schlitzen unter Zugabe von Kalk
hergestellt werden.
Der gebrannte Kalk reagiert mit dem Bodenwasser, verrin-
8.2.6 Baugrundverbesserung durch Einbau gert den Wassergehalt und geht mit dem Ton eine „hydrauli-
verfestigter Säulen und Scheiben sche“ Verbindung ein. Auf diffusem Wege breitet sich Calcium
im Umkreis des Bohrloches aus und bewirkt beim Belegen von
In nur wenig tragfähigen oder nur wenig standfesten Untergrund Gitterplätzen an und zwischen Tonmineralen den Austausch
können stabilisierte Säulen oder Scheiben eingebaut werden. Un- von Natrium und Kalium durch Calcium. Dadurch erfolgt eine
terschieden werden mit Zement verfestigte (vermörtelte) Stopf- Umwandlung der Bodenstruktur, und der Boden wird in seiner
säulen und Scheiben, mit Kalk verfestigte Bodensäulen und mit Gesamtheit stabilisiert. Anders als Schottersäulen und vermör-
Hochdruck im Düsenstrahlverfahren (Jet Grouting) verfestigte telte Stopfsäulen übernimmt der eingebaute Kalk keine punkt-
(vermörtelte) Säulen und Scheiben. förmige Stützfunktion. In einer Eignungsprüfung ist der Boden
auf Tonanteil, Tonmineralarten und Reaktion mit hydraulischen
zz Vermörtelte Stopfsäulen (Betonrüttelsäulen) Bindemitteln zu testen.
Für das Herstellen der Betonrüttelsäulen wird ein Tiefenrüttler
mit Betonzuleitung bis zur Rüttelspitze verwendet. Beim Ein- zz Hochdruckvermörteln, Düsenstrahlverfahren
fahren des Tiefenrüttlers wird der anstehende nicht tragfähige Beim Hochdruckvermörteln (Hochdruckinjektion, HDI-
Boden verdrängt und verdichtet. Nach Erreichen der Endteufe Verfahren, Soilcrete-Verfahren, Jet Grouting, Düsenstrahlver-
wird eine Kies- oder Schottersäule unter gleichzeitiger Zugabe fahren; Schubert 1986, Eichler 2009) werden Injektionslanzen
von Mörtel oder Beton hergestellt. Vermörtelte Stopfsäulen und (Durchmesser 40–100 mm) im Abstand 0,5–1 m je nach Ver-
Betonrüttelsäulen stehen dem tiefliegenden tragfähigen Bau- fahren vertikal oder in beliebiger Neigung bis > 20 m tief in den
grund auf oder binden in diesen ein. Die Tragwirkung ist der Baugrund eingespült oder in vorgebohrte Löcher eingeschoben.
eines Spitzendruckpfahles ähnlich (Hettler und Berg 1987). Das Verpressmittel wird über eine sich drehende Düse unter ho-
hem Druck in die Umgebung des Bohrloches eingepresst. Der
zz Stützscheiben nach dem Hydrozementationsverfahren mit hohem Druck (300–800 bar) austretende Injektionsstrahl
Beim Hydrozementationsverfahren (HZV-Verfahren) werden, zerschneidet das Bodengefüge im Umkreis der Düse. Der Wir-
z. B. in Rutschgebieten, partiell Stützscheiben eingebaut. Mit kungsradius ist vom anstehenden Boden und vom eingesetzten
Baggern werden Schlitze ausgehoben, und das Aushubmaterial Druck abhängig und kann bis 1 m reichen. Beim Pfahlherstel-
wird mit Zement oder anderen Bindemitteln vermischt und wie- len entstehen durch langsames Ziehen des rotierenden Bohr-
der eingebaut. Es entsteht ein HZV-Erdbeton mit 5–10 MN m−2 gestänges säulenförmige Injektionskörper (. Abb. 8.7). Je nach
Druckfestigkeit, einem Reibungswinkel über 40° und einer Ko- Aufgabenstellung wirkt dieser als Verfestigungskörper oder Ab-
häsion c′ um 500 kN m−2. dichtungskörper. Bei Bodenverfestigung erhärtet die mit dem
Injektionsgut vermischte Bodenmasse zu einem Erdbeton. Das
zz Erdbetonscheiben nach dem Fräs-Misch- Verfahren kann bei Kies, Sand, Schluff, Ton und auch in orga-
Injektionsverfahren nischen Böden angewendet werden. Verwendet werden Mörtel,
Beim Fräs-Misch-Injektionsverfahren (FMI-Verfahren) wird die nach speziellen Rezepturen dem Boden anzupassen sind. Die
der Erdbetonkörper ohne Bodenaushub hergestellt. Eine durch erzielbare einaxiale Druckfestigkeit ist von der Art und Menge
Raupenfahrwerk angetriebene Fräs-Mischmaschine mit varia- des Zementanteils sowie den verbleibenden Bodenanteilen ab-
370 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
- grades DPr;
Ermitteln des Verformungsmoduls Ev durch Plattendruck-
und schweren Verdichtungsgeräten. Je nach verwendeter Gerä-
teart, Verdichtbarkeitsklasse des Auffüllmaterials gemäß ZTVA-
-- versuche;
Ermitteln der Einsenkung mit dem Benkelmann-Balken;
StB 97 und geforderter Verdichtung gemäß ZTVE-StB 97 wer-
den bei leichten Geräten Schütthöhen zwischen 10 und 30 cm,
- Rammsondierverfahren;
Ermitteln des Verformungsmoduls Evdyn durch dynamische
verdichtet.
Nach Witt 2009 und Möller 2012 ist bei der Wahl dynamisch
- Plattendruckversuche;
Ermitteln der Abnahme der Setzungszuwächse der
Schichtoberfläche nach jedem Verdichtungsübergang durch
Nivellement. Dieses Verfahren kann bei Schüttungen aus
wirkender Verdichtungsmaschinen auf mögliche Entmischungs-
-
effekte zu achten.
Für das Verdichten grobkörniger Böden eignen sich dem-
nach Geräte mit Amplituden bis 1,5 mm und Frequenzen
grob gebrochenem Festgestein und bei steinreichen Böden
angewendet werden. Für Schüttungen aus derart grobstücki-
gem Material steht keine Bezugsdichte zur Verfügung, da de-
finitionsbedingt der im Labor auszuführende Proctorversuch
- von 30 bis 100 Hz.
Für das Verdichten fein- und gemischtkörniger Böden
eignen sich schwere stampfende Geräte mit Amplituden
> 1,5 mm und Frequenzen von 8-35 Hz.
-
hervorzuheben:
Bei den direkten Dichtemessverfahren im Feld hängt die
Höhe der Trockendichte vom Prüfverfahren (Ausstech-
zylinderverfahren, Sandersatzverfahren, Ballonverfahren,
Gewicht der Walze wird mit mehrfacher Überfahrt der Boden
einer zunehmend höheren Bodenpressung bis ca. 0,5 MN m−2
ausgesetzt. Die Tiefenwirkung ist gering. Bei ungünstiger Wahl
von Gewicht, Aufstandsfläche und Antrieb können sich in der
Kleister- oder Flüssigkeitsersatzverfahren) ab. Dies hat oberflächennahen Schicht Auflockerungen durch Abscheren und
entscheidenden Einfluss auf den Verdichtungsgrad (▶ Ab- Grundbruch einstellen, wodurch sich Wellen und Unebenheiten
schn. 1.17). Bei Vergleichsmessungen mit verschiedenen ausbilden.
Verfahren ergaben sich Unterschiede im Verdichtungsgrad Glattwalzen werden im Erdbau zum Verdichten von grobkör-
4
5
6
7
8
9 Bodenpressungen zwischen 1 und 4 MN m−2 erreicht. Das Bo- Die Verdichtungswirkung der statischen Auflast wird durch
denmaterial wird durchgeknetet und bei mehrfacher Überfahrt die knetenden Walkkräfte der Reifen und die pendelnde Rad-
10 von unten nach oben verdichtet. Im verdichteten Untergrund aufhängung verstärkt.
sinkt die Schaffußwalze weniger tief ein. Die Tiefenwirkung liegt bei den mittelschweren Walzen (8–
Eine Oberflächenverdichtung ist nicht möglich. 18 t) bei etwa 20 cm und bei den schweren Walzen (bis über 50 t)
11 Schaffußwalzen eignen sich zum Einbau von feinkörnigen bei 40–50 cm. Gummiradwalzen eignen sich zum Verdichten von
und gemischtkörnigen Böden und verdichten diese auch bei grobkörnigen, feinkörnigen und gemischtkörnigen Böden.
12 Wassergehalten unterhalb des günstigen Wassergehaltes wPr
(. Abb. 8.8c). 8.3.1.2 Dynamisch wirkende Verdichtungsgeräte
zz Fallplattenstampfer
13 zz Gitterradwalzen Am Ausleger eines Universalbaggers wird eine meist quadrati-
Anstelle der glatten Oberfläche der Glattwalze drückt ein Git- sche Stahlplatte (60–150 cm Kantenlänge, 600–3000 kg schwer)
14 tergeflecht von Stahlstangen auf den Boden, wodurch sehr hohe in der Regel bis 2 m über die zu verdichtende Fläche gehoben
Bodenpressungen übertragen werden. Neben dem Verdichten und fallen gelassen. Die Platte wird nach jedem Schlag um eine
15 wird gleichzeitig ein Zerkleinern des eingebauten Materials er- halbe Plattenbreite versetzt. Bei durchschnittlich 2 Übergängen
reicht. Eingesetzt werden diese Walzen bei Sand- und Kiesböden wird jede Stelle bis zu viermal getroffen. Die Platte verdichtet
(30 cm Schütthöhe), bei weichem und mürbem Gestein sowie Sand- und Kiesböden durch 3–4 Schläge auf ca. 70 cm Tiefe,
16 bei steinigen und trockenen feinkörnigen Böden. Die Walze steinige Böden sowie feinkörnige und gemischtkörnige Böden
kann bei feuchten feinkörnigen Böden nicht eingesetzt werden auf 60 cm Tiefe. Der Arbeitsrhythmus liegt bei 15–20 Schlägen
17 (. Abb. 8.8b). pro Minute. Fallplatten können wegen der auftretenden starken
Erschütterungen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft von Bau-
werken eingesetzt werden (. Abb. 8.8f).
18 zz Gürtelradwalzen
Bei den Gürtelradwalzen (16–24 t Gewicht) wird ein senkrecht
wirkender Druck von 0,25–0,4 MN m−2 über an den Walzen be- zz Explosionsstampfer
19 festigte bewegliche Rechteckplatten auf den Boden übertragen. Die Die Explosionsstampfer werden durch den vom Kolben ausge-
Walze rollt über diese Platten auf dem Boden ab. Dadurch werden übten Explosionsdruck bis 40 cm hoch gehoben und dabei bis
20 die bei den Glattwalzen auftretenden Wellen und Risse vermieden. 15 cm weit nach vorn bewegt (Frosch). Es werden 30–50 Sprünge
Gürtelradwalzen werden bei gemischtkörnigen und bei feinkör- pro Minute ausgeführt. Der Durchmesser der runden Stampfflä-
nigen Böden eingesetzt. Bei Schluff und Ton werden Platten mit che liegt bei kleinen Geräten (500 kg) bei 70 cm und bei schwe-
21 Höckern und schaffußartigen Stutzen verwendet (. Abb. 8.8g). ren Geräten (bis 1200 kg) bei 90 cm. Die Verdichtung erfolgt
durch den Druck beim Abstoß und beim Aufprall sowie durch
22 zz Gummiradwalzen Kornumlagerung infolge der Erschütterung.
Das Gewicht der Walze wird über eine Reihe von nebeneinander Explosionsstampfer eignen sich zum Verdichten von fein-
gelagerten Gummirädern auf den Untergrund übertragen. Die körnigen, grobkörnigen und gemischtkörnigen Bodenarten. Die
23 Lagerung der Gummiräder ist starr oder in der Höheneinstellung Tiefenwirkung reicht mit 3–5 Übergängen bei Sand und Kies
beweglich. Die Aufstandsfläche kann durch unterschiedlichen 40–50 cm, bei Schluff und Ton 30–40 cm tief. Eingesetzt werden
Reifendruck variiert werden (. Abb. 8.8d). sie in kleinen Baugruben und Gräben (. Abb. 8.8e).
8.3 • Einbauen und Verdichten von Boden
373 8
-
Flächenrüttler)
Vibrations-Bodenverdichtungs-Platten werden mit Gewichten Maßnahmen bieten sich an:
zwischen 30 und 3000 kg gebaut. Die Grundplatte (0,1–1,4 m2) Abtrocknen feinkörniger und gemischtkörniger Böden
wird vom Motor in Vibration versetzt, wobei die Frequenz bei Zu nasse feinkörnige Böden sind nicht verdichtungsfähig.
leichten Rüttlern zwischen 50 und 150 Hz, bei schweren Rüttlern Das Bodenmaterial muss seitlich gelagert, aufgelockert,
zwischen 10 und 50 Hz regelbar ist. Der Rüttler wird auf die Ei- belüftet und gegebenenfalls mit Planen abgedeckt werden.
genfrequenz des Bodens eingestellt, bei deren Erreichen das Ge- Abtrocknen kann nur bei trockenem Wetter erfolgen. Dabei
rät am weitesten vom Boden abhebt (1–2 cm). Die Flächenrüttler
eignen sich besonders für Sand- und Kiesböden. Schwachleh-
mige Sande und Kiese können nur dann verdichtet werden, wenn
ihre Tragfähigkeit in erster Linie auf der Kornreibung und nicht
- ist die optimale Feuchte wPr anzustreben (▶ Abschn. 4.2.1).
Zumischen von Grobkorn
Zu nasse feinkörnige und gemischtkörnige Böden kön-
nen durch Zumischen von Grobkorn in den Bereich des
auf der Kohäsion beruht. Für feinkörnige und gemischtkörnige optimalen Wassergehaltes wPr gebracht werden (▶ Ab-
Böden sind Rüttelplatten nicht geeignet, da sie in diesen eine
zu geringe Tiefenwirkung haben. Die Tiefenwirkung reicht bei
Sanden und Kiesen zwischen 30 und 50 cm tief, wobei die oberen
10 cm weniger gut verdichtet werden.
- schn. 4.2.2).
Aufbau einer abgestimmten Kornverteilung durch Zugabe
von Körnungen
Gleichförmige grobkörnige Böden (SE, GE) haben
Der Einsatz schwerer Vibrations-Verdichtungs-Platten kann schlechte Verdichtungseigenschaften. Durch Zugabe der
bei ungünstiger Schichtlagerung (z. B. Übertragen der Schwin- „Fehlkörnung“ kann eine der Fuller-Parabel angenäherte
gungen im oberflächennahen Fels) zu Schäden in benachbarten Ungleichförmigkeit mit guten Verdichtungseigenschaften
Häusern führen. angestrebt werden (▶ Abschn. 4.2.3). Verschlammen ist zu
zz Vibrationswalzen
Vibrationswalzen verdichten den Boden statisch durch ihre Auf-
last und dynamisch durch die Vibration der Walze und durch
- vermeiden.
Zertrümmern großer Felsblöcke
Schüttungen aus gebrochenem Festgestein, die große
Gesteinsstücke enthalten, lassen sich kaum oder gar nicht
den damit erzeugten Rütteleffekt im Boden. Die maßgebenden verdichten. Das Material ist vor oder während des Einbaus
Parameter für den dynamischen Effekt sind dementsprechend zu zertrümmern. Dabei wird eine geeignete Kornabstufung
Frequenz und Amplitude der eingetragenen Welle sowie die Ge- angestrebt. Schüttungen aus veränderlich festem Gestein
schwindigkeit des Walzvorganges. müssen weitgehend hohlraumfrei eingebaut werden und
Die Frequenz der Walze ist konstant oder regelbar. Der an- erfordern intensives Zertrümmern der Blöcke (▶ Ab-
gewendete Vibrationsbereich liegt zwischen 25 und 60 Hz. Ge-
räte mit einem Zweistufenvibrator erregen den Walzenkörper in
zwei Frequenzbereichen mit verschiedenen Amplituden. Dabei
wird die höhere Frequenz mit kleiner Amplitude für die Ober-
- schn. 4.2.4).
Zugabe von Chemikalien
Zum Verbessern der Einbaueigenschaften und zum Stabili-
sieren von Erdbauwerken kann der Boden mit unterschied-
flächenverdichtung und die niedrigere Frequenz mit größerer lich wirkenden Chemikalien behandelt werden. Durch die
Amplitude für die Tiefenverdichtung empfohlen. Zugabe von Salz, Gips oder Kalk und anderen mineralischen
Vibrationswalzen sind als Glattwalzen und als Schaffußwal- Stoffen können dem Boden Kationen (Na+, Ca2+ u. a.) zu-
zen (Stampffuß-Vibrationswalzen) im Einsatz, häufig mit aus- geführt werden. Veränderungen in der chemischen Zusam-
tauschbarer Bandage. mensetzung des Porenwassers beeinflussen über Wertigkeit,
Glattwalzen mit Vibrationsvorrichtung werden zum Verdich- Radius und Menge der Ionen den Umfang der elektrischen
ten von grobkörnigen Böden und gebrochenem Gestein einge- Doppelschicht um Tonmineralteilchen und damit die bo-
setzt. Dabei können leichte Anhänge-Vibrationswalzen (2–4 t) denmechanischen Kenngrößen feinkörniger Böden. Stark
Sand- und Kiesböden in Schüttlagen bis 50 cm Stärke verdichten. solvatisierte Kationen (Na+, K+) auf Austauschpositionen der
Schwere Anhänge-Vibrationswalzen (über 8 t) lassen Schütthö- Tonminerale vergrößern die Doppelschicht, hohe Porenwas-
hen bis zu 1 m und mehr zu. serkonzentrationen drängen sie zurück. Durch Natriumbele-
Als Schaffuß-Vibrationswalze eignen sie sich für grob-, gung verschieben sich die bodenmechanischen Eigenschaf-
fein- und gemischtkörnige Bodenarten sowie für gebrochenes ten in Richtung nasser feinkörniger Boden (Martin 1992).
374 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
Calciumbelegung bewirkt Krümelbildung und scheinbares der beim Herstellungsprozess eingesetzten Rohstoffe Hyd-
1 Abtrocknen. Chlorid (Cl−) hat einen nur geringen Einfluss raulefaktoren in unterschiedlichem Maß aufweisen.
auf feinkörnige Böden. Sulfationen werden bevorzugt an Natürliche Puzzolane sind spezielle vulkanische Tuffe, die
2 den Kanten der Tonmineralpartikel gebunden und wirken gemahlen in den Handel kommen, z. B. Puzzolan- oder
dispergierend. Dementsprechend kann saurer Regen boden- Santorinerde, rheinischer Trass (Laacher See und Neuwie-
mechanische Eigenschaften beeinflussen. Eine ausführliche der Becken) und bayerischer Trass (Suevit-Trass aus dem
3 Besprechung der bestehenden Literatur gibt Martin (1992). Nördlinger Ries).
Bei sehr hohen Zugaben von Salz, Gips, Anhydrit u. a. sind Künstliche Puzzolane sind Hüttensand (im Wasser schnell
4 auch Verfestigungen möglich (Salzstraßen in Wüstengebie- abgekühlte Hochofenschlacke), Ziegelmehl, Steinkohle-
5 - ten).
Zugabe von organischen Chemikalien
Durch Zugabe bestimmter organischer Chemikalien kön-
nen bei Tonmineralen hydrophile Zwischenschichten mit
flugasche und Tonerdesilikate, welche bei der Alaun- und
Aluminiumherstellung anfallen.
Eine ähnliche Wirkung wie reaktionsfähige Kieselsäure
hat Eiweiß. Im Mittelalter wurde Mörtel mit Milch, Molke,
6 organischen Kationen belegt werden. Der Boden reagiert Quark, Eiern und auch Blut angerührt. Der Mörtel wurde
dann hydrophob (wasserabweisend) und organophil. Er ist dadurch wasserbeständig und verfestigte schneller, letzteres
7 nicht mehr quellfähig. Für den Deponiebau sind unter dem auch wegen der eingeleiteten Carbonatisierung.
Oberbegriff „Organobentonite“ modifizierte Bentonite im
Handel, welche ein breites Adsorptionsspektrum gegenüber
8 organischen Verbindungen und Schwermetallen aufweisen 8.4 Bodenverbesserung und
(Fiechter 1996). Bodenverfestigung mit Bindemitteln
9 In den sechziger und siebziger Jahren wurden besonders
im US-amerikanischen Straßenbau organische Stoffe (z. T. Das Ziel der Bodenverbesserung und Bodenverfestigung (Bo-
10 hochgiftig!) zu Zwecken der Bodenverbesserung eingesetzt. denbehandlung) besteht darin, die Eigenschaften der Böden, die
Die behandelten Böden verloren (vorübergehend) ihre von Natur aus nicht einbaufähig und nicht tragfähig sind oder die
Quellfähigkeit. Auch Lacke und lackähnliche Stoffe wurden durch Witterung und Verkehr aufgelockert werden, durch Zu-
-
11 zum Stabilisieren von Straßen und Erdbauwerken eingesetzt. gabe definierter Bindemittel günstig zu beeinflussen. Durch Me-
Zugabe von Bindemitteln thoden der Bodenverbesserung und Bodenverfestigung können
12 Dem Boden können Bindemittel zugegeben werden, Erdmassen für den Einbau in Erdbauwerke verwendet werden,
durch deren Abbinden (Auskristallisation, Erhärten) im die ohne Behandlung als unbrauchbare Massen zu deponieren
Boden-Bindemittel-Gemisch eine mineralische Bindung wären. Diese Verfahren dienen auch der Schonung natürlicher
13 oder eine Verkittung aufgebaut wird. Dabei können bei Ressourcen an Kies, Sand und Steinen. Mit Boden-Bindemittel-
Zugabe bestimmter Bindemittel vor dem AbbindeProzess Gemischen lassen sich Tragfähigkeit und Scherfestigkeit der ein-
14 chemisch-physikalische Prozesse ablaufen, die die Ein- gebauten Lagen (bzw. des Planums) dauerhaft erhöhen und deren
baufähigkeit des Boden-Bindemittel-Gemisches verbes- Kompaktion/Zusammendrücken (und damit das Setzungsver-
15 sern. An die mit Kalk, Kalkhydrat, Zement oder Bitumen halten im Erdbauwerk) mindern. Die „Zusätzlichen Technischen
behandelten Böden oder Baustoffe sind vom Gesetzgeber Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau“ (ZTVE-StB 09) und
bestimmte Anforderungen gestellt (▶ Abschn. 8.4 und 8.5). das „Merkblatt für Bodenverfestigung und Bodenverbesserung
16 Andere im Erdbau verwendete Bindemittel waren und sind mit Bindemitteln“ (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Ver-
17
- Öl, Bitumen, Teer, Harze und Wasserglas.
Zugabe von Bindemitteln und Puzzolanen
Puzzolane sind hydraulisch wirkende Zusätze, die allein mit
Wasser kein Bindemittel bilden, die aber, wenn sie einem
kehrswesen) sind zu beachten.
--
18 Luftkalkmörtel zugesetzt werden, diesem hydraulische Weniger oder nur bedingt geeignet sind
Eigenschaften verleihen. Diese latente hydraulische Binde- ausgeprägt plastische Tone,
--
19 kraft beruht auf reaktionsfähiger Kieselsäure. Diese wird Böden mit Steinen,
erst durch die Reaktion mit dem vom Kalk oder Zement Böden mit organischen Beimengungen,
20
21
stammenden Calciumoxid (CaO) oder Calciumhydroxid
(Ca(OH)2) wirksam und bildet wasserunlösliches Calcium-
silikat und Calciumsilikathydrat, also dem Zement ähnliche
mineralische Bindungen.
-
organogene Böden,
Schüttmassen aus veränderlich festen Gesteinen. Voraus-
setzung für deren bedingte Eignung ist, dass diese sich
ausreichend zerkleinern lassen bzw. dass Steine und Blöcke
Natürlicher Boden kann derartige Bestandteile (Hydrau- sich auslesen lassen.
22 lefaktoren) von Natur aus in unterschiedlicher Menge
23
enthalten. Entsprechend verursacht die Zugabe von Kalk,
Kalkhydrat oder Zement (in geringen Mengen) bei ver-
-
Ungeeignet sind
Schüttgut/Haufwerk aus veränderlich festen Gesteinen,
schiedenen Böden unterschiedliche Wirkung. Auch die
beim Behandeln von Boden eingesetzten Baustoffe Kalk,
Kalkhydrat oder Zement können aufgrund der Eigenschaft - welches sich nicht zerkleinern lässt,
organische Böden. Über Eignung und möglichen Anwen-
dungsbereich der Bindemittel Kalk, Zement und Misch-
8.4 • Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Bindemitteln
375 8
Einbaustelle transportiert und dort gleichmäßig eingebaut durch die Wahl der Kalkart und Kalkmenge die Sofortreaktion als
1 und verdichtet. Bodenverbesserung oder die Langzeitreaktion als Bodenverfesti-
Das Verdichten des Boden-Bindemittel-Gemisches und gung in den Vordergrund treten. Sofortreaktionen nach Einbrin-
2 die Endplanie müssen beendet sein, bevor das Abbinden gen des Kalkes in den Boden sind Ionenaustausch am Tonmineral
des Bindemittels beginnt (bei Zement etwa 3 h). Nach und das Löschen des Branntkalkes. Dies führt zur Verringerung
Fertigstellung der Planie soll die eingebaute Schicht gegen von Wassergehalt und Plastizität und zur Verbesserung der Ein-
3 Austrocknen geschützt werden. Dies geschieht durch das baufähigkeit. Die Langzeitreaktionen betreffen das Erhärten des
Aufbringen der nächsten Schicht oder durch Übersprühen Boden-Kalk-Gemisches in Form des hydraulischen Erhärtens
4 mit Bitumenemulsion. (Puzzolan-Reaktion) und der Carbonatisierung. Zu den Sofort-
und Langzeitreaktionen ist im Einzelnen folgendes auszuführen:
5 zz Kalk und Kalkprodukte Die Wirkung des Kalkes im Boden ist abhängig von der Mineralart
Zum Herstellen von Kalk wird Kalkstein, dolomitischer Kalk- der Körner und besonders von der Korngröße und Korngrößen-
stein, Kalkmergelstein oder Kalkmergelstein mit Beimengungen verteilung. Den möglichen Anwendungsbereich zeigt . Abb. 8.10.
6 von Quarz gebrannt. In Abhängigkeit von Tongehalt, Magnesi-
umgehalt, Brenntemperatur und Kornfeinheit werden verschie- zz Ionenaustausch
7 dene Baukalkarten als Handelsform unterschieden. Die Gütean- An der Oberfläche der Tonminerale findet ein Ionenaustausch
forderung ist in DIN EN 459-1 (Baukalk) und DIN EN 14227-15 statt. Es wird Calcium angereichert. Die Alkaliionen werden
(hydraulisch gebundene Gemische) geregelt. Folgende Begriffe freigesetzt. Durch die genannte Reaktion ändert sich die Anzahl
-
8 sind im Gebrauch: der freien elektrischen Ladungseinheiten auf der Oberfläche der
Kalk Tonteilchen. Die Tonteilchen ziehen sich gegenseitig stärker an,
9 Sammelbezeichnung für die aus Kalkstein durch industri- der Boden wird krümelig. Die Plastizität nimmt ab, der optimale
elle Veredelungsprozesse (Brennen, Löschen) gewonnenen Wassergehalt nimmt zu. Diese Reaktion beginnt sofort beim Zu-
10
- Produkte.
Kalkbrennen
mischen und dauert einige Tage an.
11
- CaCO3 + 18,2 J −! CaO + CO2
Branntkalk, gebrannter Kalk
zz Löschen des Kalkes
Wird nassem Boden Branntkalk zugemischt, so findet folgende
12
- CaO mit MgO
Kalkhydrat, gelöschter Kalk
Reaktion statt:
-
13 werden aus reinen Kalksteinen gebrannt. Dabei wird ein Teil des Bodenwassers chemisch gebunden, ein
magere Kalke weiterer Teil wird durch die Prozesswärme freigesetzt. Durch
14
15 - enthalten 5 % und mehr Tonanteile.
hydraulische Kalke
Bei 1000 °C gebrannte Kalkmergel mit 8–20 % Ton. Ver-
schiedene Zusammensetzungen sind möglich: CaO; MgO;
Zugabe von 1 Gew.-% Branntkalk wird der Wassergehalt eines
Bodens um 1–2 % erniedrigt. Ionenaustausch und Löschen des
Kalkes bewirken die gewünschte Bodenverbesserung. Kalk und
besonders Branntkalk eignet sich zur Verbesserung fein- und
16
- CaOAl2O3; CaOFe2O3; CaOSiO2
hydraulisches Erhärten
Hydraulische Kalke und Zement erhärten bei Zutritt von
gemischtkörniger Böden sowie feinkörniger Böden mit organi-
schen Beimengungen.
17
18
- Wasser an der Luft und unter Wasser.
puzzolanisches Erhärten
Einige natürliche und künstliche Erdstoffe (vulkanische
Aschen, Tuff, Trass, Flugaschen) reagieren mit Kalk stärker
zz Hydraulisches Verfestigen und Erhärten
Das dem Boden zugeführte Kalkhydrat (Ca(OH)2) dissoziiert im
Bodenwasser und reagiert mit verschiedenen Bodenmineralen
unter Bildung neuer Hydratphasen. Dabei reagieren Alumosili-
als andere Bodenarten (Ton) und werden als „Puzzolane“ kate mit Kalk zu Calciumsilikat und Calciumaluminiumhydrat.
-
19 dem Boden beigemischt. Die Bodenteilchen werden in einem Gelstadium verkittet. Aus
Kalkbrei, Kalkmilch dem Gel kristallisieren allmählich kleine Kristalle („Neolithe“)
20 Typisches Mischungsverhältnis ist 907 kg Kalk und 1,9 m3 aus. Folgende Verbindungen können sich bilden:
Wasser. Dies ergibt 2,3 m3 Brei mit 31 % Kalkfeststoffgehalt.
Diese Mischung lässt sich als Milch versprühen. CaOSiO2 H2 OI CaOAl2 O3 H2 OI CaOFe2 O3 H2 O:
21
Eine Vielfalt von Hydratformen ist möglich. Durch Zugabe von
22 8.4.1 Chemische Wirkung des Kalkes in Böden Kalk im tonigen Boden wird diese Reaktion in Gang gesetzt. Beim
Fehlen von reaktionsfähigen Mineralen im Boden kann Flugasche
Kalke in Form von Branntkalk, Kalkhydrat oder hydraulischem oder Trass hinzugegeben werden. Beim Verwenden von hydrauli-
23 Kalk rufen in Böden Sofort- und Langzeitreaktionen hervor. In schem Kalk sind im Kalk bereits Tonanteile enthalten, die nach Zu-
Abhängigkeit von der Bodenart wird je nach Anwendungszweck gabe von Wasser mit dem Kalkanteil reagieren (Hydraulefaktoren).
8.4 • Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Bindemitteln
377 8
.. Abb. 8.10 Bereiche der Korngrößenverteilung für Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Kalk. (Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie)
zz Carbonatisierung
Das Kalkhydrat reagiert im Boden mit dem CO2 der Bodenluft
und/oder des Bodenwassers unter Bildung von Calciumcarbonat:
--
zz Wassergehalt
Durch die Zugabe von Kalk in Form von Kalkhydrat oder Eigenschaften (. Abb. 8.11). Dabei wird
Branntkalk wird Wasser chemisch gebunden und somit der Was- die Ausrollgrenze wP erhöht,
sergehalt des Bodens erniedrigt. Die Wasserbindung des Kalkes
geschieht in der Gelphase und ist begrenzt. Bei trockenem Wetter
und guter Bodendurchlüftung reduziert sich der Wassergehalt
um 4–7 %. Eine weitere Zugabe von Kalkhydrat bringt keine Ver-
- die Plastizitätszahl IP vermindert,
die Fließgrenze wL bei Ton verringert, bei Schluff erhöht.
--
.. Abb. 8.12 Proctorkurven für feinkörnigen Boden mit und ohne Kalk-
12 zugabe und Veränderung der Verdichtungseigenschaften. Der natürliche stellt werden (BetonMarketing 2007). Dies kann sein
Erhöhen der Scherfestigkeit im Boden (. Abb. 8.13),
--
Boden ist im nassen Zustand (wn ≫ wPr) schlecht verdichtbar. Die für das
Erhöhen der Kohäsion im Boden,
13
Verdichten des natürlichen Bodens erforderlichen Bodenkenngrößen sind
ρPr = 1,875 t m−3 und wPr = 15,1 %. Durch Zugabe von Kalk verringert sich die Erhöhen der Standsicherheit von Bauwerken,
--
Proctordichte (ρPr2% = 1,760 t m−3, ρPr4% = 1,742 t m−3) und erhöht sich der
Reduzieren des Erddruckes hinter Stützmauern,
14 optimale Wassergehalt (wPr2% = 16,2 %, wPr4% = 16,5 %). Zusätzlich werden
Erhöhen der Tragfähigkeit des Bodens,
-
Teile des Wassergehaltes durch den zugegebenen Kalk chemisch gebunden
Erhöhen der Tragfähigkeit von Verkehrsflächen,
15 Vermindern/Verhindern von Setzungsunterschieden und
--
zz Verdichtungseigenschaften
Durch die Zugabe von Kalk wird die im Proctorversuch er- Verformungen,
reichbare maximale Dichte erniedrigt. Ein ohne Kalkzugabe Erhöhen des Widerstandes eingebauter Böden gegen Erosion,
-
16 verdichteter Boden (mit Wassergehalt wPr) besitzt bei gleicher Vermeiden von Ausspülen und Auskolken von Boden,
Verdichtungsenergie eine höhere Trockendichte ρPr als ein glei- Vermeiden von Unterspülen von Bauwerken.
17 cher Boden ohne Kalkzugabe (. Abb. 8.12).
Außerdem wird Zement auch zum Verbessern der Einbaufähig-
keit verwendet.
18 zz Scherfestigkeit
Durch die Kalkzugabe werden Kohäsion und Winkel der inneren Das Verfestigen der Boden-Zement-Mischung wird durch
Reibung erhöht. den Vorgang der Hydratation (Abbinden) des Zementes einge-
19 leitet. Anschließend folgt das Erhärten.
20
zz Korngrößenverteilung
Durch die Zugabe von Kalk bilden die Tonminerale Kornag-
glomerate bis zur Korngröße der Sandfraktion. Es entsteht ein
grobkrümeliges Boden-Kalk-Gemisch.
- Folgende chemische Reaktionen laufen nebeneinander ab:
Hauptreaktion
Beim Portlandzement macht diese Reaktion etwa 75 % des
Materials und des Abbindevorgangs aus:
21
2.3CaO SiO2 / + 6H2 O
zz Quellvermögen
22 Durch die Zugabe von Kalk wird das Quellvermögen der Tonmine- −! 3CaO 2SiO2 3H2 O + 3Ca.OH/2
rale verringert. Das Boden-Kalk-Gemisch wird volumenbeständig. 2.2CaO SiO2 / + 4H2 O
23 zz Festigkeitseigenschaften
−! 3CaO 2SiO2 3H2 O + Ca.OH/2
Durch die Zugabe von Kalk werden Scherfestigkeit, Druckfes- Calciumsilikat + Wasser
tigkeit und Zugfestigkeit erhöht. Die erzielten Festigkeiten sind −! Tobermorit-Gel + Kalk
8.4 • Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Bindemitteln
379 8
.. Abb. 8.13 Mohr-Coulomb’sches Spannungskri-
terium für zementstabilisierte Böden. Durch das Be-
handeln und Verfestigen von Böden mit Zement wird
deren Scherfestigkeit τ erhöht. Die Bindemittelzugabe
bewirkt das Erhöhen der Kohäsion c′; der Reibungs-
winkel φ′ ändert sich nicht oder nur geringfügig.
1) theoretische Zugspannung möglich; 2) Rechenwert
0
theoretisch ck (bei Wassersättigung); 3) Rechenwert
0 0 0
theoretisch ck (ohne Wassersättigung); 'k und ck sind
die charakteristischen Scherparameter. (BetonMarke-
ting 2007)
- Nebenreaktionen
-
−! Calciummonosulfoaluminathydrat
bei Bodenbehandlungen mit Kalk
Zusatzreaktionen
Bei tonhaltigen Boden-Zement-Gemischen reagiert der Die Eignungsprüfung entscheidet über die Brauchbarkeit ei-
Kalkanteil im Zement mit den Hydraulefaktoren des nes Bodens und über die Anwendbarkeit des Verfahrens der
Bodens (Puzzolanreaktion). Weitere Verfestigung und Bodenbehandlung mit Kalk. Zu beachten sind die „Techni-
Erhärtung entsteht im Zuge der Carbonatisierung des schen Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau,
Kalkanteils. TP BF-StB, 11.5: Eignungsprüfung bei Bodenverbesserung
und Bodenverfestigung mit Feinkalk und Kalkhydrat“. Bei
Beim kombinierten Anwenden von Kalk und Zement zur Boden- den Eignungsuntersuchungen wird unterschieden zwischen
verbesserung plastischer Böden mit anschließender Bodenverfes- Voruntersuchungen des unbehandelten Bodens und Unter-
tigung werden 1–3 % Kalk und 4–7 % Zement verwendet. Zur suchungen an Boden-Kalk-Gemischen (Dosierversuch). Die
Ersparnis von Zement, d. h. zur Kostenreduzierung, können dem Eignungsprüfung zur Bodenverbesserung dauert 2–4 Tage, die
Boden-Zement-Gemisch festigkeitserhöhende Zusätze beige- Eignungsprüfung zur Bodenverfestigung 8 Wochen. Es werden
mischt werden. Folgende Stoffe ergeben bei Zugabe von 0,5–1 % etwa 100 kg Bodenmaterial gebraucht. Die Untersuchungen
(bezogen auf das Trockengewicht des Bodens) eine Einsparung werden mit dem für den Einbau vorgesehenen Kalk durch-
von 30–50 % des sonst erforderlichen Zements: NaOH, Na2CO3, geführt!
Na2SO4, Na2SiO4 und CaCl (Kézdi 1973). Die Voruntersuchung des Bodens erstreckt sich auf Korngrö-
Der Zusatz dieser Chemikalien erhöht besonders die Festigkeit ßenverteilung, Wassergehalt, Korndichte, Zustandsgrenzen, er-
am Anfang der Abbindezeit. Die Wirksamkeit der Zusätze ist von härtungsstörende Bestandteile (Humussäuren und humusartige
der Bodenart abhängig und bislang nur unzureichend erforscht. Stoffe, Kalkbindevermögen und Proctorversuch (DIN EN 13055:
380 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
1
2
3
4
5
6
7
8
9 .. Abb. 8.14 Für die Bodenverbesserung und Bodenverfestigung mit Zement geeigneter Kornverteilungsbereich
-
13 der Größenordnung: .. Abb. 8.15 Behälter zur feuchten Lagerung der Prüfkörper (rel. Luft
Bodenverbesserung mit feuchtigkeit ca. 98 %)
14 Feinkalk: 2–4 %,
Kalkhydrat: 2–5 %, stellen und Lagerung der Prüfkörper sowie Druckfestigkeits-
15
16
- hochhydraulischem Kalk: 2–8 %.
Bodenverfestigung mit
Feinkalk: 2–6 %,
Kalkhydrat: 4–8 %, hochhydraulischem Kalk: 4–12 %.
prüfung, Frostprüfung und Ermittlung der Längenänderung
am Prüfkörper erfolgen vergleichbar zu dem bei Eignungs-
prüfung für Bodenverfestigung mit Zement beschriebenen
Verfahren.
stimmt. Zusätzliche Prüfungen sind bei der Verfestigung indus- zz Prüfen der Druckfestigkeit
trieller Nebenprodukte durchzuführen. Die Prüfkörper werden im Alter von 7 oder 28 Tagen auf
Druckfestigkeit geprüft, wobei die 28-Tage-Frist bei Zemen-
zz Untersuchen des Boden-Zement-Gemisches ten mit langsamer Anfangserhärtung und bei Gegenwart orga-
Am Boden-Zement-Gemisch sind der optimale Wassergehalt und nischer Bestandteile im Boden zweckmäßig ist. Nach ZTVE-
die Proctordichte zu bestimmen. Die erforderliche Zementzugabe StB sind Druckfestigkeiten von 4 N mm−2 nach 7 Tagen und
wird bei grobkörnigen Böden über die Druckfestigkeit, bei ge- 6 N m−2 nach 28 Tagen verlangt. Die Anforderung an den
mischtkörnigen Böden zusätzlich über den Frost-Tau-Wechsel- Frostwiderstand liegt bei < 0,1 % Längenänderung, gemessen
versuch ermittelt. Erfahrungsgemäß ist von folgenden Zement als ∆l/l. Nach ZTVT-StB werden für Tragschichten nach 28 Ta-
--
anteilen auszugehen:
Kies und Sand (GW, GI, GE, SW, SI): 4-7 %;
gen 7 N mm−2 unter Asphaltfahrbahndecken und 15 N mm−2
unter Betonfahrbahndecken verlangt. Vor Prüfen der Druck-
-
und zwar:
bei gemischtkörnigen und feinkörnigen Bodenarten um
-
zz Frost-Tau-Wechselprüfung
nicht mehr als 0,04 t m−3; Die 28 Tage alten Prüfkörper werden bei mindestens 95 % Luft-
bei grobkörnigen Bodenarten mit mittlerem Zementanteil feuchtigkeit und 20 °C für 4 h so auf eine wasseransaugende Filz-
1
per wird dreimal eingestellt und jeweils in drei verschiedenen
Drehstellungen gemessen. Die bezogene Längenänderung H/D
ist auf 0,01 % genau anzugeben und soll kleiner 0,1 % sein
- Gussasphalt
Hohlraumfreies Gemisch aus Splitt, Sand, Füller und Bitu-
men mit einem Bindemittelüberschuss im heißen Zustand.
2 (. Tab. 8.1). Das Bitumen bildet im Mischgut eine zusammenhängende
Phase, in welche das Feinkorn einbezogen ist. Gussasphalt
wird heißflüssig vergossen und eingebaut. Gussasphalt wird
3 8.5 Bodenverfestigung mit bituminösen nicht verdichtet! Der im heißflüssigen Zustand vorhandene
Bindemitteln Bindemittelüberschuss wird durch die Volumenreduktion des
4 Bitumens beim Abkühlen und durch Abstreuen der Oberflä-
Durch das Einmischen von bituminösen Bindemitteln in einen che mit Feinsplitt ausgeglichen (. Abb. 8.17, 8.18 und 8.19).
5
6
Boden und durch das anschließende Verdichten wird das Korn-
gerüst bleibend verkittet. Das bituminöse Bindemittel gibt dem
Boden eine zusätzliche und bleibende Kohäsion, die auch bei
Wasserzutritt wirksam bleibt. Es entsteht eine flexible, frost- und
- Gussasphalt ergibt verschleißfeste Fahrbahnbeläge.
Splittmastix
Hohlraumarmes Gemisch aus Splitt und Asphaltmastix.
Zwischen dem Sand- und Füllerkorn der Asphaltmastix
wasserbeständige sowie lastverteilende Schicht. Die Verfestigung und der Splittkörnung liegt ein angemessener Bereich
7 mit bituminösen Bindemitteln eignet sich für fast alle Bodenar- einer Ausfallkörnung. Die Splittkörnung bildet ein in sich
ten (. Abb. 8.16). abgestütztes Korngerüst. Die Hohlräume der Splittkör-
Neben dem Herstellen bituminöser Fahrbahndecken nung werden vom Mastixmörtel bis auf einen Rest von
8 wird die Bodenverfestigung mit bituminösen Bindemitteln 3–5 Vol.-% eingenommen. Der Splittanteil beträgt etwa
im Oberbau des Straßenkörpers zum Verfestigen der oberen 75 % (. Abb. 8.17, 8.18 und 8.19). Splittmastixbeläge zeigen
9
10
Frostschutzschicht (2. Tragschicht) und in der oberen Zone
des Unterbaus oder Untergrunds als verbesserter Unterbau
oder Untergrund von Straßen, Wegen und Verkehrsflächen - nur geringe Verformungen bei hoher Standfestigkeit.
Asphaltmastix
Dichtes, im heißen Zustand fließbares Mineralstoffgemisch
ausgeführt. Mit bituminösen Bindemitteln verfestigte Böden
sind wasserundurchlässig und eignen sich somit auch für den
- aus Sand, Füller und Bitumen.
Bitumenemulsion
-
11 Dammbau und für Abdichtungsmaßnahmen im Wasserbau. Im Wasser fein verteilte, dispergierte Bitumina.
Die verwendeten bituminösen Bindemittel werden überwie- Verschnittbitumen
12 gend aus Erdöl, und zwar aus asphaltbasischen und gemischt- Durch Zusatz von Verschnittmitteln (Benzin, Petroleum,
basischen Erdölen, gewonnen. Solche bitumenhaltige Erdöle Gas-Öl, Steinkohlenteeröl) in den flüssigen Zustand über-
werden in Venezuela (30–70 % Bitumengehalt) und im Nahen führte Bitumina. Verschnittbitumina werden warm oder
-
13 Osten (15–40 % Bitumengehalt) gefördert. Geringe Mengen an kalt versprüht.
bituminösen Bindemitteln werden beim Verkoken von Kohle Teer
14 und bei der trockenen Destillation von Holz, Kohle und Ölen Flüssige und halbfeste Kohlenwasserstoffe, welche bei der
gewonnen. trockenen Destillation von organischer Substanz, besonders
15
- Folgende Begriffe sind im Gebrauch:
Bitumen
beim Verkoken und Vergasen von Kohle, entstehen. Teer
besteht aus einer großen Vielzahl unterschiedlicher chemi-
16
Bei der Destillation von Erdöl anfallende hochmolekulare
Kohlenwasserstoffe von dunkler Farbe und zähflüssiger bis
- scher Verbindungen (Steinkohlenteer, Straßenteer).
Kaltteer
17
- halbfester Konsistenz. Bitumina sind wasserunlöslich.
Asphalt
Natürliches oder künstliches Gestein, bestehend aus einer
-
Mit Lösungsmitteln verschnittener, dünnflüssiger Teer,
welcher kalt eingebaut werden kann.
Pech
18
- Mischung von Mineralkörnern und Bitumen.
Naturasphalt
Natürliche Vorkommen von bitumendurchtränkten Lo- - Destillationsrückstand von Teerprodukten.
Bitumenhaftkleber
Lösemittelhaltige Bitumenemulsion. Bitumenhaftkleber
-
19 ckergesteinen und porösen Festgesteinen (Vorkommen im dienen zum Verkleben von Asphaltschichten.
Raum Limmer-Eschershausen bei Hannover als poröser Kaltbitumen
20 Kalkstein mit 4–8 Gew-% Bitumen; Asphaltsee auf der Insel Bitumenlösung, die aus weichem bis mittelhartem Stra-
Trinidad; Seienizza in Albanien; Seyssel in Savoyen; Val de ßenbaubitumen besteht. Die Viskosität von Kaltbitumen ist
21
- Travers in der Schweiz; Totes Meer).
Asphaltbeton
- durch Zusatz von leichtflüchtigen Lösemitteln herabgesetzt.
Straßenpech
22
Hohlraumarmes Gemisch aus Splitt, Sand, Füller und
Bitumen. Das Mineralstoffgemisch ist betonartig mit einer
- Lösung von Steinkohlenteer-Spezialpech in Lösemitteln.
Bitumenpech
23
stetigen Abstufung aller Körnungen so aufgebaut, dass im
verdichteten Asphaltbeton ein Porenvolumen von 3–5 %
verbleibt. Beim Erwärmen durch Sonneneinstrahlung
dehnt sich das Bitumen in diesen Hohlraum hinein aus
- Mischung aus Straßenpech mit Bitumen.
Kaltpechlösung
Lösung von Straßenpech in leichtflüchtigen Lösemitteln.
Hierdurch wird die Viskosität herabgesetzt und die Kalt-
(. Abb. 8.17, 8.18 und 8.19). pechlösung ist kalt verarbeitbar.
8.5 • Bodenverfestigung mit bituminösen Bindemitteln
383 8
.. Abb. 8.16 Für das Stabilisieren mit Bitumen geeigneter Bereich der Korngrößenverteilung
.. Abb. 8.17 Asphaltbeton, Struktur des Mischgutes – gleichmäßig abge- .. Abb. 8.19 Splittmastix, Struktur des Mischgutes – grobe Splittkörnungen
stufte Kornzusammensetzung, gleiche Korngrößen sind durch kleinere vonei- > 5 mm bilden ein in sich abgestütztes Korngerüst, die Hohlräume sind bis
nander getrennt auf ein geringes Porenvolumen mit bindemittelreichem Mastix angefüllt
- Füller
Gesteinsmehl einer Korngröße kleiner 0,09 mm. Mit dem
Füller kann ein Teil des Bitumens ersetzt und somit der ent-
Die Bitumenhaut der einzelnen Körner soll möglichst dünn
sein, um die Reibung zwischen den Körnern nicht zu stark zu
verringern. Sie muss aber so dick sein, dass die Körner ausrei-
chend verkittet werden. Durch Zugabe von Füller (Gesteinsmehl)
stehende Asphaltmastix oder Gussasphalt versteift werden. erhöht sich die Gesamtoberfläche des Mischgutes, und der Bin-
Ist in dem zu bearbeitenden Gesteins bzw. Bodenmaterial demittelbedarf nimmt ab.
384 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
3
4
5
6
7
8
9
10 Beim Zentralmischverfahren wird die fertige Mischung zur
Baustelle transportiert, wobei beim Heißeinbau das Abkühlen
des Asphaltgutes während der Transport- und Wartezeiten ver-
11 mieden werden muss.
Das Einhalten der vorgeschriebenen Bindemitteldosierungen
12 in Abhängigkeit von Bitumenmenge und Mischtiefe stellt hohe
Ansprüche an das die Eigenüberwachung und die Kontrollprü-
fung ausführende Personal.
13
zz Eignungsprüfung für bituminöse Bindemittel, Asphalte
14 und bituminös verfestigte Böden
Die Anforderungen an bituminöse Bindemittel sind in DIN 1259
15 geregelt. Mit den Prüfverfahren zum Bestimmen der Eigenschaf-
ten von Bitumina wird ermittelt:
16 .. Abb. 8.21 Verformungsverhalten der Bauweisen Asphaltbeton, Gussas- Erweichungspunkt Ruk (EP Ruk) [°C] nach DIN EN 1426
phalt, Walzgussasphalt und Splittmastix bei gleicher dynamischer Beanspru- Brechpunkt nach Fraaß [°C] nach DIN EN 12593
Das Untersuchen des Bodens erstreckt sich auf Wassergehalt, keit, Beständigkeit, Filterwirkung, Durchlässigkeit und Dichtig-
Kornverteilung, Zustandsgrenzen, Proctorversuch und organi- keit den Erfordernissen von Planung und Nutzung angepasst
sche Bestandteile. Anhand der Kornverteilung wird beurteilt, ob werden. Geotextillagen, Geogitter, Bänder und stabförmige
außerdem eine Verbesserung des Bodens mit Zusatzkörnungen Elemente können als Zugelemente in den Erdkörper eingebaut
notwendig ist. werden oder Teile des Erdkörpers umschließen (Sandsack). Sie
Unter Variation der Bindemittel- und Füllerzugabe sowie dienen der Sicherung geschütteter Böschungen und der Sanie-
evtl. weiterer Zusatzstoffe (Kalkhydrat) werden Prüfkörper nach rung von Erdbauwerken bei Rutschung und Erosion. Durch-
einem modifiziertem Marshall-Verfahren (s. Merkblatt) herge- lässige Gewebe und Vliesstoffe können als Trennschicht, Fil-
stellt. Als Richtwerte für den Bindemittelanteil bei der Eignungs- terschicht und bei Entwässerungsaufgaben als Drän eingebaut
prüfung gelten folgende auf das Trockengewicht der Bodenprobe werden. Geogitter, stabförmige Elemente und Bänder können
--
bezogenen Werte:
Kiessand: 4-6 %;
im Erdkörper Zugkräfte aufnehmen und die Sicherheit gegen
Grundbruch und Geländebruch erhöhen. Mit derart bewehrten
1
2 a
3
4
5
b
6
7
8
9
10
c
11 .. Abb. 8.23 Beispiele für die Verwendung geotextiler Vliesbahnen als Trenn-
.. Abb. 8.22 Beispiele für den Einbau von Geotextilgeweben als Beweh-
rungslagen in Erdbauwerken. a Bewehrungslage unter unbefestigter Straße schicht. a,b nicht filterstabile Schüttlagen auf weichem Untergrund; c nicht
12 bzw. ungebundener Tragschicht über wenig tragfähigem Untergrund; b um filterstabiler Schüttkörper auf weichem Untergrund und unter Dammschütt-
material aus Sand und Kies; d Sickerstrang oder Sickerstützscheibe mit nicht
Schüttlagen umgeschlagene Bewehrungslagen im Damm; c Sicherung über-
steilter Böschungen gegen Geländebruch, Rutschung und Erosion filterstabiler Füllung im zu entwässernden Boden
13
zz Vliesstoffe 8.6.2 Geogitter und Bewehrungsbänder
14 Vliesstoffe bestehen aus flächenhaft übereinander gelegten Fa-
sern, die durch Bindemittel, durch Verschmelzen oder durch Durch lagenweisen Einbau von glatten, quergerippten oder ver-
15 Vernähen einen festen Zusammenhalt erhalten. Vliesstoffe gitterten Zugelementen kann ein Verbundkörper aus Boden und
werden vorwiegend als Trenn- und Filterschicht eingesetzt Bewehrung hergestellt werden. Die Kraftübertragung zwischen
(. Abb. 8.23). Vliesstoffe sind dehnbar und können sich einer Boden und Geogitter oder Bewehrungsband geschieht durch
16 unebenen Unterlage gut anpassen. Sie folgen unregelmäßig ver- Reibung. Das Verfahren kann zum Stabilisieren und Versteilen
formten Grenzflächen zwischen nachgiebigem Untergrund und von Anschüttungsböschungen, Rampen und Dämmen eingesetzt
17 steiniger Schüttung. Vliesstoffe sind wasserdurchlässig. Verrin- werden (. Abb. 9.14 und 9.15).
gerung der Wasserdurchlässigkeit kann durch eingeschlämmte Verwendet werden gewebte Geogitter mit Öffnungen
Bodenpartikel und durch Zusammendrücken des Vliesstoffes > 10 mm, gestreckte Geogitter aus gelochten Kunststoffbahnen
18 verursacht sein. Dies ist beim filtertechnischen Bemessen zu mit vorweggenommener Streckung oder Dehnung, gelegte Geo-
beachten. gitter aus ummantelten Bändern, welche kreuzweise verlegt und
19 an den Kreuzungsstellen verbunden werden, sowie Bänder und
zz Verbundstoffe stabförmige Elemente aus Stahl, Kunststoff und mit Kunststoff
20 Verbundstoffe bestehen aus zwei und mehr unterschiedlichen ummantelten Gewebe- oder Garnlagen.
geotextilen Lagen, die in der Fläche miteinander verbunden sind.
(Als Beispiel sei „Bentomat“ genannt, eine Dichtungsmatte aus
21 einer Gewebelage, einer Bentonitlage und einer Vlieslage. Andere 8.6.3 Folien
als Dränsystem konzipierte Verbundstoffe bestehen aus Sicker-
22 schicht und Filterschicht.) Verbundstoffe werden dort eingesetzt, Folien werden vorwiegend zum Abdichten von Teichen,
wo die Eigenschaften der einzelnen Komponenten gleichzeitig Schwimmbecken und Deponien eingebaut. Der Einbau erfolgt
erforderlich sind. je nach Fall über ebenem, geneigtem, steilem und auch an senk-
23 rechtem Grund. Verwendete Dichtungsbahnen müssen einen
Langzeitschutz unter z. T. gleichzeitiger Einwirkung aller me-
8.7 • Überwachen und Prüfen von Erdbaumaßnahmen
387 8
-
Unterbau verlegt. Der Untergrund sollte ein steinfreier Boden aus Rammsondierungen, Drucksondierungen; . Tab. 8.2);
Ton, Schluff, Lehm oder mit Bentonit verbessertem Sand sein. Ein Wahl der geeigneten Verdichtungsverfahren (Arbeits-
Durchdrücken oder Durchstechen der Folie durch aufragende geräte, Zahl der Übergänge, Abstimmen der Einbauleis-
-
Spitzen, Steine oder Kieskörner muss verhindert werden. Als Un- tungen);
terbau können eingebaute mineralische Dichtungen dienen. Fo- Überprüfen von Verdichtungsgrad und Tragverhalten
lien können in Kombination mit mineralischen Abdichtungslagen (Verformungsmoduln Ev1, Ev2, Evd) und Kontrolle zum
-
und in Kombination mit anderen Folien und Verbundstoffbahnen Einhalten der Verdichtungsanforderungen;
eingebaut werden. Zum Schutz gegen Überdehnen oder Über- Feststellen des Zustandes für den eingebauten verdich-
strecken können geotextile Schutzlagen in das Dichtungssystem teten Boden (Kornzertrümmerung, Wasserdurchlässig-
eingebaut werden. Zum Schutz gegen mechanische Beschädigung keit, Quellerscheinungen, Nachverdichtung, Bildung von
durch Befahren oder andere Gegenstände können mineralische
Schutzschichten (Sand) aufgetragen werden. Die mineralische
- Schmierschichten).
Überwachen der von der Bauleitung veranlassten Maßnah-
Schutzschicht kann zusätzlich Dränfunktion übernehmen.
Im Erdbau und Betonbau können Folien als Trennschicht
(z. B. zwischen Magerbeton im Planum und Betonplatte in der
Bauwerkssohle) eingebaut werden. Die Folie dient als Gleit- und
- men, besonders zur Beseitigung von Schäden.
Durchführen von Kontrollbegehungen an fertiggestellten
oder noch im Bau befindlichen Erdbauwerken.
-
folgende Aufgaben an:
Überwachen der Räumungsarbeiten und Entwässerungsar-
beiten beim Vorbereiten des Baufeldes und beim Herstellen
die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau“
(Bundesminister für Verkehr 1993, 1996) zu beachten. Die
Prüfvorschriften mit Regelungen zur Häufigkeit vorgeschrie-
-
des Dammauflagers: bener Eigen- und Fremdüberwachungen erstrecken sich auf un-
Feststellen des Zustandes für die im Untergrund verblei- gebrauchte Mineralstoffe (Kies, Schotter, Splitt, Lavaschlacken,
- --
benden Bodenarten und Gesteine; Füller, Sand, Recyclingbaustoffe, Schmelzkammergranulat,
Feststellen des Zustandes für die Grundwasserverhältnisse. Steinkohlenflugasche, Müllverbrennungsasche und Stahlwerks-
Überwachen der Aushubarbeiten und Sprengarbeiten: schlacken). Geprüft werden Gewinnungsstätten und Aufberei-
Feststellen des Zustandes für die die bleibende Böschung tung, gesteinskundliche Merkmale und stoffliche Zusammen-
aufbauenden Gesteine, besonders im Hinblick auf einge- setzung, Widerstand gegen Verwitterung, Wasseraufnahme,
--
art und Förderwege; flächigkeit, Schüttdichte, Verdichtbarkeit, Reinheit und schäd-
Feststellen des Zustandes für das entnommene Material; liche Bestandteile, Affinität zu Bitumen, Widerstand gegen
Feststellen des Zustandes für die aufgelockerte Dichte Hitzebeanspruchung, Polierresistenz, organische Bestandteile,
-
nicht geeigneter Massen; Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau“ (TP
Überprüfen von Schüttflächen, Arbeitsweisen beim Gestein), die geforderten Qualitätsmerkmale in den „Techni-
Verteilen von Boden und Mineralgemischen, Einhalten schen Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßen-
der Schütthöhen, Wasserabfluss und Schutzmaßnahmen bau“ (TL Gestein-StB) der Forschungsgesellschaft für das Stra-
bei Niederschlägen. ßen- und Verkehrswesen (FGSV) geregelt.
388 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
Handelskammer öffentlich bestellten und vereidigten Sachver- gen ist in ZTVE-StB geregelt. Die Mindestzahl an Untersuchun-
ständigen vorgenommen. gen ist bei Unterbau und Untergrund 3 Prüfungen pro 5000 m2,
ZTVE-StB 09 gibt unter Pos. 14.1 („Methoden für das Prüfen beim Planum 3 Prüfungen pro 4000 m2, bei Bauwerkshinterfül-
der Verdichtungskennwerte“) und unter 14.5 („Prüfungen bei lungen 3 Prüfungen pro 500 m2 und bei Leitungsgräben 3 Prü-
Bodenverfestigungen und qualifizierten Bodenverbesserungen“) fungen pro 150 m Länge.
Anweisungen zu Art und Umfang der Eigenüberwachungsprü- Das Überprüfen erfolgt nach den „Technischen Prüfvor-
fungen und der Kontrollprüfungen. Für das Prüfen der Boden- schriften für Boden- und Fels im Straßenbau“ (TP BF-StB) mit
verdichtung werden drei unterschiedliche Methoden aufgeführt direktem Bestimmen von Wassergehalt (DIN 18121), Dichte
(14.2.2 bis 14.2.4). und Porenanteil (DIN 18125) sowie Verdichtungsgrad DPr
Methode 1 ist eine Vorgehensweise gemäß statistischem (DIN 18127). Indirekte Prüfverfahren sind Plattendruckversuch
Prüfplan. Die Prüfung für ein Prüflos erfolgt auf Stichproben- (DIN 18134), Dynamischer Plattendruckversuch (TP BF-StB,
basis. Aus den einzelnen Stichproben werden das arithmetische Teil 9), Prüfen der Einsenkung mit dem Benkelman-Balken
Mittel und die Standardabweichung berechnet. Aus beiden Wer- (TP BF-StB, Teil B 8.3), Prüfen des Sondierwiderstandes durch
ten wird eine Qualitätszahl Q gebildet und mit einem Annahme- Ramm- und Drucksondierungen (DIN 4094) und Prüfen durch
faktor k = 0,88 verglichen. Q soll ≥ k sein. Bestimmen des Setzmaßes nach einzelnen Verdichtungsüber-
Methode 2 ist eine Vorgehensweise bei Anwendung flächen- gängen (. Abb. 8.24). Letzteres Verfahren eignet sich bei Grob-
deckender dynamischer Messverfahren („Merkblatt für flächen- schüttungen mit Steinen über 200 mm oder hohem Steinanteil.
deckende dynamische Verfahren zur Prüfung der Verdichtung Für das Zuordnen von Verformungsmodul Ev2 sowie Evd und
im Erdbau“). Die Methode eignet sich für Baumaßnahmen mit Verdichtungsgrad DPr werden in ZTVE-StB Anhaltswerte ge-
großen Tagesleistungen. Die mit nichtlinearen Schwingungen geben.
(Unwucht) arbeitenden Bodenwalzen, z. B. Ammann-Tandem- Bei grobkörnigen Böden können Verdichtungsgrad DPr in
Vibrationswalzen, erlauben eine in den Arbeitsgang des Verdich- der eingebauten Lage und Verformungsmodul Ev2 auf dem Pla-
tens integrierte Verdichtungsmessung, mit der die Bodenstei- num über der eingebauten Lage einander näherungsweise zuge-
figkeit kontrolliert werden kann (Anderegg 1997, 2000; Wehrli ordnet werden.
und Anderegg 1998, 1999). Nach vorangegangener Kalibrierung Bei Kies der Bodengruppen GI, GW entspricht Ev2 ≥ 120
kann bei gleichmäßig zusammengesetztem Boden aus den dy- (≥ 100; ≥ 80) MN m−2 annähernd dem Verdichtungsgrad
namischen Messwerten direkt auf die erforderlichen Werte für DPr ≥ 103 (≥ 100; ≥ 98) %, und bei Sand und Kies der Boden-
Verdichtungsgrad und Verformungsmodul geschlossen werden gruppen SE, SI, SW, GE entspricht Ev2 ≥ 80 (≥ 70) MN m−2 dem
(. Abb. 8.24). Aus dem Kalibrieren kann ein Mindestwert für Verdichtungsgrad DPr ≥ 100 (≥ 98) % (. Abb. 12.4 und 12.5).
den dynamischen Messwert abgeleitet und vereinbart werden. Dem Verhältnis Ev2/Ev1 ≤ 2,3 (2,5; 2,6) kann bei den Bo-
Mit der Methode können Stellen, die ihre Soll-Verdichtung er- dengruppen GW, GI, GE, SW, SI, SE grob der Verdichtungsgrad
reicht haben, erkannt werden; ungenügend verdichtete Stellen DPr = 100 % (98 %; 97 %) zugeordnet werden.
können mit maximaler Leistung bearbeitet werden; nicht ver- Das Prüfen von Bodenverfestigungen und Bodenverbesse-
dichtbare Stellen können ausgewiesen werden. rungen erfolgt nach Methode 3. Der Verdichtungsgrad DPr ist
Methode 3 ist ein Verfahren zum Überprüfen ausgesuchter nach ZTVE-StB 94/97 in jeder eingebauten und/oder verfestigten
Prüfpunkte. Die Mindestanzahl der Eigenüberwachungsprüfun- Lage (Schicht) einmal pro 250 m2 zu prüfen.
390 Kapitel 8 • Erdbau – Bauen in und mit Erde
2 Boden-/Felsart Auflockerung in %
nach dem Lösen
Bleibende Auflocke-
rung (+) Überver-
Schüttgut Umrechnungsgewicht [t m−3]
Basaltschotter 1,55
Feinkorn < 0,06 mm
8 Felsarten
Granitschotter 1,3
Kalkschotter 1,45
Schluffstein, Tonst- 25 bis 30 +2 bis +15
9 ein, Mergelstein
Kalkstein, Sandstein, 35 bis 60 +10 bis +35 das Bearbeiten von Angeboten wichtig. In aller Regel erfolgt die
10 Granit u. a. Einbauabrechnung nach Aufmaß in Quadrat- oder Kubikmetern,
der Verkauf im Steinbruch jedoch nach Tonnen.
16
17
-- Dichte des aufgelockerten Bodens nach dem Lösen;
Dichte des aufgelockerten Bodens beim Transport;
Dichte des im Erdbauwerk eingebauten und verdichteten
Bodens.
Diese Umrechnungsgewichte gelten, soweit sich nicht nach
eigenem Wiegen andere Gewichte ergeben.
Im Baubetrieb kann die Dichte der zu transportierenden Erd-
massen von den in DIN 1055 genannten Umrechnungsgewichten
erheblich abweichen.
18 8.8.1 Faktoren für das Auflockern und zz Direktes Bestimmen durch Wiegen des beladenen LKW
Überverdichten Hierbei wird der LKW gestrichen voll beladen und gewogen.
19 Ermittelt werden das LKW-Leergewicht und das Gewicht des
Beim Lösen von Boden oder Fels ergibt sich in jedem Falle eine beladenen LKW, woraus sich das Gewicht der LKW-Ladung
20 Auflockerung. Der Wiedereinbau des gelösten Materials kennt je ergibt.
nach Boden- und Gesteinsart eine bleibende Auflockerung oder Die gesuchte Dichte des aufgelockerten Bodens beim LKW-
eine Überverdichtung gegenüber den Dichtewerten im anstehen- Transport (aufgelockertes Schüttgewicht) ergibt sich aus:
21 den Boden (. Tab. 8.2).
Die Auflockerung bzw. Überverdichtung wird von den Fak- Gewicht der Ladung
22
= Dichte:
toren Boden- bzw. Gesteinsart, Korn- bzw. Stückform, Korngrö- Volumen des Kastenmaßes
ßen- bzw. Stückgrößenverteilung, Gehalt an organischer Subs-
tanz, Wassergehalt und Witterungsbedingungen beim Einbau Zweckmäßiger werden im Zuge der Baumaßnahmen einzelne
23 sowie von den eingesetzten Geräten und deren Arbeitsleistung beladene LKWs herausgegriffen und über die Waage gefahren.
beeinflusst. Die genaue Kenntnis von Auflockerung und Ver- Beim nachträglichen Bestimmen nach Abschluss der Baumaß-
dichtung ist für den Einkauf von Material im Steinbruch und für nahmen erfolgt das Messen entweder durch Beladen des LKW in
8.8 • Ermitteln des Massenbedarfs bei Auflockerung und Überverdichtung
391 8
der noch offenen Entnahmestelle oder, wenn dies nicht möglich zz Bestimmen der Dichte eines aufgelockerten Bodens
ist, in einer anderen (hierfür angelegten) Entnahmestelle aus der durch Probeentnahme in verschiedenen Schütthöhen
gleichen geologischen Schicht mit den gleichen bodenphysika- auf dem LKW
lischen Eigenschaften. Auf dem beladenen LKW werden in verschiedenen Schichten
Maßgebend für die Dichte der LKW-Ladung ist die Art des zwischen Unterkante und Oberkante des Laderaumes Boden-
Beladens. Diese wird beeinflusst vom Baggertyp, der Löffelbreite, proben ungestört entnommen. Anschließend wird ihre Dichte
der Art der Bodenaufnahme, der Fallhöhe des Löffelinhaltes, der bestimmt. In gleicher Weise kann in einer zum LKW-Laderaum
Art der Ladung (direkt oder nach Zwischenlagerung) sowie von (Kasten) vergleichbaren Höhe die Dichte auch an einem locker
dem Verdichten des Bodens mit dem Löffel beim Absetzen und gelagerten Haufwerk überprüft werden. Die gesuchte Dichte er-
beim Glattstreichen der Ladung. gibt sich als Mittelwert aus den verschiedenen Entnahmeschich-
Beim Transport können Gewichtsänderungen durch Regen, ten. Das Verfahren eignet sich nur für grobkörnige Böden, be-
Verdunsten und durch Ausfließen des mitgeladenen Wassers sonders für Sand.
eintreten.
Probegewicht
= Dichte
Volumen
393 9
Erdbauwerke wie Verkehrsdämme, Lärmschutzdämme, Ram- dann bevorzugt im Inneren eines Dammes und nur bis zu einer
1 pen, Deiche, Staudämme, Aufschüttungen, Anschüttungen und bestimmten Höhe unter Planum eingebaut (meist nur bis maxi-
Halden belasten und verformen den Baugrund. Innerhalb der mal 2 m unter Planum; . Abb. 9.1).
2 Erdbauwerke findet eine Eigenkonsolidation im Schüttmaterial
statt, wodurch Sackungen und Verformungen eintreten. Für was-
serdruckhaltende Deiche und Dämme und für Verkehrsdämme 9.1.1 Grundbruchsicherheit
3 sind zum Vermeiden schadhafter Verformung und Zerstörung von Erdbauwerken
des Dammkörpers eingehende Beurteilungen der Standsicher-
4 heit erforderlich. Die in ihrer Neigung der Standsicherheit des Unter der Last eines Dammes wird der Untergrund belastet. Die
Erdbauwerkes angepasste Böschung ist vor Verwitterung und Grundbruchuntersuchung muss dementsprechend für schräge
5 Erosion zu schützen. Sollen Erdbauwerke aus Platzgründen mit und außermittige Belastung (DIN 4017) durchgeführt werden.
steilen bis senkrechten Wänden gebaut werden, sind zusätzliche Es wird eine Dammhälfte betrachtet. Die Grundbruchfigur führt
konstruktive Baumaßnahmen erforderlich. bei Dämmen sehr tief, jedoch ist die wirksame Tiefe meist durch
6 die geologischen Verhältnisse begrenzt, etwa durch die Grenz-
schicht zu einem Boden hoher Scherfestigkeit (. Abb. 9.2). Bei
7 9.1 Standsicherheit von Erdbauwerken geringer Mächtigkeit der weichen Schicht ist entsprechend nur
ein seitlicher Teil des Dammes durch Grundbruch gefährdet. Bei
8
--
Folgende Nachweise sind gegebenenfalls zu erbringen:
Abschätzen der Standsicherheit;
geschichtetem Untergrund müssen mehrere geometrisch mög-
liche Bruchfiguren untersucht werden (. Abb. 9.3). Bei schrä-
9
--Abschätzen der Sicherheit gegen Grundbruch;
Abschätzen der Sicherheit gegen Böschungsbruch;
ger Auflagerungsfläche, so bei hangparallelen Dämmen, ist die
Grundbruchsicherheit deutlich geringer. Werden Dämme auf
-Untergrund;
Abschätzen der zu erwartenden Setzbeträge aus dem Un-
rechnen. Die Standsicherheit muss dann bei stark verminderter
Scherfestigkeit des Untergrunds (φ = 0) nachgewiesen werden.
-
11 tergrund;
Abschätzen der zu erwartenden Sackungsbeträge und
12 Verformungen aus Eigenkonsolidation im Schüttmaterial 9.1.2 Böschungsneigung und Sicherheit
(. Abb. 9.9). gegen Böschungsbruch
13 Weiterhin sind Aussagen zu treffen zu Gefahren und möglichen Bei Dammkörpern ist auf die Ausbildung der Böschung unter
14
--
Schäden wie
Erosion in Böschung und Schulter,
den gegebenen Bodenverhältnissen zu achten. Dies betrifft Bö-
schungsneigung, Böschungssicherung und Erosionsschutz. Die
15 --Subrosion im Erdbauwerk,
Subrosion im Untergrund,
Neigung der Böschung eines Dammes ist auf die Scherfestigkeit
des Schüttmaterials und des Untergrundes abzustimmen. Bei zu
--
Frostschäden in Böschung und Planum,
Bodenkriechen in der Böschung,
steiler Böschung kommt es zum Böschungsbruch, wobei auch
Teile des Untergrundes in die Verformung einbezogen werden
-
16 Schichtfließen in der Böschung, können. Bei Dammschüttungen aus veränderlich festem Gestein
Erosion und Auskolken am Böschungsfuß unter Wasser. oder quellfähigem Tongestein ist die durch den Witterungspro-
17 zess sich eventuell verringernde Scherfestigkeit anzugeben.
Zu beachten sind DIN EN 1997, DIN 1054, 4017, 4019, 4084, Die zulässige Böschungsneigung kann nach DIN 4084 be-
4085 und das „Merkblatt über Straßenbau auf wenig tragfähi- rechnet und überprüft werden.
18 gem Untergrund“ (Arbeitsgruppe „Erd- und Grundbau“ der Die in DIN 4084 vorgeschriebenen Sicherheiten können, be-
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen 2010). sonders unter Berücksichtigung der sich einstellenden Kohäsion,
19 Solche rechnerischen Abschätzungen können z. B. ergeben, in Abstimmung zwischen Bauherrn und Genehmigungsbehörde
dass unter einem geplanten Damm ein tiefgründiger Bodenaus- niedriger gewählt werden. In der Praxis hat es sich als sinnvoll
20 tausch mit entsprechendem Verdichten durchzuführen ist. Beim erwiesen, Sandböden mit einem Reibungswinkel φ = 35° mit Re-
Einbau witterungsempfindlichen Dammschüttmaterials ist auf gelneigungen 1:1,5 abzuböschen.
ein Quergefälle von 6 % zu achten. Dies betrifft besonders ver- Bei Dammschüttungen aus einheitlichem Bodenmaterial mit
21 änderlich festes Gesteinsmaterial und die letzte Schüttlage vor einfachen Auflasten und einfachen Grundwasserverhältnissen
einer Arbeitsunterbrechung. kann das Bestimmen der Böschungsneigung durch Anwenden
22 Müssen in einem Damm Bodenarten mit unterschiedlichen von Tafeln oder Nomogrammen erfolgen. Hierbei gelten für
bodenmechanischen Eigenschaften, wie z. B. feinkörnige, stär- Dämme die gleichen Werte wie für Einschnitte (. Tab. 7.2).
ker zusammendrückbare neben grobkörnige Böden, eingebaut Für Böschungen oberhalb des Grundwasserspiegels können
23 werden, so ist hierfür ein Einbauschema festzulegen. Böden mit die Verfahren von Fellenius (1947; . Abb. 7.1), Taylor (1948)
ungünstiger Konsistenz und geringer Scherfestigkeit werden oder Jelinek (1955; . Abb. 7.2) verwendet werden. Gleiche
9.1 • Standsicherheit von Erdbauwerken
395 9
.. Abb. 9.1 Dammbauweisen bei
witterungsempfindlichem Schütt-
material im Verbund mit witterungs-
stabilem Schüttmaterial aus Sand,
Kies oder Schotter. a Kernbauweise;
b Sandwich-Bauweise; c kapillarbre-
chende Dammsohle und Sicherung
a .. Abb. 9.3 Beispiele für ungünstige Gleitfugen in einem Damm auf ge-
schichteten Untergrund
tan 'k
tan ˇ = bzw. tan ˇ = tan 'd :
'
b
Folgende mögliche Neigungen werden in der Literatur für grob-
--
.. Abb. 9.2 Mögliche Grundbruchfiguren unter einem Damm mit Kraftan-
satz und relativer Größenverteilung für die Schubspannung σx. a Bei tiefgrün- körnige Böden mitteldichter bis dichter Lagerung angegeben:
Feinsand 1:2;
-
dig weichem Boden; b bei begrenzter Tiefe der weichen Schicht
Grobsand 1:1,7;
Böschungsneigungen und gleiche Sicherheitsnachweise für die Kies und Steine 1:1,5.
Gebrauchstauglichkeit, wie unter ▶ Abschn. 7.1.1 für Gelände-
einschnitte und Anschnitte im anstehenden grobkörnigen Boden Böschungen sind gegen Abtrag und Erosion zu schützen. Bei
aufgeführt, gelten auch für Böschungen von Erdbauwerken aus starker Durchnässung neigen nicht ausreichend verdichtete
gleichmäßig verdichtetem grobkörnigen Boden (. Tab. 7.2). Die Böden zum Ausfließen. Als murenartige Massenbewegung
in DIN 4084 genannten Sicherheitsbeiwerte müssen aber zusätz- können sich Teile der Böschung in Bewegung setzen und tiefe
lich berücksichtigt werden. Die zulässige Böschungsneigung β ist Erosionsrinnen hinterlassen. Rechtzeitiges Bepflanzen der Bö-
396 Kapitel 9 • Standfestigkeit und Sicherung von Erdbauwerken
1
2
3 .. Abb. 9.4 Schubspannungen (Spreizkräfte) in der Sohle eines Dammes
4
5
6
.. Abb. 9.5 Abtreppung des geneigten Geländes unter einem Damm zum
Erhöhen der Gleitsicherheit
7
schung hilft witterungsbedingtes Auflockern und Erosion zu
vermeiden.
8 Dammschüttungen aus veränderlich festem Gestein können
nach längerer Zeit instabil werden. Soweit steile Böschungen,
9 für die nur anfänglich Standfestigkeit nachgewiesen werden
kann, realisiert werden sollen, bietet sich neben Stützmaßnah-
10 men auch im Bereich der der Witterung ausgesetzten Deck-
schichten des Dammes die Wahl eines anderen standfesten
Bodenmaterials an. Besonders gefährdet sind nach Südwest
11 exponierte Böschungen. Erhöhte Stabilität und günstige Drän-
wirkung bietet die Sandwich-Bauweise (. Abb. 9.1b). Nachteil
12 der Sandwich-Bauweise ist die ständige Durchfeuchtung der
Böschungsflächen jeweils in Höhe der durchlässigen Schicht.
Bewährt hat sich die Anwendung von Geotextilien
13 (. Abb. 8.22, 8.23).
14
9.1.3 Gleitsicherheit von Erdbauwerken
15 .. Abb. 9.6 Beispiele für das Abstützen von Dämmen auf geneigtem
Untergrund. a Stützbauwerk aus einem verdichteten Erdkern (Reibungsfuß);
Unter der Last eines Dammes wird der Untergrund durch verti-
b,c Stützwand oder Stützmauer bei Gründung auf geneigter Felsoberfläche.
kale und durch schräg nach außen gerichtete Spannungen belas-
16 tet (. Abb. 9.4). Wenn die hieraus resultierenden horizontalen
(Umgezeichnet nach Kézdi und Marko 1969)
.. Tab. 9.1 Der für die Gleitsicherheit erforderliche Reibungswinkel des Untergrundes φ2 bei einer Dammböschung mit Neigung β und einem Damm-
schüttmaterial mit Reibungswinkel φ1. (Nach Rendulic 1938)
β [°] φ1 [°]
10 15 20 25 30 35 37,5
35 19°30′ 14°20′
37,5 19°30′
A ist die für die Kraftübertragung maßgebende Fläche Scherfestigkeit zur Verhinderung eines Grundbruches ausreicht.
ist der charakteristische Wert der Kohäsion im undränierten Zustand
Cu,k Danach ist die Setzung abzuwarten. Die eintretende Verdichtung
bewirkt eine Erhöhung der Scherfestigkeit und erlaubt weiteres
Für einen konsolidierten Boden im Untergrund, z.B eingetreten stufenweises Aufschütten bis zur Endhöhe. Mögliche Versa-
nach schichtweisem Erdauftrag, ergibt sich der charakteristische gensmechanismen sind in . Abb. 9.2 und 9.3 dargestellt. Ste-
Wert des horizontal wirkenden Gleitwiderstandes zu (Ziegler hen im Untergrund von geplanten Dämmen, Aufschüttungen,
2004) Anschüttungen, Rampen, Halden weiche und wenig tragfähige
Böden an, so ist es möglich, dass diese durch die aufgebrach-
R, k = Vk tan '2, k + Ack ten Lasten seitlich ausgequetscht werden, also ein Grundbruch
eintritt (Weißenbach, Hettler 2010). Es ist ein Nachweis zur
oder Grundbruchsicherheit zu führen. Ein solcher Nachweis erfolgt
nach den Vorgaben der DIN 4017 und/oder über den Nachweis
R, k = Vk tan ıS,0 k der Geländebruchsicherheit mit dem Berechnen von Gleitkrei-
sen nach DIN 4084 und DIN 1054. Besonders bei begrenzter
Für das rechnerische Abschätzen der Gleitsicherheit sind die Mächtigkeit der gering tragfähigen Bodenschicht ist jedoch zu
charakteristischen Bodenkennwerte (Gk) nach DIN EN 1997 prüfen, ob sich die der Grundbruchfigur nach DIN 4017 zu-
und DIN 1054: 2010 in Bemessungswerte (Gd) zu überführen grundeliegende Bruchfigur ausbilden kann oder ob der weiche
(Abschn. 11.2.3). Entsprechend sind die die Einwirkung und Boden unter der Last der aufgebrachten Schüttungen in situ
Beanspruchung Gk bestimmenden charakteristischen Boden- komprimiert wird.
kennwerte nach GEO 2 mit dem Teilsicherheitsbeiwert γG zu Die Anfangsstandsicherheit für eine größtmögliche Schütt-
multiplizieren und zum Bemessungswert Gd bzw. Sd zu vergrö- höhe wird mithilfe von Gleitkreisen berechnet. Die Standfestig-
ßern, und die den Bodenwiderstand Rk bestimmenden Boden-
kennwerte durch den Teilsicherheitsbeiwert γG zu dividieren und
--
keit eines Dammes hängt von folgenden Größen ab:
Dammhöhe h;
zum Bemessungswert Rd zu verkleinern. Für die so berechneten
Größen der Schubkraft Sd und dem Bodenwiderstand Rd muss
-- Dicke der weichen Schicht d;
Verhältnis h/d;
die Ungleichung erfüllt sein.
9.1.4 Abschätzen der Standsicherheit über Die größtmögliche Schütthöhe ergibt sich zu:
wenig tragfähigem Untergrund
cu Ncˇ
h= :
Die Standsicherheit ist bei Erdbauwerken über wenig tragfähi- k
gem Untergrund jeweils für den Anfangs-, Zwischen- und End-
zustand zu ermitteln. Weicher Baugrund ist im Regelfall wenig Ncβ ist ein Tragfähigkeitsfaktor mit Zahlenwerten zwischen 5
durchlässig und neigt beim Belasten zu Porenwasserüberdruck und 12, welcher über die Verhältnisse β/φ′ und h/d ermittelt
mit Erniedrigung der Scherfestigkeit. Aufschüttungen sind wird („Merkblatt über Straßenbau auf wenig tragfähigem Un-
stufenweise vorzunehmen. Die erste Aufschüttung darf nur tergrund“). In Konsequenz hierzu ergibt sich, dass die Anfangs-
so hoch vorgenommen werden, dass die anfangs vorhandene standfestigkeit hoher Dämme flache Böschung erfordert.
398 Kapitel 9 • Standfestigkeit und Sicherung von Erdbauwerken
23 h/t 0,858 0,465 0,293 0,200 0,141 0,108 0,079 0,064 0,050 0,043 0,036
F = c / (γDh) 0,1875 0,1848 0,1835 0,1827 0,1822 0,1820 0,1818 0,1817 0,1816 0,1815 0,1814
9.1 • Standsicherheit von Erdbauwerken
399 9
1 .. Tab. 9.3 Voraussichtliches Maß der vertikalen Verformung p und der horizontalen Verformung q aus der Dammsackung. (Nach Kézdi und Marko 1969)
3 p [%] q [%]
Löss, Humus 6 5 4 10 6 5
5 Ton 10 6 5 12 8 6
k hf¢ :
dem „Merkblatt über Straßenbau auf wenig tragfähigem Unter-
20 grund“ das Berechnen des Gesamtsetzmaßes unter Dammmitte. fσ ist ein Einflussfaktor mit Zahlenwerten zwischen 0,3 und
Dieses ergibt sich aus der Addition der Setzmaße von Sofortsetzung 1, welcher über das Verhältnis z/b′ (z = 0,5 d) ermittelt wird
s0, Primärsetzung s1v und Sekundärsetzung s2 (▶ Abschn. 11.5.6). („Merkblatt über Straßenbau auf wenig tragfähigem Unter-
21 grund“ 2010 FGSV). Die Schichtdicke d ist anzusetzen, wenn
zz Sofortsetzung die zu entwässernde weiche Schicht über geringdurchlässigen
22 Beim Belasten des Baugrundes tritt durch elastisches und durch Schichten (z. B. Ton) liegt. Für die Schichtdicke d ist der halbe
plastisches Verformen Kompression der Bodenluft und seitliches Wert (0,5 d) anzusetzen, wenn die zu entwässernde weiche
Verdrängen weicher Bodenschichten das Setzmaß s0 ein. Nach Schicht zwischen oder über gut durchlässigen Schichten (z. B.
23 der Elastizitätstheorie ergibt sich das Setzmaß für die Sofortset- Sand) liegt und das Entwässern nach oben und unten erfolgen
zung s0 zu: kann.
9.1 • Standsicherheit von Erdbauwerken
401 9
.. Tab. 9.4 Formeln zum Berechnen der Primär- und Sekundärsetzung von Dämmen. (Zusammenstellung nach Floss 1971, 1979)
Terzaghi (1925) h0 p0 + p 1
s= log =0
Cp p0 Cs
Koppejan (1948)
1 1 p0 + p 1 ˛p p
s = h0 + log t log =
Cp Cs p0 Cp p0 + p
log
p0
1 ˛s p
=
Cs p0 + p
log
p0
Der zeitliche Ablauf der Primärsetzung mit Zeitfaktor τv d2 ist die Dicke des erstverdichteten Bodenbereiches. CB ist eine
kann aus Konsolidationsbeiwert cv, Wartezeit t und Schicht- Stoffkonstante mit Zahlenwerten für Torf und Faulschlamm zwi-
stärke d abgeschätzt werden: schen 0,1 und 0,5, für Auelehm zwischen 0,002 und 0,004. d2 ist
die für den Zeitfaktor τv maßgebende Schichtdicke, t1 ist ein Zeit-
v = cv t =d 2 : punkt nach dem Ende der Primärsetzung, α ist ein empirischer
Faktor in der Größenordnung 4.
Die Konsolidationsbeiwerte cv für weiche Schichten (Torf, Faul- Die Gleichung gilt nur, solange sich s2 < s1 ergibt.
schlamm, Auelehm) liegen in der Größenordnung 10−6 bis
10−4 m2 s−1, bzw. 1 bis 100 m2/a. zz Beschleunigen der Setzung durch den Einbau
von Vertikaldräns
zz Sekundärsetzung Durch den Einbau von Vertikaldräns (▶ Abschn. 8.2.1) kann
Die Sekundärsetzung s2 wird durch langanhaltendes Verformen, das Entwässern und damit das Setzen beschleunigt werden.
Verlagern und parallelschichtiges Ausrichten von Bodenteilen im Der Zeitfaktor für die horizontale Entwässerung τh wird vom
Baugrund bewirkt. In weichen organischen Böden kann Sekun- Drändurchmesser dw (Bohrlochdurchmesser von Sanddräns und
därsetzung auch durch Wasserabgabe der Torffasern verursacht kreisrunden Kunststoffdräns; bei Flachdräns mit Breite bw gilt:
sein. Der Sekundärsetzungsanteil s2 kann nach dem „Merkblatt dw ≈ 2 bw/π) und dem mittleren Dränabstand de gesteuert:
über Straßenbau auf wenig tragfähigem Untergrund“ 2010 für
die Bedingung t > d2/cv abgeschätzt werden: h cv t =de2 :
t zz Horizontalverformungen
s2 ˛d2 CB log :
t1 Unter der Dammauflast wird weicher Untergrund horizontal
verformt. Dieses Verformen wird auf das Erdbauwerk Damm
übertragen. Größere horizontale Verformungen können sich
402 Kapitel 9 • Standfestigkeit und Sicherung von Erdbauwerken
bei Grundbruch oder Geländebruch einstellen. Horizontale zeitlich begrenzter Wirksamkeit. Das Verfahren eignet sich zum
1 Verformungen durch Kompaktion sind von Dammauflast und Befestigen von Unter- und Oberboden. Der Auftrag kann auch
Steifigkeit des Baugrundes abhängig. Nach Floss (1997) kann zusammen mit Samen und Nährstoffen erfolgen.
2 die horizontale Verformung des Untergrundes bei 10–15 % der
Dammsetzung liegen. zz Auftrag von Mutterboden
Auf die Böschung aufgetragener Mutterboden kann bei Was-
3 sersättigung abrutschen. Schutz hiervor bietet der Einbau von
9.2 Sichern der Erdbauwerke Flechtzäunen, Flechtmatten, Faschinen, Drahtskelettkörpern
4 vor Verwitterung und Erosion und Strukturmatten (. Abb. 7.8 und 14.9). Das Aufbringen von
Rasen kann durch Saat oder durch Verlegen von Rasensoden er-
5 Erdbauwerke sind vor Auflockerung, Erosion und Deflation zu folgen (. Abb. 7.9).
schützen. Der Erosionsschutz erfolgt bei vom Wasser berührten
Teilen im Rahmen der Querschnittsgestaltung und Ufersiche- zz Böschungspflaster
6 rung von Fließgewässern (▶ Abschn. 14.1 und 14.2), dem Deck- Böschungspflaster dienen dem Stabilisieren von Erdböschungen
werksbau beim Küstenschutz (▶ Abschn. 14.3) und der Konstruk- gegen Erosion, besonders gegen Erosion durch Betreten. Häu-
7 tionsart von Staudämmen (▶ Abschn. 14.5.7). Bei der Witterung fig angewendet werden Böschungspflaster unter Brücken und
ausgesetzten Böschungen kann die Sicherung durch Begrünen Dächern sowie in ariden Gebieten. Soweit möglich, sollten Bö-
bzw. Bepflanzen und/oder durch Einbau technischer Bauelemente schungspflaster mit Pflanzen (z. B. Begrünen durch Steckhölzer)
8 (Steinschüttungen, Böschungspflaster, mit Holz oder Geotextil kombiniert werden (. Abb. 7.10).
bewehrte Bodensysteme) erfolgen. Zu beachten sind das „Merk-
9 blatt für einfache landschaftsgerechte Sicherungsbauweisen“ und zz Sichern mit Formsteinen
die „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil Landschafts- Zum Sichern von Böschungen können vor diesen Betonform-
10 pflege“ (RAS-LP) Abschnitt 3: „Lebendverbau“ (RAS-3) der For- steine aufgeschichtet werden. Sie schützen vor Erosion und
schungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Verwitterung. Die Öffnungen der Formsteine werden meist mit
Erosionsschäden an frischen Erdbauwerken können die Mutterboden, gelegentlich auch mit Beton verfüllt.
11 Folge mangelnder Verdichtung sein. Erosionsschäden können
in Planum und Böschung vom ablaufenden Niederschlagwas- zz Sichern mit Geotextilien
12 ser verursacht sein. Auch frisch angelegte Pflasterungen können Böschungsflächen können mit Geotextilien (▶ Abschn. 8.6) be-
bei Starkregen ausgewaschen und zerstört werden, ohne dass wehrt und gesichert werden. Begrünen kann durch Einbau von
hier ein Baufehler vorliegt. Die Festigkeit einer Pflasterdecke Buschlagen und Weidenstecklingen eingeleitet werden.
13 stellt sich erst im Zuge der Nutzung ein. Bei Deichbauwerken
und dammgeführten Kanälen können Hohlräume (Wühlgänge,
14 Bohrlöcher) und mangelnde Verdichtung, besonders im Bereich 9.3 Konstruktive Böschungssicherung bei
von Bauwerkshinterfüllungen, zu Erosionsgrundbruch (▶ Ab- Erdbauwerken
15 schn. 6.3.2) und katastrophaler Zerstörung führen. In Deichbau-
werken steigt mit der Dauer anhaltender Hochwasserstände der Erdbauwerke, die aus Platzgründen mit steilen bis senkrechten
Grundwasserstand. Im Damm werden die rückhaltenden Kräfte Wänden gebaut werden sollen, sind durch zusätzliche Stütz-
16 abgebaut. Dies betrifft Auftrieb, Aufweichen, Abbau der Scher- konstruktionen zu sichern. Anwendungsfälle ergeben sich u. a.
festigkeit und der Strömungskraft des Grundwassers in den bei Stütz- und Rampenkonstruktionen im Straßen- und Bahn-
17 unter Wasser liegenden Erdmassen sowie Wegfall der Stützlast bau, bei Brückenwiderlagern, bei hangparallelen und gestaffel-
erodierter oder abgerutschter Erdmassen (▶ Abschn. 14.1, 14.2 ten Fahrbahnen in Hanglage, bei Ufermauern und Kaianlagen
und 14.3). sowie bei in Erdbauweise hochgezogenen Schallschutzwällen.
18 Zum Abstützen können Winkelstützmauern, Stützkonstruktio-
zz Verdichten der Böschungsschulter nen nach dem System „Bewehrte Erde“ und in sich verankerte
19 Beim lagenweisen Einbau in Dammstrecken, Anrampungen Stützkonstruktionen mit Zugbewehrung aus Geotextilien gebaut
und Bauwerkshinterfüllungen ist auf ausreichendes Verdichten werden.
20 in der Böschungsschulter zu achten. Das direkte Verdichten der
Böschungsfläche, z. B. durch Überfahren mit einer Radwalze,
kann zum Verringern der Erosionsgefahr während der Bauzeit 9.3.1 Winkelstützmauern
21 beitragen. Möglich sind auch vorübergehende Oberflächensiche-
rungen mit Bindemitteln. Winkelstützmauern verlangen deutlich größere Baugruben als
22 Schwergewichtsmauern und werden bevorzugt zum Abstützen
zz Auftrag von Bindemitteln von Aufschüttungen erstellt (. Abb. 9.10a, h). Die böschungs-
Auf zu schützende Böschungsflächen können biochemische Bin- seitige Rückwand muss durch Verbau gesichert werden, soweit
23 demittel oder Klebstoffe (Alginate, Kunststoffdispersionen oder nicht sicher ist, dass sie für die Bauzeit standfest ist. Dies ist ein
Kunststoffemulsionen) aufgebracht werden. Durch Verkitten wesentlicher Kostenfaktor beim Vergleich von Winkelstützmau-
der Bodenteilchen bildet sich auf der Oberfläche ein Film mit ern mit anderen Stützbauwerken. Wichtig ist die Reibung unter
9.3 • Konstruktive Böschungssicherung bei Erdbauwerken
403 9
.. Abb. 9.10 Querschnittsformen
von Winkelstützmauern. a,b Win-
kelstützmauern mit Aushub bzw.
Hinterfüllung; c–e Winkelstützmauer
mit Sporn zur Erhöhung der Gleit-
sicherheit (Kézdi und Marko 1969);
f Beispiel für die Entwässerung
einer Winkelstützmauer; g Winkel-
stützmauer mit Querschotten (Voth
1976); h Winkelstützmauer mit
Kragplatte bei Abtragsböschungen;
i Winkelstützmauer mit luftseitiger
Auskragung (Voth 1976); k Winkel-
stützmauer, gegründet auf einer
Bohrpfahlreihe
der großen Grundfläche. Fragen der Bodenpressung und Trag- Mauertyp wird zur Bereitstellung von Nutzflächen verwendet
fähigkeit des Baugrundes sind bei diesem Mauertyp von nach- und ist nach erdstatischen Kriterien für eine Winkelstützmauer
geordneter Bedeutung. weniger typisch.
Winkelstützmauern müssen immer bewehrt sein. Der Ma- Die Kombination von Bohrpfahlreihen mit aufgesetzter
terialbedarf an Beton und Stahl ist geringer als bei massiven Mauer (. Abb. 9.10k) wird an Hängen mit späterer Gelände-
Schwergewichtsmauern. Sie können zusätzlich durch Querschot- erhöhung verwendet. Diese Konstruktion vereinigt die Vorteile
ten stabilisiert werden (. Abb. 9.10g). Sonderformen sind Win- der Bohrpfahlwand (keine Baugrube) mit den Vorteilen der Win-
kelstützmauern mit Kragplatte (. Abb. 9.10h). Diese rückwärts kelstützmauer (glatte Wand). Die Stützwand wird als Winkel-
auskragende Platte bewirkt ein rückdrehendes Moment, wodurch stützwand oder als verankerte Stützwand aufgesetzt.
sich der Raum für den Aushub verringert. Besondere Überlegungen hinsichtlich des Erddruckansatzes
Stützmauern mit luftseitiger Auskragung (. Abb. 9.10i) kom- erfordern Winkelstützmauern mit erdseitigem Horizontalschen-
men bei steilen Geländeverhältnissen zur Anwendung. Dieser kel. Dabei bildet sich unter der üblichen Annahme einer geringen
404 Kapitel 9 • Standfestigkeit und Sicherung von Erdbauwerken
1
2
3
4
5 .. Abb. 9.13 Wirkungsweise einer Winkelstützmauer bei einfachen Bo-
denverhältnissen. Der Resultierenden REa,G aus Gewichtskraft G und aktiver
Erddruckkraft Ea stehen die Widerstände R aus passiver Erddruckkraft Ep und
6 Sohlschubwiderstand Rt entgegen. Für den Nachweis der Gleitsicherheit ist
der Nachweis zu führen, dass Eahd − Ephd ≤ Rtd. Der Bemessungswert des Sohl-
schubwiderstandes ergibt sich aus Rtd = tanδsk(Ged + Gwd) / 1,5. Zusätzlich
7 sind Nachweise gegen Kippen, Grundbruch und Geländebruch zu führen.
Lage und Ansatz der einwirkenden Kräfte ergeben sich aus . Abb. 7.20
8 0
.. Abb. 9.11 Diagramm zum Bestimmen des Gleitwinkels #a aus den Para- rizontaler Abstand: 30–100 cm, vertikaler Bandabstand bzw.
metern β und φ Höhe der Schüttlage: 30–40 cm) wird der geschüttete Damm
9 als Verbundkörper ausgebildet. Die Verbundwirkung kommt
dadurch zustande, dass die Stahlbänder Zugspannung aufneh-
10 men und diese über Reibungskräfte in den eingebauten Boden
abtragen. Dieses Verbundsystem verfügt über eine große Zug-
und Scherfestigkeit und wirkt als Verbundkörper wie ein mo-
11 nolithischer Block. Das Abstützen des Füllbodens gegen den
luftseitigen freien Raum geschieht durch vorgehängte Beton-
12 platten, Stahlbleche und auch durch vorgehängte bepflanzbare
Behälter aus Stahlbeton mit entsprechend geformter Rückseite.
Ein großer Teil des Erddruckes wird durch Verspannung des
13 Füllbodens in den Bewehrungsbändern abgetragen. Neben den
ursprünglichen Zugbändern aus Stahl kommen auch Gewebe-
14 bänder und Gitter aus Kunststoff (Geogitter) zum Einsatz. Zu
beachten sind die „Bedingungen für die Anwendung des Bau-
15 verfahrens ‚Bewehrte Erde‘“ (BMV 1985). Die Einbindetiefe der
.. Abb. 9.12 Gleitflächen bei Winkelstützmauern. (Grasshoff 1980) tiefsten Schüttlage der Stützkonstruktion „Bewehrte Erde“ unter
Gelände ist von ihrer Höhe abhängig und soll bei waagerech-
16 Drehbewegung ein Rutschkeil gemäß . Abb. 9.11 und 9.12. Aus tem Gelände mindestens 0,1 h und bei geneigtem Gelände min-
dem in . Abb. 9.11 dargestellten Diagramm kann mithilfe des destens 0,2 h betragen. Für den Einbau eignen sich Sand- und
17 Parameters β/φ für einen beliebigen Reibungswinkel φ der Gleit- Kiesböden. Der Verfüllboden soll folgenden Anforderungen
winkel #a0 abgegriffen werden.
Die Gesamtdruckbelastung RE einer Winkelstützmauer setzt
--
genügen:
witterungsbeständiges und wasserdurchlässiges Material;
--
18 sich aus der aktiven Erddruckkraft Ea an der Gleitfläche unter keine organischen Bestandteile;
Zugrundelegung eines Wandreibungswinkels δa = φ und dem Feinkornanteil unter 15 %;
--
19 Gewicht G des Erdprismas zwischen der Gleitfläche A-B und Kornanteil über 100 mm unter 25 %;
der Mauer zusammen (. Abb. 9.12 und 9.13). zulässiges Größtkorn 250 mm;
20 Reibungswinkel für den verdichteten Boden > 25°.
.. Abb. 9.14 Stützkonstruktion nach dem System „Bewehrte Erde“ (Terre armée)
Für Stützbauwerke nach dem System „Bewehrte Erde“ sind nen sind unempfindlich gegen Setzungen und können bei Ver-
für die äußere Standsicherheit, die Grundbruchsicherheit nach wendung weitmaschiger Gewebe auch begrünt werden.
DIN 4017, die Gleitsicherheit nach DIN 1054, die Sicherheit
gegen Geländebruch nach DIN 4084 und die Kippsicherheit
nachzuweisen. Die erforderliche Länge der Bänder sollte experi- 9.3.3 Stützbauwerke aus TEXSOL
mentell in einem Zugversuch geprüft werden. Die Mindestlänge
der Bänder in den Stützmauern ist für die Wirtschaftlichkeit der Durch Mischen von Boden und Synthesegarn entsteht ein bewehr-
Bauweise maßgebend, bei der Bodenmaterial (z. B. bei Hangan- ter Boden (reinforced soil, Saran 2010), der sich für Böschungssi-
schnitten) abzugraben und wieder einzubauen ist. cherungen und Stützbauwerke eignet. Mit diesem Baustoff können
Für die Standsicherheitsnachweise eines Stützbauwerkes Stützmauern mit gedrungenen Querschnittsformen (. Abb. 7.19,
nach dem System „Bewehrte Erde“/„Terre armée“ wird ange- Reihe 1 und 2) hergestellt werden. Für das Verfahren eignen sich
nommen, dass sich dieses als monolithischer Körper/Block ver- grobkörnige und gemischtkörnige Böden mit einem Größtkorn
hält. Die Nachweise werden wie bei einer Schwergewichtsmauer unter 20 mm. Die Kornverteilung soll den Anforderungen
berechnet (Möller 2012).
Unter der Bezeichnung „Polsterwand“ werden Stützwände d90 < 5 mm;
in Anlehnung an das Prinzip „Bewehrte Erde“ mit einer Außen- d10 < 0;08 mm
haut aus Geotextilien gebaut. Verwendet werden Gewebe, Vliese,
Gitter und Matten. Dabei werden die Geotextilien je Einbaulage genügen. Für permanente Stützbauwerke werden vielfaserige
über die ganze Grundrissfläche verlegt, mit Bodenmaterial über- Garne aus Synthetikkunstfasern (Polyester/PES) mit hoher Reiß-
schüttet und an der Luftseite umgeschlagen. Diese Konstruktio- festigkeit (30 cN/tex) dem Boden beigemischt. Die Zusammen-
406 Kapitel 9 • Standfestigkeit und Sicherung von Erdbauwerken
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12 .. Tab. 9.5 Mindestwerte für den Verdichtungsgrad DPr und den Ver-
formungsmodul Ev2 von Verfüllboden beim Stützbauwerk „Bewehrte
Erde“
13
Bodenarten nach Verdichtungsgrad Ev2
DIN 18196 Dpr [%] [N mm−2]
14
GE, SE, SW, SI 97 80
GU, GT 100 60
16 SU, ST 97 45
Sicherungsmaßnahmen
in durch Rutschung
gefährdetem Gelände
Wolfgang Dachroth
1
Sicherungsarbeiten zu den in den ▶ Abschn. 2.6.1 und 2.6.2 be-
schriebenen Rutschungstypen „Kippen“ und „Fallen“ heißen
Felssicherungsarbeiten. Sicherungsarbeiten zum Rutschungstyp
-- geringe Gefährdung,
keine Gefährdung.
2 „Fließen“ (▶ Abschn. 2.6.3) fallen unter die Begriffe „Wildbach- Die kartierten Daten sind nach Möglichkeit in ein GIS-System
verbau“, „Einbau von Murrechen“ und „Lawinenschutz“. Siche- aufzunehmen.
rungsarbeiten zu den Rutschungstypen „Driften“ und „Gleiten“ Es ist Aufgabe von Felssicherungsarbeiten, kipp- und sturz-
3 (▶ Abschn. 2.6.4 und 2.6.5) fallen unter den Begriff „Stabilisieren gefährdete Massen (Blöcke) entweder gefahrlos zu entfernen, ihr
von Rutschhängen“ (Kapitel 3). Verbleiben in der Wand zu sichern oder die abstürzenden Mas-
4 sen gefahrlos aufzufangen. Die gewählte Sicherungsmethode,
welche einem geologischen Prozess entgegenwirken soll, muss
10.1 Maßnahmen gegen Steinschlag,
5 Blocksturz, Felssturz und Bergsturz
der vorliegenden Gefahr angepasst sein.
Nach bestehender Rechtsprechung müssen Eigentümer von
steilen Felsgrundstücken vermeiden, dass Steine, Blöcke oder
6 Unter Steilhängen und Felswänden besteht die Gefahr von Stein- Felsmassen auf Nachbargrundstücke fallen oder stürzen. Diese
schlag, Blocksturz und Felssturz. Der Sturz- oder Fallbewegung Pflicht besteht auch dann, wenn die Gefahr auf Naturereignisse
7 geht Kippen voraus. Es ist die Aufgabe des Geologen bzw. Geotech- oder höhere Gewalt zurückzuführen ist. Der Eigentümer kann
nikers, kipp- und sturzgefährdete Massen zu erkennen, massenmä- besonders dann haftbar gemacht werden, wenn er stabilitätsmin-
ßig zu erfassen, das Steinschlagrisiko abzuschätzen und geeignete dernde Eingriffe im Gelände vorgenommen hat.
8 Sicherungsmaßnahmen vorzuschlagen (Angerer et al. 1998, Lang,
Schmitt 2008). Im Zuge von Gefahrenkartierungen zu Steinschlag,
9 Blocksturz, Felssturz, Bergsturz sollten in Steillagen und Steilhän- 10.1.1 Vorbeugende Maßnahmen gegen
--
gen folgende risikorelevanten Parameter aufgenommen werden: Steinschlag und Blocksturz
10 kartografische Aufnahme der Hänge und Steilwände,
kartografische Geländeaufnahme von Hangfuß und Vor- Mögliche Sicherungsmaßnahmen gegen Steinschlag und Block-
11
- land,
kartografische Aufnahme der rutschgefährdeten Hänge und
-
sturz können sein:
Entfernen der absturzgefährdeten Steine und Blöcke (Fels-
12
- Steilwände,
kartografische Aufnahme der Sturzweite von Blöcken bzw.
- putzen);
Verhindern von Auflockerung durch Entfernen von Bäu-
- -
13 geologische Formationen, Gesteinsarten, Gesteinslagerung, Auflockerung;
Trennflächengefüge, Auflockerungsgrad, Spaltenfüllung, Verhindern von Auflockerung durch Auftrag von Spritzbe-
14
--Reibung,
Größe der Kluftkörper und Blöcke,
-- ton;
Vernageln oder Verankern absturzgefährdeter Blöcke;
15 Verwitterungsempfindlichkeit der Gesteine/Schichten
--
(Wasser, Frost),
-- enganliegende Schutznetze (. Abb. 7.38c);
auf Abstand montierte Drahtnetze (. Abb. 7.37, 7.38b);
16
Ausrichtung der Hänge und Steilwände,
Einwirkung von Wasser, Frost, Verwitterung, Erosion, sons-
--starre Fangvorrichtungen (Schutzwände);
elastische Fangvorrichtungen (Schutzzäune);
17
--
tigen Gefahren,
Vegetation/Bewuchs,
--
Schutzschirme;
massive Überdachungen;
18
Gefahr von Rutschungen, Rutschungstyp, Rutschungsdi-
--
mension,
Schutzwirkung vorhandener Sicherheitsmaßnahmen,
Schutzgut.
-
Auffanggräben;
Fangdämme.
zz Felsputzen
19 Standfeste Felswände, aus denen sich durch Einfluss von Zeit und
Für das Bewerten der möglichen Gefahren können in Anlehnung Witterung einzelne Steine oder Blöcke lösen, können von Zeit
20 an Lang und Schmitt (2008) folgende Gefährdungsstufen oder zu Zeit geputzt (beräumt) werden. Je nach Ortslage wird vor der
-
Gefährdungsklassen gewählt werden:
sehr hohe Gefährdung – es sind Sofortmaßnahmen zur
Wand hängend, in der Wand stehend oder von einer Bühne aus
gearbeitet. Dabei können einzelne Blöcke und locker liegende
-
21 Gefahrenabwehr erforderlich, Steine (Kluftkörper) gezielt aus der Wand gelöst und zum Ab-
hohe Gefährdung – mittelfristig sind Maßnahmen erfor- sturz gebracht werden. Gearbeitet wird mit leichtem Gerät (Pi-
22 derlich. Es sind Pläne und Prioritäten für Maßnahmen zu ckel oder Schlaghammer).
23 -
erstellen,
begrenzte Gefährdung – es handelt sich um gelegentliche,
allgemein überschaubare und finanziell beherrschbare
Ereignisse. Bei normalem Sicherheitsanspruch lösen solche
zz Entfernen von Bäumen
Bei aufgelockertem Fels kann Baumbewuchs in Steilwänden de-
stabilisierend wirken. Durch das Dickenwachstum der Wurzeln
Gefahren keinen Sicherungsbedarf aus, werden Klüfte und Spalten aufgeweitet. Windbelastung in der
10.1 • Maßnahmen gegen Steinschlag, Blocksturz, Felssturz und Bergsturz
411 10
Baumkrone wird unter Hebelwirkung in den aufgelockerten Fels angebracht werden (. Abb. 7.37, 7.38c). Sie verhindern das Kip-
eingetragen und wirkt destabilisierend. Häufig gehört das Zu- pen und Herausfallen von Steinen.
rückschneiden (Stockschlag) oder Entfernen großer Bäume zu Auf Abstand montierte Schutznetze können über Felswän-
den ersten einleitenden Maßnahmen einer Felssicherung. Soweit den aus verwitterungsanfälligem und stark klüftigem Gestein
dem Fels aufliegendes Lockermaterial durch Pflanzen gehalten montiert werden (. Abb. 7.38b). Damit ist die Möglichkeit
werden soll, sind bodendeckende Holzpflanzen oder niedrige zum Durchfallen der sich in Menge lösenden Steine gegeben.
Büsche zu wählen. Ansammlungen von Gesteinsschutt hinter den Netzen sind zu
vermeiden und durch Öffnen der Netze zu entfernen.
zz Sichern von Blöcken in Hanglage Der Tragwiderstand solcher Schutznetze aus Drahtgeflecht
Einzelne Blöcke in Hanglage (blockreicher Hangschutt, Block- (Maschenweite etwa 5 bis 8 cm) ist begrenzt. Nach einem von
schutt) können aus langsamer Bewegung (Kriechen, Gleiten, Rüegger und Flum 2008 beschriebenen System werden über
Driften) oder durch Stoßen, Treten, Drücken zum Kippen, solchen herkömmlichen Drahtgeflechten grobmaschige Draht-
Abrollen oder Abstürzen gebracht werden. Schutzmaßnahmen seilgeflechte (Maschenweite etwa 30 cm) verspannt, welche
gegen Blocksturz aus Steilhängen bieten regelmäßiges und auf- statische Funktion übernehmen. Der Anwendungsbereich der
merksames Beobachten der im Hang liegenden Blöcke (z. B. Steinschlagsicherung mit Maschendraht wird durch das darü-
im Wald durch Forstwirte). Einzelne absturzgefährdete Blöcke ber gespannte und an Ankern (z. B. Ischebeck-TITAN) verkrallte
in Hanglage können durch Umlegen stabil gelagert werden. In Drahtseilgeflecht erweitert. Das Stabilisieren absturzgefährdeter
blockreichen Steillagen oberhalb von Straßen oder Baugebieten Kluftkörper oder Blöcke ist möglich.
kann die Sicherung einzelner absturzgefährdeter Blöcke regel-
mäßige Arbeitseinsätze erfordern. zz Bau von Schutzschirmen
Verkehrswege und Arbeitsräume, die Steinschlaggefahr ausge-
zz Einzäunen der Gefahrenstelle setzt sind, können mit Drahtgeflecht oder Stahlblechen über-
Steinschlag und Blocksturz können durch Begehen oder Klet- dacht werden. Dies betrifft Verkehrswege unterhalb steiler Fels-
tern in Felswänden und Steilhängen verstärkt werden. Oft wände, Tunnelportale, Brückendurchlässe und Arbeitsräume in
verlocken Steilwände an stark frequentierten Punkten, z. B. in Steinbrüchen, besonders im Bereich von Brecheranlagen und
Wohngebieten oder an Ausflugszielen, Kinder und Jugendliche hochgeführten Förderbändern.
zum Besteigen oder Klettern. Dem Niedertreten der Vegetation
können Erdrutsch, Steinschlag und Blocksturz folgen. Wenn zz Bau massiver Überdachungen
technische Konstruktionen nicht gewünscht sind, bieten Bege- Verkehrswege im Gebirge, die andauernd starkem Steinschlag
hungsverbote und Einzäunen der Gefahrenstelle eine begrenzte und Blocksturz ausgesetzt sind, sind durch massive Überda-
Sicherung. chungen zu schützen oder untertägig zu führen. Mögliche Kon-
struktionen sind der Bau von Galerien und Lehnentunneln.
zz Vernageln absturzgefährdeter Blöcke In steinschlaggefährdeten Portalzonen von Tunneln bietet die
Einzelne Blöcke, die als Kluftkörper aus der Felswand auszubre- luftseitige Verlängerung der betonierten Tunnelröhre über den
chen drohen oder die Steilhängen aufliegen, können mit dem Gefahrenpunkt vor der Bergwand hinaus vollkommenen Schutz.
anstehenden Gebirge vernagelt werden. Bei sehr großen Blöcken Für die Ausführung regelmäßig durchzuführender stein-
kann auch Verankerung angebracht sein. Größe und Schwer- schlaggefährdeter Arbeiten, z. B. Sprengarbeiten, sind Sicher-
punkt des Blockes bestimmen Länge und Ansatzpunkt des Na- heitsbunker vorzusehen.
gels. Nägel oder Anker sollen mindestens 3 bis 4 m tief in den
standfesten Fels einbinden. zz Bau von Fangvorrichtungen
Am Fuß von Felswänden und steilen Hängen aus instabilen
zz Anbringen von Schutznetzen Deckschichten sowie auf einzelnen Bermen in der Felswand
Zum Schutz vor Steinschlag können die gefährdeten Steilwände können Fangzäune, Fangwände, Fangmauern oder Erdwälle ei-
mit Schutznetzen verhängt oder überspannt werden. Die Netz- nen ausreichenden Schutz bieten. Das abstürzende Material soll
bahnen aus Maschendraht werden an über vormontierten Fels- von diesen aufgehalten werden. Hinter der Fangvorrichtung ist
nägeln verspannten Stahlseilen befestigt. Alle verwendeten Ma- ein ausreichend breiter Fangraum vorzusehen. Zu beachten ist
teriale müssen korrosionsfrei sein (Krauter und Scholz 1996). die Richtlinie „Ril 836 – Erdbauwerke der DB Netz AG, Modul
Auch flachere Hänge, besonders oberhalb von Steilwänden, 836.0507“.
können bei Bedarf mit Schutznetzen überspannt werden. Schutz- Besondere Vorkehrungen erfordert das Auffangen von stür-
netze sollen das Kippen und Abstürzen loser Kluftkörper aus zenden Massen mit einzelnen großen Blöcken. Müller et al.
der Felswand verhindern. Schutznetze nützen nicht bei solchen (2008) beschreiben hierzu eine dem Steilhang (35°) aufgesetzte
Gesteinen, deren Rückverwitterung durch die Vorgänge Abmeh- Dammkonstruktion mit hangseitigem Auffangraum vom Stein-
len, Absanden oder Abgrusen bestimmt ist. Auch sind sie nicht schlaggebiet Wilerwald Gurtnellen, Schweiz. In den Jahren 2005
geeignet, Felssturz zu verhindern. Schutznetze können enganlie- und 2006 waren dort bei Blocksturzereignissen Gesteinsblöcke
gend oder auf Abstand montiert werden. zum Teil größer als 50 m3 mit einem Gewicht bis etwa 200 t auf
Anliegende Schutznetze können bei weniger stark geklüfte- und über die 6-spurige Nationalstraße gestürzt. Der Schutzwald
tem Fels, aus dem sich nur vereinzelt Steine oder Blöcke lösen, auf dem Steilhang oberhalb der Straße wurde stark beschädigt.
412 Kapitel 10 • Sicherungsmaßnahmen in durch Rutschung gefährdetem Gelände
--
11 Energieabsorption sorgen. Hangseitige Blocksteinmauern sollen Geländeauffüllung;
verhindern, dass Blöcke die Dämme überrollen. Vorbau von Stützkonstruktionen;
12
zz Bau von starren Fangvorrichtungen
Starre Systeme sind Holzbauwerke, Steinbauwerke, Stahlbau- --
Einbau von Stützknaggen oder Stützpfeilern;
Sicherung durch Spritzbeton;
Sicherung durch Nägel und vernagelte Beton- oder Stahl-
-
13 werke und Betonbauwerke. Sie sollen dem fallenden oder sprin- konstruktionen;
genden Block einen hohen Widerstand bei kurzem Bremsweg verankerte Betonkonstruktionen (. Abb. 7.36, 7.37, 7.38d).
14 entgegensetzen. Das starre System verlangt stark dimensionierte
Konstruktionen aus schweren Bauelementen. In der Landschaft zz Geländeabtrag
15 sind es auffällige und weithin sichtbare Wände. Über die Ener- Bei von Felssturz bedrohtem Gelände unter einer Steilwand, etwa
gieaufnahmefähigkeit derartiger Wandkonstruktionen ist wenig Baugelände in Nachbarschaft einer aufgelassenen Steinbruch-
bekannt (. Abb. 10.1). wand, kann bei ausreichendem Platz die Gefahr durch Abtrag
16 und flachere Hang- oder Böschungsgestaltung beseitigt werden
zz Bau von elastischen Fangvorrichtungen (. Abb. 10.4a).
17 Drahtseilnetze und Drahtringbündelkonstruktionen mit Brems
elementen sind elastische Systeme (Gerber 1996). Die Netze zz Geländeauffüllung
werden zwischen Stahlpfosten verspannt, die über eine veran- Bei von Felssturz bedrohtem Gelände unter einer Steilwand, etwa
18 kerte Grundplatte mit Gelenk befestigt sind. Die Stahlpfosten Baugelände in Nachbarschaft einer aufgelassenen Steinbruch-
werden von bergseitig verankerten Drahtseilen gehalten. Die wand, kann bei ausreichendem Platz die Gefahr durch Erdan-
19 Drahtseile enthalten Bremsschlaufen, die beim Belasten zuge- schüttung vor der Wand beseitigt werden.
zogen werden und Verformungsenergie aufnehmen können.
20 Neben dem gelenkig gelagerten Steinschlagschutzverbau gibt es zz Vorbau von Stützkonstruktionen
eingespannte Systeme auf Betonfundamenten oder Fels (Maik Kipp- und absturzgefährdete Felsmassen können durch Vorbau
2008). Letztere kommen an Stellen zum Einsatz, wo maschinel- von konstruktiven Stützbauwerken wie Schwergewichtsmauern,
21 les Beräumen des bergseitigen Raumes erwünscht ist. Beim Sys- Raumgitterkonstruktionen, Drahtgeflechtbehältern und nach
tem „Geobrugg“ werden Ringnetze aus 2,5–3 mm dickem Draht dem System „Terre armée“ vorgebauten Erddämmen gesichert
22 verwendet. Diese können sich verformen und dabei sehr viel werden. Andere Sicherungsmaßnahmen wie Nägel und Anker
Energie aufnehmen. Die Energieaufnahmefähigkeit liegt je nach können den anstehenden Boden oder Fels zu einem passiven
Ausbildung zwischen 100 und 5000 kJ (BUWAL-Richtlinie, Maik Block verbinden (. Abb. 10.4b, c).
23 2008). Die in der Landschaft kaum sichtbaren, leichten Netze Nicht geeignet zum Herstellen eines passiven Blockes bei
können mit wenig Erdbewegungen aufgestellt werden. Das Di- kippträchtigen Felsmassen in steiler Lage sind Injektionen, da
mensionieren der Netze orientiert sich an Ergebnissen von Feld- die Kippgefahr durch den Injektionsdruck vergrößert wird.
10.1 • Maßnahmen gegen Steinschlag, Blocksturz, Felssturz und Bergsturz
413 10
.. Abb. 10.2 Front- und Seitenanblick einer gegen Steinschlag und Blocksturz mit elastischem Fangzaun gesicherten Gefahrenstelle (System „Geobrugg“)
.. Abb. 10.3 Elastische und plastische Verformungen im Ringnetz einer mit elastischem Fangzaun gesicherten Gefahrenstelle (System „Geobrugg“)
zz Sicherung überhängender Felsen durch Stützknaggen gelabstand beträgt bei Nagelwänden maximal 1,5 m und ist bei
In Schichtgesteinen, besonders häufig in Sandsteinen, zeigen stark aufgelockertem Fels geringer anzusetzen. Soweit erforder-
Felswände und alte Böschungen Abwitterungsprofile mit Wech- lich, kann die Vernagelung mit einer armierten Spritzbetonhaut
sel von vorspringenden verwitterungs-resistenten Felsbänken kombiniert werden.
und zurückspringenden schneller verwitternden Gesteinslagen.
Mit fortschreitender Unterhöhlung droht Kippen der überhän- zz Felssicherung durch Anker und verankerte Beton-
genden Felsmassen und Felssturz. Sicherung bietet der Einbau oder Stahlkonstruktionen
von Stützknaggen aus Beton oder Mauerwerk (. Abb. 10.5a). An Stark aufgelockerte Felsmassen mit offenen Spalten können, so-
Geländeanschnitten können im Fels mit geneigten Trennflächen weit ein Beräumen der Steilwand nicht möglich ist, mit vorge-
abgleitgefährdete Felsmassen über Stützknaggen im tragfähigen spannten Ankern gesichert werden. Der Ankerfuß bindet 5–10 m
Fels abgestützt werden (. Abb. 10.5b). Hangabwärts driftende tief in den standfesten Fels ein. Beim Vermörteln des Ankerfußes
Felsblöcke können durch Stützknaggen stabilisiert werden darf kein Druck auf die zu sichernden kippgefährdeten Felspar-
(. Abb. 10.5c). tien einwirken. Die Anker können mit dem Fels aufliegenden
Betonkonstruktionen (Plomben, Pfeiler, Gurte) oder Stahlkons-
zz Felssicherung durch Spritzbeton truktionen (Gitter, Gurtbleche, Netze, Stahlseilverspannungen)
Zum Verhindern von Auflockerung und Steinschlag können kombiniert werden (. Abb. 7.38a–d, 7.39 und 10.4b).
Felswände mit Spritzbeton versiegelt und gesichert werden.
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19 .. Abb. 10.4 Wirkungsweise verschiedener Sanierungsmaßnahmen bei
kippgefährdeten Böschungen. a Abflachen; b Felsankerung; c Stützmauer.
(John et al. 1979)
20
gezieltes Sprengen in einzelne Abbrüche aufgeteilt werden. Nach
Möglichkeit soll die Gefahr „Kippen und Abstürzen über den
21 Kopf der Sturzmasse“ in eine „über den Fuß abgleitende Bewe-
gung“ (Bergrutsch) überführt werden (. Abb. 2.7b, c). Dieses .. Abb. 10.5 Stützknaggen zum Verhindern des Kippens und Abgleitens
22 Ziel gilt sowohl für die gesamte Bergsturzmasse als auch für die von Felsteilen. a Die Stützknagge sichert eine überhängende Felsbank vor
gewünschten und durch Sprengen ausgelösten Einzelabbrüche Kippen; b die Stützknagge hindert eine abgleitgefährdete Felsschicht am
und Ausbrüche. Bergsturzgefährdete Bereiche sind in den be- Abrutschen; c die Stützknagge sichert einen langsam abdriftenden Felsblock
23 wohnten Gebieten in der Regel bekannt und häufig in Gefahren- vor Kippen und Stürzen
gefährdeten Bergmassen können über Messsonden, geodätisches dem Aufprall auf einer ebenen Fläche unterhalb. Durch Energie-
Vermessen, seismisches Überwachen, fotographisches Doku- umwandlung verändert sich das Transportmedium „Mure“ in
mentieren der Veränderungen und auch über Luftbilder so kon- den fluviatilen Massentransport des Wildbaches (Bergmeister
trolliert werden, dass über fortlaufendes Monitoring rechtzeitig 2009).
Warnung ausgegeben werden kann. Die von einem befürchteten Alternative Maßnahmen sehen vor, die von den Murströ-
Bergsturz ausgehende Gefahr und damit die Eingrenzung einer men mitgeführten Geröllmassen hinter Querdämmen oder
zu evakuierenden Gefahrenzone ist abhängig von der Größe der Sperrkonstruktionen aufzustauen und zurückzuhalten bzw. die
in einem Sturzvorgang abgehenden Sturzmasse, der Sturzhöhe Murströme durch Längsdämme auf nicht besiedelte oder wenig
und der Geometrie der Sturzbahn. Bei der Vorhersage für eine genutzte Teile des Murkegels umzulenken.
Gefahrenbeurteilung ist zunächst davon auszugehen, dass die Netzsperren als Murbarrieren beschreiben Denk et al. (2008)
in Bewegung geratene Gesamtmasse in einem Ereignis abstürzt. und Bergmeister et al. (2009). Es sind flexible Ringnetzbarri-
Eine Prognose darüber, dass die in Bewegung geratene Masse in eren aus hochfestem Stahldraht, die quer über die Murrinne
Teilen nacheinander abstürzt und dass dadurch die vom Berg- verspannt werden. Dabei wird das Ringnetz an mehreren quer-
sturz ausgehenden Erschütterungen und Zerstörungen kleiner gespannten Drahtseilen, welche seitlich verankert sind, aufge-
ausfallen, ist nur schwer abzugeben. hängt. In breiteren Rinnen können zusätzlich Stützen eingesetzt
werden. Bei einem Murgang an der Testbarriere Illgraben wurde
gemessen, dass die Stirn des Murganges mit 2,9 m/s auf die Bar-
10.2 Sicherungsmaßnahmen zum Vorbeugen riere auftraf. Die Dichte des flüssigen Murenmaterials lag bei 1,6
gegen Lawinen und Muren bis 1,8 t m3.
Mit solchen Maßnahmen werden jedoch im Laufe der Zeit
Sicherungsmaßnahmen vor dem fließenden Abgang von Lawi- größere Massen angesammelt, deren gefahrdrohender Abgang
nen (Steinlawinen, Blocklawinen, Schneelawinen) und Muren nur zeitlich verzögert wird. Regelmäßiges Beräumen der Murre-
(Schuttströme, Schlammströme) haben das Ziel, die Massen im chen und Mursperren ist erforderlich.
Berg festzuhalten und das Entstehen der Fließbewegung zu ver- In landwirtschaftlich genutztem Bergland kann zum Verhin-
hindern. dern der Ansammlung größerer abflussgefährdeter Massen der
Erdabtrag auf der Feldflur durch hangparalleles Pflügen, durch
Anlage hangparalleler Faschinen, Hecken und Waldstreifen so-
10.2.1 Vorbeugende Maßnahmen wie durch Landnutzung mit mehrjährigen Pflanzen (Gras, Obst-
gegen Murgang bau, Wald) verringert werden.
Zum Schutz vor Schlammströmen können gefahrbringende
Zum Schutz vor Murgängen (▶ Abschn. 2.6.3) können in Berg- Schlammmassen entwässert und/oder verfestigt werden.
rinnen, Schrunden und Murbahnen Schutzbauwerke wie Mur-
rechen, Rechensperren und Schlitzsperren zum Brechen und
Bremsen von Muren eingebaut werden. Schon im Erosionsgebiet 10.2.2 Vorbeugende Maßnahmen
von Wildbächen, also in nur zeitweise wasserführenden Rinnen, gegen Stein- und Blocklawinen
soll bei starker Wasserführung mitgeführtes Holz zurückgehalten
werden. Dies kann durch schräge Anlage der Rechen und Sperr- Die sich in Rinnen und Schrunden im Hochgebirge ansammeln-
roste erreicht werden (Bergmeister 2009). Durch Verengen des den Gesteinsmassen sind durch technische Konstruktionen zu
Abflussquerschnitts am Sperrrost oder an Schlitzsperren soll die stabilisieren. Dies geschieht durch den Einbau wasserdurchläs-
Fließgeschwindigkeit und Schleppkraft des Wassers erhöht, das siger Stahl- oder Holzkonstruktionen. Die zu sichernden Geröll-
Ansammeln großer Geschiebemassen und das Versperren des massen sind in der Regel schwierig zu erreichen. Das Baumate-
Wasserlaufes verhindert werden. Ein möglichst freier Ablauf des rial muss gegebenenfalls mit einem Hubschrauber eingeflogen
Wassers soll im Oberlauf der Wildbäche die geogenen Bedin- werden.
gungen für den Abgang von Muren, das Ansammeln großer ab- Gefährdende Schutt- und Blockmassen können durch Über-
flussfähiger Schuttmassen verringern. Wichtig ist, dass aus dem spannen mit Stahlseilnetzen gesichert werden. Die Stahlseilnetze
akkumulierten Gebirgsschutt das Feinmaterial ausgespült und sind an Seilankern zu fixieren.
abtransportiert wird.
Murbahnen liegen bevorzugt in Tiefenlagen des Hanges.
In Rinnen, welche durch die schürfende Wirkung wiederholter 10.2.3 Vorbeugende Maßnahmen
Murgänge auch vertieft und akzentuiert werden, treten Murgänge gegen Schneelawinen
mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf (Ahnert 1996). In solche
bevorzugten Murbahnen können Schutzbauwerke zum Brechen Schneemassen in exponierten Steilhängen bedeuten große Gefah-
und Bremsen der Muren eingebaut werden. Murenabsturzbau- ren für Bevölkerung und Verkehrswege. Bannwälder, die einen na-
werke können als einzelnes großes Bauwerk mit großer Fallhöhe türlichen Schutz vor Lawinen bieten, sind durch Umwelteinflüsse
oder als Staffel entsprechend kleinerer Bauwerke erstellt werden. bedroht. Vielerorts geht der Bestand der Bannwälder zurück. Der
Die Wirkung solcher Bauwerke beruht auf dem Absturz der als ungestümen Gewalt herabstürzender Schneemassen können oft
Mure abfließenden Schlammmassen über eine größere Höhe und keine wirksamen Schutzvorkehrungen entgegengestellt werden.
416 Kapitel 10 • Sicherungsmaßnahmen in durch Rutschung gefährdetem Gelände
Als vorbeugende Maßnahme werden Lawinenverbaue ausgeführt, Optimale Lösungen zum Stabilisieren von Rutschhängen enthal-
1 welche die Schneemassen in den Bergflanken zurückhalten sollen. ten meist eine Kombination unterschiedlich wirkender Maßnah-
Bewährt haben sich elastisch und plastisch verformbare Fang- men (. Abb. 10.8 und 10.9).
2 netze nach dem Prinzip von . Abb. 10.2 und 10.3.
Voraussetzung für einen Lawinenverbau ist das Ermitteln von zz Kontrolliertes Beobachten bei abschätzbar
Gefahrenpotentialen und Schutzbedürfnissen. Das Festlegen ge- geringem Risiko
3 eigneter Verbausysteme muss der örtlichen Lage angepasst sein. Langsam und kontinuierlich ablaufende Rutschungen, von denen
Eingebaut werden Zäune, Gatter, Stahlprofile und Drahtseilnetze. kurz- bis mittelfristig keine direkte Gefahr für Bauwerke ausgeht,
4 Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehört auch die Ein- können nach vorangegangener Risikoanalyse einer dauerhaften
richtung eines Lawinenwarnsystems. Im Gefahrenfall können Beobachtung unterzogen werden (▶ Abschn. 2.6.11 und 2.6.12).
5 Schneemassen durch Sprengen abgeschossen werden. Das Ziel Maßnahmen zur zuverlässigen Verhinderung von Rutschungen
solcher Lawinensprengungen ist es, gezielt kleine Lawinen aus- müssen nicht in jedem Falle unbedingt (und sofort) ergriffen
zulösen, um das Ansammeln großer Schneemassen und den Ab- werden. Soweit erforderlich, können Warnanlagen für den Fall
6 gang großer Lawinen zu verhindern. eingerichtet werden, dass Wasserstände, Verschiebungen und
Beschleunigung der Rutschbewegung vorgegebene Messgrößen
7 überschreiten.
10.3 Stabilisieren von Rutschhängen
zz Entwässern
8 Bewegungen in Hängen können als Gleitvorgänge auf einer oder Rutschungen stellen sich häufig bei Starkregen oder Schnee-
mehreren Gleitflächen verlaufen. Driftende Massen können schmelze ein. Hohe Grundwasserstände in der Rutschmasse
9 durch Fließvorgänge (Kriechvorgänge) in Lockergesteinslagen neben geringen Scherfestigkeiten in der Gleitfuge können
oder aufgewitterten Lagen passiv bewegt werden. Die Stabili- Rutschereignisse auslösen. Die Rutschmasse kann sich bei je-
10 sierung derartiger Bewegungen erfordert Kenntnisse über den der Durchfeuchtung schubweise bewegen oder aus kontinuier-
geologischen Bau mit Größe, Form und Art der in Bewegung ge- licher Bewegung heraus eine schubweise Beschleunigung erfah-
ratenen Massen (▶ Abschn. 2.6). Die Lage von Gleitflächen oder ren. Durch Entwässern kann eine begrenzte Standfestigkeit der
11 aufgewitterten Horizonten, auf oder in denen die Bewegungen Rutschmassen erzielt werden.
stattfinden, ist in geologischen Geländeschnitten darzustellen.
12 Wichtig für Standsicherheit und Standsicherheitsberechnun- zz Oberflächenentwässerung und Anlage von Dränagen
gen ist die Kenntnis der zutreffenden bodenmechanischen Kenn- Oberflächenwasser kann in offenen Gräben aufgefangen und seit-
größen, besonders der Restscherfestigkeit oder Gleitfestigkeit in lich von der Rutschmasse abgeleitet werden. Es ist zu verhindern,
13 der Bewegungsfuge. Wichtig ist weiterhin, dass Modellrechnungen dass sich Oberflächenwasser auf der Rutschmasse in Gelände-
zur Standsicherheitsuntersuchung den geologischen Verhältnissen vertiefungen, Rissen und Spalten sammelt, den Boden aufweicht
14 angepasst sind. Bei Rutschungen in Verwitterungsböden und Fest- und den Wasserdruck in der Rutschmasse erhöht. Aufgeweichte
gesteinen folgen die Gleitflächen sehr häufig geologisch vorgegebe- Rutschmassen können über Sickerschlitze und Dränagen entwäs-
15 nen Schicht- oder Trennflächen. Komplizierte Gleitflächen können sert werden. Die Dränagegräben können mit Kies, Schotter oder
aus sich verschneidenden Trennflächen zusammengesetzt sein. Sand aufgefüllt werden. Eingebaute Dränleitungen können mit
Die von Rutschungen ausgehenden Gefahren sind vorrangig korngestuften Mineralfiltern umgeben werden. Bewährt hat sich
16 nach dem Wert der gefährdeten Baulichkeiten oder gewünsch- die Vliesummantelung der Filtermassen (. Abb. 7.7).
ten Nutzung zu beurteilen. Maßnahmen zum Stabilisieren oder Durch Rutschbewegungen können Dränleitungen und auch
17 Sanieren werden sich am Versicherungswert orientieren. Nach Sickerschlitze verformt werden und ihre Funktion verlieren. Be-
Kenntnis von Rutschungsmerkmalen, Rutschungsdimensionen währt haben sich Sickerschlitze mit Füllung aus Einkornbeton,
sowie Art, Zustand und Verteilung der Rutschungsaktivitäten welche die Rutschmassen zusätzlich konstruktiv stabilisieren.
18 sind die gängigen Sanierungstechniken fallbezogen zu diskutie- Dränagegräben können bis etwa 7 m Tiefe ausgeführt wer-
ren. Konstruktive Hangsicherungsmaßnahmen sind den Erfor- den. Bei nicht befahrbarem Gelände ist der Einsatz von Schreit-
19 dernissen der Standsicherheitsberechnung anzupassen. Mögliche baggern erforderlich.
20 --
Maßnahmen können sein:
kontrolliertes Beobachten;
--
zz Tiefenentwässerung
Entwässern; Rutschkörper, deren Instabilität von der Wasserführung tiefer-
Abtrag von Boden- bzw. Felsmassen; liegender Schichten ausgeht, können über Bohrungen, Brunnen,
--
21 Aufschütten eines Reibungsfußes; Stollen, Schräg- und Horizontalbohrungen entwässert werden.
Einbau von Stützscheiben; Dabei können Schräg- oder Horizontalbohrungen in der erfor-
22 Einbau konstruktiver Sicherheitselemente (Pfähle, Dübel, derlichen Tiefe von Stollen oder Brunnen (Schächten) aus in die
23 -Anker);
Graben von Brunnen, Abteufen von Schächten und Auffah-
ren von Stollen zum Entwässern und/oder zum unterirdi-
schen Einbau von Ankern (. Abb. 10.9).
wasserführenden Schichten vorgetrieben werden. Soweit es die
Hangsituation zulässt, kann auch das Entwässern des Brunnens
über eine Entwässerungsbohrung in Richtung Vorflut erfolgen
(. Abb. 10.6).
10.3 • Stabilisieren von Rutschhängen
417 10
.. Abb. 10.6 Entwässern einer Rutschmasse durch von
einem Schacht aus fächerförmig ausgeführte Dränbohrun-
gen. Der Grundwasserstand wurde um 5–10 m abgesenkt.
Rutschungsauslösende Wasserstände sind danach auch
während niederschlagsreicher Perioden nicht mehr einge-
treten. (Trischler & Partner)
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14
15 .. Abb. 10.8 Hangsicherung mit aufgelöster Bohrpfahlwand, Verankerung und Bodenaustausch. Die Verankerung war für die Dauer des Bauzustandes
erforderlich. Für den Bodenaustausch wurden jeweils nur kurze Teilabschnitte der Böschung vor den Pfählen freigelegt und sofort wieder mit Aushubmate-
rial verfüllt. a Querschnitt mit bodenmechanischen Kennwerten; b Belastungsannahmen für den Bauzustand; c Belastungsannahmen für den Endzustand.
16 (Rosenthal et al. 1988)
17 higen Bodens mit hydraulischen Bindemitteln eingebaut wer- siert werden. Aus den Bauweisen zur konstruktiven Böschungs-
den. Beim Hydrozementationsverfahren (HZV) werden in die sicherung hat sich bei kleinen Rutschmassen der Einbau von
rutschgefährdeten Bodenmassen durch partielle Bodenverbes- Drahtgeflechtbehältern (Gabionen) als schnell durchführbare
18 serung Stützscheiben eingebaut. Hierfür sind entsprechend Baumethode bewährt.
breite und bis unter die Gleitfuge reichende Schlitze auszu- Beim Verdübeln werden in die rutschgefährdete Masse verti-
19 heben. Das Aushubmaterial kann, mit Zement, gelegentlich kale oder schrägstehende Nägel oder Pfähle eingebaut.
auch mit Silikat und Kunststoff vermischt, wieder eingebaut Beim Vernageln oder Verdübeln mit Kleindübeln werden
20 werden. Es entsteht ein HZV-Erdbeton mit 5–10 MN m−2 perforierte Stahlrohre in einem Raster von 1,5–2,5 m eingebaut
Druckfestigkeit, einem Reibungswinkel über 40° und einer und mit Zementsuspension oder Injektionsmittel auf Silikatba-
Kohäsion c′ um 500 kN m−2. Der Achsabstand zwischen den sis verpresst. Es wird blockweises Festhalten der Rutschmasse
21 Stützscheiben ist fallspezifisch festzulegen. In der Regel wird angestrebt. Die Nägel oder Dübel sind möglichst schräg zur Be-
zwischen den Stützscheiben ein Entwässerungssystem (Rigo- anspruchungsrichtung einzubauen, sodass sie auf Zug belastet
22 len) eingebaut. werden. Vertikal eingebaute Nägel werden in der Gleitfuge auf
Abscheren belastet. Dies ist zu vermeiden.
Für das Verdübeln mit Pfählen werden häufig Pfahldurch-
23 zz Einbau konstruktiver Sicherungselemente
Rutschhänge können von der Oberfläche aus durch den Einbau messer zwischen 40 und 60 cm gewählt. Allgemein nimmt der
von Stützmauern, Nägeln, Dübeln, Pfählen und Ankern stabili- Pfahldurchmesser mit der Mächtigkeit der Rutschmasse zu.
10.3 • Stabilisieren von Rutschhängen
419 10
.. Abb. 10.9 Stabilisieren eines Rutschhanges
mit einem Kreiszellendübel aus kreisförmig
angeordneten Bohrpfählen und Verankerung im
standfesten Baugrund
Rutschungsdefizit
Rutschungsbauch
rechnerischer
Staße Gleitkreis
HDD–Anlage
tatsächliche Gleitbahn
Entwässerungsbohrungen
In der Literatur werden Pfahldurchmesser bis 1,5 m genannt. Gleichmäßige Kraftverteilung kann mit biegesteifer Verbindung
Bohrpfähle können in Reihen oder auch als Kreiszellendübel der Pfahlköpfe erreicht werden.
eingebaut werden. Es wird empfohlen, nur zwei Bohrpfahlreihen . Abb. 10.8 zeigt eine Kombination verschiedener Siche-
vorzusehen. Bei Rutschungen mit bekannter Gleitfläche ermög- rungsmaßnahmen mit Belastungsannahmen.
lichen Pfähle und Großdübel ein rechnerisches Abschätzen der
Tragkraft in Einzelwirkung und Gruppenwirkung (. Abb. 10.7).
420 Kapitel 10 • Sicherungsmaßnahmen in durch Rutschung gefährdetem Gelände
--
zwischen:
ständigen Einwirkungen,
Dies geschieht durch Zusammenwirken von Einwirkungen
aus den Gründungslasten und den zusätzlichen ortsspezifischen
- veränderlichen Einwirkungen,
dynamischen Einwirkungen.
Einwirkungen, wofür wiederum über ein Kräfteparallelogramm
eine Resultierende zu ermitteln ist. Aus der Lage dieser Resul-
tierenden kann sich eine Ausmittigkeit aller Einwirkungen auf
-
In erdbebengefährdeten Gebieten können zudem
seismische Einwirkungen auftreten.
--
ergeben sich aus
Geländeverlauf,
Veränderungen durch Bodenentnahme oder Erdaufschüt-
Standsicherheitsnachweise für die einzelnen Fundamente und
für das Bauwerk gegen Kippen, Gleiten, Grundbruch, Gelände-
bruch und Aufschwimmen („äußere Tragfähigkeit“). Mögliche
-- tung,
Veränderungen durch Nachbarbebauung,
Wasserstand bzw. Grundwasserstand und dessen Ände-
Versagenszustände sind auszuschließen. Zum Nachweis der Ge-
brauchstauglichkeit sind Art, Umfang und Ausmaß möglicher
Verformungen im Baugrund zu überprüfen und die sich hier-
--rung,
Eigengewicht von Boden oder Fels und dessen Änderungen,
aus ergebenden Gefahren zu benennen. Ein Verändern der Lage
eines Bauwerkes oder seiner Gründungskörper durch Setzen,
1
2
3
.. Abb. 11.2 Formen für Einzelfundamente
4
Die Gründungskörper sollen an allen Stellen etwa gleich tief
5 in die tragfähige Bodenschicht einbinden. Bei Bauwerken am
Hang und bei wechselndem Schichtaufbau müssen allerdings
geologiebedingt die Fundamente unterschiedlich tief oder abge-
6 treppt gegründet werden (. Abb. 11.1 und 11.6a).
7
11.1.1 Flächengründungen
8 Wenn tragfähiger Baugrund direkt unter der geplanten Aushub-
sohle ansteht, kann eine Flächengründung als Flachgründung
9 ausgeführt werden. Die möglichen Gründungsformen sind
Einzelfundamente, Streifenfundamente, Gründungsbalken und
10 Gründungsplatten. Liegen zwischen der Aushubsohle und dem
tragfähigen Baugrund weiche Schichten, so können bei geringer
Schichtstärke die Einzel- oder Streifenfundamente tiefer ausge-
11 führt werden. Bei größerer Schichtstärke können Brunnengrün-
dungen gewählt werden.
12
zz Einzelfundamente
Die Lasten aus Stützen, Pfeilern und Masten fallen als Einzellast
13 an [MN]. Das Einzelfundament wird quadratisch, sechseckig,
achteckig, rund oder rechteckig geformt. Die erforderliche Fun-
14 damentfläche richtet sich nach dem Bemessungswert σR,d des
Sohlwiderstandes für Streifenfundamente (DIN 1054). In der
15 Regel bestehen Einzelfundamente aus Stahlbeton, wobei auch
.. Abb. 11.1 Gründungstiefe in Abhängigkeit vom Schichtenbau. a Ebener hier die Fundamentstärke so zu bemessen ist, dass ein „Durch-
stanzen“ nicht eintritt (. Abb. 11.2).
16 und gleichmäßig geschichteter Baugrund; b Hanggrundstück mit hangpar-
alleler Schichtung; c Talgrundstück mit verlandeter Rinne. Die Fundamente
binden jeweils gleichmäßig tief in den tragfähigen Untergrund ein zz Streifenfundamente
17 Die Lasten von Wänden und Mauern fallen als Linienlasten
Bei Flachgründungen ist auf Frostsicherheit zu achten. Dies [MN m−1] an. Streifenfundamente aus Beton werden in einem
betrifft das frostfreie Gründen bei Einbindetiefen von mindestens ausgehobenen Graben unter der Sohle der Baugrube oder bei
18 80 cm, in Extremlagen tiefer, und das frostfreie Verlegen von Was- Bodenaustausch in einer Schalung mit seitlicher Abstützung
ser- und Abwasserleitungen. Besonders gefährlich ist feinkörniger hergestellt. Die erforderliche Fundamentbreite richtet sich nach
19 Baugrund (Lehm, Schluff, Ton). Frostschäden treten vermehrt im dem Bemessungswert σR,d des Sohlwiderstandes für Streifen-
ersten Winter nach dem Fundamentieren ein. In späteren Jahren fundamente (DIN 1054). Die Stärke der Fundamente muss
20 ist der Wassergehalt des Bodens unter dem Bauwerk gering (▶ Ab- bei unbewehrten Fundamenten so gewählt werden, dass die
schn. 2.10, 12.7). Lastausbreitung unter einem Winkel von 26,5° sichergestellt ist
Es ist das Ziel, eine kostengünstige Gründung zu wählen, die (. Abb. 11.3a–c). Bei schlanken armierten Fundamenten darf
21 allen Sicherheitsanforderungen genügt. Die Gründungskörper sind die Neigung für diesen Winkel eines möglichen Stanzkegels mit
ingenieurtechnisch so zu bemessen, dass die auf sie einwirkenden 45° angenommen werden (Möller 2012).
22 Kräfte aufgenommen werden können („innere Tragfähigkeit“).
Jeder Boden besitzt eine begrenzte Tragfähigkeit. Reicht die in zz Gründungsbalken (Plattengurt)
der Baugrubensohle vorliegende Tragfähigkeit des Bodens für das Einzellasten von in Reihe stehenden Stützen können, über einen
23 Gründen eines Bauwerkes aus, so kann eine Flächengründung ge- Gründungsbalken gleichmäßig verteilt, nach Art eines Streifen-
wählt werden. Andernfalls muss die Bauwerkslast in tiefere Schich- fundamentes auf den Untergrund abgetragen werden. Dies wird
ten eingetragen werden (Tiefgründung). erforderlich, wenn sich die Einzelfundamente gegenseitig berüh-
11.1 • Übertragen von Bauwerkslasten auf den Baugrund
425 11
-
Extremen:
einfaches, übersichtliches und setzungsunempfindliches
Bauobjekt mit geringem Schwierigkeitsgrad (z. B. ein- und
zweigeschossige Wohnhäuser)
-
und
großes, setzungsempfindliches und möglicherweise geglie-
dertes Bauobjekt mit unterschiedlichem Lasteintrag und
c
.. Abb. 11.6 Beispiele für Pfahlgründungen. a Die Bauwerkslast wird als
Spitzendruck auf den tragfähigen Untergrund (Fels) übertragen; b die Bau-
werkslast wird über Mantelreibung und Spitzendruck in tragfähige Sand- und
Kiesschichten übertragen; c Bohrpfahl mit Fußverbreiterung; die Bauwerks-
last wird über Mantelreibung und Spitzendruck in den Untergrund mit
begrenzter Tragfähigkeit übertragen. Bei schwankenden Grundwasserstän-
den können Pfähle in Abhängigkeit von der auf das Bauwerk einwirkenden
Auftriebskraft wechselnd auf Druck oder Zug beansprucht werden
428 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
zusätzlichen Einwirkungen auf Tragwerk und Baugrund zu Zuordnung zu einer Geotechnischen Kategorie. Unterschieden
- --
1 unterscheiden. wird nach baugeologischen und bautechnischen Kriterien:
Bauobjekte, die nach dem Schwierigkeitsgrad zwischen Geotechnische Kategorie GK 1
2 diesen Extremen liegen, sind entsprechend einzustufen. Nach baugeologischen Kriterien zählt hierzu:
gleichmäßig ausgebildeter Baugrund aus dicht gelager-
-
Pläne für ein- und zweigeschossige Wohnhäuser werden mehr- tem grobkörnigem Boden,
3 fach ohne Bezug auf einen Bauplatz und ohne Bezug auf den Baugrund aus halbfestem bis festem feinkörnigem Bo-
--
Untergrund entworfen. Bei der Gründung geht der Architekt von den,
4 optimalen Verhältnissen aus (z. B. ebener Baugrund aus gleich- Baugrund aus massigem Fels,
mäßig ausgebildetem, dichtgelagertem sandigem Kies in großer der Grundwasserspiegel liegt tief.
5 Mächtigkeit und tiefliegendem Wasserspiegel.). Nach bautechnischen Kriterien zählen hierzu Baumaßnah-
--
Bezogen auf das Gründen von Bauwerken kann der Bau- men vom geringem Schwierigkeitsgrad:
grund nach seinen geotechnischen Eigenschaften eingestuft ein- und zweigeschossige Wohnhäuser,
-
6
- --
werden: einfache Industriebauen,
Sehr günstige Baugrundverhältnisse - das Bauwerk kann Mauern und Stützmauern mit geringer Höhe.
7 wie im architektonischen Entwurf vorgesehen gegründet Geotechnische Kategorie GK 2
8 - werden.
Günstige Baugrundverhältnisse - das Bauwerk kann mit
geringen Änderungen bei Fundamentbreite und/oder
Nach baugeologischen Kriterien zählt hierzu:
ungleichmäßig ausgebildeter Baugrund mit wechselnden
--
Schichten und Schichtmächtigkeiten,
9
10
- Gründungstiefe gegründet werden.
Wenig günstige Baugrundverhältnisse - das Bauwerk kann
nur mit erheblichen Änderungen bei Fundamentbreite
und Fundamenttiefe gegründet werden. Die Fundamente
Baugrund aus locker gelagertem grobkörnigen Boden,
Baugrund aus weichplastischen bis steifplastischen fein-
-
körnigen Böden,
der Grundwasserspiegel liegt in geringem Abstand zur
müssen gegebenenfalls geologischen Strukturen angepasst Gründungssohle.
11
- werden.
Ungünstige Baugrundverhältnisse. Der Baugrund ist für
Flachgründungen ungeeignet. Es ist ein Bodenaustausch
Nach bautechnischen Kriterien zählen hierzu Baumaßnah-
--
men mit gehobenem Schwierigkeitsgrad, wie:
mehrgeschossige Wohnhäuser und Industriebauten,
12
-
mit aufgesetzten Streifen- oder Einzelfundamenten oder Bauwerke am Hang,
14
15
auf Pfählen oder auf tiefgründig verbessertem Baugrund
(Stopfsäulen, vermörtelte Stopfsäulen, Hochdruckinjektion,
▶ Abschn. 8.2) ist angeraten. Lastverteilung und Lasteintrag
des Bauwerks in den Baugrund sind vom Tragwerksplaner
-- Nachweis der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit.
Geotechnische Kategorie GK 3
Nach baugeologischen Kriterien zählen hierzu
geologisch junge Ablagerungen mit wechselnden
neu zu planen. Schichten und Schichtmächtigkeiten aus feinkörnigen,
organischen oder organogenen Böden (z. B. Ablagerun-
16
-
gen in der Talaue mäandrierender Flüsse),
11.2.1 Geotechnische Kategorie Baugrund aus locker gelagertem grobkörnigen Boden
17
-
(z. B. Dünensand),
Der geotechnische Schwierigkeitsgrad beim Gründen von Bau- weichplastischen bis steifplastischen feinkörnigen Bö-
werken ergibt sich aus der ingenieurtechnischen Struktur eines den. Der Grundwasserspiegel variiert zwischen gerin-
18
-
geplanten Bauwerks, aus der baugeologischen Beschaffenheit des gem Abstand unter der Gründungssohle oder darüber,
Untergrundes und aus den erforderlichen Erdbaumaßnahmen. plastische Böden, die zum Quellen oder Schrumpfen
19
-
Die Komplexität der angeratenen Gründungsmaßnahme muss neigen,
im Zusammenhang mit dem damit verbundenen Risiko gese- Böden am Hang, die zum Rutschen, Gleiten oder Krie-
20
-
hen werden. Der Aufwand beim Erkunden, Untersuchen und chen neigen,
geotechnischen Bearbeiten für das Anraten einer Gründungmaß- stark klüftiger aufgelockerter Fels, der zu Rutschungsfor-
--
nahme steigt mit der Komplexität des Bauwerkes. Hinzu kommt men wie Kippen und Fallen neigt,
21 bei komplexen Gründungs- und Bauvorhaben ein erhöhter Hohlräume im Untergrund,
Aufwand für baubegleitende Untersuchungen mit Bestätigen Bauwerke mit geotechnischen Einwirkungen.
22 der vorausgesagten Verhältnisse oder Feststellen und Bewerten Nach bautechnischen Kriterien zählen hierzu Baumaßnah-
--
abweichender Verhältnisse. men mit hohem Schwierigkeitsgrad wie:
Der Umfang der baugeologischen und geotechnischen Un- Bauen neben bestehenden Bauwerken,
23
-
tersuchungen, Berechnungen und Bewertungen sowie der bau- hohe und sehr hohe Bauwerke mit hohen Bauwerkslasten,
begleitenden Überwachungsmaßnahmen richtet sich nach der setzungsempfindliche Bauwerke.
11.2 • Bewerten von Bauwerk und Baugrund bei Gründungsaufgaben
429 11
-
definiert:
Bemessungssituation BS-P (persistent situations) - --
Schaden nimmt durch:
Grenzzustand des Versagens des Baugrundes
GEO infolge:
Verformen des Baugrundes durch Setzen (Kompression,
-
Bemessen werden solche Einwirkungen, die dauerhaft über Schrumpfen u. a.),
die Bestandszeit des Bauwerks aus Gründungslasten (Eigen- Verformen des Baugrundes durch Heben (Quellen,
gewicht, Nutzlasten, regelmäßig auftretenden veränderlichen Schwellen, Frost, u. a.).
Zusatzlasten wie Schnee und Verkehr) und aus geotechnischen
Kräften (Erddruck) verursacht werden (Alte Bezeichnung: Nachweisverfahren GEO-2 Die meisten Nachweise in der Geo-
-
Lastfall 1).
Bemessungssituation BS-T (transient situations)
-
zeichnung: Lastfall 2).
--
weisverfahren GEO-2 dient dem Überprüfen:
der Sicherheit gegen Gleiten,
Bemessungssituation BS-A (accidental situations)
-
eines Ankers (alte Bezeichnung: Lastfall 3).
Bemessungssituation BS-E (earthquake situation)
4
5
sicherheitsbeiwerten zu multiplizieren.
Das Errechnen des Bemessungswertes EG,d erfolgt durch
Multiplikation des charakteristischen Wertes der Beanspru-
chung Ek (bzw. des repräsentativen Wertes der Beanspruchung
--
dem Überprüfen der:
Gesamtstandsicherheit von Bauwerken,
Standsicherheit von konstruktiven Hang- und Böschungssi-
cherungen.
Erep) mit dem Teilsicherheitsbeiwert γG der zu überprüfen-
den Bemessungssituation (BS-P, BS-T, BS-A) nach DIN 1054 Für das Berechnen nach dem Nachweisverfahren GEO-3 sind
6 Tab. A 2.1. vorab die charakteristischen Bodenkennwerte der Scherfestig-
keit tan φk und ck in die Bemessungswerte tan φd und cd der zu
7 Ed = Ek G überprüfenden Bemessungssituation nach DIN 1054 Tab. A.2.2.
zu überführen und abzumindern. Dies geschieht durch Division
Das Errechnen des Bemessungswertes EQ,d erfolgt durch der Reibungsbeiwerte tan φ′ (dränierter Boden) und tan φu (un-
8 Multiplikation des charakteristischen Wertes der Beanspru- dränierter Boden) sowie der Kohäsionswerte c′ und cu durch
chung Ek (bzw. des repräsentativen Wertes der Beanspruchung den Teilsicherheitsbeiwert γφ′ (oder γφu, γc′, γcu) der zu über-
9 Erep) mit dem Teilsicherheitsbeiwert γQ der zu überprüfen- prüfenden Bemessungssituation (BS-P = 1,25, BS-T = 1,15,
den Bemessungssituation (BS-P, BS-T, BS-A) nach DIN 1054 BS-A = 1,1).
10 Tab. A 2.1.
tan ' 0 = tan 'k W ' 0
-
EQd = Ek Q
11 und
Ermitteln der charakteristischen Widerstände Rk (R = Re-
12 sistance) c 0 = ck W c 0 :
Dies erfolgt durch Berechnen aus geometrischen Vorgaben und Der Bemessungswert der ständigen Einwirkungen Gd entspricht
13 Bodenkennwerten, durch das Sammeln von Messwerten aus Pro- in Zahlen dem charakteristischen Wert der ständigen Einwir-
bebelastungen und/oder Zugversuchen und aus Erfahrungen. kungen Gk, da der in DIN 1054, Tab. A.2.1 für GEO-3 im Grenz-
14 Die Widerstände betreffen Erdwiderstand, Reibungswiderstand zustand des Versagens ausgewiesene Teilsicherheitsbeiwert γG
in der Gleitfläche, Grundbruchwiderstand, Eindringwiderstand, für die zu überprüfenden Bemessungssituationen BS-P = 1,0,
15 Seitenwiderstand und Herausziehwiderstand von Pfählen und BS-T = 1,0 und BS-A = 1,0 beträgt. Damit ist
16 -
Ankern.
Ermitteln der Bemessungswerte Rd,i der Widerstände
E,d R,d
gehaltenen Erfahrungswerte das rechnerische Überprüfen der Das Bemessen von Fundamenten nach Erfahrungswerten setzt
Grenzzustände „Grundbruch“ und „Gleiten“ sowie das Berech- eine genaue Kenntnis des Baugrundes voraus. Der Baugrund
nen und Bewerten des Setzmaßes. Die einzelnen Tabellen mit muss untersucht und die vorgefundenen Böden müssen nach
aufgeführten Erfahrungswerten beziehen sich jeweils auf eine DIN 18196 eingruppiert werden, da die genannten Tabellen und
bestimmte Bodengruppe. Bilder auf diese Bodengruppen abgestimmt sind. Bei grobkörni-
Für das Bemessen von Flächengründungen nach Erfahrungs- gen Böden ist die Lagerungsdichte (mitteldicht, dicht), bei fein-
-
werten sind folgende Nachweise zu erbringen:
Der Baugrund soll bis zu der Tiefe, die der zweifachen
Fundamentbreite entspricht, mindestens aber bis 2 m unter
UK Fundament gleichmäßig sein. Beim Vorliegen geolo-
körnigen und gemischtkörnigen Böden ist die Konsistenz (steif,
halbfest, fest) anzugeben. Bei locker gelagertem grobkörnigem
Boden (Sand, Kies) und bei feinkörnigem Boden mit weicher
oder breiiger Konsistenz ist das Bemessen von Flächengründun-
gisch junger Ablagerungen oder künstlich herbeigeführter gen nach den Tabellenwerten der DIN 1054:2010 nicht möglich!
432 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
zz Grobkörniger Baugrund für Streifenfundamente σR,d der Tabelle DIN 1054 2010 A.6.1
1 Bei grobkörnigen Böden richten sich die Bemessungswerte für unter der Voraussetzung, dass die Einbindetiefe mindestens das
den Sohldruck bei setzungsunempfindlichen Bauwerken nach 0,6-Fache der Fundamentbreite beträgt, um 20 % erhöht werden.
2 der Grundbruchsicherheit (Tab. A.6.1 der DIN 1054), bei set-
zungsempfindlichen Bauwerken nach der Grundbruchsicherheit zz Feinkörniger Baugrund
und dem Setzmaß (Tab. A.6.2). Das Setzmaß kann beim Bemes- Beim Bemessen nach Erfahrungswerten kann sich ein Funda-
3 sen auf Grundlage der Setzung mit geringeren Belastungswerten ment im feinkörnigen oder gemischtkörnigen Baugrund um
1 cm, beim Bemessen nur auf Grundlage der Grundbruchsicher- 2–4 cm setzen. Bei ausgeprägt plastischen Tonen (TA) kann
4 heit (höhere Belastungswerte) 2 cm betragen. Flachgründungen sich der Baugrund durch Quellen und Schrumpfen verformen
auf Kies- und Sandböden dürfen weder über die Fundamente (Bachmann 1999). Derartige Gefahren sind beim Belasten nach
5 noch im Umkreis der Fundamente im stärkeren Maße dynamisch Erfahrungswerten nicht berücksichtigt und müssen besonders
belastet werden. Erschütterungen können, wie auch Überbelas- untersucht und bewertet werden.
tung, im Sandkorngefüge zu einem raschen Zusammenbruch des
6 bestehenden Gefüges führen. Es bildet sich ein neues, dichteres zz Schluffiger Baugrund
Gefüge aus. Nachträgliches dynamisches Einwirken (stampfende Bei Schluff (UL) mit steifer bis halbfester Konsistenz werden die
7 Maschinen, Beben, Einsatz rüttelnder Bodenverdichtungsge- Bemessungswerte des Sohlwiderstandes für Streifenfundamente
räte) und nachträgliches plötzliches Erhöhen der einwirkenden σR,d nur nach der Einbindetiefe d bemessen. Sie liegen bei einer
Gewichtslast des Bauwerkes (Auffüllen eines Tanks oder Silos, Einbindetiefe d = 0,5 m in der Größenordnung 180 kN m−2, bei
8 starker Schneefall, Aschefall in Vulkangebieten) können zu einer Einbindetiefe d = 2 m in der Größenordnung 350 kN m−2
plötzlichen Setzungen des Gebäudes und auch zum Abreißen (Tab. 6.5, DIN 1054).
9 von Leitungen führen.
Bei Sand und Kies richten sich die Bemessungswerte für den zz Gemischtkörniger Baugrund
10 Sohldruck nach der Fundamentbreite b (Größenordnung 0,5 bis Bei gemischtkörnigen Bodenarten (SU*, ST, ST*, GU*, GT*)
3 m) und nach der Einbindetiefe d (Größenordnung 0,5 bis 2 m). werden die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes für Streifen-
Voraussetzung für das Anwenden dieser Bemessungswerte σR,d fundamente σR,d nach der Konsistenz im Bereich steif – halbfest
11 ist der Nachweis ausreichender Tragfähigkeit. Dies kann direkt – fest und nach der Einbindetiefe d bemessen. Bei einer Einbin-
über die Lagerungsdichte D (soll sein bei weitgestuften Sanden detiefe d = 1 m liegen die Bemessungswerte σR,d in der Größen-
12 und Kiesen ≥ 0,65, bei enggestuften ≥ 0,5) und über die Proctor- ordnung 250 kN m−2 für steifen, 390 kN m−2 für halbfesten und
dichte DPr (soll sein bei weitgestuften Sanden und Kiesen ≥ 98 %, 530 kN m−2 für festen Boden (Tab. A.6.6, DIN 1054).
bei enggestuften ≥ 95 %) erfolgen. Indirekt kann die Tragfähig-
13 keit über den Sondierwiderstand abgeschätzt werden (DIN 1054 zz Tonig-schluffiger Baugrund
2010, Tab. A.6.3). Bei tonig schluffigem Baugrund (UM, TL, TM) werden die Be-
14 Bei setzungsempfindlichen Bauwerken auf grobkörnigem messungswerte des Sohlwiderstandes für Streifenfundamente
Baugrund werden die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes σR,d nach der Konsistenz im Bereich steif – halbfest – fest und
15 für Streifenfundamente σR,d auf Grundlage der Begrenzung nach der Einbindetiefe d bemessen. Bei einer Einbindetiefe
über einen maximal zulässigen Setzungsbetrag bemessen. Maxi- d = 1 m liegen die Bemessungswerte σR,d in der Größenord-
malwerte hierfür liegen bei der Einbindetiefe d = 1,0 m und bei nung 200 kN m−2 für steifen, 290 kN m−2 für halbfesten und
16 Fundamentbreiten b = 1 m in der Größenordnung 520 kN m−2. 450 kN m−2 für festen Boden (Tab. A.6.7, DIN 1054).
Sowohl für schmälere wie für breitere Fundamente sind kleinere
17 Bemessungswerte anzusetzen, z. B. für die Fundamentbreiten zz Toniger Baugrund
b = 2,5 m oder b = 0,5 m in der Größenordnung 380 kN m−2. Bei Baugrund aus Ton (fetter Ton/TA) werden die Bemessungs-
Bei Kreisfundamenten, quadratischen Fundamenten und bei werte des Sohlwiderstandes für Streifenfundamente σR,d nach
18 rechteckigen Fundamenten mit einem Verhältnis Breite zu Länge der Konsistenz im Bereich steif – halbfest – fest und nach der
≤ 2 dürfen die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes für Strei- Einbindetiefe d bemessen. Bei einer Einbindetiefe d = 1 m liegen
19 fenfundamente σR,d der Tabelle DIN 1054 2010 A.6.2 um 20 % die Bemessungswerte σR,d in der Größenordnung 150 kN m−2
erhöht werden. für steifen, 250 kN m−2 für halbfesten und 340 kN m−2 für festen
20 Bei setzungsunempfindlichen Bauwerken werden die Bemes- Boden (Tab. A.6.8, DIN 1054).
sungswerte des Sohlwiderstandes für Streifenfundamente σR,d auf
Grundlage der Grundbruchsicherheit bemessen. Die zulässigen zz Fels als Baugrund
21 Bemessungswerte des Sohlwiderstandes für Streifenfundamente Bei Fels richten sich die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes
σR,d steigen mit zunehmender Fundamentbreite b an. Bei einer σR,d (DIN 1954: 2010, Bild 6.3) nach der Druckfestigkeit des Ge-
22 Einbindetiefe d von 1 m kann dieser Bemessungswert bei der steins (und damit indirekt nach der Gesteinsart, . Tab. 1.35) und
Fundamentbreite b = 0,5 m in der Größenordnung 380 kN m−2, nach dem Kluftabstand. Die mögliche Druckbeanspruchung von
bei b ≥ 2 m mit 800 kN m−2 angenommen werden. Fels ist stets kleiner als die Druckfestigkeit des Gesteins und liegt
23 Bei Kreisfundamenten, quadratischen Fundamenten und maximal bei 10 bis 20 % der Gesteinsfestigkeit. Die maximalen
bei rechteckigen Fundamenten mit einem Verhältnis Breite zu Bemessungswerte des Sohlwiderstandes σR,d für Flächenfunda-
Länge ≤ 2 dürfen die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes mente auf Fels werden in DIN 1054 mit 14 MN/m2 angegeben.
11.4 • Bemessen von Flächengründungen
433 11
Für Gesteine mit Druckfestigkeiten zwischen 1,25 und 5 MN/ Rechnergestützte Nachweise zur Tragfähigkeit des Baugrundes
m2 (N/mm2) – typische Gesteine sind ungebundene Schluff- und und zur Gebrauchstauglichkeit geplanter Bauwerke haben in den
Tonsteine – liegen demnach die Bemessungswerte des Sohlwi- letzten Jahren zur ständigen Erweiterung und Komplizierung der
derstandes σR,d Berechnungsmethoden geführt. Die gleichzeitige Leistungsstei-
gerung und Verbreitung von Hard- und Software ermöglicht zum
beim Kluftabstand 200 mm in der Größenordnung 0,3 bis 0,8 MN/m2, anderen einem weiten Personenkreis das Anwenden dieser Pro-
beim Kluftabstand 600 mm in der Größenordnung 0,7 bis 3,5 MN/m2, gramme. Nicht die eigens durchgeführte erdstatische Rechnung
beim Kluftabstand 1000 mm in der Größenordnung 1,4 bis 5 MN/m2. selbst, sondern die zuverlässige Eingabe zuverlässiger Daten in
eine weit erprobte und auf den Fall zugeschnittene Software wird
Für Gesteine mit Druckfestigkeiten zwischen 5 und 12,5 MN/m2 zum wesentlichen Kriterium der Standsicherheitsberechnung.
(N/mm2) – typische Gesteine sind ungebundene und schwach Der Sachverständige für Geotechnik gibt für Standsicherheits-
verfestigte Sandsteine, Tonsteine, Schluffsteine, Tonmergelsteine nachweise die bodenmechanischen Kenngrößen für Wichte γ1,k,
– liegen demnach die Bemessungswerte des Sohlwiderstandes σR,d γ2,k, Reibungswinkel φk und Kohäsion ck als charakteristischen
Wert an. Für Fragen der Standsicherheit und Tragfähigkeit sind
beim Kluftabstand 200 mm in der Größenordnung 0,8 bis 2 MN/m2, zudem die charakteristischen Werte für Reibungswinkel und Kohä-
beim Kluftabstand 600 mm in der Größenordnung 3,5 bis 8 MN/m2, sion bei dräniertem Boden als 'k0 und ck0 , bei undräniertem Boden
beim Kluftabstand 1000 mm in der Größenordnung 5 bis 12 MN/m2. als φuk und cuk zu kennzeichnen. Bei Angaben von Kenngrößen
für die Wichte sind neben den wahrscheinlichen Werten für γk
Für Gesteine mit Druckfestigkeiten zwischen 12,5 bis 50 MN/ und k0 auch untere und obere Grenzwerte anzugeben. Die oberen
m2 (N/mm2) – typische Gesteine sind verfestigte, kieselig oder Grenzwerte gelten für das Berechnen von Erddruck und Auflasten,
karbonatisch gebundene Sandsteine, Kalkmergelsteine, Kalk- die unteren Grenzwerte für das Berechnen von Erdwiderstand und
steine, Dolomitsteine – liegen demnach die Bemessungswerte für den Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen.
des Sohlwiderstandes σR,d Das Festlegen von charakteristischen Werten setzt das Wis-
sen darüber voraus, wie der zu benennende Wert in die Berech-
beim Kluftabstand 200 mm in der Größenordnung 2 bis 10 MN/m2, nung eingeht. Unter Berücksichtigung von Inhomogenitäten
beim Kluftabstand 600 mm in der Größenordnung 8 bis > 14 MN/m2, kann es erforderlich sein, beim gleichen Baugrund für verschie-
beim Kluftabstand 1000 mm in der Größenordnung 12 bis > 14 MN/m2. dene Standsicherheitsnachweise (Gleiten, Grundbruch, Gelän-
debruch) verschiedene Zahlenwerte für bodenmechanische
Für Gesteine mit Druckfestigkeiten > 50 MN/m2 (N/mm2) – ty- Kenngrößen in Form des jeweiligen charakteristischen Wertes als
pische Gesteine sind magmatische Gesteine, metamorphe Ge- wirksame Kenngröße anzugeben, z. B. für den Reibungswinkel
steine, Quarzit, Schiefer – liegen demnach die Bemessungswerte bei Hangbebauung im sandigen Hangschutt mit hangparallelen
des Sohlwiderstandes σR,d Lehmlagen.
Charakteristische Werte stehen nur für den bestimmten Bo-
beim Kluftabstand 200 mm in der Größenordnung 10 bis > 14 MN/m2, denbereich, für den die Kenngrößen festgelegt werden sollen.
beim Kluftabstand > 300 mm in der Größenordnung > 14 MN/m2. Charakteristische Werte für Boden- und Felskenngrößen können
als Mittelwert aus den Ergebnissen von mehreren Einzelversu-
chen (Labor- oder Feldversuche), die sich auf diesen bestimmten
11.4 Bemessen von Flächengründungendurch Boden- bzw. Felsbereich beziehen, gewonnen werden. Die Ein-
den Nachweis der Tragfähigkeit und der zelergebnisse der Labor- und Feldversuche sind dem Geotech-
Gebrauchstauglichkeit für die geplanten nischen Bericht im Anhang beizufügen. Die Begriffe der Pro-
Bauwerke benahme, Qualitätssicherung und Statistik sind in DIN 55350,
Teil 14 geregelt.
Bauwerksgründungen auf zusammendrückbarem und/oder Damit wird der Baugrund vom Grundsatz her als homogene
weichem Untergrund sowie Gründungen von schweren oder Einheit betrachtet. Vom Geologen ist verstärkt auf Inhomogeni-
schwierigen Tragwerken auf begrenzt belastbarem Baugrund täten im Baugrund aufmerksam zu machen. Nicht erkannte In-
bedürfen eingehender rechnerischer Nachweise der Standsicher- homogenitäten und Schwächezonen im Baugrund können nicht
heit (Grenzzustand der Tragfähigkeit ULS/Ultimate Limit State) durch hohen Rechenaufwand kompensiert werden!
und der Gebrauchstauglichkeit (Grenzzustand der Gebrauchs-
tauglichkeit SLS/Serviceability Limit State). Zur Standsicherheit zz Bemessungswerte von Bodenkenngrößen
von Bauwerken ist in Einzelnachweisen die Sicherheit gegen Beim erdstatischen Nachweisverfahren GEO-3 zur Sicherheit
Aufschwimmen und andere Einwirkungen (Grenzzustand bei vor Geländebruch, Böschungsbruch und Bruch des Bodens un-
Gleichgewichtsverlust durch Aufschwimmen UPL/Uplift/▶ Ab- ter Druck- oder Zuglast von Pfahlgruppen kann nach DIN EN
schn. 6.3 und 6.4) sowie die Sicherheit gegen Gleiten, Grundbruch 1997–1 mit Bemessungswerten für die Bodenkenngrößen der
und bei Hangbebauung auch gegen Geländebruch (GEO-3) zu Scherfestigkeit gerechnet werden, welche mit φd, cd oder δd zu
erbringen. Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit erfordert kennzeichnen sind. Die Bemessungswerte φd und δd (Wandrei-
Nachweise, dass das Bauwerk keine unzuträglichen Verformun- bungswinkel) erhält man durch Division von tan φk bzw. tan δk
gen, Verschiebungen oder Setzungen erleidet. durch den Teilsicherheitsbeiwert γφ, die Bemessungswerte für
434 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
20 dament aus und kann sich seitlich aufwölben. Das Fundament häsion
versagt (Schultze 1980). vd = Formbeiwert für den Einfluss der Grundrissform auf die Gründung-
Die Größe der Bruchlast wird durch die Wichte des feuchten stiefe d
21 Bodens γk, die Scherfestigkeit des Bodens τf mit den Teilgrößen vb = Formbeiwert für den Einfluss der Grundrissform in Bezug auf die Fun-
φk für den Winkel der inneren Reibung und ck für die Kohäsion, damentbreite
22 die Fundamentbreite b und die Gründungstiefe d bestimmt. Im γ1 = Wichte des Bodens oberhalb der Gründungssohle [kN m−3]
häufigen Fall wirkt die Bauwerkslast normal zur Sohlfläche und γ2 = Wichte des Bodens unterhalb der Gründungssohle [kN m−3]
ruft eine vertikal zur Sohlfläche des Fundamentes ausgerichtete
23 Beanspruchung (Vk) hervor. Im Boden resultiert hieraus der Die Tragfähigkeitsbeiwerte können Tabellen oder grafischen Auf-
Grundbruchwiderstand Rn,k. zeichnungen entnommen werden, z. B. DIN 4017 – Beiblatt 1,
11.4 • Bemessen von Flächengründungen
435 11
Triantafyllidis (2013), Schanz (2013), Heimbecher (2013). For- mit einem Software-Programm zum Berechnen nach DIN 4017,
meln für das Berechnen gibt Ziegler (2013). z. B. WinGrubru, IDAT GmbH, Darmstadt.
Die Formbeiwerte werden entweder als Zahlenwert angege-
ben oder können nach Formeln berechnet werden. Größen und
Berechnungsformeln werden allgemein in Tabellen aufgeführt, 11.4.2 Nachweis der Sicherheit gegen Gleiten
z. B. in DIN 4017. – Verschieben auf horizontaler
Bei Streifenfundamente haben alle Formbeiwerte den Zah- oder nur schwach geneigter Sohlfuge
lenwert 1,0.
Stehen im Baugrund unterhalb der Gründungssohle zusam- Für die Standsicherheit von Bauwerken ist der Nachweis ge-
mendrückbare weiche Schichten unter festeren Schichten an, z. B. gen Gleiten in der Sohlfuge zu führen. Versagen durch Gleiten
Schluff mit organischen Beimengungen unter Kies, oder wird das kann eintreten, wenn einwirkende Horizontalkräfte (horizontale
Grundwasser im geringen Abstand zur Gründungssohle angetrof- Komponenten der Gesamtkraft bzw. Horizontalschub Hk) in der
fen, so führt das zu einer Erniedrigung der Grundbruchlast. Ver- Sohlfläche größer sind als der Sohlwiderstand Rk. Der Bemes-
einfachend werden für den Sicherheitsnachweis die Eigenschaften sungswert des Gleitwiderstandes Rd (und dies gegebenenfalls im
des besseren Bodens negiert und die Bodenkenngrößen des un- Zusammenwirken mit einem passiven Erdwiderstand Rpd) muss
günstigeren Bodens rechnerisch in die Gründungssohle gelegt. größer sein als der Bemessungswert der horizontalen Beanspru-
Die so ermittelten Standsicherheiten liegen auf der sicheren Seite. chung Hd in der Gleitfuge. Die Ungleichung muss erfüllt sein.
Bei außermittiger und schräger Belastung verringert sich
die Grundbruchlast. In diesen Fällen überträgt nur ein Teil des Rd + Rpd Hd
Gründungskörpers die Last auf den Untergrund. In einem ver-
einfachten Berechnungsverfahren mit der Grundbruchgleichung Einwirkende Kräfte können Erddruck, Wasserdruck, Wind-
nach DIN 4017 werden zusätzlich zu den obengenannten Beiwer- druck sowie andere einwirkende Momente (z. B. Pressdruck)
--
ten noch Neigungsbeiwerte eingesetzt, und zwar: sein. Mögliche Gefahren des Versagens durch Gleiten bestehen
Lastneigungsbeiwert i mit Unterscheidung nach ib, id, und ic, bei Stützbauwerken, Staubauwerken, Widerlagern und starkem
Geländeneigungsbeiwert λ mit Unterscheidung nach λb, λd, Wind ausgesetzten Bauwerken.
- und λc,
Sohlfläche-Neigungsbeiwert ξb, ξd, und ξc.
Rk = Vk tan ıS,k :
dungskörpers nach Berücksichtigung der Außermittigkeit. Bei
außermittig belasteten Fundamenten, z. B. beim Einwirken von δS,k ist der Sohlreibungswinkel, (. Tab. 7.9) im Grenzzustand.
Erddruck auf das Fundament einer Stützmauer, verringert sich Bei Ortbetonfundamenten kann mit δS,k = 'k0 , bei Fertigbetontei-
die in Ansatz zu bringende Sohlfläche eines Fundamentes A mit len mit δS,k = 2 / 3 'k0 gerechnet werden. V ist der vertikale Anteil
dem Verhältnis Länge a zu Breite b auf eine kleinere rechneri- der einwirkenden Gewichtskraft G.
sche Ersatzfläche A′, mit a′ für die rechnerisch kleinere Länge Die Kohäsion darf nicht berücksichtigt werden.
und b′ für deren rechnerisch kleinere Breite. a′ ist immer und Bei (nicht konsolidierten) Böden, in denen Porenwasser-
unabhängig von a des Gründungskörpers die längere Seite der drücke wirken, erfolgt nach DIN 1054 das Abschätzen nach der
Ersatzfläche (Baumgart 2012, Heimbecher 2013, Triantafyllidis Gleichung:
2013, Ziegler 2013). Aus der Vorstellung, dass die resultierende
Krafteinwirkung mittig auf die verbleibende Teilfläche A′ ein- Rk = A cu,k :
wirkt, ergibt sich die Reduktion der Fundamentbasisfläche mit
der Längsseite a und der Breitseite b auf die rechnerisch kleinere A ist die wirksame Fundamentfläche (bei außermittigem An-
Ersatzfläche mit der Längsseite a′ und der Breitseite b′. griff der Resultierenden die reduzierte Fundamentfläche), cu der
Scherparameter des undränierten Bodens bei Porenwasserüber-
a = a0 + 2ea druck.
b = b 0 + 2eb Der Bemessungswert der horizontalen Beanspruchung in der
Gleitfuge ergibt sich zu
Die erweiterte Grundbruchgleichung lautet:
Hd = HG,k G + HQ,k Q :
Rnk = b 0 a0 .cNc c vc + 1 dNd d vd + 2 bNb b vb /:
Der Bemessungswert des Widerstandes Rd in der Gleitfuge ergibt
Anwendungsbeispiele für das Berechnen der Grundbruchsicher- sich zu
heit mit der erweiterten Grundbruchformel geben Ziegler (2013),
Möller (2012) und per Internet Triantafyllidis (2013), Schanz Rd = Rk Rh :
(2013), Heimbecher (2013). Der rechnerische Nachweis der
Grundbruchsicherheit ist aufwendig und erfolgt günstigerweise
436 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
--
zz Maßnahmen zum Erhöhen der Gleitsicherheit
5 Maßnahmen zum Erhöhen der Gleitsicherheit können sein:
Vergrößern der Sohlfläche;
6
--
Verzahnen der Sohlfläche;
Vergrößern des Erdwiderstandes durch tieferes Gründen;
Vergrößern des Erdwiderstandes durch Bodenverbesserung
7
-
oder Bodenaustausch;
Vergrößern des Erdwiderstandes durch Erhöhen der Verti-
8
9
-
kallast;
Verringern der einwirkenden Horizontalkräfte.
Rutschen auf geneigter Gleitfläche Für den Nachweis der Gesamttragfähigkeit, z. B. beim Ab-
14 schätzen der Sicherheit vor Böschungsbruch, Geländebruch
Im Einflussbereich von Böschungen, Hängen und Gelände oder Bruch des Bodens bzw. Baugrundes beim Belasten durch
15 sprüngen wird der Baugrund durch abschiebende Gewichts- Druckpfahlgruppen, Zugpfahlgruppen oder Pfahlroste sind die
kräfte beansprucht. Reichen die widerstehenden Kräfte zur in DIN 1054, Tab. A.2.1 aufgeführten Werte zu verwenden.
Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes nicht aus, kann das Bei der Versagensform nach dem Rutschungstyp „Gleiten“
16 Gelände in Form einer Rutschung versagen. Soll Gelände im wird eine im Hang bestehende schräg gelagerte Trenn- oder
Einflussbereich von Böschungen, Hängen oder Geländesprün- Schichtfläche als Gleitfläche aktiviert oder es bildet sich eine
17 gen bebaut oder belastet werden, ist der Baugrund auch auf die neue Gleit- oder Bruchfläche aus. Auf dieser wird der Scherwi-
Standfestigkeit gegen Geländebruch zu untersuchen. Hänge und derstand des Bodens überwunden. Die Gleitfläche erscheint in
Geländestufen können von Natur aus instabil sein. Durch Auf- der Schnittebene als Gleitlinie. Im homogenen Boden bilden sich
18 füllungen oder Anschüttungen (. Abb. 11.8c) kann die Gefahr kreisförmige Gleitlinien aus (. Abb. 11.8a, b). Bei einem aniso-
eines Geländebruches erhöht werden. Über die Gründungskör- tropen Aufbau des Baugrundes mit Schichtung, Trennflächen
19 per abgetragene Bauwerkslasten verstärken die abschiebenden oder oberflächenparalleler Aufwitterung kann die Gleitfläche
Einwirkungen. Mehrfach wurde beobachtet, dass unter Teilen durch eine ebenflächige Trennfläche (. Abb. 11.8c) gebildet
20 von (überdimensionierten) Gründungskörpern kleinerer Bau- sein. Im geklüfteten Fels können auch Gesteinsblöcke oder Ge-
werke der Baugrund wegrutschte und die Fundamente in der steinsmassen ausbrechen oder ausgleiten, deren Gleitfläche von
Luft hingen! Der Standsicherheitsnachweis gegen Grundbruch sich überschneidenden Trennflächensystemen gebildet wird. Die
21 wäre in solchen Fällen allein nicht ausreichend. Der Baugrund Gleitlinie erhält dann einen gezackten Verlauf (. Abb. 11.8d).
muss unter den Einwirkungen von Eigenbelastung und zusätz- Die Bewegung der Erdmassen erfolgt längs der ungünstigsten
22 lichen Bauwerkslasten auch gegen Geländebruch standfest sein Gleitfläche. Diese kann bei einem geschichteten Baugrund na-
(Gußmann 1987). turgegeben sein und durch geologische Untersuchungen ermit-
Gegen das geotechnische Risiko „Versagen des Bodens bzw. telt werden. Das Nachweisverfahren zur Standsicherheit gegen
23 Baugrundes einschließlich der auf oder in diesem befindlichen Gelände- und Böschungsbruch ist der im geologischen Bau des
Bauwerke oder Bauwerksteile“ ist durch Betrachten des Grenz- Untergrundes vorgegebenen möglichen Versagensform anzupas-
zustandes ein Sicherheitsnachweis zu führen. sen. Bei den Nachweisverfahren ist zu unterscheiden zwischen:
11.4 • Bemessen von Flächengründungen
437 11
- werden.
Lamellenfreie Verfahren für kreisförmige Gleitlinien im
homogen aufgebauten Hang oder in einer homogen auf-
gebauten Böschung als vereinfachte Gleitkreisberechnung
- (Triantafyllidis 2013).
Lamellenverfahren für kreisförmige Gleitlinien in (weit-
gehend) homogen aufgebauten Hängen und Böschungen.
In solchen Böden kann die ungünstigste Gleitfläche durch
Versuchsrechnungen ermittelt werden. Es werden hierzu
verschiedene kreisförmig verlaufende Gleitflächen in einer
1 m breiten Scheibe untersucht.
-
bruch müssen folgende Unterlagen vorhanden sein:
Geländeschnitt mit Mächtigkeit und Tiefenangabe der
.. Abb. 11.9 Standsicherheit für eine einzelne Lamelle und für den Fall eines
-- angetroffenen Bodenarten;
Lage der Bauwerke im Einflussbereich der Böschung;
- -
Gleitkörpers mit ebener Gleitfläche
Verkehrslasten im Einflussbereich der Böschung;
Verfahren für das Überprüfen rutschgefährdeter Massen Wasser- und Grundwasserverhältnisse im Bereich der
auf einer geologisch vorgegebenen Gleitfläche (Schicht-
fläche, Kluftfläche, Störungsfläche, Hangoberfläche,
. Abb. 2.11a-c und 11.9. Hierzu zählen auch Verfahren
zum Abschätzen der Lagefestigkeit oder Rutschgefahr von
--Böschung;
mögliche Formen für den Gleitkörper;
Wichte des Bodens als Feuchtraumgewicht k0 , als Wichte
des Bodens unter Auftrieb k0 oder als Wichte des wasserge-
-
Blöcken (Großblöcken) gegen Gleiten und Triften (Block-
gleitverfahren/. Abb. 2.10).
--
sättigten Bodens γr,k;
Eigenlast des Gleitkörpers;
Verfahren für das Überprüfen rutschgefährdeter Massen
im Gebirgshang oder im abgeböschten Gelände, welche
aus mehreren Einzelflächen zusammengesetzt sind. Solche -
Zusatzlasten aus Bauwerken oder Verkehr;
Scherfestigkeit mit dem wirksamen Winkel der inneren
Reibung φk und der wirksamen Kohäsion ck für den Boden
Rutschmassen können sich auf mehreren gleichartigen und
verschiedenartigen geologisch vorgegebenen Gleit- oder
Bruchflächen bewegen. Die möglichen Gleitflächen können
zueinander parallel angeordnet sein und/oder auch aus
-
(DIN 18137);
Wasserdruckunterschied in waagerechter Richtung bis zur
Unterkante der Gleitfläche oder Porenwasserdruck u auf die
Gleitfläche aus dem Strömungsbild.
sich überschneidenden Trennflächen oder Störungsflächen
bestehen (. Abb. 2.11d-f, und . Abb. 11.8d). Beim rechne- Die Berechnungsverfahren sind mit der jeweils gegebenen geo-
rischen Abschätzen von Rutschgefahr oder Standfestigkeit logischen Situation abzustimmen (. Abb. 2.11, 2.12, 2.13, 9.2,
können derartige Rutschmassen in mehrere Teilkörper 9.3 und 11.8a, b). Das Anwenden eines nicht angepassten Be-
aufgeteilt werden. An geneigt bis stark geneigt einfallen- rechnungsverfahrens ist wenig sinnvoll und kann zu fehlerhaften
den Schichten mit parallelen gleitfähigen Schichtflächen Annahmen im Bezug bestehender Sicherheiten führen.
oder an Fels mit parallel angeordneten Haupttrennflächen In allen Verfahren werden die Einwirkungen aus abschiebenden
können Erd- oder Felsmassen abgleiten oder ausbrechen. Massen den resultierenden Widerständen entgegengesetzt. Eine aus-
Gesteinsbänke oder Schichtkörper in geneigter Lagerung reichende Sicherheit ist gegeben, wenn die Ungleichung erfüllt ist.
können an bestehenden Klüften aufbrechen und stufenartig
versetzte Gleitflächen bilden. Auch das Aufbrechen neuer Rd E d
Spalten im Fels ist möglich. Erkundungen hierzu sind über
4
5
6
7
8 zz Berechnungsverfahren für Rutschmassen auf geneigter wenn Reibung und Kohäsion berücksichtigt werden, nach
ebener Gleitfläche Spalte 13 berechnet.
9 Für die Kräftebilanz zwischen abschiebenden und widerstehen- Die gesuchte Standsicherheit ergibt sich für den untersuch-
den Momenten am möglichen Rutschkörper kann von einer ein ten Gleitkreis aus der Gegenüberstellung der Summe aller rück-
10 Meter breiten Scheibe ausgegangen werden. Für diese Scheibe des haltenden Kräfte und der Summe aller abschiebenden Kräfte.
Rutschkörpers sind über Volumen und Wichte die Gewichtskraft Die tatsächliche Standsicherheit ergibt sich aus den Vergleichs-
Gk und über die Länge l der Gleitfläche die Größe der Reibung rechnungen für mehrere Gleitflächen, die versuchsweise durch
11 und der Kohäsion c zu ermitteln. Die Gewichtskraft Gd [kN] den Boden gelegt werden. Das Beispiel von . Abb. 11.10 und
wirkt auf die Gleitfläche mit Neigungswinkel (Fallwinkel) δ ein . Tab. 11.1 ist nach dem erweiterten Verfahren nach Krey be-
12 (. Abb. 11.9). Die abschiebende Kraft [kN] (bzw. das abschie- rechnet.
bende Moment) ergibt sich im einfache Fall zu Beim Nachweisverfahren der Standsicherheit von Gleit-
körpern auf kreisförmiger Gleitbahn nach Bishop wird dieser
13 Ed = Gd sin ı: gleichfalls in vertikale Lamellen unterteilt, wobei jedoch die
Breite der Lamellen der Morphologie und Schichtung des Bo-
14 Die widerstehende Kraft Rd ergibt sich zu dens angepasst ist. Innerhalb der einzelnen Lamelle wird die
Gleitlinie durch eine Gerade (Tangente) ersetzt. Bei geschich-
15 Rd = Gd cos ı sin ' + c l: tetem Boden wird also darauf geachtet, dass innerhalb der
Lamelle, unabhängig von deren Breite, gleiche Reibungskräfte
zz Lamellenverfahren zum Berechnen der Standsicherheit wirken. Für jede Lamelle wird das Kräftegleichgewicht erstellt.
16 von Gleitkörpern Für den gesamten Gleitkörper wird das Momentengleichgewicht
Die Standsicherheit von Bauwerken im Bereich von Böschungen erstellt (Katzenbach 2013).
17 und Geländesprüngen kann nach DIN 4084 berechnet werden. Die Einwirkungen EM,d und die Widerstände RM,d im Bau-
Betrachtet wird eine 1 m breite Bodenscheibe. Diese als starr an- grund können nach diesem Lamellenverfahren folgendermaßen
genommene Scheibe wird in Lamellen gleicher Breite unterteilt. berechnet werden:
18 Für jede Lamelle werden das Volumen und die Eigenlast sowie P P
zusätzliche Fremdlasten berechnet. Die Lasten werden in La- EM,d = r i .Gi,d + Pvi,d / sin ıi + Ms,d
19 mellenmitte angesetzt. Im Schnittpunkt zwischen Gewichtskraft
und Gleitkreis bzw. Gleitlinie (Gleitfläche) wird die Tangente und
20 angelegt und der Tangentenwinkel ϑi bestimmt (. Abb. 11.9
RM,d = r
P
i .Gi,d + Pvi,d − ui,d bi / tan 'i,d
und 11.10).
Die Gewichtskraft wird in einem Kräftedreieck in eine Nor- + ci.d bi W cos ıi + tan 'i,d sin ıi
21 malkraft und eine Tangentialkraft zerlegt. Die Normalkraft be-
wirkt eine mögliche Reibungskraft in der Gleitfläche und wirkt Pi = Flächenlast auf der Lamelle
22 rückhaltend. Die Tangentialkraft hat das Bestreben, die Scheibe ui = Porenwasserdruck in der Lamelle
zu drehen, und wirkt abschiebend. Das Berechnen erfolgt in Ta-
bellenform (. Tab. 11.1). Die abschiebende Tangentialkraft wird Gerechnet wird mit dem Bemessungswert für die Reibung
23 nach Spalte 11 berechnet. Die rückhaltende Kraft T1 wird, wenn tan φid = tan φik / 1,25 und dem Bemessungswert für die Ko-
nur der Reibungswinkel φ berücksichtigt wird, nach Spalte 10, häsion cid = cik / 1,25. Der Porenwasserdruck ui sowie alle Last
.. Tab. 11.1 Berechnung der Sicherheit gegen Geländebruch zu . Abb. 11.10
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Streifen Volumen Gewichts- ϑi sin ϑi cos ϑi φi cotφicosϑi cotφicosϑi + sinϑi G G sinϑi 0,75 C G + Ci b cot '
last cot 'i cos #i + sin #i cot 'i cos #i + sin #i
1 1,38 27,6 64,5 0,9025 0,4305 30 0,7456 1,6481 16,75 24,91 0 16,75
2 3,25 71,5 + 220 50 0,7660 0,6427 33 0,9897 1,7558 166,02 223,3 0 166,02
11.4 • Bemessen von Flächengründungen
4 4,5 89,1 27,5 0,4617 0,8870 33 1,3659 1,8329 48,67 41,14 0 48,67
5 4,18 83,6 19,5 0,3338 0,9426 33 1,4515 1,7853 46,82 27,90 0 46,82
7 3,17 63,3 4,5 0,0785 0,9969 20 2,7390 2,8175 22,47 4,97 8 36,26
Radius r = 8,15 m
Summe der rückhaltenden Kräfte ohne Kohäsion: RM,d = ∑Tir = 3286,65
Summe der abschiebenden Kräfte/Einwirkungen EM,d = ∑G sinδ r = 3203,76
Summe der rückhaltenden Kräfte mit Kohäsion: EM,c,d = ∑Tir = 3526,1 (γc = 1,25)
Ausnutzungsgrad ohne Kohäsion μ = EM,d/RM,d = 0,974 ≤ 1und mit Kohäsion μc = EM,d/RM,c,d = 0,908 ≤ 1
RM,d und EM,d sind resultierende Momente um den Mittelpunkt des Gleitkreises mit Radius r = 8,15 m
φi = φk längs der Gleitlinie
δi = δk längs der Gleitlinie
Ti = widerstehende tangentiale Scherkraft in der Gleitfläche einer Lamelle
11 439
440 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
annahmen und einwirkenden Momente Ms werden mit dem mittelt werden. Hiermit lässt sich der Hebebetrag rechnerisch
1 ungünstigsten Wert angenommen. Die Lamellenbreite bi wird abschätzen. Schwelldruck kann von Anhydrit, Pyrit, bituminösen
in der Berechnung meist mit 1 (z. B. 1 m) angenommen. Schiefern und eingebauten künstlichen Schlacken ausgehen und
2 Der Sicherheitsnachweis gegen Gelände- oder Böschungs- Sohlhebungen bewirken (Krause und Wurm 1975, Krause 1977,
bruch ist mit großem Rechenaufwand verbunden und erfolgt Tietze 1981, Vees 1987).
rechnergestützt, z. B. mit dem Software-Programm WinBösch Aufquellen, Schwellen und Heben kann wie folgt verursacht
--
3 der IDAT GmbH, Darmstadt. Dieses Programm ermöglicht sein:
das Berechnen der Standsicherheit nach EC 7 und DIN 4084 Quellen von Tonmineralen;
4 mit kreisförmigen Gleitlinien nach dem Verfahren Bishop, mit
zusammengesetzten Gleitflächen nach dem Verfahren Janbu/
- Umwandlung von Anhydrit in Gips;
Neubildung von Gips durch Oxidation von Pyrit in pyrit-
5 Morgenstern und mit Verfahren für Rutschkörper auf zusam-
mengesetzten Blockgleitlinien mit in Einzelblöcke aufgelösten
- und bitumenhaltigen Gesteinen;
Neubildung von Eisensulfat durch Oxidation von Pyrit in
6
Bruchmechanismen. Es ergibt wenig Sinn, alle drei Berechnungs-
verfahren nebeneinander auszuführen. Vielmehr muss die innere
-- pyrit- und bitumenhaltigen Gesteinen;
Neubildung von Gips aus gelösten Schlackenanteilen;
7
Gestalt und der geologische Bau der Böschung bzw. des Geländes
beachtet werden.
--Frost im Baugrund;
Wurzeldruck von Bäumen;
Baumaßnahmen (z. B. Schildvortrieb, Verpressarbeiten) im
8
9
11.5 Bemessen von Flächengründungen
über den Nachweis von Verformungen --
Untergrund;
Entlastung bei gespanntem Grundwasser (▶ Abschn. 6.3.1);
Vulkanismus.
Baugrund kann durch das Einwirken von Lasten und/oder Er- Setzen ist der Überbegriff für die vertikale Bewegung eines Bau-
10 schütterungen sowie durch den Zutritt von Wasser und/oder werkes nach unten.
Chemikalien seine innere Gestalt ändern und sich verformen
(▶ Abschn. 1.20). Derart beansprucht kann der Abstand zwischen
-
Die Vertikalbewegung kann wie folgt verursacht werden:
Zusammendrücken des Baugrundes unter einer statischen
-
11 den den Boden aufbauenden Körnern verringert oder vergrößert Last;
werden. Der Boden wird in seinem Korngefüge zusammenge- Verdichten des Baugrundes durch dynamische Einwirkun-
12 drückt (komprimiert, kompaktiert), seine Dichte wird erhöht
und sein Volumen verringert oder der Boden wird in seinem
-
gen;
Sacken des Baugrundes infolge Umlagerung im Korngerüst
13 Korngefüge aufgeweitet (aufgelockert, dekomprimiert), seine
Dichte wird gemindert und sein Volumen vergrößert. Das Ver-
-
beim Durchnässen;
seitliches Ausweichen des Bodens am Fundamentrand
14
formen fester Körper ist Thema der Elastizitätslehre/Hooke’sches
Gesetz. Die Querdehnungszahl oder Poisson-Zahl μ (nach
--
(Scherdeformation);
Schrumpfen feinkörniger Bodenarten im Baugrund;
15
DIN 1054 auch „v“!) gibt als Maß der Verformung das Verhält-
nis von relativer Änderung der Querabmessung zu relativer
--
Schrumpfen von Torffasern oberhalb des Grundwassers;
Aufweichen feinkörniger Bodenarten im Baugrund;
Längenänderung eines durch Druck- oder Spannungsänderung
beanspruchten Körpers an. Verformen im Boden- oder Mineral-
--
Absinken des Grundwasserspiegels;
Auftauen von Eis im Baugrund;
--
16 gefüge des Baugrundes kann sich am Bauwerk als Setzen, Heben, Suffosion im Baugrund bzw. Untergrund;
Verdrehen oder Verschieben (Verdrücken) bemerkbar machen. Subrosion im Untergrund;
17 Verschieben ist das Verändern der Lage von Bodenpunkten
in beliebiger Richtung. Ursache für Verschiebungen im Bau-
-
Einbruch unterirdischer Hohlräume;
künstliche Entnahme von Wasser, Erdöl, Gas oder Feststof-
18 grund kann Belastung, Entlastung, Erschütterung, Fließdruck,
Rutschungsdruck, Erddruck, tektonischer Druck, Schwelldruck
oder Quelldruck sein (▶ Abschn. 13.5). Hieraus resultierende -
fen im Untergrund;
elastisches und plastisches Verformen des Baugrundes bzw.
Untergrundes über neugeschaffenen Hohlräumen (Berg-
-
19 horizontale Einwirkungen auf Bauwerke können diese kippen, bau);
verschieben oder verdrücken (verformen). Dadurch kann die geologisch verursachtes, weitreichendes Absinken der
20 Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks bis zur Unbrauchbarkeit Oberfläche (Senke).
vermindert werden.
Durch Heben werden Bauwerke oder Bauwerksteile nach Das Zusammendrücken des Baugrundes unter statischer Last ist
21 oben bewegt. Aufquellen und Heben kann sich auf feinkörnigem ein plastisches und z. T. auch elastisches Verformen. Dies hängt
22
und quellfähigem Baugrund beim Entlasten, z. B. durch Aushub
von Boden, einstellen. Wenn im Boden unter Bauwerken eine
--
ab von:
Größe der aufgebrachten Last;
23
geringere Bodenspannung als vor dem Aushub verbleibt, kann
dieser aufquellen oder schwellen und das Bauwerk anheben. Der
-- Größe der Lastfläche;
Form der Lastfläche;
Verformungsmodul für das Aufquellen (die Volumenzunahme)
kann im Kompressionsversuch über die Entlastungskurve er-
- Steifemodul (Zusammendrückungsmodul) des Baugrundes;
Mächtigkeit der zusammendrückbaren Schicht.
11.5 • Bemessen von Flächengründungen über den Nachweis von Verformungen
441 11
-
wie folgt ermittelt werden:
durch Auswerten von Setzungsbeobachtungen an Funda-
s = s0 + s1 + s2 :
1
2
3
4
5 .. Abb. 11.14 Gegenseitige Beeinflussung benachbarter Fundamente
Dörken und Dehne (1995) bestimmen einen unteren und einen Die Setzung berechnet sich zu
oberen Bemessungswert der Steifemoduln Es,inf,d und Es,sup,d
durch Division oder Multiplikation mit einem Faktor (1,5), wel- s = 0 bf =Em
cher die Variationsbreite zur größeren wie zur kleineren Seite
berücksichtigt. Wenn die Setzungsberechnung mit den oberen σ0 = mittlere Bodenpressung in der Gründungsfuge [kN m−2]
und unteren Werten für Schichtdicke und Setzungsmodul dop- Em = mittlerer Steifemodul für die ganze Schicht [kNm−2]
pelt oder mehrfach ausgeführt wird, kann damit näherungsweise f = Setzungsbeiwert nach . Abb. 11.15 oder 11.16
ein unterer und ein oberer Wert für das Setzmaß angegeben wer- b = Fundamentbreite
den. Der die Variationsbreite abdeckende Faktor ist bei weichen
Böden größer anzusetzen als bei steifen, halbfesten oder festen
Böden. 11.5.2 Ermitteln voraussichtlicher Setzbeträge
Beim Festlegen des charakteristischen Wertes und des Fak- mithilfe lotrechter Spannungen im
tors für die Variationsbreite ist derjenige hinzuzuziehen, der die Boden
Baugrundprüfung vorgenommen hat.
Das Berechnen der durch ein schlaffes Bauwerk hervorgerufenen
Spannungen erfolgt mit dem Beiwert i nach Steinbrenner für den
11.5.1 Ermitteln voraussichtlicher Setzbeträge Eckpunkt von Flächenlasten (. Abb. 11.17).
mithilfe geschlossener Formeln Durch Aufteilen einer Fundamentfläche in vier Einzelflä-
chen ergibt sich für jeden beliebigen Punkt unter dem Funda-
Die unten stehende Gleichung (DIN 1997-1, Anhang F) setzt ment und außerhalb des Fundamentbereiches die Möglichkeit
voraus, dass für den zusammendrückbaren Untergrund ein die Spannung als Summe von vier Eckpunktslasten zu berechnen
einheitlicher Bemessungswert für den Steifemodul Em benannt (. Abb. 11.18).
werden kann. Dabei gehen Fundamentlänge, Fundamentbreite Das Berechnen der Spannung unter dem kennzeichnenden
und Mächtigkeit der zusammendrückbaren Schicht in den Set- Punkt einer Rechtecklast erfolgt mit dem Einflussbeiwert i nach
zungsbeiwert f ein. Der Setzungsbeiwert aus . Abb. 11.15 für den Kany (1974; . Abb. 11.19). Es wird in Tabellenform ausgeführt
kennzeichnenden Punkt oder aus . Abb. 11.16 für den Eckpunkt (. Tab. 11.2 und 11.3). Aus der Tabelle werden die Grenztiefe
einer Flächenlast herausgegriffen werden kann. Tabellen für den ds sowie die Spannungen σü und σz für die anschließende Set-
Setzungsbeiwert sind in Kany (1974) enthalten. zungsberechnung entnommen. . Abb. 11.20, 11.21 und 11.22
444 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
.. Abb. 11.18 Spannungsermittlung unter einem beliebigen Punkt des
19 Gründungskörpers. a Innerhalb, b außerhalb des Gründungskörpers
20
21
22
23
.. Abb. 11.19 Einflussbeiwert i für die lotrechten Spannungen unter dem
kennzeichnendem Punkt einer rechteckigen Flächenlast. (Nach Kany 1974;
EVB 1993)
11.5 • Bemessen von Flächengründungen über den Nachweis von Verformungen
445 11
.. Tab. 11.2 Ermittlung der Bodenspannung, der Grenztiefe ds und der spezifischen Setzung nach Beispiel 2 (. Abb. 11.21). Die Werte der Spalten 9
und 10 werden aus der Setzungslinie (. Abb. 11.11) entnommen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
−0,9 0 17,1 3,42 1 83 100 0,037 0,008 0,029 0,025 0,6 0,015
−1,5 0,6 28,5 5,7 0,24 0,72 59,7 88,2 0,035 0,014 0,021 0,018 0,5 0,009
−2,0 1,1 38 7,6 0,44 0,54 44,8 82,8 0,034 0,019 0,015 0,013 0,5 0,0065
−2,5 1,6 47,5 9,5 0,64 0,43 35,7 83,2 0,034 0,023 0,011 0,009 0,5 0,0045
−3,0 2,1 57 11,4 0,84 0,35 29,0 86,0 0,0345 0,027 0,007 0,007 0,2 0,0014
−3,2 2,3 60,8 12,16 0,92 0,33 27,4 88,2 0,035 0,028 0,007 0,0065 0,3 0,0019
−3,5 2,6 63,5 12,7 1,04 0,29 24,1 87,6 0,035 0,029 0,006 0,0055 0,5 0,0028
−4,0 3,1 68 13,6 1,24 0,25 20,7 88,2 0,035 0,030 0,005 0,004 0,5 0,0022
−4,5 3,6 72,5 14,5 1,44 0,22 18,3 90,8 0,035 0,031 0,004 0,004 0,5 0,002
−5,0 4,1 77 15,4 1,64 0,20 16,6 93,6 0,036 0,032 0,004 0,0035 0,3 0,001
−5,3 4,4 79,7 15,9 1,76 0,19 15,8 95,5 0,036 0,033 0,003
.. Tab. 11.3 Ermittlung der Bodenspannung und der Grenztiefe ds nach Beispiel 3 (. Abb. 11.22)
1 2 3 4 5 6 7
h Z σü 0,2σü z/b i σz
(h γ) (i σ1)
sind Systemskizzen und grafische Darstellungen der Spannungs- Die Gesamtsetzung ergibt sich aus der Addition der Teil-
verteilungen für die nachstehenden Berechnungsbeispiele. setzungen, die für einzelne Schichtabschnitte in Tabellenform
Die für die Setzungsberechnung maßgebenden Gesamt- ermittelt werden (. Tab. 11.2, Spalte 12–14).
spannungen in den belasteten Bodenschichten bestehen aus Eine Vereinfachung ergibt sich durch das Anwenden der
den Spannungen infolge des Eigengewichtes des Bodens und „Kepler’schen Fassformel“.
aus den Spannungen infolge der Bauwerkslasten. Die Bo- Bei jungen Sedimenten ergeben sich Abweichungen zwischen
denspannung kann um den Betrag, der der durch den Aus- den mit aus Druck-Setzungslinien abgeleiteten Steifemoduln im
hub entfernten Erdauflast entspricht, verringert werden. Zur voraus berechneten Setzbeträgen und den nachträglich, nach
Gesamtspannung σü + σz und zur Überlagerungsspannung σü Ausklingen der Setzungen, ausnivellierten Setzmaßen. Um die
werden aus dem Druck-Setzungsdiagramm (. Abb. 11.11) die zu hohen Setzbeträge an die erfahrungsgemäß niedriger ausfal-
spezifischen Setzungen s20 und sü0 (. Tab. 11.2, Spalte 9 und 10) lenden Setzmaße anzugleichen, wird behelfsweise ein Korrektur-
herausgegriffen. beiwert κ = 2 / 3 oder 0,67 eingeführt (Dörken und Dehne 1995).
Die wirksame spezifische Setzung (Spalte 11) ergibt sich als Für rechnergestütztes Ermitteln von Setzbeträgen und mög-
Differenz zwischen s20 und sü0 . liches Verkanten rechteckiger und runder Fundamente nach
446 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
11
12
13
14
15
16
17
.. Abb. 11.22 Systemskizze zur Set-
zungsberechnung nach Beispiel 3
18
19
20
21
22
23
11.5 • Bemessen von Flächengründungen über den Nachweis von Verformungen
447 11
DIN 4019, Teil 1 und 2 stehen Software-Programme zur Verfü- Für den unteren Grenzwert des Setzungsmoduls
gung, z. B. WinSetz, IDAT-GmbH, Darmstadt. Em = Es = 4900 kN m−2 ergibt sich:
-
11.5.3 Berechnungsbeispiele
Setzungsberechnung zu Beispiel 3
Für ein Flächenfundament mit den Ausmaßen 2,5 ∙ 5,0 m, einer (. Abb. 11.22, . Tab. 11.3):
mittleren Belastung von σ0 = 100 kN m−2 und einer Einbindetiefe
d = 0,9 m über unterschiedlichem Untergrund wird ein Setzbe- 1 bf1 1 b.f2 − f1 /
s= + ;
trag berechnet: Es1 Es2
1. zusammendrückbare Schicht mit z < ds über dicht gelagertem a=b = 2;
Untergrund (. Abb. 11.20); z=b = 1;6=2;5 = 0;64;
2. zusammendrückbare Schicht mit großer Mächtigkeit und
ds =b = 3;8=2;5 = 1;52;
Grundwasser (. Abb. 11.21, . Tab. 11.2);
3. geschichteter Baugrund mit zusammendrückbarer Schicht f.s;0;1/ = 0;4;
unter dichtem Sand (. Abb. 11.22, . Tab. 11.3). f.s;0;2/ = 0;7;
-
4. 84 2;5 0;4 84 2;5 0;3
Setzungsberechnung für den kennzeichnenden Punkt s= +
20:000 4900
nach Kany zu dem in . Abb. 11.20 dargestellten Bei- = 0;004 + 0;013 = 0;017 m;
spiel 1:
cal s = 1;7 cm;
a=b = 5;0=2;5 = 2; s = cal s = 1;1 cm:
z=b = 2;6=2;5 = 1;
f.S;0/ = 0;6;
11.5.4 Ungleiche Setzungen
= 0;67;
Em = Es = = 4900=0;67 = 7313; Ungleichmäßiger Baugrund, gleichmäßige Belastung Häufig ist
0 bf.S;0/ 100 2;5 0;6 der ungleichmäßige Aufbau des Baugrundes Ursache für un-
s= = = 0;02 m = 2 cm:
Em 7313 gleichmäßige Setzungen (. Abb. 11.23 und 11.24). Liegt hierbei
-
der Fall einer gleichmäßigen Belastung vor, so sind zwei Setzungs-
Setzungsberechnungen zu Beispiel 2 (. Abb. 11.21 und berechnungen durchzuführen, und zwar mit z1 für die gering-
. Tab. 11.2): mächtige Schichtstärke der zusammendrückbaren Schicht und
a. Berechnen durch Addition der Teilsetzungsbeträge s mit z2 für die größere Schichtdicke. Aus der Differenz s2 − s1 er-
(. Tab. 11.2, Spalte 14): gibt sich der Setzungsunterschied. Die Verkantung ergibt sich zu:
b. Berechnen mit der Kepler’schen Fassformel: Gleichmäßiger Baugrund, ungleichmäßige Belastung Ungleich-
mäßige Setzung bei gleichmäßigem Baugrund und ausmittiger
cal s = .ds =6/.s10 oben + 4s10 mitte + s10 unten /: (schräger) Belastung (z. B. unter Stützmauern) ergibt eine trapez-
förmige Spannungsverteilung in der Gründungssohle. Es werden
Nach Spalte 11 der . Tab. 11.2 ergibt sich: zwei Berechnungen durchgeführt, und zwar einmal für die stär-
ker belastete Seite und einmal für die schwächer belastete Seite.
cal s = .4;4=6/.0;029 + 4 0;007 + 0;003/ = 4;4 cm; Aus der Differenz s2 − s1 ergibt sich der Setzungsunterschied.
s = cal s = 4;4 0;67 = 3;0 cm:
zz Schiefstellung und Schäden
c. Berechnen mit der geschlossenen Formel nach Kany: Je nach Bodenaufbau und Ausbildung des Bauwerks treten unter
Für den oberen Grenzwert des Setzungsmoduls dem Gründungskörper Verformungen im Baugrund ein. Sind die
Setzungen ungleichmäßig, so treten infolge der Verformungen
Em = Es =0;67 = 7313 kN m−2 ergibt sich: Zwangskräfte auf, die zusätzlich das Bauwerk beanspruchen. Die
ds =b = 4;4=2;5 = 1;8; Setzungsempfindlichkeit eines Bauwerkes richtet sich nach sei-
a=b = 5=2;5 = 2; nem Zweck und/oder seiner Konstruktion. Bei setzungsempfind-
lichen Bauwerken kann das höchstzulässige Setzmaß vorgegeben
f.S;0/ = 0;75;
werden, wodurch im Einzelfall dann Bodenverbesserungen, z. B.
s=
0 bf.S;0/
=
83 2;5 0;75
= 2;1 cm: durch Injektionen zur Minderung der zu erwartenden Setzungen
Em 7313 (Zusammendrückung im Boden), erforderlich werden können.
448 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
1
2
3
4
5 .. Abb. 11.23 Mögliche geologische Ursachen für ungleichmäßige Setzungen. a Einlagerung einer weichen Schicht; b Einlagerung von Blöcken oder Felsauf-
ragungen im Untergrund; c geneigter Schichtverlauf
7 --
erwarten, können folgende Maßnahmen erwogen werden:
Tieferlegen der Gründungssohle oder Tiefgründung;
-
8 träge auftreten (Anwenden des Modellgesetzes);
starre Ausbildung des Bauwerkes, damit gleichmäßiges
9 Setzen erzwungen wird. Größere Bauwerke können in
mehrere starre Körper unterteilt werden, zwischen denen
10
-
a Bewegungsfugen vorzusehen sind;
schlaffe und statisch bestimmte Ausbildung bei Brücken-
bauwerken.
11
zz Modellgesetz
12 Die Setzung eines Bauwerkes oder Bauwerkteiles hängt von der
Geometrie des Fundamentes (Fundamentform, Größe der Fun-
damentfläche) und vom charakteristischen Wert der ständigen
13 vertikalen Einwirkungen Gk (Lasteintrag) ab. Das angestrebte
gleichmäßige Setzen unterschiedlich geformter und belasteter
14 Fundamente wird durch das Modellgesetz dargestellt:
b
15 .. Abb. 11.24 Unterschiedliche Bettung und Setzung von Bauwerken als
s1 C1 01 A1
=
s2 C2 02 A2
Ursache für Bauwerksschäden. a Risse bei Sattellage; b Risse bei Muldenlage
16 s 1, s 2 = Setzungen unter den Fundamenten
Setzungsunempfindliche Bauwerke wie Wohnhäuser können σ01, σ02 = Sohlnormalspannung unter den Fundamenten
17 geringe Setzungsunterschiede ohne Schaden aufnehmen. Ein A1, A2 = Fundamentflächen
Kriterium für die Schädlichkeit von Setzungsunterschieden ist
-
C 1, C 2 = Formbeiwerte
hier die Verkantung tan α:
18 tan α = 1:750 Grenze für setzungsempfindliche Maschinen
20 - Ausfachung;
tan α = 1:500 Sicherheitsgrenze zum Vermeiden von Rissen Mit dem Absenken des Grundwassers fällt für die Bodenschich-
- in Bauwerken;
tan α = 1:300 architektonische Mängel, Risse in tragenden
ten und Bauwerkteile, die vorher unter Wasser standen, der Auf-
trieb weg. Dies bewirkt pro Meter Absenkung eine Zunahme der
-
21 Wänden; Wichte des Bodens um 10 kN m−3. Gefährdet sind Standorte mit
tan α = 1:250 augenscheinliche Schiefstellung hoher Bau- zusammendrückbarem Boden im Baugrund wie Schluff, Ton und
22
- werke;
tan α = 1:150 konstruktive Schäden, Schadensgrenze für
organische Böden. Die aus der Gewichtszunahme resultierenden
Spannungen nehmen vom Niveau des ursprünglichen Grund-
23
- Hochbauten;
tan α = 1:10 Schiefer Turm von Pisa.
wasserspiegels bis zum Niveau des abgesenkten Grundwasser-
spiegels geradlinig zu und bleiben unterhalb dessen konstant. Die
mit einer Grundwasserabsenkung neu eingetretene Spannung
überlagert die Spannungseinflüsse aus anderen Belastungsände-
11.5 • Bemessen von Flächengründungen über den Nachweis von Verformungen
449 11
.. Abb. 11.25 Nomogramm zum
Ermitteln der spezifischen Setzung
durch Grundwasserabsenkung.
(Christow 1969)
rungen (Aushub, Aufschüttung, Bauwerkslast) und ist getrennt . Abb. 11.25) erfolgen. Dem Nomogramm kann die spezifische
zu erfassen. Sie wirkt auf die Gesamtmächtigkeit der zusammen- Setzung sw11 [cm] entnommen werden. Eingesetzt werden die
drückbaren Schichten bis zur Grenztiefe ein. Grenztiefe zgr [m] und die Grundwasserabsenkung hw [m]. Das
Eine durch Absenken des Grundwassers eintretende Belas- gesuchte Setzmaß sgr [cm] aus der Grundwasserabsenkung ergibt
tungsänderung kann vernachlässigt werden, wenn im Baugrund sich unter Berücksichtigung des Steifemoduls Es:
die hieraus resultierenden Setzungen bei früheren niedrigen
Wasserständen vorweggenommen wurden. Dies betrifft regel- sw11 Œcm 10
sgr = Œcm:
mäßige natürliche Schwankungen und auch länger andauernde Es ŒMN m−2
künstliche Absenkungen.
Weitreichende und gleichmäßige Grundwasserabsenkun-
gen bewirken im homogenen Baugrund über weite Flächen ein 11.5.6 Ermitteln der Setzungszeiten
gleiches Setzmaß, aus welchem zwar keine direkten Bauschä-
den, jedoch mögliche Funktionsstörungen zu erwarten sind. Der Zeit-Setzungsversuch zeigt am Beispiel einer Bodenprobe
Ungleiche Grundwasserabsenkung im stärker abfallenden Teil von 14 bzw. 20 mm Stärke an, nach welcher Zeit welcher Set-
eines Absenkungstrichters und Inhomogenitäten im Baugrund zungsanteil (in %) eingetreten ist. Es wird unterschieden zwi-
können zu Setzungsunterschieden führen. Bei weichen Böden schen Sofortsetzung s0, Primärsetzung s1 und Sekundärsetzung
(Bodenschichten mit kleinem Steifemodul) kann Grundwasser- s2. Für den primären Setzungsanteil, der die von der Gesteins-
absenkung zu erheblichen Bauwerksschäden führen. durchlässigkeit abhängige Kompression beschreibt, kann nach
Bei entwässertem organischem Boden kann zusätzlich Setzen einem Modellgesetz der zeitliche Ablauf am Bauwerk abgeschätzt
durch Schrumpfen von Torffasern eintreten. Der hieraus resultie- werden:
rende Setzungsanteil kann nicht berechnet werden.
Das Berechnen von Setzungsanteilen infolge Grundwas- h22
t 2 = t1
serabsenkung kann nach dem Verfahren Christow (1969; h21
450 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
1
2
3
4
5
.. Abb. 11.26 a Lastverteilung unter einem schlaffen Gründungskörper;
6 b Lastverteilung unter einem starren Gründungskörper; c Lastverteilung
unter einem biegsamen Gründungskörper (K kennzeichnender Punkt nach
.. Abb. 11.27 Beispiel für die Verteilung von Sohlnormalspannung und Set-
7
Kany (1974) mit 75 % der maximalen Setzung)
zung nach dem Bettungsmodulverfahren unter einem einachsig ausgesteif-
ten Bauwerk. (Dehne 1982)
Unter Wasser 8 26 96
ks = 0 =s ŒkN m−3 :
fundamente und Platten von 30,5 cm Breite auf Sand. anfällig für Fehler und setzt hinreichende Sorgfalt beim Bestim-
Für Streifenfundamente auf Ton gilt: men und Benennen dieser Kenngrößen voraus.
Für das rechnerische Abschätzen der Setzbeträge sind vom
0;305 Geologen die Schichtmächtigkeiten mit zugehörigen Raumge-
ks = 0;67 ks0 :
b wichten und Steifemoduln zu benennen. An technischen Mess-
452 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
7 Über Pfähle werden Bauwerkslasten auf oder in tiefer liegende Zusätzliche Pfahllasten werden nur über den Pfahlfuß abgetragen. b Pfahl
mit Lastabtragung überwiegend durch Fußwiderstand Rb. Der Pfahlfußwider-
Schichten abgetragen. Unter Bauwerkslasten werden Pfähle auf stand nimmt unter anhaltend großen Setzungen stetig zu. (Empfehlung des
Druck beansprucht (Druckpfähle). Der Belastungsdruck wird
8 über Reibung am Pfahlumfang und über Spitzendruck in den Bau-
Arbeitskreises 5 der DGGT, 1993, EA-Pfähle 2012)
grund eingetragen. Zur Sicherung von Wannengründungen gegen und durch Tragfähigkeitsverlust infolge von Verschiebungen
9 Auftrieb und zur Einleitung von Kräften in den Baugrund können und/oder Verdrehungen der Pfahlgründung eintreten.
Pfähle auf Zug beansprucht werden. Zugkräfte werden über die Art und Dimension der in den Baugrund einzubauenden
10 Reibung am Pfahlumfang in den Baugrund eingetragen. Zugpfähle Pfähle müssen garantieren, dass die vom Tragwerksplaner vor-
können vertikal oder mit Neigung eingebaut werden. Wechselnde berechneten Lasten und Einwirkungen mit ausreichender Sicher-
Beanspruchung zwischen Zug und Druck ist bei wechselnden heit in den Baugrund übertragen werden können. Dies betrifft
11 Wasserständen zwischen Belastungszuständen mit und ohne deren innere und äußere Tragfähigkeit. Das Bemessen von Pfäh-
12
Auftrieb möglich. Unter seitlicher Belastung (Rutschungsdruck,
Fließdruck, Erddruck, Pressdruck, Pollerzug) können Pfähle quer
-
len erfolgt nach:
gesicherten Erfahrungswerten von anderen Pfahlgründun-
zur Pfahlachse beansprucht werden (▶ Abschn. 7.5.2).
Gründungspfähle sollen (überwiegend) in Richtung ihrer
- gen im gleichen Baugrund,
durch Probebelasten und Ermitteln des Setzmaßes s am
-
13 Achse beansprucht werden und ausreichend tief in den tragfä- Pfahlkopf,
higen Boden einbinden. Die zulässige Belastung von Pfählen ist durch dynamische Testverfahren.
14 von zahlreichen Faktoren abhängig:
Pfahldurchmesser, Pfahlfußdurchmesser und Pfahllänge sind
15
16
--
innere Tragfähigkeit des Pfahles;
Querschnittsfläche und Form des Pfahles;
Pfahlbaustoff und dessen Festigkeitseigenschaften;
neben der Pfahlart und der Art des Einbauens oder Einbrin-
gens die wichtigsten Kenngrößen für das Abschätzen der
möglichen Tragfähigkeit und für ein Vorabdimensionieren
des Pfahlumfangs im vorliegenden Baugrund. Der Pfahlwi-
17
--
äußere Tragfähigkeit des Pfahles;
Eigenschaften des Baugrundes;
derstand R besteht aus den Anteilen Fußwiderstand (Pfahlba-
siswiderstand, Pfahlspitzenwiderstand) Rb und Mantel- bzw.
18 --
Grundwasserverhältnisse;
Mächtigkeit der tragfähigen Schicht;
Einbringungsart und Auflockerungen im Baugrund beim
Pfahlschaftwiderstand Rs. Diese lassen sich bei geeigneter Ins-
trumentierung getrennt bestimmen. Axiale Pfahlwiderstände
sind bei Druckpfählen durch eine Widerstand-Setzungslinie
19
--
Einbau des Pfahles;
Einbindetiefe des Pfahles in die tragfähige Schicht;
(Last-Kraft-Setzungslinie), bei Zugpfählen durch eine Wi-
derstand-Hebungslinie zu beschreiben. . Abb. 11.29 zeigt
20 --
Beschaffenheit der Mantelfläche;
Beschaffenheit des Pfahlfußes;
Beispiele für Widerstand-Setzungslinien für Pfähle mit unter-
schiedlichem Lastabtrag, . Abb. 11.30 gibt ein Beispiel für eine
--
Pfahlabstand;
Einwirkung dynamischer Beanspruchung;
Pfahlprobebelastung.
Probebelastungen zum Ermitteln der Grenzlast sind durch-
- --
21 Einwirkung von Porenwasserüberdruck; zuführen, wenn:
Einwirkung negativer Mantelreibung. keine vergleichbaren Belastungsergebnisse vorliegen;
22 Pfähle höher belastet werden sollen, als nach Erfahrungs-
23
Maßgebend für die zulässige Belastung aller Pfahlarten sind
DIN 1054, DIN EN 1997-1 und EA-Pfähle 2012. Mögliche
- werten ermittelt;
tragfähiger Baugrund in nicht ausreichender Mächtigkeit
Grenzzustände der Tragfähigkeit können durch Bauteilversagen,
durch Tragfähigkeitsverlust des Bodens in der Pfahlumgebung
- ansteht;
Zweifel an der Belastbarkeit des Baugrundes auftreten.
11.7 • Belasten des Baugrundes über Pfahlgründungen
453 11
.. Abb. 11.30 Beispiel für die Untersuchung und Instrumentierung von Pfählen. a Untersuchung des Untergrundes; qh, qp Quartär (Holozän, Pleistozän);
Sa, ts Buntsandstein, Salmünster-Folge, tonig-sandig; VW verwittert; b Instrumentierung mit vollflächiger Druckmessdose am Pfahlfuß und integrierend
messenden Dehnungsgebern (DMS) zum Ermitteln der Mantelreibung, Setzungen im Bezug zur Querschnittskraft und Kraft-Setzungslinien zum Ermitteln der
Pfahltragfähigkeit. (Dürrwang 1997)
454 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
Bei einfachen Bodenverhältnissen und häufig verwendeten als die Einwirkungen aus aufgebrachten Lasten F. Für jeden Pfahl
1 Pfahlarten können Pfahlwiderstände nach Tabellenwerten (Er- ist über die erfüllte Ungleichung
fahrungswerte) abgeschätzt werden. Solche Tabellen sind/wa-
2 ren z. B. in DIN V 1054-100 (1996), 10.4.3, Anhang D, E und Fc,d Rc,d
F, DIN 1054 (2003, 2005), Tab. B.1 bis B.5 sowie in DIN 4014
(1990), DIN 4026 (1975) und in EA-Pfähle (2012) enthalten. Das nachzuweisen, dass dieser die vorgesehene Bemessungs
3 Ermitteln der Tragfähigkeit von Pfählen aufgrund bodenmecha- last/Grenzlast mit ausreichender Sicherheit aufnehmen und in
nischer Kennwerte ist problematisch und nach Möglichkeit zu den Baugrund einleiten kann. Der Bemessungswert des Druck-
4 vermeiden. Der Einbau von Pfählen kann, entsprechend den widerstandes Rc,d eines jeden Pfahles wird aus der Summe der
aufgeführten Faktoren zur äußeren Tragfähigkeit, zu Verände- Bemessungswerte für den Basiswiderstand Rb,d und für den
5 rungen bei den Widerstandsgrößen im Baugrund führen. Der Schaftwiderstand Rs,d ermittelt.
früher gelegentlich geübte Rechenansatz zum Abschätzen der
Pfahllast Q nach vorab erkundeten bodenmechanischen Eigen- Rc,d = Rb,d + Rs,d
6 schaften im Baugrund kann wegen deren Veränderung zu er-
heblichen Fehleinschätzungen führen. (Zu berechnen wäre nach Die Bemessungswerte für Basiswiderstand und Schaftwiderstand
7 GEO-2) werden ermittelt:
P
Qg = s AF + mfi Ami Rb,d = Rb,k =b und Rs,d = Rs,k =s :
8
σs = Pfahlspitzenwiderstand Den Bemessungswert für die Beanspruchungen Fd erhält man
9 τmfi = Mantelreibung in der Schicht i durch Multiplikation des charakteristischen Wertes der Bean-
AF = Pfahlfußfläche spruchungen Fk mit den Teilsicherheitswerten nach DIN1054,
10 Ami = Pfahlmantelfläche in der Schicht i Tab. A.2.3.
Den Bemessungswert für den Pfahlwiderstand erhält man
Als fraglich einzustufen sind auch rechnerisch ermittelte Werte durch Division des charakteristischen Wertes des Pfahlwider-
11 der Zugbeanspruchung Ft,G von Zugpfählen. Diese Rückhalte- standes Rk durch den jeweilig zutreffenden Teilsicherheitsbei-
kräfte beruhen auf Pfahleigengewicht G und Schaftmantelreibu wert γR nach Tab. A.2.3 der DIN 1054.
12 ng/Pfahlmantelwiderstand Rs, vorrangig der Kohäsion c. Diese Der Teilsicherheitsbeiwert γR hat bei aus statischer oder dy-
bodenmechanischen Kenngrößen können entsprechend den namischer Pfahlprobebelastung ermitteltem Widerstand von
aufgeführten Faktoren zur äußeren Trageigenschaften gegen- Druckpfählen für den Fußwiderstand γb, den Mantelwiderstand
13 über dem Erkundungszustand verändert sein. Die mögliche γs und den Gesamtwiderstand γt in den drei Bemessungssitua-
Zugbeanspruchung eines Pfahls kann im einfachen Fall über tionen BS-P. BS-T und BS-A die Größe 1,1.
14 den charakteristischen Wert der Mantelreibung qs,i,k und den Der Teilsicherheitswert γR hat bei aus statischer oder dy-
Nennwert der Mantelfläche Ai, bezogen auf m2 in der Schicht i, namischer Pfahlprobebelastung ermitteltem Widerstand von
15 (D π l = Pfahlumfang · Pfahllänge), ermittelt werden. Nach Zieg- Zugpfählen für den Mantelwiderstand (Schaftwiderstand) γs,t
ler gilt: in den drei Bemessungssituationen BS-P, BS-T und BS-A die
Größe 1,15.
16 Ft,d = Ft,G,k G + Ft,Q,rep,k Q Der Teilsicherheitswert γR hat bei aus Erfahrung übernom-
menem Widerstand von Druckpfählen für den Fußwiderstand
17 Ft,d Bemessungswert der Zugbeanspruchung γb, den Mantelwiderstand γs und den Gesamtwiderstand γt
Ft,G,k charakteristischer Wert der Zugbeanspruchung aus ständigen Ein- in den drei Bemessungssituationen BS-P, BS-T und BS-A die
wirkungen Größe 1,4.
18 γG
Teilsicherheitsbeiwert nach GEO-2, DIN 1054 Tab. A.2.1 (Zugpfähle sollen nicht nach Erfahrungswerten bemessen
(1,35/1,2/1,1) werden! Im Ausnahmefall wäre γs,t mit 1,5 anzusetzen).
19 Ft,Q,rep,k repräsentativer Wert der Zugbeanspruchung aus veränderlichen Der axiale Pfahlwiderstand von Bohrpfählen darf, wenn
Einwirkungen keine Probebelastungen durchgeführt werden oder keine ver-
20 γQ Teilsicherheitsbeiwert nach GEO-2, DIN 1054 Tab. A.2.1 (1,5/1,3/1,1) gleichbaren Pfahlgründungen vorliegen, mit Erfahrungswerten
bestimmt werden. Dabei wird zwischen dem setzungsabhängi-
gen Pfahlfuß- bzw. Pfahlbasiswiderstand Rb(s) und dem Man-
21 11.7.1 Bemessen von Pfählen nach tel- bzw. Pfahlschaftwiderstand Rs(s) unterschieden. Für den
Erfahrungswerten charakteristischen Wert des Pfahlfußwiderstandes Rbk(sg) gilt
22 eine auf den Pfahldurchmesser D oder Pfahlfußdurchmesser
Zum Beurteilen der Gebrauchstauglichkeit von Pfählen über Db bezogene Grenzsetzung sg:
Probebelastung ist das Setzmaß für das Begrenzen der Pfahl-
23 belastung maßgebend. Ein Umrechnen von Erfahrungswerten sg = 0;1D bzw. sg = 0;1DF :
einer Pfahlart auf eine andere ist möglich. Im Zweifelsfall ist der
Nachweis zu erbringen, dass die Pfahlwiderstände R größer sind
11.7 • Belasten des Baugrundes über Pfahlgründungen
455 11
Für den charakteristischen Wert des Mantelwiderstandes Rsk(ssg) Einem Spitzenwiderstand der Drucksonde qc = 15 MN/m2
gilt im Bruchzustand die Grenzsetzung s: kann demnach für s/Ds = 0,02 ein Pfahlspitzenwider-
stand qb,k in der Größenordnung 1050 bis 1400 kN/m2,
ssg = 0;5Rsk .ssg / + 0;5 3 cm: für s/Ds = 0,03 ein Pfahlspitzenwiderstand qb,k = 1350 bis
1800 kN/m2 und für s/Ds = 0,1 ein Pfahlspitzenwiderstand
Der charakteristische axiale Pfahlwiderstand Rk(s) ist:
Rk .s/ = Rbk .s/ + Rsk .s/
P
Rk .s/ = qbk Ab + qsik Asi
- qb,k = 3000 bis 4000 kN/m2 zuerkannt werden.
Den Bruchwert der Pfahlmantelreibung qs,k [kN/m2] für
grobkörnige, nichtbindige Böden gibt Möller (2013) nach
EA-Pfähle 2012 mit nachstehenden Werten an.
Der Spitzenwiderstand der Drucksonde qc [MN/m2]
Ab = Nennwert der Pfahlfußfläche, bezogen auf m2 wird in Relation zum Bruchwert der Pfahlmantelreibung
Ai = Nennwert der Pfahlmantelfläche, bezogen auf m2 in der Schicht i qs,k [kN/m2] gesetzt. Bei qc = 7,5 beträgt qs,k = 55 − 80; bei
qbk = charakteristischer Wert des Pfahlspitzendruckes qc = 15 beträgt qs,k = 105 − 140 und bei qc = ≥ 25 beträgt
qsik = charakteristischer Wert der Pfahlmantelreibung in der Schicht qs,k = 130 − 170 kN/m2.
zz Bemessen von Bohrpfählen nach Erfahrungswerten Feinkörnige Böden Bei feinkörnigen bindigen Böden ist für
In früheren Ausgaben der Normen DIN 4014, DIN 1054-100 die Anwendung von Tabellenwerten der charakteristische Wert
(1996), DIN 1054 (2003 und 2005) und in EA-Pfähle (2012) sind für die Kohäsion cuk [MNm−2] im undränierten Zustand zu er
Erfahrungswerte für Bohrpfähle in Tabellenform abgedruckt.
DIN 1054 (2012) enthält keine/verzichtet auf Erfahrungswerte!
Es gilt EA-Pfähle 2012. In solchen Tabellen sind, getrennt nach
nichtbindigen Böden, bindigen Böden und Fels die Erfahrungs-
-
bringen.
Für feinkörnige, bindige Böden gibt Möller (2013) nach
EA-Pfähle 2012 den Pfahlspitzendruck qb,k mit nachstehen-
den Werten an, und zwar als Pfahlspitzendruck qb,k [kN/
werte aufgelistet. Die nachstehenden Angaben dienen hier dem m2] bei bezogenen Pfahlkopfsetzungen s/Ds [cm] bzw. s/
Einstimmen in die Größenordnung und können zu Vergleichs- Db = 0,02, 0,03 und 0,1 sg (Grenzsetzung) in Relation zur
zwecken herangezogen werden. Reelle Werte sind EA-Pfähle in Scherfestigkeit cu,k des undränierten Bodens [kN/m2]. Der
der jeweils jüngsten Ausgabe zu entnehmen. Pfahlspitzendruck qb,k kann demnach in einem undränier-
-
(DIN V 1054-100, Tab. D6).
Den Pfahlspitzenwiderstand qb,k [kN/m2] in grobkörnigen,
nichtbindigen Böden bei bezogenen Pfahlkopfsetzungen s/
Ds bzw. s/Db = 0,02, 0,03 und 0,1 sg in Relation zu mitt-
wird in Relation zum Bruchwert der Mantelreibung
qs,k [kN/m2] gesetzt. Bei cu,k = 60 kN/m2 beträgt der
Bruchwert qs,k = 30–40 kN/m2, bei cu,k = 150 kN/m2 beträgt
qs,k = 50–65 kN/m2 und bei cu,k ≥ 250 kN/m2 beträgt
leren Spitzenwiderständen qc der Drucksonde [MN/m2] qs,k = 65–85 kN/m2.
gibt Möller (2013) nach EA-Pfähle 2012 folgende Werte an
(Ds = Pfahlschaftdurchmesser, Db = Pfahlfußdurchmesser). Fels Bei Fels sind Einbindetiefe und Pfahlspitzendruck von des-
Einem Spitzenwiderstand der Drucksonde qc = 7,5 MN/m2 sen Druckfestigkeit quk abhängig. Grenzwerte für Mindestein-
kann demnach für s/Ds = 0,02 ein Pfahlspitzenwiderstand
qb,k in der Größenordnung 550 bis 800 kN/m2, für s/
-
bindetiefen sind:
2,5 m für Druckpfähle bei Druckfestigkeit
--
Ds = 0,03 ein Pfahlspitzenwiderstand qb,k = 700 bis 1050 kN/ quk ≤ 0,5 MN m−2;
m2 und für 0,1 = ein Pfahlspitzenwiderstand qb,k = 1600 bis 0,5 m für Druckpfähle bei Druckfestigkeit quk ≥ 5 MN m−2;
2300 kN/m2 zuerkannt werden. 5,0 m für Zugpfähle.
456 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
Unter Beachtung der Mindesteinbindetiefen können die Bruch- Zulässige Druckbelastungen für Verdrängungspfähle aus
1 werte für den Pfahlspitzendruck qb1k und die Pfahlmantelreibung Stahl und Stahlbeton können Tabellenwerten der EA-Pfähle ent-
qs1k z. B. DIN 1054 (2003) Tab. B.5 zum Vergleich herangezogen nommen werden. Beispiele zu Erfahrungswerten für mobilisier-
2 werden. Es gelten die Angaben von EA-Pfähle (2012). bare Pfahlspitzendrücke und mobilisierbare Pfahlmantelreibung
Bei Fels ist für das Anwenden von Tabellenwerten darauf zu von Verdrängungs-/Rammpfählen geben Möller (2012) und Zieg-
3
-
achten, dass
der durch den Pfahl zu belastende Felsuntergrund gleich-
ler (2012). Angaben zur möglichen Belastung auf Druck und auf
Zug von Ortbeton-Rammpfählen verschiedener Firmen trifft
4
- mäßig ausgebildet ist,
bei Wechsellagerung von verwitterungsresistenten Felsbän-
ken (z. B. Kalkstein, verkieselter Sandstein) und verwit-
Buja (2013). Werte der DIN 1054: 2003 sowie der älteren Litera-
tur sollten nur noch zu Vergleichszwecken herangezogen werden.
6
- Mächtigkeit haben,
die räumliche Orientierung der Felsoberfläche keine Bruch
2013 die Gebrauchslasten pro Pfahl, beim Durchmesser D
des Vortreibrohres zwischen 420 und 610 mm, in der
7 - erscheinung begünstigt,
die räumliche Orientierung der Trennflächen keine Bruch
-
Größenordnung 1350 bis 2400 kN, mit Fußverbreiterung
zwischen 1800 und 3500 KN.
8 -- erscheinung begünstigt,
keine Störungszonen vorliegen,
keine Hohlräume oder verfüllte Hohlräume (Karst, Spalten)
In halbfesten bindigen Böden liegen nach Buja 2013 die Ge-
brauchslasten pro Pfahl, beim Durchmesser D des Vortreib-
rohres zwischen 420 und 610 mm, in der Größenordnung
9
- vorliegen,
keine Minderung der Gesteinsfestigkeit durch Wasserzutritt
1350 bis 2400 kN, mit Fußverbreiterung zwischen 1400 und
3600 kN.
-
Belasten von Rammpfählen nach System Kurt Frederich, Bremer-
qu,k [MN/m2] wird in Relation zum Pfahlspitzenwiderstand hafen auf Druck
qb,k [MN/m2] gesetzt. Bei qu,k = 0,5 MN/m2 (sehr mürber Fels) Beim Durchmesser D des Vortreibrohres zwischen 370 und
13 beträgt der Pfahlspitzendruck qb,k = 1,5, bei qu,k = 5 (mäßig mür- 610 mm kann nach Buja 2013 der Untergrund in der Grö-
ber Fels) beträgt qb,k = 5 und bei qu,k = 20 (harter Fels) beträgt ßenordnung zwischen 1000 bis 3500 kN belastet werden.
14 qb,k = 10 MN/m2.
-
Belasten von Pfählen mit innengerammtem Stahlrohr nach System
15 Pfahlmantelreibung qs,k in Fels Die einaxiale Druckfes- Kurt Frederich, Bremerhafen auf Druck (Buja 2013)
tigkeit qu,k [MN/m2] wird in Relation zum Bruchwert der Beim Durchmesser D des Vortreibrohres zwischen 273
Mantelreibung qs,k [MN/m2] gesetzt. Bei qu,k = 0,5 (sehr mür- und 457 mm kann nach Buja 2013 der Untergrund in der
16 ber Fels) beträgt der Bruchwert der Mantelreibung qs,k = 0,08, Größenordnung zwischen 400 bis 1400 kN belastet werden.
bei qu,k = 5 (mäßig mürber Fels) beträgt der Bruchwert
17 qs,k = 0,5 und bei qu,k = 20 (harter Fels) beträgt der Bruchwert Belasten von Fertigrammpfählen auf Druck Nach EA-Pfähle
qs,k = 0,5 MN/m2. (2012) erfolgt das Belasten getrennt nach Pfahlspitzendruck und
Mantelreibung. Möller (2012) und Ziegler (2012) geben hierzu
18 zz Bemessen von Verdrängungspfählen in Tabellenform Überblick zu Erfahrungswerten.
-
nach Erfahrungswerten
19 Verdrängungspfähle oder Rammpfähle werden aus Stahl, Stahl- Grobkörnige Böden
beton und früher auch Holz hergestellt. Stahlpfähle werden mit Erfahrungswerte zu Pfahlspitzenwiderständen qb,k [MN/m²]
20 Trägerquerschnitt, Kastenquerschnitt oder Kreisquerschnitt für Rammpfähle in grobkörnigen, nichtbindigen Böden bei
angefertigt. Sie werden bevorzugt bei Hafenbauwerken und bezogenen Pfahlkopfsetzungen s/Deq = 0,035 in Relation zu
Ufereinfassungen eingesetzt. Stahlbeton-Fertigpfähle wer- mittleren Spitzenwiderständen qc der Drucksonde liegen
21 den mit kreisförmigem, quadratischem, rechteckigem oder nach EA-Pfähle (Ziegler 2012) bei qc = 7,5 MN/m2 in der
doppel-T-förmigem Querschnitt ausgeführt. Zum Anpassen Größenordnung 2,2–5 MN/m2, bei qc = 15 MN/m2 in der
22 der Pfahllängen an örtliche Gegebenheiten (bei beschränkter Größenordnung.4–6,5 MN/m2 und bei qc = 25 in der Grö-
Bauhöhe auch für Rammgeräte!) wurden Kupplungssysteme ßenordnung 4,5–7,5 MN/m2.
entwickelt. Die Pfähle eignen sich für kleine Baustellen und Bei s/Deq = 0,1 in Relation zu qc = 7,5 MN/m2 in der Grö-
23 für Standorte, an denen sich die erforderlichen Pfahllängen, ßenordnung 4,2–6, bei qc = 15 MN/m2 in der Größenord-
etwa wegen wechselnder Bodenbeschaffenheit, nicht voraus- nung 7,6–10,28 MN/m2 und bei qc = 25 in der Größenord-
bestimmen lassen. nung 8,7–11,5 MN/m2.
11.7 • Belasten des Baugrundes über Pfahlgründungen
457 11
-
Bindige Böden
Erfahrungswerte zum Pfahlspitzenwiderstand qb,k [kN/m2]
0
nach EA-Pfähle (Ziegler 2012) bei cu,k = 60 kN/m2 in der Für das Abschätzen von Mantelreibung und Spitzendruck im Fels
Größenordnung 20-35 kN/m2, bei cu,k = 150 kN/m2 in der ist der charakteristische Wert für die einaxiale Druckfestigkeit
Größenordnung 40 bis 60 kN/m2 und bei cu,k = 250 kN/m2 erforderlich.
in der Größenordnung 55-80 kN/m2.
-
Belasten von Fertigrammpfählen auf Zug 11.7.2 Bemessen von Pfählen
Belasten von Rammpfählen nach System Franki auf Zug über Probebelastung
In grobkörnigen nichtbindigen Böden liegen nach Buja
2013 die möglichen Gebrauchslasten auf Zug pro Pfahl, Für geplante Pfahlgründungen in einem Baugrund, für wel-
beim Durchmesser D des Vortreibrohres zwischen 420 und chen keine ausreichenden Erfahrungswerte vorliegen, sind
610 mm, in der Größenordnung 400–710 kN, mit Fußver- nach DIN EN 1997-1, DIN 1054 und EA-Pfähle die möglichen
1
2
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9
.. Abb. 11.31 Geräteeinsatz für Low-Strain-Methode (a) und Darstellung der Stoßwelle (b). (Baugrundinstitut Dipl.-Ing. Jung, Dießen/Bayern)
10
Widerbelastung, fortlaufende Erstbelastung und Endentlastung Rammbären) oder mit leichten Handhämmern ausgeführt.
erkennen lassen. Durch einen schweren Rammschlag zeigt der Pfahl große Längs-
11 Nach Ziegler (2012) ist für Druckpfähle die Tragfähigkeit verformungen (High-Strain-Methode) und Verschiebungen im
12
--
erreicht, wenn
der Pfahl bei weiterer Laststeigerung sichtbar einsinkt,
das Setzmaß 10 % des Pfahldurchmessers erreicht
Untergrund. Hieraus können Rückschlüsse auf die Bodenwider-
stände und damit die Tragfähigkeit des Pfahls gezogen werden
(. Abb. 11.31).
13
14
- (ssg = 0,1 D),
die innere Tragfähigkeit des Pfahls überschritten wird.
Die Integritätsprüfung mit dynamischen Methoden ist von eine Bewegung des Pfahls stattfindet, d. h. Widerstandskräfte
erfahrenem Personal schnell und bauablaufnah (maximal 30– im Boden aktiviert werden. Am Pfahlkopf wird die Kraft und
40 Pfähle pro Testtag) und somit sehr wirtschaftlich durchzu- die Beschleunigung gemessen. Für das Auswerten stehen zwei
führen. Verfahren zur Verfügung, die Case- und die CAPWAP-Me-
thode. Die Case-Methode (Case-Western-University, Ohio)
zz Tragfähigkeitsermittlung berücksichtigt einen pauschalen Dämpfungsfaktor für die Ein-
Statische Probebelastungen an Pfählen erfordern einen ho- flüsse des Bodens, der Schichtungen und der Pfahlgeometrie
hen wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand. Dynamische (Kalibrierungsfaktor). Diese Methode lässt nur eine Tragfä-
Pfahltragfähigkeitstests bieten eine schnellere und wirtschaft- higkeitsbestimmung mit einer Eichung an statischen Probebe
lichere Alternative. Der Pfahl wird mit einer so großen Last lastungen zu und wird meist nur als erste einfache Näherung
dynamisch belastet (Lastgröße und Fallhöhe verändert), dass verwendet. Die CAPWAP-Methode erstellt ein Pfahlmodell
460 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
1
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7
8
.. Abb. 11.35 CAPWAP-Auswertung (Simulationsprogramm zum iterativen
zz Nachgiebige Konstruktionen
Nachgiebige Konstruktionen werden so gewählt, dass das Bau-
werk einen Erdfall ohne größeren Schaden übersteht. Nachgie-
bige Gründungen werden beim Bauen in Bergbaugebieten ge-
wählt. Die Bauwerke sind in Bergbaugebieten so auszubilden,
dass sie gut einschätzbare Verformungen des Baugrundes ohne
Gefährdung der Standsicherheit und mit möglichst geringen
Schäden und Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit ertra-
gen können (Kratzsch 1974; Nendza 1992). Die Erfahrungen
aus Bergsenkungsgebieten können auf natürliche Subrosion a
und Erdfälle übertragen werden. In Südniedersachsen ist der
Erlass des Niedersächsischen Sozialministers „Baumaßnah-
men in erdfallgefährdeten Gebieten“ vom 23.02.1987 zu be-
achten.
Möglich sind ausgesteifte Kellergeschosse über bewehrten
Fundamentbalken, Fundamentrosten oder Platten, welche ei-
nen plötzlich auftretenden Hohlraum von mehreren Metern
Durchmesser überbrücken können. In Südniedersachsen wird
von einem Bemessungserdfall mit 5 m Durchmesser ausgegan-
gen (Büchner 1996). Bei höherer Gefährdungskategorie wird das
untere Geschoss in Stahlbeton ausgeführt. Über alle tragenden
und ausgesteiften Wände werden Ringbalken angeordnet. Zwi-
schen Fundamentbalken und biegesteifem Kellergeschoß werden
Pressennischen vorgesehen, über die das Haus bei Schiefstellung
angehoben werden kann.
Im Untergrund fertiggestellter Bauwerke können bei ungüns- .. Abb. 11.36 Gründungen auf schwellfähigem Untergrund. a Vorschlag
für Gründungen auf bituminösen Schiefern. Die Bodenpressung σ soll mehr
tigem Zusammenwirken mehrerer Faktoren Schwellerschei-
als 300 kN betragen. Die Bodenplatte wird freitragend mit ausreichendem
nungen auftreten. Gefahr kann von pyrit- und bitumenhaltigen Freiraum zwischen UK Bodenplatte und anstehendem „Ölschiefer“ ausgebil-
Tonmergelsteinen, von anhydrithaltigen Tonsteinen und von det (umgezeichnet nach Vees 1987); b Vorschlag für eine Tiefgründung über
Schlacken ausgehen. Solche Schwellerscheinungen sind auf Um- bestehender Auffüllung aus schwellfähigen Schlacken mit freigespannter
kristallisation oder Neukristallisation von Mineralen, meist Gips, Bodenplatte zwischen den tragenden Elementen und ausreichendem Frei-
raum zwischen UK Bodenplatte und anstehender Schlacke. In beiden Fällen
zurückzuführen.
kann sich der schwellfähige Untergrund in den frei belassenen Raum hinein
ausdehnen
zz Hebungen über anhydritführenden Tonsteinen
Hebungen über anhydritführenden Tonsteinen, z. B. bei tiefen naue Lage des Gips- und Anhydritspiegels zu erkunden. Nach
Einschnitten im Gipskeuper bis unter den Anhydritspiegel oder Möglichkeit sind Trassen und Sohlen von Baugruben so an-
bei Tunnelbauwerken (Schwelldruck, ▶ Abschn. 13.5.2), sind zulegen, dass alle Erdbauarbeiten einen mehrere Meter mes-
durch Kristallisationsdruck von Gips zu erklären, welcher unter senden Abstand zum Anhydritspiegel einhalten. Sickerwasser
Einbau von Kristallwasser direkt aus Anhydrit entsteht. Zusätz- lässt sich praktisch nicht (oder nur mit sehr großem Aufwand)
lich ist Ionentransport und Anreicherung von Calciumsulfat von den freigelegten anhydritführenden Tonsteinen fernhal-
über kapillare Bewegung von Sicker- oder Grundwasser mög- ten. Schwellerscheinungen und Sohlhebungen können über
lich, was den Effekt verstärken kann. Die Hebungsbeträge kön- Jahrhunderte andauern und hören theoretisch erst dann auf,
nen sich im Laufe von Jahren zu mehreren Dezimetern addie- wenn sich ausreichend dicke und zu nahezu 100 % vergipste,
ren. Durch fehlerhaft abgedichtete Bohrlöcher ist die Altstadt Rissfreie Gesteinslagen über dem freigelegten Anhydrit gebil-
von Staufen i. Br. betroffen. Hierzu bestehen Sachstandsberichte det haben. Nach Erfahrungen aus dem Gipskeuper können die
mit Anlagen vom Regierungspräsidium Baden-Württemberg. Schwellkräfte auch über Anker mit extrem hohen Lasteintrag
Beim Gründen über anhydritführenden Gesteinen ist die ge- nicht ausgeglichen werden.
462 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
zz Hebungen über pyrit- und bitumenhaltigen Der Fußboden sollte zwischen den tragenden Elementen
1 Tonmergelsteinen frei gespannt werden. Dabei ist auf ausreichenden Freiraum
Hebungen über pyrit- und bitumenhaltigen Tonmergelsteinen zwischen UK Bodenplatte und anstehender Schlacke zu achten
2 sind nach Vees (1987) und Tietze (1981) durch lagenweise Gips- (. Abb. 11.36b).
und Eisensulfatkristallisation zu erklären. Sulfat wird bei der
Pyritverwitterung frei und bildet mit dem im Tonmergelstein
3 enthaltenen Calcium Gips und mit dem Eisen Eisensulfat (Me- 11.10 Unterfangen von Bauwerken
lanterit). Dabei handelt es sich um eine Neubildung dieser Mine-
4 rale, welche vorher nicht im Boden oder Gestein vorhanden wa- Soll der Raum bis unmittelbar an die Grenze zur bestehen-
ren. Im Falle des süddeutschen „Ölschiefers“ des Lias ε schafft das den, flacher gegründeten Nachbarbebauung genutzt werden,
5 Aufblättern des Gesteins die Voraussetzung für die schichtweise dann müssen die Fundamente der Nachbargebäude unterfan-
stattfindende Gipskristallisation. Gleichartige Gesteine sind u. a. gen werden. Unterfangungen sind in DIN 4123:2013 geregelt.
im Lias von Luxemburg und Lothringen vorhanden. In solchen Diese Norm gilt nur für Gründungen über Streifenfundamente.
6 Gesteinen kann es zu Hebungen kommen, welche sich im Laufe Sicherungen können nur bei standfestem Fels weggelassen wer-
von Jahren zu mehreren Dezimetern addieren können. den.
7 Diese Schwellvorgänge sind an Austrocknungs- und Ver- Ohne besonderen statischen Nachweis darf neben bestehen-
dunstungsvorgänge gebunden. Betroffen sind Heizungsräume, der Bebauung der Baugrund unter Beachtung nachstehender
8 Heizungskanäle, beheizte Bodenplatten sowie Fundamente und
Bodenplatten unter Industrieanlagen, die Prozesswärme entwi-
-
Vorgaben flächenhaft abgehoben oder ausgehoben werden:
bei flacher liegender Aushubsohle, wenn die Tiefe der Aus-
9
10
ckeln. Bei ausreichender Kapillarität im Tonstein kann das durch
Verdunstung eingetretene Wasserdefizit über kapillaren Zufluss
aus der Umgebung ausgeglichen werden. Dies führt zur Ionen-
anreicherung und Auskristallisation am Ort der Verdunstung.
- hubsohle nicht tiefer liegt als OK Kellerfußboden;
bei tiefer liegender Aushubsohle, wenn die Oberfläche einer
2 m breiten Berme mindestens 0,5 m über Fundamentun-
terkante des zu unterfangenden Nachbargebäudes liegt und
Nach Vees (1987) unterbleibt der Hebungsdruck ab einer deren Böschungsneigung zur neu auszuhebenden Baugrube
Bodenpressung σ von etwa 300 kN m−2. Als Gründungskonzept nicht steiler als 1:2 angelegt ist.
11 im Ölschiefer des Lias ε schlägt Vees u. a. vor, die Fundamente Vorab aller Arbeiten zum Untergraben und Unterfangen
so zu dimensionieren, dass sie unter ständiger Last eine Boden- sollte der bauliche Zustand des zu unterfangenden Hauses
12 pressung σ von mindestens 300 kN m−2 auf den Untergrund in einem Beweissicherungsverfahren dokumentiert werden.
übertragen. Für die Bodenplatte des Kellerfußbodens wird eine Es sind Messbolzen oder Messmarken anzubringen. Diese
freitragende Konstruktion über einem freibelassenem Raum vor- sind vor Beginn, während und nach Abschluss der Unter-
13 geschlagen (. Abb. 11.36a). Bei einem solchen Konzept kann fangungsarbeiten sowie nach Abschluss der Bauarbeiten
sich der schwellende Untergrund in den hierfür vorgesehenen für den Rohbau des neuen Gebäudes einzumessen. Solche
14 freien Raum hinein gefahrfrei ausdehnen. Daten ermöglichen eine Kontrolle von möglichen Setzun-
Bei Gründungen in bituminösen Schiefern muss der Unter- gen oder Verdrehungen am unterfangenen Altbau.
15 grund auf die mit Schwellen verbundenen Gefahren untersucht
werden. Nach Möglichkeit ist das Schwellmaß zu quantifizieren. Bei feinkörnigen Böden mit nur steifer oder weicher Konsis-
tenz, bei locker gelagerten grobkörnigen Böden und bei tiefer
16 zz Hebungen über Schlacken geführter Aushubsohle ist die Sicherheit gegen Kippen, Gleiten,
Hebungen über künstlichen Auffüllungen aus Schlacken sind Grundbruch und Geländebruch nach DIN 1054, DIN EN 1997-1,
17 gleichfalls vorrangig auf Auskristallisation von Gips zurückzu- DIN 4017 und DIN 4084 nachzuweisen.
führen. Bei ungünstiger chemischer Zusammensetzung kann in Zum Unterfangen können Fundamente abschnittsweise frei-
der Schlacke Sulfat und Calcium in wasserlöslicher Form enthal- gelegt und untergraben werden (. Abb. 11.37a). Die Abschnitts-
18 ten sein. Zugeführtes Wasser kann anhaltende Auskristallisation breite beträgt maximal 1,25 m. In einer ersten Phase der Un-
von Gips bewirken (Gipsneubildung). Über in Kristallisations- terfangungsarbeiten sollen die Untergrabungen den seitlichen
19 hebungsversuchen ermittelte Kenngrößen konnte im Falle einer Abstand der dreifachen Abschnittsbreite nicht unterschreiten.
Verkaufshalle mit Fußbodenhebungen von etwa 40 cm zwischen Das Untergraben und Unterfangen soll unter dem höchstbelas-
20 Pfeilern im Abstand 8 m das Ausmaß der Hebung quantitativ teten Wandabschnitt beginnen. Dies sind in der Regel die Hau-
nicht erklärt werden. Ein durch Verdunsten verursachter Ionen- secken. Beginnt das Unterfangen unter der Wandmitte, so gerät
transport und Auskristallisation direkt unter der beheizten Fuß- diese in eine Sattellage (. Abb. 11.24a) und an den Hausecken
21 bodenplatte ist anzunehmen. können sich Setzungsrisse einstellen oder verbreitern. Werden
Werden bei Bodenaustausch oder Bodenauftrag Schlacken die Hausecken vor den mittleren Wandabschnitten unterfan-
22 für den Einbau vorgesehen oder sind Auffüllungen aus Schlacken gen, geraten Letztere in eine Muldenlage (. Abb. 11.24b). Beim
im Untergrund vorhanden, so sind diese in einer Eignungsprü- Planen der für das Untergraben und Unterfangen vorgesehenen
fung zu testen. Gründungen über bestehenden Auffüllungen Abschnitte ist auch die Lage der Tür- und Fensteröffnungen zu
23 aus Schlacken mit ungünstigen Eigenschaften können z. B. als beachten, da an diesen die Hauswand als Erstes aufreißen kann.
Tiefgründung in das unter der Schlacke anstehende Gestein aus- Unter Berücksichtigung der sich nach jeder Teiluntergrabung
geführt werden. neu ergebenden Verteilung von Mulden- und Sattellage wer-
11.11 • Kolkschutz bei Gründungen in Flüssen oder in Überschwemmungsgebieten
463 11
.. Abb. 11.37 Unterfangen von Bauwerken. a Abschnittsweiser Einbau eines Unterfangungskörpers aus Beton oder Mauerwerk; b,c Unterfangen eines Bau-
werkes auf Sand oder Kies durch Bohren und Injizieren. (Nach GKN Keller GmbH)
den durch Fenster- und Türöffnungen geschwächte Wandab- werke stellen, wenn sie quer zur Strömungsrichtung stehen, ein
schnitte nachrangig untergraben und gegebenenfalls wird an Strömungshindernis dar. Je nach Formgebung können sie lokal
solchen Stellen die Abschnittsbreite verringert. Die Gesamt- erhöhte Fließgeschwindigkeit und meistens auch Bereiche mit
breite der untergrabenen, offenen Wandabschnitte darf 20 % erhöhter Turbulenz hervorrufen.
der gesamten Wandbreite zu keiner Zeit überschreiten. Für das
Untergraben der Fundamente eines Altbaus sind vorab in der
Berme Stichgräben in der Lamellenbreite des vorgesehenen 11.11.1 Kolkgefahr und Kolkschutz
Abschnittes (Regelbreite 1,25 m) bis zur Hauswand auszuhe- für Bauwerke in und an Flüssen
ben und zu sichern (IG Bau 2013). Dann folgt das eigentliche
Untergraben und Unterfangen. Die Arbeiten für Untergraben Kolke können beachtliche Dimensionen erreichen und in un-
und Unterfangen eines Abschnittes sollen binnen eines Tages günstigen Fällen zum Totalverlust des Bauwerkes führen. Die
abgeschlossen sein, andernfalls ist ein statischer Nachweis für Kolkproblematik lässt sich nach Zanke (1994) folgendermaßen
ausreichende Standsicherheit zu erbringen. Die Gründungstiefe charakterisieren:
für unterfangene Fundamente richtet sich nach der Abtragtiefe An runden Pfeilern können Kolktiefen vom 2,5fachen des
unmittelbar neben dem bestehenden Fundament und ist all- Pfeilerdurchmessers auftreten. Bei langgestreckten Pfeilern oder
gemein 50 cm tiefer auszuführen. Die erforderliche Enddicke Bauwerken entspricht die projizierte Anströmfläche dem Durch-
für den Unterfangungskörper ist abhängig von Erddruck und messer. Bei schrägem Anströmen können sich an solchen Pfeilern
Gebäudelast, der Festigkeit der verwendeten Baustoffe und der oder Fundamenten sehr tiefe Kolke entwickeln.
zulässigen Belastung des Baugrundes. Unterfangungen dürfen Im Einzelfall hängt die sich einstellende Kolktiefe neben der
nicht schmäler als das bestehende Fundament ausgeführt wer- Bauwerksgeometrie von Flusstyp, Strömungsgeschwindigkeit, Be-
den. Der Unterfangungskörper kann auch durch Injektion oder schaffenheit der Flusssohle (Lockermaterial, Fels), Geschiebeart,
Hochdruckinjektion hergestellt werden (. Abb. 11.37). Dabei Geschiebetrieb und Zeit ab.
sind mögliche Bewegungen am zu unterfangenen Bauwerk zu Die Gewässersohle der Flüsse unterliegt einer natürlichen Dy-
kontrollieren (Nivellement). Eine weitere Möglichkeit zum Un- namik, welche im Wechsel großflächig Erosion oder Anlanden
terfangen von Fundamenten bieten Wurzelpfähle. Diese kom- bewirken kann. Aus diesem Grunde werden Flüsse regelmäßig
men besonders bei Nachgründungen über tiefgründig weichem vermessen und in den Fluss eingebaute Bauwerke und Kolkschutz-
Untergrund zur Anwendung. maßnahmen regelmäßig kontrolliert. Dennoch kann in extremen
Strömungssituationen schnelle Vertiefung der Kolke eintreten, was
innerhalb kürzester Zeit zum Verlust des Bauwerkes führen kann.
11.11 Kolkschutz bei Gründungen in Flüssen Für das Gründen von Bauwerken sind Erkundungen zu
oder in Überschwemmungsgebieten Art und Verhalten des Flusses einzuholen. In erster Näherung
können von den den Flussabschnitt betreuenden Ämtern Er-
Brückenpfeiler, Brückenwiderlager sowie Mauern und andere fahrungswerte zum Abschätzen möglicher Kolkerosionstiefen
Bauwerke, die am oder im Fluss dem strömenden Wasser aus- abgefragt werden.
gesetzt sind, können ihre Standfestigkeit verlieren, wenn die Das Bemessen der Bauwerksgründungen für den Fall der
Fundamente durch Auskolken freigelegt werden. Solche Bau- maximal möglichen Kolktiefen ist in der Regel unwirtschaftlich.
464 Kapitel 11 • Gründen von Bauwerken
Häufig werden Kolke durch Kolkschutzmaßnahmen verhindert. 11.11.2 olkgefahr und Kolkschutz
K
-
1 Die Anforderungen an einen Kolkschutz sind: für Bauwerke in
er muss unabhängig von Strömung und Wassertiefe einfach Überschwemmungsgebieten
2
-- einzubauen sein;
er soll ohne kostenintensive Filter funktionstüchtig sein; In Überflutungsauen von Flüssen kann es bei Hochwasser an
3
4
--er muss unproblematisch in Bezug auf Randkolke sein;
er muss Sicherheitsreserven bei Hochwasserabflüssen haben;
er muss eine Kontrolle mit wenigen Peilungen, auch bei
Hochwasser, ermöglichen.
Bauwerken zu Kolkerosion kommen. Die Gefahr ergibt sich
zum einen aus dem Zusammenwirken von Wassertiefe, Fließ-
geschwindigkeit, Kornform- und Korngrößenverteilung der
Auesedimente und dem Bewuchs in der Aue, zum anderen aus
der Geometrie und Lage des Bauwerkes zur Strömungsrichtung.
5 zz Steinlagen als Kolkschutz Als Kolkschutz eignet sich nach Kohli (1999) der Einbau
Zum Schutz vor Erosion können Steinlagen auf Sinkstücken oder von Geotextil-Dränmatten mit Blockwurf an den Gebäu-
Sinkmatten versenkt oder im Blockwurf über geeignetem Filter- deecken. Die Dränmatte wird bündig zum schützenden Ge-
6 material eingebaut werden. Am Übergang von Kolkschutzfläche bäude eingebaut und nach Möglichkeit durch Aufborden an
zur ungeschützten Flusssohle können sich Randkolke ausbilden, diesem befestigt.
7 da diese Stellen für den Sedimenttransport eine Unstetigkeit dar- Stromaufwärts wird das Geotextil mit einer Neigung von
stellen. Das Verhindern von Randkolken verlangt nach flexibler 30° bis ca. 1 m Tiefe eingebaut, mit Moniereisen im Boden ver-
Ausbildung des flächenhaften Kolkschutzes. klammert und/oder mit Steinen beschwert. Die Hohlräume un-
8 ter der Matte werden mit grobem Bodenmaterial (Kies, Steine)
zz Kolkschutz mit integriertem Schüttsilo verfüllt. Die Matte wird mit Mutterboden abgedeckt.
9 Zanke (1994) beschreibt Pfeilerkonstruktionen, in die mit ge- Die Notwendigkeit für einen solchen Kolkschutz sollte mit
eignetem Kies- oder Steinmaterial gefüllte Silos integriert sind. der Baugrunderkundung überprüft und angeraten werden. Im
10 Diese Silos münden über der Flusssohle. Sobald sich die Fluss- Zuge der mit Neubauten verbundenen Erdverschiebungen kann
sohle eingetieft hat, rutscht Kies- und Steinmaterial nach. Das der damit verbundene Bauaufwand in einem vertretbaren Rah-
Kies- und Steinmaterial soll so beschaffen sein, dass es von der men gehalten werden.
11 Strömung am Bauwerk verteilt, aber nicht abtransportiert wird.
15 zz Vorgelagerte Einbauten
Kolkhemmende Wirkung kann eine keilförmig angeordnete
Pfahlreihe bieten, welche stromauf vom kolkgefährdeten Objekt
16 als Schutz eingebaut wird.
19 zz Plattenartige Anbauten
Durch horizontal angeordnete Platten (Einzelplatten, Mehrfach-
20 plattensysteme) oder tellerförmig abwärts gewölbte Schalen kann
die Strömung so verändert werden, dass Kolkbildung unterbleibt.
21 zz Notmaßnahmen
Zum Schutz kolkgefährdeter Bauwerke kann bei Hochwasser
22 Stein- und Blockmaterial an den gefährdeten Stellen eingebracht
23 --
werden. Dies ist möglich durch
Abkippen von Brücken und Ufermauern;
12.1 Planen und Anlegen von Verkehrswegen verständlich eine ingenieurmathematische Bemessung zugrunde,
1 wie sie weltweit üblich ist. Statt aber, ausgehend von den Eigen-
Das Planen und Anlegen von Straßen richtet sich nach gegenwär- schaften des Untergrunds bzw. Unterbaus, jeweils einen neuen,
2 tigen und zukünftigen Verkehrsbedürfnissen. Danach werden flexibel gestalteten und differierenden Aufbau der Tragschichten
Straßenkategorie und Entwurfsklasse festgelegt. In Abhängigkeit zu errechnen, werden nach diesem System an den Untergrund
von der Entwurfsklasse werden Entwurfs- und Betriebsmerk- bzw. Unterbau gewisse Mindestanforderungen gestellt (Verfor-
3 male (z. B. Planungsgeschwindigkeit, Betriebsform, Querschnitt) mungsmodul Ev2 ≥ 45 MPa). In Entwicklungsländern kann es
sowie Gestaltungsmerkmale (z. B. Linienführung, Radienbereich durchaus wirtschaftlich sein, den Oberbau einer Straße den gege-
4 für Kurven, Längsneigung, Kuppenhalbmesser) gewählt. benen ungünstigen Baugrundverhältnissen durch einen stärker
Straßen unterschiedlicher Entwurfsklassen sollen sich in bemessenen Aufbau anzupassen.
5 ihrem Erscheinungsbild deutlich voneinander unterscheiden. Des Weiteren basiert die RStO auf bestimmten maximalen
Straßen einer Entwurfsklasse sollen einheitlich gestaltet wer- Achslasten. Eine Erhöhung der zulässigen Achslasten, etwa im
den, um dem Verkehrsteilnehmer zu verdeutlichen, welche Zuge europäischer Harmonisierung, erfordert eine Verstärkung
6 Entwurfsmerkmale er bei seiner Fahrt zu erwarten hat und mit des vorhandenen Straßenaufbaus.
welchem Geschwindigkeitsniveau er fahren kann. Dabei werden Die RStO 12 unterscheidet nach der dimensionierungs-
7 für Straßen einer höheren Entwurfsklasse grundsätzlich höhere relevanten Beanspruchung [B] die Belastungsklassen BK 100,
Entwurfsanforderungen gestellt als für Straßen mit niedriger BK 32, BK 10, BK 3,2, BK 1,8, BK 1 und BK 0,3. Für das Fest-
Entwurfsklasse. Dies betrifft z. B. Kurvenmindestradius, höchst- legen einer Belastungsklasse ist die dimensionierungsrelevante
8 zulässige Längsneigung oder Steigung, Kuppenmindesthalbmes- Beanspruchung aus Verkehrsbelastung (in Mio. Äquivalenten
ser, Wannenmindesthalbmesser, Querneigung und erforderliche für 10-t-Achsübergänge), aus (angenommener oder vorgege-
9 Haltesichtweite, festgelegt in den „Richtlinien für die Anlage von bener) Nutzungsdauer und aus Faktoren für Anzahl und Breite
Landstraßen“ (RAL) und den „Richtlinien für die Anlage von Au- der Fahrstreifen, der Steigung sowie dem Achszahlfaktor und
10 tobahnen“ (RAA). Das Anpassen von Straßen an die Landschaft Lastkollektivquotienten zu ermitteln.
unter Berücksichtigung der Belange des Natur- und Biotop- Nach der Belastungsklasse richtet sich die Dicke von Fahr-
schutzes regeln die „Richtlinien für die landschaftspflegerische bahndecke (Asphaltdecke, Betondecke, Pflasterdecke), Trag-
11 Begleitplanung im Straßenbau“ (RLBP) der Forschungsgesell- schichten und Frostschutzschicht in den verschiedenen mögli-
schaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Für die Deutsche chen Bauweisen (Tafel 1 bis 4 RStO).
12 Bahn besteht die „Vorschrift für das Entwerfen von Bahnanlagen“ Weniger aufwendige Straßenkonstruktionen werden im länd-
(VEB 1-3, DS 800/1-3). lichen Wegebau, bei Forststraßen, bei Verkehrswegen in Baustel-
Geländeabtrag, Dammbauten und Brückenbauwerke neh- lenbereichen, bei wenig befahrenen Orts- und Gemeindestraßen
13 men mit der Entwurfsklasse an Umfang zu. Häufig müssen im und besonders bei Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen
Bergland die bei Abgrabungen angestrebten Böschungswinkel in Entwicklungsländern erstellt. Hierzu zählen Wegebefestigun-
14 nach der erforderlichen Sichtweite und nicht nach erdstatischen gen ohne Bindemittel, wie z. B. Erd-, Kies- und Schotterstraßen,
Kenngrößen festgelegt werden. sandgeschlämmte Schotterdecken und Straßenbefestigungen aus
15 In Entwicklungsländern werden noch immer Straßen ohne korngestuften Gesteinsgemischen (Mineralbeton), sowie Stra-
Anwendung von Richtlinien gebaut. Dabei passt man die Trasse ßenaufbauten, die durch die Zugabe von Kalk oder Zement eine
der Geländeform an und ist bestrebt, mit möglichst wenigen Bo- Verfestigung erfahren haben. So hergestellte Tragschichten kön-
16 denarbeiten, Brückenbauwerken, Dammstrecken und Entwäs- nen eine Deckschicht aus Beton, Asphalt oder Pflaster erhalten.
serungsmaßnahmen, also mit möglichst niedrigen Baukosten Zu beachten sind die „Richtlinien für den ländlichen Wegebau“
17 auszukommen. Die so hergestellten Straßen entsprechen hin- (RLW) und die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen
sichtlich der Linienführung historisch entstandenen alten Ver- und Richtlinien für die Befestigung ländlicher Wege“ (ZTV-LW).
kehrswegen, wie sie in Deutschland noch vereinzelt anzutreffen Pflasterdecken aus Naturstein werden wegen des hohen An-
18 sind. Solche Straßen bestehen häufig aus Abschnitten unter- teils an handwerklicher Arbeit beim Herstellen der Pflastersteine
schiedlicher Streckencharakteristik. Ihre Benutzer sind bei nicht aus Naturstein und beim Versetzen des Pflasters heute nur noch
19 angepasster Fahrweise einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt. bei besonderen Straßen ausgeführt. Zu den Vorteilen der Pflas-
Beim Straßenbau waren und sind verschiedene Bauweisen terdecke zählt, dass einzelne Abschnitte der Straßendecke schnell
20 bekannt. Die aus früheren Zeiten übernommenen Bauweisen geöffnet und geschlossen werden können, so im Bereich von
sind rein empirisch bemessen. Die heute angewendeten Bauwei- Bahngleisen für das Nachschottern und Anhebung des Gleiskör-
sen basieren auf einer semitheoretischen Bemessung, meist auf pers und bei städtischen Straßen und Gehwegen mit zahlreichen
21 der Theorie der mischelastischen Mehrschichtensysteme. Leitungen im Untergrund. Pflaster werden heute auch im Hin-
Der moderne Straßenbau kennt die bituminöse Bauweise blick auf die geschichtlich weit zurückreichende Anwendung die-
22 (. Abb. 12.1), die Betonbauweise und die Pflasterbauweise. Die ser Straßenbefestigung aus architektonischen Gründen im Alt-
Standardbauweisen mit allen Varianten und Schichtdicken sind stadtbereich und an vergleichbaren Orten verlegt. Pflasterdecken
in den „Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von unterscheiden sich von anderen Straßenbefestigungen durch die
23 Verkehrsflächen“ (RStO) festgelegt. Die Standardisierung des Fugen, die die Decke in Einzelteile zerlegen. Die Unterlage von
Oberbaus von Verkehrsflächen nach einem festen Schema ist Pflasterdecken bestand früher aus Kies- und Schotterlagen oder
eine Besonderheit des deutschen Straßenbaus. Dem liegt selbst- aus handwerklich verlegten Packlagen (. Abb. 12.3). Heute wer-
12.2 • Erkunden der Bodenverhältnisse für den Verkehrswegebau
467 12
.. Abb. 12.1 Aufbau einer Straße außerhalb geschlossener Ortschaften mit wasserdurchlässigen Randbereichen. (Damm und Einschnitt aus RStO)
den bei stark befahrenen Pflasterdecken gebundene Tragschich- Dies sind ungebundene Tragschichten. Sie bestehen aus
ten aus Zement- oder Asphaltbeton (wasserdurchlässig) erstellt. verdichteten Sand-Kies-Gemischen, Sand-Splitt-Gemischen
Ältere, heute nur noch selten oder nicht mehr gebräuchliche
Bauweisen sind Straßen mit ungebundenen Tragschichten aus
Packlagen, Rüttelschotter und Schrotten und die bituminösen
Makadamdecken (. Abb. 12.2 und 12.3).
- oder Sand-Splitt-Schotter-Gemischen.
Tragschichten mit hydraulischem Bindemittel
Hierzu zählen verfestigte Böden, verfestigte Sand-Kies-
Gemische oder Sand-Splitt-Gemische und Betontrag-
- Unterbau abschließt.
Oberbau
Der Oberbau besteht aus Frostschutzschicht, Tragschichten
die vorhandenen topographischen Kartenwerke, Luftbilder und
Spezialkarten wie geologische Kartenwerke, geomorphologische
Kartenwerke, Bodenkarten, Baugrundkarten, Grundwasserkarten,
- und Decke.
Decke
Die Decke ist die Verschleißschicht über den Tragschich-
ten. Decken bestehen aus Asphaltbeton, Beton, Pflaster
aber auch ökologische Kartenwerke, Bodennutzungskarten sowie
alle historischen und archäologischen Kartenwerke.
Im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsstudie (Kapitel 3)
sind die „Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und
- oder Platten.
Tragschichten
Tragschichten sind der untere Teil des Oberbaus. Sie liegen
zwischen Decke und Planum. Sie haben die Aufgabe, die
der Landschaftspflege beim Bundesfernstraßenbau“ (HNL-StB)
zu beachten.
Während in den industriellen Ballungsräumen alles Baumate-
rial für den Straßenoberbau herbeigefahren wird, ist man in den
aus der Deckenbelastung einwirkenden Drücke auf eine Entwicklungsländern bestrebt, die Straßen so zu verlegen, dass
größere Einwirkungsfläche zu verteilen und gleichmäßig auch das Baumaterial ohne weitere Anfahrt durch Seitenentnahme
auf den Unterbau oder Untergrund zu übertragen. Zu den direkt neben der Trasse gewonnen werden kann.
Tragschichten zählt auch die Frostschutzschicht, die in der Das Erdmaterial für Dammschüttungen wird teils in Gelän-
- Frostschäden vermeiden.
Tragschichten ohne Bindemittel – Kiestragschichten, Schotter-
tragschichten
den. Für das einzubauende Material ist vor der bautechnischen
Beurteilung der Nachweis der Umweltverträglichkeit zu erbringen.
Zu beachten sind die Merkblätter über die Verwendung folgender
468 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
5
6
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19
20
industrieller Nebenprodukte: „Merkblatt über die Verwendung Die Bodenerkundung wird sich in Bezug auf das Grundla-
21 mineralischer Rohstoffe aus Bergbautätigkeiten im Straßen und genstudium, auf den quantitativen Einsatz bei der Baugrund-
Erdbau“, „Merkblatt über die Verwendung von Eisenhüttenschla- untersuchung und auf die Gewichtung der Einzelergebnisse
22 cken im Straßenbau“, „Merkblatt über die Verwendung von Gie- bei der Baugrundbeschreibung nach der Aufgabenstellung
ßereireststoffen im Straßenbau“, „Merkblatt über die Verwendung richten.
23 von Hausmüllverbrennungsasche im Straßenbau“, „Merkblatt über
die Verwendung von Kraftwerksnebenprodukten im Straßenbau“
-- Es ist zu unterscheiden zwischen:
Voruntersuchung für die Planung;
und „Merkblatt über die Wiederverwertung von mineralischen
Baustoffen als Recycling-Baustoffe im Straßenbau“.
- Untersuchung für einen Vorentwurf;
Untersuchung für den Bauentwurf.
12.2 • Erkunden der Bodenverhältnisse für den Verkehrswegebau
469 12
.. Abb. 12.3 Nicht mehr gebräuchli-
che Straßenbauweisen. a Schema für
einen Straßenaufbau nach McAdam
(1756–1836). Die Straße besteht aus
drei Lagen mit kleingeschlagenem
Schotter. Der Untergrund ist nicht
verfestigt. Ein Unterbau fehlt. b Stra-
ße mit Packlage um 1950
Dabei ist das Merkblatt über geotechnische Untersuchungen und den Straßenbau ist, dass dynamische Bewegungen im Erdreich
Berechnungen im Straßenbau (M GUB), aufgestellt von der For- und die hiervon ausgehenden Kräfte erkannt werden. Dabei sind
schungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), zu besonders die landschaftsgestaltenden Klimafaktoren wie Tem-
beachten. peraturverlauf, Höhe, Art und Verteilung der Niederschläge, der
Für die Deutsche Bahn gilt die Richtlinie „Ril 836-Erdbau- Bewuchs und der Wasserabfluss bzw. -zufluss zu beachten.
werke der DB Netz AG“. Für die Ablagerung oder Sedimentation sowie für die Ab-
tragung oder Erosion von Boden- und Gesteinsmaterial werden
zz Bauvorhaben und Unterlagen zum einen die im Trassenverlauf vorhandenen Erosionsformen,
Das Bauvorhaben ist nach Art, Zweck und Umfang kurz zu be- Subrosionsformen, Rutschungen, Gleitungen, Felsstürze, Berg-
schreiben. Hierzu werden die vorgelegten Pläne und Zeichnun- stürze und von Steinschlag betroffenen Gebiete, zum anderen
gen, alle für das Gutachten herangezogenen Karten, Luftbilder Anwehungen von Sand oder Staub sowie Anschwemmungen von
und Archivunterlagen sowie alle schriftlichen Unterlagen zur Schutt (Murenmaterial), Sand und Schlamm genannt.
Geologie und Hydrologie genannt. Die für das Gutachten erfor-
derlichen Bodenuntersuchungen (Schürfe, Bohrungen, Sondie-
rungen etc.) werden in Plänen kartiert. 12.2.2 Geologie
Das Gelände wird im Verlauf der Trasse unter Berücksich-
tigung des sich seitlich anschließenden Geländestreifens unter- Es sind die den Untergrund bildenden Gesteine und Deck-
sucht und beschrieben. Dabei sind die im folgenden beschriebe- schichten zu beschreiben und ihre Lagerung und Verbreitung in
nen Punkte abzuhandeln. Längs- und Querschnitten zur Trasse zeichnerisch darzustellen.
Die Gesteine sind nach der Petrographie und nach der stra-
tigraphischen Einstufung (Formation, Schicht) zu benennen
12.2.1 Morphologie und gesteinstechnisch zu beschreiben (Festgestein, veränder-
lich festes Gestein, Lockermaterial). Für die Standsicherheit der
Die Geländeformen sind im großräumigen Überblick (Bergland, Straße und für die Abbaubarkeit von Felsgesteinen ist in diesen
Hügelland, Ebene, Tal) zu beschreiben, und die für die Trasse das Trennflächengefüge mit Lage der einzelnen Trennflächen-
maßgebliche feinere Gestalt der Oberflächenform wie Abda- scharen, Kluftabstand, Klüftigkeitsziffer, Durchtrennungsgrad,
chung (Neigung), Relief und Vorflut ist zu benennen. Kluftweite, Rauigkeit der Kluftflächen, Kluftfüllung und die
Über die geometrische Formbeschreibung hinaus soll auch Verwitterung auf den Kluftflächen aufzunehmen und darzu-
eine Darstellung der geländeformenden Kräfte und deren Ein- stellen. Störungszonen und Großklüfte in der Felsböschung
fluss auf das geplante Bauwerk gegeben werden. Es ist erforder- sind aufzunehmen, aufzuzeichnen und bei Standsicherheitsbe-
lich, dass zwischen alten, aus der Vorzeit stammenden Gelände- rechnungen zu berücksichtigen. Böden sind im Gelände durch
formen, welche derzeitig nicht weiter fortgebildet, sondern durch Schürfe, Bohrungen und Sondierungen (Druck-, Ramm- und
Verwitterung und Abtrag zerstört werden, und den gegenwärtig Flügelsondierungen) sowie durch geophysikalische Methoden
entstehenden Geländeformen unterschieden wird. Wichtig für zu untersuchen. Die Entstehung und Veränderung des Gesteins
470 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
im geologischen Werdegang (Genese, Diagenese, Faltung, Zer- ckern von Niederschlagswasser ist in den Richtlinien für die An-
1 klüftung, Auslaugung, Verwitterung, Metamorphose) ist in all lage von Straßen, Teil: Entwässerung (RAS-Ew) geregelt und ist
den Fällen zu beschreiben, in denen dieses Wissen für das Ver- nur mit einer Passage über eine bewachsene Bodenzone zulässig.
2 ständnis der Lagerung in Bezug auf die Standsicherheit wichtig Ein solches sachgerechtes Versickern gilt im Sinne der RAS-Ew als
ist. Behandlung! Demnach soll in der Regel das Niederschlagswasser
Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung soll das Er- ungesammelt und breitflächig über begrünte Seitenstreifen (Ban-
3 kunden des geologischen Untergrundes die in den . Tab. 3.10 kette) und begrünte Böschungen abfließen und versickern. Für das
bis 3.15 zum Schutzgut „Boden“ aufgelisteten Positionen für all- Versickern sollen der wasseraufnehmende Boden in der Böschung
4 gemeine geologische Grundlagen, Bodenkunde, Hydrogeologie, und die darunterliegende wasseraufnehmende Bodenschicht mit
Ingenieurgeologie und Rohstoffkunde umfassen. ausreichender Mächtigkeit und großem Schluckvermögen ober-
5 flächennah anstehen. Ggf. sind Sickerversuche durchzuführen.
Niederschlagswasser, das nicht in der bewachsenen Bodenzone
12.2.3 Hydrogeologie der Böschung versickert, ist am Böschungsfuß in einer Mulde mit
6 bewachsener Bodenzone aufzufangen und zu versickern. Bei ge-
Das Beschreiben der Wasser- und Grundwasserverhältnisse ist auf ringdurchlässigem Bodenmaterial im Untergrund der Böschung
7 die Belange des Grundwasserschutzes und auf die Ausführbarkeit (Ton- oder fetter Lehmboden) kann das in der Böschung versi-
des Bauwerks auszurichten. ckerte Wasser direkt am Böschungsfuß wieder austreten (künstli-
Zum Schutz des Grundwassers und nahegelegener Wasserge- cher Quellhorizont). Über Ausmaß, mögliche Schadwirkung und
8 winnungsanlagen sind im Rahmen der Umweltverträglichkeits- evtl. nötige Ausgleichsmaßnahmen (Straßengraben, Rohrleitung)
prüfung die in den . Tab. 3.10, 3.11, 3.13 und 3.15 aufgelisteten ist gesondert zu befinden.
9 Positionen zu Hydrogeologie und Schutzgut Grundwasser zu be- Der Grundwasserflurabstand sollte beim mittleren Höchst-
achten. stand mindestens 1 m betragen. Je nach örtlichen Gegebenheiten
10 Beim Beschreiben der Grundwasserverhältnisse ist die Aus- können von Straßen abfließende unbelastete Wassermassen, gege-
bildung und Tiefenlage des Grundwasserspiegels zu benennen benenfalls nach Behandlung, über technische Anlagen (Versicke-
und gegebenenfalls zeichnerisch darzustellen (freier Grundwas- rungsschächte, Versickerungsstränge, Versickerungsbohrungen)
11 serspiegel, Druckspiegel, Flurabstandskarten, Grundwasserglei- versickert werden. Bezüglich der Zulässigkeit wird auf das DWA
chenkarten). Art, Aufbau, Ausdehnung und wasserwirtschaftli- Merkblatt 115, „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Re-
12 che Bedeutung des Grundwasserkörpers sind aufzuzeigen (Kluft-, genwasser“, hingewiesen.
Poren- oder Karstgrundwasser, Grundwasserstockwerke, Quellen Durch die Regenwasserversickerung wird in das natürliche
und Quellhorizonte, derzeitige und später mögliche Nutzung des Gleichgewicht eingegriffen, und es können sich Änderungen in der
13 Grundwassers). Für das Beurteilen möglicher Grundwasserschä- Grundwasserhöhe und Fließrichtung ergeben, deren Auswirkung
den durch den Bau und Betrieb einer geplanten Straße sind be- auf benachbarte Grundwassereinzugsgebiete zu überprüfen ist.
14 züglich der Infiltration von chemischen und biologischen Schad- Das Abschätzen der anfallenden Wassermassen und das Be-
stoffen die Ausbildung der Deckschichten, der Flurabstand und messen der Entwässerungsvorrichtung hat getrennt nach un-
15 die gesteinsbedingten Sickerwege (Klüfte, Karst, grobe Schotter terirdischem Ab- und Zufluss (Grund- und Quellwasser) und
und Kiese, Gesteinsdurchlässigkeiten, Filterwirkung) zu untersu- oberirdischem Ab- und Zufluss zu erfolgen. Der mögliche Grund-
chen. Die ausgewiesenen Grundwasserschutzgebiete können nicht wasserzufluss ergibt sich für den Baustellenbereich aus der Lage des
16 kritiklos übernommen werden, sondern sind im Hinblick auf die Grundwasserspiegels zur Baugrubensohle (Gefälle, hydraulischer
mit der Straßenplanung neu entstehende Situation zu überprüfen. Gradient), aus der Durchlässigkeit des Baugrundes (Kluftwas-
17 Das Ableiten des anfallenden Regenwassers aus den Entwäs- serströmung, Porenwasserströmung, Durchlässigkeitsbeiwert k,
serungseinrichtungen ist eine besondere Aufgabe der Planung. Es Transmissivität T), aus der Größe und dem Speichervermögen des
muss verhindert werden, dass bei Starkregen anfallende Wasser- Einzugsgebietes, aus der im Einzugsgebiet vorhandenen Grund-
18 massen Erosionsschäden verursachen. Das Wasser wird unterir- wassermenge und aus der Spende bei der Grundwasserneubildung
disch in Rohrleitungen oder oberirdisch in Mulden oder Gräben [l s−1 km−2]. Das Berechnen erfolgt nach den Arbeitsmethoden
19 einer Vorflut zugeführt. Vor dem Einleiten in ein Gewässer ist das der Hydrogeologie und nach den Berechnungsverfahren für „of-
Wasser ggf. zu behandeln. Bei Verkehrsflächen ist die mögliche fene Wasserhaltung“ bei direktem Zulauf in die Baugrube oder für
20 Verunreinigung abhängig von der Verkehrsbelastung. Oberflä- „geschlossene Wasserhaltung“ beim Absenken des Grundwasser-
chenwasser von Straßen mit weniger als 2000 KFZ/24 h kann allge- spiegels durch Bohrbrunnen.
mein ohne Behandlung in offene Gewässer eingeleitet oder sachge- Einen Sonderfall stellt Sickerwasser dar, welches nur für kurze
21 recht versickert werden (RAS-Ew, 7.1). Bäche und Gräben können Zeit dem Grundwasser angehört und aus kurzlaufenden Hang-
die bei Starkregen anfallenden Wassermengen nicht ohne Schaden quellen nach größeren Regenereignissen austritt. Hiervon sind
22 aufnehmen. Der Wasserlauf kann verwildern (▶ Abschn. 2.8) und vorwiegend Deckschichten betroffen, die bei Regen viel Wasser
wäre durch Maßnahmen zum Wildbachverbau (▶ Abschn. 14.1) aufnehmen und verzögert an den oberirdischen Abfluss zurückge-
zu sichern. Auch der Einbau von Regenrückhaltebecken in Ver- ben (Interflow). Während das Oberflächenwasser in Gräben gefasst
23 bindung mit Ölabscheidern ist ggf. möglich. und abgeleitet werden kann, fließt dieses Sickerwasser als Poren-
Die Möglichkeit des Einleitens von Wasser in den Untergrund grundwasserströmung in den Deckschichten den Baugruben und
muss besonders geprüft werden (vergl. ▶ Abschn. 6.7). Das Versi- Einschnittstrecken zu.
12.2 • Erkunden der Bodenverhältnisse für den Verkehrswegebau
471 12
.. Tab. 12.1 Spitzenabflussbeiwerte für eine Regenspende von etwa 100–130 l s−1 ha−1 bei einer Regendauer von 15 min (r15,1) in Abhängigkeit von
der mittleren Geländeneigung Jg sowie vom Anteil der befestigten Flächen. (Aus Floss 1979)
-- n = 1 = 1-mal pro Jahr: T = 1 Aus Kaczmarczyk (2010) sind nachstehende Angaben zum Spit-
-- --
1 n = 2 = 2-mal pro Jahr: T = 0,5 zenabfluss Ψs und zum Jahresabfluss Ψa entnommen:
n = 0,5 = 1-mal in 2 Jahren: T = 2 Hartdächer, geneigt: Ψs = 0,9 bis 1,0, Ψa = 0,8
2
-- n = 0,33 = 1-mal in 3 Jahren: T = 3
n = 0,2 = 1-mal in 5 Jahren: T = 5
--Hartdächer, flach: Ψs = 0,8, Ψa = 0,7
Flachdächer, bekiest: Ψs = 0,6, Ψa = 0,55
3 n = 0,1 = 1-mal in 10 Jahren: T = 10
--
Asphalt: Ψs = 0,9, Ψa = 0,8
Pflaster mit engen Fugen: Ψs = 0,8, Ψa = 0,7
4
Folgende Bemessungshäufigkeiten/Wiederkehrzeiten sind an-
-
zuwenden:
--
Pflaster mit weiten Fugen: Ψs = 0,6, Ψa = 0,6
Grasdächer (je nach Neigung): Ψs = 0,3 bis 0,5, Ψa = 0,2
5
Entwässern von Straßen über Mulden, Gräben, Rohrleitun-
--
gen n = 1 / T = 1
Mittelstreifenentwässerung n = 0,33 / T = 3 -
Kies- und Sandwege: Ψs = 0,2, Ψa = 0,4
Wiese, Garten (je nach Neigung): Ψs = 0 bis 0,3, Ψa = 0,3
6
7
--
Straßentiefpunkte n = 0,2 / T = 5
Versickermulden n = 1 / T = 1
Trogstrecken mit Straßentiefpunkt n = 0,1 bis 0,05 / T = 10
bis 20
. Tab. 12.1 gibt Spitzenabflussbeiwerte für das Regenereignis r15,1
an.
Die Abflussrate hA für den Bemessungsregen ergibt sich nach
der hydrologischen Grundgleichung zu Niederschlagshöhe hN,
abzüglich der Sickerverluste hS, der Verdunstungsverluste hV und
Zum Wasserabfluss auf Straßen geben die RAS-Ew Richt- der Benetzungsverluste hB.
8 werte zum Spitzenabflussbeiwert Ψs. Der Abflussbeiwert Ψ
gibt den prozentualen Anteil des oberirdisch abfließenden HA = hN − hS − hV − hB
9 Niederschlagwassers, bezogen auf das einzelne Regenereig-
nis, an. Beim Zeitbeiwertverfahren zum Berechnen der pro Von diesem für den Abfluss im Vorfluter (Fluss, Bach, Graben,
10 Zeiteinheit anfallenden maximalen Wassermengen wird da- Kanal) verbleibenden Anteil der Niederschlagshöhe hA ist wei-
von ausgegangen, dass der größte Abfluss (Spitzenabfluss) terhin die als Muldenfüllung im Gelände verbleibende Wasser-
dann auftritt und beginnt, wenn die Dauer des Bemessungsre- menge abzuziehen.
11 gens gleich der Fließzeit ist. Bei anhaltendem Niederschlag in Für das Berechnen des Regenwasserabflusses geben die RAS-
gleicher Niederschlagsintensität (Blockregen) verändert sich Ew Berechnungsbeispiele.
12 die aus einem bestimmten Straßenabschnitt pro Zeiteinheit Die hydrogeologische Beschreibung dient der Beurteilung
der Vorflut zulaufende Wassermenge nicht mehr. Für einen erdstatischer Fragen und der Vorhersage möglicher Erschwer-
solchen Spitzenabfluss ist der von Oberflächenbeschaffen- nisse beim Bau der Straße. Hierfür sind die Lage des Grund-
13 heit, Gefälle und Wasserhöhe abhängige Spitzenabflussbei- wasserspiegels und dessen Schwankungen, besonders bei flach
wert Ψs definiert. liegendem Grundwasser, zu beachten. Quellaustritte und Sicker-
14 Maximale Abflussspende
wasserströmungen sind aufzuzeigen, und es sind Angaben zur
Spitzenabflussbeiwert s = Entwässerung aufzuführen.
zugehörige Regenmenge
15 Das Grundwasser ist in Bezug auf seine chemische Ag-
q Œl s−1 ha−1 gressivität gegen die verwendeten Baustoffe zu untersuchen
=
(DIN 4030-1, -2).
16
r Œl s−1 ha−1
17
--
Als Richtwerte für den Spitzenabfluss benennen die RAS-Ew
Fahrbahnen Ψs = 0,9 12.2.5 Geotechnisches Beschreiben
- sonstige befestigte horizontale Flächen Ψs = 0,6 bis 0,9 der einzelnen Bodenschichten
unbewachsene Felsböschungen aus gering
18 geklüftetem Festgestein Ψs = 0,8 Die aus Schürfgruben oder Bohrungen entnommenen Boden-
20 --
nommen:
sehr dichte Bebauung Ψ = 0,7 bis 0,9
--Dichte des feuchten Bodens bzw. Gesteins ρ [t m−3];
Wassergehalt w [%];
--
geschlossene Bebauung Ψ = 0,5 bis 0,7
offene Bebauung Ψ = 0,3 bis 0,5
--
Dichte des trockenen Bodens bzw. Gesteins ρd [t m−3];
Korndichte ρs [t m−3];
-- -
21 gartenreiche Bebauung Ψ = 0,2 bis 0,3 Porenvolumen n [%];
nicht bebautes Gelände, Sportplätze Ψ = 0,1 bis 0,2 Glühverlust bzw. Gehalt an organischer Substanz Vgl [%].
22 Parkanlagen Ψ = 0,0 bis 0,1
23
Bei geneigtem Gelände für Garten und Park erhöhen sich
diese Werte.
--
An Bodenproben werden weiterhin bestimmt:
Steifemodul Es [MN m−2];
-
Zeit-Setzungsverhalten;
Winkel der inneren Reibung φ [°];
12.3 • Erdarbeiten im Verkehrswegebau
473 12
- --
beschreiben. Dies betrifft:
Festigkeitseigenschaften:
Druckfestigkeit qu [kN m−2];
In der geologischen Schichtbeschreibung sind für die ein-
zelnen Torflagen Torfart, Mächtigkeit, Tiefenlage unter Flur,
Wassergehalt, Zersetzungsgrad, Farbe und Geruch anzugeben.
--
Zugfestigkeit qz [kN m−2]; Hervorzuheben sind Einschlüsse wie Baumstubben, Stämme,
Scherfestigkeit τ [kN m−2]; Muschel- und Schneckenschalen sowie das Auftreten von Rasen-
- ---
geotechnische Kohäsion c [kN m−2]; eisenstein. Unter den zwischengeschalteten Sedimentlagen sind
Reibungswinkel auf den Trennflächen [°]. die organischen Sedimente (Sapropel, Gyttja, Dy, Faulschlamm,
Verformungseigenschaften: Mudde) besonders auf Farbe und Oxidationsgrad sowie auf die
Elastizitätsmodul E [MN m−2]; Elastizität der Muddelagen zu untersuchen. Diese Elastizität ist
--
Verformungsmodul Ev [MN m−2]; ähnlich der einer Gelatine und geht mit steigendem Anteil an
Schubmodul G [MN m−2]; mineralischer Substanz verloren.
--
Querdehnungszahl m; Die Baugrundkartierung muss die Tiefenlage des tragfähigen
Volumenänderung bei Quellen Vb [%]; Untergrundes längs der Trasse in Plänen und Schichtlinienkarten
-
Quelldruck [kN m−2]; aufzeigen.
Änderungen von Reibung, Kohäsion, Dichte und Was- Das Bestimmen des Zersetzungsgrades von Torfen ist für das
sergehalt bei veränderlich festen Gesteinen. Planen der Bauausführung, z. B. eines Bodenaustausches (Baggern
oder Sprengen), wichtig. Dabei kann allerdings der Zersetzungs-
Das im Rahmen der geologischen Untersuchung aufgenommene grad auf kürzester Entfernung innerhalb einer Schicht wechseln.
Trennflächensystem ist in Bezug auf die Standsicherheit des Bau-
werkes geotechnisch auszuwerten. Für jede Gesteinsschicht sind
die Boden- bzw. Gesteinsart und die Boden-, Gesteins- oder Fels- 12.3 Erdarbeiten im Verkehrswegebau
kenngrößen zu bestimmen. Soweit die geotechnische Beschrei-
bung nicht zusammen mit der geologischen Beschreibung erstellt Erdarbeiten dienen dem Herstellen oder Unterhalten von Erd-
wird, sind Längs- und Querschnitte anzufertigen und hierin der bauwerken. Erdbauwerke sind die Anlagen von Straßenkörpern,
Schichtenverlauf und die Schichtverbreitung sowie die Untersu- Bahnkörpern, Böschungen, Anrampungen, Bauwerkshinterfül-
chungsstellen (Schürfe, Bohrungen) und Entnahmestellen für lungen, Stau- und Sicherungsbauwerken im Wasserbau sowie
Bodenproben zu verzeichnen. Sämtliche Bodenkenngrößen, die Sanierungsarbeiten beim Versagen von Erdbauwerken und
im Zuge der Bodenerkundung für das Projekt ermittelt worden Hängen. Für den Straßenbau sind in den „Zusätzlichen Techni-
sind, sind in Form von Tabellen oder grafischen Darstellungen schen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im
dem Untersuchungsbericht beizugeben. Straßenbau“ (ZTVE-StB 2009) allgemeine technische Vertrags-
bedingungen aufgestellt worden. Dieses Regelwerk ist auch bei
der Deutschen Bahn eingeführt und wird auch außerhalb des
12.2.6 Baugrunduntersuchung Verkehrswegebaus als Vertragsgrundlage angewendet.
für Verkehrswegebau in Moorgebieten Die ZTVE-StB enthalten Regeln für das Lösen, Laden, Fördern,
Einbauen und Verdichten von Boden- und Felsmaterial sowie von
Die Ausbreitung von Moorgebieten kann topographischen und sonstigen erdbautechnisch geeigneten Stoffen. Sie regeln die Aus-
thematischen Kartenunterlagen sowie aus Luftbildern entnom- führung und die Qualitätsanforderungen für den Untergrund und
men werden. Für die Bodenuntersuchung werden Bohrungen, Unterbau von Verkehrsflächen sowie für sonstige Erdbauwerke.
Schürfgruben, Sondierbohrungen und Rammsondierungen be- Baustoffe sind Boden, Felsmaterial, Recyclingbaustoffe, in-
nötigt. Beim Einnivellieren der Bohrpunkte ist darauf zu achten, dustrielle Nebenprodukte, Leichtbaustoffe, Geokunststoffe, Bin-
dass die Höhenmessungen an Fixpunkte außerhalb des Moores demittel, einzubauende Zugelemente (Anker, Nägel, Stahlbän-
oder an im mineralischen Untergrund verankerte Messbolzen der) und Stoffe zum Entwässern und Abdichten.
anzuschließen sind. Baustoffe und Erdbauwerke sind zu prüfen. Die ZTVE-StB
Die Grundwasserverhältnisse müssen vor Beginn der Pla- unterscheiden zwischen Eignungsprüfungen, Eigenüberwa-
nung genau erfasst werden. Hierbei ist ein Grundwasserglei- chungsprüfungen und Kontrollprüfungen (▶ Abschn. 8.44, 8.45
chenplan mit Angabe der Fließrichtung des Wassers zu erstel- und 8.5) und geben Festlegungen zur Abnahme, Gewährleistung
len. Im Rahmen der hydrogeologischen Untersuchung sind die und Abrechnung von Erdbauarbeiten.
474 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
1
2 EV2 ≥ 120 MNm–2 EV2 ≥ 100 MNm–2 EV2 ≥ 45 MNm–2
4
5
6 .. Abb. 12.4 Querschnitt durch einen Straßendamm mit Verdichtungsanforderungen DPr [%] der in Abhängigkeit von der eingebauten oder im Einschnitt
anstehenden Bodengruppe (nach ZTV E-StB 09, Abschn. 4.3.2 mit Tabelle 2 und Abschnitt 4.5)
7
Boden und Fels sind als Baugrund und/oder Baustoff zu un- 12.3.2 Einbauen und Verdichten
tersuchen. Art und Umfang der Untersuchung richten sich nach von Schüttmaterial
8 dem Stand der Planung, Bauvorbereitung und Bauausführung
sowie nach der „Geotechnischen Kategorie“ (DIN 4020-1, -2). Nach ZTVE-StB kann für das Verdichten jedes Verfahren an-
9
-
Die Untersuchungen umfassen:
Sichten und Bewerten vorhandener Unterlagen, Ortsbege-
gewendet werden, mit dem die Anforderungen für den Unter-
bau erreicht werden können. Schädliche Auswirkungen auf das
10
-- hung;
direktes Untersuchen des Baugrundes (▶ Abschn. 1.5);
Umfeld sind zu vermeiden! Das vom Gerät abhängige Verdich-
tungsverfahren richtet sich mit Arbeitsgeschwindigkeit, Anzahl
11
- indirektes Untersuchen des Baugrundes (▶ Abschn. 1.8);
Pegelbeobachtungen und Porenwasserdruckmessungen
der Übergänge und zulässiger Schütthöhe nach Bodenart und
erforderlicher Verdichtung. Felsblöcke und Geröll dürfen nur
12
13
- (▶ Abschn. 1.10.5);
Bestimmen von Kenngrößen für Boden und/oder Fels im
Labor oder im Gelände (▶ Abschn. 1.15 bis 1.20).
im unteren Teil von Dämmen bis 1 m unter Planum einge-
baut werden. Grobkörnige und gut verdichtbare Böden sind
vorzugsweise im oberen Teil der Dämme zu verwenden. Als
Trennlage unter einer Schüttung können Geotextilien verlegt
Boden und Fels sind zu beschreiben und durch Zuordnen zu werden. Der Boden ist in durchgehenden Lagen einzubauen
Bodengruppen nach DIN 18196 (▶ Abschn. 4.1.1), Boden- und und zu verdichten.
14 Felsklassen nach DIN 18300 (▶ Abschn. 4.1.2) sowie Frostemp- Die Standfestigkeit steiler Böschungen kann durch den
findlichkeitsklassen nach ZTVE-StB (▶ Abschn. 4.3) zu bewerten. Einbau von Bewehrungsbändern aus Stahl oder Kunststoff
15 sichergestellt werden. Die steile Böschungsfläche muss gegen
Erosion und Ausfließen des Bodens geschützt werden, z. B.
12.3.1 Abtrag von Boden und Fels durch qualifizierte Bodenverbesserung in Verbindung mit Be-
16 beim Verkehrswegebau grünungsmatten und ingenieurbiologischen Maßnahmen des
Lebendverbaus.
17 Für das Lösen und Laden von Boden und Fels gelten die Re- Soll Boden im Spülverfahren (▶ Abschn. 14.3.1) eingebaut
geln von DIN 18300 und ZTVE-StB (▶ Abschn. 4.1.1, 5.2 und 5.3). werden, ist hierfür ein Eignungsnachweis zu erbringen. Bei im
Muss unter dem vorgesehenen Planum Boden oder Fels ausgeho- Spülverfahren eingebauten Böden ist der obere Dammbereich
18 ben werden, ist in die Vertiefungen geeigneter Boden lagenweise bis 1 m unter Planum mit geeignetem Verdichtungsgerät zu ver-
einzubauen und zu verdichten. Das Lösen darf im Planum und in dichten.
19 der Böschung keine Auflockerung verursachen. Erfordert das Her- Für Schüttungen unter Wasser ist beständiges Material zu
stellen von Felsböschungen besondere Arbeitsverfahren, sind diese verwenden. Das Verdichten ist von oberhalb der Wasserlinie
20 in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Dies betrifft Felslösen aus durchzuführen. Für Tiefenverdichten eignet sich das Rüttel-
durch Reißen und Felslösen durch Sprengen (▶ Abschn. 5.3). Für stopfverfahren. Werden andere Verfahren angewendet, so soll die
das Sprengen sind Sprengpläne mit Anordnung der Bohrlöcher, Verdichtungswirkung bis mindestens 1,0 m unter die vorhandene
21 Art der Spreng- und Zündmittel, Lademenge und Anordnung des Wasserlinie wirken.
Sprengmittels im Bohrloch und Zündfolgeerforderlich. Soll Fels-
22 material für den Wiedereinbau als kleinstückiges Haufwerk gewon-
nen werden, sind hierfür entsprechende Sprengpläne vorzulegen.
23
12.5 • Anforderungen an Baustoffe und deren Verdichtung bei Tragschichten
475 12
.. Abb. 12.5 Beispiel für die Mindestanforderung an die Verdichtung von Dämmen für die Deutsche Bahn. Das Bild gilt für Dammschüttungen aus grobkör-
nigen Bodenarten für den Neubau durchgehender Hauptgleise (Bild A 1.1, Ril 836, Modul 836.0501, Anhang 1). Die Abbildung zeigt eine von 28 Varianten mit
voneinander abweichenden Konstruktionsvorgaben und Verdichtungsanforderungen
12.4 Mindestanforderungen an Planum Planum über der eingebauten Lage einander näherungsweise
und Untergrund bzw. Unterbau zugeordnet werden.
Bei Kies der Bodengruppen GI und GW entspricht Ev2 ≥ 120
12.4.1 Verdichtungsanforderungen (≥ 100; ≥ 80) MN m−2 annähernd dem Verdichtungsgrad
bei Erdbauwerken im Straßenbau DPr ≥ 103 (≥ 100; ≥ 98) % und bei Sand und Kies der Boden-
gruppen SE, SI, SW und GE Ev2 ≥ 80 (≥ 70) MNm−2 dem Ver-
Anstehender Boden kann in besonderen Fällen den natürlichen dichtungsgrad DPr ≥ 100 (≥ 98) %.
Baugrund für den Oberbau der Straße darstellen. Dies ist häu- Dem Verhältnis Ev2/Ev1 ≤ 2,3 (≤ 2,5; ≤ 2,6) kann bei den Bo-
fig in Einschnitten in Tunnels, aber auch bei geländegleicher dengruppen GW, GI, GE, SW, SI und SE grob der Verdichtungs-
Lage der Straße der Fall. Meist wird der Oberbau von Straßen grad DPr = 100 % (98 %; 97 %) zugeordnet werden.
jedoch auf einem Unterbau, z. B. auf einer künstlich hergestell-
ten Dammschüttung, aufgebaut. Das unter dem Planum be-
findliche Bodenmaterial muss nach ZTVE-StB als Untergrund 12.4.2 Verdichtungsanforderungen
bis 0,5 m unter Planum, als Unterbau bis zur Dammsohle be- bei Erdbauwerken der Deutschen Bahn
stimmten Anforderungen für den Verdichtungsgrad entsprechen
(. Abb. 12.4). Die Verdichtungsanforderungen bei Erdbauwerken der Deut-
Demnach sind grobkörnige Böden (GW, GI, GE, SW, SI, SE) schen Bahn sind in Richtlinie Ril 836 der DB Netz AG, Modul
in Dämmen bis 1 m unter Planum auf 100 %, tiefer auf 98 % DPr 836.0501 geregelt. Die Anforderung an die Verdichtung unter-
zu verdichten. scheidet zwischen Neubau und Ertüchtigung bzw. Instandhal-
Gemischtkörnige Böden der Bodengruppen GU, GT, SU und tung und richtet sich nach Streckenkategorie und Oberbauart
ST sind bis 1 m unter Planum auf 100 %, tiefer auf 98 % DPr zu (Schotteroberbau oder feste Fahrbahn). Anhang 1 zu diesem
verdichten. Modul enthält 16 Querschnittabbildungen (Regelausbildungen)
Gemischtkörnige Böden der Bodengruppen GU , GT , SU , des Unterbaus unter Gleisen auf Dämmen und in Einschnitten,
ST, U, T, OU und OT sind bis zur Dammsohle auf 97 %, DPr zu jeweils für Schotteroberbau und feste Fahrbahn. . Abb. 12.5 gibt
verdichten. hierzu das Beispiel für die Mindestanforderungen an die Ver-
Die im Untergrund anstehenden oder eingebauten Böden dichtung von Dämmen aus grobkörnigen Bodenarten für den
sind im Rahmen von Eigenüberwachung und Kontrollprüfung Neubau durchgehender Hauptgleise der Streckenkategorie P 300
zu prüfen (▶ Abschn. 8.3). Endet die Bauleistung mit der Her- mit Schotteroberbau.
stellung des Planums, müssen Verformungsmoduln (Lastplat-
tendruckversuch) zur Abnahme nachgewiesen werden. Nach
RStO 12 sind für OK Planum gefordert: 12.5 Anforderungen an Baustoffe und deren
Ev2 ≥ 45 MNm−2 auf nicht frostsicherem Boden (F2- und F3- Verdichtung bei Tragschichten
Boden), bzw. Ev2 ≥ 120 MNm−2 für die Belastungsklassen BK 1
bis BK 100, oder Ev2 ≥ 100 MNm−2 für die Belastungsklasse Die Anforderungen an Baustoffe, deren Einbau und Verdichtung
BK 0,3, wenn auf den Einbau einer Frostschutzschicht verzichtet sowie an Prüfungen und Prüfverfahren sind in den „Zusätzlichen
werden soll. Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau
Bei grobkörnigen Böden können Verdichtungsgrad DPr in von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt“ (ZTV Asphalt-
der eingebauten Lage und der Verformungsmodul Ev2 auf dem StB), den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und
476 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Richtlinien für den Bau von Tragschichten mit hydraulischen
Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton“ (ZTV Beton-StB), - künstliche Gesteinskörnungen aus gebrochenen indus-
triellen Nebenerzeugnissen (z. B. Schlacken, Hüttensand,
12
13
den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtli-
nien für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau“
(ZTV-SoB-StB) sowie in den „Technischen Lieferbedingungen für
Gesteinskörnungen“ (TL Gestein-StB), den „Technischen Liefer-
- Gießereirestsand) und
Gesteinskörnungen aus recyceltem Material (Beton, Bau-
steine, Asphaltaufbruch).
bedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung Eine Mischung aus natürlichen und gebrochenen Gesteinskör-
von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau“ (TL SoB-StB), nungen ist möglich.
14 den „Technischen Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Die Korngrößenverteilung der jeweiligen Lieferkörnungen
Bau von Verkehrsflächenbefestigungen“ (TL Asphalt-StB) und den muss innerhalb bestimmter Sieblinienbereiche liegen.
15 „Technischen Lieferbedingungen für Baustoffe und Baustoffgemi- Die Einbaudicke im verdichteten Zustand richtet sich nach
sche für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahr- der gröbsten Kornklasse (bis 32 mm: 12 cm, bis 45 mm: 15 cm,
bahndecken aus Beton“ (TL Beton-StB) geregelt. Für die Deutsche bis 56 mm: 18 cm). Der geforderte Verdichtungsgrad beträgt
16 Bahn sind die Anforderungen an solche Baustoffe in den „Techni- DPr = 103 %. Das Verhältnis Ev2/Ev1 soll nicht größer als 2,2
schen Lieferbedingungen: Korngemische für Tragschichten“ (DB sein.
17 AG-TL 918062; 1997) geregelt (Göbel 2004, Fischer 2013). In Abhängigkeit von der Schichtdicke muss auf der Trag-
Bei Tragschichten ohne Bindemittel sowie bei einem Teil der schicht ein Mindestwert für den Verformungsmodul Ev2 erreicht
Tragschichten mit hydraulischem Bindemittel werden diese Prü- werden. Dieser beträgt bei Kiestragschichten mit 20 cm Ein-
18 fungen vom Geotechniker durchgeführt. baustärke 150 MN m−2, mit 25 cm Einbaustärke 180 MN m−2
und bei Schottertragschichten mit 15 cm Einbaustärke
19 150 MN m−2 und mit 20 cm Einbaustärke 180 MN m−2.
12.5.1 Anforderungen an Tragschichten Bei Eignungsprüfungen von Mineralstoffgemischen, z. B.
20 im Straßenbau für den Einbau als Tragschicht, kann es vorteilhaft sein, diese
im CBR-Versuch zu testen. . Abb. 12.6 zeigt die Beziehungen
zwischen CBR-Wert und Verformungsmodul Ev2.
-
zz Tragschicht ohne Bindemittel
21 Als Baustoffe werden verwendet:
natürliche Gesteinskörnungen (Sand und Kiese: GE, GI, zz Frostschutzschicht
22 GW, SE, SI, SW) als Sand-Kies-Gemische und gebrochene Die Einbaudicke im verdichteten Zustand richtet sich nach der
Gesteinskörnungen aus Hartstein (Brechsand, Splitt, Schot- gröbsten Kornklasse (bis 32 mm: 12 cm, bis 45 mm: 15 cm, bis
ter mit Lieferkörnung 0/5, 0/32, 0/45, 0/56) als Sand-Splitt- 56 mm: 18 cm, bis 63 mm: 20 cm). Die Verdichtungsanforderung
23 Gemische oder Sand-Splitt-Schotter-Gemische, liegt für die oberen 20 cm bei DPr 103 %, tiefer bei 100 %.
12.6 • Bauverfahren auf wenig tragfähigem Untergrund
477 12
Wird der Plattendruckversuch zum Prüfen des Verdichtungs- zz Einbau von Geotextilien
zustandes eingesetzt, so soll das Verhältnis Ev2/Ev1 nicht größer Geotextilien (▶ Abschn. 8.6.1) können als Trennschicht zwischen
als 2,2 sein. Schüttung und wenig tragfähigem Untergrund eingebaut werden.
Dabei eignen sich Vliesstoffe als Filter mit tragfähigkeitserhalten-
der Wirkung. Gewebe eignen sich zur Aufnahme von Zugkräften
12.6 Bauverfahren auf wenig tragfähigem und dienen als Bewehrung. Wo beide Eigenschaften gefordert
Untergrund sind, können Verbundstoffe eingebaut werden (. Abb. 8.22
und 8.23).
Der Bau von Verkehrswegen auf weichem Untergrund und
besonders in Moorgebieten verlangt besondere Bauweisen. Zu zz Dammbau mit EPS-Hartschaum
beachten sind das „Merkblatt über Straßenbau auf wenig tragfä- Für den Bau von Dämmen über weichem Untergrund, für das
higem Untergrund“ (2010), das „Merkblatt über die Verwendung Verbreitern bestehender Dämme und für den Bau von Brücken-
von EPS-Hartschaumstoffen als Leichtbaustoff im Erdbau des rampen hat sich der Einbau dicker Schichten aus EPS-Hart-
Straßenbaus“ (2012) und Pos. 13 der „Zusätzlichen Technischen schaumstoff bewährt. Schaumstoffblöcke mit einer Rohdichte
Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Stra- zwischen 15 und 30 kg m−3 werden in Lagen mit versetzten Fu-
ßenbau“ (ZTVE-StB 2009). gen auf einer Ausgleichsschicht über dem Untergrund verlegt,
Unterschieden werden Bauverfahren mit teilweisem oder mit Krallenplättchen gesichert und bis zur erforderlichen Höhe
vollständigem Bodenaustausch (▶ Abschn. 8.2.4) und solche aufgestapelt. Zwischen der oberen Schaumstofflage und dem Pla-
ohne Bodenaustausch. Bei den Bauverfahren ohne Bodenaus- num für den Straßenoberbau kann eine bewehrte Betonplatte
tausch kann der Straßenunterbau entweder auf einen durch Ent- (12 cm dick) und darauf eine Ausgleichsschicht aus Sand oder
wässern (▶ Abschn. 8.2.1) oder durch tiefgründiges Verdichten aus anderem Dammbaustoff aufgebracht werden.
(▶ Abschn. 8.2.2) verbesserten Untergrund oder durch Bauver- Die Druckbelastung unter derartigen Dammkonstruktio-
fahren mit Maßnahmen auf wenig tragfähigem Untergrund auf- nen kann auf 50 kN m−2 und weniger reduziert werden. Durch
gebaut werden. Bauverfahren mit Maßnahmen auf wenig tragfä- teilweisen Abbau von weichem (Moor-)Boden und Austausch
higem Untergrund können der Einbau von Astlagen, Faschinen, von Moorboden gegen Schaumstoff können zusätzlich Auftriebs-
Knüppellagen, Bewehrungsmatten (Stahleinlagen), Geotexti- kräfte mobilisiert werden, wodurch sich die Belastung des Unter-
lien, Kunststoffgittern oder EPS-Hartschaumstoffen sein. An- grundes verringert. Zu beachten ist das „Merkblatt für/über die
dere Verfahren arbeiten mit leichtem Dammschüttmaterial, mit Verwendung von EPS-Hartschaumstoffen als Leichtbaustoff im
kontrolliertem langsamem Schütten oder mit Überhöhen des Erdbau des Straßenbaus“ (2012).
Dammes und dem Aufbringen einer vorübergehenden Auflast
(▶ Abschn. 8.2, . Abb. 8.4 und 8.5). zz Verwenden von leichtem Dammschüttmaterial
Die gewählten Bauverfahren ohne Bodenaustausch und ohne Mit der Wahl eines leichten Dammschüttmaterials kann die
tiefgründige Bodenverbesserung müssen eine gleichmäßige Auflast gering gehalten werden, und es können somit Setzun-
Druckverteilung auf den Untergrund gewährleisten. Die ver- gen vermieden werden. Dies ist bei teilweisem Bodenaustausch
wendeten Baustoffe sollen eine hohe Schub- und Biegefestigkeit erfolgversprechend. Leichte Baumateriale sind Blähschiefer,
sowie ein geringes Eigengewicht besitzen und gegen Wasser und Blähton Leichtschlacken, Verbrennungsrückstände, vulkanische
Witterung stabil sein. Die aus der Lasteinwirkung resultierenden Schlacken, Bimsstein, Flugasche, Schaumpolystyrol, Leichtbeton,
Setzungen und Verformungen sollen entweder gering gehalten Torf, Baumrinde und Sägespäne.
oder durch Überhöhung vorweggenommen werden.
zz Kontrolliertes langsames Schütten
zz Einbau von Knüppellagen, Astlagen und Faschinen Bei kontrolliertem langsamen Schütten werden die Setzungen
Knüppellagen, Astlagen und Lagen aus geflochtenen Weidenru- und das Abklingen des Porenwasserüberdruckes abgewartet. Je-
ten (Faschinen) stellen die älteste Baumethode dar, um Verkehrs- weils nach dem Schütten einer etwa 50 cm dicken Lage wird eine
lasten auf Mooroberflächen zu verteilen. Das Holz muss unter längere Pause eingelegt. Die Kontrolle erfolgt über ein Nivelle-
Grundwasser liegen, um Fäulnis und Zerfall zu vermeiden. Auf ment und über Messungen des Porenwasserdruckes.
der Knüppel-, Ast- oder Faschinenlage kann eine Tragschicht aus
Sand, Kies, Schotter oder Schlacke aufgebaut werden. zz Pfahlkonstruktionen und Brücken
Setzungsfreie Lösungen für den Straßenbau in Moorgebieten las-
zz Einbau von Bewehrungsmatten sen sich durch Tiefgründungen im tragfähigen Untergrund er-
Zur Sicherheit gegen Grund- und Geländebruch können in reichen. Moorbrücken auf Pfählen haben sich bei großen Moor-
Schüttungen aus Sand, Kies, Schotter oder Schlacke über wei- tiefen (über 15 m) bewährt und sind dann kostengünstiger als
chem Untergrund Bewehrungsmatten eingebaut werden. Die Bodenaustausch. Moorbrücken überspannen das Moor in einer
Bewehrungsmatten können aus Stahl (Stahlgewebematten, Höhe von etwa 1 m über Gelände.
Drahtgeflecht, Stahlbänder) oder aus Kunststoff (Kunststoffgitter, Bei einer anderen Konstruktion wird der Damm auf Platten
Geogitter; ▶ Abschn. 8.6.2) bestehen. (Pfahlkopfplatten) geschüttet, die über Pfähle spannen.
478 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
11
-
sen und sich bewegen:
bei Beginn der Hinterfüllarbeiten neigt sich die Wand
Bei Straßen in Betonbauweise kann ungleichmäßiges Heben auch
zum einseitigen Anheben der Platten und zum Ausbilden von
12
- gegen den zu hinterfüllenden Raum;
mit fortschreitender Hinterfüllung steigt der Erddruck an
Stufen führen. Stufen können auch bei Großpflaster und Wege-
platten auftreten.
14
Stützwand auf den Damm zu oder von diesem weg bewegen.
Bei Betonstraßen bewegen sich bei nachgebendem Unter- Frostschäden an Straßen“ (Forschungsgesellschaft für Straßen-
grund die einzelnen Platten und drücken breiigen Boden zwi- und Verkehrswesen 2013) beurteilt die Abhängigkeit der Frostge-
schen den Fugen nach oben. Nach mehrfachem Verkippen kön- fährdung am Verlauf einer Temperatursummenkurve nach Kübler.
nen Betonplatten brechen.
Bei Pflasterstraßen entstehen in der Reifenspur tiefe Rinnen zz Wärmeleitfähigkeit des Bodens bzw. Baustoffes
und dazwischen hohe Aufwölbungen. Dies kann bis zum Auf- Unter geräumten Straßen mit ungünstigen Wärmeleitfähigkei-
brechen der Pflasterdecke führen. ten in der Frostschutzschicht (Beton, Kies, Schotter) werden
in Deutschland große Eindringtiefen gemessen (40 cm in mil-
den, 50–80 cm in normalen, 120–145 cm in strengen Wintern).
12.7.2 Voraussetzungen für Frostschäden Durch den Einbau von Wärmedämmschichten kann die Frost
eindringtiefe verringert werden. Für das Planen können Frost
Das Auftreten von Frostschäden ist an folgende Voraussetzungen eindringtiefen entweder als Erfahrungswerte übernommen, mit
-
gebunden:
Frost, der in den Boden eindringt (Gefrierzone, Frostein-
Sondierungen direkt bestimmt oder über Kennwerte berechnet
werden. In das Berechnen gehen Kältesumme, Wärmekapazi-
- dringtiefe);
frostempfindliches Bodenmaterial im Unterbau oder Unter-
tät des Bodens, Wärmeleitfähigkeit der verwendeten Baustoffe,
Porosität, Wassergehalt, Durchlässigkeitsbeiwert und Dichte des
--
nahmen hängt von folgenden Kriterien ab:
regionale Klimaverhältnisse;
empfindliche Böden (Frostempfindlichkeitsklasse F1) erfordern
keine Frostschutzmaßnahmen. Bei frostempfindlichen Böden ist
--örtliche Klimaverhältnisse;
Verkehrsbelastung;
ein frostsicherer Straßenaufbau vorzusehen.
--
Frosteindringtiefe;
Frostempfindlichkeit von Baugrund und Baustoff;
Wasserverhältnisse im Boden.
zz Wasserverhältnisse im Boden
Frost bezeichnet das Gefrieren von Wasser. Frosteinwirkungen
im Baugrund sind an die Gegenwart von Wasser gebunden. Ent-
wässern und Schutz gegen Eindringen von Wasser tragen zum
zz Regionale Klimaverhältnisse Vermeiden von Frostschäden bei.
Unterschiedliche Klimaverhältnisse führen in Deutschland zu
unterschiedlich starken Frosteinwirkungen. Maßgebend sind die
Temperaturen bei Hochdruckwetterlagen im Winter. 12.7.3 Maßnahmen gegen Frostschäden
Nach den „Richtlinien für die Standardisierung des Ober-
baus von Verkehrsflächen“ (RStO 2012, Forschungsgesellschaft Der Verkehrswegebau kennt folgende Möglichkeiten, Frostschä-
für Straßen- und Verkehrswesen) werden in Deutschland drei
Frosteinwirkungszonen unterschieden (RStO 12, Bild 6, Frostein-
wirkungszonen). Diese Karte kann im Internet unter www.bast.
de oder www.fgsv-verlag.de abgerufen werden.
--
den zu vermeiden:
Einbau von Frostschutzschichten;
Behandeln frostempfindlicher Böden durch Zugabe von
Bindemitteln (Kalk, Zement) wodurch sich die Frostemp-
Die Frosteinwirkung hängt weiterhin von den kleinklimati-
schen Gegebenheiten ab.
- findlichkeit verringert;
Verhindern von Wasserzuläufen durch Anlage von Dräna-
--
zz Frosteindringtiefe
Die Frosteindringtiefe hängt vom Temperaturverlauf während Verstärken der frostsicheren Tragschicht;
der Frostperiode, von der Wärmeleitfähigkeit des Bodens bzw. Verkehrsbeschränkung, Fahrverbot in der Tauperiode
Baustoffes sowie von der Überdeckung des Bodens durch Be- Verhindern von Wasserzuläufen durch Abdichten von
wuchs, Schnee oder künstliche Abdeckung ab. Fahrbahn und Randbereichen.
zz Temperaturverlauf während der Frostperiode Die hierfür erforderlichen baulichen Maßnahmen oberhalb des
Als langfristiger Vergleich bietet sich die Kältesumme oder Frost- Planums sind Teile des frostsicheren Oberbaus.
menge an, welche als Summe der gemittelten Tagestemperaturen Gewöhnlich wird über dem frostempfindlichen Untergrund
unter 0 °C ermittelt wird. Danach werden in Deutschland strenge bzw. Unterbau eine Schicht aus ungebundenem Kies, Schotter
Winter mit über 300 Gradtagen von normalen Wintern mit 150– oder Recyclingmaterial als Frostschutzschicht eingebaut. Diese
300 Gradtagen und milden Wintern mit weniger als 150 Gradt- Lage wirkt als Flächendränschicht und bei aufsteigender Boden-
agen unterschieden. Das „Merkblatt über die Verhütung von feuchte auch als kapillarbrechende Kiesschicht. Sie schützt den
480 Kapitel 12 • Bau von Verkehrswegen
Oberbau vor Frosteinwirkungen und übernimmt eine lastvertei- Gesammelte Erfahrungen haben ergeben, dass ein Ersatz von
1 lende tragende Funktion. frostempfindlichem Boden nicht bis zur vollen Frosteindringtiefe
Die Stärke der einzubauenden Frostschutzschichten ist in erforderlich ist. Bei frostsicherem Aufbau in vorgeschriebener
2 RStO geregelt. Der Ausgangswert für das Bestimmen der Min- Stärke nach RStO treten im Allgemeinen keine Frostschäden auf.
destdicke des frostsicheren Oberbaus richtet sich nach der Frost-
empfindlichkeitsklasse von Untergrund bzw. Unterbau sowie
3 nach der Belastungsklasse der Straße.
Bei einem als gering bis mittel frostempfindlich eingestuften
4 Boden der Frostempfindlichkeitsklasse F2 variiert die Mindest-
dicke des frostsicheren Straßenaufbaus zwischen 40 und 55 cm.
5 Bei einem als sehr frostempfindlich eingestuften Boden der
Frostempfindlichkeitsklasse F3 variiert die Mindestdicke des
frostsicheren Straßenaufbaus zwischen 50 und 65 cm.
6 Diese Mindestdicken müssen den regionalen und örtlichen
Gegebenheiten angepasst werden, woraus sich eine Verstärkung
7 oder Minderung für die notwendige Dicke des frostsicheren
Oberbaus ergeben kann.
Das Anpassen an die örtlichen Gegebenheiten ist in den
8 RStO, Tab. 7 geregelt.
9
-- Mehr- oder Minderdicken ergeben sich aus:
Frosteinwirkungszone,
Entwässerung der Fahrbahn und Ausbildung der Randbe-
10
-- reiche,
Wasserverhältnisse im Untergrund,
11
12
- Lage der Gradienten (Einschnitt, Damm),
kleinräumige Klimaunterschiede.
21
-
gende Bauweisen:
Frostschutzschicht aus ungebundenem, grobkörnigem und
22
- frostsicherem Material (Kies, Sand, Schotter, Schlacken);
Frostschutzschicht aus gebundenem, grobkörnigem und
Tunnelbau – unterirdischer
Hohlraumbau
Wolfgang Dachroth
Literatur – 538
13.1 • Geologie und Tunnelbau
483 13
13.1 Geologie und Tunnelbau
Ein Tunnel ist ein dem Verkehr dienendes Bauwerk, das unter-
- Kavernen
sind große Hohlräume (Hallen) bis etwa 35 m Breite.
halb der Erd- oder Wasseroberfläche liegt und in geschlossener Bei Neigungen zwischen 10 und 45° spricht man von Schrägstol-
Bauweise hergestellt wird. Unterirdische Bauwerke, die in offe- len, zwischen 45 und 90° von Schrägschächten bzw. Schächten.
ner Bauweise hergestellt werden, gelten ab einer Länge von 80 m Typische Querschnittsformen stellen Kreisprofil, Maulprofil,
(bei Straßentunneln aus lichttechnischen Gründen festgelegt) als Hufeisenprofil, Nordisches Profil (Torbogenprofil), Rechteckpro-
Tunnel, bei kleineren Längen sind sie als Brücken anzusehen. fil und Trapezprofil dar (. Abb. 13.1 und 13.2). Nach der Lage
Tunnelartige Bauwerke gelten als Tunnel, wenn es sich bei ihnen der Geländeoberfläche und der Streckenführung unterscheidet
um teilabgedeckte unter- oder oberirdische Verkehrsbauwerke,
oberirdische Einhausungen von Verkehrswegen oder Kreuzungs-
-
man zwischen:
Kammtunnel
bauwerke mit anderen Verkehrswegen handelt.
Im Folgenden werden im Wesentlichen nur unterirdische,
in geschlossener Bauweise hergestellte Bauwerke als Tunnel be- - einen Bergkamm durchstoßend;
Scheiteltunnel
Kammtunnel am höchsten Punkt einer gebirgsquerenden
zeichnet.
Während früher der Bau von Tunneln ausschließlich zur
- Straße oder Strecke;
Basistunnel
Überwindung topographischer Hindernisse bei der Führung ei-
nes Verkehrsweges erfolgte, geben heute auch ökologische An-
- Kammtunnel etwa in der Höhe der Talsohle;
Nasentunnel
forderungen Anlass, Tunnel zu bauen. Die Erhaltung der Gelän-
deoberfläche aus Gründen des Landschafts- und Biotopschutzes
- eine Bergnase, einen Bergsporn durchstoßend;
Lehnentunnel
sowie das Verringern von Lärmbeeinträchtigungen sind derartige
ökologische Anforderungen.
- Tunnel parallel zum Berg;
Galerien
Der Tunnel- und Stollenbau ist eine technische Wissenschaft,
welche sich in ihren Anfängen vom Bergbau ableitet. Heute
wird der Tunnelbau vom Ingenieur der Fachrichtung Tunnel-
bau oder auch Tiefbau betrieben und von den Fachrichtungen
- Lehnentunnel mit zahlreichen Öffnungen;
Kehrtunnel
die Wegstrecke beschreibt im Gebirge eine Schleife, um die
zum Überwinden der Steigung erforderliche Längserstre-
Felsmechanik, Baugeologie und Regionalgeologie betreut. Im ckung zu erhalten.
Tunnel- und Stollenbau strebt man formbeständige und lang-
zeitlich feste Hohlräume an, welche in ihrem geforderten Licht- Neben dem Fels-Tunnelbau bietet der Tunnelbau in Lockerge-
raumprofil bestimmten Verkehrsnormen entsprechen müssen. steinen besondere Schwierigkeitsgrade. Hierbei besteht sowohl
Diese hohen Anforderungen werden beim Bergbau, etwa bei die Möglichkeit des bergmännischen Vortriebes in der Neuen
der Streckenführung, nicht gestellt. Der Bergbau erstellt kurz- Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT, heute auch oft als
fristige Hohlräume mit dem Ziel Bodenschätze zu gewinnen. Im Spritzbetonbauweise bezeichnet) und im Schildvortrieb als auch
Tunnelbau achtet man hingegen auf einen gebirgsschonenden das Auffahren von Tunnelhohlräumen in offenen Baugruben.
Ausbruch und vermeidet nach Möglichkeit jede Art der Ge- Im Tunnelbau ist stärker als in allen anderen Sparten des
birgsauflockerung, denn das Gebirge ist statischer Bestandteil Bauwesens die Zusammenarbeit des Ingenieurs mit dem Geolo-
der Tunnelkonstruktion. gen von großer Bedeutung. Von der geologischen Vorerkundung
Weniger aus der Zeit der klassischen Tunnelbauweisen (1830 des Geländes werden Planung, Linienführung und Querschnitts-
bis 1914) und vermehrt aus unserer Zeit mit dem modernen ausbildung, aber auch Ausschreibung und Ausführung mitbe-
Felshohlraumbau bestehen eine Vielzahl an theoretischen Ab- stimmt. Nach ZTV-ING, Teil 5, Abschnitt 1 (2012) werden die
handlungen und Ableitungen zur Statik und Standsicherheit von
Hohlräumen unter Tage.
--
geotechnischen Untersuchungen gegliedert in:
Untersuchungen in der Planungsphase,
Beim Übertragen von Erfahrungswerten auf neue Tunnel-
bauvorhaben kommt der Geologie ein hoher Stellenwert zu.
Nach Baukörperform und Nutzung wird im unterirdischen
Hohlraumbau zwischen Tunneln, Stollen, Kammern, Kavernen
- baubegleitende Untersuchungen,
Untersuchung nach Fertigstellung.
-
Bauweise (Mikrotunnelbau) eingebaut werden.
Stollen
sind für den Leitungs- und Richtstreckenbau bestimmt und - einer baugeologischen Bestandsaufnahme;
einer hydrogeologischen Bestandsaufnahme.
3
4
5
6
7
8 sowie in der Auswertung der bestehenden Literatur und Karten-
werke. Dabei ist es wichtig, dass die geologische Untersuchung
9 nicht nur im Bereich der geplanten Tunneltrasse, sondern auch
in deren Umland durchgeführt wird. Einen wichtigen Beitrag
10 bietet in diesem Stadium die Auswertung von Luftbildern (Prinz
et al. 1981, 2010).
Neben der stratigraphischen, petrographischen, tektonischen
11 und gefügekundlichen Kartierung des Gebirges sollten bei fla-
cher Untertunnelung die Deckschichten getrennt ausgearbeitet
12 werden. Vernässungen, Quellen und Hangbewegungen sind im
weiteren Bereich des geplanten Bauvorhabens aufzunehmen.
Schichtlagerung und Faltenbau sind in geologischen Karten,
13 Geländeschnitten, Blockbildern und gegebenenfalls in Streich-
linienkarten darzustellen.
14 Die tektonischen Bruchstrukturen werden auf gesondertem
Plan ausgearbeitet und durch Gefügediagramme und Struktur-
15 bilder verdeutlicht. Soweit in diesem Stadium Schürfgruben
ausgehoben oder Bohrlöcher abgeteuft werden, werden diese
gezielt angesetzt, um bestehende Lücken im Erkenntnisstand
16 zu schließen und um die aus der Schichtlagerung erarbeiteten
Untergrundverhältnisse zu überprüfen und zu vervollständigen.
17 Das Ansetzen der Bohrpunkte sollte in jedem Fall vom Geologen
vorgenommen werden.
Bei komplizierten tektonischen und stratigraphischen Ver-
18 hältnissen und bei größerer Gebirgsüberlagerung, wo Bohrungen
unwirtschaftlich sind, sollte der geologische Aufbau des Gebir-
19 ges mit der Methode der vergitterten Profile untersucht werden.
Aus vergitterten Profilen kann der Verlauf der einzelnen Mulden
20 und Sättel, Überschiebungszonen oder größeren Störzonen gut
.. Abb. 13.2 Bezeichnungen für Teile des Querschnittes (a), des Längsschnit-
überprüft werden. Aus vergitterten Profilen kann ein Horizontal-
tes (b) und den sprengtechnischen Vortrieb (c,d) beim Tunnelbau
schnitt in Stollenebene erstellt werden, in dem die günstigste Lage
21 der Stollentrasse zu erkennen ist. Aus den vergitterten Profilen
und dem Horizontalschnitt kann auch ein geologisches Modell zenswerte Felsbildungen sind zu benennen. Es sollten bereits in
22 erstellt werden (Innerhofer und Loacker 1983, Loacker 1988). diesem frühen Stadium der Untersuchung alle bestehenden Stol-
Die regionalgeologische Bestandsaufnahme ist eine der lenaufschlüsse in gleichen oder ähnlichen Gesteinen überprüft
Grundlagen für die Planung. Diese Bestandsaufnahme soll bis ins und für die Stollenprognose ausgewertet werden. Weiterhin ist
23 Detail die ganze Fülle stratigraphischer, petrographischer, tekto- besonderer Wert auf diejenigen geologischen Gegebenheiten zu
nischer, gefügekundlicher und auch paläontologischer Daten lie- richten, die einen Stollenvortrieb extrem verteuern bzw. unmög-
fern. Besondere Aufschlusspunkte, Fossilvorkommen und schüt- lich machen, wie vergrabene Täler mit Grundwasserführung,
13.1 • Geologie und Tunnelbau
485 13
Anfahren von hangtektonisch aufgelockerten Gebirgsbereichen zu durchörternden Gesteines geben, ebenso über den Tiefgang
(Rutschungen, Bergzerreißungen, Kriechhänge), tiefreichende einer Rutschung oder einer Talfüllung. Am aussagekräftigsten
Karstgebiete, Großstörungen bzw. seismisch noch aktive Zonen. und genauesten sind seismische Sondierungen dann, wenn sie
Die hydrogeologischen Verhältnisse werden gesondert aus- an Bohrprofilen geeicht werden können.
gearbeitet. Bestandsaufnahmen aus den Nachbardisziplinen wer- Neben der stratigraphischen und petrographischen Anspra-
den angeregt. che der Bohrproben erfolgt zugleich das geophysikalische Un-
Vom Planer muss verlangt werden, dass er in der Lage ist, tersuchen und Beschreiben im Sinne der Bodenmechanik oder
alle aufgeführten Daten zu verstehen und zu bewerten. Zum der Felsmechanik.
Verständnis des geologischen Details kann der Baugeologe he- Bei stark wechselnden Gebirgsarten, intensiver Faltung und
rangezogen werden. Weitere Fachberatungen sind über die Na- starker tektonischer Beanspruchung (z. B. Boudinage) können
turschutzbehörden mit ihren nachgeordneten Institutionen mög- Bohrungen, auch in größerer Anzahl, nicht allein zum Anferti-
lich. Bei kleineren Bauvorhaben wird bisweilen der Baugeologe gen eines für die Planung und Ausschreibung der Tunnelarbei-
die regionalgeologische Bestandsaufnahme und die hydrogeolo- ten ausreichend genauen Geländeschnittes herangezogen werden
gische Bestandsaufnahme mit erstellen. (. Abb. 13.3).
Die Planfeststellung für den endgültigen Verlauf der Tunnel- Beste Aussagekraft im Hinblick auf die vorliegenden geolo-
trasse ergibt sich aus der Optimierung von verkehrstechnischen, gischen Verhältnisse, die Wasserführung und die Abbaubarkeit
ökologischen, bautechnischen und volkswirtschaftlichen Para- und Standfestigkeit des Gebirges bietet ein Richtstollen (Pilot
metern. Bei der Festlegung der Linienführung kann man, soweit stollen). Richtstollen bieten zugleich günstige Voraussetzungen
es sich nicht um einen Straßen- oder Eisenbahntunnel mit festen für felsmechanische Untersuchungen zur Verformung und Span-
Zwangspunkten und festgelegten Entwurfsgrößen („Richtlinien nungsumlagerung im Gebirge. Sehr vorteilhaft für den Tunnel-
für die Anlage von Straßen: Linienführung“, RAS-L) handelt, die bau ist die mit dem Richtstollen erzielte Entwässerung des Gebir-
geologischen Verhältnisse berücksichtigen und stollenbautech- ges, wodurch auch die Standfestigkeit des Tunnels erhöht wird.
nisch ungünstige Zonen umgehen oder auf kurzem Wege queren. Vor Beginn der eigentlichen Tunnelarbeiten soll das baugeo-
Vorhersehbare Zustände während des Tunnelbaus und danach,
die das Grundwasser beeinflussen oder das Wasserrecht tangie-
ren, müssen rechtzeitig in der Planfeststellung geregelt werden --
logische Gutachten Auskunft geben über:
die im Bereich der Tunneltrasse auftretenden Gesteine;
die Gesteinslagerung, dargestellt in Geländeschnitten paral-
(vgl. ▶ Abschn. 13.1.3). Druckwasserstollen sind so tief in den
Berg zu verlegen, dass der Gebirgswasserdruck über dem Innen-
- lel und quer zur Trasse;
den Zustand der Gesteine bezüglich „Frische“, Verwitterung,
druck des Stollens liegt (Loacker 1988).
Nach dem Stand der Planung wird zwischen Raumordnungs-
verfahren und Planfeststellungsverfahren unterschieden. - Klüftung, Quellvermögen, Auslaugung und Auflockerung;
den Wasserzulauf und dessen Einfluss auf die Bauarbeiten
und die Standfestigkeit des Gebirges, Vordimensionierung
-- der Abwasserleitung;
den Chemismus des Wassers;
--
13.1.2 Baugeologische Bestandsaufnahme die zu erwartenden Temperaturen im Gebirge;
die Gasführung des Gebirges;
Nach der Festlegung des Trassenverlaufs wird die weitere bau-
geologische Untersuchung gezielt auf diesen Trassenverlauf
-die wirksamen boden- und felsmechanischen Kenngrößen;
die qualitative Einstufung des Gebirges bezüglich der zu
ausgerichtet. Dabei werden mehrere Bohrungen in der Achse
des Tunnels angesetzt. Nachteilig kann es sein, wenn eine Er-
kundungsbohrung unmittelbar durch den späteren Tunnelquer- -erwartenden Druckerscheinungen;
die Einstufung des Gebirges in eine Gebirgsklasse zum
Bemessen des Schwierigkeitsgrades bei Vortrieb, Sicherung
schnitt führt, da so bei unsachgemäßer Bohrlochverfüllung eine
künstliche Wasserwegsamkeit für Bergsickerwässer geschaffen
-und Verbau;
die Vordimensionierung für Sicherung und Verbau der
wird, die den Tunnelvortrieb erschwert. Die Bohrungen sollen
auch den Untergrund des Tunnels mit ergründen. Besonders
wichtig ist das genaue Erkunden der späteren Portalbereiche,
da hier in vermeintlich topografisch günstiger Lage oft Schwä-
--
Tunnelröhre;
Aufschlüsse, die typische Gesteinsverhältnisse zeigen;
Tunnelvoreinschnitte und Portalbereiche.
chezonen angetroffen werden, die für Überraschungen sorgen Das baugeologische Gutachten dient vor Beginn der Baumaß-
und zu Arbeitsverzögerungen führen wie auch zusätzlich eine nahme als wichtigste Unterlage für Planung und Ausschreibung.
zumeist aufwendige Sicherung erfordern. Neben der Baugrund- Im Wesentlichen ist anzustreben, dass die beim Vortrieb an-
untersuchung können die Bohrungen zugleich Auskunft über die getroffenen Gebirgsverhältnisse im Rahmen der Ausschreibung
Grundwasserverhältnisse geben. Es ist rechtzeitig zu überprüfen, richtig erkannt und eingestuft wurden, sodass berechtigte Mehr-
ob das Bohrloch noch anderweitig genutzt werden kann, z. B. für forderungen vonseiten der Bauausführung sich auf ein verträg-
eine Grundwasserbeobachtung. liches Minimum beschränken. Alle kostenwirksamen Gebirgs-
Bei großer Gebirgsüberlagerung sind enge Bohrabstände un- eigenschaften sind vom Baugeologen für die Ausschreibung in
wirtschaftlich. Bohrungen sind nur mehr vereinzelt gezielt zum verständlicher Form darzustellen. Dies betrifft sowohl den Auf-
Auffinden von Strukturen anwendbar. Auch seismische Unter- wand bei den Vortriebs- und Sicherungsarbeiten als auch ganz
suchungen können einen gewissen Aufschluss zur Qualität des besonders die Ausführbarkeit der geplanten Tunnelkonstruktion.
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486
Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
.. Abb. 13.3 Geologischer Längsschnitt für den Hasenbergtunnel in Stuttgart. (Bundesbahndirektion Stuttgart, Dezernat 78)
13.1 • Geologie und Tunnelbau
487 13
Für den Einsatz von Tunnelvortriebmaschinen beim Vor- sollte ausdrücklich auf die weitere Betreuung aufmerksam ge-
trieb spielt die möglichst genaue Beschreibung des Gebirges
eine bedeutende Rolle. Je besser das Gebirge bekannt ist, umso
--
macht werden. Dies betrifft insbesondere:
Mitsprache bei der Planung;
genauer lassen sich die Leistungen von Maschinen kalkulie-
ren. Wichtiger als beim Sprengvortrieb ist die Beschreibung
des Mineralbestandes und des Mikro- und Makrogefüges. Die
Boden- und Felsklassifizierung im Sinne eines sprengtechni-
- Mitsprache bei der Ausschreibung;
fortlaufende Aufnahme der geologischen Verhältnisse wäh-
rend des Vortriebes und eine geotechnische Beratung bei
gegenüber der Vorhersage veränderten Gebirgsverhältnis-
schen Vortriebes genügt dem maschinellen Vortrieb nur un- sen für Vortriebsarbeiten, Wasserhaltung, Standsicherheit
zureichend. Gesteinsänderungen können mit 100 % und mehr
als Kostenfaktor für den Vortrieb zu Buche schlagen. Meißel-
kosten streuen bei unterschiedlichem Gebirge weit mehr als - und Verbau;
Mitsprache bei der Auswahl der Vollschnittmaschine,
Teilschnittmaschine, Reißgeräte oder der Entscheidung für
Sprengkosten.
-
Tonanteil, Quarzanteil, Bindemittel, Klüftigkeit, Kluftab-
stand, Kalkgehalt;
in tonigen Gesteinen
Sand- und Quarzanteil, Kalk- und Gipsgehalt, Anhydrit-
- Tunnels;
Beratung des Felsmechanikers beim Ansetzen und Auswer-
ten von Kontrollmessungen, besonders beim Aussuchen von
Homogenbereichen in der bereits verbauten Tunnelstrecke.
anteil, Klüftigkeit, Schichtung, Wassergehalt, Wasserauf-
- nahme;
in sandigen Gesteinen
Quarzanteil, Bindemittel, Klüftigkeit, Tongehalt, Schich-
tung, Bankung.
Stets ist die Zusammenarbeit zwischen Tunnelbauingenieur, Fels-
mechaniker, Baugeologen und Regionalgeologen anzustreben.
--
stein] nachstehenden Verschleiß an:
Salz, Braunkohle < 0,01 Meißel/m³ sehr gering
Im Rahmen der Voruntersuchung von Tunnelbauwerken ist eine
hydrogeologische Vorhersage zu treffen. Durch den Vortrieb des
Wichtig ist die Lage des Bergwasserspiegels bei Druckstollen Wasserzuläufe durch Injektionen so zu verdämmen, dass das
1 und Druckschächten. Wenn der Außendruck des Bergwasser- Grundwasser im Gebirge verbleibt und nicht über die Entwäs-
spiegels mit Sicherheit höher ist als der Innendruck, wird keine serung des Tunnels auf Dauer abgeleitet wird.
2 wasserdichte Auskleidung benötigt. Beim Tunnelvortrieb oberhalb des Grundwasserspiegels besteht
Wasserschäden sind besonders bei Kluft- und Karstwässern, die Möglichkeit, dass Sickerwasser von der Firste tropft und dass
bei stark durchlässigen Sanden und Kiesen und beim Vorliegen Regenwasser über Kluftbahnen zuläuft. Bei Starkregen und wäh-
3 eines Druckwasserspiegels kurzfristig zu erwarten. Auch ein all- rend der Schneeschmelze können solche Klüfte auch Druckwasser
mählicher Abbau des Grundwasservorrates über die Tunneldrä- enthalten. Bei Karstwässern ist an die zahlreichen Erscheinungen
4 nage ist zu vermeiden. Spritzbetonbauweisen können den pH- unterschiedlicher Wasserführung, Wasseraustritte und Fließrich-
Wert von Bergsickerwässern auf bis zu 12 erhöhen und dürfen tung je nach Art des vorherrschenden Wasserdruckes zu erinnern.
5 daher gemäß den Wassergesetzen nicht ohne Neutralisation auf Beim Tunnelvortrieb im Grundwasser kann Wasser an ein-
einen Mindestwert von 8,5 in die Vorfluter geleitet werden. Die zelnen Stellen zulaufen (Kluftwasserquellen) oder flächenhaft aus
erforderlichen Maßnahmen (z. B. auch eine Bodeninfiltration) dem Gebirge in den Hohlraum eindringen. Der Zulauf aus ei-
6 sind von den anfallenden Sickerwassermengen abhängig und mit nem Porengrundwasserleiter, aber auch aus einem engscharigen
den Wasseraufsichtsbehörden abzustimmen. Eine weitere Gefahr Kluftgrundwasserleiter (z. B. Phyllit) führt zum Firstentropf bis
7 für das Grundwasser liegt in einer möglichen Verschmutzung Firstenregen im Bereich des Vortriebes. Meist lässt dieser Firs-
beim Vortrieb und Betrieb des Tunnels, besonders bei Abwasser- tenregen wenige Meter hinter dem Stoß nach oder verschwindet
und Versorgungsstollen. Mögliche Wasserverluste bei Wasserlei- ganz. In dem die Tunnelröhre umgebenden Porengrundwasser-
8 tungsstollen und Druckwasserstollen können auch zu schädli- leiter stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Porengrundwasser
chen Wasseraufbrüchen im Gelände führen. und Porenluft ein, wobei durch Oberflächenkräfte im Porenraum
9 Für den Tunnelbauer bedeutet ein Zutritt von Wasser in jeder der Grundwasserstrom zum Hohlraum zurückgehalten wird. Ein
Form eine Erschwernis. Zutretendes Wasser beeinflusst die Ar- andauernder Zustrom von Grundwasser in den unverbauten
10 beitsleistung, die Arbeitsmoral und die Gesundheit der Tunnel- Hohlraum hinein ist an Klüften gegeben.
bauer. Daneben beeinflusst der Zulauf von Wasser die Standfes- Für den Maschinenvortrieb sind möglichst genaue Angaben
tigkeit des Gebirges und die Haltbarkeit der Tunnelkonstruktion. über den zu erwartenden Wasserzulauf und besonders über den
11 Das Bemessen der zu erwartenden Wasserzuflüsse (Angabe in über längere Strecken als Firstenregen oder Spaltenzufluss mit-
l s−1) ist mit einem sehr hohen Risiko verbunden. Sowohl Über- wandernden Wasserzulauf wichtig. So werden z. B. bei größeren
12 dimensionierung wie auch etwa erforderliche Ergänzung oder Wasserzuläufen vor dem Bohrkopf Feinteile des Ausbruchma-
Vergrößerung von Abwasserleitungen und Pumpanlagen ist mit terials ausgewaschen und hinter dem Bohrkopf abgelagert. Die
hohen Kosten verbunden. Sohle muss dann manuell gereinigt werden, was bei kleinem
13 Wichtig für die Ausschreibung und Kalkulation von Tunnel- Fräsdurchmesser mühsam ist und zur Vortriebsverzögerung
bauvorhaben sind die Art des zu erwartenden Wasserzulaufes führt. Je nach Art des zu erwartenden Wasserzutrittes sind un-
14 (Schwitzen, Firstentropf, heftiger Regen von der Firste, Spalten- terschiedliche Dränanweisungen zu geben (Flächendrän, Ab-
wasser, Karstwasser), die Wassertemperatur, die Wasserchemie schlauchen, Oberhasli-Verfahren).
15 und die Betonaggressivität (DIN 4030-1, -2). Parallel zu den Vortriebsarbeiten und den damit verbundenem
Besonders gefürchtet sind unvorhersehbare Wasser- und Entwässern ist eine hydrogeologische Dokumentation im Umkreis
Schlammeinbrüche (Muren) aus Störungen, Ruschelzonen, Spal- der Baumaßnahme und im frisch ausgebrochenen Hohlraum zu
16 ten, Karsthohlräumen, alten bergmännischen Hohlräumen und erstellen. Neben Beobachtungen in Beobachtungspegeln sind in der
aus Tagwässern, welche schon zahlreiche Menschenleben gefor- Tunnelröhre die hydrogeologischen Verhältnisse aufzuzeichnen
17 dert haben. Derartige Wassereinbrüche (bis zu 10.000 l s−1) sind und mit der hydrogeologischen Prognose zu vergleichen. Es kann
im verkarsteten und auch im stark gestörten Gebirge zwar generell sein, dass während des Vortriebes weitere spezielle hydrogeologi-
vorhersehbar, das Anfahren von lokalen Karsthohlräumen kann sche Untersuchungen erforderlich werden. Festzustellen sind die
18 jedoch nicht vorausgesagt werden. Ebenso kann das Anfahren von hydraulischen Druckverhältnisse im Gebirge, die Art und Stärke
großen Störungszonen trotz genauer Lokalisation über Spalten und der Wasserzuläufe, die anfallenden Wassermengen und die Wasser-
19 Ruschelzonen im benachbarten Gesteinsverband zu katastrophalen chemie. Störzonen müssen vor dem Anfahren erkannt werden. Das
Wassereinbrüchen führen. Auch die Menge des zufließenden Was- Ansetzen von Entwässerungsbohrungen muss zeitgerecht erfolgen.
20 sers [l s−1] kann nicht im Voraus abgeschätzt werden, da diese ne- Die baubegleitende hydrogeologische Bestandsaufnahme dient so-
ben dem hydrostatischen Druck (Höhe der Wassersäule) und einer wohl der Sicherheit im Tunnelbau als auch der Beweissicherung
weitgehend unbekannten Wassermasse von den wirksamen Quer- im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (Schneider 1998).
21 schnitten der angefahrenen, wasserführenden Hohlräume abhängt.
Kluftgrundwasserleiter und Karsthohlräume können ihr
22 Wasser in kürzester Zeit abgeben, das Gebirge „blutet aus“. Bei 13.1.4 Gasführung im Gebirge
sehr starken Wassereinbrüchen ist damit zu rechnen, dass die
Wasserschüttung in wenigen Stunden bis einigen Tagen ab- Im Zuge der geologischen Vorarbeiten ist eine Aussage über
23 nimmt. Zum Vermeiden katastrophaler Wassereinbrüche werden mögliche Gasführung im Gebirge zu treffen. Die für den Tun-
beim Vortrieb weiträumige Vorausbohrungen empfohlen. Um nelbau wichtigsten Gase sind Kohlendioxid (CO2), Kohlenmo-
größere Umweltschäden auf Dauer zu vermeiden, sind stärkere noxid (CO), Schwefelwasserstoff (H2S), Schwefeldioxid (SO2),
13.1 • Geologie und Tunnelbau
489 13
.. Tab. 13.1 Grenzwerte der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK; aufgestellt von der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemein-
schaft) und sicherheitstechnische Kenngrößen brennbarer Gase (Nabert und Schön 1963, 1980) für die im Tunnelbau möglichen Gasaustritte
Stoffbezeichnung Formel Maximale Arbeits- Sicherheitstechnische Kenngrößen brennbarer Gase und Dämpfe
platzkonzentratio-
nen 1988
Stickstoff (N2), Stickstoffmonoxid (NO), Stickstoffdioxid (NO2), Die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als
Wasserstoff (H2) und Methan (CH4). Gas, Dampf oder Schadstoff in der Luft war als MAK-Wert
Methan, Kohlenmonoxid und Wasserstoff werden in kohle- (Maximale Arbeitsplatzkonzentration) festgelegt. Seit 2005 gilt
führenden oder erdölhaltigen Gesteinen sowie beim Vergären in Deutschland der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW). Die MAK-
organischer Substanz (Faulgas) gebildet. Sie sind leichter als Luft. Werte sind jedoch noch immer gebräuchlich. Die sehr umfang-
Schwefelwasserstoff entsteht bei der Fäulnis von organischer reichen aktuellen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
Substanz, sehr oft von Grubenholz. werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales heraus-
Das Auftreten von Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwe- gegeben und im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt
feldioxid und Stickstoff kann mit vulkanischen Prozessen im gegeben. Daneben gibt es die sicherheitstechnischen Kenngrößen
Zusammenhang stehen. brennbarer Gase und Dämpfe. Wenn die von der Senatskommis-
Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid treten bei Sprengun- sion der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgestellten MAK-
gen auf. Grenzwerte eingehalten werden, besteht im Allgemeinen keine
Von diesen Gasen sind besonders Methan und Wasserstoff Gefährdung der Gesundheit. Die wesentlich höheren sicherheits-
wegen der Explosions- bzw. Schlagwettergefahr gefürchtet. Die technischen Grenzwerte werden nicht erreicht (. Tab. 13.1).
Gefahr von Schlagwettern besteht bei einem Mischungsverhält- Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass beim Auftreten von Gasen
nis von 5,5–13 % Methan in der Luft. in untertägigen Hohlräumen (z. B. Methan) sehr schnell beide
Giftig sind Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Schwefelwasser- Grenzwerte überschritten werden können.
stoff, Schwefeldioxid, Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid.
Die Poren- und Klufthohlräume bilden die Bewegungsbahnen
für die Gase. In undurchlässigen Gesteinen (z. B. Salz) können 13.1.5 Gebirgswärme
Gase auch unter Druck stehen und beim Anbohren explosions-
artig freigesetzt werden (besonders CO2). Für den Bau großer Tunnel ist eine Voraussage über die anzu-
Beim unterirdischen Hohlraumbau im granitischen Grund- treffende Gebirgswärme wichtig. Bei hohen Temperaturen und
gebirge, in Porphyrgesteinen und allgemein in uranhaltigen und hoher Luftfeuchtigkeit sinkt die Arbeitsleistung, sodass eine
thoriumhaltigen Gesteinen kann das Gas Radon über die Luft verstärkte Bewetterung und die Zuführung gekühlter Luft not-
oder über das Berg- oder Quellwasser emanieren oder ausströ- wendig wird.
men (Radon-Emanation, ▶ Abschn. 1.11) Die voraussichtliche Temperatur im Gebirge hängt von fol-
Beim Auftreten schädlicher Gase ist für starke Bewetterung
zu sorgen. Dadurch wird die Gebirgstemperatur erniedrigt, was
-
genden Faktoren ab:
Jahresdurchschnitt der Bodentemperatur an der Gelän-
auch jene Reaktionsabläufe vermindert, bei denen Gas frei wird
(z. B. Oxidation von Pyrit und von kohliger Substanz).
-- deoberfläche (. Abb. 17.2);
Verlauf der Geoisothermen im Gebirge (. Abb. 17.1);
Unabhängig von der Gasführung des Gebirges können in
Höhlen und in alten Stollen Abweichungen in der chemischen
-- Wärmeleitfähigkeit der einzelnen Gesteinsschichten;
Überlagerungshöhe;
Zusammensetzung gegenüber der atmosphärischen Luft vorlie-
gen, welche bei zu niedrigen Sauerstoffgehalten toxisch wirken.
- Reliefausgestaltung;
Klüftung, Zerlegungsgrad, Störungszonen;
490 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
-
.. Tab. 13.2 Durchschnittliche Temperaturdifferenz zwischen Luft
dem kaltem Wasser; und Boden in Abhängigkeit von der Höhenlage
6 hydrogeologische Situation mit aufsteigendem Thermal-
Höhe ü. NN [m] k [°C]
wasser.
7 0 0,8
Die Temperaturzunahme pro Meter, d. h. der Wärmegradient, 500 1,0
beträgt in Mitteleuropa bei ebenem Gelände ca. 0,031–0,033 °C.
8 Die geothermische Tiefenstufe, d. h. die Tiefe, in der die Erdtem- 1000 1,3
-
11 ter Ebenen parallel zur Oberfläche und bilden unter Gebirgen das stemperatur lt0 an einem bestimmten Ort P′;
Relief der Oberfläche abgeschwächt nach. Zur Tiefe hin verflacht gesucht ist die Jahresdurchschnittstemperatur der Luft lt
12 sich diese Abweichung im Geoisothermenverlauf (. Abb. 13.4). und des Bodens t0 am Punkt P oberhalb des Tunnels.
Die geothermische Tiefenstufe ist in alten Kontinenten (z. B.
Afrika mit ca. 60 m) groß, in Gebieten mit jungem Vulkanis-
13
h1
t0 = lt + k = lt0 − +k
mus und junger Tektonik kleiner, besonders wenn Magma bis in x
Oberflächennähe aufgestiegen ist.
14 Der Wärmefluss der Erde wird durch die Wärmeleitfähigkeit h1 = Höhendifferenz zwischen P und P'
der Gesteine und durch den mit dem Grundwasserstrom gege- x = Höhenstufe der Luft, in der die Temperatur um 1 °C abnimmt (Grö-
20 ist durch Porosität, Luft- und Wassergehalt sowie durch Klüftung, (20–25 m)
Schichtung und Schieferung verändert. Parallel zur Schichtung G = geothermische Tiefenstufe
ist die Wärmeleitfähigkeit größer als senkrecht zur Schichtung.
21 Eine thermische Voraussage für den Tunnelbau aus Tiefboh- Vom Tunnel oder Stollen aus kann die Gebirgstemperatur (Fels-
rungen ist möglich, wobei jedoch durch Bohrvorgang, Spülung, temperatur) mit der Bohrlochmethode und mit der Infrarotme-
22 Wasserführung und besonders durch den Austritt von Gasen thode gemessen werden (Barounig und Köhler 1996).
starke Beeinflussungen gegeben sind. Nach Hedemann (1967) Bei der Bohrlochmethode werden in die Ulmen des Tun-
sind Aussagen mit etwa 2 °C Genauigkeit möglich. nels leicht geneigte, 5–7 m tiefe Löcher gebohrt, mit Wasser
23 Liegen keine Daten aus Bohrungen vor, so ist nach Szechy gefüllt und gegen den Tunnel abgedichtet. Die Temperatur
(1969) und Andreae (1926) folgende abschätzende Berechnung wird über eingebaute Thermometer oder Messfühler abgele-
möglich: sen. Vorteile dieser Methode sind Genauigkeit und langzei-
13.1 • Geologie und Tunnelbau
491 13
--
Messsystems dem Vortrieb mit räumlichem und zeitlichem Seitendruckziffer λ (dimensionslos);
Abstand folgt. Korndichte des Gesteins (spezifisches Gewicht) ρS [t m−3];
- ---
Bei der Infrarotmethode wird die Temperatur der Felsober- Dichte des feuchten und trockenen Gesteins ρf, ρd [t m−3];
fläche mittels Infrarotsensor gemessen. Freigelegte Felsober- Porenanteil n, Wassergehalt w, Glühverlust Vgl [%].
flächen können im Vortriebsbereich sofort gemessen werden. Grundwasser und Grundwassereigenschaften
Durch Wechselwirkungen zwischen Felsoberfläche und Bewet- Grundwasserstand und Variation,
terung (Verdunstungskälte) können sich Fehler einstellen. Nach Einzugsgebiet des zufließenden Grundwassers (oberir-
-
Auftrag von Spritzbeton und Einbau der Tunnelauskleidung sind disch, unterirdisch),
Messungen nicht mehr sinnvoll. Art des erwarteten Grundwasserzulaufs, Fließ- und
--
Erfahrungsgrenzwerte für Temperaturen in Tunnels werden Sickerwege,
als Berechnungsannahmen für Tunnelinnenschalen in den „Zu- Menge des zu erwartenden Grundwasserzulaufs,
sätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Verweildauer/Fließdauer des zusickernden Wassers im
-
den Bau von Straßentunneln, Teil 1“ (1995) angegeben. Neuere Gebirge,
Arbeiten zur Felstemperaturprognose des Gotthard-Basistunnels Grundwasserchemie und Aussagen zu möglicher Sinter-
--
und des Tunnels am Lötschenberg stammen von Busslinger & bildung,
Rybach (1999) und von Rybach & Busslinger (1999). Aggressivität des Wassers gegen Baustoffe,
Gefahr möglicher Hohlraumbildung durch Lösen oder
--
Abschnitt 3.
Das baugeologische Gutachten weist die in der Tunneltrasse an- Hindernisse im Baugrund, Fundamente, Blöcke
stehenden Gesteine nach Gesteinsart, geologischer Lagerung, Aussagen zu möglichem Suspensionsverlust in Hohlräu-
-
tektonischer Beanspruchung, Verwitterungsgrad und Wasser- men oder Grobporen,
führung aus. Die für die Gebirgsbetrachtung wichtige Aufnahme Aussagen zur Stabilität der Ortsbrust (gespanntes
des Trennflächengefüges unterscheidet zwischen verschiedenen Grundwasser, Fließgeschwindigkeit und Transportkraft
Trennflächenscharen (Kluftscharen) oder Trennflächensystemen des Wassers im anstehenden Boden, starker Wechsel
(Kluftsysteme). Für jedes System wird getrennt die Klüftigkeits- bei Wasserstand, Tideeinflüsse, Salzgehalt, Fließsand,
-
ziffer k, der Kluftabstand m, und der Durchtrennungsgrad [%] Gefahr des Aufquellens von Mineralen),
ermittelt (▶ Abschn. 1.3). Aussagen zur Zusammendrückbarkeit des Bodens und
-
Beim geotechnischen Beschreiben werden Gesteine mit zu möglicher Setzungsgefahr für das Bauwerk,
gleichen physikalischen Eigenschaften zusammengefasst. Das Aussagen zu Maßnahmen der Bodenverbesserung und
Auftreten von verschiedenartigen Gesteinen oder von petro- Injizierbarkeit für den zu durchfahrenden Boden oder
-
graphisch gleichartigen Gesteinen mit verschiedenartiger Bean- für die zu durchfahrenden aufgelockerten Felspartien,
spruchung durch Tektonik, Verwitterung und Wasserführung Aussagen zur Verspannbarkeit der Maschine im Boden
-
verlangt für jede Gesteinsart (im technischen Sinne) ein geotech- oder Fels,
nisches Beschreiben des Gebirgsabschnittes. Aussagen zu möglichen natürlichen Schwermetallbelas
-
Zu den wichtigsten zahlenmäßig darstellbaren Kenngrößen tungen im geförderten Boden oder Ausbruchmaterial,
- --
für den Tunnelbau gehören:
Festigkeitseigenschaften:
Druckfestigkeit σn [MN m−2];
-
Aussagen zu möglichen (künstlichen) Kontaminationen
im geförderten Boden oder Ausbruchmaterial,
Aussagen zur Deponierbarkeit und zu erforderlichen
--
Zugfestigkeit σz [MN m−2]; Maßnahmen beim Deponieren des geförderten Boden-
Scherfestigkeit τ [MN m−2]; oder Ausbruchmaterials.
- ---
geotechnische Kohäsion c [MN m−2];
Reibungswinkel auf den Trennflächen φ [°]. Der Geotechnische Bericht bildet die Grundlage für Planung,
Verformungseigenschaften: Ausschreibung und Bauausführung (ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau
Elastizitätsmodul E [MN m−2]; 2012). In diesem werden über die gesamte Tunnelstrecke hin-
--
Verformungsmodul Ev [MN m−2]; weg die Abschnitte mit gleichbleibender Gebirgscharakteristik
Schubmodul G [MN m−2]; ausgewiesen. Für diese Abschnitte (Homogenbereiche) werden
--
Querdehnungszahl m (dimensionslos); die charakteristischen Kenngrößen mit möglicher Streubreite be-
Volumenänderung beim Bruch Vb [%]; nannt. Dies dient durchgängig dem Zuordnen zu Gebirgsklassen
- --
Volumenänderung beim Quellen Vq [%]; und/oder Vortriebsklassen. Auf Schwächezonen im Gebirge mit
Quelldruck q [MN m−2]. vorhersehbaren Instabilitäten ist im Prognosebefund aufmerk-
Momentaner und ursprünglicher Zustand des Gebirges: sam zu machen.
erdgeschichtlich bekannte und maximale Überlage- Der Geotechnische Bericht ist Grundlage für die Standsicher-
rungshöhe H [m]; heitsnachweise nach ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau, Abschnitt 3.
492 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
10 -
Gebirgsklassifikation die Ziele:
Begriffe für die Kommunikation zwischen verschiedenen
- Fachdisziplinen vorzulegen,
Signifikante Gebirgsparameter für das Gebirgsverhalten
--
11 herauszustellen,
das Gebirge in Homogenbereiche zu unterteilen,
12 eine Möglichkeit zu schaffen, um Erfahrungswerte von
-
.. Abb. 13.5 Gebirgsstandfestigkeit in Abhängigkeit von Stehzeit und
Das Einstufen des Gebirges in eine bestimmte Gebirgsklasse dient: ungesicherter Stützweite (Lauffer 1958, 1988). a Mit abgeänderter Gebirgs-
14 als Unterlage für das Planen und Vordimensionieren der klassifizierung nach Körner (1971), b modifiziertes Stehzeitdiagramm 1988
Sicherungs- und Verbaumaßnahmen, für das Abschätzen
-
mit Gebirgsklassen und der Vortriebsgeschwindigkeit vv zur Gebirgsklassifi-
15 der Baukosten und für das Erstellen der Zeitpläne; zierung beim Fräsvortrieb
als verbindliche Unterlage zur Preiskalkulation bei der
16
17
- Ausschreibung;
während der Bauausführung als Orientierungshilfe für
tunnelstatische und bautechnische Ausbaumaßnahmen.
13.2.1 Gebirgsklassifikation nach Lauffer
.. Tab. 13.3 Sicherung von Felshohlräumen nach der Klassifikation von Lauffer (1958). (Müller-Salzburg 1979)
Beim modifizierten Stehzeitdiagramm (Lauffer 1988, 1995; stellen von Einzelwerten, aus denen die Möglichkeiten und
. Abb. 13.5b) wurden die Grenzlinien als Geraden im Abstand Grenzen des Fräsvortriebes entnommen werden können.
von 1,7 log-ts-Einheiten angenommen, wobei die Stehzeit von Auch ergeben sich über einen Gebirgsschlüssel Beziehungen
1/lw abhängt. Das Stehzeitverhältnis zwischen den Grenzen der zwischen den Stehzeit-Gebirgsklassen und den Gebirgsgü-
einzelnen Gebirgsklassen ist mit 101,7 = 50,1 konstant. Die Be- teklassen für den Fräsvortrieb nach ÖNORM B 2203. Nach
zeichnung der Stehzeit-Gebirgsklassen A* bis G* unterscheidet Fecker und Reik (1987) erfordert aber die Kennzeichnung des
sich durch den Stern * von den Stehzeit-Gebirgsklassen 1958. Gebirges durch solche Kennlinien des Standzeitverhaltens ein
Dabei ist nur die Grenzlinie F/G mit F*/G* identisch, während hohes Maß an Intuition und Erfahrung. Dieses Manko verliert
alle anderen Linien in nur einem Punkt übereinstimmen. zunehmend an Bedeutung, wenn Probestollen oder Probe-
Um Zwischenwerte der Gebirgsklassen erfassen zu können, vortriebsstrecken vor dem eigentlichen Tunnelvortrieb aus-
wird der Stehzeit-Kennwert z eingeführt, dessen ganzzahlige geführt werden, in denen man sich gewissen Grenzzuständen
Werte den Grenzen der Gebirgsklassen entsprechen. Für das der Standzeit nähern und mit größerer Treffsicherheit Vorher-
modifizierte Stehzeitdiagramm ergeben sich folgende Zusam- sagen geben kann.
menhänge, wenn ts [h] und lw [m] eingesetzt werden:
ts lw2 = 108;9−1;7z ; 13.2.2 RQD-System
8;9 − log ts − 2 log lw (Rock Quality Designation; Deere 1973)
z= :
1;7
Dem Gestein wird ein Zahlenwert zwischen 0 und 100 % zuge-
Beim Fräsvortrieb geht die Definition der wirksamen Stützweite ordnet, wobei 100 % ein sehr standfestes Gestein, 0 % ein Gestein
lw und der Stehzeit ts von der Annahme aus, dass Bohren und ohne Standfestigkeit mit allen denkbar ungünstigen Eigenschaf-
Stützmitteleinbau kontinuierlich mit der Vortriebsgeschwin-
digkeit vv [m h−1] fortschreiten, wobei zwischen der Stollen-
-
ten darstellt:
0–25 %: sehr ungünstige Gesteinsverhältnisse (very poor
brust und dem Stützmitteleinbau ein konstanter Abstand Lm
eingehalten wird. Je nach Stehzeit-Gebirgsklasse muss der
Stützmitteleinbau beim Vortrieb mit Tunnelbohrmaschinen -- ground);
25–50 %: ungünstige Gesteinsverhältnisse (poor ground);
50–75 %: wenig günstige bis mäßig gute Gesteinsverhält-
vor oder hinter dem Bohrkopf erfolgen. Beim konventionel-
len sprengtechnischen Vortrieb kann die Zeitspanne bis zum
wirksamen Abstützen des Ausbruches durch Variation der Ab-
schlagtiefe bzw. der Abmessung von auf einmal ausgebroche-
- nisse (fairly good ground);
75–100 %: günstige bis sehr gute Gesteinsverhältnisse (good
ground).
nen Teilbereichen beliebig der Stehzeit des Gebirges angepasst Diese Abschätzung erfolgt u. a. anhand von Bohrproben und
werden. berücksichtigt besonders Kluftabstand und Kluftkörpergröße.
Ein für den Fräsvortrieb adaptiertes Stehzeitdiagramm Der RQD entspricht etwa den Prozentanteilen von Kernstücken
1988 dient dem raschen Ermitteln und übersichtlichen Dar- länger als 10 cm.
494 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
1
13.2.3 RMR-Gebirgskennwert
-- Einwirkungen,
--
(Rock Mass Classes and their Ratings; Vortriebsverfahren,
Bieniawski 1973, 1977) Bauzustände (Verbau),
2
-
Berechnungsmodelle,
. Tab. 13.4 und 13.5 sind eine Zusammenstellung aus Reik und Beanspruchung des Gebirges im hohlraumnahen Be-
-
Schneider (1979). Der RMR-Gebirgskennwert nach Bieniawski reich und durch benachbarte Hohlräume und
3 (1977) ergibt sich aus der Summe von sechs Einzelparametern, die ingenieurtechnischen Einflüsse aus Baustoffen und
die die Gesteinsfestigkeit, die Klüftung und das Bergwasser be- Baustoffkennwerten, Bauverfahren, Einzelnachweise für
4 rücksichtigen. Der maximal erreichbare Wert ist 100. Über die Bewehrung und konstruktive Details. Beanspruchungen
Spannweite der möglichen RMR-Werte definiert Bieniawski der tragenden Teile des Ausbaus.
5 fünf Gebirgsklassen zwischen „sehr gutem Gebirge“ (81–100)
und „sehr schlechtem Gebirge“ (≤ 20/. Tab. 13.5). In einer Das Gebirgsverhalten und damit die Standsicherheit des Bau-
dem Lauffer-Diagramm ähnlichen Verknüpfung werden diese werks ist durch Einmessen des Ausbruchquerschnittes und der
6 Gebirgsklassen über die Stützweite des unterirdischen Hohl- Tunnelröhre während des Vortriebs zu überprüfen. Die Standsi-
raums der Stehzeit zugeordnet. Schneider (2002) betrachtet cherheitsnachweise müssen gegebenenfalls überarbeitet werden.
7 den RMR-Wert Bieniawskis als Weiterentwicklung des Lauffer- Die einzelnen Positionen sind in ZTV-ING, Teil 5, Abschnitt 1
8
Diagramms.
13.2.4 Q-Gebirgsqualitätswert
-
erläutert.
Abschnitt 2 – offene Bauweise
Für die Standsicherheitsnachweise gelten die DIN 1054,
DIN 1055, DIN 4085 und die Empfehlungen des Arbeits-
9 (Rock Quality Value; Barton et al. 1974) kreises Baugruben (EAB). Maßgebend für den rechneri-
schen Standsicherheitsnachweis beim Tunnelbau in offener
10
--
Dieser Wert errechnet sich aus Faktoren für RQD, Kluftschar- Bauweise sind:
zahl, Kluftrauigkeit, Kluftbelag, Kluftflächenverwitterung, Berg- Geometrie des Bauwerks,
wasser und Gebirgsdruck. . Tab. 13.6 enthält eine Zusammen- Einwirkungen aus Auflasten, Wasserdruck, Verkehr,
11
--
stellung für das Ermitteln des Gebirgsqualitätswertes Q nach Temperaturschwankung,
Barton aus Reik und Schneider (1979). Die Methode bezieht Rechenverfahren,
12 sich auf Fallbeispiele im Granit-, Gneis- und Schiefergebirge von Ermitteln der Beanspruchung aus Baugrund, Hinterfül-
-
Schweden und Norwegen. Zum Beschreiben der Gebirgsqua- lung (Erddruck) und Überschüttung und
lität verbindet das System als Faktoren die Kluftkörpergröße, die ingenieurtechnischen Einflüsse aus Baustoffen und
13 die Reibung zwischen den Kluftkörpern und die aktive Ge- Baustoffkennwerten, Bauverfahren, Standsicherheit von
birgsspannung im Verbund mit der Wasserführung. Aus dem Traggerüsten und Schalung, Verformen der Baugru-
14 zahlenmäßigen Bewerten der einzelnen Parameter, welche sich bensicherung sowie Aussagen zum Verformen und zur
im Detail weiter differenzieren lassen (Schneider 2002), ergeben Standsicherheit des Bauwerks.
15 sich Zahlen zwischen 1 und 100, welche Rückschlüsse auf das
Gebirgsverhalten beim unterirdischen Hohlraumbau zulassen Die einzelnen Positionen sind in ZTV-ING, Teil 5, Abschnitt 2
16
17
und das Gebirge hierfür zwischen „sehr schlecht“ und „extrem
gut“ qualifizieren.
-
erläutert.
Abschnitt 3 – Maschinelle Schildvortriebsverfahren
Die Regelung des Abschnitts 3 gilt in Verbindung mit
Abschnitt 1 und regelt den Tunnelbau mit maschinellen
13.3 Standsicherheitsnachweise Schildvortriebsverfahren und den Einsatz von Tunnelvor-
nach ZTV-ING, Teil 5 triebsmaschinen. Der Vortrieb und Abbau im Baugrund/
18 Fels geschieht im Schutze eines Schildes. Für die Standsi-
Nach ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau sind Standsicherheitsnach- cherheitsnachweise gelten die DIN 1054 und DIN EN 1997.
19 weise als Grundlage für das Planen und Bemessen der Tunnel- Maßgebend für den rechnerischen Standsicherheitsnach-
konstruktion und für die Wahl des Ausbruch- und Bauverfah- weis beim Tunnelbau im maschinellen Schildvortriebsver-
20
--
rens gefordert, und dies getrennt nach Abschnitt 1 – geschlossene fahren sind
Bauweise, Abschnitt 2 – offene Bauweise und Abschnitt 3 – ma- Geometrie des Bauwerks,
21
22
-
schinelle Schildvortriebsverfahren.
Abschnitt 1 – geschlossene Bauweise
Maßgebend für den rechnerischen Standsicherheits-
nachweis beim unterirdischen Vortrieb in geschlossener
--
--
Einwirkungen aus Auflasten, Wasserdruck, Verkehr,
Baustoffe und Baustoffkennwerte,
Baugrund und dessen geotechnische Eigenschaften,
Bauverfahren,
-- -
Bauweise sind: Berechnungsverfahren,
Tunnelgeometrie und Öffnungsweite, Sicherheitsbeiwerte.
23
--
Gebirgskenngrößen,
Grundwasser und Grundwasseraggressivität, Die einzelnen Positionen sind in ZTV-ING, Teil 5, Abschn. 3
Primärer Spannungszustand, erläutert.
13.3 • Standsicherheitsnachweise nach ZTV-ING, Teil 5
495 13
.. Tab. 13.4 Einzelparameter zum Bestimmen des RMR-Kennwertes nach Bieniawski (1973); Klassifikationsparameter und ihre Bewertung
Parameter Wertebereich
1 Gesteins- Punktlast- >8 MN m−2 4–3 MN m−2 2–4 MN m−2 1–2 MN m−2 Für diesen niedrigen Bereich wird der einach-
festigkeit index ISRM sige Druckversuch vorgezogen
(1972)
Einachsige 200 MN m−2 100– 50– 25– 10– 3–10 MN m−2 1–3 MN m−2
Druckfes- 200 MN m−2 100 MN m−2 50 MN m−2 25 MN m−2
tigkeit
I1 15 12 7 4 2 1 0
I2 20 17 13 8 3
I3 30 25 20 10 5
4 Zustand der Klüfte Sehr raue Leicht raue Leicht raue Glatte Weiche Kluftfüllung, Kluftöffnung > 5 mm,
Oberfläche, Oberflä- Oberflächen, Oberflächen, Durchgehende Klüfte
nicht durch- chen, harte weiche Kluftöffnun-
gehend, Kluftwan- Kluftwan- gen 1–5 mm,
keine Kluft- dung, Kluf- dung, Kluftfüllung,
öffnung töffnung Kluftöffnung durchge-
< 1 mm 1 mm hende Klüfte
I4 25 20 12 6 0
−1
5 Gebirgs- Zufluss auf Kein Zufluss < 25 l min 25– > 125 l min−1
wasser 10 m Tun- 125 I min−1
nellänge
l5 10 7 4 0
Sehr Günstig Mäßig gut Ungünstig Sehr ungüns- Mäßig gut Günstig
günstig tig
1 .. Tab. 13.5 Klassifikation von Fels nach dem RMR-Gebirgskennwert (Bieniawski 1973), Definition und Bedeutung der Gebirgsklassen. Der RMR-Ge-
birgskennwert ist die Summe aus den sechs Einzelparametern I1 bis I6 nach . Tab. 13.4
3 Klasse l II III IV V
Beschreibung Sehr guter Fels Guter Fels Mäßig guter Fels Schlechter Fels Sehr schlechter Fels
Klasse l II III IV V
5 Durchschnittliche 10 Jahre bei 5 m 6 Monate bei 4 m 1 Woche bei 3 m 5 h bei 1,5 m Spann- 10 min bei 0,5 m
Standzeit Spannweite Spannweite Spannweite weite Spannweite
8 .. Tab. 13.6 Ermitteln des Gebirgsqualitätswertes Q und Gewichten der Einflussfaktoren. (Nach Barton et al. 1974)
9 Klassifikationskennwerte,
mit Bereichen
RQD Zahl für Kluftrauigkeit (Jr) Abminderung für Gebirgswasser
(Jw)
11 Zahl der Kluftscharen (Jn) Zahl für Beschaffenheit der Kluftflä- Spannungsabminderungsfaktor
chenwandungen (Ja) (SRF)
12 Wenig Klüfte = 1
Drei Kluftscharen = 9
Unzers. Kluftflächenwandungen 1
Etwas zersetzte Kluftbelege 3
Günstige Verhältnisse < 2
Offene Klüfte, Scherzonen 3
Zerbrochenes Gebirge = 20 Dicke Tonzwischenschichten > 10 Druckhaftes Gebirge > 10
13 Gebirgsqualität Kluftkörpergröße Scherfestigkeit zwischen Kluftkör- Aktive Spannungen
pern
14 Q
=
RQD
Jr
Jw
Jn Ja SRF
15 Tunnelbauverhältnisse Q
Sehr schlecht ≤ 1 200 ≥ RQDJn > 0,5 4 ≥ JrJa ≥ 0,02 1 ≥ JwSRF ≥ 0,05
16 Mäßig gut 4–10
Extrem gut > 100
17
13.4 Vortriebs- und Ausbruchklassen bestandteile. Über eine Bandbreite sind mögliche Abweichungen
für das Ausschreiben und Vergeben zu definieren.
18 von Tunnelbauarbeiten
19 Unter der Bezeichnung „Vortriebsklasse“ oder „Ausbruchklasse“ 13.4.1 Vortriebsklassen nach DIN 18312: 2012
werden die Untertagebauarbeiten in Bezug auf die Vertragsge-
20 staltung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer definiert. Die ATV-Norm DIN 18312: 2012 gilt für das Herstellen un-
Nach Leitner (2004) wird die Leistungsbeschreibung zu einer tertägiger Hohlräume (Stollen, Tunnel, Kavernen, Schächte),
funktionalen Ausschreibung mit vorgegebenem Leistungspro- welche nicht unmittelbar dem Gewinnen von Bodenschätzen
21 gramm. Über die Vortriebsklasse sind der Material- und Arbeits- dienen. Das Herstellen der Hohlräume umfasst den Ausbruch
aufwand beim Bohren (Abschlagslängen), Sprengen, Schuttern (Lösen, Laden und Fördern) und das Sichern des Hohlraumes.
22 und beim Sichern des freigelegten Hohlraums festgelegt. Eine Die Norm unterscheidet zwischen Allgemeinen Vortriebsklas-
mögliche Änderung der Vortriebsart ist nicht vorgesehen. Zwar sen (V), Vortriebsklassen für Tunnelbohrmaschinen (TBM) und
sind Geologie und Gebirgsverhalten aus der Werkvertragsnorm Vortriebsklassen für Schildmaschinen (SM).
23 herausgenommen, dennoch sind die detaillierte Kenntnis der Die Vortriebsklassen (veraltete Bezeichnung: Ausbruchklassen
geologischen Verhältnisse und die hierauf aufbauende (zutref- nach Standardleistungsbuch StLB 007:2006 – Untertagebauarbei-
fende) Voraussage zum Gebirgsverhalten bestimmende Vertrags- ten) beziehen sich auf die technisch erforderlichen Maßnahmen,
13.4 • Vortriebs- und Ausbruchklassen für das Ausschreiben und Vergeben von Tunnelbauarbeiten
497 13
-
Allgemeine Vortriebsklassen:
Vortriebsklasse 1 (standfestes Gebirge)
für deren Durchführung das Lösen unterbrochen werden
muss.
-
mit dem Bauverfahren so eingebaut werden kann, dass
Lösen und Laden nicht behindert werden.
Vortriebsklasse 3 (nachbrüchiges Gebirge) - Ausbruch, der kein Stützen der Ortsbrust erfordert.
Vortriebsklasse SM 2
Ausbruch, der eine teilweises Stützen der Ortsbrust erfor-
Ausbruch, der eine in geringem Abstand zur Ortsbrust bzw.
Firste folgende Sicherung erfordert, für deren Einbau Lösen
- dert.
Vortriebsklasse SM 3
- tes erfordert.
Vortriebsklasse 5 (stark gebräches Gebirge)
Ausbruch, der eine unmittelbar folgende Sicherung ein-
fikation der Vortriebsarbeiten sowohl für Fels wie auch für
Lockergestein aufgeführt, das auf der Grundlage der VOB,
DIN 18312 basiert. Es werden dabei auch Klassen für den
- tes erfordert.
Vortriebsklasse 6 (druckhaftes Gebirge)
Ausbruch, der eine unmittelbar folgende und voreilende
sondern auch das Sichern zählt. Eine projektbezogene weitere
Klassenunterteilung wird empfohlen.
Auf jedem Fall muss für jedes Projekt eine Klassifizierung
- Sicherung erfordert.
Vortriebsklasse 6A
Ausbruch nach Vortriebsklasse 6, der aus Gründen der
Standsicherheit eine Unterteilung des Ausbruchquerschnit-
durchgeführt werden, welche die spezifischen geologischen Ver-
hältnisse genauso berücksichtigt wie die gewählte Tunnelbau-
weise und deren Ausbruch- und Sicherungsmethode.
Die Darstellung eines Beispiels für eine Ausbruchklasse
- tes erfordert.
Vortriebsklasse 7 (fließendes Gebirge)
Ausbruch, der eine unmittelbar folgende Sicherung ein-
schließlich der Ortsbrust sowie eine voreilende Sicherung
(. Abb. 13.6) wurde der ZTV-Tunnel, Teil 1 (1995) entnom-
men und basiert auf der Grundlage der DIN 18312 der VOB.
Die gleiche Abbildung ist auch in ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau –
Abschnitt 1 (2012) enthalten. Ähnliche Klassifikationen wurden
- erfordert.
Vortriebsklasse 7A
Ausbruch nach Vortriebsklasse 7, der aus Gründen der
Standsicherheit eine Unterteilung des Ausbruchquerschnit-
in der Schweiz und in Österreich erarbeitet.
-
Vortriebsklassen für den Vortrieb mit Tunnelbohrmaschinen (TBM):
Vortriebsklasse TBM 1 (standfestes Gebirge)
Ausbruchklassen AK 1 bis AK 5 zuzuordnen (Grimscheid 2008,
2013, Anagnostou & Ehrbar (Hrsg.) 2013). Nachstehende Auf-
-
Ausbruch, der eine Sicherung erfordert, deren Einbau das
Lösen nicht behindert.
- Einbau der Ausbruchsicherung kaum behindert.
AK 2: Der Vortrieb wird durch anfallende Arbeiten für den
Vortriebsklasse TBM 3 (nachbrüchiges Gebirge)
Ausbruch, der eine Sicherung unmittelbar hinter der Ma-
schine oder bereits im Maschinenbereich erfordert, deren
Einbau das Lösen behindert.
- Einbau der Ausbruchsicherung leicht/wenig behindert.
AK 3: Der Vortrieb wird durch anfallende Arbeiten für den
Einbau der Ausbruchsicherung erheblich behindert. Die
Abschlaglänge liegt bei 3–4 m.
498 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
.. Abb. 13.6 Beispiel für eine Ausbruchklasse aus der „Zusätzlichen Technischen Vorschrift ZTV-Tunnel, Teil 1“ (1995; B 5330). Wiedergegeben mit freundlicher
23 Genehmigung des Verkehrsblatt-Verlages
13.5 • Gebirgsdruck im Umfeld frisch ausgebrochener unterirdischer Hohlräume
499 13
-- Ausbruchsgeschwindigkeit;
Ausbruchsquerschnitt;
-
schen Vortrieb unterteilt in:
Gebirgstyp A (standfestes bis nachbrüchiges Gebirge) mit
Restspannungen.
Ausbruchsquerschnitt möglich. In nachbrechendem und weniger Die Spannungsverteilung in dem die Tunnelröhre umgebenden
standfestem Gebirge ist ein runder Querschnitt angebracht. Der Gebirge lässt sich über die unter Druck im Kristallsystem emit-
Tunnel wird statisch als Röhre betrachtet und ausgebaut. Diese tierten elektromagnetischen Wellen mit dem Cereskop ausmes-
geschlossene Röhre und der sie umgebende Tragring stellen eine sen und darstellen (▶ Abschn. 1.9.5, . Abb. 1.46 bis 1.48).
500 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
rasch auftreten, dass er auch bei Anwendung moderner Siche- Im württembergischen Gipskeuper werden Sohlhebungen nur
rungstechniken nicht ohne Mehrkosten zu bewältigen ist. Da der unterhalb des Anhydritspiegels beobachtet. Im Gebirge wird zwi-
Auflockerungsdruck zeitabhängig ist, ist die Frage der arbeitsbe- schen einem Anhydrit- und einem Gipsspiegel unterschieden,
dingten Beeinflussung stets gewissenhaft zu prüfen. wobei beide in etwa parallel verlaufen und einen Abstand von
ca. 10 m haben. Oberhalb des Gipsspiegels besteht das ehemals
zz Auflockerungsdruck als Folge der Arbeitsvorgänge gips- und anhydritführende Gestein aus Residualtonen. Dies ist
Ein nicht gebirgsschonender Ausbruch, z. B. beim Verwenden ein scherbig zerbrochenes, bei rezenten Auflösungserscheinun-
überstarker Sprengsätze, sowie ein zu spät eingebrachter oder gen aufgequollenes, stark wasserhaltiges Tongestein.
falscher bzw. unwirksamer Verbau/Bauzustand führen zu einer Unterhalb des Gipsspiegels ist aller Anhydrit zu Gips umge-
vermeidbaren Auflockerung des Gebirges mit entsprechenden wandelt. Dabei ist der Schichtverband in sich teilweise vollstän-
Druckerscheinungen. In bankig aufgebauten Gesteinsformati- dig erhalten, teilweise durch Volumenzunahme auseinanderge-
onen (Kalkstein, Sandstein, Granit) mit ebener Schicht- oder drückt, oder der Gips ist schlierenartig oder als Fasergips auf
Banklagerung kann dies zur Auflockerung in den vertikal ange- Trennflächen abgesondert. Unterhalb des Anhydritspiegels ist
ordneten Trennflächen und zum Herausbrechen und Herausfal- der ursprüngliche Schichtverband vollständig erhalten.
len von großen Kluftkörpern/Gesteinsblöcken führen. Auch in Die Wasserführung im Gebirge ist ohne die Störwirkung
dem mit Spritzbeton gesicherten Bauzustand kann hoher Auf- durch den Tunnelbau auf die Zonen des Gipsspiegels beschränkt.
lockerungsdruck auftreten. Tritt man der Auflockerung nicht Durch die Auflockerung des Gebirges wird die Wasserwegsam-
wirksam entgegen, führt dies zum „Verbruch“ oder, wenn dieser keit heraufgesetzt. Weitere Wässer werden mit der Luft und mit
als Pinge die Oberfläche erreicht, zum „Tagbruch“. dem Verkehr an die wasserempfindlichen anhydrithaltigen Ge-
steine herangeführt.
zz Zusätzliche aktive Druckwirkungen gegen den Die Erscheinungsform der Sohlhebung ist in . Abb. 13.8 dar-
Hohlraum als Quetschdruck, Fließdruck oder Blähdruck gestellt. Der Verlauf der Sohlhebungen dauert über Jahrzehnte an.
Quetschdruck entsteht als Folge der Bildung von Scherzonen in Dabei ist eine langsam abnehmende Tendenz erkennbar. Bei feh-
einem elastischen Gebirge. lendem Sohlgewölbe nimmt die Intensität der Sohlhebungen mit
Fließdruck liegt in plastischem oder rolligem Gebirge vor und zunehmendem Ausbruchsquerschnitt zu. Dabei reicht die Ein-
äußert sich ähnlich wie der Auflockerungsdruck. Gefürchtet sind flusszone unter der Sohle bis in eine Tiefe, die der Ausbruchsbreite
Böden wie Sand, Kies oder tektonische Breccien (Zerreibungsbrec- entspricht. Im Ulmen- und Firstenbereich ist die Auflockerung
cien) ohne oder mit nur wenig feinkörnigen Anteilen. Das „schwim- gering. Die größte Auflockerung beobachtet man unter der Tun-
mende Gebirge“ übt auf den Verbau einen Druck, vergleichbar mit nelachse. Vom seitlichen Widerlager zur Tunnelachse hin nimmt
einem Flüssigkeitsdruck, aus und ist schwierig zu verbauen. Durch die Auflockerung des Untergrundes zu. In diesem Bereich können
kleinste Löcher dringt der Gesteinsbrei in den Hohlraum hinein. alle ehemaligen Anhydritanteile in Gips umgewandelt sein.
Blähdruck ist der Oberbegriff für alle Gebirgsdruckphäno- Eine Voraussage von Sohldrücken bzw. Sohlhebungen bei
mene, die durch Volumenzunahme des Gesteins verursacht wer- fehlendem Ringschluss ist quantitativ wie auch zeitlich nicht
den (Müller-Salzburg 1978).
Beim Quelldruck resultiert die Volumenzunahme aus der Was-
seraufnahme der Tonminerale. Dabei werden Drücke in der Grö- --
möglich. Folgende Faktoren gehen mit ein:
Lage zum Anhydrit- und Gipsspiegel;
Vorhandensein von veränderlich festen Tongesteinen in der
ßenordnung von 0,2 MN m−2 vermutet (Gipskeuper; Spaun 1979).
Die Gefahr des Quelldruckes besteht bei allen Tongesteinen
- Sohle;
Vorhandensein fester Gesteinsbänke wie Kalkstein oder
und bei tonhaltigen veränderlich festen Gesteinen, also bei über-
konsolidierten Ton- und Mergelgesteinen. Hierbei wirkt eine
- Dolomitstein in der Sohle;
Verteilung der Minerale Anhydrit, Gips, Illit, Corrensit
Entlastungsdeformation in gleicher Richtung wie die Wasserauf-
nahme. Durch den Quellvorgang wird die Scherfestigkeit der stark
-- u. a.;
hydrologische Gegebenheiten;
vorbelasteten Tonsteine herabgesetzt. Beim Tunnelbau im Keuper
Württembergs wurde im Bereich von Sohlhebungen am Widerla-
- Größe des Querschnitts;
Art des Ausbaus und der Sohlsicherung.
--
ger in rein tonigen Gesteinen folgende Auflockerung beobachtet:
Dichte: von 2,6 t m−3 zu 2,0 t m−3;
Wassergehalt: von 6-7 % zu 18-20 %.
Das mögliche Ausmaß der Hebungen liegt zwischen 0 und 5 m,
wobei der querschnittsabhängige beteiligte Bereich etwa 3–7 m
unter die Sohle reicht. Gleichzeitig mit der Sohlhebung kann
Schwelldruck (Umwandlungsdruck) ist in den häufigsten eine Widerlagerverengung in der Größenordnung von einigen
Fällen an die Umwandlung von Anhydrit (CaSO4) in Gips Dezimetern eintreten.
(CaSO4 · 2H2O) gebunden, welche mit einer Volumenzunahme Die Sohlhebungen verursachen erhebliche Kosten. Der Kap-
von rund 60 % verbunden ist. Die gemessenen Drücke liegen in pelsberg-Tunnel bei Gaildorf (Württemberg, Fertigstellung 1880)
der Größenordnung von 1,3–3,8 MN m−2. durchfährt „Dunkle Mergel“, Bochinger Horizont und Grund-
Umwandlungsdrücke können auch von Pyrit und Augit aus- gipsschichten. Sulfatgesteine sind auf einige wenige Bänke be-
gehen. schränkt, deren Mächtigkeiten zwischen 0,25 und 1,0 m schwan-
Die im Tunnelbau gefürchtete Erscheinung von Blähdrü- ken. Im Schienenniveau betrugen die Hebungen anfänglich 25 cm
cken äußert sich durch Sohlhebungen bzw. durch Sohldrücke. pro Jahr. Während der ersten sieben Betriebsjahre musste die
502 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
2
3
4
5
6
7
--
8
Sohle jährlich einmal nachgerissen werden. Insgesamt wurden Einbau eines verstärkten Sohlgewölbes – Widerstandsprinzip.
9 19 Gleisabsenkungen vorgenommen. Es ergibt sich eine Gesamt- Einbau einer Systemverankerung zum Stabilisieren der
10
hebung in der Größenordnung von 4,70 m in einem Zeitraum von
100 Jahren. Danach betrugen die jährlichen Sohlhebungen noch
etwa 1 cm pro Jahr. Mit der Sohlhebung ist eine Verengung des
Widerlagers und eine Gewölbeverdrückung gegeben.
- Sohle in Kombination mit dem Widerstandsprinzip.
Einbau eines freien Raumes zwischen der ausgebrochenen
Tunnelsohle und der widerstandsfähig ausgebauten Sohle
von Fahrbahn und Tunnelröhre In diesen freien begehba-
11 Um Schäden durch Sohlhebung zu vermeiden, sollten zu- ren Raum kann die schwellende Boden- und Gesteinsmasse
nächst im Planungsstadium Trassenvarianten gesucht werden, hineindrängen. Der Raum kann von Zeit zu Zeit beräumt
12
13
die keine schwellfähigen Gesteine durchqueren. Dabei ist der An-
hydritspiegel genau auszukartieren und nach Möglichkeit eine
Trasse oberhalb des Anhydritspiegels zu wählen. Andererseits
ist es günstig, wenn im Sohlbereich eine in der Festigkeit unver-
- werden (Ausweichprinzip).
Einbau einer Knautschzone in einen freien Raum zwischen
der widerstandsfähig ausgebauten Sohle der Fahrbahn und
Tunnelröhre und einer stabilisierten (verankerten) Beton-
änderliche, kompakte Gesteinsbank verläuft. platte (Unterbau) über der ausgebrochenen Tunnelsohle. In
14 Die Quell- und Schwellfähigkeit des Gesteins ist im Voraus zu den freien Raum werden zwischen dem Unterbau und der
untersuchen. Wo Sohlhebungen zu befürchten sind, ist der Tun- eigentlichen Tunnelkonstruktion modulare Knautschele-
15
16
nel als geschlossene Röhre zu planen und fest mit dem Gebirge
zu verankern. Beim Vortrieb ist auf gebirgsschonenden Abbau
zu achten und nach Möglichkeit der maschinelle Vortrieb an-
zuraten. Das Gebirge ist sorgsam vor Wasser zu schützen, und
-- mente eingebaut (Knautschzonenprinzip).
Kombination von Widerstandsprinzip und Ausweichprinzip.
Kombination von Widerstandsprinzip und Knautschzonen-
prinzip.
es ist besonders darauf zu achten, dass kein Wasser aus den Por-
17 talzonen in die Blähstrecke hineingerät. Hierfür sind besondere Für Blähstrecken ist ein dicht angelegtes Kontroll-Messsystem
Abdichtungen vorzusehen. Der Spritzbeton ist sofort nach dem vorzusehen; insbesondere sind Druck-Messdosen im Kontakt-
Ausbruch einzubringen. Die Felsankerung hat besonders in der bereich zwischen Gebirge und Spritzbeton erforderlich.
18 Sohle den Zweck zu erfüllen, dass die Sohle unter Vorspannung Eine zusammenfassende Darstellung der Probleme aus Würt-
aktiv verankert wird. Die Haftstrecke der Anker ist unterhalb des temberg wird von Henke et al. (1975) in der Publikation des
19 möglichen Schwellbereiches vorzusehen. Für die Blähstrecken Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr „Sohlhe-
kann keine absolute Dimensionierungsgrundlage im Voraus ge- bungen beim Tunnelbau im Gipskeuper“ gegeben. Weitere Ver-
20 geben werden. Die Ausschreibung muss hier verschiedene Even- öffentlichungen zum Tunnelbau in quellfähigem Gebirge liegen
tualposten zur Verstärkung der Sohle vorsehen. u. a. vor von Kirschke (1996), Paul und Wichter (1996), Fecker
Konstruktive Maßnahmen gegen Sohlhebung beim Schwel- (1996), Beck (1998), von Wittke-Gattermann und Wittke (2000),
21 len des Gebirges können nach Kovàri 1987 und Anagnostou 2007 Eichler (2006), Grimscheid (2012), Wittke et al. (2014).
22
-
u. a. sein:
Verlangsamen des Schwellvorganges durch absolute Tro-
wesentlich vom Ausbauwiderstand beeinflusst. Man unterschei- des Gebirges durch Anker zum besseren Abtragen von
-
det zwischen:
Spannungsverteilung bei einem passiv wirkenden Ausbauwi-
Schub-, Zug-, und Scherspannungen oder Einbringen eines
provisorischen Verbaus (Zimmerung) als Stütze gegen den
derstand
Hierbei drängt das Gebirge in den Hohlraum hinein
und legt sich auf den eingebrachten Verbau oder Ausbau
(Türstock, Stahlbogen, Verzugsdielen, Spritzbetonschale,
- Auflockerungsdruck (vgl. ▶ Abschn. 13.8).
Ausbau
Einbringen des endgültigen Ausbaus bzw. der endgültigen
Innenverkleidung.
- Stahlbetonausbau) auf.
Spannungsverteilung bei einem aktiv wirkenden Ausbauwi-
derstand
In Abhängigkeit von der geologischen Situation und von der
Art und Größe des Tunnelbauvorhabens erfolgt die Arbeit beim
Beim Verwenden von Gebirgsankern können vorgespannte
Anker eingebracht werden. Die Zugkräfte setzen tief im
--
Vortrieb:
manuell mit Pickel, Schlägel und Eisen;
vom Tunnelvortrieb unveränderten und unbeeinflussten
Gebirge an. Die damit eingebrachte Vorspannung wirkt
-- manuell mit Pressluftspaten und Abbauhammer;
durch Bohren und Sprengen;
-
der Spannungsverteilung rund um den neugeschaffenen
Hohlraum entgegen.
Spannungsverteilung infolge Füllungsdruck
Beim Betrieb von Leitungsstollen ist mit Innendrücken zu
- durch den Einsatz von Teil- und Vollschnittmaschinen;
durch den Einsatz von Hydraulik-Baggern.
-
det man folgende Bauleistungen:
Ausbruch Technische Faktoren, die eine Gebirgsauflockerung begünstigen,
Bohren – Laden – Sprengen – Bewettern (Lüften) – Absi-
chern der Ortsbrust und Ablauten des Gesteins (Säubern
--
sind:
zu spät eingebrachte Sicherung;
-
der Ausbruchsfläche vom gelockerten Gestein) – Schutte-
rung (Laden und Abfahren des Haufwerks).
--
eingesetzte Sprengstoffmenge;
ungünstige Einbruchsart (Bohrschema);
Sichern
Einbringen einer Oberflächenverstärkung mit Spritzbe-
ton und Stahlbögen und einer nachträglichen Bewehrung --
große Abschlagtiefen;
ungeeignete Sicherung;
großer Tunnelquerschnitt.
504 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
--
18 Ausbildung der Schichtflächen); In Abhängigkeit von der Zeit und der Spannweite des Tunnels
Kluftabstand, Klufthäufigkeit; kommt dem Gebirge eine bestimmte Stehzeit zu. Ohne wirksame
--
19 Durchtrennungsgrad der Klüfte; Sicherung verbricht das Gebirge nach Ablauf dieser Stehzeit (▶ Ab-
Öffnungsweite der Klüfte und Kluftfüllung; schn. 13.2.1; Gebirgsklassifikation nach Lauffer 1958, 1988). Im
20
--
Beschaffenheit der Kluftflächen (Rauigkeit);
Wasserempfindlichkeit und Quellvermögen der Gesteine;
Rahmen einer solchen Klassifizierung und Ausschreibung ist die
Sicherung zum Verhindern fortschreitender Auflockerung mög-
21
22
--
Gebirgsdruck;
Gesteinsfestigkeit;
Störungszonen.
lichst rasch nach dem Ausbruch einzubringen. Mehrausbrüche, die
nach Ablauf einer bestimmten Standzeit eintreten, sind technisch
bedingt und entsprechend zu bewerten. Auch treten Nachbrüche
auf, wenn der Hohlraum nur unvollkommen verbaut bzw. gesi-
Da in der Praxis nicht der einzelne Fall, sondern das Zusammen- chert ist. Bei stark zersetztem und aufgelockertem Gebirge hängt
wirken mehrerer Faktoren zum Mehrausbruch führt, wird wohl der Mehrausbruch von der Anpassungsfähigkeit der technischen
23 stets ein nachträgliches Beurteilen des Mehrausbruches durch den Mittel und von der Bauweise, und weniger von der Geologie ab.
Geologen erforderlich sein. Im Rahmen der Voruntersuchung (z. B. Bei hoher Gesteinsfestigkeit bestimmt die Lage der Klüfte
für die Ausschreibung) werden die im Tunnel anzutreffenden Ge- die Ausbruchsform, bei geringer Gesteinsfestigkeit bestimmt die
13.6 • Tunnelbau in Festgestein
505 13
.. Abb. 13.10 Anordnung der
Bohrlöcher und der Zündfolge beim
Brennereinbruch. (Maidl 1984)
Lage der Bohrlöcher die Ausbruchsform. Mehrausbrüche, die bei plastisch verformbaren und geklüfteten Gesteinen Entspannun-
den durch die Klüftigkeit bedingten Ausbruch überschreiten, gen ein, die zu einer Verformung des Gebirges führen.
sind technisch vermeidbar. Als Gegenmaßnahmen können Entspannungsbohrungen,
Der geologisch bedingte Mehrausbruch wird durch mehrere Anker, Entspannungsschüsse, Hochdrucktränkung, rechtzeitiger
Faktoren und durch deren gegenseitige Überlagerung verursacht. Verbau mit Stahlbögen, Beeinflussen des Spannungszustandes
Eine genaue Voraussage ist gewöhnlich nicht möglich. Man wird und Ändern der Sprengtechnik angesetzt werden.
im Rahmen der Voruntersuchung schon auf die endgültige Beur-
teilung des geologisch bedingten und arbeitstechnisch bedingten
Mehrausbruchs nach Auffahren des Tunnels hinweisen. Eine sol- 13.6.2 Sprengvortrieb
che endgültige Beurteilung wird im Rahmen einer Tunneldoku-
mentation erarbeitet. Für erfolgreiches Sprengen ist die Wahl des Bohrbildes, also die
Dem geologisch bedingten Mehrausbruch können techni- Anordnung und Zündfolge der Bohrlöcher, von Bedeutung. Da-
sche Maßnahmen entgegengestellt werden, die den Mehraus- bei ist der einzelne Schuss so anzuordnen, dass er für den Fol-
bruch vermindern. Standfestigkeit und Mehrausbruch werden geschuss die Gesteinsverspannung mindert und einen Einbruch
durch die Streichrichtung der Großklüfte, Verwerfungen und bewirkt. Man unterscheidet zwei Gruppen von Einbruchsarten.
Ruschelzonen und eine dazu ungünstig liegende Ausrichtung
des Tunnels stark beeinflusst. Eine Änderung der Ausrichtung ist zz Paralleleinbruch
zu überprüfen. Die Querschnittsform kann dem vorherrschen- Die zuerst gezündeten Schüsse wirken auf den Leerraum nicht
den Kluftsystem mehr oder weniger angepasst sein und somit geladener Bohrlöcher (Ausdehnungslöcher). Erst später gezün-
Mehrausbrüche gering halten. So bieten sich in grobgebanktem dete, schräg nach innen angesetzte Schussgruppen werfen das
und weitständig geklüftetem Sandstein, Kalkstein und Dolomit gesprengte Material heraus.
rechtwinklige Querschnittprofile an, während bei Tonschiefern Zu den Paralleleinbrüchen gehört der Brennereinbruch
(weiches Gebirge) oder bei mehreren Kluftscharen, die die Stand- (. Abb. 13.10). Die Bohrlöcher werden parallel zur Streckenachse
festigkeit bedingen, runde bis ovale Tunnelprofile günstig sind. in einer bestimmten Anordnung im Sprengzentrum der Ortsbrust
8–10 cm nebeneinanderliegend gebohrt. Alle Bohrlöcher haben
zz Bergschläge den gleichen Durchmesser, jedoch werden einige Bohrlöcher zum
Eine besondere Gefahr für den Berg- und Tunnelbau sind Berg- Teil nicht geladen. Zur Zündung sind sowohl Millisekunden- als
oder Gebirgsschläge (Knoll et al. 1980, Grimscheid 2008). Dabei auch Halbsekundenzünder geeignet. Bei Abschlaglängen über
lösen sich tonnenschwere Gesteinspartien in Linsen oder flachen 3,25 m ist der Brennereinbruch dem Schrägeinbruch überlegen.
Schalen schlagartig und mit lautem Knall von den Wänden, be- Er wird in mittelhartem Gestein angewendet.
sonders den Ulmen, und werden in den Hohlraum geschleudert.
Bergschläge sind eine große Bedrohung für den Bergmann. Sie zz Schrägeinbruch
treten bei hohem Gebirgsdruck mit hohen Spannungsanisotropien So werden Einbrüche genannt, bei denen die Bohrlöcher schräg
(σmin / σmax > 5) in massigen, ungeschichteten spröden Gesteinen zur Vortriebsrichtung oder zur vorhandenen freien Fläche oder
ohne oder mit nur schwach ausgebildeter Klüftung oder Schieferung zur Lösefläche im Gestein angeordnet sind. Der hierzu zählende
auf. Die Höhe des Überlagerungsdruckes ist nicht ausschlaggebend. Kegeleinbruch (. Abb. 13.11) zeichnet sich dadurch aus, dass das
Unter den auslösenden Faktoren lassen sich neben gesteinsbeding- beim Sprengen gelöste Material in den Stollen geschleudert wird.
ten und gefügebedingten Ursachen (Sprödigkeit bzw. Schichtung, Für den Kegeleinbruch, auch Deutscher Einbruch genannt, wer-
Klüftung, Schieferung) noch spannungsbedingte Ursachen unter- den die Bohrlöcher auf der freien Fläche kreisförmig angeordnet.
scheiden. Während massige und spröde Gesteine bei entsprechend Der Abstand der Bohrlöcher soll im Bohrlochtiefsten 15 cm nicht
ungünstigen Spannungsverhältnissen zum Bergschlag neigen, treten überschreiten.
506 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
2
3
4
5
6
7
Das Erweitern des Einbruches erfolgt durch Folgeschüsse, die
- Granit, Quarzit, Basalt, Grauwacke:
-
8 Helferschüsse, Kranzschüsse, Eck- und Randschüsse. Das ver- 25–40 cm min−1;
wendete Bohrbild und die gewählte Abschlagtiefe sollten sich an Kalkstein, Sandstein, Gneis, harte Schiefer:
9 der Gebirgsfestigkeit sowie an der Lage, Öffnungsweite und Häu-
figkeit der vorhandenen Klüfte (Zerklüftungsgrad) orientieren.
- 40–60 cm min−1;
weiche Sandsteine, Tonschiefer, Mergelsteine:
10
-- Man wähle bei
kluftfreiem, standfestem Gestein: tiefe Bohrlöcher;
60–400 cm min−1.
11
-- weitständig geklüftetem Gestein: mitteltiefe Bohrlöcher;
engständig geklüftetem Gestein: flache Bohrlöcher;
zähem Gestein (z. B. Kalkstein): flache Bohrlöcher mit
Moderne elektrohydraulische Bohrwagen haben nach Messun-
gen von Graetz (1995) in weichem Sandstein bereits Bohrfort-
schritte bis zu 4 m min−1 erreicht.
12
13
- größerem Bohrlochdurchmesser;
sprödem Gestein (z. B. Quarz und quarzreiche Felsge-
steine): kleinere Bohrlochdurchmesser.
Die Bohrwagen können von angelernten Arbeitern bedient
werden. Im Gegensatz dazu wurde vom Bergmann oder Mineur
zur Zeit des klassischen Eisenbahntunnelbaus im 19. Jahrhundert
die Fähigkeit und Kenntnis für ein individuelles, gefügebezogenes
Für den Vortrieb und die Sprengtechnik ist eine steile Lagerung Abbohren verlangt. Es ist ein besonderes Phänomen, dass trotz be-
14 mit Streichen senkrecht zur Vortriebsrichtung günstig. deutender Erfindungen für ein vollmechanisiertes Abbohren, ein
Ungünstig ist der Vortrieb bei steiler Lagerung und zur Vor- vollmaschinelles Laden und Abfahren des Sprengschuttes (Schutte-
15 triebsrichtung paralleler Streichrichtung der offenen Trennfugen. rung) und ein weitgehend maschinell durchgeführtes Verbausystem
Schussempfindlich sind Gipgsgesteine. Stini (1950) empfiehlt, (Spritzbeton) die wirklich erreichten Vortriebsleistungen im moder-
zwischen den einzelnen Schüssen Pausen (bis 30 s) einzuhalten. nen Tunnelbau nicht wesentlich größer sind als im 19. Jahrhundert.
16 Die Abschlagslängen sollten den halben Durchmesser des Beim Sprengen wird das Gebirge aufgelockert. Diese Auflo-
auszubrechenden Stollens bzw. Tunnels nicht übersteigen. Bei ckerung beruht auf der Spannungskonzentration und Erschütte-
17 großen Tunnelquerschnitten (Montblanc-Tunnel) werden Ab- rung, auf der Verringerung der Reibung im Trennflächengefüge
schlagtiefen von 4–5 m gewählt. Bei kleineren Stollen liegen die und auf der Erhöhung des Durchtrennungsgrades. Dabei kann
Abschlagtiefen bei ca. 1 m. Als günstiges Mittelmaß gelten Ab- die Auflockerung bis zu 30 m tief in den Fels reichen. Beson-
18 schlaglängen von 2 m. ders nachteilig für die Gebirgsfestigkeit ist das Verwenden von
Die Bohrarbeiten werden beim mechanisierten Vortrieb großen Sprengstoffmengen in großkalibrigen Bohrlöchern bei
19 (Ausbruch im ganzen Querschnitt) durch den Einsatz von Bohr- weiten Bohrlochabständen. Das Verwenden größerer Patronen-
20
gerüstwagen mit schweren Bohrhämmern ausgeführt. Zuneh-
mend werden leistungsstarke Großbohrwagen mit mehreren
--
durchmesser lässt folgende Vorteile erkennen:
geringe Bohrlochzahl;
hydraulisch bewegbaren Bohrlafetten und elektrohydraulischer
Bohrausrüstung mit Luft- oder Wasserspülung eingesetzt. Hier-
-- Zeitersparnis;
Vergrößern der Bohrlochabstände;
-
21 bei wird auf einen gleichmäßigen Takt der Vortriebsarbeiten und größere Sprengkraft der Ladung;
weniger auf die geologische Besonderheit der Klüftung beim größere Wirtschaftlichkeit des Vortriebes.
22 Bohrvorgang geachtet. Dabei entstehender Schaden infolge Ge-
birgsauflockerung und Mehrausbruch wird durch bessere Vor- Verwendet werden Patronendurchmesser zwischen 22 und
triebsleistungen ausgeglichen. 40 mm, gelegentlich auch 50 mm (Wild 1984).
23 Beim Einsatz vollmechanischer Bohrwagen (Bohrlafetten Eine gebirgsschonende Sprengtechnik bietet das Vorspalten
mit Vorschubvorrichtung und hohem Anpressdruck) werden (Wirth 1968, Wilmers 1982; Abschn. 5.3.3). Hierbei wird vor dem
folgende Bohrfortschritte erreicht: Ausbruch die Randzone abgebohrt, wobei nur geringe Abstände
13.6 • Tunnelbau in Festgestein
507 13
.. Abb. 13.12 Schematische Darstellung für den Tunnelvortrieb mit Teilschnitt- und Vollschnittmaschinen. a–c Mit einem Querschneidkopf, d Vollschnittma-
schine, e Erweiterungsmaschine. (Umgezeichnet nach Menzel und Freyno 1981 sowie Eistert 1982, entnommen aus Wittke 1982)
zwischen den Bohrlöchern bestehen. Diese Bohrlöcher werden Lösewerkzeuge sind an einem schwenkbaren Ausleger auf ei-
nur schwach geladen, und die Ladung wird über die Bohrloch- nem Raupenfahrzeug befestigt, der die Ortsbrust bestreicht.
länge gestreckt. Beim Sprengvorgang wird ein Perforationseffekt Der Schneidkopf kann parallel oder quer zur Vortriebsrichtung
erzielt. Anschließend wird der Ausbruch im herkömmlichen angebracht sein (. Abb. 13.12b, c). Die Schneidwerkzeuge sind
Sprengverfahren durchgeführt. dem aufzubrechenden Gestein anzupassen. Es ist das Ziel, bei
Beim Abspalten wird das Profil durch das Zünden der La- günstigem Bohrfortschritt den Verschleiß möglichst niedrig zu
dung der in der Randzone im geringen Abstand abgebohrten halten. Im geologischen Bericht sind hierzu Aussagen zu treffen.
Löcher nach der eigentlichen Abtragssprengung hergestellt. Die
Bohrlöcher erhalten in gleicher Weise wie beim Vorspalten eine
gestreckte und gegen die Bohrlochwand abgepufferte Ladesäule.
Das Zünden der Ladung geschieht mit der letzten Zünderzeit-
-
Unterschieden wird zwischen
Schneidzähnen – Werkzeuge mit starrer Schneide, deren
Längsseite zur Peripherie des Bohrkopfes ausgerichtet ist.
Sie eignen sich zum Aufbrechen/Aufschneiden von Ton
stufe eines Abschlages. stein, wenig verfestigtem Mergelstein und tonig gebunde-
Sprengverfahren lassen sich auch dort noch anwenden, wo nen Sandstein. Sie werden in der Regel mit Hartmetallspit-
oberirdische Bauten oder Felsgebilde mit eingeschränkter Stand-
sicherheit unterfahren werden müssen. Zu Beginn der Arbeiten
erfolgt ein langsames Herantasten an noch zulässige Sprengin-
tensitäten – begleitet von laufenden Kontrollmessungen der
- zen ausgeführt.
Rollenmeißel – zylindrische Trägerkörper über deren Um-
fang ein Schneidring läuft. Es sind (neben Schneidmessern)
die Hauptwerkzeuge der Tunnelbohrmaschinen, auf deren
Sprengerschütterungen und Rissbewegungen. Bohrkopf/Schild bis etwa 30 Rollenmeißel montiert sind.
Die Sprengstoffmengen, Sprengschemata, Ausbruchsflächen Je nach Beanspruchung beim Bohren sind unterschiedli-
und Abschlaglängen sind laufend auf ihre Auswirkungen hin vom che Typen mit unterschiedlich harten Schneidringen und
Sprengexperten abzuschätzen und so zu variieren, dass vorher entsprechend unterschiedlich langen Standzeiten/starkem
festgelegte Grenzwerte der Sprengerschütterungen nicht über- Verschleiß im Angebot. Sie sind zum Aufbrechen von Hart-
schritten werden. Dabei ist auch aufgrund von größeren Streu- stein geeignet.
ungen von einer Sicherheitsvorgabe auszugehen, insbesondere
dann, wenn das Gebirge in seinem Aufbau, der Gesteinsbindung Für die Auswahl des Schneidwerkzeuges sind die Form und
und anderen Gebirgskennwerten nicht als homogen einzuschät- Größe des aufzufahrenden Profils und die Gesteinsart entschei-
zen ist. Dennoch kann ein gezielter Einsatz des Sprengverfahrens dend (Menzel und Freyno 1981, Gehring 1982; . Abb. 13.13).
besonders bei kurzen Tunnellängen und festem Gestein wirt- Die Leistung der Teilschnittmaschinen ist jedoch stark von der
schaftlicher sein als der Einsatz anderer Vortriebsverfahren. Gesteins- und Gebirgsfestigkeit beeinflusst, und ab einer be-
stimmten (maschinenabhängigen) Festigkeit ist deren Einsatz
nicht mehr möglich. Dabei liegen die Höchstwerte bei 40 % der
13.6.3 Vortrieb mit Tunnelbohrmaschinen maximal mit Vollschnittmaschinen durchörterbaren Gesteins-
festigkeiten. Die Vorteile des Einsatzes von Teilschnittmaschinen
zz Teilschnittmaschinen liegen in der großen Anpassungsfähigkeit an wechselnde Tun-
Die Ausbruchsfläche des Tunnels wird in mehreren Abschnit- nelquerschnitte und an wechselnde Gebirgsverhältnisse mit der
ten (Strossen, . Abb. 13.15) ausgebrochen. Die Schneid- und Möglichkeit zur Kombination mit anderen Ausbruchverfahren
508 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
6 13.6.4 Hydraulik-Tunnelbagger
ausgebrochenem Gewölbes. In diesem Bauzustand der einschalig ten Gebirge können auch Einpressarbeiten erforderlich werden.
mit Spritzbeton gesicherten Tunnelröhre kann der frisch ausge- Der Vollausbruch, z. B. mit einer Tunnelbohrmaschine, ist im
brochene unterirdische Hohlraum für die Dauer von mehreren modernen Tunnelbau vorteilhaft und wirkt stabilisierend. Nach
Jahren als standfest betrachtet werden. Rings um die Tunnelröhre Abschluss der Ausbruchs- und der Entwässerungsarbeiten wird
bleibt das naturbelassene Gebirge als Tragring erhalten. Im all- mit speziellen Schalwagen eine zweite Innenschale aus mit Stahl-
seits drückenden Gebirge ist ein Ringschluss der mit Stahlarmie- bögen armiertem Beton eingebaut. Die Spritzbetonschale verliert
rung verstärkten Spritzbetonschale erforderlich. Bei Bedarf kann im Laufe von Jahren ihre Tragwirkung und ihre Dichtfunktion
die Spritzbeton-Außenschale durch Stahlfasern, Baustahlmatten, gegen zulaufendes Bergwasser. Beide Funktionen werden auf
Dielenbleche oder Verzugsdielen, Ringbögen, Nägel und Anker Dauer von der statisch hierauf dimensionierten Innenschale
armiert und im Tragverhalten verstärkt werden. Im aufgelocker- (Ausbau) übernommen.
510 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
13.7.1 Neue Österreichische Tunnelbauweise die Weiterentwicklung auf. Das Gebirge wird zum Tragring, wel-
1 cher den Hohlraum stabilisiert und ein weiteres Hineindrängen
Die Neue Österreichische Tunnelbauweise (NÖT) wurde, auf- von Felsteilen in diesen verhindert. Auflockerungen und größere
2 bauend auf älteren Erkenntnissen und Erfahrungen, in den Gebirgsdeformationen, ausgelöst durch die Ausbruchsarbeiten
Jahren 1957 bis 1965 (Rabcewicz 1963, 1965) entwickelt. Diese und durch die Wegnahme stützender Gesteinsmassen, müssen
Tunnelbauweise arbeitet mit Spritzbeton (unbewehrt, bewehrt durch rechtzeitiges Sichern verhindert werden. Hierfür muss der
3 mit Baustahlmatten oder Stahlfasern, oft ergänzt durch Tunnel- Zeitraum genutzt werden, in welchem das den Hohlraum um-
bögen) sowie mit Gebirgsankern, ist also darauf ausgerichtet, gebende Gebirge zunächst noch standfest bleibt. Zusätzlich zur
4 eine Gebirgsauflockerung weitgehend zu verhindern. Die Tun- Gebirgsklassifikation (Lauffer, Bieniawski) können geodätisch
nelröhre bleibt von einem Ring aus nahezu unversehrt geblie- eingemessene Punktverlagerungen die räumliche Deformation
5 benem Gebirge umgeben. Die Tragfähigkeit des Gebirges wird der Tunnelröhre anzeigen. Über wiederholtes Messen kann auch
zum Stabilisieren des Hohlraums genutzt und erforderlichenfalls eine mittlere Deformationsgeschwindigkeit abgeschätzt werden.
durch eine Sicherung verstärkt. Auch ein gegebenenfalls erforderliches statisches Verstärken der
6 Dabei ergeben sich zahlreiche Vorteile gegenüber anderen „biegeweichen“ Spritzbetonschale, z. B. durch Ertüchtigen mit-
klassischen Bauweisen. Die geringe Stärke der Spritzbetonschale tels Nägeln und Ankern, kann durch wiederholtes geodätisches
7 bedeutet eine Ersparnis beim Ausbruch, und selbst notwendig Einmessen von in der Tunnelwand eingebauten Messbolzen
werdende Verstärkungen der Schale werden meist ohne Verdi- erkannt und begründet werden. Beim Bau des Tauerntunnels,
ckung derselben ausgeführt. Somit kann man sich den jeweili- des Arlbergtunnels und des Inntal-Tunnels wurde eine zeitlich
8 gen geologischen Verhältnissen, auch bei plötzlicher Änderung, kontrollierte Verformbarkeit der Sicherung angewendet, wie sie
leicht anpassen. Die Sicherung ist kein verlorener Aufwand, son- in ähnlicher Weise im Bergbau üblich ist. Mittels nachgiebiger
9 dern gleichzeitig Teil des endgültigen Ausbaues. Diese Bauweise Konstruktionen erhielt man Gebirgsdeformationen von durch-
ist nicht an einen bestimmten Ausbruchsvorgang gebunden, und schnittlich 50 cm, wobei mit der zeitlich einhergehenden Set-
10 selbst Änderungen im Ausbruchsquerschnitt lassen sich leicht zung eine Umlagerung der Kräfte und deren Konzentration im
bewerkstelligen, so z. B. der Übergang vom Streckenprofil zum Gebirge unmittelbar um den Hohlraum herum (Ausbildung des
Bahnhofsprofil beim U-Bahnbau. Soweit möglich, wird das Ge- Gebirgstragrings) erfolgt.
11 stein im Vollprofil ausgebrochen. Im Tunnel bleibt der volle Tun- Ein Nachteil der NÖT sei aber nicht verschwiegen: ihre An-
nelraum offen und frei von Abstützungen, wodurch eine erhöhte wendung in kritischen Gebirgsverhältnissen kann nur mit einer
12 Sicherheit der Belegschaft gegeben ist sowie ein Maschinenein- erfahrenen Mannschaft erfolgreich sein, und vorab müssen durch
satz erst möglich und auch wirtschaftlich ist. Planung und Ausschreibung die Weichen für einen wirkungsvol-
Die Bauweise ist selbst bei geringster Überdeckung von len und flexiblen Einsatz der NÖT gestellt sein. Dies aber kann
13 2–3 m noch anwendbar. Der Sicherungsaufwand kann an die nur durch ein erfahrenes Ingenieurbüro für Tunnel- und Felsbau
veränderlichen Gebirgsverhältnisse flexibel und zugleich wirt- bewerkstelligt werden.
14 schaftlich angepasst werden. Dabei geben die begleitenden Set-
zungs- und Konvergenzmessungen sowie Spannungsmessungen
Vollausbruch oder Teilausbruch
15 im Spritzbeton und Gebirge neben der fortlaufenden geologi- 13.7.2
schen Dokumentation wichtige Entscheidungshilfen für weitere
erforderliche Sicherungsmaßnahmen. Bei kleineren Stollenquerschnitten (bis etwa 5 m2) wird stets der
16 Während der Vortriebsarbeiten erfolgt also durch Messen Vollausbruch angestrebt. Bei größeren Querschnitten geschieht
der Auswirkungen auf indirekte Weise eine laufende Kontrolle dies in Abhängigkeit vom anstehenden Gebirge und dessen
17 der Spannungsumlagerungen um den Hohlraum herum sowie Einstufung als standfest oder begrenzt standfest. Die Gebirgs-
der Veränderungen der Gebirgseigenschaften im elastisch-plas- verhältnisse müssen einen gefahrlosen Einbau der Sicherung
tischen Bereich. Über dem Tunnel werden nur geringe Setzungen ermöglichen. Steht ein Gebirge mit langer Standzeit an, so kann
18 gemessen, z. T. wesentlich kleinere als bei der Schildbauweise. bei ausreichendem Kopfschutz auf den Einbau der Sicherung ver-
Diese Bauweise verlangt von dem Geologen die tägliche Anwe- zichtet werden oder es können mehrere Abschlaglängen zu einer
19 senheit vor Ort, da die beim Vortrieb aufgedeckten Gesteins- Sicherungsstrecke zusammengefasst werden. Weniger standfeste
verhältnisse mit Aufbringen des Spritzbetons wieder dem Blick Gebirgsstrecken können durch den Einsatz gebirgsschonender
20 entzogen werden. Lösetechniken mit kurzen Abschlaglängen im Vollausbruch
Die Neue Österreichische Tunnelbauweise hat die klassischen durchörtert werden, wobei moderne Sicherungsmateriale wie
Tunnelkonstruktionen weitgehend verdrängt. Umfassende Dar- Spritzbeton, Stahlfaserspritzbeton, Tunnelbögen und Stahlanker
21 stellungen geben Rabcewicz und Pacher (1975), Müller-Salzburg zur Anwendung kommen.
(1978), Müller-Salzburg und Fecker (1978), Seeber (1988), Pa- Mit einem Ausbruch in Teilen wird traditionell eine bessere
22 cher und Martak (1995), Kolymbas (1998), Dietz (1999), Eichler Beherrschbarkeit des Gebirges angestrebt. Bei nicht ausreichend
(2007), Grimscheid (2008) sowie Beranek (2013). standfestem Gebirge und bei großen Querschnitten (Kavernen)
Aufgrund von Weiterentwicklungen, besonders beim zeitge- ist der Ausbruch in Teilen zwingend. Der klassische Tunnelbau
23 rechten Einsatz des Spritzbetons, spricht Maidl (1995) bereits von kennt hierzu mehrere Bauweisen, bei denen der Tunnelquer-
„Neuester Österreichischer Tunnelbauweise“. Obwohl sich diese schnitt in nacheinander auszubrechende und abzusichernde
Bezeichnung nicht allgemein durchgesetzt hat, zeigt sie jedoch Teilstrecken und Teilabschnitte aufgeteilt wurde (Belgische Bau-
13.8 • Verbau- und Sicherungsmaßnahmen
511 13
6 (Querverzug), h Ständerzimmerung,
i Getriebezimmerung
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21 - schwacher oder leichter Verbau
Er widersteht einem leichten bis mittleren Auflocke-
rungsdruck an Firste und Ulmen. Der meist vollständige
getriebener Holzzimmerung oder verkeilter und hinter-
packter Stahlzimmerung in starker Ausführung, aus einer
Kombination von Ankersicherung und Spritzbeton sowie
22 Verbau kann aus getriebener Holzzimmerung, verkeilter bei sehr druckhaftem und rolligem Gebirge aus ausgesteif-
und hinterpackter Stahlzimmerung, Ankersicherung oder ten Stahlbögen mit Verzugdielen oder Vorsteckdielen und
23
- Spritzbeton bestehen.
starker oder schwerer Verbau
Er widersteht starkem Auflockerungsdruck und leichtem
Umlagerungsdruck. Dieser vollständige Verbau kann aus
sofortigem Spritzbetonauftrag bestehen.
.. Abb. 13.18 Beispiele für die Anwendung von Stahlblechen und Stahldie-
len bei Verzugarbeiten
13.8.2 Spritzbeton
Nach DIN 18551 ist Spritzbeton ein Beton, der in einem geschlos-
senen System über druckfesten Schlauch und/oder Rohrleitung
zur Einbaustelle gefördert und dort durch Spritzen aufgetragen
und verdichtet wird.
Zum Sichern und Stützen der Hohlraumlaibung wird in der
Regel Spritzbeton als Beton mit der Festigkeitsklasse B25 nach
DIN 1045 mit Zuschlägen der Körnung 0/16 (Rundkorn oder
gebrochenes Korn) und einem Bindemittelgehalt von 350–
400 kg m−3 verwendet. Für Spritzbetonschichten mit weniger
rauer Oberfläche (z. B. als Abdichtungsträger) wird auch oft die
Körnung 0/8 gefahren. Durch Zusatz eines Abbindebeschleuni-
gers wird in kürzester Zeit ein inniger Verbund mit dem Gebirge
erreicht. Der Rückprall sollte möglichst niedrig sein, um wirt-
schaftlich arbeiten zu können.
.. Abb. 13.17 Beispiele für Stahlrahmen zur Sicherung untertägiger Beim Trockenspritzverfahren wird Trockengemisch im
Hohlräume. a Torbogenprofil aus 2 Einzelrahmen, b Torbogenprofil aus Druckluftschlauch gefördert. Die Wasserzugabe erfolgt an der
2 Sparrenstützen und 2 Firstenrahmen, c Bogenprofil mit Kämpferbalken, Düse. Beim Nassspritzverfahren wird sofort Nassgemisch geför-
d Torbogenprofil mit 2 Sparrenstützen, Kämpferbalken und 2 Firstenrahmen,
dert. Nach der Förderungsart unterscheidet man: Dünnstrom
e Vollkreisprofil aus 3 Kreissegmentrahmen
und Dichtstrom je nach Betonkonsistenz.
Ist der Ausbruch eines neuen Hohlraumteils erfolgt, wird
13.8.1 Holz- und Stahlverbau sogleich eine Versiegelung der neuen Hohlraumflächen in
Form einer 2–5 cm starken Spritzbetonauflage aufgebracht. Der
Der Holzverbau wird nur noch in Ausnahmefällen angewendet. Spritzbeton dringt in Spalten und Klüfte ein, verschließt diese
Art, Bezeichnung und Funktionsweise sind in . Abb. 13.16 er- und verhindert eine weitere Auflockerung im Gebirge. Die nach-
läutert. folgenden Spritzbetonlagen oft bis zu 30 cm Gesamtstärke im
Auch der Stahlverbau (hoher Stahlverbrauch!) wurde von Verbund mit Bewehrungsmatten und auch Tunnelbögen können
den modernen Verbauarten verdrängt. In der Kombination nach ihrer Verfestigung zusätzliche Spannungen aufnehmen und
von Stahlbögen mit Vorsteckdielen und Spritzbeton wird eine die Tragwirkung des sich ausbildenden Gebirgstragrings verstär-
Art des „Kölner Verbaues“ bei rolligen und breiigen Bergarten, ken. Es folgt die weitere Sicherung durch Anker (Spang 1996;
also besonders beim Anfahren von Ruschelzonen verwendet Schwab 1999; Krämer-Wasserka 1999; Maidl und Derbort 1999,
(. Abb. 13.17, 13.18 und 13.19). Beranek 2013).
Das System „Bernold“ verwendet Montagebögen und hierauf Spritzbeton kann in fast allen Gebirgsarten mit Erfolg an-
montierte WK-Bleche (Bernoldbleche). Zwischen den Blechen gewendet werden. Dabei kann er sehr rasch, bei gebrächem
und dem Gebirge wird Spritzbeton eingebracht. Die Bleche die- Gebirge gegebenenfalls auch während der Ausbrucharbeiten,
nen als Schalung und Bewehrung. Der Hauptanwendungsbereich aufgetragen werden. Eine rasche Sicherung kann dabei schwä-
dieser Verbauweise ist stark quellfähiges Gestein wie Gips, Anhy- cher gehalten werden als eine langsam oder später eingebrachte
drit und stark quellender Ton. Um die Tragfähigkeit der Bögen Sicherung, welche bereits einem gewissen Auflockerungsdruck
zu gewährleisten, müssen Fußauflager aus Hartholz, Beton oder Widerstand entgegensetzen muss. Wegen ihrer meist geringen
Stahl hergestellt werden. Dicke haben Spritzbetonsicherungen zunächst eine verhältnis-
mäßig kleine Biegefestigkeit. Beim Arbeiten mit Spritzbeton ist
der Effekt der Versiegelung wichtig. Diese Versiegelung verhin-
dert die Lockerung der Kluftkörper, die sich als erste nach dem
Ausbruch zu lockern suchen und somit dem Gesteinsverband
514 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
- --
baues werden von Müller (1978) wie folgt angegeben:
Prädestiniert, weil anderen Methoden überlegen, bei:
feinkörnigen Böden;
.. Abb. 13.22 Wirkungsweise der Anker. a Es werden einzelne Kluftkörper
gehalten; b aufgelockerte Gesteinspartien werden mit Stahlbändern, Draht-
netzen oder Baustahlgewebe und engstehenden Ankern vom zurückliegen-
-
vergrustem Gebirge; den Fels gehalten, c,d allseitig mit Ankern gesicherte Tunnellaibung
- ---
stark zerklüftetes Gebirge); Wasserandrang. Anker sind jedoch im rolligen Gebirge, bei sehr
Gebirge mit rascher Spannungsumlagerung. starker Zerklüftung, bei Gesteinen, die an der Luft zerfallen,
Geeignet, aber anderen Verbauarten nicht überlegen bei: und bei stark drückendem Gebirge weniger oder nicht geeignet.
allen nachbrüchigen bis druckhaften Bergarten; Die Länge der Anker ist unterschiedlich anzusetzen, damit die
--
aufgelockertem Gebirge; Ankerkräfte in verschiedenen Ebenen hinter der Tunnellaibung
Gebirge mit langsamen Spannungsumlagerungen; einwirken.
13.8.3 Anker
13.8.4 Gefrierverfahren beim Tunnelbau
-
Anker werden in der Regel verwendet zum:
Sichern und Aufhängen von Einzelkörpern Stark wasserführende Gesteine und Störungszonen mit geringer
- (. Abb. 13.22a);
flächenhaftes Sichern der Firste bei gebrächem, stark klüfti-
Standfestigkeit können mit dem Gefrierverfahren stabilisiert und
durchörtert werden. Vor Beginn der Ausbrucharbeiten wird für
2
3
-- ten) Flussrinnen,
Verhindern eines hydraulischen Grundbruches,
Minimieren von Gefrierhebungen.
19
störende Grundwasserzuflüsse aufmerksam machen, da ein Leck
im projektierten Eisschirm die Arbeiten um Tage verzögert und
- Folgende Forderungen sind an das Bauverfahren zu stellen:
gründlicher geologischer Aufschluss im Planungsstadium
20
somit längere Laufzeiten für die Kältetechnik und Stillstandszei-
ten für andere Geräte zur Folge hat. Bei geringer Bodenüberde-
- durch Erkundungsbohrungen und Pilotstollen;
Situieren der Kavernenachse in möglichst günstigem Win-
21
ckung ist mit Frosthebung zu rechnen. Über Frostversuche kann
das etwaige Ausmaß der Frosthebung ermittelt werden.
Beim Untertunneln von Flüssen oder Kanälen mit geringem - kel zum vorhandenen Trennflächengefüge;
messtechnisches Überwachen der Spannungsänderungen
im Gebirge. (Bei großer Gebirgsüberlagerung geschieht dies
22
Abstand zwischen Tunnelfirste und Flusssohle soll mit dem Ge-
frierverfahrens nach Martak & Herzfeld (2008) folgende Zielset-
- am besten von Erkundungsstollen aus.);
frühzeitiges Sanieren von Störzonen und Einbau der Siche-
23 -
zung angestrebt werden
Abdichten des Ausbruchquerschnittes gegen Grund- und
-
rungen, am besten vom Erkundungsstollen aus, vor Beginn
der eigentlichen Ausbrucharbeiten;
- Oberflächenwasser,
Aufbau eines temporären Hilfsgewölbes, unter dessen Schirm
die Ausbrucharbeiten vorgenommen werden können,
durch entsprechendes Anordnen der Teilausbrüche wird
eine langsame Kraftumlagerung in einen neuen Gleichge-
wichtszustand angestrebt;
13.8 • Verbau- und Sicherungsmaßnahmen
517 13
.. Abb. 13.24 a Längsschnitt und
b Querschnitt der Vereisungsstrecke
im Milchbuck-Straßentunnel, Zürich/
Schweiz. (Philipp Holzmann AG
1979)
2
3
4
5
6
gegenüberliegenden Gebirge eingekeilt, z. T. im Verbund
7 mit verlorenen Schalbrettern. Diese, z. T. sehr einfache oder
primitive Art des Sicherns vor Ausbrüchen und Nachfall,
bisweilen in Verbindung mit Auf- und Abstiegsmöglichkeit,
8 ist bei wildem Schachtbau und wildem Bergbau in unter-
9
10
- entwickelten Regionen sehr verbreitet!
Schachtzimmerung: Stabil gezimmerte und vorgefertigte
Holzauskleidungen werden und wurden, z. B. im mittelal-
terlichen Schacht- und Brunnenbau, im Abstand mehrerer
Meter von oben nach unten dem Ausbruch folgend einge-
baut. Als Auflager für die Zimmerung dient/diente eine Ar-
11 beitsbühne. Die Tragbalken solcher Bühnen wurden in im
Fels ausgearbeitete „Bühnenlöcher“ eingebaut und verkeilt.
12
13
- Häufig sind/waren viereckige Schächte und Zimmerungen.
Schachtmauerung: Im frisch ausgebrochenem Schacht wird/
wurde im Fels ein stufenförmiger Vorsprung als Widerlager
ausgearbeitet. Von diesem aus wird/wurde das Mauerwerk
hochgezogen. Beim mittelalterlichen Brunnenbau wur-
14 den Bausteine aus Naturstein verwendet. Diese wurden
mit „millimetergenauen“ Abmessungen im Steinbruch
15 vorgefertigt. Bei solchen Steinlagen wurde teils in jeder
Lage, teils alle zwei bis drei Lagen bei dann durchaus auch
.. Abb. 13.25 Studie zur Anlage eines Spiralstollens zum Erschließen und
unterschiedlichen Steingrößen und Abmessungen auf einen
16 Sichern einer kreisförmigen Kaverne. (Eber 1982)
horizontalen Abschluss geachtet. Diese waren bezüglich der
Ringbreite innen und außen der Ausbruchweite angepasst
17 des Ausbruches und der Art des Verbaus, teils in Abschnitten und bilden mit diesem Ringschluss ein seit ca. 800 Jahren
von mehreren Metern; bei Stahl- und Spritzbetonverbau unmit- standfestes System (Dachroth & Wiltschko 1986).
telbar nach Ausbruch und Räumen des einzelnen Abschlages. Im Schachtbau des 19. und 20. Jahrhunderts wurden
-
18 Folgende Sicherungs- und Ausbaumaßnahmen der frisch frei- Schächte auch mit Ziegelmauerwerk ausgekleidet.
gelegten Schacht- oder Brunnenwand zum Schutz vor herein- Stahl- oder Eisenausbau: Es werden speziell geformte
19 brechenden Erd- oder Felsmassen werden unterschieden (u. a. Ausbauelemente (Schachtringe) auf Abstand eingebaut
20 -
Fritzsche 1962, Buja 2013, Wikipedia 2014):
Schächte ohne Ausbau: Die meisten der aus historischer
und vorhistorischer Zeit erhaltenen oder nachgewiese-
nen Schächte mit Teufen bis zu mehreren Zehnermetern
und verschraubt. Hinter den Schachtringen werden
Verzugsmatten eingebracht und hinterfüllt. Dieser Einbau
verbraucht weniger Platz als die Schachtmauerung. Der
Schacht kann schlanker ausgebrochen werden. Der Einbau
21 wurden ohne Sicherung abgeteuft. Auch heute werden kann sofort und parallel zum Abteufen erfolgen (Wikipe-
22
in unterentwickelten Gebieten, besonders bei wildem
Bergbau, noch Schächte ohne Sicherung ausgebrochen oder
- dia/Schachtausbau).
Spritzbetonverbau: Für das Sichern des Schachtes werden
23 - ausgeschachtet.
Schächte mit einfachem Holzverbau: Es handelt sich um
ein seitliches Abstützen der Schachtwände mit vor Ort zu-
geschnittenen Holzbalken oder Holzstangen. Diese werden
im frisch ausgebrochenen Gebirge Anker und verankerte
Maschendrahtnetze in Kombination mit Spritzbeton als
Außenschale eingebaut. Der Einbau der Sicherung kann
sofort nach Aushub eines Abschlages und parallel zum Ab-
zwischen ausbruchgefährdeten Gesteinspartien und dem teufen erfolgen. In einem zweiten Schritt folgt das Einbauen
13.8 • Verbau- und Sicherungsmaßnahmen
519 13
.. Abb. 13.27 Querschnitt einer
Kaverne mit 8 Ausbruchphasen.
(Firmenprospekt der Philipp Holz-
mann AG)
- Fritzsche 1962).
Tübbingausbau: (Fritzsche 1962) In wasserführenden Deck-
schichten und im stark klüftigen wasserführenden Gebirge
kann eine wasserdichte Schachtumschließung aus einzelnen
Stahl- oder Stahlbetonelementen (Tübbinge) zusammen-
gestellt und zusammengeschraubt werden. Der Einbau der
Tübbinge geschieht von einer Bühne aus und erfolgt von
unten nach oben. Der einzelne Tübbingring besteht aus
8 bis 12 Tübbingen. Nach Ringschluss wird der Tübbingring
1
2
3
4
5
6
7
8
9 .. Abb. 13.29 Nichtgebirgsverbundener Gleitschachtausbau. (Umgezeich-
net nach Klein 1983)
10
rohrte Bohrloch (Gefrierrohr) wird ein Fallrohr für den Kälte-
träger eingebaut. Beim Umlauf wird die Sole mit Temperaturen
11 bis –40 °C im Fallrohr zum Bohrlochtiefsten geführt und steigt
erwärmt (–12 bis –20 °C) im Ringraum zwischen Fallrohr und
12 Gefrierrohr hoch. Im Umkreis der Gefrierrohre bildet sich ein
Frostmantel, der im unteren Bohrabschnitt die größere Ausdeh-
nung erreicht. Für das Ausfrieren des Gebirges wird ein Zeitraum
13 von 2–3 Monaten benötigt. Die Bildung des Frostmantels wird
durch Bohrlochmessungen kontrolliert (Temperatur, Ultraschall,
14 Georadar). Im projektierten Schacht kann ein nicht gefrorener
Kern verbleiben. Der Ausbruch des Schachtes und das Lösen
15 des Gesteins erfolgt durch Bohr- und Sprengarbeit, der Aushub
durch den Einsatz von Polypgreifern. Im Schutz der Gefrierwand
wird ein nicht gebirgsverbundener Gleitschacht eingebaut. Die-
16 ser Gleitschacht wird abschnittsweise von unten nach oben ein-
gebaut. Er ruht auf einem Fundament. Vom Gebirge ist er durch .. Abb. 13.30 Sohlbruch im Schacht Friedrich Heinrich 4. (Kalterherberg
17 eine Bitumenfuge getrennt (. Abb. 13.29). Als Außenausbau 1968)
wird ein gebirgsverbundener Ring aus Betonformsteinen gesetzt.
Die Steine werden direkt gegen das gefrorene Gebirge gestellt und Schichtenfolge mit den boden- bzw. felsmechanischen Eigen-
18 mit Zementmörtel hinterfüllt. Der Betonformsteinausbau kann schaften der einzelnen Schichtglieder. Das baugeologische Be-
zum Abtragen der Gebirgsdrucklasten mit herangezogen werden. treuen der Schachtarbeiten während des Abteufens umfasst die
19 Der Innenausbau des Schachtes besteht aus armiertem Betonaus- Voraussage möglicher Gesteinswechsel und der damit verbun-
bau oder aus einer Kombination von Stahlmantel und armiertem denen Änderungen der Gebirgseigenschaften. Neben den fels-
20 Betonausbau. Dabei soll der Stahlmantel den hohen hydrostati- mechanischen Kriterien zum Beurteilen der Standfestigkeit sind
schen Druck aufnehmen. In die Fuge zwischen Innenausbau und beim Gefrierverfahren Gesteinsart und Porenvolumen wichtige
Betonformsteinausbau wird eine bituminöse Gleitflüssigkeit mit Kriterien für das Abschätzen des Wärmeentzugs und der ein-
21 einer Wichte (▶ Abschn. 1.17.1) zwischen über 10 bis 13 kN m−3 zubringenden Energie (Kalterherberg 1968). Der Wärmeentzug
injiziert. Sie besteht in der Regel aus mit Kalksteinmehl angerei- (Schmelzwärme) richtet sich direkt nach der im Gebirge enthal-
22 chertem Bitumen. Durch die hohe Wichte soll ein Gegendruck zu tenen Wassermasse (Wassergehalt) und nach der durch Grund-
den Wasser- und Gebirgsdrucklasten aufgebaut werden. wasserströmung verfrachteten Energiemenge.
Das baugeologische Erkunden der geotechnischen und be- Im Zuge des Aushubes werden im gefrorenen Boden Ver-
23 sonders der sprengtechnischen Gebirgsverhältnisse umfasst das formungen beobachtet. Dies sind die Bildung von Sekundär-
Beschreiben der im Gebirge zu durchörternden Gesteins- oder klüften, Sohlhebungen, Sohlbrüchen und Stoßschiebungen
13.8 • Verbau- und Sicherungsmaßnahmen
521 13
2 zz Pilotbohrung
Die Zielgenauigkeit der Pilotbohrung ist ein wesentlicher Risiko-
faktor beim Raise-Boring, wobei Anisotropie und Inhomogeni-
3 tät des Gebirges, Bohrtechnik, Steifigkeit des Bohrgestänges und
Sorgfalt der Bedienungsmannschaft die Genauigkeit wesentlich
4 beeinflussen. Häufige Ursache für das Abweichen von Bohrun-
gen sind steil einfallende Schichten aus unterschiedlich harten
5 Gesteinen. Beim Abteufen der Pilotbohrung wird ein selbsttätig
steuerndes Zielbohrsystem eingesetzt. Diesem Verfahren liegt
die Idee zugrunde, schon während des Bohrvorganges ständig
6 die Richtungsgenauigkeit zu messen und, wenn nötig, laufend
selbsttätig zu kontrollieren. Die Zielbohreinheit ist unmittelbar
7 hinter der Bohrkrone angeordnet und besteht im äußeren, nicht
rotierenden Teil aus vier beweglichen Steuerleisten, hinter denen
die Neigungsaufnehmer, die Elektronik und die Steuerhydraulik
8 untergebracht sind. Die Messwerte der Neigungsmesser und der
Funktionsüberwachung werden kabellos zum Steuerstand über-
9 tragen.
10 zz Sicherungsmaßnahmen
Nach Fertigstellung der Aufweitung wird eine Schachtförderan-
lage errichtet und eine Arbeitsbühne eingehängt. Die Schacht-
11 wand wird von oben nach unten mit Spritzbeton und, soweit
nötig, zusätzlich mit Ankern, Stahlbögen oder bewehrtem Spritz-
12 beton gesichert. Im Zuge der Sicherungsmaßnahmen werden
eventuell notwendige Wasserfassungen und Wasserableitungen
durchgeführt. Den Sicherungsarbeiten vorauslaufend wird eine
13 geologische Aufnahme erstellt.
.. Abb. 13.33 Methoden der Gebirgsentwässerung für den Tunnelbau.
a Dauerhafter Injektionsring zum Verhindern des Wasserzulaufs, b vorüberge-
hende Grundwasserabsenkung über Bohrbrunnen. (Stini 1950)
14 zz Auskleidung
Der Einbau der Betonauskleidung der Schachtröhre erfolgt von serstand ein Raum von mindestens 1 m verbleibt. Bei Vorlie-
15 unten nach oben. Die Betondicke beträgt am beschriebenen gen eines Druckwasserspiegels besteht jedoch die Gefahr eines
Lotschacht im unteren Teil 30 cm, im oberen Teil 20 cm. Eine Sohlaufbruches.
Panzerung des Schachtes ist nicht notwendig, da die von hohem Baumaßnahmen, die zum Tunnelvortrieb unter dem Grund-
16 Betriebsdruck beanspruchten Abschnitte tief im Berg liegen. wasserspiegel zwingen, ergeben sich beim U-Bahnbau und Ver-
Eine wesentliche Bedingung für die Anwendbarkeit des kehrstunnelbau in Großstädten, bei der Untertunnelung von
17 Raise-Boring-Verfahrens ist die Eignung des Gebirges. Nach dem Flüssen und bei großen, gebirgsquerenden Tunnelbauten. Im
bislang praktizierten Verfahren wird die Schachtröhre in der ge- Bergland folgt der Grundwasserspiegel der Morphologie. Auch
samten Länge hergestellt und erst im späteren Arbeitsabschnitt Versorgungsstollen mit einem notwendigen Gefälle werden
18 der Schachtausbau eingebracht. Klüftiges Gebirge kann zu Spül- mehrfach unter dem Grundwasserspiegel vorgetrieben. Das
wasserverlusten führen, was die Pilotbohrung gefährden kann. zusickernde Wasser wird entweder über Dränagen abgeleitet,
19 Steiles Einfallen von Schicht- und Trennflächen und der Wechsel über Versickerungsanlagen versickert oder verpresst (Kirschke
von unterschiedlich harten Gesteinen verursachen Abweichun- 1992). Beim Verpressen wird die Tunnelröhre von einem Injek-
20 gen von der geraden Schachtachse. In gebrächem Gebirge kön- tionsring umgeben. Hierzu wird über Injektionsbohrungen das
nen sich beim Aufweiten die Aufweitkronen verklemmen. Dichtungsmaterial in die offenen Fugen eingepresst und somit
ein undurchlässiger Ring erstellt (Kovári und Anagnostou 1999;
21 . Abb. 13.33a). Alternativ hierzu ist eine druckwasserdichte
13.9 Tunnelvortrieb in grundwassererfülltem Rundumabdichtung mit Kunststoffabdichtungsbahnen (PE-
22 Gebirge HD) anwendbar, die mit doppelten Schweißnähten thermisch
verschweißt und doppellagig ausgeführt werden. Dabei ist die
Beim Stollenbau (Bergbau), und wenn irgend möglich auch Dichtheit bereits während des Bauvorgangs und auch später
23 beim Tunnelbau, vermeidet man Stollen in stark wasserfüh- durch eine Vakuumprüfung feststellbar. Ein Nachverpressen
rendem Gebirge voranzutreiben. Man ist versucht, die Sohle so zum nachträglichen Abdichten von Leckstellen wird erleichtert
hoch zu legen, dass zwischen ihr und dem höchsten Grundwas- (Beispiel: Tunnel Gernsbach bei Baden-Baden 1995).
13.10 • Tunnelbau in Lockermaterial
523 13
Dränagebohrungen oder Entspannungsbohrungen werden werden Injektionsringe um den Tunnel eingepresst, oder der
als Vorausbohrungen empfohlen. Hierdurch wird erreicht, dass Wasserstrom wird durch Absenken des Grundwasserspiegels und
das Sickergefälle vom Ausbruch weggeleitet wird und dass die Vorentwässern der Stollenbrust stark herabgesetzt.
Ausbrucharbeiten ohne Wassererschwernis ausgeführt werden
können. Der Zulauf von Wasser zur Tunnelröhre ist durch ge-
eignete Drän- und Abdichtmaßnahmen fernzuhalten. Um die 13.9.2 Beeinträchtigung der Haltbarkeit
Hohlräume dauerhaft auskleiden zu können, muss die Bergwand der Tunnelkonstruktion
zunächst trockengelegt und abgedichtet werden. Durch wasser-
abdichtenden Spritzbeton wird der flächenhafte Abfluss verhin- Durch die Chemie des Wassers werden Beton und Stahl an-
dert. Über einzelne Entspannungsbohrungen wird das Wasser an gegriffen. Eine Untersuchung auf die Betonaggressivität nach
einzelnen Punkten in den Tunnel geleitet und der Dränage zu- DIN 4030 ist vorzunehmen. Folgende Parameter werden dabei
geführt (. Abb. 13.33a). Flächenhafter Wasserzulauf kann auch
durch das Aufspritzen einer Dränschicht aus Filterkies (3/7) und
--
gemessen (▶ Abschn. 1.10.6):
Gesamthärte;
Kunstharz aufgefangen werden.
Spaltenwasser und einzelne Quellen können nach dem Ober-
--Carbonathärte;
Nichtcarbonathärte;
hasli-Verfahren aufgefangen werden. Hierbei werden Gummi-
schläuche auf die wasserführende Spalte gelegt und mit Schnell-
--
freie Kohlensäure;
Permanganatverbrauch;
binderzement am Fels aufgeklebt. Der Schlauch wird bis auf sein
unteres Ende mit Zement überdeckt. Nach dem Erhärten wird
--
Sauerstoff;
pH-Wert;
der Schlauch vorsichtig herausgezogen, wodurch über der was-
serführenden Spalte ein röhrenförmiger Kanal entsteht. Durch
--
Eisen;
Sulfat;
mehrmaliges Überdecken und Nachziehen kann die Entwässe-
rung bis zur Sohldränage geführt werden.
--
Chlorid;
Nitrat, Nitrit;
Bei wasserempfindlichen Gesteinen (Tonstein, Mergelstein,
Schluffstein) muss das Wasser möglichst tief in der freigelegten
Felswand aufgefangen werden und in Schläuchen zum geschlos-
senen Ableitungskanal geleitet werden. Dränageschläuche und
-
Ammoniak;
Leitfähigkeit des Wassers.
-
3 stellen. Hierbei bewähren sich folgende Bauweisen:
Ausführung im bergmännischen Vortrieb nach der Neuen
4
- Österreichischen Tunnelbauweise;
Ausführung im bergmännischen Vortrieb nach der Schild-
5
6
- bauweise;
Ausführung von der Oberfläche aus in offener Bauweise.
9
-- Ausbildung der Deckschichten über dem Tunnel;
Erosionsgefahr;
11
12
--
tischem Druck;
Grundwasserströmung;
Mögliche Schadwirkung aus Verformbarkeit und Zusam-
mendrückbarkeit des Untergrundes als Folge von Schild-
vortrieb und Grundwasserabsenkung.
13 Außerdem müssen mögliche Beeinträchtigungen von Trink-
wasserfassungen, Heilquellenfassungen, Nachbarbebauungen,
14 Lage von Flüssen und stehenden Gewässern, Vorkommen von
Pflanzen, die kein Absenken des Grundwassers vertragen, und
15 die Empfindlichkeit gegen Baulärm benannt werden.
16 13.10.1 Schildbauweise .. Abb. 13.34 Schema für Vorschub und Einbau der Tübbings beim Schild-
vortrieb. D Tunneldurchmesser, t Tübbingbreite
Das Lösen des Bodens bzw. Gesteins geschieht meist chenden Deckschichten zwischen Schildscheitel und Oberfläche
im mechanisierten Vollausbruchverfahren. Eingesetzt wer- bzw. Flussbett vorhanden sind. Es ist der geologische Nachweis
den Vollschnittmaschinen, Teilschnittmaschinen und Bagger zu erbringen, ob feinkörnige Deckschichten gleichmäßig und
(. Abb. 13.35). Die Teilmechanisierung mit in einzelnen Ab- in ausreichender Mächtigkeit anstehen. Zusätzlich kann auf die
baustockwerken montierten oder mobil eingesetzten Abbauge- Ortsbrust eine Folie oder ein Sprühfilm aufgetragen werden. Die
räten wie Reißschaufeln, Meißeln und Fräsen mit Quer- oder hydrostatische Druckhöhe des anstehenden Grundwassers kann
Längsangriff bedarf gründlicher Überlegung im Hinblick auf die beim Abstützen mit Druckluft exakt eingestellt oder nachgeregelt
geologischen Verhältnisse, insbesondere auf die Abbaufähigkeit werden. Durch die Druckluft wird Wasser im Baugrund verdrängt
und Stehzeit des Gebirges. Die Ortsbrust ist mechanisch gegen oder so zurückgehalten, dass der Boden infolge Entwässerung an
Hereinbrechen abzustützen. Bekannt ist der Brustverbau mit Standfestigkeit gewinnt. Der herkömmliche Druckluftvortrieb
Holzdielen oder Stahlplatten, welche, teilweise hydraulisch be- erfordert es, dass die unter Tage arbeitende Mannschaft beständig
tätigt, beim Vorschub die Ortsbrust halten. Das Schuttern und der Druckluft ausgesetzt ist und dass Mannschaft wie Material
Wegräumen des über die Ortsbrust hereingewonnenen Materials ein- und ausgeschleust werden müssen.
erfolgt durch den Schild hindurch in die bereits fertiggestellte Das System der flüssigkeitsgestützten Ortsbrust beruht darin,
Tunnelstrecke und wird von dort aus abtransportiert. dass im Vorderteil des Schildes zwischen dem Abbaurad und
Liegt die geplante Tunneltrasse im Grundwasser, so ist die dem offen zugänglichen, unter atmosphärischem Druck ste-
Möglichkeit einer Grundwasserabsenkung zu prüfen. Sofern der henden Schildraum eine Druckwand installiert ist. Antrieb und
Tunnel unter Wasser vorgetrieben werden soll, ist eine zusätzli- Steuerung befinden sich im offen zugänglichen Schildraum. In
che Sicherung vorzusehen, um den Zufluss von Wasser und flie- den Raum zwischen Ortsbrust und Druckwand wird eine Stütz-
ßenden Bodenarten in den Schildraum zu verhindern. Neben flüssigkeit aus Bentonit und Wasser eingegeben. Die Steuerung
der Möglichkeit flankierender Maßnahmen wie Vorausinjektion des Stützdruckes erfolgt über Druckluft oder Flüssigkeitsdruck.
oder Vereisen (beide stören den Schildvortrieb) kann die Orts- Der abgebaute Boden wird mit Teilen der Stützflüssigkeit über
brust durch Druckluft, durch Stützflüssigkeiten (Hydroschild; eine Materialschleuse abtransportiert. Die Suspension wird in
Becker 1998, 1999; Herrenknecht und Bäppler 1999, Maidl et al. Separieranlagen wiedergewonnen.
2011) oder mechanisch durch eine Schottwand stabilisiert wer- Dieses als Mixschildverfahren bekannte Vortriebsverfahren
den (. Abb. 13.35). wird heute am häufigsten flüssigkeitsgestützt (Thixschild, Hyd-
Das Anwenden von Druckluft ist bis 30 m Wassersäule mög- roschild) und mit Nassförderung gefahren. Das Entfernen von
lich und birgt die Gefahr des Ausblasens, wenn keine ausrei- härteren Gesteinsschichten oder Findlingen war bei diesem Ver-
526 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
fahren bisher problematisch und begrenzte die Anwendbarkeit. rechnerisch ein statischer Festigkeitsnachweis erbracht werden
1 Durch Fortentwicklungen, z. B. durch den Einbau von Brecher- kann.
2
kammern hinter dem Schneidrad, konnte jedoch der Anwen-
dungsbereich vergrößert werden. Problematisch bleibt die De-
ponierbarkeit des mit Bentonit versetzten Bodenmaterials. Bei - Die Schildbauweise ist praktikabel, wenn
Bodenschichten zu durchörtern sind, die aus geologischen
und hydrogeologischen Gründen nicht auf konventionelle
3 fließfähigen oder schwimmenden Böden kann die Ortsbrust mit
einer Stahlblechschottwand abgestützt und verschlossen werden
- Weise beherrscht werden können;
lange Strecken ohne Querschnittsänderung aufzufahren
4
5
(Erddruckschild). Durch Einlassöffnungen in der Schottwand
oder direkt mit anschließender Schneckenförderung (Trocken-
förderung) kann der Boden kontrolliert abgefördert werden.
Steifere Böden können dabei durch die Zufuhr von Flüssigkeit,
- sind;
schneller Arbeitsfortschritt gefordert wird und dieser durch
den Einsatz einer im nicht gestützten Hohlraum arbeiten-
den Vollschnittmaschine nicht gewährleistet ist.
Bentonit oder Polymerschaum vorkonditioniert werden. Im
Sand ist die Unterstützung der Ortsbrust beim Schildvortrieb Beim Schildvortrieb können an der Oberfläche Setzungen auf-
--
6 das Hauptproblem, während das Lösen des Bodens sich leicht treten. Ursachen hierfür können sein (Markl 1986):
bewerkstelligen lässt. Im Mergel steht dagegen das Lösen des Entspannen der ungeschützten freiliegenden Ortsbrust;
7 Bodens im Vordergrund, während das Abstützen aufgrund unkontrollierte Bodenentnahme, besonders beim Freilegen
der guten Standfestigkeit problemlos ist. Die Bodeneigenschaf-
ten führen also zu unterschiedlichen Anforderungen an die
-- oder Ausbrechen von Hindernissen;
Verformung des Schildkörpers;
-
8 Konstruktion des Schildes. Hinzu kommt u. a. die Problematik Verformung der Auskleidung;
des Schildmantelrollens, die durch einseitige Drehrichtung des unzureichende Verfüllung des Spaltes zwischen Schild und
9 Schneidrades entsteht, aber z. B. durch Pendelbewegungen des Ausbau.
Schneidrades vermieden werden kann.
10 Eine Abart des Schildvortriebes ist das Durchpressen bzw. der
zz Ausbau mit Tübbings unterirdische Vortrieb von Rohren (▶ Abschn. 13.12), deren wei-
Tübbings sind vorgefertigte Elemente aus Stahl, Gusseisen, Be- terentwickelte Einbauverfahrenstechniken als „Microtunneling“
11 ton, Stahlfaserbeton oder betongefüllten Stahlkassetten. Der Aus- immer mehr den bereits beschriebenen mechanisierten Groß-
bau mit Tübbings erfordert aufwendige Formen mit aufwendigen tunnelvortriebsverfahren gleichen.
12 Herstellungsprozessen. Die Tübbings sind meist längs und quer
zu verschrauben und in den Fugen mehr oder minder intensiv
abzudichten. Der Schildspalt ist sorgfältig zu vermörteln. Der 13.10.2 Tunnelbau in offener Bauweise
13 Ausbau besitzt eine hohe Formgenauigkeit. Der Vortriebsablauf
ist gut zu beherrschen, Tagesspitzenleistungen liegen bei 30 m. Bei diesem Bauverfahren wird für das Linienbauwerk „Tunnel“
14 Der Ausbau mit Tübbings ist beim Schildvortrieb die am häufigs- abschnittsweise eine tiefe Baugrube ausgehoben und entwässert.
ten angewendete Baumethode. Die Sicherung der Baugrubenwände kann durch einen Berliner
15 Beim Tunnelbau mit Stahlbetontübbings wird zwischen ein- Verbau oder ein vergleichbares Verbauverfahren, durch Spund-
schaligen und zweischaligen Tunnelauskleidungen unterschie- wandverbau oder auch durch Auftrag von Spritzbeton mit zu-
den. Der einschalige Tunnelausbau übernimmt die Hohlraum- sätzlicher Ankersicherung erfolgen. In dieser Baugrube wird das
16 sicherung gegen das Gebirge und gleichzeitig die Abdichtung. Bauwerk „Tunnelröhre“ hergestellt. Die Ausführungsart unter-
Beim zweischaligen Ausbau wird die äußere, aus Tübbings be- scheidet sich von anderen Gründungsmaßnahmen nur durch
17 stehende Tunnelauskleidung durch eine innere Ortbetonschale den Zweck. Nach Fertigstellung wird die Tunnelröhre zuge-
ergänzt, was Flächenabdichtungen, z. B. aus Kunststoffdichtungs- schüttet und die Oberfläche bzw. Straße wieder hergestellt. Die
bahnen, oder Innenschalen aus WU-Beton ermöglicht (Brux Tunnelröhre ist statisch so ausgelegt, dass alle aus dem Erddruck
18 1998). und aus Zusatzlasten auf sie einwirkenden Kräfte auf Dauer auf-
genommen werden können. Die Sicherung der Baugrube hat
19 zz Ausbau mit Ortbeton hingegen nur kurzfristigen Bestand für die Dauer der Bauzeit.
Der Einbau von armiertem Ortbeton kann in Schalsätzen von Bei der Berechnung und Konstruktion der Tunnelröhre wird
20 4 m Breite bei einer konstanten Monatsleistung von 100 m lie- die Stützwirkung der Baugrubensicherung nicht berücksichtigt.
gen. Da sich der Schild beim Vorschub auf den Ausbau abstützt, Für die Sicherheit der Sohle der Baugrube können Entspan-
muss der Beton soweit abgebunden haben, dass die Abstützung nungsbohrungen notwendig werden, um einen hydraulischen
21 für den nächsten Vorschub ohne Gefährdung des frischen Be- Grundbruch oder Quellaufbrüche mit Materialausspülung zu
tons möglich ist. Bei einem von Hochtief entwickelten Verfahren vermeiden. Die gegen Wasserzutritt abgedichtete Tunnelröhre
22 (. Abb. 13.35) wird hinter dem Schild flüssiger Beton mit Stahl- einschließlich ihrer Überschüttung ist statisch so bemessen, dass
fasern in einen Ringraum zwischen Gebirge und Tübbingscha- auch bei höchstmöglichem Wasserstand Sicherheit gegen Auf-
lung eingepresst. Ähnlich wie bei Stahlfaserspritzbeton ergeben trieb besteht.
23 sich gegenüber unarmiertem Beton höhere Festigkeitswerte. Je- Bei Unterwassertunneln bewähren sich Herstellungsverfah-
doch lässt sich der Stahlfaserbeton noch nicht so herstellen, dass ren mit Senk-Schwimmkästen.
13.11 • Baubegleitendes Prüfen, Messen und Dokumentieren
527 13
.. Abb. 13.36 Anordnung der Messvorrichtungen im Messquerschnitt eines Tunnels zur Kontrolle möglicher Deformationen. a Anordnung von Messankern,
b Anordnung von Extensometern
Beim Senkkastenverfahren wird unter dem abgesenkten Bau- Die frisch aufgefahrenen Hohlräume werden während und
werksteil einer Tunnelröhre (meist Stahlbeton) eine Druckluft- nach dem Ausbruch vermessen. Untertage betrifft dies Kontroll-
kammer als Arbeitskammer eingebaut. Die Arbeitskammer dient messungen zum Einhalten der gewünschten Ausbruchsachse des
zum Absenken und Gründen des Bauwerks (Fernbahntunnel Tunnels nach Richtung, Höhe und Ausbruchsweite. Wiederhol-
Berlin 1999, . Abb. 6.17). tes Einmessen der gleichen Messbolzen ermöglicht Aussagen zu
Beim Schwimmkastenverfahren werden längere Teilstücke des deren Ortsverlagerung und zu eingetretenen Verformungen im
Tunnelbauwerkes schwimmfähig erstellt und nach dem Stapel- Umkreis des Hohlraumes.
lauf schwimmend vor Ort geschleppt. Das Bauteil wird in einen In den frisch aufgefahrenen Hohlräumen und in extra hierfür
vorher ausgebaggerten Leitgraben abgesenkt und an die anderen aufgefahrenen Versuchsstollen und Versuchskammern (z. B. bei
Bauteile angeschlossen. Erkundungsmaßnahmen für Talsperren) werden die geotechni-
schen Prognosen (▶ Abschn. 13.1.6) überprüft, spezifiziert und
ergänzt.
13.10.3 Deckelbauweise Ein integrierender Bestandteil der modernen Tunnelbau-
weise ist das den Vortrieb und Ausbau begleitende Messpro-
Eine Sonderform der offenen Bauweise ist die sogenannte De- gramm (▶ Abschn. 1.7). Hierfür werden in bestimmten Mess-
ckelbauweise. Dabei erfolgt zuerst das Herstellen der Tunnelsei- querschnitten Extensometer, Druck-Messdosen, Kontrollanker,
tenwände vom Geländeniveau aus. Diese Wände können durch Messbolzen und gegebenenfalls weitere Messvorrichtungen ein-
Betongroßbohrpfähle (überschnitten oder im kurzen Abstand gebaut (. Abb. 13.36). Die Anlage der Messquerschnitte sowie
durch Spritzbetongewölbe verbunden) und mit einem Pfahlkopf- das Messen und Auswerten der Messergebnisse ist Aufgabe des
balken versehen oder durch Schlitzwände hergestellt werden. Im Felsmechanikers. Der Geologe wird darauf achten, dass diese
Lockermaterial wird beim Herstellen der Schlitzwand Bentonit Messquerschnitte in den für das Gebirge charakteristischen Ho-
als Stützflüssigkeit erforderlich sein. Der Beton wird dann als mogenbereichen angelegt werden.
Unterwasserbeton eingebracht. Nach Aushub des Geländes bis
Pfahlkopfbalkenniveau (alternativ: Schlitzwandkopf) wird eine
Stahlbetonplatte als „Deckel“ eingebaut, sodass ein Tunnelrah- 13.11.1 Baubegleitendes geologisches
men entsteht. Danach erfolgen unterirdisch das Ausgraben des Erkunden des freigelegten Gebirges –
Tunnelprofils und der weitere Tunnelausbau. Diese im Allge- Erstellen der Tunneldokumentation
meinen teure Bauweise hat sich besonders bei beengten Verhält-
nissen, z. B. beim U-Bahnbau im Zuge von städtischen Straßen Die in der Tunnelröhre angetroffenen geologischen und geome-
unter Beibehaltung des Verkehrs, bewährt. Darstellungen der chanischen Verhältnisse werden während des Baufortschritts in
Deckelbauweise gibt Beer (2012). einer umfassenden Dokumentation festgehalten. Nach jedem
Abschlag wird das Gestein, seine Lagerung und Klüftung geolo-
gisch aufgenommen, beschrieben und zeichnerisch dargestellt.
13.11 Baubegleitendes Prüfen, Messen und Zusätzlich kann eine fotografische Dokumentation erfolgen.
Dokumentieren Diese Dokumentation erlaubt es, dass auch nach dem Auftra-
gen von Spritzbeton und nach dem Einbau der Auskleidung
Das beim Ausbrechen frisch freigelegte Gebirge wird baugeo- für jeden Tunnelabschnitt die geologischen und felsmechani-
logisch aufgenommen und dokumentiert. Die in der baugeolo- schen Gegebenheiten bekannt sind und dass alle weiteren geo-
gischen und hydrogeologischen Bestandsaufnahme getroffenen logischen und felsmechanischen Beratungen hierauf aufbauen
Prognosen (▶ Abschn. 13.1.2 bis 13.1.5) werden überprüft. können.
528 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
Die grafische Darstellung der in der Tunnelröhre angetrof- Nach ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau ist das Erstellen einer Tunnel-
1 fenen Verhältnisse verzeichnet, getrennt für linke Ulme, Firste, dokumentation eine Aufgabe des Auftraggebers.
rechte Ulme und gegebenenfalls für die Sohle, die angetroffenen
2 Gesteine mit Schichtung, Klüftung und Schieferung. Die Lage von
Großklüften, Störungszonen und etwaigen Verwerfungsflächen 13.11.2 Prüfen der Gebirgsqualität unter Tage
wird einzeln in die Graphik eingezeichnet. Dabei werden die in der
3 Tunnelröhre sichtbaren Winkel dargestellt. Das tatsächliche Ein- Zum Bestimmen wichtiger Gebirgskennwerte werden in Fels-
fallen der Schichten oder Trennflächen wird gesondert vermerkt. hohlräumen des zu beanspruchenden Gebirges „In-situ-Versu-
4 Die Ortsbrust wird in gleicher Weise aufgenommen und in che“ (▶ Abschn. 1.20.2 und 1.21) durchgeführt. Dies geschieht
regelmäßigen Abständen sowie zusätzlich bei stärkeren Abwei- teils in Vorversuchen, teils, z. B. beim Talsperrenbau, baubeglei-
5 chungen grafisch dargestellt. tend.
Weitere Angaben beziehen sich auf Bergfeuchte, Wasserzulauf, Die Versuche werden in hierfür ausgebrochenen Messkaver-
Standfestigkeit, Aussagen zur Standzeit, Mehrausbruch, Nachbrü- nen, Versuchs- oder Pilotstollen oder in Schächten vorgenom-
6 che, Bergschläge, Verformungen an der Ortsbrust oder in der Tun- men. Sie dienen zum Bestimmen felsrelevanter Messgrößen für
nelröhre, Stoßschiebungen sowie auf abweichende Verbau- und Elastizitätsmodul, Verformungsmodul und Bettungsmodul. Fol-
7
8
Sicherungsmaßnahmen.
Ein Beispiel für die geologische Dokumentation eines Tunnels
geben Poleschinski und Müller (1999).
Das Gebirge ist als geologischer Körper petrographisch, ge-
-
gende Messungen kommen zur Ausführung:
Lastplattenversuche
Beim Lastplattenversuch (. Abb. 1.98 und 1.99) wird über
eine Platte (oder über zwei gegenüberliegende Platten)
netisch und stratigraphisch einzustufen und zu benennen. Nach das Gebirge im Hohlraum belastet. Aus Plattengröße,
9 den geotechnischen Eigenschaften sind für Gestein und Gebirge aufgebrachter Kraft und gemessener Verschiebung werden
folgende Eigenschaften (▶ Abschn. 1.2 und 1.3) zu prüfen und ge- Elastizitätsmodul und/oder Verformungsmodul des Gebir-
10
11
-
gebenenfalls aufzuführen:
Gesteinseigenschaften
Gesteinsart, Gesteinsfestigkeit, Gesteinshärte, Massigkeit,
Stückigkeit, Frischezustand, Wasserempfindlichkeit, Verwit- -
ges ermittelt. Kombinationen mit Druckkissenversuchen
(Triaxialversuche) sind möglich.
Druckkissenversuche
Bei dem Versuch werden in gesägte Schlitze flache Druck-
12
13
- terungsgrad, Löslichkeit, Brennbarkeit.
Gebirgs- bzw. Felseigenschaften
Art der Trennflächen, Raumlage der Trennflächen, Bewerten
der Kluftscharen im Trennflächensystem (Haupttrennflä-
kissen eingebaut und das Gebirge wird bei hohen Drücken
aufgeweitet. Aus dem Druck-Aufweitungsdiagramm können
Elastizitätsmodul und/oder Verformungsmodul des Gebirges
ermittelt werden (. Abb. 1.100 und 1.101). Möglich sind
chen, Schichtflächen, Nebentrennflächen), Darstellen der Biaxial- und Triaxialversuche (. Abb. 1.102, 1.103, 1.104 und
14
15
Lage der einzelnen Kluftscharen im Trennflächensystem
(Polarprojektion, Projektion auf Ulmen, Firste und Sohle),
Oberflächenausbildung der Trennflächen, Trennflächenab-
stand, Kluftkörperform, Kluftkörpervolumen, Schichtdicke
- 1.105).
Dilatometerversuche
Mit Bohrlochaufweitungssonden (. Abb. 1.107 und 1.108)
können Elastizität und Verformung des Gebirges vom
bzw. Bankungsstärke, Auflockerungsgrad, Kluftöffnungs- Bohrloch aus getestet werden.
weite, Spaltenfüllung, Wasserführung, Reibung zwischen
-
16 den Trennflächen.
Bodeneigenschaften 13.11.3 Baubegleitendes geodätisches
17 Für Boden bzw. Lockermaterial sind die wichtigsten Kenn- Vermessen in und über der Tunnelröhre
werte wie Bodenart, Körnungsbereich, Wassergehalt und
18
19
-- Zustandsform verbal anzusprechen.
Zulauf von Wasser,
hydrogeologisches Verhältnis, Zulaufstellen (Quellen),
Art des Wasserzulaufes (Zusickern, Zufließen, Spritzen),
Der Vortrieb untertägiger Hohlräume (Bergbau, Kavernen, Stol-
len, Tunnel) ist ausbruchbegleitend und baubegleitend geodätisch
zu überwachen. Dies erfolgt unter Tage sowohl im Bauzustand
„Verbau“, z. B. Spritzbetonverbau, und auch später im Endzustand
Wasserdruck, Stärke des Wasserzulaufs, Besonderheiten bei der ausgebauten, stabilisierten Tunnelröhre.
20
-- Wasserfassungen,
Risse im Fels, Risse im Spritzbeton,
Über Tage ist sowohl das Gelände direkt über dem derzeiti-
gen und vorangegangen Vortriebsort geodätisch zu vermessen
21
22
-- Dokumentation und kartografisches Einmessen von Rissen,
Ausbrüche,
Art und Größe der Ausbrüche aus Ulmen und Firste, Berg-
schläge, Nachfall, Bodenaufbrüche, Bodenhebungen, Ein-
als auch weitdimensioniert das Gelände vor und seitlich vom
derzeitigen Vortriebsort. Hierzu werden an ausgewählten Punk-
ten Messbolzen gesetzt. Deren Höhen und Ortslagen werden in
unmittelbarer Umgebung des Vortriebs in kurzen Zeitabstän-
brüche im Boden. Aussagen zu deren geologisch bedingter den und mit zunehmender Entfernung vom Ort des Ausbru-
23
--oder technisch bedingter Ursache,
standfestigkeit des Gebirges,
Aussagen zu Standfestigkeit und prognostizierter Felsklasse,
Ausbruchklasse.
ches in größeren Zeitabständen eingemessen. Zu beachten ist,
dass elastisches Verformen und Absenken der Geländeoberflä-
che der Abbaufront vorauseilt. Ein Großteil der durch Materi-
alentnahme verursachten Absenkung kann an der Oberfläche
13.11 • Baubegleitendes Prüfen, Messen und Dokumentieren
529 13
eintreten, bevor die Abbaufront einen betrachteten Messpunkt vorauseilenden elastischen Verformungen miterfasst
untergräbt.
Das geodätische Messen unter Tage dient dem Erkennen und
der Kontrolle von Konvergenzänderungen im Hohlraum und da-
mit dem Überprüfen von dessen Beanspruchung, Verformung
- (. Abb. 13.36, 13.37 und 13.40).
Fissurometermessungen
Fissurometer (fissure: Spalte, Riss) dienen dem Messen
der Rissbreite (. Abb. 1.17). Im vereinfachten Verfahren
und Standsicherheit. wird bei Rissen im Mauerwerk mit über die Risse gesetz-
Das geodätische Überwachen über Tage dient in bebauten ten Gipsmarken gearbeitet, welche erkennen lassen, ob
Gebieten der Kontrolle möglicher Geländeverformungen und der Riss noch in Bewegung ist, ob die Rissufer sich noch
dem Registrieren von Beanspruchungen und Auswirkungen auf voneinander weg- oder aufeinander zu bewegen. Der
Bauwerke und Umwelt. Verschiebungsbetrag solcher Relativbewegungen lässt
Auch über die Zeit der Fertigstellung hinaus sind die sich mit dem Fissurometer über eine Messuhr ablesen.
Messbolzen unter wie über Tage auf lange Zeit fortlaufend Risse im Beton der Tunnelkonstruktionen gehören neben
einzumessen. Mögliche Veränderungen im Baugrund und an Deformationen und Abplatzungen zu den häufigsten
Bauwerken wie Absenken, Schiefstellen, Verkanten, Risse und Schadbildern bei Tunnelbauwerken. (Lange, Löckmann
Brüche, die sich erst nach längerer Zeit einstellen, können so
erkannt und kontrolliert werden. Das baubegleitende geodäti-
sche Messen bietet somit unter Tage Sicherheit für die Beleg-
schaft und das eingesetzte und eingebaute Material. Über Tage
- 2002).
Deflektometermessungen
Deflektometer (DIN 4107-3) sind gelenkig verbundene
Gestängekonstruktionen die in Bohrlöcher eingeführt
bietet es Sicherheit für Bauwerke, Verkehr und Menschenleben. werden. Hierzu werden radial zur Tunnelachse Löcher
Es bietet einen Beitrag zur Beweissicherung bei Schadensfällen gebohrt. (. Abb. 13.23d). An Stellen mit Richtungsab-
an anderen Bauwerken. Aus der beobachteten Verformung im weichung im Bohrloch werden die benachbarten Stangen
Tunnel kann auf die Standzeit des Gebirges und das richtige an ihren Verbindsstellen gegeneinander abgelenkt oder
Dimensionieren der zur Sicherung verwendeten Verbaumit- deflektiert. Winkel und Richtung der Deflektion oder
tel geschlossen werden. Folgende Messverfahren kommen zur Ablenkung zwischen benachbarten Stangen werden einge-
-
Ausführung:
Nivellement unter Tage für Firste, Ulmen und Sohle
Während des Vortriebes werden markierte Punkte in regel-
mäßigen Zeitabständen eingemessen, und die Senkung der
- messen.
Inklinometermessungen
Inklinometer (DIN 4107–3) sind Sonden von 0,5 oder 1 m
Länge, die in mit verformbaren Messrohren ausgekleidete
Tunnelfirste wird in Abhängigkeit von Vortrieb und Zeit Bohrlöcher eingebaut und hierin auf oder abgefahren
- aufgezeichnet.
Nivellement über Tage
In bestimmten Abständen werden längs und quer zur Tun-
nelachse Messbolzen installiert und vor, während und nach
werden. Kettenneigungsmesser können auch aus mehreren
miteinander beweglich verbundenen Inklinometereinheiten
bestehen (▶ Abschn. 1.7.2, . Abb. 1.20, 1.21). Über Inklino-
metertechniken werden Horizontalabweichungen von der
dem Tunnelvortrieb regelmäßig vermessen. Das Nivelle-
ment kann durch Extensometermessungen ergänzt werden
- Lotrechten gemessen
Messen der Ankervorspannung
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19 13.12 Einbringen von Rohrleitungen in
- Setzungen an Bauwerken und Verkehrswegen werden weit-
-
geschlossener Bauweise gehend vermieden;
20 (Mikrotunnelbau) der Umfang der Erdbewegungen wird erheblich vermin-
dert; Verfüllarbeiten, Verdichtungsarbeiten und Wiederher-
Aus verkehrstechnischen und baulichen Gründen werden Rohr- stellungsarbeiten der Straßendecke entfallen.
21 leitungen nicht in offenen Gräben, sondern unterirdisch in ge-
schlossener Bauweise eingebracht oder vor Ort hergestellt. Die Das Einbauen von Leitungen in geschlossener Bauweise hat in
22 Vorteile der geschlossenen Bauweise sind (Scherle 1977, Klotz den letzten Jahren durch den Ausbau und die Sanierung der nicht
1982, Niewerth 1986, Beyert 1987, Stein und Falk 1996, Jäger begehbaren Ver- und Entsorgungsleitungsnetze einen enormen
1996, Gell und Knops 1996, Bielecki 1999, Stein 2003, Schad Entwicklungsschub bezüglich Steuerbarkeit und Automatisie-
23
--
2008, zur Linde 2013)
geringe Verkehrsbehinderung;
Grundwasserabsenkungen werden teilweise vermieden;
rung erhalten. In Anlehnung an die maschinellen Vortriebsver-
fahren im Großtunnelbau werden diese Bauweisen auch als Bau-
weisen für Mikrotunnel bezeichnet (Maidl und Gipperich 1994).
13.12 • Einbringen von Rohrleitungen in geschlossener Bauweise (Mikrotunnelbau)
531 13
zz Bodendurchschlagrakete
Mit der Bodendurchschlagrakete wird das Erdreich horizontal
durchrammt (. Abb. 13.43a). Der Vortrieb erfolgt über einen
hydraulisch betriebenen Schlagbolzen. Es können Durchmesser
zwischen 65 und 200 mm hergestellt werden.
Das Verfahren eignet sich in erdfeuchten und trockenen,
gemischtkörnigen Sanden und Kiesen und in lehmigen San-
den mit dichter Lagerung. Nicht geeignet ist das Verfahren
in nassen und wassergesättigten Bodenarten wie Schlamm,
Schluff, Torf und Fließsand, die der Durchschlagrakete eine
zu geringe Mantelreibung entgegenstellen. Der Boden soll frei
von Steinen, Fels, Wurzeln oder Mauerwerk sein. In solchen
Böden weicht die Rakete von der vorgegebenen Richtung ab.
Auch wechselnde Bodenschichten führen zu Abweichungen.
Die erforderliche Überdeckung liegt bei 1–1,5 m. Wird diese
Mindestüberdeckung nicht eingehalten, so entstehen Boden-
aufbrüche und Hebungen, besonders Verformungen in der
.. Abb. 13.39 Zeit-Verformungs-Diagramm von Konvergenzmessungen nach
Fahrbahndecke. Die Vortriebslänge wird durch die Zielgenau-
Golser (1973). Hunten und Hoben sind 2 horizontale Messstrecken im Stollen
igkeit von 1–2 % bestimmt und liegt bei ca. 60 m. Die Vor-
triebsgeschwindigkeit ist abhängig von Bodenart, Lagerungs-
Unterschieden werden nichtsteuerbare Verfahren und steuerbare dichte, Überdeckung und Durchmesser der Rakete. Mittlere
Verfahren. Die kostengünstigeren nichtsteuerbaren Verfahren Werte liegen bei 10 m h−1.
werden aber durch Weiterentwicklungen immer häufiger mit Das Arbeiten mit der Durchschlagrakete erfordert eine Start-
Steuermöglichkeiten ausgerüstet, um eine größere Zielgenauig- grube und eine Zielgrube (Keller). Mögliche Schäden entstehen
keit zu erreichen. durch Ungenauigkeiten beim Zielen, besonders durch Beschä-
Nach der Art des Einbringens von Rohrleitungen unterschei- digen von Leitungen.
det man Bodenverdrängungsverfahren unter Einsatz von Ram- Steuerbare Systeme, ausgerüstet mit Laser und einem
men oder Pressen und Bodenentnahmeverfahren unter Einsatz zweiteiligen, veränderbaren Verdrängungskopf, erreichen bei
von Rohrrammen und Bohrgeräten sowie Rohrdurchpressun- Nennweiten ≤ 250 mm und Entfernungen bis 80 m bereits Ziel-
gen mit Abbaugeräten bzw. steuerbaren Vortriebsmaschinen am genauigkeiten von 25 mm. Die Rohrleitung wird in den von der
Rohrkopf. Dabei haben die Rohrdurchpressungen mit automa- Durchschlagrakete hergestellten Hohlraum eingeführt. Dies
tisch gesteuerten Bohrköpfen und automatischen Fördersyste- kann ab der Zielgrube durch Einziehen mit einem Zugseil, ab
532 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
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Startgrube durch Einschieben, Eindrücken oder Einpressen zz Horizontalramme mit geschlossenem Rohr
21 oder auch durch Eintreiben, Einschlagen oder Einhämmern Bei ungünstigen Bodenverhältnissen und bei erhöhter Setzungs-
mit entsprechenden Werkzeugen oder Maschinen geschehen. gefahr (unter Bahndämmen) wird direkt ein Stahlrohr in den
22 Dabei ist die Mantelreibung zu überwinden. Diese ist abhängig Boden eingerammt. Das Stahlrohr wird an der Spitze durch einen
von Rohrumfang, Rohrlänge, Bodenart, Überlagerungshöhe und Konuskopf verschlossen. Die Durchschlagsrakete wird am Ende
Zusatzlasten. des Stahlrohres mit einem Schlagkegel aufgesetzt.
23 Grundwasserführende Bodenschichten lassen sich nur mit Die Vortriebslängen reichen bis 35 m bei Vortriebsgeschwin-
Bauhilfsmaßnahmen wie z. B. Grundwasserabsenkungen durch- digkeiten zwischen 0,5 und 5 m h−1. Das Verfahren ist auch im
örtern. Grundwasserbereich möglich.
13.12 • Einbringen von Rohrleitungen in geschlossener Bauweise (Mikrotunnelbau)
533 13
.. Abb. 13.42 Tangentiale Druckver-
teilung zwischen Auskleidung und
Gebirge. (Nach Golser 1973)
Im Verdrängungsverfahren arbeitet auch das Durchpressen bohren genutzt. Das im Verdrängungsverfahren vorgetriebene
eines vorne geschlossenen Rohres mit kleinem Durchmesser, Pilotrohr kann durch eine neu entwickelte Lageerfassung der
z. B. eines Gestänges, das durch eine Pressenanlage im Start- Rohrspitze per Funk und Steuerung mittels eines abgeschrägten
schacht vorgetrieben wird. Das Produktrohr wird danach vom rotierenden Lenkkopfes eine hohe Zielgenauigkeit erreichen.
Zielschacht beim Zurückziehen des Gestänges eingezogen. Da-
her eignen sich für den Einbau auch Kunststoffrohre.
Beim Pilotverfahren werden durchpresste Rohre mit kleinem
Durchmesser als Pilotrohre für nachfolgendes Aufweitungs-
534 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
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.. Abb. 13.43 Verfahrensweisen für das Einbringen von Rohrleitungen in geschlossener Bauweise. a Prinzip der Durchörterung mit der Bodendurchschlag-
9 rakete, b Prinzip des Rohrrammens mit vorn offenem Rohr, c Verfahrenstechnik mit leichtem Erdbohrgerät: 1 Start-Bohrgrube, 2 Zielgrube, 3 Förder- und
Bohrschnecke, 4 Bohrgerät, d Verfahrenstechnik mit dem Windenbohrgerät: 1 Festpunkt, 2 Aufhängung der Windenbohrmaschine, 3 Zugseil, 4 Windenbohr-
maschine, 5 Schutzrohr mit Bohrschnecke
10
13.12.2 Bodenentnahmeverfahren chen Hohlräume zwischen Stahlrohr und Boden, die an
11 der Oberfläche zu Absenkungen und Einbrüchen führen
zz Rohrrammverfahren können. Mit diesem Verfahren werden Rohre bis 1,4 m
12 Eine Sonderbauweise stellt das Einrammen eines vorn offenen Durchmesser und bis 80 m Vortriebslänge verlegt. Die
Rohres dar (. Abb. 13.43b). Bei diesem Verfahren wird der in Vortriebsgeschwindigkeit liegt bei 1–12 m h−1 und wird
das Rohr eingedrungene Boden mit Druckluft, Druckwasser oder durch Einrichtungsarbeiten nachhaltig bestimmt. Ein
13 Spiralbohrern entfernt. anderes Einsatzgebiet für dieses Verfahren ist das Sanie-
ren defekter Leitungen. Hierbei wird ein Fräskopf durch
14 ein Führungsgestänge im alten Leitungsrohr geführt.
-
zz Horizontalbohrverfahren
Von einer Startgrube aus wird der Boden horizontal durchbohrt: Der Fräskopf überfräst das alte Rohr. Den Abtransport
15 leichte Erdbohrgeräte übernimmt die Förderschnecke. Eine neue Leitung aus
Zum Einsatz kommen leichte Erdbohrgeräte mit Polymerbetonrohren wird nachgepresst.
Schneckenbohrer. Mit diesen Geräten können kurze
16 Unterminierungen bis etwa 15 m Länge und 400 mm zz Bohrpressverfahren
Durchmesser in standfesten Böden hergestellt werden. Der moderne Vortrieb arbeitet im Mikrotunnel ähnlich wie
17 Das Rohr wird nach Fertigstellen der Bohrung eingebaut beim Herstellen langer Tunnel im Großtunnelbau mit rich-
18 - (. Abb. 13.43c).
Windenbohrgeräte
Die Bohrschnecke arbeitet innerhalb eines Stahlrohres,
welches über einen Seilzug parallel zum Bohrfortschritt
tungsgesteuerten Vortriebmaschinen im Schutz eines Schildes
(. Abb. 13.44). Der unmittelbar nachfolgende Leitungseinbau
kann mit nachgepressten Rohrschüssen von etwa 350 mm bis
über 2000 mm Durchmesser durchgeführt werden oder bei
19 vorgeschoben wird (. Abb. 13.43d). Die Vortriebsge- größeren Durchmessern mit dem kontinuierlichen Einbau von
schwindigkeiten liegen bei 2,5–5 m h−1 bei Durchmessern Rohrringen aus Kreissegmenten (Tübbings). Letzterer Ausbauart
20 bis 800 mm. Der Einsatz ist in allen Böden möglich. Die sind hinsichtlich Durchmesser und Tunnellänge nahezu keine
eine Anpassung an fast jede Geologie auch im grundwasserer- tragen. Die Pressen übertragen den Schub von je 3000 kN
füllten Boden erfolgen. Zum Zerkleinern von Felsstücken sind Schubkraft auf die Widerlagerwand in der Verpressgrube. Ist
hinter der Bohrkopffront Brecherkammern angeordnet. das zuletzt eingelegte Rohr vorgepresst, wird der Druckring
Beim Fördern des Bohrgutes wird Trockenfördern (Förder- zurückgezogen und ein neues Rohr eingelegt. Ergeben Mantel-
schnecke) und Nassfördern unterschieden, wobei bei Letzterem reibung und Schneidendruck 90 % der zulässigen Spannung in
das Fördern des Bohrgutes mittels Suspension aus Bentonit o. ä. der Rohrwand, wird eine Zwischenpressstation mit kleineren
erfolgt, welche im Kreislauf geführt wird. Beim Trockenfördern Pressen eingebaut. Solche Stationen unterteilen die Vortriebs-
kann durch Bodenkonditionieren der Einsatzbereich erweitert strecke in Schubeinheiten gleicher maximaler Vorpresskraft
werden. So erfolgt eine Bentonitzugabe bei Sand zum Vermin- (. Abb. 13.44a).
dern der Reibung beim Trockenfördern oder die Zugabe von Von Bedeutung für den Rohrvortrieb ist die Mantelreibung.
Wasser zum Verflüssigen steifer Tone. Für den Einsatz im Festge- Diese stellt sich zunächst unabhängig von der vorhandenen
stein haben sich mit Hartmetall besetzte Felsbohrköpfe bewährt. Überdeckung in der Größenordnung von 20–30 kN pro m2
Eine Hochdruckwasserspülung am Felsbohrkopf ermöglicht Rohroberfläche bei Stahlbetonrohren ein. In druckhaftem Ge-
auch den Vortrieb in inhomogenen Baugrundverhältnissen. birge, so bei quellenden Tonen, kann sich dieser Wert verdop-
Die Richtungssteuerung erfolgt über die Richtungserfassung peln. Die Mantelreibung kann vermindert werden, wenn der
durch eine permanente Laserstrahlmessung, die Kontrolle und Schneidschuh geringfügig größer gewählt wird als der Durch-
Korrektur erfolgt durch ein vollautomatisches Steuerleitsystem messer der Rohre. In den Spalt zwischen Rohr und Gebirge kann
mit Ansteuerung der Hydraulik für die Pressen des Bohrkopfes. Bentonit als Gleit- und Stützschicht eingepresst werden.
Einzellängen der Vortriebsstrecken werden bis zu 250 m im Die Übertragung der Druckkräfte auf den Erdboden erfor-
nicht begehbaren Bereich und darüber bis zu 400 m gewählt. dert die Ausbildung von Druckwänden, die ein gleichmäßiges
Kurvenradien bis zu 400 m können horizontal wie vertikal gezielt Anliegen am Erdreich oder an einer Spundwand sicherstellen.
gepresst werden. Die erforderliche Überdeckung soll mindestens Bei größeren Bauwerken wird örtlich eine Stahlbetondruckwand
den doppelten Rohrdurchmesser betragen. hergestellt. Ausweichen oder Verschieben der Druckwand muss
Beim Vorpressen werden die Presskräfte von bis zu sechs vermieden werden. Der Boden hinter der Druckwand muss alle
Hauptpressen über einen Druckring auf das letzte Rohr über- auftretenden Kräfte aufnehmen können. Ein Geländebruch muss
536 Kapitel 13 • Tunnelbau – unterirdischer Hohlraumbau
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.. Abb. 13.45 Standsicherheitsnachweis einer Druckwand bei einstufigem Verbau des Pressschachtes nach Scherle (1977). a Sicherheitsbeiwert S > 1: ausrei-
11 chend standsicher, b Sicherheitsbeiwert S = 1: noch standsicher, c Sicherheitsbeiwert S < 1: nicht standsicher
12 vermieden werden. Das plastische Verformen (horizontale Kom- einer Startposition aus mit der Bohrspülanlage mehrere Hundert
paktion) der Bodenteilchen soll gleichmäßig und gering sein. bis Tausend Meter lange Bohrstränge vorgebohrt werden (Pilot-
Bodenverfestigungen durch Injektionen sind bei Sanden und bohrung, . Abb. 13.46). Dabei liegt im freigespülten oder durch
13 Kiesen möglich. In besonderen Fällen können Widerlager aus Verdrängen frei gewordenen Hohlraum des Bohrkanals das fle-
Fremdmaterial aufgeschüttet werden. xible Bohrgestänge. Beim Rückziehen des Bohrstranges können
14 Die Belastbarkeit des Bodens ergibt sich als horizontaler Erd- von der Zielposition/Zielgrube aus Leitungsstränge oder Kabel
widerstand aus dem passiven Erddruck: in den verbleibenden Kanal des horizontalen Bohrloches einge-
15 zogen werden. Hierzu wird am Zielpunkt der Bohrkopf gegen ein
e = p h Geräteteil zum Aufweiten des Bohrloches (Räumer oder reamer)
ausgetauscht. An dieses Geräteteil wird das einzuziehende Rohr
16 e = passiver Erddruck oder die einzuziehende Leitung gehängt und durch das Bohrloch
λp = Beiwerte des passiven Erddruckes zum Startpunkt gezogen.
17 γ = Wichte des feuchten Bodens Werden größere Bohrdurchmesser gebraucht, so kann auch
h = maßgebende Tiefe ein weiterer Bohrstrang mit größerem Durchmesser zum Auf-
weiten der Pilotbohrung eingezogen werden.
18 Beim Standsicherheitsnachweis der Druckwand (. Abb. 13.45) Die HDD-Horizontalbohrgeräte werden nach der Gerä-
wird von dem ungünstigsten Beiwert des passiven Erddruckes tegröße und deren maximaler Zugkraft (zwischen 150 und
--
19 für die über der Druckwand liegenden Bodenschichten ausge- > 2500 kN) eingeteilt in
gangen. Wenn der Erdwiderstand größer ist als die maximale Minibohrgeräte < 7 t,
20
21
Pressung, welche die Druckwand in Zusammenwirkung mit
der Spundwand auf den Boden ausübt, ist die Standsicherheit
erwiesen. -- Midibohrgeräte 7 bis 25 t,
Maxibohrgeräte 26 bis 66 t,
Megabohrgeräte > 60 t.
Düse
Sprühbereich
Bohr-und
Freischnittbereich
Strömungseffekte durch
Schneidgut und Bodenpartikel
b
.. Abb. 13.46 Schema für den asymmetrischen Aufbau des Bohrkopfes und den Spülvortrieb einer Horizontalbohrung nach dem HDD-Verfahren. a: Auf
brechen/Aufschneiden des Bodens beim Anfahren der Bohrung mit Hochdruckwasserstrahl oder Suspensionsstrahl. b: Bohrbetrieb mit Strömungseffekten
beim Aufbrechen, Verpressen und Ausschwemmen des Bohrkleins. (Bayer, Koch, Rameil 2009)
13.12.4 Einziehen von Leitungen mit dem nissen in Plänen und Schnitten aufgezeichnet. Für die auftreten-
Raketenpflug System Föckersperger den Bodenarten und Gesteine sind die bodenmechanischen und
felsmechanischen Verhältnisse zu ermitteln. Besonderer Wert ist
Das Raketenpflugverfahren nach dem System Föckersperger auf den Wechsel von Gesteinen und Schichten unterschiedlicher
ist eine Fortentwicklung der Geräte zum Einziehen eines Mau- Dichte, Kohäsion und Reibung zu legen, da diese zu Abweichun-
wurfdräns (Abb. 14.51 g). Der Raketenpflug schneidet den Boden gen von der vorgegebenen Richtung führen können. Gleichfalls
mit einem Pflugschwert auf und weitet das Erdreich mit einem führen unterschiedliche Auflasten aus Morphologie, Bauwerken
Aufweitungskopf (Verdrängerteil, Rakete) auf bis 500 mm Hohl- und Verkehrslasten zu Abweichungen von der Richtung. Die
raumweite. Die einzuziehende Leitung (PE-Leitung bis DA 355, Eignung des Untergrundes, den Rohrstrang exakt zu führen,
Stahl- oder Gussrohre bis DN 200) werden direkt mit dem Auf- ist wichtiger Bestandteil der Erkundung. Durch die geologische
weitungskopf verbunden und über Seilzug in bis 250 m langen Untersuchung ist im Rahmen des Vorentwurfes festzustellen, ob
Strängen eingezogen. Der vorgestreckte Rohrstrang wird vorab der unterirdische Rohrvortrieb möglich ist. Es sind alle für den
hinter der Startergrube ausgelegt. Die Verlegetiefen liegen bei 1,0 Entwurf, die Ausschreibung und die kalkulatorische Bearbeitung
bis 1,7 m Tiefe. Eingesetzt werden ein Rohr-und Kabelpflug und wichtigen Angaben zu ermitteln. Schwerpunkte der Erkundung
ein Seilwinden LKW. Für das Einziehen von Leitungen werden sind die Belange des Rohrvortriebes, die Abbautechnik und das
Arbeitsleistungen mit bis 1000 m pro Tag angegeben. Stabilisieren der Ortsbrust. Von den Erkundungsarbeiten für
den Stollen- und Tunnelbau weicht die Zielsetzung beim Rohr-
vortrieb insofern ab, als dem Beurteilen der Standfestigkeit des
13.12.5 Baugrunduntersuchungen für das Gebirges und der Hohlraumsicherung keine große Bedeutung
Einbringen von Rohrleitungen in zukommt. In DIN 18319 liegt eine Bodenklassifikation für Rohr-
geschlossener Bauweise vortriebsarbeiten vor (▶ Abschn. 4.1.5).
Literatur
1
Velske S, Mentlein H, Eymann P (2013) Straßenbautechnik, Werner-Verlag Düs-
2 seldorf
Vorona M (2012) Optimierung des Schneidprozesses und Prognose der relevan-
ten Arbeitsgrößen bei der Gesteinszerstörung unter Berücksichtigung des
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Es ist die Aufgabe von Wasserbau und Wasserwirtschaft, die gulierungsarbeiten lösen lässt. Die Maßnahmen des Wildbach-
menschlichen Einwirkungen auf das ober- und unterirdische verbaus sind kurzlebig.
Wasser zu kontrollieren und die vom Wasser ausgehenden Ge- In Wildbächen des Gebirges, verwilderten Bächen und Ab-
fahren für Menschen, Landschaft und Umwelt sowie für von flussrinnen mit verstärktem Wasserzulauf von versiegelten Flächen
Menschenhand geschaffene Bauwerke gering zu halten oder zu und an Knickpunkten von Flüssen und Strömen, unterhalb derer
beseitigen. Die wichtigsten Planungsziele im konstruktiven Was- sich Verwilderung einstellt, sind „Fallen“, „Springen“, „turbulen-
-
serbau sind:
Nutzen der Gewässer als Trinkwasser, Brauchwasser und
tes Fließen“ (▶ Abschn. 2.8.1) die landschaftsbildenden und land-
schaftsverändernden Bewegungsformen des abfließenden Wassers.
- Bewässerungswasser;
Ausgleich von Defiziten an Trinkwasser, Brauchwasser und
Die morphologisch als „Oberlauf “ einzustufenden Fließ-
strecken der Flüsse sind durch rückschreitende Erosion gekenn-
-- Bewässerungswasser;
Schutz vor Naturkatastrophen;
zeichnet. Solche Flussabschnitte sind sehr steil, bei Wasserfällen
und abschnittsweise bei Kaskaden senkrecht.
-- dung;
Schutz vor Verbracken;
lende Quellen (Schichtquellen) aus. Sie bewirken primär rück-
schreitende Erosion und damit das Versteilen der aufliegenden
--fahrt;
Nutzen der Gewässer für das Gewinnen von Energie;
den Wasser zusammen und bilden den Mittellauf und eigentli-
chen Wildbach. Dieser durchfließt im tief eingeschnittenen Tal
--
Nutzen der Gewässer für die Fischerei;
Nutzen der Gewässer für Kühlzwecke;
Nutzen der Gewässer für Erholung und Freizeit.
mit steilen Flanken die Strecke zwischen Einzugsgebiet und
Schwemmkegel bzw. der Vorflut des Hauptflusses. Massigen Fels
durchqueren die Wasser des Wildbaches in einer Klamm mit
standfesten senkrechten Wänden. In durch Verwitterung aufge-
Die physikalische Grundlage des konstruktiven Wasserbaus ist lockerten Gesteinen bilden die Talflanken ein V-Tal, aufgebaut aus
die Hydraulik. mächtigen Hangschuttmassen. Der Hangfuß grenzt unmittelbar
Für das Planen und Ausführen einer konstruktiven Was- an das Bachbett oder Flussbett. Hangunterschneidungen provo-
serbaumaßnahme (z. B. Stauanlage oder Bewässerungskanal) zieren Rutschungen und Talzuschub. Die aus dem Erosionstrich-
sowie für das Beurteilen der Auswirkungen dieser Baumaß- ter und aus dem Talzuschub längs des Wildbaches zugeführten
nahme auf die Umwelt ist die Zusammenarbeit mit den Wis- Massen werden von diesem abtransportiert. Der Mittellauf wird
senschaftsdisziplinen Geographie, Geomorphologie, Klima- daher als Gleichgewichtsstrecke betrachtet. Bei größeren Massen-
tologie, Meteorologie, Hydrologie, Sedimentologie, Geologie, bewegungen und Bergsturz droht die Gefahr, dass Wildbäche und
Hydrogeologie, Baugeologie, Bodenmechanik, Felsmechanik, Flüsse vorübergehend aufgestaut werden, um später im Wasser-
Geotechnik, Geophysik, Botanik, Zoologie und Ökologie er- schwall flussab liegende Siedlungsgebiete zu zerstören.
forderlich. Am Knickpunkt bei Austritt aus dem Gebirge verliert der
Wildbach an Transportkraft. Das mitgeführte Geschiebe wird
auf einem Schwemmkegel abgelagert.
14.1 Wildbachverbau Mündet der Wildbach aus seinem Mittellauf heraus direkt in
den Hauptfluss ein, wird das mitgeführte Geschiebe im unmit-
Als Wildbäche werden steile, geschiebeführende Bäche im Mit- telbaren Mündungsbereich des Wildbaches abgelagert und der
tel- und Hochgebirge bezeichnet. Sie sind durch starke Erosion Hauptfluss wird aufgestaut.
im Oberlauf, eine Gleichgewichtsstrecke im Mittellauf und eine
Auflandungsstrecke im Unterlauf gekennzeichnet. Neben dieser
natürlichen Form der Wildbäche können durch landschafts- 14.1.1 Maßnahmen in Erosionstrichtern
verändernde Eingriffe des Menschen künstliche und natürliche
Wasserläufe zu Wildbächen mutieren, und zwar sowohl durch Aus den mittleren und höheren Hanglagen im Erosionstrich-
Wasserumleitungen im Zuge von Baumaßnahmen als auch durch ter können Rutschungen und besonders Steinschlag, Fels- und
erhöhte Hochwassergefahr im Zuge zunehmender Versiegelung Blocksturz sowie Lawinen und Murgänge abgehen, gegen welche
der Landschaft bei direkter Einleitung des Niederschlages in den geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind (▶ Kap. 10).
Vorfluter. Kleine Bäche können dann die Hochwässer nicht mehr Im Erosionsgebiet eines Wildbaches werden durch den
in ausgeglichenem Maße aufnehmen und beginnen zu erodieren Wechsel von Seitenerosion und Tiefenerosion diese Massenbe-
(Verworn und Harms 1984). wegungen ausgelöst. Diese Massen werden dem Wildbach zuge-
Mit dem Ausweisen von Bauland und Verkehrsflächen im führt und im Schwemmkegel abgelagert.
Bergland ist das Problem der Bachverwilderung verbunden, das Zur Verminderung des Materialabtrags dient vorrangig das
sich nur mit zeitlich langandauernden und kostenintensiven Re- Fixieren der Bachbetten und Wasserrinnen. Zum Verhindern von
542 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
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12 Tiefen- und Seitenerosion kann deren Lauf ausgebaut werden. In wasser infolge Landschaftsversiegelung, können im Bach-
geringen Mengen anfallendes Niederschlagwasser kann bei Erd- bett durch Holz-, Stahl-, Stein- oder Betonverbau stabilisiert
baumaßnahmen in Rohrleitungen oder in offenen Schussrinnen werden. Im Einzelnen gibt es folgende Möglichkeiten des
--
13 abgeleitet werden. Die Schussrinne besteht aus einem Beton- oder Verbaus:
Steinbett, in welchem das Wasser mit hoher Geschwindigkeit ab- Holzverbau
14 geführt wird. Zum Vermindern der Fließgeschwindigkeit können Die Uferwand des Baches wird durch eingeschlagene
-
in die Sohle der Steinrinne hervorstehende Steine eingebaut wer- Rundhölzer im Verbund mit Flechtwerk stabilisiert.
15 den, die ständige Richtungsänderungen des abfließenden Wassers Die Uferwand wird durch starke Bretter und Bohlen
erzwingen. Das in Schussrinnen abgeführte Wasser muss frei von stabilisiert, welche durch eingeschlagene Rundhölzer
-
Geschieben und mitgeführtem Holz sein. Letzteres kann durch gehalten werden.
16 Murrechen zurückgehalten werden. Es muss Vorsorge getroffen Die Uferwand wird durch dicht nebeneinander einge-
17
werden, dass das mit hoher Geschwindigkeit abgeleitete Wasser
nicht am Ende der Schussrinne Schaden durch Auskolken ver-
-- schlagene Rundhölzer (Palisaden) stabilisiert.
Stahlverbau
ursacht. Schussrinnen können im Laufe der Zeit mannigfaltigen
Schaden durch Auflösen des Betonmörtels sowie durch Aus-
-- Die Uferwand wird durch eine Spundwand stabilisiert.
Mauerwerksverbau
--
18 waschen, Zerstören und Verlagern von Bauteilen erfahren. Die Die Uferwand wird durch ein Mauerwerk stabilisiert.
Notwendigkeit der Anlage von Schussrinnen für das Ableiten des Betonverbau
--
19 Niederschlagwassers ergibt sich bei Erdarbeiten aus der Größe Die Uferwand wird durch eine Betonwand stabilisiert.
des Bauprojekts sowie aus der Geländeneigung und Bodenart. Steinverbau
20 Besonders erosionsempfindlich sind locker gelagerte Sande. Das Ufer wird durch ein Schüttlage aus grobem Block-
Neben technischen Einbauten ist im Erosionstrichter stets die werk stabilisiert. Dieses Blockwerk wird entweder
Möglichkeit forstlicher und ingenieurbiologischer Maßnahmen lose geschüttet, in Handarbeit vermörtelt oder durch
21 zu prüfen. Durch Aufforsten und Bepflanzen können Hänge län- Colcrete-Beton verklammert.
gerfristig stabilisiert und vor Abtrag geschützt werden.
22 Gegen die Seitenerosion werden die gefährdeten Stellen durch
Leitwerke (Ufermauern) geschützt.
14.1.2 Maßnahmen im Wildbach Gegen die Tiefenerosion werden in der Sohle des Bachbet-
23 tes Schalen und Grundschwellen eingebaut (. Abb. 14.4). Die
Bäche mit mittlerem Gefälle, z. B. Bachläufe im Mittelge- Einbauten bestehen aus Holz (versenkte Faschinen, eingebaute
birge und Bäche mit verstärktem Zulauf von Oberflächen- Bohlen), Betonplatten oder Steinen.
14.1 • Wildbachverbau
543 14
1–2
Feinsand oder
Schlamm
0,50–0,70
1
2–3
--
drei Lastfälle (Vischer und Huber 1982, Patt & Gonsowski 2011):
nach Fertigstellen und vor dem Hinterfüllen;
nach Hinterfüllen (Kolmation) und nach Einstellen einer
natürlichen Abdichtung in der Bachsohle sowie bei einem
-
telfeiner Sand, evtl.
mit etwas Schlamm Murgangstoß auf die Sperrenflügel (dreifacher Wasserdruck);
5–20 Kiessand, evtl. mit 0,80–1,00 4–6 nach Hinterfüllen und unterwasserseitig wegerodierten
etwas Schlamm oder abgerutschten Talflanken (Katastrophenfall ohne
passiven Erddruck aus dem Widerstand der Talflanken).
10–100 Geröll oder Grobkies, 1,20–1,40 8–10
--
evtl. mit etwas
Schlamm In die Standsicherheitsberechnungen gehen ein (. Abb. 14.2):
oberseitiger Wasserdruck Wo;
-
– Schichtgesteine 1,60–2,00 14–16
unterseitiger Wasserdruck Wu;
– Dichter Fels 2,60–3,00 18–20 Murgangdruck (dreifacher Wasserdruck) auf die Sperren-
--flügel Wm;
oberseitiger Wasserdruck auf die Sperrenflügel WoF;
zz Fixieren durch Sperren
Das Fixieren durch Sperren bewirkt, dass das Gefälle und damit
--
Auftrieb in der Sperrmauer A;
passiver Erddruck in den Talflanken Ep;
die Schleppkraft des Wildbaches vermindert wird. Im Bachlauf
werden mehrere Sperren hintereinander errichtet. In Abhängig-
-
aktiver Erddruck aus der Hinterfüllung Ea;
Wandreibung an den Talflanken und in der Gründungs-
keit von der Geröllführung werden diese Sperren gleichzeitig
oder mit größeren Zeitabständen nacheinander gebaut.
Hinter den Sperren lagert sich das mitgeführte Geschiebe ab.
Dadurch wird die Sohle des Baches angehoben und der Hangfuß
--
sohle R;
Eigengewicht der Sperre G;
Wasserauflast auf die Sperre Wv.
abgestützt. Für das Projektieren und für die wirtschaftliche Kalkulation eines
Werden die Sperren gleichzeitig gebaut, so werden sie Sperrensystems sind umfassende geologische, baugeologische
gleichmäßig und kolksicher im anstehenden Untergrund (meist und hydrologische Daten zusammenzutragen. Die geologische
im Fels) gegründet. Abstand und Gründungstiefe werden so Untersuchung umfasst die geologische Aufnahme im Erosions
gewählt, dass die untere Sperre die nächsthöhere Sperre um trichter mit Kartieren der Schichtverbreitung, des Zustandes der
0,5–1 m eindeckt (. Abb. 14.1). Erosion und der Massenbewegungen. Das durch Erosion auf den
Werden die Sperren nacheinander gebaut, so wird mit dem Wildbach zukommende Material wird massenmäßig abgeschätzt
Bau der zweiten Sperre gewartet, bis der Stauraum der ersten und bezüglich der zu erwartenden maßgebenden Geschiebe be-
Sperre mit Geschiebe hinterfüllt ist. Der Bau einer Sperrentreppe schrieben. Da die Erosion im Trichter rasch voranschreitet, stim-
erfolgt von unten nach oben. Unter Berücksichtigung der Kolk- men die Geschiebefunde aus dem Bachbett nicht immer mit den
gefahr können die zweite und die folgenden Sperren auf dem für die Zukunft zu erwartenden Geschiebeführungen überein.
Geschiebe gegründet werden. Zu berücksichtigen ist das Gefälle Die aus dem Erosionsgebiet im Oberlauf des Wildbaches
der Talsohle vor (JV) und nach (JN) der Erhöhung (Berechnung der Gleichgewichtsstrecke im Mittellauf zugeführte Geschie-
von JN s. Vischer und Huber 1982 und Patt Gosowski 2011). bemenge kann hier durch aus Talzuschub (▶ Abschn. 2.5) re-
Zwischen zwei Sperren soll sich ein derartiges Gefälle (JN) sultierende Rutschmassen (Hangschuttmassen) ergänzt, wenn
einstellen, welches auch bei starker Wasserführung keinen Ge- nicht gar übertroffen werden. Für solche auf das Tal zuschie-
schiebetrieb mehr ermöglicht. Dieses Gefälle ist von der maßge- benden Rutschmassen sind die Art und Zusammensetzung
benden Korngröße des Geschiebes abhängig (. Tab. 14.1). des Bodenmaterials zu beschreiben, die Art der Bewegung
Neben der Funktion Erhöhen der Talsohle und Stabilisie- (Rutschungstyp) und Rutschungsaktivität (▶ Abschn. 2.6) zu
ren der Talflanken haben Sperren auch den Zweck, das Wei- benennen, die davon betroffenen Massen im Hang sowie deren
terschwemmen des Geschiebes und das Ablagern auf dem Rutschgeschwindigkeit zu ermitteln und die gegenwärtig (und
Schwemmfächer zu verhindern. Sperren sind im Gelände so zukünftig) pro Streckenabschnitt und Jahr anfallenden Massen
anzulegen, dass die morphologischen Engstellen im Talverlauf abzuschätzen. Es ist eine Aussage zum möglichen Zerfall dieser
optimal genutzt werden. Die Form der Sperre nimmt auf örtli- Massen im Wildbach, zum Trennen nach Korn- und Stückgrö-
che Gegebenheiten Rücksicht. Vor allem müssen die Talflanken ßen, zum Abtransport als Schweb, Sand oder Geschiebe und
durch besondere Maßnahmen (Leitmauern, große Blöcke) ge- zum Verbleib von Blöcken, Steinen und Kies im Bachbett zu
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treffen. Talzuschub ist eine der morphogenetischen Ursachen e1 = Gefälle der Bachsohle vor der Auffüllung (JV ) in ‰
für das Ausbilden von V-Tälern. e2 = Gefälle der Bachsohle nach der Auffüllung (JN) in ‰
16 Aus der geologischen Beschreibung kann sich eine notwen-
dige Überhöhung der Talsohle JV ergeben. Eine solche Überhö- Vom Wildbach transportiertes grobes Blockwerk kann zum Sta-
17 hung kann durch eine größere Anzahl von kleinen Sperren mit bilisieren der Auffüllung mit herangezogen werden. Die Sperre
geringer Stauhöhe oder durch eine kleinere Anzahl von großen kann mit Durchlassöffnungen für das Wasser versehen werden,
Sperren erzielt werden, wofür die geologische Untersuchung wodurch ein Teil des Staudruckes von der Sperre genommen
18 Entscheidungshilfen geben soll. Mit der Höhe eines Wehres wird.
wachsen der Stauraum, aber auch die Gestehungskosten in der Ist die Sperre massiv konstruiert und besitzt sie einen Über-
19 dritten Potenz! Zum Bestimmen von Anzahl und Höhe der lauf mit freier Fallhöhe, so ist am Fuße der Sperre ein Energie-
Wehre sind Lage, Volumen und Baukosten von verschieden umwandler anzubringen. Aufbau und Wirkungsweise des Ener-
20 hohen Wehren für den gesamten zu stabilisierenden Talbereich gieumwandlers sind weitgehend ingenieurkundliche Leistungen.
in getrennten und zu vergleichenden Kalkulationen zu über- Von geologischer Seite aus sind neben Standfestigkeitsfragen die
prüfen. Gefahren aus Korrasion (mechanischer Abschliff) und Korrosion
21 Der Abstand der Wehre ergibt sich bei gegebener Kronen- (chemische Zerstörung) abzuklären. Bei sehr steilen Bachrissen
höhe zu: rücken die Sperren derart dicht aneinander, dass das untere Wehr
22 die Schwelle des Energieumwandlers für das obere Wehr bildet
x=
1000h (. Abb. 14.3).
23 e1 − e2
x = Wehrabstand
h = Kronenhöhe
14.1 • Wildbachverbau
545 14
--
nahmen angebracht:
Fixieren der Ablaufrinne;
strömt und unterhöhlt werden. Bei Betonschalen muss die Sicher-
heit gegen Aufschwimmen gegeben sein. Der Einbau von grobem
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.. Abb. 14.6 Falsches und richtiges Einleiten eines Wildbaches in den Vorfluter
7
.. Abb. 14.5 Geschiebesammler in Aufsicht und Längsschnitt. (Umgezeich-
net nach Vischer und Huber 1982)
Wildbaches der Vorfluter in seinem Querschnitt eingeengt wird
8 und dies zu einer Hochwassergefahr führt. Die Mündungsstrecke
Das mit hoher Geschwindigkeit abschießende Wasser (5–35 m s−1) des Wildbaches soll deshalb im spitzen Winkel in die Fließrich-
9 ist mit sehr viel Luft gemischt und nimmt ein größeres Volumen ein. tung des Vorfluters einmünden (. Abb. 14.6). Je nach örtlichen
Durch die Rauigkeit im Bachbett wird der Luftanteil und somit das Verhältnissen kann die Mündung des Wildbaches durch Schwel-
10 Wasservolumen erhöht. Aus der Rinne austretendes Spritzwasser len oder Sperren fixiert werden. Die Ufer des Vorfluters werden
kann das unbekleidete Ufer neben der Schussrinne erodieren und durch Blockwerk und Wasserbausteine gegen die unterspülende
die Schussrinne untergraben. Die Sohle der Schussrinne wird in den Kraft der Wildbachströmung geschützt. Das Herabsetzen der
11 Mörtelfugen durch Abrieb und Korrosion angegriffen und zerstört. Fließgeschwindigkeit im Mündungsbereich des Wildbaches wird
durch den Einbau von Absturzbauwerken mit Energieumwand-
12 zz Geschiebesammler ler (Tosbecken) oder durch eine Querschnittsverbreiterung im
Geschiebesammler werden nahe der Austrittsstelle von Wild- Bachbett erreicht (Trompetenmündung).
bächen aus dem Gebirge auf den Schwemmkegeln angelegt. Es
13 sind dem Gelände angepasste Hohlformen, welche talseits durch
eine Sperre abgeschlossen werden (. Abb. 14.5). Der in den Ge- 14.1.5 Baugeologisches Untersuchen
14 schiebesammler einfließende Wildbach verliert durch den Stau und Beraten
an Schleppkraft und lagert das mitgeführte Geschiebe auf einem
15 Delta ab. Geschiebesammler müssen so ausgelegt sein, dass sie Das ingenieurgeologische Untersuchen, Beurteilen und Beraten
16
mindestens die Geschiebefracht von zwei Hochwassern aufneh-
men können. Durch die geometrische Gestaltung der Becken mit
Querschnittsverengung gegen die Sperre wird die Fließgeschwin- --
beim Wildbachverbau erstreckt sich auf folgende Themen:
Kartieren im Erosionsgebiet:
Aussagen über die durch Untergraben gefährdeten Berei-
-
digkeit im abströmenden Wasser erhöht. Sand und Schwebstoffe che (aktive und potenzielle Rutschgebiete und Murbrüche);
17 sollen nicht abgesetzt werden und den Geschiebesammler nicht Aussagen über die derzeit angeschnittenen Gesteine mit
belasten. Für das Räumen wird eine zweckmäßige Zufahrt benö- Angaben zum Auflockerungs- und Verwitterungsgrad
tigt. Geschiebesammler sind nur so lange wirksam, wie sie Ge- und die hiervon ausgehende Anlieferung von Lockerma-
18
-
schiebe aufnehmen können. Die Hohlform des Geschiebesamm- terial;
lers kann entweder in den Schwemmkegel eingegraben werden Aussagen über die zukünftige Anlieferung von Locker-
19 oder durch seitliche Dammschüttungen dem Kegel aufgesetzt material bei fortschreitender Erosion und beim An-
-
werden. schneiden neuer Gesteinskörper;
20 Bei Dammkonstruktionen ist darauf zu achten, dass die Aussagen über die zukünftige Anlieferung von Locker-
Dämme gegen Unterspülen gesichert sind. Bei hoher Durchläs- material bei veränderter Nutzung und Vegetation im
-
sigkeit des zur Verfügung stehenden Dammschüttmaterials ist Einzugsgebiet;
21 diese Gefahr besonders gegeben. felsmechanisches Untersuchen der Festgesteine an den
-
Seitenflügeln und im Untergrund der Sperren;
22 bodenmechanisches Untersuchen der Lockermassen
14.1.4 Gestalten der Mündung in den Vorfluter im Untergrund der Sperren und Bauwerke, an den
Seitenflügeln der Sperren und Bauwerke und hinter den
23
-
Das von einem Wildbach in den Vorfluter eingeleitete Geschiebe Sperren (zurückgehaltene Massen);
soll im Flussbett weiterbefördert werden. Es muss verhindert Angaben zu den Untergrundverhältnissen und zur
werden, dass durch die plötzlich starke Geschiebefracht des Gründungstiefe der Bauwerke;
14.2 • Regulieren von Bach- und Flussläufen
547 14
-
Erddruckes und der Standsicherheit der Stützbauwerke; Wasserwege) erforderlich werden. Die dabei neugestalteten Ufer
Angaben über wechselnde Grundwasserstände und erfordern sichernde Baumaßnahmen wie Ufermauern, Leitwerke,
-- Auftriebsgefahren.
Kartieren auf dem Schwemmkegel:
Aussagen über gefährdete Bereiche auf dem Schwemm-
Buhnen, aber auch Grundschwellen und Abstürze wie beim Wild-
bachverbau. Die Bach- und Flussläufe sollen auch bei künstlich
gegrabenen Betten mit einem leicht gewundenen Verlauf ange-
-
kegel; legt werden. Dieser soll der Dynamik des geschiebebefrachteten
Aussagen über die mögliche Anlieferung von Locker- Wassers entsprechen, sodass nur geringe Unterhaltungsarbeiten
--
massen; anfallen. Bei der Linienführung darf der Übergang von Bogen zu
Angaben über die Stückgrößen der Lockermassen; Gegenbogen nicht abrupt erfolgen. Nach Garbrecht (1953) sollen
Angaben über Kornverteilung und Wasserdurchlässig- Hyperbelkrümmer, die im Übergang die Normalbreite b besitzen
-
keit; und sich bis zum Scheitel auf 1,3 b erweitern, ausgebildet werden.
Angaben über wechselnde Grundwasserstände und Der Erweiterungswinkel von 11° soll nicht überschritten werden.
--
Auftriebsgefahren; Wasserbaumaßnahmen in Flüssen setzen eine genaue Kennt-
Angaben zur Bodenklassifizierung nach DIN 18300; nis der Abflussverhältnisse (Kille 1980) und Geschiebeführung
Angaben zur Auswirkung der geplanten Baumaßnah- voraus. Dabei ist die Anlagerung von Geschiebe auch vom geo-
men. logischen Bau des Flussbettes abhängig. Die Veränderungen
der Abflussverhältnisse werden etwa im Abstand von 10 Jahren
durch die Aufnahme von Längs- und Querprofilen kontrolliert.
14.2 Regulieren von Bach- und Flussläufen Der Vergleich mit den früheren Aufnahmen ergibt, wo sich
Auflandungs-, Erosions- und Gleichgewichtsstrecken befinden.
In Abhängigkeit von der geologischen und geomorphologischen Grundlage für alle Flussbaumaßnahmen sind die statistischen
Situation werden Flussläufe oder Teilstrecken von Flussläufen Werte für den Abfluss bei Höchst-, Mittel- und Niedrigstwasser,
--
nach ihrer landschaftsverändernden Wirkung unterschieden in:
Flussläufe mit Erosionscharakter;
angegeben als Wasserstand [m] und als Abflussmenge Q [m3 s−1].
von Wasserstau und Hochwasser durchgeführt. Gewöhnlich passt In Anlandungsstrecken wird Geschiebematerial in Sand- oder
sich die neue Linienführung dem Hauptarm des Flusses an. Ne- Kiesbänken abgelagert und damit die Sohle angehoben. Das He-
benarme werden abgeschnitten und als Stillwasser belassen, oder ben der Sohle kann schließlich zum Ausufern mit entsprechen-
sie werden zugunsten einer landwirtschaftlichen Nutzung verfüllt. dem Verfrachten von Geschiebe, Schwebstoffen und Schwimm-
548 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
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18 .. Abb. 14.7 Maßnahmen zur Korrektion von Flussläufen mit Längs- und Querbauten. a Grundschwelle (Gesteinsblöcke über Filterschicht) als Sohlsicherung,
b Quer- und Längsschnitt durch mit Grundschwellen aus Holz gesicherte Sohle, c Querschnitt durch eine Grundschwelle aus Sinkstücken (Drahtschotterkör-
ben) und Steinschüttung, d Korrektion mit Buhnen, Maßnahmen zur Korrektion von Flussläufen mit Längs- und Querbauten, e Korrektion mit Buhnen und
19 Leitwerk, f Querschnitt zu e durch Leitwerk und verlandete Buhnenfelder, g Längsschnitt und Aufsicht eines Buhnenkopfes, h Querschnitt durch ein Parallel-
werk (Leitwerk) mit Anlandung
20
stoffen führen. Das Land im Umkreis der Anlandungsstelle kann zz Baumaßnahmen zur Querschnittsgestaltung
versumpfen oder bei Hochwasser verschlammen. Als Gegen- Die wesentlichen Abmessungen des Querprofils lassen sich aus
21 maßnahme empfiehlt sich das Erhöhen der Schleppkraft oder Flussstrecken, die sich im Gleichgewicht befinden, ableiten.
das Vermindern der Geschiebefracht. Als Baumaßnahmen zum Durch Kopie der Natur, aber auch durch Rechen- und Modellver-
22
--
Schutz gegen Anlanden kommen in Frage:
Verengen des Flussbettes;
suche wird das gewünschte Querprofil ermittelt. Im Endausbau
wird man auf kleinere Variationen in der Wahl der Breite des
23
- Verkürzen des Flussbettes;
Entfernen der Auflandungen.
-
verwendeten Bauelemente sind:
Faschinen
Es sind Bündel von grünen Ruten (Weide), aber auch
Nadelholz und Laubholzreisig von 2,5–3 m Länge. Jedes
- verwendet werden.
Sinkmatten
Es sind Sinkstücke von geringer Dicke. Sie werden bei wei-
chem Untergrund auf die Böschung gelegt und mit Steinen
aus Wasserbausteinen bietet dem Wellenschlag eine
geringere Angriffsfläche und somit eine erhöhte Stabilität
gegen die zerstörende Wasserströmung bei Wellengang. Im
Gegensatz zur durchlässigen Lösung werden Wasserüber-
zugeschüttet. Die Sinkmatte verhindert das Einsinken der drücke bei wechselndem Wasserstand in Kauf genommen
Steinschüttung und das Auswaschen des Bodens durch die und berücksichtigt. Diese Wasserüberdrücke vermindern
Steinschüttung hindurch. Es werden vorwiegend Geotexti- die Reibung zwischen Deckwerk und Unterlage und führen
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22
.. Abb. 14.9 Beispiele für Ufersicherungen. a Ufersicherung mit Rasen, Weidenbüschen und Blocksatz, b Ufersicherung mit Blockwurf, c Ufersicherung mit
23 Sinkwalzen und Wasserbausteinen, d Ufersicherung mit Sinkstücken und Wasserbausteinen, e Ufersicherung mit dreilagigem Filter und verklammerten Was-
serbausteinen, f Ufersicherung mit Filtermatte, unsortierter Steinschüttung und Wasserbausteinen
14.2 • Regulieren von Bach- und Flussläufen
551 14
.. Abb. 14.10 Formen von
Ufermauern. a,b,d Schwergewichts-
mauern, c,f Winkelstützmauern,
e Kombination von Pfahlgründung
mit vorgesetzter Spundwand und
Pfahlrost mit aufgesetzter Fahrbahn
und Mauerkrone, g,h verankerte
Winkelstützmauern, i verankerte
Bohrpfahlwand mit aufgesetzter
Mauerkrone
Buhnen, Leitwerken und Grundschwellen ist es vorwiegend Anstelle der nach der Filterregel abgestuften Sand-, Kies- und
eine geologische Frage, in welcher Dimension diese anzulegen Steinschüttlagen kann auch eine unsortierte Steinschüttung über
sind und ob Sinkstücke, Sinkwalzen, Drahtschotterkörbe oder einer Filtermatte eingebaut werden. Soll der Filter gegen nur eine
Faschinenwalzen benötigt werden. Uferdeckwerke sind gegen Sandart mit bestimmter Körnung wirksam sein, so ist auch der
Unterspülen zu sichern. Ein mehrschichtiger Aufbau nach Einbau eines Mischfilters nach der Rezeptur der EAU 32 mög-
. Abb. 14.9 erfordert ein Anpassen der zu wählenden Korn- lich. Bei dieser Rezeptur hält der Filter Sand mit der mittleren
und Stückgrößen in den unteren Lagen an den Untergrund und Korngröße von 0,5 mm zurück. Es wird eine Mischung herge-
an das Deckwerk selbst. Beispiele für abgestufte Filterlagen gibt
. Abb. 14.11. Diese Abstufung bewirkt, dass der Porenraum
--
stellt aus:
Korngruppe 31,5–63 mm: 1,00 m3;
der gröberen Schicht nicht von Teilchen des zu entwässernden
Bodens zugeschlämmt wird. Die Abstufung berechnet sich nach
der Filterregel von Terzaghi: - Korngruppe 8–16 mm: 0,35 m3;
Korngruppe 1–4 mm: 0,28 m3.
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.. Abb. 14.11 Beispiel für Körnungsbänder zum Einbau in gestufte Filterlagen
11
12 14.2.3 Landschaftsveränderungen dem Roden der Wälder und der Unterpflugnahme der Flächen
und Umweltschäden in historischer Zeit ausgelösten Erosionen war enorm! Es betraf im Bergland das
Erniedrigen der Ackerflur bis auf das Niveau einst tiefliegen-
13 In der mitteleuropäischen Landschaft gibt es nicht nur die Zu- der Felsblöcke und unverwitterter Gesteine, es betraf an Hän-
standsformen heute und früher! Die Geschichte der Landschaft, gen das Abtragen und Abrutschen der eiszeitlich aufgewehten
14 der Flüsse und der Flussauen kennt Landschaftsveränderungen Hangsedimente Löss sowie der Verwitterungsböden Lehm und
in zahlreichen historischen Zeitebenen. Hinweise auf verän- Lösslehm. In den Überschwemmungsgebieten betrifft es meter-
15 derte Form und Nutzung von Land und Fluss, verursacht durch dicke Ablagerungen aus Grobschotter, Kies, Sand und Lehm auf
künstliche und natürliche Veränderungen (Klima!), lassen sich den Schwemmkegeln und Schwemmlöss und Schwemmlehm in
im Bergland (Abtragungsgebiet) in verbliebenen Resten ehemalig den Flussauen. Solche, die Landschaft verändernden Ereignisse
16 weit verbreiteter Bodenprofile und in den Flussauen in den dort fanden unabhängig voneinander in verschiedenen Jahrhunder-
abgelagerten Schichten dokumentieren. Zum Thema Renatu- ten unter dem Einfluss neuer Arbeitstechniken, aber auch unter
17 rieren erhebt sich die Frage, welcher historisch belegte Zustand dem Einfluss unterschiedlicher historischer Klimaperioden statt
soll mit Renaturierungsmaßnahmen wieder angestrebt werden (Simon 1976, Dachroth & Menzel 1979). Mutterboden, Löss und
(Küster 1996). Lehm wurden von den gepflügten Hängen abgeschwemmt und
18 Die mitteleuropäische Landschaft wird seit prähistorischer bei Hochwasser als Schwemmlehm und Schwemmlöss auf den
Zeit vom Menschen geprägt und in eine Kulturlandschaft um- vermoorten Flussauen (Niedermoor) in meterdicken Schichten
19 gewandelt. Als Folge abwechselnder Nutzungsart der Land- abgelagert. Unter deren Auflast wurden die Torflagen kompri-
schaft wurde zunächst der Bestand einzelner Tier-, Baum- und miert. Die Flussauen wurden begehbar und für die Landwirt-
20 Pflanzenarten verringert bis ausgelöscht und teilweise gegen schaft nutzbar. Straßen und Wege wurden angelegt. Mit dem Ver-
neue ausgetauscht. Später wurden ganze Wälder beseitigt. Aus schwinden der letzten Urwälder und mit dem Verschwinden der
Wald wurde Steppe! Mit immer neueren Geräten und Werkstof- Sümpfe in den Flussauen wurden die Flusslandschaften zunächst
21 fen eroberte der Mensch neue Siedlungsräume und veränderte durch verschiedene Formen natürlicher Anlandung und natürli-
in der Folge mehrfach das Landschaftsbild. Mit dem Roden der cher Flussbettgestaltung geprägt. Es bildeten sich, abhängig von
22 Wälder und der intensiven Bodennutzung im hohen Mittelal- der Strömungskraft, verzweigte und/oder mäandrierende Flüsse.
ter wurden die bis dahin weiträumig noch in einem geologisch Diese wurden nach menschlichen Bedürfnissen verändert, be-
ursprünglichen Zustand verbliebenen Berge, Hänge, Flachlän- gradigt und kanalisiert. Die Anlage von Mühlen und Fischtei-
23 der und Flusslandschaften umgestaltet. Aus biologischer und chen, das Bewässern von Wiesen, das Flößen auf Triftbächen
pflanzengeographischer Sicht hatte es schon vorher mehrfachen hatten unmittelbaren Einfluss auf die Fließgewässer. Mit dem
Vegetationswechsel gegeben (Küster 1996). Das Ausmaß der mit Aufkommen immer neuerer Siedlungstypen – Dörfer, Klöster,
14.2 • Regulieren von Bach- und Flussläufen
553 14
Burgen, Städte, Industriegebiete – vergrößerte sich der Anteil der Umgebung stehen. Dies ebnete den Weg hin zu einem schonen-
besiedelten Fläche und wurden zuvor bestehende Landschaftsbil- den Umgang mit der Landschaft. Die sich in gleiche Richtung
der verändert und besonders in Stadtgebieten völlig umgestaltet entwickelnde Gesetzgebung verstärkte den beschriebenen Pro-
und zersiedelt. (In diesen lassen sich – im Gegensatz zu Streu- zess. Es entstand ein interdisziplinäres Tätigkeitsfeld, in dem sich
siedlungen – vielfach keinerlei Beziehungen zum ursprünglichen Hydrologen, Meteorologen, Geo- und Biowissenschaftler sowie
Landschaftsbild mehr erkennen.) Landschaftsplaner und Ingenieure mit den Fließgewässern ganz-
Gewässerverunreinigungen wurden im Umkreis von römer- heitlich auseinandersetzen.
zeitlichen, mittelalterlichen, neuzeitlichen und modernen Städ-
ten, Industriegebieten und Dörfern zu einem fühlbaren Problem zz Grundlagen
(Küster 1996). Die durch Hangabspülung verursachten Verän- Um verbaute Fließgewässer wieder in einen natürlichen oder
derungen waren und sind ausgedehnte und nicht korrigierbare naturnahen Zustand zu versetzen und nicht ähnliche Fehler zu
Umweltschäden. Sie sind eingetreten als unvermeidbare Folge begehen wie bei ihrem künstlichen Ausbau, ist es notwendig, die
der zivilisatorischen und kulturellen Entwicklung (Simon 1976). Grundlagen zu ermitteln, nach denen ein solches natürliches
Mit den technischen Möglichkeiten, die die industrielle Re- Abflussregime funktioniert. Hier sind die Erfahrungen und Er-
volution bot, gewann der Mensch die Oberhand und gestaltete kenntnisse aus den geowissenschaftlichen Disziplinen Geomor-
ganze Gewässerlandschaften nach seinen Vorstellungen und Be- phologie und Sedimentgeologie ebenso gefragt wie jene der Hyd-
dürfnissen. Am augenfälligsten ist die Begradigung des Ober- raulik. Grundlegende Ausführungen zu fließenden oberirdischen
rheins durch den badischen Bauingenieur Johann Gottfried Tulla Gewässern finden sich in einschlägigen Lehrbüchern der Hydro-
seit 1817. Der Erfolg lag in der besseren Schiffbarkeit des Stroms, logie wie Dyck und Peschke (1995), Baumgartner und Liebscher
dem Eindämmen unkontrollierter Überflutungen, dem Trocken- (1996) sowie Maniak (1997). Literatur zum Thema „naturnahe
legen von Landflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung und Gewässergestaltung“ bieten Kern (1994), Patt et al. (1998, 2007,
dem eindeutigen Festlegen von Landesgrenzen. Die Vorstellung 2008, 2011) und Zumbroich et al. (1999).
der Machbarkeit behielt ihren Einfluss auf die Gedankenwelt der Bei dieser Fragestellung ist die Hydraulik von zentraler Be-
Siedlungswasserwirtschaft bis in unsere Zeit. deutung. Beim herkömmlichen technisierten Ausbau von Ge-
Noch bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts galt die wässern kann das Profil im Längs- und Querschnitt frei bestimmt
vorherrschende Meinung, dass Wasser so schnell wie möglich werden. In der Regel sind es geradlinige Grundformen wie Recht-
aus den Siedlungszonen abgeleitet werden muss. Dies erreichte ecke, Trapeze, Dreiecke, Kreisabschnitte oder Parabeln . Abb. 1
man durch wasserbauliche Maßnahmen wie den geradlinigen 4.38, 14.39, 14.40, 14.41 und 14.42. An ihnen kann die Durchfluss-
Ausbau der Fließgewässer. Häufig wurden hierbei ihre Ufer menge und mittlere Fließgeschwindigkeit mit geringem Aufwand
und Sohlen vermauert oder mit Beton verbaut und das Fluss- errechnet werden (▶ Abschn. 14.6.1; Schröder 1994, Patt et al.
bett als Schussrinne gestaltet. Folge des schnellen Abfließens 2011). Die Rauigkeit von Gewässerufer und -sohle ist durch ei-
waren negative Auswirkungen auf den Landschaftswasser- nen einheitlichen Baustoff (Beton, Mauerwerk, Asphalt) gegeben.
haushalt. Sich überlagernde Hochwasserwellen führten bei Bewuchs ist in technisch ausgebauten Gerinnen nicht vorgesehen
den Unterliegern zu z. T. katastrophalen Überschwemmun- und wird, soweit ein Ansiedeln von Pflanzen möglich sein sollte,
gen. Die Landschaften beiderseits der Gewässer verödeten entfernt.
im ökologischen Sinn. Bei Pflanzen und Tieren konnte ein Dagegen zeichnen sich naturnahe Fließgewässer durch eine
Rückgang der feuchtigkeitsliebenden Arten bis hin zu ihrem Vielfalt an Formen und Einflüssen wie wechselnde Böschungs-
völligen Verschwinden festgestellt werden. Großflächiges neigungen, Sohlbreiten, Krümmungen, unterschiedlichen Be-
Trockenlegen von Feuchtgebieten und Nasswiesen zugunsten wuchs der Ufer und Vorländer sowie differenzierte Ausbildung
landwirtschaftlicher Flächen und die Intensivierung der Land- der Sohlfläche aus (Evers und Pasche 1983).
wirtschaft führten zu nachhaltigen Belastungen der Gewässer. Das hydraulische Berechnen von Fließvorgängen in Ge-
Die chemische und physikalische Belastung der industriellen rinnen, Bächen, Kanälen und Flüssen erfolgt entsprechend
und kommunalen Abwässer führte in den Flüssen, besonders DVWK-Merkblatt 220 nach der Fließformel Darcy-Weisbach
in Zeiten geringer Wasserführung (Wasserklemme), zu hohen (▶ Abschn. 14.6.1; Jirka & Lang 2009). Dies gestattet, hydrauli-
Werten vielfältiger Inhaltsstoffe chemischer, pharmazeutischer sche Größen wie den Fließwiderstand bei verschiedenen Rauig-
und auch toxischer Art sowie zu Erwärmung, Versauerung, keiten von Sohle und Böschung mit durchströmter Vegetation
Vergiftung. Ein Teil der den Flüssen zugeführten Chemika- im Gerinne und Vorland zu berechnen. Der Rechenaufwand ist
lien lagerte sich an den vom Fluss mitgeführten Schweb an. größer als bei dem bisherigen Verfahren. Dennoch können auch
Schlammablagerungen hinter Staustellen können hohe Anteile heute noch nicht alle Parameter von Fließgewässern wie stark
an schwergiftigen Substanzen enthalten. gewundener Verlauf, sehr unregelmäßige Gerinnegeometrie,
wechselnder Bewuchs und variierender Feststofftransport durch
direkt Messbare Größen berücksichtigt werden. Man ist hierbei
14.2.4 Renaturieren und naturnaher Wasserbau auf abschätzende Verfahren angewiesen.
Akzeptanz und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung dieses
In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts setzte sich in hydraulischen Berechnungsverfahrens finden sich im DVWK-
der Wasserwirtschaft die Einsicht durch, dass natürliche Gewäs- Merkblatt 220 sowie bei Schumacher (1995) und Özbek (1996).
ser in starker Wechselwirkung mit den Lebensräumen in ihrer Die starke Interaktion zwischen Sohle und Wasserkörper ver-
554 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
deutlicht sich durch die Ausbildung von Sedimentkörpern wie Das Darstellen der Gewässergütestruktur erfolgt über far-
1 Rippeln, Sandbänken und Ufersandbänken und durch die Aus- big angelegte Einstreifenbänder längs des Flusslaufes (grün,
bildung von Kolken, Steilkanten und Steilufern. Dies erhöht die gelb, rot) und mit zunehmender Breite zwischen Struktur-
2
3
Rauigkeit und verringert die Fließgeschwindigkeit. Vegetation
auf der Sohle, an den Ufern und im Vorland verstärkt diesen
Effekt erheblich. Dafür verantwortlich sind energiezehrende
Walzen- und Wirbelströmungen. Solche Strömungen beeinflus-
- güteklasse 1 und 7.
Chemisch-physikalische Güteklassifikation
Die chemisch-physikalische Güteklassifikation umfasst
7 Güteklassen. Der Zustand des Fließgewässers variiert
--
sen auch die Hauptströmung im offenen Gerinnebereich. Alle zwischen der
4 genannten Faktoren führen zu einem verzögerten Abfluss und Güteklasse I – anthropogen unbelastet,
--
zu einem Entzerren des Hochwasserscheitels im Gesamteinzugs- Güteklasse I–II – sehr gering belastet,
5 gebiet des Gewässersystems. Güteklasse II – mäßig belastet,
--
Güteklasse II–III – deutlich belastet,
zz Gewässerzustand Güteklasse III – erhöht belastet,
6
-
Nach dem Gewässerzustand lassen sich die Fließgewässer un- Güteklasse III–IV – hoch belastet,
terschiedlich nach Gewässerstruktur, chemischer und physi- Güteklasse IV – sehr hoch belastet.
7 kalischer Belastung und nach mikro- und makrobiologischen
Lebensgemeinschaften im Wasser bzw. nach dem biologischen Die im Rahmen der Gewässergütekartierung zu kontrollierenden
Verschmutzungsgrad bewerten (LAWA 2000, Zumbroich et al. chemischen und physikalischen Parameter umfassen:
-
8 1999, Ocker 2002, Hölzl 2002, Patt et al. 2011). Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt, bio-
Gewässerstruktur als Güteklassifikation chemischer Sauerstoffbedarf, chemischer Sauerstoffbedarf, Säu-
9 Die Strukturgüte der Fließgewässer variiert zwischen den ren- und Basenkapazität und organisch gebundener Kohlenstoff,
Strukturgüteklassen 1 – unverändert, 2 – gering verän- TOC, als Maß der Belastung.
10 dert, 3 – mäßig verändert, 4 – deutlich verändert, 5 – stark Die überwiegend über Quellen in das Flusswasser eingetrage-
verändert, 6 – sehr stark verändert und 7 – vollständig ver- nen Lösungsinhalte (Salze) wie Calcium, Magnesium, Natrium,
ändert. Sie wird durch Gewässerstrukturgütekartierungen Kalium, Chlorid, Sulfat, Hydrogencarbonat und die als Dünge-
11 nach LAWA 2000 ermittelt. rückstände eingetragenen Lösungsinhalte wie Gesamtphosphor,
Von der Vielzahl der die Struktur eines Fließgewässers be- Orthophosphat, Amonium und Nitratstickstoff.
12 einflussenden Faktoren geowissenschaftlich und bautechni- Die als Industriechemikalien und Schwermetalle (toxische
scher Art werden nach LAWA 2000 – Oberirdische Gewäs- Stoffe) eingetragenen Lösungsinhalte wie Arsen, Cadmium,
ser: Gewässerstrukturgütekartierung in der Bundesrepublik Chrom, Kupfer, Eisen, Mangan, Quecksilber, Nickel, Blei, Zink.
13 Deutschland, 6 Haupt-Querparameter berücksichtigt. Die Die als Pflanzenschutzmittel eingetragenen toxischen Lö-
Hauptparameter und deren 25 Teilparameter sind sungsinhalte wie Pestizide in unterschiedlicher Anzahl und Mi-
14 1. Laufentwicklung mit 1.1 Laufkrümmung, 1.2 Krüm- schung.
mungserosion, 1.3 Längsbänke und 1.4 besondere Lauf- Die genannten chemischen Parameter werden bestimmt und
15 strukturen, mit dem jeweiligen Grenzwert abgeglichen. Bei chemischen In-
2. Längsprofil, mit 2.1 Querbänke, 2.2 Rückstau, 2.3 Verroh- haltsstoffen, deren Konzentration über dem Grenzwert liegt, soll
rung, 2.4 Querbänke, 2.5 Strömungsdiversität, 2.6 Tiefen- die Ursache bzw. der Verursacher ermittelt werden.
16 varianz, Darstellen und Auswerten der Einzelergebnisse: Die für ein-
3. Querprofil mit 3.1 Profiltyp, 3.2 Profiltiefe, 3.3 Breiten- zelne Parameter gemessenen Werte werden längs der betroffe-
17 erosion, 3.4 Breitenvarianz, 3.5 Durchlässe, nen Flussabschnitte als Einstreifenband mit wechselnder Breite
4. Sohlenstruktur mit 4.1 Sohlensubstrat, 4.2 Sohlenverbau, zwischen schwach und stark belastet dargestellt. Verschiedene
4.3 Substratdiversität, 4.4 besondere Sohlenstrukturen, chemische Inhaltsstoffe können mit unterschiedlichen Farben
-
18 5. Uferstruktur mit 5.1 Uferbewuchs, 5.2 Uferverbau, nebeneinander dargestellt werden.
5.3 besondere Uferstrukturen, Biologischer Verschmutzungsgrad und Güteklassifikation
19 6. Gewässerumfeld mit 6.1 Flächennutzung, 6.2 Gewässer- Die biologische Güteklassifikation unterscheidet 7 Güte-
--
randstreifen, 6.3 sonstige Umfeldstrukturen. klassen. Der Zustand des Fließgewässers variiert zwischen
20 Für jeden dieser Teilparameter sind auf dem Datenerhe- Güteklasse I – unbelastet,
--
bungsbogen mehrere mögliche Strukturmerkmale auf- Güteklasse I–II – gering belastet,
geführt. Beim Kartieren eines Flusslaufes/Bachlaufes ist Güteklasse II – mäßig belastet,
21
--
alle 100 m für jeden Teilparameter das dort angetroffene Güteklasse II–III – kritisch belastet,
Strukturmerkmal anzukreuzen. Güteklasse III – stark verschmutzt,
22
-
Das Auswerten erfolgt durch Vergleich mit einem zahlen- Güteklasse III–IV – sehr stark verschmutzt,
mäßig dotierten Leitbild. Für jeden Teilparameter erhält Güteklasse IV – übermäßig verschmutzt mit sauerstoff-
man eine Zahl. Über Mittelwertbildung werden die Haupt- zehrenden Abwässern, Fäulnisprozesse.
23 parameter bestimmt, welche letztendlich für den Gesamt-
wert der Gewässerstruktur zusammengefasst und einer der Zum Bestimmen der biologischen Güteklasse und zum Aus-
Strukturgüteklassen 1 bis 7 zugeordnet werden. weisen eines Verschmutzungsgrades werden die im Flusswasser
14.2 • Regulieren von Bach- und Flussläufen
555 14
bestehenden Lebensgemeinschaften an Indikatororganismen führt zum Beispiel das Verkrauten eines Fließgewässers zu nied-
ermittelt. Es besteht hierzu eine Liste für den Mikrobenthos (be- rigeren Abflussraten, was Überflutungen und deren Folgeschäden
sonders Wimpertierchen (Ciliaten) und Geißeltierchen (Flagel- nach sich ziehen kann. Entkrauten muss demzufolge durchgeführt
laten)) und eine Liste für den Makrobenthos (Insektenlarven, werden, wobei dieses schonend zu erfolgen hat, damit Biozönose
Krebse, Muscheln, Schnecken, Egel, Würmer etc.). und Selbstreinigung des Gewässers nicht zu stark beeinträchtigt
Die im Gewässer lebenden Tiere werden im Gelände be- werden. Dies gilt für alle Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung
stimmt, ausgezählt und als Lebensgemeinschaft bewertet. und zum naturnahen Gestalten von Ufern und Böschungen. Beim
Daneben gibt es das Saprobiensystem, welches die Gewässer Renaturieren muss die Abflusskapazität so bemessen werden, dass
nach dem Verschmutzungsgrad bewertet. Für den Abbau orga- sie auch in Zeiten starker Vegetationsentwicklung gewährleistet
nischer Stoffe stellen sich spezifische Mikroorganismen ein, die ist. Starkes Verkrauten der Fließgewässer kann auch zum Einen-
zum Einstufen der Gewässer in eine der Güteklassen des Saprobi- gen des Abflussquerschnittes, zum Verringern der Fließgeschwin-
ensystems bestimmt und nach der mengenmäßigen Verbreitung digkeit und des Geschiebetriebes sowie zum Zurückhalten von
ausgezählt werden. Schweb und Geschwemmsel und damit zum verstärkten Anlan-
Die Güteklassifikation nach dem Saprobiensystem umfasst den dieser im Wasser mitgeführten Feststoffe beitragen. Damit
5 Güteklassen. Der Zustand des Fließgewässers variiert zwischen kann zeitweises oder permanentes Höherlegen der Gewässersohle
--
den Güteklassen
katharob – ohne Abwasserbeeinflussung,
verbunden sein, was wiederum zu Überflutungen führen kann.
führung bedarf es eines sogenannten Leitbildes. Dieses orientiert Die hierin enthaltenen Vorgaben sollen von den Mitgliedstaaten
sich an einem Gewässerzustand, von dem angenommen wird, in nationales Recht übernommen werden.
dass er ursprünglich und unbeeinträchtigt sei. Aber einen sol- Die rechtlichen Vorgaben der Bundesrepublik Deutschland
chen Bachlauf gibt es, mit Ausnahme einiger Wasserläufe im
Hochgebirge, nicht! (Küster). Als theoretisches Leitbild kann
--
sind geregelt im
Wasserhaushaltsgesetz,
ein Gewässerzustand angenommen werden, wie es sich unter
heutigen klimatischen Verhältnissen ohne menschliches Zutun
-- Bundesnaturschutzgesetz,
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung,
einstellen würde. Beim der Renaturieren soll ein Ist-Zustand
(vorgefundene Gewässerstrukturgüte) in einen Soll-Zustand
(Leitbild) überführt werden. Kriterien, die aus ökologischer
Sicht an den Soll-Zustand gestellt werden, sind weitgehende
- Wasserverbandsgesetz,
Abwasserabgabengesetz,
1
bei abgelagerten Schichten, Bodensubstrat, Bodenart, Boden-
-- Talsperren,
--
und Wasserchemie, Bewuchs sowie die Lebensgemeinschaften Regenrückhaltebecken,
von Pflanzen und Tieren. Poldern,
2
--
Beim Wasserbau ist es möglich, Einbauten aus Holz, Stein, Entlastungskanäle,
Beton oder Stahl, soweit diesen keine funktionelle oder tragende Veränderungen des Wasserlaufes,
3
4
Wirkung zukommt, rückzubauen und durch andere naturnahe
Einbauten (Faschinen und Faschinenkörper, ▶ Abschn. 14.2.1)
zu ersetzen. Der Einbau von austriebfähigen Weidenruten und
auch Ästen anderer Baumarten (Spreitlagen) kann zu dicht be-
- Verringerung des Anteils versiegelter Flächen.
Sichern gegen Tiefenerosion. Die morphogenetische
Laufentwicklung eines natürlichen Fließgewässers ist der
abfließenden Wassermasse bei vorgegebener Geologie,
wachsenen Uferböschungen führen und die massiven Einbauten Morphologie, Gefälle, Fließgeschwindigkeit, Erosion und
5 ersetzen. Geschiebetrieb angepasst. Einengen, Begradigen und Ver-
Als Alternative ist ein naturnahes Neugestalten der Fluss- kürzen eines Flusslaufes führt zum Erhöhen von Gefälle,
landschaft möglich, also eine weitere technische veränderte Fließgeschwindigkeit und Tiefenerosion. Bautechnische
6 Landschaft mit naturnaher bis naturähnlicher Optik. Ein solches Gegenmaßnahmen bietet der Einbau von Wehren, Schwel-
naturnahes Gestalten kann umgesetzt werden durch: len und/oder Rampen aus Holz, Wasserbausteinen oder
7 Beton. Unterhalb von Rampen und Wehren bildet sich im
8 -
Verändern von Geofaktoren
Verändern der Fläche: Das Fließgewässer braucht Überflu-
tungsflächen. Dies kann aus Sicht der Morphogenese die
gesamte Breite der Talaue betreffen. Ein totaler Rückbau
naturbelassenen Flussbett ein Kolk aus. Als Gegenmaß-
nahme kann die Sohle des Flussbettes an den gefährdeten
Stellen bautechnisch durch Beton- oder Steinverbau gesi-
chert werden.
9 von Stadt-, Industrie-, Siedlungs- und Verkehrsflächen
ist in den bebauten oder intensiv genutzten ehemaligen kkGeschiebezugabe
10 Aueflächen nicht oder in nur sehr seltenen Ausnahmefällen Geschiebezugabe kann das Materialdefizit im Kolk ausgleichen.
möglich. Zugegeben wird Schottermaterial in den Stück- oder Korngrö-
Das Freistellen von Flächen für ein Verbreitern des Flusses ßen für Steine, Kies und Sand. Die zugegebenen Massen werden
11 ist mit einem Verringern der Fließgeschwindigkeit und vom strömenden Wasser bei Überschreiten der kritischen Fließ-
Transportkraft verbunden. Das Verbreitern des Flussbettes geschwindigkeit (. Abb. 2.18) abtransportiert und müssen von
12 kann entweder nur für den Fall der Starkwasserführung Zeit zu Zeit erneuert werden.
vorgesehen werden oder es kann dauerhaft für breites Eine naturnahe Maßnahme gegen flächenhaft wirkende Tie-
Abfließen gestaltet werden. Gefälle und Geschiebefracht fenerosion bietet die Zugabe abgeflachter Steine und Gerölle.
13 bestimmen, ob das Flussbett als verzweigtes oder als mäan- Diese lagern sich unter Einfluss des Geschiebetriebes dachzie-
14
15
- drierendes Gewässer ausgebildet werden kann.
Aktiver Hochwasserschutz. Bedrohte Siedlungsgebiete und
Agrarflächen können dauerhaft durch Dämme oder Deiche
geschützt werden. In Städten kann Hochwasser, bis zu einer
gelartig übereinander und aneinander (Imbrication) auf der
Gewässersohle ab. Dabei werden die abgeflachten Steine (Ge-
schiebeplatten) vom turbulent fließenden Wasser bewegt und
so lange um ihre Längsachse gewälzt, bis sie die optimale stabile
begrenzten Höhe, durch zeitweise aufgestellte Hochwasser- Lage eingenommen haben und nicht weiter bewegt werden kön-
schutzwände oder durch Wälle aus Sandsäcken geschützt nen (Ahnert 1996). Eine so bei stärkster Strömung ausgebildete
16 werden. und abgedeckte Gewässersohle ist erosionsstabil.
Solche Maßnahmen engen allerdings den Abflussquer- Bei der Wahl des dem Gewässer zugeführten Geschiebemate-
17 schnitt ein und können an anderer Stelle zu steigenden rials sollen deren Stein- oder Stückgrößen sowie deren Stückgrö-
18 - Wasserständen führen.
Passiver Hochwasserschutz. Zu einem für die im hoch-
wassergefährdeten Gebiet siedelnden Bewohner und
Nutzer zumutbaren Hochwasserschutz gehört, dass in
ßenverteilung und deren Stein- oder Geschiebeform sowie deren
Geschiebeformverteilung an die kritische Fließgeschwindigkeit
des Gewässers angepasst werden.
Die Gewässersohle kann bei Berücksichtigung solcher geo-
19 den regelmäßig von Hochwasser heimgesuchten Häusern morphologischer und sedimentologischer Erkenntnisse bei
die betroffenen Räume baulich und innenarchitektonisch geringerem Materialeinsatz stabil und mit ausgeglichenem Ge-
20 diesen Umständen angepasst werden. So können Fußböden schiebetrieb hergestellt werden. Die Zugabe von Kies aus einer
und Wände gefliest werden. An Wände können abnehm- zufälligen Seitenentnahme oder aus der Stauwurzel eines Stau-
21
22
- bare Paneele u. dergl. vorgehängt werden.
Zurückhalten der Wassermassen. Hochwasser kann im
besiedelten Raum nur verhindert werden, wenn die starke
Wasserführung auf ein verträgliches Maß verringert wird.
sees erfüllt diese Voraussetzungen in der Regel nicht und muss
-
in kurzen Zeitabständen erneuert werden.
Sichern gegen Seitenerosion. Maßnahmen gegen Wellen-
schlag und Seitenerosion bieten Uferbauwerke, die an der
Um natürliche Überschwemmungen in der besiedelten/ Wasserseite aus groben Steinschüttungen, verklammerten
genutzten Fläche am Unterlauf des Flusses zu verhindern, Wasserbausteinen, Spundwänden oder Betonwänden
23 müssen durch technische Maßnahmen am Oberlauf Lände- bestehen. Naturnahe Baumaßnahmen zum Uferschutz
reien überschwemmt oder überstaut werden. Möglichkeiten bestehen aus Faschinen und Faschinenkörpern (▶ Ab-
hierzu bieten
14.3 • Küstenschutz
557 14
Randdüne
1
2
Vordüne
Düne/Kliff
NN +3,25 m
3 NN +0,84 m
NN –1,00 m Wasserwechselzone
trockener
Strand
4 Riff
Rinne
Vorstrand
400 m 0m
6 .. Abb. 14.12 Standardprofil Westküste Sylt mit Düne, Strand, Rinne, Riff.
(LKN-SH, Fachplan Sylt)
7
durch technische Maßnahmen oder Stabilisierungsmaßnahmen
8 an einem Steilufer zu einem Mangel an Sedimentnachschub und
somit zu Erosion und Küstenrückgang im benachbarten Gebiet
9 („Lee-Erosion“).
An erosionsgefährdeten Küstenstrecken, und dies sowohl
10 vor Steilufern und erosionsgefährdeten Strandbereichen als
auch vor Längswerken und Buhnen, lassen sich die negati-
ven Massenbilanzen durch Sandvorspülungen ausgleichen.
11 Im Gegensatz zu festen Küstenschutzbauwerken mit passiver
Küstensicherung längs einer starr festgelegten Küstenlinie .. Abb. 14.13 Flächenhaftes Strandaufspülen mit uferparallelem Spülfeld-
12 stellen Sandvorspülungen eine aktive Küstenverteidigung dar, damm. (Unter ständigem Vorstrecken des Spülrohrauslaufs ergibt sich eine
bei der die Erosionsverluste durch künstliche Sandzufuhren vertikale Sortierung (Abb. 29 der „Empfehlung D“, EAK 1993))
ausgeglichen werden (Führböter 1985, Weiss 1991). Sie fügen
13 sich als sogenannte weiche Küstenschutzmaßnahme besser
in die natürlichen, dynamischen Prozesse ein als ein weite- Der Sand wird in der Regel fernab vom Strand untermee-
14 rer Ausbau von Buhnen und Deckwerken. Sandaufspülungen risch gewonnen und mit selbstfahrenden Laderaumsaugbaggern
haben sich auch bewährt, um dem Schutz vor Überschwem- (Hopperbagger) zur Küste transportiert. Bei wirtschaftlich zu
15 mungen bei Sturmfluten dienende Dünen aufzubauen, wie- überbrückenden Entfernungen kommen auch stationär arbei-
derherzustellen bzw. zu verstärken. Neben der reinen Schutz- tende Schwimmbagger zum Einsatz, die den Sand als Sand-Was-
funktion einer Vorspülung besteht oftmals auch der Wunsch ser-Gemisch durch eine Dükerleitung und/oder schwimmende
16 nach künstlichen Stränden als Bade- und Erholungsgebiet an Rohrleitung zum Strand bis zum Aufspülbereich pumpen. Das
solchen Küstenabschnitten, an denen wegen der morphologi- flächenhafte Verteilen auf dem Strand ergibt sich unmittelbar
17 schen Situation natürliche Strände fehlen. Sandaufspülungen durch den Ablauf des Spülwasserstromes bzw. durch das Pro-
sind „Verschleißbauwerke“ und müssen in unregelmäßigen filieren des aufgespülten Sandmaterials mit einer Planierraupe.
Abständen wiederholt werden, da sie die natürlichen Ero- Um Spülverluste zu vermeiden, kann aus dem vorhandenen
18 sionsprozesse nicht verhindern können und Seegang und Strandmaterial ein Spülfelddamm aufgeschoben werden. Das
Strömung immer wieder zum Abtransport des aufgespülten Aufspülen über Wasser führt zu einer gewissen Kornsortierung
19 Sandes führen. mit Konzentration der Grobkörnung auf der oberen Böschung
Die morphologischen Verhältnisse und die langfristige Sand- (. Abb. 14.13). Der aufgespülte Strand hat über der Uferlinie
20 bilanz werden durch wiederholtes vergleichendes Vermessen eine flachere Neigung als der ursprüngliche Strand. Der frisch
von Strand, Unterwasserstrand (Vorstrand) und Düne sowie aufgespülte Unterwasserstrand zeigt einen steilen Unterwasser-
gegebenenfalls eines Im Vorstrand vorhandenen Riffs ermittelt hang, der durch Wellen und Strömungen allmählich abgetragen
21 (. Abb. 14.12). Sie bilden die Grundlage für das Planen von wird (. Tab. 14.3 und 14.4).
Sandaufspülungen und sind auch bedeutsam für das Abschätzen Bei Materialeingabe im Vorstrandbereich kann der Sand bei
22 der Wiederholungsintervalle von Strandauffüllungen. ausreichenden Wassertiefen vom Schiff aus kostengünstig direkt
Das technische Durchführen einer Sandaufspülung umfasst verklappt werden. Bei einer Riffverklappung wird die seegangs-
die Aufgaben der Sandentnahme in einem der Küste vorgela- dämpfende Wirkung des Riffs gestärkt und die Energie bereits
23 gerten Gewinnungsgebiet, des Transports des Sandes und des im Vorfeld verringert und umgewandelt. Durch die seegangsbe-
Auffüllens von Strand und Meeresboden im gewünschten Küs- dingte Orbitalströmung wird das eingebrachte Material teilweise
tenabschnitt. auch auf den Strand zu verfrachtet.
14.3 • Küstenschutz
559 14
-
.. Tab. 14.4 Strandneigung in Abhängigkeit von der Korngröße
Mittlerer Korn- Geringer Wellenan- Starker Wellenan- Untersuchen der hydrodynamischen Vorgänge mit Anga-
durchmesser griff (Sommerprofil) griff (Sturmflutprofil)
ben zu Wellenhöhen, Wellenperioden, und Wellenrichtung
-
[mm]
in Abhängigkeit von Wasserstand und Windrichtung;
0,2 1:50 bis 1:100 1:50 bis 1:100 Beobachten der Lage der Brecherzonen, der Brecherformen
und der Intensität der küstenparallelen Brandungsströmun-
-
0,3 1:25 bis 1:50 1:45 bis 1:55
gen;
0,4 1:15 bis 1:25 1:40 bis 1:45
Untersuchen der Tideströmungen im Küstenvorfeld und
-
0,5 1:10 bis 1:15 1:35 bis 1:40 Ermitteln der maßgeblichen Wasserstände;
Ermitteln einer Sandbilanz mit an- und abtransportierten
-
zz Flächenhafte Strandaufschüttung
Bei trockenem Materialeinbau wird Sand mit LKW auf den schnitten;
Strand transportiert und in gewünschter Schichtstärke abgeladen Erkunden eines geeigneten Gewinnungsgebietes durch Kar-
und ausgebreitet. Das Einebnen zum Planum erfolgt gegebenen- tieren des Bodenmaterials in der Umgebung des betreffen-
falls durch eine Raupe. den Küstenabschnittes mit Mächtigkeit und Überdeckung
zz Flächenhafte Strandaufspülung
Im Küstenbereich als Flächenvorspülung (. Abb. 14.14) einge- - der Sandschichten;
Untersuchen von Korngröße, Kornform und Kornvertei-
lung der Sandschichten im Gewinnungsgebiet und der
spülte Sandmassen stellen eine störende Veränderung im natürli-
chen Strandprofil dar, die durch den Abtrag der Wellen umgelagert
und wieder ausgeglichen wird. Dabei wächst die Masse des Abtrags
mit der Masse der Vorspülung. Nach Führböter (1985) lässt sich
- Sandmischungen beim hydraulischen Transport;
Untersuchen möglicher Folgewirkungen einer Sandentnahme
und untersuchen der ökologischen Randbedingungen von
Sandentnahme und Sandaufspülung mit faunistischen und
für den Abtrag der Vorspülmassen eine Halbwertszeit ermitteln.
Das Halbwertszeitverhalten von Flächenvorspülungen führt zu der
Folgerung, zur Minimierung des langfristigen Massenbedarfs je-
weils nur möglichst geringe Sandmengen vorzuspülen, mit denen
- floristischen Kartierungen am Strand und am Meeresboden;
Abschätzen der mittleren Halbwertszeit im vorgesehenen
Bereich einer Strandaufspülung.
sich pro Zeiteinheit die Erosionsverluste gerade ausgleichen las- Das für das Aufspülen und Auffüllen verwendete Sandmaterial
sen. Dementsprechend sind die Kosten zwischen den Parametern soll in seinem Kornaufbau möglichst dem vorhandenen Strand-
„Sandeingabe“, „Sandabtrag“ und den baubetrieblichen Faktoren, material entsprechen oder nur geringfügig grobkörniger sein.
insbesondere der Baustelleneinrichtung, zu optimieren. Mittelkörniger Sand ist gut geeignet und zeigt eine gute Lagesta-
bilität. Feinkörnige und schluffhaltige Sande ergeben ein ungüns-
zz Biotechnische Maßnahmen gegen Sandverwehungen tiges und zu flaches Strandprofil; beim Gewinnen, Transportieren
Sandflug kann durch das Aufstellen von Sandfangzäunen verrin- und beim Vorspülen können hohe Verluste auftreten. Grobsande
gert oder verhindert werden. Dazu haben sich Zäune aus einge- und Kiese eignen sich weniger gut für das Fördern in Rohrleitun-
grabenen Buschfaschinen als umweltverträgliche Bauweise be- gen und bilden ein zu steiles Strandprofil aus.
währt. Das Bepflanzen mit Strandhafer sichert den aufgewehten
Sand und fördert eine Dünenbildung.
14.3.2 Längswerke als Küstenschutz
zz Baugeologisches Untersuchen und Beraten
Das geologische Untersuchen und Beraten beim Planen und Aus- Bauwerke längs der Küste, die einen Schutz vor Erosion bieten,
-
führen von Sandaufspülungen umfasst:
Aufmessen des Strandprofils und des Strandmaterials in
heißen „Längswerke“.
b
9 obere Abschlussreihe
Düne
Findlinge ø 800–1000 mm
11
Findlinge ø 600–800 mm
12
NN +0,25 m Filtervlies 800 g/m2
NN ±0,00 m
1:8 NN –0,5 m
NN –0,75 m
1:16
13 c 0 1 2 3 4 5m
14
15
16
17
d
18 Schüttsteindeckwerk untere Berme Rauhdeckwerk obere Berme oberer Deckwerksabschluß
19 NN +8,70 m
1:3
NN +6,50 m
20 1:4 Stützwand
21
MThw NN +1,26 m vorh. S-Profil
NN ±0,00 m
NN –1,0 m
Fußvorlage
22 e vorh . Schutzwerk
und werden somit geringer belastet als steilere Konstruktionen Fußdeckwerke sichern scharliegende Deiche (Deiche ohne
23 wie Strandmauern, Ufermauern und Wände. Deckwerke werden Vorland) vor Erosion am Bauwerksfuß und gewährleisten so
in unterschiedlichen Konstruktionsweisen und aus verschiede- dauerhaft die Standsicherheit und Wehrhaftigkeit der Bau-
nen Baustoffen erstellt (. Abb. 14.15). werke (. Abb. 14.16). Um Schäden an der Grasnarbe und der
14.3 • Küstenschutz
561 14
Wellenüberschlagsicherung
Kiel
1,50 m ü. MThw
Schüttsteine GK II/III ca. 850 kg/m2 1:10
mit kolloidalem Mörtel ca. 65 l/m2 1:15
Bodenaustausch
(bei schlickigem Untergrund)
Sickerleitung DN 100
Keilfalzplatte, h = 80cm
Keilfalzplatte, h = 60cm
verklammertes Altdeichabtrag
Sickerstrang mit
Natursteindeckwerk
aus zum Teil vorhandenen
Findlingen
Wellenüberschlag-
sicherung
Grobkies
b
.. Abb. 14.16 Beispiele für Fußdeckwerke als Küstenschutz. a Deichfußdeckwerk Westküsten Schleswig-Holstein, b Deichfußdeckwerk mit vergossenen
Schüttsteinen und Wellenumkehrmauer für Beanspruchung bei starkem Seegang, Dahme/Ostsee. (a Abb. 3 in „Empfehlungen G“ EAK 2002; b LKN-SH)
Außenböschung des Deiches oberhalb des Deckwerkes durch Offene Deckwerke müssen gegen die Strömungskraft des bei
überschlagende Wellen und Spritzwasser zu vermeiden, ist die fallendem Wasser aus der Böschung ausströmenden Sicker- und
Außenböschung in diesem Bereich als Überschlagssicherung zu Grundwassers bemessen werden. Die Abdeckschicht steht dabei
befestigen. unter Auftrieb. Die Schleppkraft des auf der Oberfläche abflie-
-- aufgenommen werden;
es muss Sicherheit gegen Abrutschen bestehen;
Filtermatte und angrenzendem Bodenmaterial. Das Filterkrite-
rium ist einzuhalten.
-
Schäden an Deckwerken werden verursacht durch:
Hinterspülen durch überschlagende Wellen und Spritz
über einen geotextilen Vliesstoff, einer Bitumensandschicht oder
einem Filter aus abgestuftem Mineralkorn hergestellt.
--
wasser;
Unterspülen des Deckwerkfußes;
Geschlossene Deckwerke müssen für den Überdruck des
Sicker- und Grundwassers in der zu schützenden Böschung
--
Ausspülen von Bodenmaterial aus dem Deckwerk;
Zerstörung durch Druckschläge;
Zerstörung durch Wasserinnendruck bei wechselnden
Wasserständen.
bemessen werden. Besonders bei Sturmflut kann der Grund-
wasserstand hinter dem Deckwerk durch Wasserstau und durch
zusickerndes Meerwasser ansteigen. Bei fallendem Außenwasser
treten Innenwasserdrücke auf, die zum Abheben und Abrut-
schen der Decke führen können. Kriterien für die Standsicher-
Das Beschreiben des Untergrundes mit Angaben zu den heit sind Eigengewicht der Decke, Reibung zwischen Decke und
bodenmechanischen Kenngrößen und den hydrogeologi- Untergrund, Scherparameter und Durchlässigkeit des anstehen-
schen Verhältnissen ist Grundlage für das baugeologische den Bodens.
Beurteilen. Es ist entscheidend für die Ausbildung als offenes Geschlossen Deckwerke werden in Asphaltbauweise, Be-
(durchlässiges) oder geschlossenes (undurchlässiges) Deck- tonbauweise und aus vorgefertigten Betonplatten, Pflastern und
werk. Betonfertigteilen mit Fugenverguss hergestellt.
562 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
4 zz Geotextilwälle
Bei Geotextilwällen handelt es sich um eine relativ neue Bau-
5 werksform von Längswerken, die vor allem zum Sichern von
Dünen eingesetzt werden. Beispielsweise werden in Mecklen-
burg-Vorpommern dammartige Wälle aus Geotextilien in den
6 landseitigen Teil der dem Hochwasser- und Sturmflutschutz
dienenden Küstenschutzdünen eingebaut, wenn es wegen be-
7 engter Platzverhältnisse nicht möglich ist, die Düne im Bemes-
sungsquerschnitt mit einem Restquerschnitt als Sicherheitsre-
serve zu realisieren (. Abb. 14.18). Falls im Sturmflutfall der
8 Dünenquerschnitt so weit abgetragen und geschwächt wird, dass
ein Versagen droht, übernimmt der eingebaute Geotextilwall die
9 Funktion des letzten Sicherheitselements gegen einen Durch-
bruch, da der in das Geotextil „eingepackte“ Sand nicht weiter
10 erodiert werden kann.
In der Regel kommen für Geotextilwälle sandgefüllte
geotextile Bauelemente in Container- oder Lamellenbau-
11 weise aus mechanisch verfestigten Vliesstoffen zum Einsatz.
Empfehlungen zu Konstruktion und Bemessung von Geo-
12 textilwällen gibt das Regelwerk Küstenschutz Mecklenburg-
Vorpommern (2012).
13 zz Wellenbrecher
An der Ostseeküste werden vor schwer belasteten Küstenab-
14 schnitten ufernahe Wellenbrecher eingebaut. Dies sind etwa
100–200 m lange Steinbauwerke (Steinwälle) aus großen Ge-
15 steinsblöcken mit Trapezquerschnitt, die beidseitig in der Regel
auf 1:2 geböscht sind. Sie verlaufen im Allgemeinen parallel zur
Küstenlinie in 2–4 m Wassertiefe. Wellenbrecher können einzeln
16 oder in Gruppen angeordnet werden (. Abb. 14.19).
Wellenbrecher schwächen den Seegang und die Brandungs-
17 strömung ab und verringern so den Eintrag von Seegangsener-
gie auf die Küste. Die auflaufenden Wellen werden gebrochen
und an den Bauwerksenden in ihrer Richtung geändert. Die
18 Wellendämpfung wird vorrangig durch die Querschnittsgestalt
(Kronenhöhe, Breite, Durchlässigkeit, Wassertiefe) bestimmt.
19 Auf der Landseite wird Sand in Form eines Tombolos akku-
muliert. Die Akkumulation auf der Schorre und deren Um-
20 formung werden vorrangig von Bauwerksanordnung, Abstand
zur Küstenlinie und vorherrschender Wellenlänge bestimmt,
bei Anordnung von zwei oder mehr Wellenbrechern hinter-
21 einander beeinflusst auch der Zwischenraum zwischen den
Bauwerken die Ablagerung der mitgeführten Sedimente (Weiss
22 .. Abb. 14.17 Sicherung der erosionsgefährdeten Strandmauer an der West-
1991). Der durch Wellenbrecher gestörte Längstransport kann
küste der Insel Sylt durch ständig neue Fußvorlagen; seit den 1970er-Jahren zusätzlich durch Sandaufspülungen ausgeglichen und in den
unverbauten, unmittelbar benachbarten Küstenabschnitten
23 wird dieser Bereich durch Sandaufspülungen gesichert. (Führböter 1985)
durch Buhnen beeinflusst werden, um Negativwirkungen zu
vermeiden.
14.3 • Küstenschutz
563 14
Krone nach Dünenaufschüttung
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110
.. Abb. 14.18 Regelquerschnitt einer mit Geotextilcontainern verstärkten Düne. (Kiesling, Sommermeier 2008)
–6
0 50 100 150 200 250 300 350 400 (m)
3,5 m
Normalmittelwasser HN –0,15 m
1:2
1:2
HN –5,15 m
Gleichartige Bauwerke, die einen am offenen Meer liegenden 14.3.3 Buhnen als Küstenschutz
Hafen oder eine Hafeneinfahrt begrenzen, heißen „Molen“. Sie
bieten Schutz vor Wind, Seegang, Wellenschlag, Strömung, Eis- Buhnen sind quer zur Strandlinie angeordnete damm- oder
gang und Versanden. wandartige Bauwerke, die die Uferlinie stabilisieren und vor
Erosionsgefährdete Küstenabschnitte können auch durch Rückgang und Erosion sichern sollen. Sie beeinflussen den küs-
Unterwasserwellenbrecher aus sandgefüllten Gewebeschläu- tenparallelen Sandtransport. Wegen ihrer nicht exakt vorher-
chen und sandgefüllten Sandcontainern aus geotextilen Ge- sagbaren Wirkung auf den Sedimenthaushalt und die natürli-
weben oder mechanisch verfestigten Vliesstoffen gesichert che Küstendynamik sollten Buhnen nur zum Einsatz kommen,
werden. Zum Einsatz kommen u. a. Mega-Sandcontainer mit wenn der Strand durch künstliche Sedimentzufuhr nicht mit
20 m Länge. Solche Container werden auf einer Spaltklapp- technisch-ökonomischem Aufwand stabilisiert werden kann.
schute mit Sand gefüllt, vernäht und auf den Meeresgrund ab- Durch Lee-Erosion verursachte, nicht ausschließbare Schäden
gelassen. Dort bilden sie ein künstliches Riff, das den Seegang zwingen gegebenenfalls zum Bau weiterer Buhnen in den an-
in der aktiven Zone des Wellenbrechens beeinflusst (Heerten grenzenden Strandabschnitten, was langfristig zur einer „Ver-
et al. 2000). felsung“ der Küste führt. Buhnen sind dort angebracht, wo sie
als Bestandteil von Küstenschutzsystemen, z. B. in Kombination
mit Längswerken und Sandaufspülungen, die sehr stark durch
564 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
1
2
3
4
5
6
7
.. Abb. 14.21 Längs- und Querschnitt einer geböschten Buhne. (Nach
Abb. 17 der „Empfehlungen F“ EAK 1993)
8
die gewählten Buhnenabstände (. Abb. 14.20, 14.21, 14.22, 14.
9 23 und 14.24). Die Wirksamkeit für die Sandablagerung kann
durch die Konstruktion einer aufgelösten (durchlässigen) Buhne
10 gesteuert und die Lee-Erosion reduziert werden.
Strombuhnen müssen so bemessen sein, dass die Buhnen-
wurzel auch beim höchsten Wasserstand nicht überflutet wird.
11 Bei Strandbuhnen soll die Buhnenhöhe so bemessen sein, dass
zum einen eine zu große sandfangende Wirkung und ungewollte
12 Lee-Erosion ausbleibt und dass zum anderen auch bei höchstem
Wasserstand ein Überschlagen der Wellen mit erodierender Wir-
kung im benachbarten Strandbereich vermieden wird.
13 .. Abb. 14.20 Längs- und Querschnitt von Buhnen. a Einwandbuhne; b Kasten- Nach dem Buhnenquerschnitt wird zwischen Einwandbuh-
buhne; c beböschte Buhne. (Nach Abb. 18 der „Empfehlungen F“ EAK 1993)
nen, Kastenbuhnen und unterschiedlich gestalteten geböschten
14 oder gewölbten Buhnen unterschieden (. Abb. 14.20).
Seegang und Längsströmungen belasteten Küstenabschnitten Kastenbuhnen werden in Kastenform aus Holzspundwänden,
15 an den Westseiten der ostfriesischen Inseln sichern oder an der Stahlspundbohlen, Stahlbetonbohlen und Stahlbetonfertigteilen
Außenküste Mecklenburg-Vorpommerns Aufspülsande stabili- hergestellt. Die betonierte oder gepflasterte Buhnenkrone wird so
sieren und so die Wiederholungsintervalle von Sandaufspülun- breit angelegt, dass überschlagende Wellen auf dem Bauwerks-
16 gen verlängern. körper ausbranden und ihre Energie verlieren.
Nach der Funktion und Bauweise werden Strandbuhnen, Einwandbuhnen werden aus Holzpfählen Stahlspundboh-
17 Strombuhnen und Unterwasserbuhnen unterschieden. Strand- len oder Stahlbetonbohlen konstruiert. Die Wellen können das
buhnen binden in den Sand ein und sollen den Sandabtrag durch Bauwerk überlaufen oder in das leeseitige Buhnenfeld über-
Wellen vermindern oder verhindern. Strombuhnen sollen Ufer schlagen und dort erodierend wirken. Mit ihren senkrechten
18 und Uferbauwerke vor Erosion durch Längsströmungen schüt- Buhnenflanken bewirken sie in gleicher Weise wie Kasten-
zen. Unterwasserbuhnen dienen der Sicherheit des Vorstrandes. buhnen eine Wellenreflexion. Schräg in das Buhnenfeld ein-
19 Die schräg oder senkrecht zur Uferlinie angeordnete Buhne laufende Wellen werden zur Uferlinie hin gebrochen. Dadurch
stellt ein Hindernis für den natürlichen Küstenlängstransport wird der Sedimenttransport aus dem Buhnenfeld verringert
20 von Sandmaterial dar. Sie bewirkt Auflanden an der Luvseite und (. Abb. 14.23b).
Erosion an der Leeseite. Dabei stellen sich an der Luvseite steilere Flachbuhnen mit gewölbtem oder geböschtem Querschnitt
Neigungen ein. Zwischen dem vorherrschenden Seegang und werden aus Wasserbausteinen oder Betonformsteinen gesetzt
21 dem gewünschten Anlanden stellt sich ein Gleichgewicht ein, (. Abb. 14.21). Der Kern in der Buhne besteht aus natürlichen
über das hinaus kein weiterer Sand abgelagert wird. Meist werden Schüttsteinen wir Granit, Diabas, Quarzit mit einem Schüttge-
22 Buhnen in Gruppen gebaut, um gefährdete Küstenabschnitte vor wicht von 1,5 g cm−3. Die Abdeckung für Krone und Buhnen-
Erosion zu schützen, um Strandabbrüche zu verzögern und um kopf wird als Packung oder Pflasterung mit höherer Dichte
den Längstransport zur Stranderhaltung zu nutzen. (1,7 g cm−3) ausgeführt, was eine besondere Bearbeitungsform
23 Die Funktion der Buhnen wird bestimmt durch Konstruk- der behauenen Steine oder eine spezielle Formgebung bei Beton-
tion, Querschnittgestalt, Länge, Breite und Höhe der Einzel- steinen voraussetzt. Die Fugen werden mit Beton oder Asphalt
buhne, durch die Anordnung in Buhnengruppen und durch vergossen.
14.3 • Küstenschutz
565 14
.. Abb. 14.22 Beispiele für Buhnengrundrisse und die Anordnung von Buhnengruppen. (Nach Abb. 14 und Abb. 15 der „Empfehlungen F“ EAK 1993)
zz Baugeologisches Untersuchen
Das geologische Untersuchen und Beraten beim Planen und
--
Bauen von Buhnen und Buhnenfeldern umfasst:
Aufmessen des Strand- und Vorstrandprofils;
hydrodynamische Vorgänge, Wellenangriff und Energiebi-
-
Kastenbuhne oder einer Einwandbuhne, b Diffraktion einer schräg anlaufen-
Nachweis der Standsicherheit gegen Kippen und Gleiten; den Welle an einer Flachbuhne. („Empfehlung F“ der EAK)
Aussagen zur Ausbildung einer Sohlensicherung (Sinkstü-
cke, geotextile Vliese oder Gewebe, Betonmatten, dichte
566 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
3
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5
6
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8
9
10
Asphaltmastixbahnen, durchlässige Filtergewebe als Mas-
- Das Wattenmeer wird mit seinen prägenden Elementen
11
12
- tixschottermatten) und deren Beschwerung;
Beurteilen der zu erwartenden Beanspruchung des Bau-
werkes, Mitsprache bei der Wahl der Baumateriale und der
durch Sandschliff, Eisgang und Korrosion beanspruchten
- und Funktionen erhalten (flächenhafter Küstenschutz).
Natur und Landschaft werden bei der Ausführung von
Küstenschutzmaßnahmen geschont. Hierzu werden bereits
frühzeitig naturverträgliche Maßnahmevarianten gesucht
16
sowie infolge Unterspülung oder Leeerosion, bei Holzbuhnen
außerdem Schäden durch den Befall des Holzes durch die Bohr-
muschel Teredo navalis. Das Überprüfern der ständig unter Was-
ser liegenden Bauwerksteile erfolgt durch Bauwerkspeilungen
- dabei ermöglicht.
Im Interesse der Zukunftsvorsorge werden hydromorpho-
logische Entwicklungen sowie Klimaänderungen und ihre
möglichen Folgen sorgfältig beobachtet und bewertet.
17 (Nivellements) bei Niedrigwasser oder durch Tiefenmessen mit
einem Echograph, wenn die Buhnen von einem Messschiff über- Seit über tausend Jahren werden Bauwerke zum Küstenschutz
fahren werden können. erstellt und alte Bauwerke den Erfordernissen der Zeit angepasst.
18 Aktuell stellt der Umgang mit den Konsequenzen des Klimawan-
dels die zentrale Herausforderung für den zukünftigen Küsten-
19 14.3.4 Zeitgemäßer Küstenschutz schutz dar. Ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg sowie eine
Zunahme der Sturmhäufigkeit und Sturmstärken kann künftig
20 Der Küstenschutz hat eine hohe Bedeutung für den Bestand und einen erheblichen Anpassungsbedarf und erhöhten Aufwand an
die Entwicklung der Küstengebiete. Der Lebensraum der Men- Küstenschutzmaßnahmen erfordern, um das heutige Schutz- und
schen, die direkt am Meer leben, ist zu sichern. Dabei orientiert Sicherheitsniveau zu erhalten.
-
21 sich der Küstenschutz an folgenden Grundsätzen (MELUR 2013): Auch wenn ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg an den
Menschen und ihre Siedlungen sowie wichtige Infrastruk- deutschen Küsten derzeit nicht erkennbar ist, liefern neuere Pro-
22 tureinrichtungen werden vor Meerwasserüberflutungen jektionen für den globalen Meeresspiegelanstieg Werte zwischen
23 - geschützt (Küstenhochwasserschutz).
Siedlungen, wichtige Infrastrukturanlagen und hohe
Sachwerte werden vor irreversiblem Küstenrückgang und
struktureller Erosion geschützt (Küstensicherung).
0,4 m und maximal 1,4 m bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Re-
gionalisierte Angaben zu Betrag und zeitlichem Verlauf des An-
stiegs liegen nicht vor. Der Anstieg soll nach Modelberechnungen
nicht linear, sondern mit der Zeit zunehmend erfolgen.
14.3 • Küstenschutz
567 14
.. Abb. 14.25 Konzept „Baureserve“.
(MELUR SH 2013)
Für das Bemessen von Küstenschutzanlagen, die in der Regel gende Generationen erhalten so die Möglichkeit, mit geringem
auf eine Lebensdauer und Betriebszeit von 70 bis 100 Jahren aus- bautechnischem und ökonomischem Aufwand durch Aufsetzen
gelegt werden, stellt die Unschärfe in der künftigen Entwicklung einer Deichkappe auf den Deich (. Abb. 14.25c) flexibel auf
eine erhebliche Herausforderung dar. Dieser Unsicherheit wird einen Meeresspiegelanstieg von bis zu etwa 1,5 m zu reagieren.
z. B. beim Festlegen des Deichbesticks durch einen „Klimazu- Infolge des Klimawandels wird für zukünftige Küstenschutz-
schlag“ von 0,5 m auf den maßgebenden Sturmflutwasserstand maßnahmen mit einem erhöhten Material- und Bodenbedarf zu
mit einer jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,005 (Wie- rechnen sein. Das notwendige Erhöhen und Verstärken von Dei-
derkehrintervall: 200 Jahre) Rechnung getragen. In Schleswig- chen führt zu größeren Deichprofilen, wodurch sich auch der Be-
Holstein wird zudem bei Deichverstärkungen seit 2009 das Kon- darf an geeignetem Material für den Deichkern sowie insbeson-
zept „Baureserve“ zugrunde gelegt (. Abb. 14.25). Dabei wird dere auch an Klei und Geschiebemergel als bindige mineralische
das neu bemessene Regelprofil mit variabler Neigung der Außen- Deckschicht erhöht. Daneben ergibt sich ein wachsender Bedarf
böschung (. Abb. 14.25a) in einem zusätzlichen Schritt ange- an Aufspülsanden, um einem infolge des Meeresspiegelanstiegs
passt, in dem die Außenböschung eine einheitliche flachere Nei- beschleunigten Küstenrückgang durch vermehrte Sandaufspü-
gung erhält und die Deichkrone verbreitert wird (. Abb. 14.25b). lungen begegnen zu können (Sommermeier, Schlamkow, 2010).
Dadurch wird bereits heute eine zusätzliche Sicherheit gegenüber Die Begrenztheit dieser Ressourcen erfordert ein frühzeitiges
dem bisherigen Regelprofil erreicht. Vor allem aber wird eine Erkunden von Lagerstätten und das Einrichten eines Bodenma-
Baureserve für spätere Nachverstärkungen für den Fall geschaf- nagements, um auch in Zukunft ausreichend Bodenmaterial für
fen, dass der Meeresspiegel um mehr als 0,5 m ansteigt. Nachfol- Küstenschutzmaßnahmen zur Verfügung zu haben.
568 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
5 durch geeignete Pflege (am besten Schafweide) kurzgehalten wer- Eoed = Steifemodul der weichen Schicht [kN m−2]
den, damit sie einen erosionsfesten Belag bilden kann.
Deiche werden so dimensioniert und auf den maßgeben- Die Deiche müssen beim Bau um den errechneten Setzbetrag
6 den Sturmflutwasserstand abgestimmt, dass nach menschlichem überhöht werden. Setzungen können in der Größenordnung von
Ermessen die bei Sturmflut drohenden Gefahren abgewehrt 1–2 m eintreten!
7 werden. Es verbleibt jedoch ein Restrisiko, zumal Häufigkeit Die Setzungsdauer kann nur ungefähr nach der folgenden
und Höhe der Sturmfluten in den letzten Jahrzehnten zuge- Formel abgeschätzt werden:
nommen haben. Die Deichhöhe ergibt sich aus folgender Sum-
8 mation: höchster Tidehochwasserstand (HThW) + maximal w
2
h
t=
beobachteter Wellenauflauf am betreffenden Deichabschnitt kEoed 2
9 (1–2 m) + 0,5 m Sicherheit + berechneter/abgeschätzter Sack-
und Setzbetrag. t = Setzungsdauer [s]
10 Der moderne Deichbau an der Nordsee besteht im Verstär- γw = Wichte des Wassers [kN m−3]
ken und Erhöhen der alten Anlagen (. Abb. 14.25, Probst 1985, k = Durchlässigkeitsbeiwert [m s−1]
1998, Scherenberg 1988). Bei abschnittsweise sehr schlechtem
11 Untergrund mit mächtigen Torflagen und Weichschichten be- Können Weichschichten nur nach einer Seite entwässern, so ist
steht für maschinell schnell hochgezogene Dammstrecken keine deren volle Schichtstärke zu berücksichtigen (h2). Die Setzungs-
12 Standsicherheit. Der Gefahr eines Grundbruches muss durch dauer kann mehrere Jahre betragen.
13 --
Planungsmaßnahmen wie
Verringern der Schütthöhen,
Verbreitern des Profils und Anlage flacherer Böschungen
Das Zusammendrücken feinkörniger Böden kann durch Ver-
tikaldränagen beschleunigt werden. Solche Maßnahmen werden
im Deichbau nur in besonderen Fällen, so unter Bauwerken und
14
15
- und
Verlängern der Bauzeit
.. Tab. 14.5 Checkliste der Prüfpunkte bei einer Deichschau. (Müller 1999)
Checkpunkte Häufigkeit
Allgemein
Erdkörper
Wuchshöhe ×
Verwurzelung ×
Viehtritt ×
Wühltierschäden ×
Fehlstellen ×
Treibgut ×
Bewuchszustand ×
Fehlstellen ×
Allgemeines
Konservierungszustand ×
Unterwasserkontrollen ×
Funktionsprüfungen ×
Unbewegliche Anlagen
Checkpunkte Häufigkeit
2 Halbjährlich Jährlich Mehrjährlich
3 Zubehör
4 Sonstiges
Zusatzprüfungen
6 Bauwerksgeometrie – Verformungen, Versätze, Setzungen ×
Trockenlegungen ×
7 Vermessen der Deichsollhöhe (Bestick) ×
8
Kontrolle von Deichunterlagen (Deichbuch) ×
9 heißen Binnendeiche. Sie unterteilen das eingedeichte Gebiet, Zu Umfang und Häufigkeit der Deichschau gibt Müller
um die Schäden bei Deichbruch zu begrenzen. (1999) eine Checkliste mit Hinweisen zum Beschreiben und Be-
10 Alte Deiche, die durch Vorverlegen der Deichlinie ihre Be- urteilen der festgestellten Befunde (. Tab. 14.5).
deutung verloren haben, heißen Schlafdeiche. Tiefliegendes
Land, das von Deichen umschlossen oder von Dämmen mit
11 Sperrbauwerken gegen den Vorfluter abgesperrt ist (z. B. Reten- 14.4.3 Restrisiko und Verteidigungsmaßnahmen
tionsräume für das Regulieren von Hochwasser), heißt „Polder“. bei Dämmen und Deichen
12 Die Vorlandbreite zwischen Flussufer und Deichfuß ergibt
sich aus dem erforderlichen Durchflussquerschnitt. Die Deich- Viele der bestehenden Dämme und Deiche sind alt, z. B. in der
höhe ergibt sich aus dem Bemessungshochwasserstand. Beim Mark Brandenburg vielfach bis über 250 Jahre. Die Bauzeit er-
13 Festlegen des Bemessungshochwasserstandes sind die Einflüsse streckte sich über längere Zeiträume. Als Baumaterial wurden
aus Veränderungen bei Abflussquerschnitt und Vorlandbreite die örtlich anstehenden Bodenarten verwendet. Die Bauweise
14 sowie Flusskrümmungen und Eisgang zu berücksichtigen. entspricht nicht den heute festgelegten Standards. Soweit Ab-
Flussdeiche sind (im Gegensatz zu Dämmen) nur zeitweise dichtungen vorhanden sind, bestehen diese aus aufgetragenen
15 dem Wasserdruck ausgesetzt. Der Wellenangriff ist gering. Lehmschichten. Die Dichtungswirkung dieser meist grasbe-
Der Querschnitt richtet sich nach Höhe, Deichbaumaterial, wachsenen Lehmschichten kann durch Wühlgänge verringert
Untergrund und Art der Beanspruchung. Üblich sind Konstruk- sein. Ein nachträgliches Abdichten kann als Außendichtung
16 tionen aus durchlässigem Stützkörper mit Kerndichtung oder durch den Auftrag von Tonschichten, Asphaltbetonplatten oder
wasserseitiger Oberflächendichtung und gut durchlässigem Fil- Betonplatten erfolgen. Kerndichtungen können durch Ein-
17 terkörper am landseitigem Deichfuß, welcher zugleich als Rei- bau abdichtender Tonmassen (z. B. im Fräsbetrieb, vgl. ▶ Ab-
bungsfuß fungiert (. Abb. 14.38d, e). schn. 10.3), durch Einbau von Spundwänden oder durch als
Schmalwand hinter der Spundwand eingebrachte Dichtmassen
18 ausgeführt werden. Der moderne Dammbau kennt die Möglich-
14.4.2 Sicherheitsprüfungen an Dämmen keit des direkten Einbaus einer Kerndichtung (▶ Abschn. 14.5.7,
19 und Deichen . Abb. 14.38c, d, g, h).
Kein Deich und kein Damm ist wasserdicht. Das Wasser
20 Deiche und Dämme bergen ein erhebliches Gefahrenpotential. durchströmt das Bauwerk von der Wasserseite her und tritt an der
Vor diesem Hintergrund ist regelmäßiges Begehen und Prüfen Landseite aus. Über den Querschnitt hinweg fällt die Sickerlinie
(Deichschau, Deichbegang) wichtig. Das Überwachen ist in den von der Wasser- zur Landseite ab (. Abb. 14.27a). Während dieser
21 Landeswassergesetzen der Bundesländer (z. B. § 82 Wassergesetz Zustand an der Küste nur über die Zeitdauer der Flut (6 h) anhält,
für Baden-Württemberg) vorgeschrieben. können Flussdeiche mehrere Wochen bis Monate dem Hochwas-
22 Unter Deichschau wird das regelmäßige Prüfen des ord- ser ausgesetzt sein. Die von dem hohen Wasserstand ausgehende
nungsgemäßen Zustandes eines Deiches mit seinen Bauwerken, Sickerwasserlinie kann bei breit angelegten Deichen auf gut
Anlagen und Schutzwerken durch die zuständige Behörde oder durchlässigem Untergrund und tiefliegendem Grundwasserspie-
23 einen zum Deichprüfen Beauftragten verstanden (Inaugen- gel unterhalb des Deichfußes in den ebenen Grundwasserspiegel
scheinnahme). Für die Deichschau sind keine formalen Voraus- einmünden und in ihm enden (. Abb. 14.27a). Bei geringdurch-
setzungen zu erfüllen. lässigem Untergrund, geringem Grundwasserabstand und/oder
14.4 • Hochwasserschutz
573 14
.. Abb. 14.27 Verlauf der Sickerlinie
in Erddämmen auf durchlässigem
Untergrund. a Grundwasserströ-
mung mit geringem Zulauf an
Sickerwasser, b starker Zulauf
von Sickerwasser, c,d Verlauf des
Strömungsnetzes bei unterschied-
lichen Durchlässigkeitsbeiwerten
für Damm (kD) und Untergrund (kU).
(Aus Davidenkoff 1964)
geringer Deich- bzw. Dammbreite tritt das Sickerwasser landseitig zz Verringern des Erddruckes und Erniedrigen
vor dem Böschungsfuß oder in der Böschung aus (. Abb. 14.27b). der Sickerlinie
Entsprechend sind breite und flache Deiche wünschenswert. Beim Oderhochwasser 1997 wurden erstmals Vakuumanlagen zum
Deich- oder Dammkronen sollten mindestens 1 m über den Abpumpen von Wasser und zum gleichzeitigen Stabilisieren der
höchsten bislang bekannten Wasserstand geführt werden. Dieser Böschung benutzt. Beim Anwenden des Vakuumverfahrens wirkt
zusätzliche Meter verhindert auch, dass die oberen durchwur- der Luftdruck auf die entwässerten Flächen ein (vgl. . Abb. 6.9).
zelten und durchwühlten Erdschichten bei Hochwasser belastet Der Druckunterschied zwischen dem atmosphärischen Außen-
werden. Gänge von Wühltieren dürfen den für die Standsicher- druck und dem Unterdruck am Vakuumbrunnen bewirkt eine
heit erforderlichen Querschnitt keinesfalls schwächen. Verminderung des Erddruckes. Die Sickerwasserlinie kann in der
Gefürchtet ist Erosionsgrundbruch oder „Piping“ (▶ Ab- Größenordnung 1–2 m in Richtung Deichbasis gedrückt werden.
schn. 6.3.2).
Das aus dem Damm oder Deich austretende Wasser kann auf
der Oberfläche erodierend wirken. Erosionsgefahr durch austre- 14.4.4 Kreuzungsbauwerke an Dämmen
tendes Sickerwasser besteht auch auf der Wasserseite bei schnell und Deichen
sinkendem Wasserstand.
Der vom Wasser durchströmte Erdkörper weicht auf. Dies Bei Hochwasser und Flut besteht für die Entwässerung des Hin-
kann bei hohem Wasserstand auf der Landseite und bei sinkendem terlandes keine Vorflut mehr. Das einmündende Gewässer muss
Wasserstand auf der Wasserseite zu Rutschungen (Bodenfließen, vor Rückstau geschützt werden. Einfache Absperrvorrichtungen
Gleiten) und zum Dammbruch führen. Risse im Damm- oder sind Siele, die bei niedrigem bis mittlerem Wasserstand Ent-
Deichkörper können einem drohenden Böschungsbruch voran- wässerung zulassen und bei hohem Wasserstand verschlossen
gehen. Gegenmaßnahmen halten das Wasser fern, verringern den werden. Technisch können Siele als Schützenwehre, bei großen
Durchfluss und/oder stabilisieren das Erdbauwerk „Deich“. Anlagen auch als Stemmtore ausgebildet werden (. Abb. 14.28).
Das während der Zeit des Sielverschlusses im Poldergebiet anfal-
zz Dränen des austretenden Sickerwassers lende Wasser muss so lange zurückgehalten werden, bis wieder
Zum Sichern des Dammes vor Erosion durch austretendes Si- freie Vorflut vorhanden ist. Als Stauraum wird der Graben vor
ckerwasser („Quellwasser“) können Dränmatten oder Faschinen, dem Siel verbreitert (Fleetgraben), oder es wird eine teichartige
welche mit Sandsäcken zu beschweren sind, auf die gefährdeten Erweiterung (Mahlbusen) angelegt. Wenn es nicht möglich ist,
landseitigen Böschungsflächen aufgebracht werden. alles anfallende Wasser im Stauraum zurückzuhalten, muss das
Wasser während der Sielschlusszeit über den Deich gepumpt
zz Stabilisieren des Böschungsfußes werden. Das hierfür erforderliche Schöpfwerk wird in seiner För-
Rutschkörper können sich im aufgeweichten Erdreich auf ver- derleistung so bemessen, dass es dem Speicherraum hinter dem
schiedenen Gleitflächen bilden. Zum Stabilisieren können am Siel optimal angepasst ist und nur das erforderliche Minimum
Böschungsfuß im widerstehenden Kräftebereich des Bodens an Stauwasser abpumpt. In den letzten Jahrzehnten wurden zu-
Sandsacklasten aufgebracht werden. nehmend tideunabhängige Schöpfwerke in Betrieb genommen.
574 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
-
lage. Die Vorarbeiten umfassen folgende Arbeiten und Un- schen Gutachten;
--
terlagen:
Geländeverlauf:
Beschaffen der bestehenden Karten- und Planunterla-
-
Erforschen des Anfalls an Geschiebe, Schwimm- und
Sinkstoffen;
Untersuchen der chemischen Eigenschaften des Oberflä-
-- --
gen; chenwassers und des Grundwassers;
geodätische Geländeaufnahme; Erkunden der Eisverhältnisse;
Erstellen von Lageplänen mit Höhenlinien in einem Ermitteln von Einleitungen und Ausleitungen sowie
- --
angemessenen Maßstab;
Erstellen von Längs- und Querschnitten.
Geologische Verhältnisse: -- bestehenden Entnahmerechten.
Landeskulturelle Unterlagen:
Erhebungen anhand vorhandener Unterlagen und Kar-
-
Beschaffen bestehender geologischer Karten und Be- ten zur Bodennutzung;
-
schreibungen; Erhebungen über Güteklasse und Wertstellung der
- --
Anfertigen geologischer Karten und Geländeschnitte in Grundstücke;
einem angemessenen Maßstab anhand von natürlichen Erhebungen über ökologisch wichtige Standorte.
Aufschlüssen, Schürfgruben, Sondierstollen, Sondier- Rechtliche Verhältnisse:
schächten, Bohrungen, Sondierungen und geophysikali- Erhebung über die Eigentums- und Besitzverhältnisse
-
schen Untersuchungen; sowie über die an diese Grundstücke gebundenen Wege-
geotechnisches und bodenmechanisches Beschreiben rechte, Leitungsrechte, Baurechte, Wasserrechte etc.
-
der Gesteine;
Benennen und Beurteilen der in Betracht kommenden Die Lage für die Sperrstelle, die Stauhöhe und der Stauraum wer-
natürlichen Baustoffe für Staudamm, Stützkörper, Filter den sich aus der Optimierung der zu berücksichtigenden Fakto-
-- und Dichtungen.
Hydrogeologische und gewässerkundliche Verhältnisse:
Beschaffen der gewässerkundlichen Hauptzahlen (NNQ,
MNQ, MQ, MHQ, HHQ) für lange, zusammenhän-
ren unter Berücksichtigung wasserbaulicher und wirtschaftlicher
Gesichtspunkte ergeben. Wehre und Stauanlagen stellen in jeder
Form einen Eingriff in das natürliche Fließgewässer dar. Der
Aufstau provoziert das Ablagern von im Flusslauf mitgeführtem
--
gende Jahresreihen; Geschiebe und Schweb. Werden solche Stauraumverlandungen
Erstellen der Abflussganglinien; durch Öffnen der Wehre freigespült, kommt es im Unterwasser
Eintragen der Wasserstände für die charakteristische zu Belastungen mit erhöhter Feststoffkonzentration, Trübung,
Wasserführung (HHQ, MQ, NQ) in die Längs- und Sauerstoffmangel und erhöhte Schadstoffkonzentration (Patt,
Querschnitte; Jürging, Kraus 2010).
576 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
4
5
6
7
8
9 verbesserte Möglichkeiten beim Bewässern, Beeinflussen von
Grundwasserständen, Begrenzen der Tiefenerosion, Verbes-
10 sern der Hochwasserabflüsse, Ausbau zum Schifffahrtskanal,
Gewinnen von Wasserkraft und elektrischer Energie. Sowohl
für die Schifffahrt als auch für das Nutzen der Wasserkraft wird
11 ein lückenloser Staffelausbau angestrebt, bei dem der Stau der
einen Stauanlage bis zur nächsthöheren Stauanlage reicht. Im
12 Extrem wird somit aus einem Fließgewässer ein quasi stehen-
des Gewässer mit stark verändertem Landschaftscharakter und
veränderten ökologischen Bedingungen für die Lebewelt im
13 Wasser. Die abflussabhängige Breite und die Höhe des Wehres
richten sich nach dem gewünschten Stauziel und der hydrauli-
14 schen Berechnung der Staukurven (Press 1966, Giesecke 1986,
Zilch 2013).
15 Wehre. Wehre werden als feste Wehre, als feste Wehre mit ei-
nem beweglichen Teil (Freiflut) oder als bewegliche Wehre gebaut
(. Abb. 14.30). Dabei haben feste Wehre den Nachteil, dass vor
16 dem Wehr Sinkstoffe abgelagert werden. Auch ist bei Hochwasser
nicht der ganze Querschnitt des Fließgewässers zur Wasserab-
17 führung verfügbar. Beim Grundwehr liegt die Wehrkrone unter
dem Unterwasserspiegel, sodass ein unvollkommener Überfall
eintritt. Beim Überfallwehr bildet sich ein vollkommener Über-
18 fall aus. Die Wehrkrone liegt über dem Unterwasserspiegel.
Nach dem Querschnitt werden Schuss-, Sturz- und Stufen-
19 wehre unterschieden. Beim Schusswehr ist der Abfallboden so
flach geneigt, dass das überschießende Wasser nicht vom Wehr-
20 .. Abb. 14.31 Abflussformen bei verschiedenen Abflussvorgängen an Über-
körper abhebt. Beim Sturzwehr trennt sich das abstürzende Was-
ser vom steilen Abfallboden. Zwischen Wehr und Wasserstrahl
fallwehren und Wehren mit Grundablass. a,b Nicht rückgestauter Abfluss,
befindet sich Luft. Beim Stufenwehr ist das Gefälle in Kaskaden
21 c,d rückgestauter Abfluss, e Abflussvorgang mit Grundwalze, f Abflussvor-
unterteilt. Die Sohle unterhalb des Wehrüberfalls ist besonders
gang mit Deckwalze. (Nach Press 1966)
gut gegen Auskolken zu sichern. Das über das Wehr schießende
22 Wasser ist in einem Sturz- oder Tosbecken zu beruhigen. Dabei
14.5.1 Wehre muss das herabschießende Wasser auf ein Wasserpolster tref-
fen, wobei sich gegenläufige Deck- und Grundwalzen bilden
23 Im staugeregelten Fluss wird das Gefälle auf einzelne Punkte (. Abb. 14.31), durch die die kinetische Energie des abschie-
(Staustufen) konzentriert und somit der Wasserspiegel im ßenden Wassers in Wärme umgesetzt wird. Bei erhöhter Wehr-
Oberwasser angehoben. Gründe für die Stauregelung sind überströmung verstärkt sich die Erosionsgefahr im Tosbecken.
14.5 • Stauanlagen, Wehre und Talsperren
577 14
zz Feste Wehre
Feste Wehre werden meist aus Beton, seltener aus Natur- oder
Mauersteinen erstellt. Verkleidungen aus Steinquadern, Hölzern
oder Brettern schützen abrasionsgefährdete Bereiche. Gefähr-
det sind bei Beton- und Steinsperren die Steine und Betonteile .. Abb. 14.32 Kräfteverteilung für den Längs- und Querschnitt eines Pfeilers
in der Überfallkrone. Soweit die Überfallkrone nicht hydrody- bei Niedrigwasser nach Vischer und Huber (1982). Wo Wasserdruck aus dem
namisch geformt ist, entsteht eine zerstörerische Sogwirkung. Oberwasser (OW), Wu Wasserdruck aus dem Unterwasser (UW), G Gewichts-
Die Gesteine sind zu verklammern. Feste Wehre müssen derart kraft, A Auftriebskraft, Wv vertikale Wasserauflast auf die Fundamente
konstruiert und gebaut werden, dass sie die Bemessungsab-
flüsse problemlos abführen und dass durch die im Tosbecken zz Gründung und Stabilitätsnachweis für Wehre
freiwerdende Energie weder am Wehr selbst noch in der un- Die Kenntnis des Baugrundes ist Voraussetzung für das Berech-
terhalb gelegenen Fließstrecke Erosionsschäden auftreten. Zum nen und Gründen von Wehren. Durch das Wehr wird eine Stufe
Berechnen des Bemessungsabflusses sei auf Patt, Gonsowski geschaffen, die ebenso im freien Wasser wie im Grundwasser
(2010) verwiesen. entsteht und Kräfte auf Baugrund und Bauwerk ausübt. Das Un-
tersuchen und Bewerten des Baugrundes erfolgt nach DIN 4020,
zz Bewegliche Wehre DIN EN 1997-1, 1054, 4017 und 4084. Für die maßgebenden
Bewegliche Wehre werden mittels Hub- oder Drehbewegung ge- Belastungsfälle (Hochwasser, Mittelwasser und Niedrigwasser,
schlossen. Je nach Konstruktion werden die Wehre unterströmt, jeweils mit offenen und geschlossenen Schützen) sind Sicher-
überströmt oder gleichzeitig unterströmt und überströmt. Be- heitsnachweise gegen Gleiten, Kippen, Aufschwimmen, Grund-
wegliche Wehre erlauben das Anpassen an die wechselnden bruch und technisches Versagen zu erbringen. Außerdem wer-
Abflussverhältnisse, wobei bei Niedrig-, Mittel- und leichtem den alle Wehrteile und Wehrpfeiler beim Öffnen einer Sperre auf
Hochwasser das Stauziel mit geringer Toleranz eingehalten wird. Torsion beansprucht. Wehrpfeiler und Wehrschwellen werden
Bei starkem Hochwasser werden Wehre so weit geöffnet, dass meist auf Einzelfundamenten gegründet. Die Fugen zwischen
ein kontrollierter Abfluss ohne unzulässigen Überstau eintritt. den Fundamenten sind mit Dichtmasse auszufüllen. Der Nach-
Der Wehrverschluss muss jederzeit bedienbar und betriebssicher weis der Sicherheit gegen Kippen und Gleiten ist bei Wehren
sein, auch und besonders bei Hochwasser und Frost. Neben der besonders kritisch.
Regelung des Stauzieles muss das Abführen von Eis, Treibzeug, Die Resultierende muss durch den Kern der Sohlfläche ge-
Geschiebe und Schwemmsel gewährleistet sein. hen.
Im maßgebenden Belastungsfall wird beim Nachweis der
zz Schutz gegen Unterläufigkeit und Umläufigkeit Gleitsicherheit ein Zustand bei Niedrigwasser und zwei benach-
Durch den Bau von Wehren entsteht zwischen Ober- und Unter- barten geschlossenen Schützen betrachtet. Es wirkt der Wasser-
wasser eine Stufe. Die gleiche Stufe wirkt sich auch im Grund- druck flächenhaft auf den Pfeiler und auf die halben benach-
wasserkörper aus. Im Wehrbereich unterliegt das Grundwasser barten Schützenflächen, außerdem wirken eventuelle Erddrücke
einem erhöhten Sickergefälle i. In Abhängigkeit vom Durch- ein. Die vertikalen Kräfte bestehen aus dem Gewicht der Pfeiler
lässigkeitsbeiwert k des Untergrundes wird das Bauwerk vom und aus dem halben Gewicht der benachbarten Schützen, aus
Grundwasser unterströmt und umströmt. Daraus ergeben sich der zusätzlichen Wasserauflast auf dem Pfeilersockel und aus der
Wasserverluste und die Gefahr für den hydraulischen Grund- Auftriebskraft (. Abb. 14.32).
bruch und den Erosionsgrundbruch (E 113, EAU 2012). Bei Maßnahmen zum Erhöhen der Gleitsicherheit sind Beschwe-
gleichmäßigen Bodenverhältnissen und bekannten k-Werten ren der Pfeiler und Schwellen, Rückverankern der Pfeiler (Klein
können die Strömungsverhältnisse gezeichnet und berechnet et al. 1985), Tieferlegen der Fundamente, Einbau von Spornen
werden (. Abb. 6.14). Durch den Einbau von tiefen Spundwän- und Vermindern des Auftriebes durch Einbau von Dichtungs-
den und seitlich tief in die Böschung hineinreichenden Spornen schirmen und Dränagen.
werden die Stromlinien länger. Damit steigt der Fließwiderstand
im durchflossenen Boden, wodurch sich die Fließgeschwindig-
keit im Grundwasserkörper erniedrigt. Bei Mischungen aus Kies 14.5.2 Talsperren
und Sand soll nach Hapke (1968) die Länge des Sickerweges den
fünf- bis neunfachen Betrag der Differenz zwischen Unter- und Talsperren sind Wasserreservoire, die dem Ausgleich zwischen
Oberwasser aufweisen. Durch schlauchartige Erosionsformen Wasserdargebot und Wasserbedarf dienen. Es wird ein zeitlich
im Untergrund können die Wasserverluste erhöht werden. Bei begrenzter Rückhalt des Wassers geschaffen. Die Hochwasser-
größeren Staustufen ist der Einbau von Dichtungsschürzen und spitzen werden aufgehalten und über einen vergleichmäßigten
Injektionsschleiern erforderlich. Abfluss der Nutzung zugeführt. Der Hauptzweck von Talsper-
578 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
--
1 (Friedrich 1985):
Rückhalten von Geschieben;
2
-- Rückhalten von Schwebstoffen;
Rückhalten von Nährstoffen;
biochemischer Abbau von organischer Vorbelastung aus
-
3 dem Einzugsgebiet;
Sichern des Hauptbeckens gegen Schadensfälle, z. B. Ölun-
4
- fälle;
Verhindern von Pflanzenwuchs im Stauwurzelbereich des
5
6
.. Abb. 14.33 Aufteilung des Stauraumes einer Talsperre
- Stausees bei stark abgesenktem Wasserspiegel;
Schaffen eines zusätzlichen Wasservorrates durch Aufsto-
cken des Speicherraumes.
ren ist das Speichern des Wassers für eine der nachstehenden Die Vorbecken besitzen im Gegensatz zu den Hauptbecken in
7
-
Nutzungsarten:
Brauchwassertalsperren für die Versorgung der Industrie
der Regel ein Absperrbauwerk mit fester Schwelle, über die
das Wasser in den Stauraum der Hauptsperre überläuft. Der
8
- mit Brauchwasser und Kühlwasser;
Trinkwassertalsperren für den Aufstau von Wasser als
Wasserspiegel bleibt im Stausee der Vorsperre über das ganze
Jahr nahezu konstant. Mit zunehmender Betriebszeit schreitet
9
- Reservoir an Trinkwasser;
Talsperren für den Aufstau von Wasser für Bewässerung
die Verlandung im Vorbecken so weit fort, dass es geräumt
werden muss. Die Räumbarkeit des Stauraumes der Vorsperre
10 - und Viehzucht;
Talsperren als Hochwasserschutzsperren zum Abfangen
ist für die Wasserqualität im Stausee wichtig. Das Phosphat im
Wasser wird je nach Jahreszeit zu 40–90 % vom Phytoplankton
11 - von Hochwasserwellen;
Talsperren zum Vergleichmäßigen des Abflusses und zum
Aufhöhen des Niedrigwassers in Flüssen; Gewährleisten ei-
ner gleichmäßigen Nutzung des Flusses für die Schifffahrt,
gebunden und über den Weg der komplexen Sedimentation
von Biomasse und mineralischen Schwebstoffen im Vorbe-
cken zurückgehalten. Geteilte Vorbecken bestehen aus einem
räumfähigen Sedimentationsraum mit Grundschwellen und
12 für Kühlzwecke und zum Vermeiden von Überkonzentra- Tauchwand für den Rückhalt des Geschwemmsels sowie einem
--
13 Talsperren zur Grundwasseranreicherung; ren, dass Kurzschlussströmungen vermieden werden und die
Talsperren für die Energieversorgung; Verweilzeit des Wassers in der Vorsperre möglichst gleichmä-
14 Pumpspeicherwerke zum Rückgewinnen und Ausgleichen ßig und gleich lang ist.
des Energiedargebotes aus nicht abgenommenen Energie- Außer den Nährstoffen werden in den Vorbecken auch an-
15
16
-überschüssen;
Talsperren für den Aufstau von Wasserflächen für Touris-
mus und Freizeitgestaltung.
dere Schadstoffe wie Schwermetalle und Öl zurückgehalten. Bei
Ölunfällen kann durch den Zeitgewinn eine mobile Ölsperre in
den Stauraum hinter der Vorsperre eingebracht werden.
Das Verlanden des Stauraumes infolge starker Schwebstoff-
In den meisten Fällen werden mehrere Zwecke miteinander zufuhr ist in semiariden Gebieten besonders groß. Auf räumfä-
17 kombiniert. Der Bau größerer Talsperren führt zum Umgestal- hige Vorbecken wird in diesen Gebieten weitgehend verzichtet.
ten ganzer Landschaftsräume. Für die landschaftliche Einbin- Die Nutzungsdauer eines vom Verlanden bedrohten Stauraumes
dung sind die wasserwirtschaftliche Funktion, die Ansprüche kann durch geeignete Gestalt der Hochwasserentlastung und der
18 Erholungsuchender und die Belange des Naturschutzes von aus- Grundablässe sowie durch Kanalisieren der Trübeströme verlän-
schlaggebender Bedeutung (Imhoff 1984, Binder 1987). Als Be- gert werden (Schaad 1979).
19 triebseinrichtung gehören zu jeder Talsperre ein Grundablass,
ein Betriebsablass und eine Hochwasserentlastungsanlage
20 (. Abb. 14.33). Kleinere Talsperrenbauwerke sind Regenrück- 14.5.3 Veränderungen und Gefahren
haltebecken oder Hochwasserrückhaltebecken (DIN 19700, in der Landschaft
Teil 12; Muth 1981; DVWK-Merkblatt 202: „Hochwasserrück-
21 haltebecken“; DWA-Regelwerk Arbeitsblatt DWA-A 117 „Be- Der Bau einer Talsperre und der Aufstau eines Stausees stellt ei-
messung von Regenrückhalteräumen“ 2006) und Vorsperren nen mehrfachen Eingriff in das natürliche Gleichgewicht dar. Der
22 bzw. Vorbecken, die dem Absperrbauwerk mit dem dahinter Eingriff in die Ökologie muss vielseitig betrachtet und beurteilt
liegenden Stausee vorgelagert sind. Als Betriebseinrichtung werden. Mit dem Stausee tritt ein Stillwassersee anstelle eines
haben Hochwasserrückhaltebecken und Vorsperren einen Fließgewässers. Bei allen wohlwollenden Plänen zugunsten der
23 Grundablass und einen Überlauf bzw. einen Hochwasserüber- Natur mit Vorbecken und hierin befindlichen Flachuferberei-
lauf. Aufgabe der Vorsperren und Vorbecken ist es, das optische chen, Schilfgürteln und Ruhezonen für die Tier- und Pflanzen-
Bild im Stauwurzelbereich zu verbessern. Zusätzliche Aufgaben welt darf nicht übersehen werden, dass der natürliche Lebens-
14.5 • Stauanlagen, Wehre und Talsperren
579 14
raum „Fließgewässer“ verloren geht und durch den künstlichen Mit dem Aufstau des Wassers und besonders mit wechseln-
Stausee ersetzt wird. Dabei ist der eigentliche Stausee mit seinen den Wasserständen wird in das Gleichgewicht eingegriffen. Der
nutzungsbedingt wechselnden Wasserständen und Uferlinien Fuß rutschgefährdeter Massen gerät unter wechselnden Auftrieb
und mit der notwendigerweise großen Dimension des Absperr- und bietet somit eine verringerte Gegenkraft gegen die talwärts
bauwerkes ein bleibender technischer Eingriff in die Natur mit gerichteten Schubkräfte. Durch eingestaute Nässe ist die Scher-
landschaftsbestimmendem Charakter. festigkeit im Lockermaterial, in möglichen hangparallelen Gleit-
flächen und in den Trennflächen des Felsgesteins erniedrigt und
zz Hydrostatische Belastung des Untergrundes somit die Standfestigkeit vermindert. Durch das Entwässern der
In der Landschaft sind von den Eingriffen in das natürliche Hänge beim Absenken des Stauspiegels entstehen Fließdrücke,
Gleichgewicht der Grundwasserstand, der Grundwasserabfluss die die Gleitbewegungen aktivieren. Rutschbewegungen werden
und die Belastung des Untergrundes betroffen. durch den Einstau des Wassers provoziert und müssen bezüglich
Durch das Erhöhen des Wasserspiegels im Stausee wird der der hiervon ausgehenden Gefahr richtig eingeschätzt werden. Ein
Grundwasserspiegel angehoben. Bei erhöhtem statischem Was- Beispiel für einen Stausee mit ständigen Kriech- und Rutschbe-
serdruck erhöht sich die Fließgeschwindigkeit des Grundwas- wegungen in den Hängen, die jedoch die Nutzung der Talsperre
sers. Hieran gebunden sind Gefahren wie das Auswaschen von nicht beeinflussen und bei ständiger Kontrolle seit über 30 Jah-
Kluftfüllungen, Karstfüllungen und das Sichbilden von Erosi- ren keine gravierenden Gefahren erkennen lassen, ist der Poly-
onsröhren in Böden und veränderlich festen Gesteinen, also das phyton-Stausee am Aliakmon im Pieria-Gebirge/Griechenland.
Entstehen neuer Wasserwege mit erhöhter Wasserwegsamkeit. Ein negatives Beispiel bietet der Felssturz im Vajonttal/Italien
Durch das Ausspülen von Lockermaterial und durch den Eintrag vom 9.10.1963. Durch den Aufstau des Wassers hatte sich in den
von Spannungen und Spannungsunterschieden können die Ver- Felsmassen an der Bergkuppe des Monte Toc eine kriechende
bandsfestigkeit im Untergrund der Sperre und die Standfestigkeit oder gleitende Bewegung von mehreren Zentimetern pro Tag
der Sperre beeinträchtigt werden. Durch den Aufstau der Was- eingestellt. Durch falsches Einschätzen der hiervon ausgehenden
sermassen können Erdbeben induziert und ausgelöst werden. Gefahren und durch ein wiederholtes Absenken und Anstauen
Das Beherrschen der Umläufigkeit und Unterläufigkeit von des Wasserspiegels wurde der Bergsturz provoziert. Die Felsmas-
Sperren ist eine vorrangige Aufgabe der geologischen und geo- sen stürzten in den Stausee und die Flutwelle verwüstete den Ort
technischen Beratung. Ein negatives Beispiel eines wegen Un- Langerone im Piavetal. Dabei kamen 1900 Menschen ums Leben
terläufigkeit im fossilen Karst ausgelaufenen Stausees bietet die (Müller 1964, 1968).
Staustelle Perdikas bei Ptolemais in Griechenland (Kaessaris et al.
1965).
14.5.4 Untersuchen der baugeologischen
zz Massenbewegungen in den Talhängen Verhältnisse
Durch den Anstau des Wassers wird die Stabilität der Hänge
nachteilig beeinflusst. Morphologisch vorgegebene Standorte Das baugeologische und geophysikalische Erkunden findet bei
für Talsperren sind enge Täler im Mittel- und Hochgebirge. Die Großprojekten in mehreren Phasen statt. Das geologische und
Hänge der Talflanken werden vom Talzuschub gestaltet. Daran baugeologische Untersuchen sollte stets durch geophysikalische
sind vorwiegend Kriechbewegungen im Lockermaterial und im Untersuchungen und auch durch das Auswerten von Luftbildern
tiefer liegenden Festgestein beteiligt. In Abhängigkeit von Mor- ergänzt werden. Dies ermöglicht im Zuge einer Voruntersuchung
phologie, Geologie und Wasserführung werden Teile des Hanges den geologischen Bau mit Schichtenfolge, Lagerungsverhältnis-
auch von anderen Rutschungstypen und Rutschungsaktivitäten sen und Grundwasserständen zu klären (Frik et al. 1997). Die
(▶ Abschn. 2.6) geformt. einzelnen Schichten sind nach Lage des Auftretens, Mächtigkeit,
Verursacht werden Kriechbewegungen durch die mit der Lithologie, Trennflächengefüge, Gebirgsauflockerung, Verwit-
Talausräumung verbundene Entlastung des Bodens. Im Zusam- terung und bodenmechanischen bzw. bautechnischen Eigen-
menspiel mit klimatischen Faktoren führt die Entlastung im Un- schaften zu beschreiben und zu bewerten. In einer zweiten Phase
tergrund (bis ca. 50 m Tiefe) zur Ausbildung von hangparallelen ist vom Sachverständigen für Geotechnik eine Beurteilung des
Trennflächen (Talklüften) und somit zur Auflockerung im Fels. Großprojektes und des Baugeschehens abzugeben. Anweisun-
Die Lockermassen (Hangschutt) und auch die aufgelockerten gen für die Bauausführung stützen sich auf diese Angabe im
Felsmassen streben der Schwerkraft folgend dem Talgrund zu, Geotechnischen Bericht. Im Zuge der Bauarbeiten sind in einer
wobei sie sich auf den tiefer liegenden Teilen abstützen. Durch dritten Phase die meist aus der Aufnahme von Bohrungen oder
die Erosion der Flüsse sowie durch Suffusion und Subrosion des Schürfen gewonnenen Erkenntnisse im Zuge baubegleitender
unterirdischen Wassers werden aus dem Untergrund Erdstoffe baugeologischer Untersuchungen zu kontrollieren. Abweichun-
ausgelaugt oder ausgeschwemmt und Hohlräume geschaffen, über gen im geologischen Bau oder boden- bzw. felsmechanischen
denen, der Hang seine Abstützung verliert und in Bewegung gerät. Zustand sind zu erkennen und zu bewerten. Soweit erforderlich,
Das Talkriechen besteht aus einem Wechselspiel von Auflocke- müssen Maßnahmen der Bauausführung noch im fortgeschrit-
rungs- und Verdichtungsvorgängen im bewegten Lockermaterial. tenen Stadium mit neuen Erkenntnissen über die Baugrundsitu-
Bei Bewegungsgeschwindigkeiten von etwa 1 cm pro Jahr an der ation abgestimmt werden.
Oberfläche stellt sich ein Gleichgewicht ein. Ungleichgewichte Im Zuge der Voruntersuchung für die Planung werden die
führen lokal zu schnelleren Rutsch- oder Gleitvorgängen. bauentscheidenden Feststellungen für das weitere Planen und
580 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
12
13
- gen zu rechnen ist;
der Untergrund und die Talflanken im Bereich der Sperr-
stelle generell für die Absperrung geeignet, bedingt geeignet
oder nicht geeignet sind.
1
2
3
4
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7
8
9
10
11
12
13 .. Abb. 14.37 Darstellung der gebräuchlichen Beziehungen zwischen k-Wert und QWD-Wert nach verschiedenen Autoren und Kriterien. Für die Kurve gilt:
H0 = 50 m und r0 = 0,038 m (Heitfeld und Koppelberg 1981). 1 kugelförmige Äquipotentialflächen; 2 zylindrische Äquipotentialflächen; 3 Earth Manual, Koll-
brunner/Maag, Snow; 4 Gilg/Gavard; 5 Rissler; 6 Heitfeld
14
Aus der beim WD-Test verpressten Wassermenge ergibt sich der angeregt. Diese Schwingungen werden aufgezeichnet (Schwin-
15 Durchlässigkeitsbeiwert kv zu gungsdauer 20–40 s) und rechnergestützt zum Bestimmen des
k-Wertes und der Transmissivität ausgewertet.
QWD
16 kv =
F zz Untersuchen der Hänge
Zum Beurteilen der Standfestigkeit der Hänge sind umfassende
17 QWD verpresste Wassermenge/Wasseraufnahmemenge des Gebirges morphologische und geologische Spezialkartierungen erforder-
F Mantelfläche im Bohrloch zwischen zwei Packern lich. Die morphologischen Kriterien zeigen in der Talsohle, im
niederen Hangbereich und im Bereich von Hangverflachungen
18 Das mathematischen Bestimmen des k-Wertes berücksichtigt die Schuttkegel, Felsblöcke, Schutt- und Sturzhalden, Blockmeere,
verpresste Wassermenge, die Druckhöhe im Bohrloch (Energie- Murkegel, Rutschmassen und Hangschutt als fossile oder sub-
19 höhe), die Länge der Verpressstrecke, den Bohrlochdurchmesser fossile Zeugen für Massenbewegungen. Aus dem morpholo-
und die Form der Äquipotentialflächen für die radial ausströ- gischen und geologischen Vergleich sind Herkunftsgebiet und
20 menden Wassermassen. Hierbei ist der anisotrope Durchtren- Bewegungsart zu rekonstruieren. Das Alter einer Rutsch- oder
nungszustand im Gebirge ein Unsicherheitsfaktor. Andere Sturzmasse kann aus der Beziehung der Bewegung zu jungen
Bearbeiter beurteilen die Fließbewegung im Fels auf der Basis Deckschichten, aus dem Verwitterungsgrad und möglichen Bo-
21 der Kluftwasserströmung (Louis 1967; Wittke 1969, 1979). Eine denbildungen auf der Schuttmasse, aus dem Bewuchs und dem
zusammenfassende Darstellung geben Heitfeld und Koppelberg Alter der Bäume sowie aus der durch die Bewegung veränderten
22 (1981) sowie Widmann (1997; . Abb. 14.37). Lage des Baumbestandes (Schiefstellung, Verkrümmung oder
Die Durchlässigkeit (k-Wert) des Untergrundes und des Stau- Hakenschlagen der Baumstämme, abweichende Wuchsrichtung
werkes von Talsperren kann wirtschaftlich und schnell mit dem der jungen Schösslinge an schräggestellten Bäumen) geschlossen
23 Einschwingverfahren bestimmt werden (Krauss-Kalweit 1987). werden. Die Bewegungsart lässt sich aus der Gesteinslagerung,
Dazu wird die Wassersäule im Bohrloch durch Aufbringen von den Erosionsformen und dem Bewuchs erkennen. Unterschieden
Pressluft und schlagartige Druckentlastung zur Eigenschwingung werden die Rutschungstypen „Kippen“, „Fallen“, „Fließen“, „Drif-
14.5 • Stauanlagen, Wehre und Talsperren
583 14
--
zusammengestellt. Hieraus ergibt sich eine Einteilung in:
standfeste Bereiche;
Bereiche mit geringer Gefährdung, die keine Sicherungs-
Gegebenheiten in den Talflanken und im Untergrund, nach den
natürlichen Baustoffvorkommen und nach Sicherheitskriterien.
Bei Vorliegen geeigneter Baustoffe liegen die Kosten für das Auf-
- maßnamen erfordern;
Bereiche, in denen Hangbewegungen zu erwarten sind,
welche durch technische Maßnahmen stabilisiert werden
schütten eines Erddammes wesentlich niedriger als für den Bau
einer Staumauer. Dammbauwerke bieten außerdem eine größere
Sicherheit bei tektonischen Bewegungen in Erdbebengebieten.
- können;
Bereiche, in denen so große Massenbewegungen zu er-
warten sind, dass sie durch technische Maßnahmen nicht
stabilisiert werden können.
Lockermaterial im Untergrund ist für Staudämme geeignet,
soweit seine Scherfestigkeit ausreicht, die Spreizkräfte aus dem
Dammkörper und den horizontalen Wasserdruck aufzunehmen.
Staumauern stellen hohe Ansprüche an den Untergrund,
welcher – von kleineren Absperrwerken abgesehen – aus einem
Das Abschätzen der von Hangbewegungen ausgehenden Gefah- festen Felsverband bestehen soll. Durch die Einwirkung des ein-
ren und die Forderung nach wirtschaftlich vertretbaren Siche- gestauten Wassers darf die Verbandsfestigkeit nicht wesentlich
rungsmaßnahmen (▶ Kap. 10) verlangt detailliertes Untersuchen beeinträchtigt werden. Je nach Konstruktion konzentrieren sich
und Bewerten. Es müssen keinesfalls alle Rutschungen stabilisiert bei Schwergewichtsmauern und Pfeilermauern die Kräfte vor-
werden, soweit hiervon absehbar keine Gefahren ausgehen. Als wiegend in der Gründungssohle. Bei Bogenstaumauern konzen-
besonders gefahrbringend sind Rutsch- und Gleitbewegungen trieren sich die Kräfte vorwiegend auf die seitlichen Widerlager
einzustufen, die entweder die Standsicherheit des Absperrbau- und greifen im spitzen Winkel zum Hang an.
werkes beeinträchtigen oder die von der morphologischen Posi- Die Baugrunduntersuchung der Sperrenstelle berücksich-
tion her einen Übergang in die stürzende Bewegung befürchten tigt die Art des geplanten Sperrwerkes (Erddamm oder Mauer).
lassen. Das Beispiel des Monte Toc im Vajonttal zeigt, dass der Die Untersuchung umfasst auch geophysikalische, geologische,
felsstatische Sicherheitsnachweis bei unzureichendem Erkennt- geotechnische und hydraulische Untersuchungsverfahren (Wid-
nisstand über die wahren Vorgänge im Berg zu Fehleinschätzun- mann 1997).
gen führen kann. Mit geophysikalischen Verfahren kann die Mächtigkeit von
Lockermaterial über dichtem Untergrund bzw. die Tiefenlage
zz Untersuchen der Sperrenstelle der Felsoberfläche flächenhaft erkundet werden. Hierzu können
Für die Lage von Absperrbauwerken sind neben dem morpho- geoelektrische Verfahren, seismische Verfahren und Georadar
logischen Kriterium Standsicherheitsfaktoren von ausschlagge- angewendet werden.
bender Bedeutung. Im Untergrund der Sperrenstellen müssen Das baugeologische Untersuchen umfasst das Beschreiben
aktive tektonische Verformungen und Bewegungen ausgeschlos- der im Gründungsbereich auftretenden Böden und Gesteine mit
sen werden. Es ist zu beachten, dass Täler häufig vorgegebenen Darstellen in Geländeschnitten und Karten.
584 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
1
Hierfür wird der Baugrund durch Kernbohrungen und
Schürfgruben untersucht. Die Bohrlöcher können anschließend
zum Bestimmen der Durchlässigkeit genutzt werden. Oft werden
- Bei In-situ-Spannungsversuchen können unabhängig von
der untersuchten Körpergröße gleichwertige Ergebnisse
erzielt werden.
2 schon im Stadium der Untersuchung im Bereich der projektierten
Staumauer oder des projektierten Dichtungsschleiers der Hang- Im Bereich der Sperrenstelle kann durch Erkunden von Was-
schutt und die Felsverwitterungszone in einem durchgehenden serdurchlässigkeit, Wasserwegsamkeit und Abfuhrvermögen
3 Schurf abgegraben (Meister et al. 1997). Die Lagerungsverhält- bei Wasserabpressversuchen geklärt werden, ob eine Injektion
nisse der anstehenden Schichten und Felsgesteine, besonders die des Untergrundes notwendig ist. Als Grenzwert für erforderli-
4 Klüftigkeit des Gebirges, sind aufzunehmen und darzustellen. Die che oder erfolgreich abgeschlossene Injektionsarbeiten werden
Dichte und Raumstellung des Trennflächengefüges, die Öffnungs- für den Untergrund von Talsperren 2 Lu angegeben (1 Lu [Lu-
5 weiten und Spaltenfüllungen sowie die Scherfestigkeit im Trenn- geon] = 1,67 · 10−5 m2 s−1).
flächengefüge werden im Hinblick auf Aushub, Aushubtiefe, Für den Entwurf von Injektionsarbeiten sind Angaben über
Felsklassifizierung, Standfestigkeit der Baugrubenwände und die Injizierbarkeit von Fels und die zu erwartenden Verpressmen-
6 Böschungen, Belastbarkeit und Aufnahme von Scherkräften so- gen an Injektionsgut pro Kubikmeter Fels oder pro Quadratmeter
wie auf die Wasserwegsamkeit im Trennflächengefüge diskutiert. Dichtungsschirm zu treffen. Injektionsgüter haben andere Fließ-
7 Folgende geotechnische Kennwerte sind zu benennen und in eigenschaften als Wasser. Proportionalität des Fließverhaltens ist
8 --
ihrer Größe zu bestimmen:
Bodenart, Gesteinsart;
Wichte des anstehenden Bodens oder Gesteins als Wichte
des feuchten Bodens, Wichte des trockenen Bodens, Wichte
nicht gegeben. Hinweise zur Injizierbarkeit kann die Beschrei-
bung des Kluftsystems mit Angaben zur Form, Anzahl und Ab-
messung der Fließwege geben. In den meisten Felsarten sind die
Klüfte einseitig aufgespalten. Die Durchflussquerschnitte haben
9 des Bodens unter Auftrieb und Wichte des wassergesättig- spitzwinklige und schmale dreieckige Querschittsformen mit
10 -- ten Bodens;
Porenvolumen, Klufthohlraumvolumen;
Kornverteilung oder Stückigkeit des anstehenden Materials,
Kornverteilung und Stückigkeit des ausgebrochenen Mate-
rauen Wänden. Benachbarte Spalten können unterschiedlich
weit geöffnet sein und unterschiedlichen Durchfluss aufweisen.
Klufthäufigkeit und Kluftöffnungsweite der Einzelkluft sind
gleichermaßen durchflussentscheidend. Zum Bestimmen der
-
11 rials; Injizierbarkeit von Fels und dem Planen von Injektionsarbeiten
Wassergehalt, Wasserempfindlichkeit, Quellvermögen und sind an ausgesuchten, geologisch repräsentativen Stellen In-situ-
12
13
- Plastizitätseigenschaften;
Art, Raumstellung, Abstand, Häufigkeit, Durchtrennungs-
grad, Öffnungsweite und Rauigkeit der Trennflächen im
geklüfteten Fels.
Probeinjektionen erforderlich.
-
21 mann 1997): zz Dichtungsteppiche
In Laborversuchen an Gesteinsproben aus natürlichen Dichtungsteppiche bestehen aus einer Schüttlage aus wenig
22 Schwächezonen ermittelte Scherfestigkeitswerte können als durchlässigem Lockermaterial. Der Dichtungsteppich erstreckt
.. Abb. 14.38 Konstruktionsarten von Dammdichtungen. a,b Oberflächendichtung mit Kontrollgang, c Kerndichtung aus bindigem Material, d Kerndichtung aus Asphaltbeton,
e,f Oberflächendichtung (Böschungsdichtung) mit horizontalem Dichtungsteppich, g Kerndichtung mit horizontalem Dichtungsteppich, h erosionsfeste Versiegelung der Dammauf-
standsfläche. (a–d umgezeichnet nach Blind 1981; g nach Türke 1984; h nach Breth 1980)
14 585
586 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
Sickerweges erreicht. Die Gefahr von Leckagen besteht bei hete- trollganggräben erfolgt mit gebirgsschonenden Sprengverfah-
1 rogenem Untergrund mit stark unterschiedlichem Setzungsver- ren. Beim Ausformen der Gründungsfläche wird ein stetiges
halten und besonders bei Karsthohlräumen im Untergrund. Der Profil ohne Gefällsbrüche angestrebt. Örtliche Überbeanspru-
2 Dichtungsteppich muss an solchen Stellen auf mehrere Meter chungen und Spannungskonzentrationen sind zu vermeiden.
verstärkt werden oder auf eine der Leckage angepasste Filter- Alle Stufen und Überhänge sind abzutragen oder mit Beton
schicht aufgebaut werden. auszugleichen. Glatte Felsflächen können zum Erhöhen des
3 Scherwiderstandes unter den Stützkörpern künstlich aufge-
zz Dichtungswände raut werden.
4 Bei flachliegendem Fels oder Vorhandensein von Tonlagen in ge-
ringer Tiefenlage kann der Kern von Schüttdämmen über einen zz Verstärken der Widerlager
5 offenen Graben oder Schlitz direkt an den dichten Untergrund Sperrmauern und besonders die Gewölbesperren tragen die
angeschlossen werden. Ebenso können Spundwände oder Be- Kräfte des aufgestauten Wassers über die Widerlager direkt in
tonwände in Verlängerung des Dammkernes eingebaut werden. den Fels ein. In diesem Bereich des Widerlagers muss der Fels
6 Bei tiefliegendem dichten Untergrund werden Pfahlwände (bis stabilisiert und verfestigt werden. Für die Sicherung der Fels-
120 m), Schlitzwände (bis 60 m), Schmalwände (bis 25 m) oder böschungen gegen Auflockern sind großflächige Spritzbetonab-
7 fugenlose Ton-Sand-Mischungen nach dem „Slurry-Trench“- deckungen mit Baustahlgittern und Felsnägeln in Anwendung.
Verfahren (bis 30 m) eingebaut. Bei den Schmalwandverfahren Felsüberhänge können durch Stützpfeiler und Stützwände sta-
werden eingerammte Breitflanschträger langsam gezogen, und bilisiert werden. Auflockerungen im Fels können durch Anker
8 der entstehende Hohlraum wird mit Zementmörtel oder plasti- in Verbindung mit Injektionen überbrückt werden. Soweit der
schem Mörtel verpresst. Fels nicht direkt das Widerlager bildet, können auch Stützwände
9 Bei ungünstigen Untergrundverhältnissen, z. B. im verkarsteten als Widerlager der Felswand vorgesetzt werden, welche über
Kalksteingebirge, bei zersetzten, mylonitisierten und weichen stählerne Zugglieder tief im Fels verhängt werden. Stollen und
10 Gesteinen werden anstelle von Injektionsschirmen Dichtungs- Schlitze können angelegt und ausbetoniert werden, um Aufla-
wände aus Beton ausgeführt. Das Schlitzen wird mit Meißeltech- gerungskräfte in der Wirkungsweise von Pfählen oder Scheiben
nik, Fräsen und mit Hydrofräsen (bis 100 m Schlitztiefe) bewerk- durch schwache Felspartien hindurch auf tiefere und bessere
11 stelligt. Härtere Felsarten werden mit Pfahlwänden abgedichtet. Felspartien zu übertragen. Störungen und Auflockerungszonen
müssen im Bereich der Sperrengründung ausgeräumt und mit
12 zz Dichtungsschirme Beton verfüllt werden.
Tiefe durchlässige Schichten können mit injizierten Dichtungs-
schirmen abgedichtet werden. Die Schirme sind stets mehrreihig zz Dichtungsteppiche
13 mit Lochabständen von 2–4 m und einem breiten Anschluss an Auch auf durchlässigem Felsgestein können Schüttlagen aus we-
den Dammkern oder an die Herdmauer auszubilden. Injiziert nig durchlässigem Material als wirksame Oberflächenabdeckung
14 werden Lösungen, Emulsionen, Suspensionen, Pasten und Mör- aufgebracht werden. Neben natürlichen Lehm- und Tonböden
tel. Die Pasten, Mörtel und Suspensionen bestehen aus Wasser, kommen auch Spritzbeton, Asphaltbeton und Beton zur Anwen-
15 Zement, Füllstoffen (Gesteinsmehl, Tonmehl Schlackenmehl, dung.
Flugasche) und Bentonit. Für Emulsionen werden Teer, Bitu-
men, Öle und wasserhaltige Harze verwendet. Natriumsilikate zz Injektionen und Injektionsschirme
16 und organische Harze werden als Lösungen injiziert (Jessber- Injektionen verfestigen den Fels und verringern seine Durchläs-
ger 1982, Idel 1991). Der Anwendungsbereich ergibt sich aus sigkeit. Im Bereich der Gründungsfläche der Sperre sind beide
17 . Abb. 8.6. Effekte erwünscht; man spricht von Konsolidierungsinjektionen.
In größerer Tiefe, beim Injektionsschirm oder Injektionsschleier
(Schetelig 1982), ist die Abdichtung erwünscht; man spricht von
18 zz Dränagen, Filter, Entspannungsbrunnen
Maßnahmen gegen Porenwasserüberdruck und rückschreitende Schirminjektionen.
Erosion sind als Ergänzung der Abdichtung erforderlich. Üb- Konsolidierungsinjektionen haben die Aufgabe, den ober-
19 lich sind Fußdränagen und Filterteppiche unter der luftseitigen flächennahen Bereich unter der Sperrenaufstandfläche zu ver-
Dammschüttung. Entspannungsbrunnen werden am Dammfuß güten. Häufig werden diese Injektionen in Form breiter Fächer
20 oder unter vorgelagerten Bermen eingebaut. aus Injektionsstollen im Felsuntergrund eingebracht. Die bereits
bestehende Sperrenauflast ist vorteilhaft für die Injektionstech-
zz Maßnahmen beim Gründen auf Fels nik und manchmal zwingend notwendig. Gearbeitet wird mit
21 Verbessernde Maßnahmen beim Gründen auf Fels bezwecken relativ niedrigen Verpressdrücken bis etwa 0,5 MN m−2 bzw.
Erhöhen der Festigkeit, Verringern der Deformation, Verringern 5 bar. Verwendet werden Wasser-Zement-Suspensionen. Ver-
22 der Durchlässigkeit und Verringern der mit dem Durchströmen pressfähig sind Spalten und Klüfte mit einer Öffnungsweite
verbundenen Kraftwirkungen. größer 0,2 mm. Die von einem Injektionsstollen ausgeführten
Injektionen können jederzeit durch Nachinjektionen ergänzt
23 zz Aushub werden.
Der Aushub im Felsuntergrund für die Sperrenaufstandsfläche, Schirminjektionen sind je nach Felsdurchlässigkeit ein-
die Kernanschlussfläche, den Herdmauergraben und die Kon- oder mehrreihig anzusetzen. Die notwendige Tiefe ergibt sich
14.5 • Stauanlagen, Wehre und Talsperren
587 14
aufgrund von Durchlässigkeitsversuchen (WD-Test). Die Nei- oder aus einem stabilisierten Fels bestehen. Zur Aufnahme
gung der Schirmfläche zur Wasserseite und eine stromaufge- der horizontalen Kräfte wird häufig eine nach den Erforder-
richtete Abwinklung an den Flanken richten den Wasserdruck nissen von Talform und Statik gekrümmte Grundrissform
nach unten in den Berg hinein. Die seitliche Bohrlochneigung gewählt. Andere Mauern sind im Grundriss gerade oder ge-
innerhalb der Schirmfläche erstrebt ein Anbohren von mög- knickt. Staumauern sind wasserseits gegen das Eindringen und
lichst vielen Kluftschnitten und Hohlräumen. Verpresst wird die chemische Einwirkung des Stauwassers zu schützen. Die
in Abhängigkeit von der Auflast mit Drücken bis zu 2 MN m−2 Außenflächen müssen aus wetterbeständigem und frostsiche-
bzw. 20 bar. Verpresst werden Wasser-Zement-Suspensionen rem Beton oder Stein sein. Mauern von ausreichender Dicke
mit Zusätzen von Bentonit oder Ton. Es können Klüfte und sollen für Kontrollzwecke Prüfschächte und einen unteren, in
Spalten mit Öffnungsweiten bis 0,1 mm verpresst werden. Bei Längsrichtung verlaufenden Prüfgang sowie nach den Erfor-
engeren Fugen müssen chemische Verpressmittel wie niedrig- dernissen der Mauerhöhe weitere horizontale Prüfgänge erhal-
viskose Wasserglaslösungen oder Kunstharze verwendet wer- ten. Diese Prüfschächte und Prüfgänge können zur Aufnahme
den. Die Ausführung erfolgt in Phasen, wobei in der ersten von Messgeräten dienen. Der Nachweis der Standsicherheit
Phase mit etwa 5 m Lochabstand gearbeitet wird. In weiteren von Staumauern muss auch den Baugrund hinsichtlich seines
Phasen werden Injektionsbohrungen zwischengesetzt. Über Festigkeits- und Verformungsverhaltens erfassen. Das Verhält-
die Notwendigkeit weiterer Phasen entscheiden die Injekti- nis von Betonverformbarkeit Eb zu Felsverformbarkeit Ef ist
onsgutaufnahme und schräge Kontrollkernbohrungen mit zu klären. Über den Regellastfall hinaus sind Staumauern auf
Wasserabpressversuchen. Die Schirminjektionen werden von Sicherheit bei außergewöhnlich ungünstigen Temperaturfällen
Stollen und Kontrollgängen ausgeführt und können so jeder- und auf Sicherheit bei Erdbebeneinwirkungen zu berechnen
zeit nachvollzogen werden (Wannik 1987, Kreuzer 1997). Der- (Schmidt 1981).
artige Stollen schließen bei Sperrmauern nach oben direkt an
die Betonsperre oder das Widerlager an, bei Dämmen besteht zz Gewichtsstaumauern
Dichtungsanschluss an den Kern. Verpresst wird in Stufen mit Gewichtsstaumauern leiten alle resultierenden Kräfte in die
Stufenlängen zwischen 5 und 10 m. Um einen Austritt des Gründungssohle ein. Die Belastung des Untergrundes wächst
Verpressgutes aus der Tiefe an die Oberfläche zu vermeiden, mit der Höhe des Bauwerkes und erreicht in der tiefsten Tal-
wird zunächst die obere Stufe verpresst. Bei stark klüftigem sohle den höchsten Wert. Gewichtsstaumauern sind in Bezug
Gestein wird immer von oben nach unten gearbeitet, wobei auf den Baugrund auf Sicherheit gegen Grundbruch, Gleiten,
stufenweise gebohrt und verpresst wird. Preislich günstiger fällt Kippen und schädliches Setzen zu untersuchen. Besonders
ein Verpressvorgang von unten nach oben aus, bei welchem die muss auf Gleitsicherheit auch innerhalb des belasteten Fels-
Bohrarbeit in voller Länge durchgezogen wird. Mittels Einfach- gefüges geachtet werden. Durch geringe Neigung der Sohle
packer wird das Verpressen fortlaufend von unten nach oben bis etwa 1:10 gegen die Luftseite können die Auflagerungsver-
durchgeführt. Die geologische Voraussetzung für dieses Ver- hältnisse verbessert werden. Die Berührungsflächen zwischen
fahren ist, dass das Injektionsgut nicht den Packer umfließen Mauerwerk und Fels sind so zu gestalten, dass hoher Gleitwi-
kann und Spalten und Klüfte im oberen Teil des Bohrloches derstand entsteht.
zusetzt (Ewert 1979, Kutzner 1987). Offene Klüfte und große Jedoch dürfen keine Kerbwirkung verursachenden Absätze
Hohlräume bewirken ein Abwandern des Injektionsmittels. und Einschnitte hergestellt werden. Für Gewichtsstaumauern ist
Das Begrenzen der Reichweite erfolgt durch den Einsatz von als Querschnittsform ein Dreieck mit steiler Wasserseite und auf-
wenig fließfähigen Pasten und Mörtel. Auch können Chemi- gesetzter Krone am besten geeignet. Zum Vermeiden von Rissen
kaliengemische verpresst werden, die als Reaktionsergebnis in der fertigen Staumauer infolge Schwindens und temperatur-
einen Schaumstoff bilden. Da diese Schaumstoffe nicht erosi- bedingter Volumenänderungen erhalten Gewichtsstaumauern
onsstabil sind, dienen sie nur zum vorläufigen Verstopfen der Bewegungsfugen. Die Staumauer wird dazu in einzelne Blöcke
Hohlräume, um anschließend eine herkömmliche Injektion aufgeteilt. Die Fugen werden von der Wasserseite aus mit einer
durchzuführen (Kutzner 1982). nachgiebigen Dichtmasse verpresst.
zz Dränagen zz Bogenstaumauern
Dränagen werden an der Luftseite der Sperre angebracht. Bei Bogenstaumauern übertragen den Wasserdruck über die Bogen-
Staudämmen verwendet man Dränageteppiche, in denen sich wirkung auf die seitlichen Hänge und durch die Gewichtskraft
das Wasser aus dem Fels entspannen kann. Einzelne Entspan- auf den Untergrund. Kuppelstaumauern sind zusätzlich in der
nungsbrunnen bis hin zu dicht bei dicht abgebohrten Dränage- Vertikalen gekrümmt und haben einen Überhang zur Luftseite.
schirmen sichern einen ungehinderten Abfluss aus dem Fels im Bogenstaumauern können nur dann errichtet werden, wenn der
luftseitigen Untergrund der Sperre. Fels die zu übertragenden Kräfte übernehmen kann und das Tal
eine hierfür geeignete Form aufweist. Die günstigste Form einer
Bogenstaumauer muss aus vergleichenden Entwürfen erarbeitet
14.5.6 Staumauern werden. Als Baumaterial wird Beton oder Stahlbeton verwendet.
Bogenstaumauern werden durch radial angeordnete Blockfugen
Für Staumauern wird allgemein felsiger Untergrund vorausge- im Abstand von 12–18 m unterteilt. Die Blockfugen werden
setzt. Gründungsbereich und Talflanken sollen aus gesundem mehrmals verpresst.
588 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
14.5.7 Staudämme
1
Staudämme haben als Erdbauwerke die statische Funktion des Ab-
2 stützens und die hydraulische Funktion des Abdichtens zu überneh-
men. Nur bei geringen Stauhöhen (bis maximal 30 m) ist eine Kon-
struktion aus einem einheitlichen Schüttstoff möglich. Derartige
3 homogene Dämme verlangen einen feinkörnigen Baustoff mit an-
nähernd gleichen und geringen Durchlässigkeiten (k = 10−7 m s−1).
4 Dieser Dammtyp verlangt flache Böschungen und ist nur dann
wirtschaftlich, wenn geeigneter Baustoff in ausreichender Menge
5 im Bereich der Sperre vorkommt. Bei größeren Stauhöhen wird ein
unterteilter Aufbau des Staudammes gewählt. Es wird unterschieden
zwischen Stützkörper, Dichtungskörper und Dränagen.
6
zz Dichtungskörper
7 Dichtungskörper werden entweder als Oberflächendichtung
auf der wasserseitigen Dammoberfläche oder als Innendich-
tung im Dichtungskern angebracht (. Abb. 14.38). Der Dich-
8 tungskern erhält Anschluss an den Dichtungsschirm. Als Dich-
tungselemente kommen Erdstoffdichtungen, Betondichtungen,
9 Asphaltdichtungen, Kunststoffdichtungen und Spundwände
in Betracht. Feinkörnige Lockergesteine werden so eingebaut,
10 dass der Kern im verdichteten Zustand (95 % Proctor) gering
durchlässig ist (k = 10−7 m s−1). Sie sollen plastisch verformbar
sein, um den Setzungen und Bewegungen im Damm, besonders
11 während des Schüttens, folgen zu können. Ist das Dichtmaterial
nicht erosionsbeständig, so ist es beidseitig durch korngestufte
12 Filterschichten zu schützen. Feinkörnige Erdbaustoffe sowie die
für den Dichtungskörper aufbereiteten Mischungen aus Sand,
Kies und Ton oder Bentonit werden mit dem optimalen Was-
13 sergehalt WPr eingebaut. Entmischungen dürfen nicht auftreten.
Der Einbau erfolgt lagenweise. Die Dicke der Lagen richtet sich
14 nach Art und Wirkungsweise der verwendeten Verdichtungs-
geräte (Schaffußwalzen, Gürtelradwalzen, Stampfer) und ist im
15 Baustellenversuch festzulegen. Um eine dichte Verbindung und
Verzahnung der einzelnen Einbauschichten zu erreichen, ist die
jeweils verdichtete Schüttung vor Einbau der nächsten Schüttlage
16 .. Abb. 14.39 Beispiele für die Anlage von Dränagen im Dammbau. (Nach
aufzurauen. Ausgetrocknete oder aufgeweichte Teile des Planums
Davidenkoff 1964, 1970 und Breth 1980)
sind zu entfernen. Bei ungünstiger Witterung sind die Arbeiten
17 einzustellen. Der sich in den tieferen Teilen des Dichtungskör-
zz Pfeilerstaumauern pers aufbauende Porenwasserdruck ist ständig zu kontrollieren.
Pfeilerstaumauern bestehen aus einer Reihe gleichartiger Pfeiler, Lösungen für die Arbeiten mit Asphalt- und Kunststoff-
18 gegen die sich eine aus Platten oder anderen Bauteilen gebildete dichtungen sind in den „Empfehlungen für die Ausführung von
Stauwand drückt (Pfeilerplattenstaumauer). Daneben bestehen Asphaltarbeiten im Wasserbau“ (EAAW) und in den „Empfeh-
19 abgewandelte Konstruktionen und Übergänge zur Schwerge- lungen für die Anwendung und Prüfung von Kunststoffen im
wichtsmauer und Gewölbemauer (Pfeilerkopfmauern, Pfeilerge- Wasserbau“ (AK 14, Deutsche Gesellschaft für Erd- und Grund-
20 wölbemauern). Pfeilermauern bedürfen einer sorgfältigen Grün- bau) enthalten. Im wesentlichen ist bei der Oberflächendichtung
dung und Sicherheit gegen Gleiten, Grundbruch und Kippen. an eine Ausführung mit Asphaltbeton gedacht. Diese kann ein-
Setzungen werden durch Vorbelasten der einzelnen Pfeiler vor- oder mehrlagig sein. Die Dränschicht liegt entweder unterhalb
21 weggenommen, bevor das Bauwerk zu einer starren Scheibe zu- der Dichtung oder als bituminöse Dränschicht zwischen zwei
sammengeschlossen wird. Für das Verhalten der Mauer kommen dichten Lagen. Der neuralgische Punkt bei Verformungen ei-
22 dann nur die Bodendrücke in Betracht, die nach dem Zusam- nes Dammes ist der Anschluss der Oberflächendichtung an den
menschluss der einzelnen Pfeilerteile entstehen. Dem Felsunter- Untergrund, welcher über einen Beobachtungsgang kontrolliert
grund entsprechend, handelt es sich bei den Bauwerkssetzungen werden kann (. Abb. 14.38a, b). Bei Kerndichtungen wird unter-
23 vorwiegend um elastisches Verformen im Untergrund. Die vor- schieden zwischen Kerndichtungen aus feinkörnigen Erdstoffen
weg durchgeführten Injektionen sollten plastisches Verformen mit breitem Kern und künstlichen Kerndichtungen aus Asphalt-
weitgehend ausschließen. beton mit schmalem Kern (. Abb. 14.38c, d).
14.5 • Stauanlagen, Wehre und Talsperren
589 14
zz Stützkörper
Die Stützkörper der Dämme werden aus gemischtkörnigen San-
den und Kiesen oder aus gebrochenem Felsmaterial hergestellt.
Das Schüttmaterial kann, soweit geeignet, im Stauraum entnom-
men werden. Geeignete Entnahmestellen für die Dammbaustoffe
sowie deren Beschaffenheit sind im Rahmen der geologischen
Vorerkundung zu benennen. Bei Felsgestein wird die angestrebte
Stückigkeit des Schüttmaterials durch das Gewinnungsverfahren
(Sprengen, Art und Menge des Sprengstoffes, Ansatz der Spren-
gungen, Reißen) beeinflusst und ist unter Umständen durch Ver-
suche zu ermitteln. Das Schüttmaterial wird entsprechend den
Vorschriften der ZTVE-StB lagenweise eingebaut und verdichtet. .. Abb. 14.40 Dammquerschnitt des Staudammes Mathaus mit Mess- und
Die Dicke der einzelnen Schüttlagen ist in Abhängigkeit von der Kontrollsystem (umgezeichnet nach List 1982). 1 Dichtungskern; 2 Über-
gangszone; 3 Stützkörper; 4 Fels; 5 Untergrundabdichtung; 6 Porenwasser-
Wirkungstiefe der eingesetzten Geräte durch Baustellenversuche
druckgeber; 7 Erdspannungsgeber; 8 vertikale und horizontale Setzpegel;
zu ermitteln. Beim lagenweisen Einbau ist besonders auf mög- 9 Sickerwassermessstellen; 10 Messpunkte für geodätische Kontrollmessun-
lichst saubere (lehmfreie) und raue Ausbildung der abgewalzten gen
und verdichteten Flächen zu achten. Ein guter Reibungsschluss
muss gewährleistet sein. Zum Erhöhen der Standfestigkeit und
zum Verhindern von Erosion und Suffosion können Geotextilien werden die Verformungen, die Erdspannungen, die Poren-
im Staudamm eingebaut werden. wasserdrücke, die piezometrische Spiegelhöhe des Wassers im
Standrohr und der Abfluss an Sickerwasser (▶ Abschn. 1.10.5
zz Dränagen und Filterschichten und 1.10.6; DVWK-Merkblatt 222 und 223; . Abb. 14.40,
Unter der Wirkung der Differenz zwischen Oberwasser und . Tab. 14.6). Die Verformung des Dammes wird während der
Unterwasser entsteht eine Sickerströmung. Der hydraulische Bauzeit durch geodätische Kontrollmessungen und Nivelle-
Durchsatz wird durch die Dammdichtung erniedrigt, jedoch ments überprüft.
nicht verhindert. In undränierten Dämmen ist der Verlauf der Si- Beim lagenweisen Einbau von grobstückigem Haufwerk wird
ckerlinie von der Geometrie des Bauwerkes und von der Durch- der Nachweis für die geforderte Verdichtung über das Setzmaß
lässigkeit des Untergrundes und des Dammbaustoffes abhängig der jeweiligen Schicht kontrolliert. Aus der Summe der Einzel-
(. Abb. 14.27). In Erddämmen und in durchlässigem Unter- messungen ergibt sich eine Aussage zur Verformung im Unter-
grund stellt sich eine Sickerströmung ein, deren Strömungsnetz grund und im Dammkörper.
vom Verhältnis der Dammdurchlässigkeit kD zur Durchlässigkeit Die geodätische Kontrollmessung am fertigen Bauwerk
des Untergrundes kU abhängig ist. erfolgt an festinstallierten Messpunkten. Veränderungen in
Durch den Sickerwasserstrom wird die Standfestigkeit des der Ausrichtung von Messpunkten können mit einfachsten
Dammes beeinträchtigt. Um strömungsbedingte Erosion und Mitteln (Fluchten bzw. Alignement) kontrolliert werden. Län-
das Ausbilden von Gleitkörpern und Böschungsausbrüchen genveränderungen werden über Laser gemessen. Im Inneren
in der luftseitigen Dammböschung zu vermeiden, wird der des Bauwerkes werden die Verformungen mittels Sonden über
gegliederte Damm durch Dränagen entwässert. Die Dränagen eingebaute Führungsrohre gemessen und kontrolliert. Dabei
werden direkt an den Dichtungskörper herangelegt, sodass die muss die Einbauungenauigkeit dieser Führungsrohre genau
Sickerwässer direkt hinter der Dichtung abgefangen und abge- ermittelt und eine Längskorrektur bestimmt werden. Die beim
leitet werden. Bei Ton- und Lehmdichtungen wird zwischen Einbau eingetretenen räumlichen Verschiebungen können die
Dichtungsmaterial und Dränage eine Filterschicht eingebaut Größenordnung der Setzung übertreffen (Extensometer eignen
(. Abb. 14.39). Bei Unterströmung besteht die Gefahr, dass sich nicht). Für sehr kleine Verschiebungen zur Kontrolle von
das Schüttmaterial von der Sohle aus ausgewaschen wird. Als elastischen Verformungen, Rissen und Kriecherscheinungen
Erosionssicherung können horizontale Filter, geotextile Filter im Beton, Mauerwerk und Felswiderlager eignen sich Gleit-
oder erosionsfeste Versiegelungen der Felsoberfläche eingebaut mikrometer, welche eine Messgenauigkeit von 0,003 mm m−1
werden. ermöglichen.
Die Spannungsverteilung im Untergrund einer Staumauer
oder im Inneren eines Staudammes wird über eingebaute Mess-
14.5.8 Kontrollmessungen wertgeber kontrolliert. Dabei werden Erddruckdosen, Totalspan-
an Absperrbauwerken, Dämmen nungsgeber, Porenwasserdruckgeber, Setzungspegel und Spreiz-
und Deichen pegel eingesetzt. Die von den Spannungsgebern angezeigten
Messwerte bedürfen einer Korrektur, da sie nicht die Spannungen
Zum Vermeiden von Dammschäden und Katastrophen wer- repräsentieren, die sich ohne Einbau eines Spannungsgebers an
den in den Absperrbauwerken Messvorrichtungen eingebaut. den Messpunkten eingestellt hätten (List und Sadgorski 1983;
Durch regelmäßiges Kontrollmessen können die Veränderun- Hilmer et al. 1983). Die Aussagefähigkeit der Kontrollmessungen
gen im Absperrbauwerk festgestellt und die Messdaten einer lässt sich verbessern, wenn man zusätzlich eine Be- und Ent-
Auswertung und Interpretation unterzogen werden. Gemessen lastungseinrichtung zum Messwertgeber führt. Durch derartige
590 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
12 Druckmesszellen Porenwasserdruck
--
Temperatur Luft Einflussgröße auf Temperaturen in Bauwerk
Parameter zu berücksichtigen sind:
und Wasser
15 U = benetzter Umfang
-- A = durchflossene Fläche
Temperatur Bauwerk Verformung des Bauwerks unter dem
Einfluss der Temperatur
Rhy = hydraulischer Radius (A/U)
--
16 Temperatur Wasser Wasserschichtung, Wasserdurchmischung, i = Gefälle, hydraulischer Gradient
Wasserqualität kS = Rauhigkeitsbeiwert nach Strickler
17
18
Wasserchemie Wasserqualität
Q = Av:
--
zulässige Strömungsgeschwindigkeit:
0,25 m s−1 für Feinsand mit Korndurchmesser 0,1 mm;
9
-
bieten sich an (. Abb. 14.45):
das Verwenden von undurchlässigen Erdstoffen (Ton,
Lehm, Schluff, Mischungen von Bentonit mit Sand und
10
- Kies) beim Dammbau;
das Verwenden von Oberflächendichtungen aus feinkörni-
11
12
.. Abb. 14.43 Hydraulisch günstige Kanalprofile mit eingeschriebenem
Halbkreis. a Halbkreisprofil, b Rechteckprofil mit eingeschriebenem Halbkreis,
c Trapezprofil mit eingeschriebenem Halbkreis
- gen Erdstoffen, Asphalt, Beton, Blech oder Kunststofffolien;
das Verwenden von Dichtungsschirmen; dieses Verfahren
eignet sich, wenn im Untergrund durchgehende Tonlagen
anstehen, in die der Dichtungsschirm einbindet; Dich-
tungsschirme werden als Spundwände, Schlitzwände oder
Schmalwände aus Beton, Bentonit oder feinkörnigem
-
13 14.6.2 Erosionsschutz und Dichtungskonzepte Boden oder mit Injektionen hergestellt;
das Verwenden von Dichtungsschirmen bei höher liegen-
14 Zum Erosionsschutz zählt bei offenen Kanälen die Sicherheit der dem Grundwasserspiegel zum Vermeiden einer Grund-
Uferböschungen gegen Wellenschlag und die Sicherheit der Ufer, wasserabsenkung, z. B. beim Anschneiden alter Fluss-
15 des Untergrundes und des Unterbaues gegen Ausschwemmen, was schlingen.
besonders die sandkörnigen Bodenpartikel betrifft. Der Erosions-
schutz wird im Sickerwasserbereich dadurch gewährleistet, dass
16 die Strömungsgeschwindigkeit unter einem bestimmten Grenzwert 14.6.3 Erdarbeiten beim Kanal- und Leitungsbau
gehalten wird. Der Einbau von dichten Verkleidungen und Dich-
17 tungsschirmen sowie das Verwenden von undurchlässigen Erd- Die Erdarbeiten für Freiwasserkanäle und erdverlegte Rohr-
baustoffen beim Dammbau helfen Wasserverluste zu vermeiden. leitungen unterscheiden sich in der Dimension des Bauwerkes
Beim Planen von Kanälen mit dichten Verkleidungen oder „Graben“. Beides sind Linienbauwerke. Die Erdarbeiten um-
18 aus dichtem Material darf eine höchstzulässige Fließgeschwin- fassen in beiden Fällen die Arbeitsvorgänge „Gesteinslösen“,
digkeit nicht überschritten werden. Im Wasserstrom mitge- „Aushub“ und „Verladen“ sowie bei Bedarf den Einbau von
19 führte Geschiebe und Schwebstoffe können Erosion an der Dichtungsschichten. Beim grabenverlegten Rohrleitungsbau
Kanalwand hervorrufen. Eine zulässige Grenzfließgeschwin- kommen weiterhin die Arbeitsvorgänge „Sichern der Bau-
20 digkeit υGr darf nicht überschritten werden. Die Grenzge- grube“, „Einbau von Bettungslagen“ und „Verfüllen“ hinzu
schwindigkeiten liegen nach Patt Gonsowski (2011) für mit (Uffmann 1986a, b; ▶ Abschn. 7.6.4). Beim heute praktizierten
Beton ausgekleidete Kanäle bei Schwebkorn führendem Wasser Pipelinebau kommen außerhalb von Städten und Siedlungen
21 in der Größenordnung 4 bis 10 ms−1, bei schwebfreiem Wasser weitgehend Spezialmaschinen zum Einsatz. Das Einebnen der
wegen möglicher Kavitation (Lochfraß) bei 20 bis 30 m s−1. Trasse für das notwendige Befahren, der Aushub des Grabens,
22 In strömungsarmen Kanalabschnitten kann sich mitgeführtes das Auslegen, das Verschweißen und der Einbau der Rohrlei-
Geschiebe und Schwebkorn absetzen. Grenzgeschwindigkeiten tung sowie das anschließende Verfüllen des Leitungsgrabens
υGr sind vom Kanaldurchmesser und von Korn- oder Stückgröße erfolgt in konsequent durchdachten Arbeitsabläufen mit ge-
23 abhängig. Bei einem Kanaldurchmesser 1 m liegen die Grenz- trennten Arbeitskolonnen für Tiefbau und Rohrbau. Der Bau
geschwindigkeiten für Sand (dm = 0,1 bis 1 mm) bei 0,27 bis von Rohrleitungen ist ein Fließbandverfahren mit hohen Ta-
0,57 m s−1, für Kies und Steine (dm = 10 bis 100 mm) bei 1,23 gesleistungen.
14.6 • Kanäle und Leitungen
593 14
.. Abb. 14.44 Gradient der Sickerströmung aus einem Kanal. a Die Kanalsoh-
le liegt über dem Grundwasserspiegel. Zwischen Kanalsohle und Grundwas-
serspiegel liegt eine vom Sickerwasser zu durchströmende vertikale Wegstre-
cke l. Die Sohldichtung ist Teil dieser Wegstrecke. b Die Kanalsohle liegt im .. Abb. 14.45 Dichtungskonzepte zum Vermeiden von Sickerverlusten.
Niveau des Grundwasserspiegels. c Der Grundwasserspiegel liegt zwischen a Dammschüttmaterial aus feinkörnigen Erdstoffen, b Oberflächenabdich-
Kanalsohle und freiem Wasserspiegel im Kanal. Bei hohen bis unendlich tung, c Dichtungsschirme, d Dichtungsschirm zum Verringern der Sickerwas-
hohen Werten für den Gradienten i im Bereich der Kanalsohle wird der serströmung und zum Vermeiden einer Grundwasserabsenkung bei höher
Sickerwasserverlust durch die Grundwasserleitfähigkeit der das Sickerwasser liegendem Grundwasserspiegel
aufnehmenden Boden- oder Gesteinsschichten gesteuert
Umfang und Technik der Tiefbauarbeiten werden von Grabensohle und Rohrleitung ein Ausgleichsbett aus Sand ein-
den geologischen, hydrogeologischen und geomorphologi- zubringen. Bei nicht tragfähigem Untergrund sind besondere
schen Gegebenheiten beeinflusst oder bestimmt. Soweit das Maßnahmen erforderlich.
Verlegen einer Rohrleitung im wassererfüllten Graben zuläs- Das Einbetten der Rohrleitung bis 30 cm über den Schei-
sig ist, kann der Aushub unter Wasser erfolgen, was stets eine tel ist für die Last- und Spannungsverteilung am Rohrumfang
besondere Beachtung der Böschungsstabilität voraussetzt. Bei von Bedeutung. Unter Verkehrsflächen ist das Verfüllmaterial
größerer Wassertiefe (Durchqueren von Flüssen, Seen und lagenweise einzubauen und zu verdichten. Das verlegte Rohr
Meeresteilen) werden auf Pontons schwimmende Bagger oder soll mit seinen Rohrleitungsteilen (z. B. Anschlüsse) gleich-
Schiffe mit Aushubeinrichtung eingesetzt. Besondere Schwie- mäßig und setzungsfrei gelagert und eingebettet sein. Das für
rigkeiten bereiten Wattengebiete. Mit Rücksicht auf die hohen das Verfüllen eines Rohrgrabens und das Einbetten des Rohres
Fließgeschwindigkeiten in den Prielen sind hier große Bo- vorgesehene Bodenmaterial ist hierfür muss hierfür geeignet
denüberdeckungen (2–3 m) erforderlich. Bei ständiger Was- sein. Günstig ist Sand aus Sandentnahmen/Sandgruben, für
serüberdeckung kommen hier Saugcutterschiffe zum Einsatz, dessen Eigenschaften und Eignung der Betreiber oder Händler
die zunächst eine 30–40 m breite Fahrrinne und hierin später garantiert. Für Material mit anderer Herkunft ist hinsichtlich
die eigentliche Verlegerinne ausheben. Der Materialtransport seiner Eignung ein Nachweis zu erbringen und/oder es ist zu
erfolgt über Spülleitungen. Auch im offenen Meer verlegte untersuchen und zu beurteilen, ob es für den vorgesehenen
Rohrleitungen müssen in den Meeresboden eingegraben wer- Zweck geeignet ist. Dies gilt, wenn für das Verfüllen des Gra-
den, um Beschädigungen durch Anker oder Fischereigeräte bens und das Einbetten der Rohrleitung das Aushubmaterial
zu verhindern. Durch Spezialgeräte wie Fräsen, Saugpumpen aus dem Graben verwendet werden soll, wenn Material von
und Pflüge werden Rinnen bei Arbeitsleistungen bis zu 1000 m anderen Baustellen verwendet werden soll und wenn industri-
pro Stunde in den Meeresboden eingearbeitet. Die verlegten elle Nebenprodukte, z. B. Schlacken, verwendet werden sollen.
Rohrleitungen müssen gegen Aufschwimmen gesichert werden Zu untersuchen und zu beurteilen sind Bodenart, Materialart,
(. Abb. 14.46). Kornverteilung (Stückigkeit), Wassergehalt, Veränderlich-
Die Sicherheit der Rohrleitung hängt wesentlich von der Ge- keit bei Wasserzutritt (Aufweichen, Quellen, Schwellen) und
staltung und Ausführung des Auflagers und der Einbettung ab. Verdichtungseigenschaften zu prüfen. Beim Verwenden von
Setzungen größeren Ausmaßes sind zu vermeiden. Das Auflager industriellen Nebenprodukten (Absch. 12.2) sind deren mög-
soll eine gleichmäßige Druckverteilung sicherstellen. Auflocke- lichen Eigenschaften zu Löslichkeit, Veränderlichkeit, Zerfall,
rungen und stärkere Durchfeuchtung sind in der Grabensohle Umkristallisationen mit Volumenänderung (z. B. Schwellen
zu vermeiden. Bei grobstückigen Böden und Kies ist zwischen beim Auskristallisieren von Gips) zu prüfen.
594 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
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14.6.4 Baugrunduntersuchung für erdverlegte
Rohrleitungen - Beurteilen der Grundwasserverhältnisse mit Flurabstand
und Schwankung der Grundwasserstände in Bezug auf
Standsicherheit der Grabenwand und Gefahr des Auf-
Die Baugrunduntersuchung für Rohrleitungen als Linienbau- schwimmens für die Rohrleitung; Ausmaß der Korrosions-
werke verlangt eine vielseitige Beurteilung der Untergrundver- bereiche; Beurteilen der Grundwasserchemie in Bezug auf
-
13 hältnisse in Anpassung an die gewünschte Nutzung. Grundlegend Korrosion der erdverlegten Rohrleitung;
wie bei allen Baugrunduntersuchungen ist der Untergrund durch Beurteilen des Grundwasserzuflusses nach Menge des an-
14 Bohren, Schürfen und Sondieren sowie begleitende geophysika- fallenden Wassers und möglicher Wasserhaltung; Beurtei-
lische Untersuchungen zu erkunden. Die Schicht- und Gesteins- len des Oberflächenwassers bei geplantem Düker; Schwan-
15
16
lagerung sowie die Grundwasserverhältnisse sind in Plänen
aufzuzeichnen. Für die auftretenden Bodenarten sind die boden-
mechanischen Kenngrößen zu bestimmen, soweit diese Boden-
arten erdstatische Funktionen für die Rohrleitung übernehmen.
- kungen der Abflussmengen und Wasserstände;
Beurteilen der Wiederverwendbarkeit der Aushubmassen
in Hinsicht auf ihre Eignung als Material für die Rohrein-
bettung und als Verfüllmaterial für die Grabenfüllung
17
Beim Verlegen von Rohrleitungen fallen zwangsläufig die
durch den Rohrstrang verdrängten Erdmassen an. Daneben
- oberhalb der Rohrleitung;
Beurteilen der Ausbildung der Grabensohle als Auflageflä-
können unbrauchbare Massen beim Grabenaushub anfallen, die
durch Bodenaustausch zu ersetzen sind.
- che für die Rohrleitung;
Beurteilen der statischen Beanspruchung der Rohrleitung
- -
18 Die Beurteilung des Untergrundes umfasst: durch Erddruck; Angabe der wirksamen Bodenkenngrößen;
Beurteilen des Untergrundes bezüglich seiner Standfestig- Beurteilen der dynamischen Beanspruchung der Rohrlei-
-
19 keit und Verformbarkeit (Zerstörung oder Verformung der tung durch Verkehr, Maschineneinsatz oder Sprengen;
Leitung durch Rutschungen, Setzungen, Bergsenkungen, Angabe der Frosteindringtiefe und Beurteilen der Gefahr
20 Tagbrüche, Erdfälle oder Subrosion müssen vermieden des Gefrierens des Wassers in der Rohrleitung und im Bo-
werden. Bei zusammendrückbaren Böden ist der Setzbetrag den. (Können durch Bodenfrost gefahrbringende Drücke
21
- rechnerisch abzuschätzen.);
Einstufen der anstehenden Gesteine und Böden in Klas-
sen nach DIN 18300 bzw. DIN 18311 entsprechend ihrem -- und Verformungen ausgelöst werden?);
Beurteilen der Befahrbarkeit des Geländes;
Angabe zu den anfallenden Überschussmassen, deren geo-
22
23
- Zustand beim Lösen;
Beurteilen der Standfestigkeit der Grabenwände (Für die
Ausschreibung und die Bauausführung muss feststehen, ob
die Grabenwand standfest ist, in welchem Winkel abgeböscht
technischen Eigenschaften, Verwendbarkeit und Verbleib.
ausreichend mächtigem und steinfreiem Lockerboden können .. Tab. 14.7 Pflanzenkonstante kPf zum Berechnen des täglichen
Leitungen auch mit einem „Raketenpflug“ (▶ Abschn. 13.12.4, Wasserverbrauchs für die wichtigsten Kulturpflanzen. (Muth 1974)
. Abb. 14.51 g); Oldenburger Rohrleitungsforum 2013) eingezo-
Pflanzenart kPf
gen werden.
Aprikose 0,95
Die wasserbaulichen Anlagen für die kulturtechnischen Zwecke Apfel, Birne, Bohne, Erbse, Karotte, Hafer 1,1
der Landwirtschaft umfassen die Maßnahmen des Entwässerns Kartoffel, Zwiebel 1,15
und Bewässerns sowie die Pflege der oberirdischen Gewässer
Mais 1,2
zum Erhalt der Vorflutfunktion und des Hochwasserschutzes.
Der Bau von Wehren, Sperrwerken, Speicherbecken, Brunnen, Tomate, Zuckerrübe, Klee 1,25
Sielen, Pump- und Schöpfwerken, Kanälen und Rohrleitungen Melone 1,3
sowie Maßnahmen zum Wildbachverbau sind Aufgaben, die
Artischocke, Kohl, Grünland 1,35
im landwirtschaftlichen wie im allgemeinen Wasserbau bewäl-
tigt werden müssen. Neben den Maßnahmen, die den land- Salat, Tabak, Luzerne 1,4
wirtschaftlichen Ertrag und die Ertragssicherheit nachhaltig
erhöhen, sind dies auch Maßnahmen der Landespflege und des über die Transpiration von Wasser. Der Transpirationskoeffizient
Umweltschutzes auf Flächen, die nicht der Produktion dienen. liegt im gemäßigten Klima bei 500, im ariden Klima bei 1000 l
Der Bewuchs eines Bodens ist von den Faktoren Klima, Licht, pro kg Trockensubstanz (Walter 1950, 1962, 1963). In der Land-
Relief, Bodenart, Bodentyp, Wasser und Durchlüftung sowie von wirtschaft rechnet man mit einem maximalen täglichen Was-
tierischen und menschlichen Einflüssen abhängig. Von diesen serverbrauch von 3–5 l m−2. Dieser tägliche Wasserverbrauch w
Standortfaktoren werden in der modernen Landwirtschaft die variiert in Abhängigkeit von Durchschnittstemperatur und geo-
bodenkundlichen Faktoren Durchlüftung, Nährstoffe und Spu- graphischer Breite mit dem klimatologischen Grundwert g (zwi-
renelemente, der Einfluss von Tieren und Schädlingen und der schen 1,5 und 4,5 mm d−1) und in Abhängigkeit von der jeweili-
Faktor Wasser und Wasserhaushalt vom Menschen gesteuert. gen Bepflanzung mit der Pflanzenkonstanten kPf (zwischen 0,95
Die pflanzliche Produktivität hängt direkt vom verfügbaren und 1,4; . Tab. 14.7; . Abb. 14.47):
Wasser ab. Wachstum und Aufbau pflanzlicher Substanz erfolgen
596 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
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- hoher Grundwasserstand; dieser erfordert Absenken des
Grundwasserspiegels oder Heben des Bodens durch Auf-
13
- schütten;
ungenügendes Versickern der Niederschläge, Staunässe;
diese erfordern tiefgründiges Auflockern und Dränage des
-
.. Abb. 14.49 Durch Dräns oder Beetgräben abgesenkter Grundwasserspie-
14 gel. (Umgezeichnet nach Vischer, Huber 1982) Bodens;
großes Rückhaltevermögen schwerer, tonreicher Böden;
15 w = kPf g Œmm d−1 : dieses verlangt tiefgründiges Auflockern des Bodens und
Stabilisieren des Lockergefüges durch tiefreichendes Melio-
Die richtigen Wasser- und Luftverhältnisse im Boden sind für das rationsdüngen (Kalken).
16 Wachstum der Pflanzen die wichtigsten Voraussetzungen. Die
17
--
Bodenfeuchte im Wurzelbereich wird eingestuft in:
trocken: Wasserversorgung ist mangelhaft; 14.7.1 Maßnahmen zum Entwässern
-
18 feucht: Luftversorgung ist ungünstig; Ausbildung der Vorflut ab. Die Vorflut muss letztlich alles Entwäs-
nass: Luftversorgung ist mangelhaft. serungswasser aufnehmen. Durch Korrektion des Vorfluters und
19 Anlage eines Vorflutgrabens können die wichtigsten Vorausset-
Zum Herstellen optimaler Feuchtigkeitsverhältnisse im Boden zungen zum Entwässern gelegt werden (. Abb. 14.48). Das Ent-
20 ist dieser zu entwässern oder zu bewässern. wässern kann durch offene Gräben oder durch Dränagen erfolgen
(. Abb. 14.49). Am Rand eines Entwässerungsgebietes werden
zz Kulturtechnisches Entwässern Rand- oder Fanggräben bzw. Rand- oder Fangdräns angelegt, um
21 Das Ziel der kulturtechnischen (landwirtschaftlichen) Entwässe- Fremdwasser aus benachbarten Gebieten abzufangen. Das Ent-
rung besteht darin, die Kulturpflanzen vor schädlicher Boden- wässerungsziel richtet sich nach der Art der gewünschten Nutzung
22 nässe zu schützen. Es ist eine Aufgabe der Geotechnik, die Ursa-
chen der Bodennässe zu erkennen und geeignete Maßnahmen
-
und sollte folgende Flurabstände für das Grundwasser anstreben:
Wiese: auf leicht durchlässigen Böden: 50–70 cm,
23
-
vorzuschlagen. Mögliche Ursachen sind:
häufige und lang andauernde Überschwemmungen des
- auf schwer durchlässigen Böden: 60–80 cm.
Weide: auf leicht durchlässigen Böden: 70–90 cm,
Vorfluters; diese erfordern Hochwasserschutzmaßnahmen;
.. Abb. 14.50 Ermitteln des Dränabstandes bei tagwasservernässten Böden. (Muth 1974)
zz Grabenentwässerung zz Dränagen
Die Vorteile einer Grabenentwässerung sind schnelles Abführen Dränagesysteme bestehen aus unterirdischen, künstlichen Ab-
des Oberflächenwassers bei Starkregen und Schneeschmelze, zügen. Die Anordnung der Primär-, Sekundär- und Tertiärlei-
große Wasseraufnahme und Ableitungsfähigkeit, geringes er- tungen (Hauptsammler, Sammler oder Nebensammler, Dräns
forderliches Mindestgefälle, einfaches nachträgliches Vertiefen, oder Sauger) ist die gleiche wie bei der Grabenentwässerung.
leichtes Erkennen und Beseitigen von Abflussstörungen, einfa- Dränagen haben den Vorteil, dass die Kulturfläche voll genutzt
cher Einbau von Staueinrichtungen, Realisierbarkeit auch bei werden kann. Nachteilig sind die höheren Kosten für Ein-
schlechten Bodenverhältnissen und starkem Bewuchs (Wald) bau und Unterhaltung. Dränagen können aus Rohrleitungen,
sowie geringe Herstellungskosten. Plastikleitungen, Kies und Steinen, Faschinen, Stangen und
Die Nachteile einer Grabenentwässerung sind Nutzflächen- Holzkisten erstellt werden. Die Länge der Dräns richtet sich
verluste von bis zu 15 %, Behinderung der Zugänglichkeit und nach dem erforderlichen Minimalgefälle von 0,3 % für Sauger
Bewirtschaftung, Notwendigkeit von Bauwerken wie Dükern, und 0,15 % für Sammler. Das Maximalgefälle beträgt 8 %. Die
Brücken, Durchlässen oder Durchfahrten, laufende Unterhal- maximalen Längen liegen für Sauger bei 250 m und für Samm-
tung der Gräben und Bauwerke sowie Abflussstörungen durch ler bei 1000 m.
Verkrauten oder Frost. Das Berechnen der erforderlichen Dränabstände erfolgt bei
Gefälle und Querschnittsgestalt der Gräben richten sich tagwasservernässten Böden grundsätzlich anders als bei grund-
nach der Bodenart und dem hydraulischen Querschnitt. Das wasservernässten Böden.
598 Kapitel 14 • Geologie und Wasserbau
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14
.. Abb. 14.51 Arten von Dränagen. a Faschinendrän, b Stangendrän, c Holzkastendrän, d Steindrän, e Kiesdrän, f Rohrdrän, g Maulwurfdrän. (Umgezeichnet
16 zz Tagwasservernässte Böden
r
3 600
zN = − 1:
Tagwasservernässte Böden sind schwer durchlässige Böden und N
17 Böden mit einem schwer durchlässigen Untergrund, d. h. mit
einem Stauhorizont in geringer Tiefenlage. Die zu berücksich- Der Dränabstand ergibt sich zu:
tigenden Abflussspenden richten sich nach der Niederschlags-
18 verteilung und der Niederschlagsintensität. Vischer und Huber
--
a = a0 .1 + †z/ Œm:
(1982) geben für Mitteleuropa nachstehende Abflussspenden an:
19 bis 600 mm Jahresniederschlag: 0,8 l s−1 ha−1; Neben Rohrdräns sowie deren Alternativen (. Abb. 14.51) bie-
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6
7 .. Abb. 14.54 Wasserbauliche Anlage zur Hangrieselung. Das Bewässern
erfolgt über einen Hangkanal, der durch Schützen und Wehre gezielt zum
Überlaufen gebracht wird. (Umgezeichnet nach Vischer und Huber 1982)
8
9 selt den Hang hinab und versickert. Die Hänge sollen gleichmäßig
.. Abb. 14.55 Anlage für eine Graben- oder Furchenbewässerung. (Umge-
und ausreichend stark geneigt sein (5 % und mehr). Das Über- zeichnet nach Vischer und Huber 1982)
10 schusswasser wird unterhalb der Bewässerungsfläche in einem
Entwässerungsgraben aufgefangen und abgeleitet (. Abb. 14.54).
zz Beregnen
11 zz Grabenstau und Furchenbewässern Das Beregnen ist von der Geländeform unabhängig. Hinsichtlich
Die zu bewässernde Fläche ist von Gräben im Abstand von des Wasserverbrauchs ist es eine sparsame Bewässerungsform.
12 20–50 m durchzogen. In diesen Gräben wird das Wasser so ein- Die Beregnungsanlage besteht aus Druckleitungen, Pumpenag-
gestaut, dass der Boden nicht überstaut wird. Das Wasser soll gregaten und Regnern, mit denen das Wasser planmäßig verteilt
seitlich in den Boden eindringen und den Boden befeuchten. auf die bedürftigen Flächen und Teilflächen aufgebracht werden
13 Das Verfahren setzt geschichtete Bodenverhältnisse voraus, mit kann.
guter horizontaler Durchlässigkeit im zu bewässernden Boden Es erfolgt über fest installierte oder über mobile Beregnungs-
14 und undurchlässigen oder wenig durchlässigen Bodenschichten anlagen. Hierzu gibt es entsprechend den unterschiedlich großen
im Untergrund. Über wenig durchlässigen Schichten stellt sich Beregnungsflächen und den unterschiedlichen Beregnungszwe-
15 Wasserstau ein. Durch Kapillarkräfte kann das Wasser weiter cken ein reichhaltiges Angebot an Gerätschaften.
ansteigen.
Bei sandigen Böden ist das Verfahren wenig sinnvoll, da das zz Tropfbewässern
16 Wasser vertikal bis zum Grundwasser sickert und mit diesem Das Wasser wird durch Rohre von einer zentralen Pumpstelle in
abfließt. Beim Furchenbewässern werden Furchen im Abstand die zu bewässernde Feldflur geleitet. Dort gehen von der Druck-
17 von etwa 1 m gezogen, in denen das Wasser eingestaut wird. Ge- wasserleitung dünnere Verteilrohre oder Verteilschläuche ab
nutzt wird der durch Kapillarkräfte verursachte Wassertransport und von diesen zweigen wiederum dünne Schläuche ab, durch
im Porenraum. Entsprechend kann bei feinkörnigen Böden der die das Wasser zur fest installierten Tropfstelle an der einzelnen
18 Grabenabstand etwas größer gewählt werden (. Abb. 14.55). Pflanze/Bewässerungsstelle geleitet wird. Das Rohrsystem ist an
den Verteilerstellen mit Druckreduziersystemen unterschied-
19 zz Unterflurbewässern licher Bauart ausgestattet. Das Wasser kann bei geringem und
Die zu bewässernde Fläche ist von Dränleitungen im Abstand gleichmäßigem Wasserdruck entweder über Löcher in einem
20 von 6–12 m durchzogen. Die Dräns liegen etwa 0,5 m tief. Das Tropfrohr/Tropfschlauch längs einer zu bewässernden Pflanz-
Wasser wird in das Dränsystem eingeleitet und in den Sammellei- reihe oder über festinstallierte Tropfer bei den einzelnen Pflan-
tungen gestaut (. Abb. 14.56). Der abgesenkte Grundwasserspie- zen/Tropfstellen austreten. Die Druckhöhen liegen zwischen 0,1
21 gel kann somit angehoben werden; vergleichbar zum Graben- und 0,5 bar. Das Tropfbewässern kann optimal auf den Wasser-
stau kann sich das Wasser über Kapillarkräfte seitlich verteilen. bedarf der Pflanzen eingestellt werden und ist eine sparsame
22 Vorteile des Verfahrens sind das behinderungsfreie Bewirtschaf- Bewässerungsform.
ten der Nutzflächen und der nur geringe Verdunstungsverlust.
Nachteilig sind höhere Kosten für Einbau und Unterhalt sowie
23 die Notwendigkeit, nur sauberes, schwebstofffreies Wasser zu
verwenden.
14.7 • Landwirtschaftlicher Wasserbau
601 14
.. Abb. 14.56 a Anordnung der Sammelleitungen und Dränstrecken für eine Unterflurbewässerung, b Über Stauverschlüsse wird im Bewässerungsfeld oder
in Teilen davon das Wasser im Dränsystem eingestaut, wodurch bei genügend dichtem Untergrund ein Wasserstau in die höheren Bodenschichten hinein
bewirkt wird. (Umgezeichnet nach Vischer und Huber 1982)
603 15
Deponietechnik
Wolfgang Dachroth
-
DepV gilt für das
Anlegen, Betreiben, Stilllegen und die Nachsorge von De-
-- Gießereireststoffen im Straßenbau,
Hausmüllverbrennungsasche im Straßenbau,
- ponien,
Behandeln von Abfällen zum Zwecke des Ablagerns auf De-
-
Hüttenmineralstoffgemischen, sekundärmetallurgischen
Schlacken sowie Edelstahlschlacken im Straßenbau,
-
Einsetzen von Abfällen als Deponieersatzbaustoff oder zum
Herstellen von Deponieersatzbaustoffen,
--flugasche BFA) im Straßenbau,
Metallhüttenschlacken im Straßenbau,
-
Anlegen, Betreiben, Stilllegen und die Nachsorge von Lang-
zeitlagern,
-und Merkblätter
über die Wiederverwertung von mineralischen Baustoffen als
Lagern von Abfällen in Langzeitlagern.
15.1.1 Behandeln von Abfällen Abfälle werden nach der Verordnung über das Europäische
Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV vom
Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG, Inkrafttreten 10.12.2001, BGBl I S. 3379, geändert 24.2.2012, BGBl. I S. 212)
1.6.2012) sollen Abfälle, die nicht verwertet werden können, einer bestimmten Abfallart zugewiesen. Der Europäische Abfall-
möglichst vermieden werden. Abfälle, die nachweislich nicht katalog (EAV) stuft die Abfälle mit einer sechsstelligen Schlüssel-
verwertet werden können, sind zu entsorgen. Solche Abfälle, nummer ein. Durch Zufügen eines * werden gefährliche Abfälle
kontaminierte Stoffe und kontaminierte Böden dürfen auf (alte Bezeichnung: Sondermüll) zusätzlich gekennzeichnet. Die
Deponien nur abgelagert werden, wenn die jeweiligen Annah- Art des Klassifizierens nach dem Europäischen Abfallkatalog
mekriterien und Zuordnungskriterien für die jeweilige Depo- (EAV) ist nachstehend durch Beispiele erläutert.
nieklasse DK I, II oder III erfüllt sind (DepV, Teil 2, § 6). Die Unterschieden werden 20 Abfallklassen (zweistellige Ebene),
grundsätzlich für das Deponieren nicht zugelassenen Abfälle Abfallgruppen (vierstellige Ebene) und Abfallarten (sechsstellige
(DK 0 bis DK IV) sind in DepV, Teil 2, § 7 aufgeführt. Soweit Ebene). Die einzelnen Abfallklassen werden in unterschiedlich
erforderlich, sind Abfälle durch bestimmte Verfahren oder Ver- viele Abfallgruppen (zwischen 2 und 13) unterteilt. Die Abfall-
fahrenskombinationen so zu behandeln, dass deren ungüns- gruppen sind weiter in Abfallarten unterteilt. Es gibt einige Hun-
tige oder schädliche Eigenschaften verringert werden und dass dert Abfallarten.
deren Beseitigen oder Verwerten erleichtert oder begünstigt
wird. Durch solche Maßnahmen soll der behandelte Abfall Beispiele:
die in DepV, Anl. 3 geforderten Zuordnungskriterien erfüllen
(. Tab. 15.1 und 15.2). Für das Behandeln von Abfällen stehen Klasse: 17 Bau- und Abbruchabfälle, Aushub von verunrei-
Verfahren oder Verfahrenskombinationen in entsprechenden nigten Standorten.
--
Anlagen zur Verfügung:
Behandlungsanlagen für mechanische Verfahren,
Gruppe: 17.03 Bitumengemische, Kohlenteer und teerhaltige
Produkte.
-
Abfallart: 17.03.02 Bitumengemische mit Ausnahme derjenigen,
Behandlungsanlagen für biologische Verfahren, die unter 17.03.01* fallen.
Behandlungsanlagen für thermische Verfahren. Abfallart: 17.03.03* Kohlenteer und teerhaltige Produkte.
606 Kapitel 15 • Deponietechnik
1 .. Tab. 15.1 Zulässigkeitskriterien für den Einsatz von Deponieersatzbaustoffen. Verordnung über Deponien und Langzeitlager (Deponieverordnung –
DepV), Anhang 3, . Tab. 1. – Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz & juris GmbH, 2009, BGBl. I S. 900. Die Zahlen 4 bis 9 in den Spalten 3
bis 6 zu den Einsatzbereichen (Spalte 1, Nr. 1 bis 4) stehen für die jeweiligen Zuordnungswerte in den Spalten 4 bis 9 der . Tab. 15.2. Die mit Index 1
2 bis 4 gekennzeichneten Anforderungswerte betreffen Ausnahmeregelungen wie unter 1 den geogenen Hintergrund des anstehenden Bodens
1 2 3 4 5 6
3 Nr. Einsatzbereich DK 0 DK I DK II DK III
1 Geologische Barriere
4 1.1 Technische Maßnahmen zur Schaffung, Vervollständigung oder Verbesserung der 4 4 4 4
geologischen Barriere
5 2 Basisabdichtungssystem
3.2 Mindestens alle Anforderungen an die geologische Barriere oder an das Basisab- 5 52) 6 7
10 dichtungssystem nach Anhang 1 einhalten
3.3 Weder die Anforderungen an die geologische Barriere noch die Anforderungen an 52) 52) 52)
11 das Basisabdichtungssystem nach Anhang 1 vollständig erhalten
4 Oberflächenabdichtungssystem
13 4.3 Entwässerungsschicht 4) 4) 4)
4.4.1 Rekultivierungsschicht 9 9 9 9
14 4.4.2 Technische Funktionsschicht Anhang 1 Anhang 1 Anhang 1 Anhang 1
Nr. 2.3.2 Nr. 2.3.2 Nr. 2.3.2 Nr. 2.3.2
15
16 .. Tab. 15.2 Einzuhaltende Zuordnungswerte nach den Zuordnungskriterien für Deponien der Klasse 0, I, II oder III. Verordnung über Deponien und
Langzeitlager (Deponieverordnung – DepV), Anhang 3, Tab. 2. – Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz & juris GmbH, 2009, BGBl. I S. 900.
Die Parameter (Spalte 2) betreffen 1 Kriterien des organischen Anteils, 2 Feststoffkriterien und 3 Eluatkriterien. Die mit Index 1 bis 16 gekennzeichneten
17 Zuordnungswerte betreffen Erklärungen und Regelungen zu Geltungs- und Anwendungsbereich, Untersuchungen und Überschreitungen dieser Werte
1 2 3 4 5 6 7 8 91)
2 Feststoffkriterien
1 2 3 4 5 6 7 8 91)
Nr. Parameter Maßeinheit Geologische DK 0 DK I DK II DK III Rekulti-
Barriere vierungs-
schicht
3 Eluatkriterien
-- --
8 zeitlager: geologische Barriere,
Deponie der Klasse 0 (Deponieklasse 0, DK 0) Basisabdichtungssystem,
9 Oberirdische Deponie für Inertabfälle, die die Zuordnungs-
kriterien nach Anhang 3, Nr. 2 der DepV für die Deponie-
- deponietechnisch notwendige Baumaßnahmen und
Oberflächenabdichtungssystem.
10
11
-- klasse 0 einhalten.
Deponie der Klasse I (Deponieklasse I, DK I)
Oberirdische Deponie für Abfälle, die die Zuordnungskri-
terien nach Anhang 3, Nr. 2 der DepV für die Deponie-
Die hierzu geforderten Zuordnungskriterien sind in . Tab. 15.1
aufgelistet.
Die im Anhang 3, Nr. 2 aufgeführten Zuordnungskriterien
12
--klasse I einhalten.
Deponie der Klasse II (Deponieklasse II, DK II)
-
betreffen
den organischen Anteil des Trockenrückstandes der Origi-
Oberirdische Deponie für Abfälle, die die Zuordnungskri-
terien nach Anhang 3, Nr. 2 der DepV für die Deponie-
- nalsubstanz,
die Feststoffkriterien (BTEX, PCB, Mineralölkohlenwas-
--
13 klasse II einhalten. serstoffe, PAK, Benzpyren, Säureneutralisationskapazität,
Deponie der Klasse III (Deponieklasse III, DK III) extrahierbare lipophile Substanzen und Gehalt an Blei,
14 Oberirdische Deponie für Abfälle, die die Zuordnungskri-
terien nach Anhang 3, Nr. 2 der DepV für die Deponie-
- Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink).
Eluatkriterien (pH, DOC, Phenole, Arsen, Blei, Cad-
15
16
--
klasse III einhalten.
Deponie der Klasse IV (Deponieklasse IV, DK IV)
Untertagedeponie, in der Abfälle
a in einem Bergwerk mit eigenständigem Ablagerungsbe-
mium, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, Chlorid, Sulfat,
Cyanid, Fluorid, Barium, Chrom, Molybdän, Antimon,
Selen, Gesamtgehalt an gelösten Feststoffen, elektr. Leitfä-
higkeit).
reich, der getrennt von der Mineralgewinnung angelegt
17 ist, und der getrennt betrieben werden kann Die hierzu geforderten Zuordnungswerte sind dort in . Tab. 15.2
b in einer Kaverne, vollständig im Gestein eingeschlossen, aufgelistet.
abgelagert werden.
18
Beim Zuordnen von Abfällen und von Deponieersatzbaustof- 15.2 Anforderungen an Deponiestandorte
19 fen zu Deponien oder Deponieabschnitten der Klassen 0, I, – Standortbeurteilung
II oder III sind die Zuordnungswerte der . Tab. 15.2 einzuhal-
20 ten. Nach DepV, Teil 2, § 7 nicht zugelassen sind Abfälle, die Die georelevanten Anforderungen an Deponiestandorte und an
ihren Eigenschaften nach flüssig, explosionsgefährlich, ätzend, das Einrichten von Deponien sind in der Deponieverordnung
brandfördernd, hoch entzündlich, infektiös, chemisch nicht DepV, Anhang 1 geregelt. Der geowissenschaftliche Untersu-
21 identifizierbar, geruchsbelästigend, langlebig oder bioakkumu- chungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung ist in
lierbar toxisch sind, sowie Altreifen. Deponien der Klasse 0, I, ▶ Kap. 3, . Tabelle 3.3.8 aufgelistet.
22 II oder III sind so zu anzulegen, dass die Anforderungen an den Für die Planungsarbeiten zur Standortauswahl ist eine Viel-
Standort zur geologischen Barriere und zur Basisabdichtung ein- zahl von Kriterien und Teilkriterien zu berücksichtigen. Vor-
gehalten werden. rangig ist bei der Wahl und Eignung eines Standortes auf Lage,
23 Deponien der Klasse IV dürfen nur im Salzgestein eingerich- Fließrichtung, Fließfähigkeit des Grundwassers zu achten. Um
tet werden. das Wohl der Allgemeinheit nicht zu beeinträchtigen, ist dem-
nach besondere Sorgfalt zu richten auf:
15.2 • Anforderungen an Deponiestandorte – Standortbeurteilung
609 15
- bengefährdete Gebiete,
Ableitbarkeit für gesammeltes Sickerwasser im freien Ge-
fälle.
meinden.
-
in:
Karstgebieten und Gebieten mit stark klüftigem, besonders
nischen Eigenschaften der anstehenden Locker- und Festgesteine
und die hydrogeologischen Verhältnisse des Standortes. Der geo-
- wasserwegsamem Untergrund;
Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten sowie Wasser-
logische Bau und die hydrogeologischen Verhältnisse sollen als
natürliche Barriere gegen austretende Schadstoffe wirken.
- vorranggebieten;
Überschwemmungsgebieten.
15.2.1 Geologische Verhältnisse
-
Besonders zu prüfen sind:
Lage, Morphologie und Nutzungsart des für Deponiezwe-
-
Das Beschreiben der Standortkriterien umfasst:
--schutz, Denkmalschutz);
Art und Verhalten des Deponiegutes;
Einflüsse auf wasserwirtschaftliche Standortmerkmale wie
natürliche und künstliche Basisabdichtung, zu erwartende
Geeignet für das Ermitteln von Schicht- und Gesteinsarten,
Schichtlagerung, Schichtstärken und der Lage tektonischer
Störzonen sind die Methoden der Seismik, Geoelektrik,
Georadarerkundung und Cereskopie. Geeignet für das Auf-
Sickerwassermenge und Anschlussmöglichkeit an Kläran- finden von Altablagerungen und Deponiegrenzen sind die
lagen, Belastbarkeit der Vorflut, zu erwartende Sickerwas- Methoden der Metalldetektion, Geomagnetik und Geoelek-
serverluste (Leckagen), Grundwasservorkommen, Grund-
wasserschutzgebiete, Umleitung von Oberflächengewässern
- trik (. Abb. 1.36–1.39; Lange, Knödel 2003);
Beschreiben der anstehenden Gesteinsarten mit Mineralbe-
- und Hochwassersicherheit;
Einflüsse aus meteorologischen Immissionen wie Belastung
stand, Verwitterungszustand, Verwitterungsbeständigkeit,
Wasserlöslichkeit und Empfindlichkeit gegen Wasser oder
-
und Vorbelastung des Luftraumes durch Staub, Abgase,
Geruchsstoffe, Lärm oder Papierflug;
erdbautechnische Schwierigkeiten bei der Standsicherheit - kontaminiertes Sickerwasser;
Beschreiben der bodenmechanischen Verhältnisse der im
Untergrund der Deponie anstehenden Lockerböden und
- von Böschungen
Verfügbarkeit von Erdmaterial für die Basisabdichtung,
Zwischenabdeckung, Oberflächenabdichtung und abschlie-
Schichten mit Bodenart, Wichte, Wassergehalt, Konsistenz,
Durchlässigkeit, Scherfestigkeit, Verformungsmodul als Vo-
raussetzung für die nach DepV geforderten Aussagen zur
- ßende Erdabdeckung;
besondere Gefahren aus dem Untergrund wie Bergsen-
-
Tragfähigkeit, Standfestigkeit und Sicherheit gegen Schaden
anrichtendes Verformen im Untergrund;
Anisotropien und Inhomogenitäten im Gebirge; Beurteilen schwindigkeiten für die Homogenbereiche und für mögli-
1 der künstlichen Auflockerung durch den Aushub der Grube che Inhomogenitätsbereiche mit Aussagen zur Dispersion
2
und durch die Entlastung des Untergrundes; Ermitteln der
Wasserwegsamkeit im Gesteinsverband (Gesteinsdurchläs-
- von Schadstoffen;
Aussagen zum inneren Aufbau der geringdurchlässigen
4
- rungen, Rammsondierungen und geoelektrische Messungen;
bodenmechanisches Untersuchen der Deckschichten und
Bestimmen von Bodenart, Korngrößenverteilung, Was- - durchlässigkeit) und der Fließgeschwindigkeit;
Untersuchen der chemischen und physikalischen Beschaf-
fenheit des Grundwassers, getrennt nach den einzelnen
5
6
sergehalt, Zustandsgrenzen, Lagerungsdichte, Porenraum
und Wasserdurchlässigkeit; zum Beurteilen von Standfes-
tigkeitsfragen werden weiterhin die Scherfestigkeit und der
Steifemodul benötigt.
- Grundwasserstockwerken;
isotopenhydrologisches Untersuchen der Grundwässer und
Ermitteln des Grundwasseralters (Mischalter) aus den Iso-
topenkonzentrationen unter Berücksichtigung der hydro-
geologischen, hydrochemischen und hydrophysikalischen
7 Situation (Moser 1989, Moser und Rauert 1989, Dachroth,
-
15.2.2 Hydrogeologische Verhältnisse Sonntag 1983, Hölting, Coldewey 2013);
Erstellen der Wasserbilanz mit Grundwasserneubildung,
8 Für das hydrogeologische Beurteilen sind folgende Erhebungen, Grundwasservorrat, Grundwasseralter und Grundwasser-
9
10
-
Untersuchungen und Auswertungen zu erbringen:
hydrogeologische Karte der Umgebung; Verzeichnis der
Quellen, Brunnen und Grundwasserbohrungen; Verzeich-
nis der Quellschüttungen und Entnahmemengen; Verzeich-
- durchsatz;
Ausweisen und Überprüfen von Grundwassereinzugsgebie-
ten.
14
- sättigten Bodenzone;
Darstellen des Grundwasserspiegels und der Grundwasser-
ausgebaut. Aufgelassene Bohrungen im Inneren einer geplanten
Deponie sind mit Ton wasserdicht zu verfüllen.
16
- Gesteine (Nichtleiter);
Erstellen von Grundwassergleichenplänen für die einzel-
nen Grundwasserleiter (Druckhöhenkarte für gespannte
in Bodenluft und Grundwasser. Im Gegensatz zur hydrogeologi-
schen Begutachtung zum Zwecke der Beurteilung und Auswei-
sung von Grundwasserentnahmestellen und Grundwasserent-
17
- Grundwässer);
Darstellen der Grundwasserfließrichtung bei mittlerem,
höchstem und niedrigstem Grundwasserstand; Benennen
nahmemengen, wobei stets nur Teile des Grundwasserkreislaufs
erfasst werden, muss die hydrogeologische Beurteilung eines De-
poniestandortes auch den Grundwasserkreislauf für mitteltiefes
-
18 der Vorflut; und tiefes Grundwasser beachten. Wichtig ist die Feststellung,
Ermitteln der hydraulischen Gradienten, der Durchlässig- ob sich der Standort im Bereich absinkender, aufsteigender oder
19 keitsbeiwerte und der Grundwasserfließgeschwindigkeiten parallel zur Oberfläche fließender Grundwässer befindet.
(Filtergeschwindigkeit) in den einzelnen Grundwasserleitern Die aus einer Deponie sickernde Wassermenge ist abhängig
20
21
- und in den sie trennenden Schichten (Grundwasserhemmer);
Aussagen zum inneren Aufbau der Grundwasserleiter
mit Homogenbereichen (z. B. Sand-Kies-Gemische) und
Inhomogenitätsbereichen (z. B. reine Kieslagen innerhalb
vom Wasserdargebot (Niederschlag, Zufluss), vom oberirdischen
Abfluss, von der Wirksamkeit der Oberflächenabdichtung, von
der Verdunstung, vom Sickerwasserabfluss, von der Wirksamkeit
der Basisabdichtung und Dränage sowie von der Dichtigkeit des
von Sand-Kies-Gemischen, Großklüfte oder Störungen Untergrundes. Zu Unrecht werden Standorten mit großem Flur-
22 im Porengrundwasserleiter); Lage und Ausrichtung der abstand zum Grundwasser günstige Standorteigenschaften zuer-
Inhomogenitätsbereiche, bezogen auf den hydraulischen kannt. Standorte auf Bergen sind aus der Sicht der Hydraulik stets
Gradienten; quantitatives Beurteilen der Auswirkung von ungünstig. Der erhoffte und angestrebte Schadstoffabbau in der
23 Inhomogenitäten und Anisotropien auf den Grundwas- Bodenluft ist nicht akzeptabel. Da die Deponiesohle nur in sel-
serfluss (Massendurchsatz); Berechnen von Abstandsge- tenen Fällen trocken, ist und auch bei funktionierender Dränage
15.3 • Deponien nach dem Multibarrierenkonzept
611 15
-
k-Wert des Untergrundes gehen ein:
Wasserdurchlässigkeit der ungestörten Bodenproben bei
kleinem, den Verhältnissen in der Deponie angepasstem
- durchlässigere Schichten;
Wasserdurchlässigkeit über natürliche und künstliche
Hohlräume im Gestein (Grabgänge, Wurzelgänge, Erosi-
onsschläuche, Bohr- und Sondierlöcher).
1
2
3
4
5
6 .. Abb. 15.2 Multibarrierenkonzept bei oberirdischen Deponien. a Konzept nach DepV bei fallendem Grundwasserstrom mit mindestens 1 m Abstand
zum höchsten zu erwartenden freien Grundwasserspiegel im geringdurchlässigen Untergrund (kf = 10−7 m s−1). b Günstiger Standort im undurchlässigen
7 Untergrund (Nichtleiter bzw. Grundwasserhemmer aus Ton bzw. Tonstein; kf < 10−9 m s−1) mit piezometrisch hohem Druckwasserstand und tiefliegendem
Grundwasserleiter. Der praktisch nicht fließfähige Grundwasserstrom ist auf die Deponie ausgerichtet. 1 Untergrund als geologische und hydrogeologische
Barriere, 2 Basisabdichtung, 3 Dränage, 4 geordneter Einbau des Abfalls mit prognostizierbarem Verhalten, 5 Oberflächenabdichtung, 6 kontrolliertes Entgasen,
8 7 kontrolliertes Abführen des Sickerwassers, 8 Sickerwasserkontrolle
9 15.3.1 Geologische Barriere Verdichtungsgrad DPr beträgt mindestens 95 % und richtet sich
nach den Anforderungen der ZTVE-StB (. Abb. 12.4).
10 Der unter und seitlich zur Deponie anstehende Boden bzw. Für das Ablagern von inerten Stoffen auf Halden, Kippen und
Untergrund soll eine Ausbreitung (Migration, hydraulische Deponien wurden bis 2009 keine besonderen Anforderungen
Strömung, Diffusion) der in flüssiger oder gasförmiger Form an die geologische Barriere gestellt. Nach DepV gehören solche
11 vorliegenden Schadstoffe verhindern. In DepV wird ein gering Ablagerungsräume zu DK 0 mit einer geforderten 1 m starken
durchlässiger Untergrund gefordert, der aufgrund seines mine- geologischen Barriere oder Ersatzschicht mit Durchlässigkeits-
12 ralischen Aufbaus, seiner hohen inneren Oberfläche (Feinkör- beiwert kf ≤ 1 × 10−7 m s−1.
nigkeit), seiner Mächtigkeit und seines Sorptionsvermögens
(Schadstoffrückhaltevermögens) aus der Deponie ausgetretene
13 Schadstoffe bindet und somit deren weitere Ausbreitung verhin- 15.3.2 Hydraulische Barriere
dert. Ein solcher Untergrund muss eine flächenhafte Verbreitung
14 haben, die seitlich weit über den Ablagerungsraum hinausgeht. Nach TA Abfall waren auch höhere Grundwasserdruckspiegel
Der Untergrund muss nach DepV folgende Anforderungen im sehr geringdurchlässigen Boden oder Gestein mit ausrei-
15
16
-
erfüllen:
Der Untergrund muss die Belastungen aus der Deponie
aufnehmen können. Durch eintretende Verformungen
dürfen an der Basisabdichtung und an den Entwässerungs-
chender Mächtigkeit und Verbreitung zulässig. Die Deponie-
verordnung (DepV) und gleichlautende Regelungen in Europa
kennen diese hydraulische Barriere nicht! Soweit ein möglicher
Standort solche günstigen hydraulischen Eigenschaften aufweist,
17
18
- einrichtungen keine Schäden auftreten.
Der Untergrund soll als geologische Barriere eine Schadstoff-
ausbreitung maßgeblich behindern. Erfüllt der Untergrund
die Anforderungen an eine geologische Barriere nicht, so
sollten auch die Vorteile einer hydraulischen Barriere untersucht
und das Ausnutzen solcher Möglichkeiten im rechtlichen Rah-
men diskutiert werden. Dies gilt besonders in Ländern außer-
halb des Geltungsbereiches der Deponieverordnung DepV.
kann der anstehende Boden verbessert oder durch geeigne- In solchen Fällen bildet das Potentialgefälle der Grund-
19
20
- tes Fremdmaterial ersetzt oder überschichtet werden.
Die Anforderungen an die Wasserdurchlässigkeit kf und an
die Schichtstärke/Dicke d der geologischen Barriere betra-
gen nach DepV, Anhang 1, Tab. 1 bei:
wasserfließrichtung eine zusätzliche hydraulische Barriere. Im
Grundwassernichtleiter (Ton oder Tonstein, kf < 10−9 m s−1) mit
piezometrischen Druckwasserspiegelhöhen oberhalb der Depo-
niebasis ist die Richtung des hydraulischen Gradienten auf die
DK 0kf ≤ 1 × 10−7 m s−1, d ≥ 1 m, Deponie ausgerichtet.
DK Ikf ≤ 1 × 10−9 m s−1, d ≥ 1 m, Solche Standorte sind für die Anlage von Deponien hydrau-
21 DK IIkf ≤ 1 × 10−9 m s−1, d ≥ 1 m, lisch günstig. Das Porenwasser im Ton ist praktisch nicht fließfä-
DK IIIkf ≤ 1 × 10−9 m s−1, d ≥ 5 m. hig (Va < 1 mm a−1). Die Richtung des Potentialgefälles und die
22 Höhe des hydraulischen Gradienten i wird in der Umgebung der
Sofern diese Anforderungen im Deponiebereich und in der Deponie bzw. Grube durch die Entwässerung an der Deponieba-
direkten Umgebung nicht zur vollständigen Zufriedenheit aus- sis aufrechterhalten. Solange das auf die Deponie ausgerichtete
23 fallen, sind sie durch zusätzliche technische Maßnahmen si- hydraulische Gefälle besteht, kann aus einer solchen hydrauli-
cherzustellen. Dies kann durch den Einbau einer homogenen schen Position keine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität
Ausgleichsschicht mit kf = 10−7 m s−1 geschehen. Der geforderte erfolgen (. Abb. 15.2b und 15.3, Bild 1).
15.3 • Deponien nach dem Multibarrierenkonzept
613 15
.. Abb. 15.3 Übersicht über mögliche geologische Standorttypen für Deponien mit Ausrichtung des hydraulischen Gradienten. (Arbeitskreis Deponien der
Geologischen Landesämter)
614 Kapitel 15 • Deponietechnik
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22 .. Abb. 15.3 (Fortsetzung)
23
15.3 • Deponien nach dem Multibarrierenkonzept
615 15
. Abb. 15.3 gibt eine Übersicht über mögliche geologische die Einbaustärken der mineralischen Abdichtungskomponenten
Standorttypen mit unterschiedlicher Ausrichtung des hydrauli- verringert werden. Für solche Einbauten sind der zuständigen
schen Potentials. Behörde prüffähige Unterlagen vorzulegen (Zulassung der Pro-
dukte durch die Bundesanstalt für Materialforschung oder ent-
sprechend deklariert nach Verordnung EU Nr. 305/2011).
15.3.3 Deponiebasisabdichtungssystem Die Kunststoffdichtungsbahn soll mindestens 2,5 mm dick
sein. Sie ist vor Beschädigung zu schützen. Die Dichtungsbahn
Auf dem Deponieplanum und auf seitlichen Böschungsflächen dient als Konvektionssperre.
ist ein Deponiebasisabdichtungssystem einzubauen. Das System Bei einem Abdichtungskontrollsystem wird unter der Abdich-
kann als Kombination aus mineralischen Dichtungsschichten aus tungskomponente oder Konvektionssperre eine zweite Abdich-
feinkörnigem Boden (Ton, Lehm) und aufliegender Kunststoff- tungskomponente oder Dichtungsbahn eingebaut und das mög-
dichtungsbahn eingebaut werden. Die mineralischen Dichtungs- licherweise anfallende Sickerwasser gesammelt und kontrolliert.
komponenten sind mehrlagig herzustellen. Die Stärke d für die Bis zum Inkrafttreten der Deponieverordnung (Juli 2009)
einzelne mineralische Abdichtungskomponente schreibt DepV wurden unter den heutigen Altdeponien Deponiebasisabdich-
mit 50 cm vor. Um innerhalb dieser 50 cm eine gleichmäßige und tungen nach den Vorgaben der TA-Abfall bzw. TA Siedlungsab-
hohe Abdichtungswirkung zu erlangen, darf die Einbaustärke der fall eingebaut (. Abb. 15.12).
einzelnen geotechnisch zu verdichtenden Lagen (nach Verdich-
tung) nur maximal 25 cm betragen. zz Eignungsprüfung
Die Notwendigkeit und Anforderung für den Einbau einer Für die mineralische Basisabdichtung ist ein Durchlässigkeitsbei-
mineralischen Basisabdichtung ist in DepV, Anhang 1, Tab. 1 für wert kf < 5 · 10−10 m s−1 erforderlich. Der entsprechende Nach-
--
die Deponieklassen angegeben:
DK 0 nicht erforderlich,
DK I eine Abdichtungskomponente (d ≥ 50 cm) erforder-
weis soll im Labor bei einem hydraulischen Gradienten i = 30
geführt werden. Die Eignung des Materials, die zu verwendenden
Geräte und die Einhaltung des geforderten Durchlässigkeitsbei-
- lich,
DK II zwei Abdichtungskomponenten (d ≥ 100 cm) erfor-
wertes kf < 5 · 10−10 m s−1 sind zu prüfen. Für die Eignung und
Fügetechnik der Kunststoffdichtungsbahn ist ein Zulassungsbe-
- derlich,
DK III zwei Abdichtungskomponenten (d ≥ 100 cm) in
Kombination mit einer geologischen Barriere (d ≥ 500 cm)
erforderlich.
scheid zu erbringen.
Nach DepV sind für die Herstellbarkeit eines vorgeschlagenen
Abdichtsystems unter Baustellenbedingungen Probefelder herzu-
stellen und deren Eignung nachzuweisen. Das Verbessern der geo-
logischen Barriere und alle technischen Maßnahmen als Ersatz für
Die Oberfläche der Basisabdichtung ist so zu gestalten, dass auch eine unzureichende geologische Barriere sind in gleicher Weise
nach Eintritt der Setzungen und Verformungen ein Quergefälle bei der Vorfertigung der Probefelder und bei der Bauausführung
von mindestens 3 % und ein Längsgefälle von mindestens 1 % einem Qualitätsmanagement zu unterwerfen. Dieses besteht aus
verbleibt. der Eigenüberwachung des Herstellers, der Fremdüberwachung
Das Abdichtungs- und Entwässerungssystem an der Depo- eines beauftragten Dritten und aus der Überwachung durch die
-
niebasis richtet sich nach der Deponieklasse. DepV sieht vor für:
DK 0 Inertabfälle (z. B. Abraummaterial vom Steinbruch)
0,3 m mineralische Entwässerungsschicht,
1,0 m geologische Barriere/Abdichtungskomponente:
zuständige Behörde. Die fremdprüfende Stelle muss die Untersu-
chungen nach DIN EN ISO/IEC 17020: 2012 durchführen und als
Prüflaboratorium akkreditiert sein. Die GDA-Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (1997) sind zu beachten.
- kf ≤ 1 × 10−7 m s−1.
DK I Abfall
0,5 m mineralische Entwässerungsschicht
0,5 m mineralische Abdichtung: kf ≤ 5 × 10−10 m s−1,
Nach dem Stand der Technik müssen die Verbesserungen der
geologischen Barriere, die technischen Maßnahmen als Ersatz
für eine geologische Barriere, das Abdichtungssystem und die
eingebauten Materiale und Komponenten so gewählt werden,
2 - ponenten;
Einbautechnik der mineralischen Einbaukomponenten und
deren Einbindung in das Basisabdichtungssystem, um eine
sehr niedrige Durchlässigkeit zu erreichen und die Bildung
--
3 von Trockenrissen zu vermeiden oder zu minimieren;
Einhalten der Anforderungen an Deponieersatzbaustoffe;
4 Entwässern der Deponiebasis (DIN 19667:2015).
.. Abb. 15.4 Effektivität verschiedener Bentonite (Jessberger 1983). A, C
5 Aus geotechnischer Sicht ist bei der Eignungsprüfung auch auf
-
und D sind aktivierte Bentonite. B ist eine Mischung von Naturbentonit mit
folgende Punkte zu achten. aktiviertem Bentonit. E und F sind Naturbentonite
Materialnachweis
6 Es ist der ingenieurgeologische Nachweis zu erbringen, dass teilungskurve nahe der Fuller-Parabel verläuft und das
das für den Einbau vorgesehene Dichtungsmaterial am Ent- genügend Füllkorn aufweist, um die Grobporen zu füllen.
7 nahmeort in der geforderten Qualität und in ausreichender Andere intermittierend gestufte Mischungen enthalten
nige Erdstoffe sind von der Struktur her für eine mineralische
Basisabdichtung geeignet, wenn sie aufgrund der Aggregatform
(Tonmehl) oder Aggregatgröße (kleine Tonbröckchen) eine Ho-
mogenisierung des Tonmaterials und Vergleichmäßigung des
Wassergehaltes zulassen, was bei großen Aggregaten (Tonklum-
-
pen) nicht zu erreichen ist.
Auswerten der Eignungsprüfungen
Die Ergebnisse der Eignungsprüfungen und der im Ver-
suchsfeld tatsächlich erreichten Werte sind zu nennen,
auszuwerten und zu dokumentieren. Dabei sind die Zu-
sammenhänge zwischen Kornverteilung, Dichte, Wasserge-
halt und Durchlässigkeit sowie Korrelationsmöglichkeiten
zwischen diesen Ergebnissen darzustellen. Nachstehende
--
.. Abb. 15.5 Gültigkeitsbereiche des Darcy-Gesetzes. (Busch und Luckner Versuchsbedingungen sind zu berücksichtigen:
1974, DIN 18130)
Verdichtungsmethode;
--
Verdichtungsgeräte;
tersuchung beträgt 9 cm. Bei feinkörnigen Böden werden Anzahl der Verdichtungsübergänge;
-
kleinere Probehöhen gewählt. Die Versuche sind so lange Arbeitsgeschwindigkeit der Verdichtungsgeräte;
durchzuführen, bis der ermittelte Verlauf der Durchlässig- Dicke der eingebauten Lagen vor und nach dem Ver-
-
keitsbeiwerte nahezu konstant ist. Die ermittelten Durch- dichten;
lässigkeitsbeiwerte sind in Abhängigkeit von der Versuchs- Art der Homogenisierung des mineralischen Materials.
dauer graphisch darzustellen.
Neben den Durchlässigkeitsversuchen mit Wasser werden Für das Herstellen eines Deponieplanums und eines Abdicht-
Versuche mit Deponiesickerwasser und/oder anderen systems sind die Einbaugeräte und Einbauverfahren festzulegen.
Prüfflüssigkeiten wie destilliertem Wasser, starken Säuren Eine solche Festlegung bedarf der behördlichen Genehmigung.
(pH < 3), starken Basen (pH > 11), Metallsalzlösungen,
Hexan, Dichlormethan und Aceton durchgeführt (Reuter zz Einbau von mineralischen Dichtungen
1985). Eine Deponiebasisabdichtung wird nach den Ergebnissen der
Das Bestimmen der Durchlässigkeit von feinkörnigen Eignungsprüfungen und den im Versuchsfeld erarbeiteten Ein-
Erdstoffen berücksichtigt zusätzlich den vom hydraulischen baubedingungen hergestellt (. Abb. 15.12).
Gradienten abhängigen Durchfluss mit Unterteilung zwi- Das Bearbeiten beginnt mit dem Vorbereiten, Profilieren
schen strömungslosem, prälinearem und linearem Bereich und Vorverdichten des Untergrundes sowie dem Herstellen ei-
(. Abb. 15.5). nes geeigneten Arbeitsplanums. Dann erfolgt das Aufbringen des
Im Kurvenverlauf der Funktion k = f(i) werden folgende feinkörnigen Materials für die untere Einbaulage der Basisab-
-
Phänomene festgestellt: dichtung. Bei natürlichem Dichtungsmaterial aus Ton, tonigem
unterhalb des Schwellengradienten i0 ist der k-Wert = 0; Schluff oder Lehm wird dieses mit der Fräse zerkleinert und ho-
es findet kein Durchströmen der Poren im feinkörnigen mogenisiert. Die Auftragsstärke wird so bemessen, dass die ver-
-
Boden statt (strömungsloser Bereich); dichtete Lage die gewünschte Schichtstärke (meist 30 cm) erhält.
zwischen dem Schwellengradienten i0 und dem Über- Das Material muss den vorgeschriebenen Wassergehalt besitzen
gangsgradienten is steigt der k-Wert mit zunehmendem und wird gegebenenfalls angefeuchtet oder durch mehrfaches
hydraulischen Gefälle; in diesem prälinearen Bereich gilt Durchfräsen an trockener Luft abgetrocknet.
-
das Darcy-Gesetz nicht uneingeschränkt; Die eigentliche Verdichtungsarbeit wird in Anlehnung an die
im linearen Bereich gilt das Darcy-Gesetz uneinge- Regeln der „Zusätzlichen Technischen Vorschriften und Richtli-
schränkt; die üblicherweise an Böden gemessenen nien für Erdarbeiten im Straßenbau“ (ZTVE) und in Anlehnung
-
k-Werte liegen in diesem Bereich; an das „Merkblatt für die Verdichtung des Untergrundes und
im postlinearen und turbulenten Bereich tritt ein gegen- Unterbaus im Straßenbau“ ausgeführt.
über dem linearen Bereich verringerter Durchfluss ein Wird ein Gemisch aus Grobkorn, Füllkorn und Tonmehl
(Querströmungen!); dieser Bereich hat für die Untersu- bzw. Bentonit eingebaut, so werden nach Auftragen der unteren
chung feinkörniger Erdstoffe keine Bedeutung. Lage aus Grobkorn das Füllkorn und der Bentonit aufgestreut.
Durch mehrmaliges Einfräsen und Bewässern wird eine homo-
Feinkörnige Erdstoffe sind von der Wasserdurchlässigkeit her gene Mischung mit dem gewünschten Wassergehalt erreicht.
für eine mineralische Basisabdichtung geeignet, wenn ein strö- Hierzu wird der Wassergehalt der Bodenmischung bestimmt.
mungsloser und ein prälinearer Bereich mit einem ausreichend Durch mehrfaches Überfahren wird die Schüttlage verdichtet.
hohen Schwellenwert unter im Gelände nachvollziehbaren Rand- Bei starker Durchfeuchtung der Dichtungsschicht können die
bedingungen nachgewiesen werden. Eine Wasserwegsamkeit, Verdichtungsübergänge zu einer Erhöhung des Porenwasserdru-
die den Porenraum umgeht (Klüfte, Spalten, Röhren, Randbe- ckes und damit zur Minderung der Festigkeit und zu erhöhter
dingungen bei Tonklumpen) muss verhindert werden. Feinkör- Wasserwegsamkeit führen. Bei derartigen Verhältnissen ist es
618 Kapitel 15 • Deponietechnik
erforderlich, zwischen den einzelnen Verdichtungsübergängen zz Ausbildung der Basisabdichtung auf Böschungsflächen
1 Ruhepausen anzuordnen, um einen Abbau des Porenwasser- und Deponiewänden
druckes zu ermöglichen. Die erreichte Verdichtung wird durch Aus wirtschaftlichen Erwägungen werden für die Begrenzung
2 Inaugenscheinnahme und durch Probenahme mit Laborunter- von Deponieflächen steile Böschungsneigungen bis senkrechte
suchungen kontrolliert. Wände angestrebt, um über einer gegebenen Grundfläche ein
Der Auftrag der zweiten Schicht sowie aller weiteren Schichten möglichst großes Deponievolumen zu erhalten.
3 erfolgt in der Weise, dass die oberen 5 cm der verdichteten unteren Die auf Böschungen aufgebauten Lagen einer Deponiebasis
Schicht mit der Fräse wieder aufgenommen werden, wodurch eine abdichtung müssen standfest sein. Bei einer angestrebten Bö-
4 bessere Verzahnung der einzelnen Schüttlagen angestrebt wird. Im schungsneigung von 1:1,5 oder steiler muss das Deponieauflager
übrigen erfolgt der oben beschriebene Arbeitszyklus. aus anstehendem standfestem Gestein bzw. Fels oder aus einer
5 Schüttung aus sehr rauem Material mit Reibungswinkel φ > 40°
zz Qualitätskontrolle der Deponiebasisabdichtung bestehen (z. B. Schotter oder Bruchsteine).
Der Einbau von mineralischen Erdmassen erfolgt unter ständiger Der für den Untergrund geforderte Durchlässigkeitsbeiwert
6 Kontrolle. Abweichungen vom Plan und von der im Labortest kf < 10−7 m s−1 lässt sich jedoch nur einhalten, wenn die Hohl-
ermittelten Rezeptur müssen erkannt und vermieden werden. räume einer solchen Schüttung mit Ton oder Schluff verfüllt wer-
7
--
Überprüft werden:
Standfestigkeit und Filterstabilität des Untergrundes;
den, wodurch aber der Reibungswinkel verringert wird.
Bei geschüttetem Deponieauflager ist aus Gründen der Stand-
8
--Kornverteilung des anstehenden Materials;
Kornverteilung des aufgebrachten Materials;
sicherheit eine steilere Böschungsneigung als 1:2 kaum realisierbar.
Ab einem Grenzwinkel können geneigte Grenzschichten
9
--
aufgestreute Menge an Füllkorn und Bentonit;
Qualität des Bentonits;
(z. B. Kunststoffdichtungsbahn gegen Sand, mineralische Ab-
dichtung oder Asphalt) versagen.
10 --
Frästiefe;
Homogenität der Mischung;
Wenn für das Einrichten einer Deponie das Verfüllen einer
Grube im Lockermaterial bzw. Boden vorgesehen ist, so ist die
--
Wassergehalt der Mischung;
Wasserzugabe;
Deponiewand bis zum Grenzbereich der Standfestigkeit abzubö-
schen (etwa 30°). Die Basisabdichtung ist beim Anwenden von
--
11 Schichtstärke; Dichtungsbahnen aus Kunsstoff oder Bitumen auf einer solchen
Verdichtungsgrad; Böschung in gleicher Weiser und Ausbildung wie die Deponie-
12
13
-
Durchlässigkeitsbeiwert;
Profilierung (Oberflächengefälle).
.. Abb. 15.7 Beispiel für den Einbau der mineralischen Deponiebasisabdichtung in der Sohle von Gruben oder Steinbrüchen und deren seitliches Hochzie-
hen. Arbeitsbedingt fällt die Stärke der mineralischen Abdichtung in den Wänden dicker aus als gefordert. Die Kunststoffdichtungsbahn bedarf einer geeigne-
ten Unterlage und Abdeckung aus Sand oder Vlies
Bei horizontal eingebauten Lagen in der Böschung ist deren In der Böschung ist die Dicke und Ebenheit jeweils pro 50 m3
Dichte aller 30 m eingebauter Dichtungslage zu bestimmen. eingebautes mineralisches Material zu prüfen.
Die Oberfläche jeder eingebauten Dichtungslage ist unmit- Die Kunststoffdichtungsbahnen sind bezüglich Anlieferung,
telbar vor dem Aufbringen der nachfolgenden Lage visuell zu Lagerung, Verlegungs- und Fügearbeiten zu kontrollieren und
prüfen. zu überprüfen. Dies betrifft die Lieferprotokolle, die Qualität,
Die Dicke und Ebenheit jeder Dichtungsschicht ist durch mögliche mechanische Beschädigungen, die Bahndicke, Plan-
höhenmäßiges Vermessen (Nivellement) im Raster von 20 m zu lage, Kantengeradheit und äußere Beschaffenheit sowie das Ein-
prüfen. halten der bei der Eignungsprüfung festgelegten Bedingungen.
620 Kapitel 15 • Deponietechnik
1
2
3
4
5
6 .. Abb. 15.8 Maßnahmen zum Abdichten von Felswänden. a Doppelte Felswandabdichtung mit zwischenliegendem Gleitvlies, b Deponieabdichtung nach
dem System „Bilfinger und Berger“ mit Stahlbetonfertigteilen und Hinterfüllung aus Einkornbeton. (Umgezeichnet nach Wilbertz und Jäger 1987)
7
zz Nachträglicher Einbau unterirdischer zz Einbau undurchlässiger Sohlschichten
8 Basisabdichtsysteme Wird der Untergrund von durchlässigen Schichten in größerer
Den von Altablagerungen ausgehenden Verunreinigungen des Mächtigkeit aufgebaut, kann eine künstliche undurchlässige
9 Grund- und Oberflächenwassers kann durch den nachträg- Sohlschicht eingezogen werden.
lichen Einbau von Dichtungssystemen begegnet werden. Für Der Einbau kann durch Injektionsverfahren, durch Düsen-
10 vertikale Abdichtungen eignen sich Bauverfahren, bei denen strahlverfahren (▶ Abschn. 6.4.1, . Abb. 6.18 und 6.19) oder in
zwischen der Oberfläche und einer tiefer liegenden undurch- bergmännischer Arbeitsweise erfolgen.
lässigen Schicht eine Dichtwand eingezogen wird (. Abb. 15.9). Beim Injektionsverfahren können Injektionsbohrungen im
11 Die tiefer liegende undurchlässige Schicht kann eine anstehende engen Rasterabstand (z. B. 2 m) abgeteuft und in gleicher Tie-
Gesteinsschicht oder eine künstlich eingebaute Dichtsohle sein fenlage verpresst werden.
12 (. Abb. 15.10). Für das Einkapseln von Altstandorten haben sich Beim Düsenstrahlverfahren (▶ Abschn. 8.2.6) können die
Schmal- und Schlitzwände bewährt (▶ Abschn. 7.5.2). Im folgen- Teilchen einer aufgeschnittenen Bodenschicht mit Zement und
den werden mögliche Lösungswege genannt. Ton vermischt und vermörtelt werden.
13 Dichtsohlen können aus sich überschneidenden Scheiben
zz Einkapseln über einer undurchlässigen Schicht bestehen, welche von im Raster angesetzten Bohrlöchern aus
14 Die die Deponie umfassenden vertikalen Dichtwände können als vermörtelt werden (. Abb. 8.7).
Schlitz- oder Schmalwände eingebaut werden. Als Dichtwand- Bei bergmännischer Arbeitsweise kann von begehbaren Stol-
15 masse können u. a. Bentonit-Zement-Suspensionen eingesetzt len aus unter dem Deponiekörper eine wasserundurchlässige
--
werden. Bei der Auswahl der geeigneten Suspensionsart sind Schicht hergestellt werden. Folgende Möglichkeiten bieten sich an:
mögliche Reaktionen mit dem Grundwasser zu beachten. So kann Einpressen von Injektionsschirmen (. Abb. 15.11a);
16 z. B. natriumaktivierter Bentonit in hartem Grundwasser Calcium Vortrieb sich überschneidender Stollen, welche mit dichtem
17
einlagern. Dadurch kann seine abdichtende Wirkung gemindert
werden.
- Material (Ton) verfüllt werden (. Abb. 15.11b);
Einbau dicht an dicht vorgepresster Stollen (z. B. Tübbing-
-
bauweise), welche mit dichtem Material (Ton) verfüllt und
verpresst werden (. Abb. 15.11c);
-
18 Eigenschaften der frischen Dichtwandmasse; Einbau einer Dichtschicht im HDI-Verfahren mit einem
Verarbeitbarkeit und Erstarrungsverhalten der Dichtwand- zwischen zwei Stollen am Seil geführten Düsenkörper. Der
-
19 masse; Boden wird vom Hochdruckwasserstrahl zerschnitten, mit
Festigkeit und Spannungs-Verformungsverhalten der ver- Zement und Ton vermischt und vermörtelt (. Abb. 6.19
20
-- festigten Dichtwandmasse;
Durchlässigkeit der verfestigten Dichtwandmasse;
und 15.11d).
21
22
- Dichte und Wassergehalt der verfestigten Dichtwandmasse;
Reaktionen der eingebauten Tonanteile mit Deponiewasser
und Grundwasser.
15.3.4 Entwässerungssystem
4
5 - Behälterdeponien (Altdeponien)
für Abfälle mit völlig unbestimmtem Deponieverhalten
für unbestimmt lange Zeiten. Als Behälter kommen Fässer,
6 Stahl- und Betonbehälter und siloartige Bauwerke zur
Anwendung. Für Klärschlamm eignen sich Kassettendepo-
7 nien, welche aus mit Ton oder Folie abgedichteten Becken
bestehen und als Monodeponie verfüllt werden.
8
15.3.6 Deponieoberflächenabdichtungssystem
9
Nach Verfüllen eines Deponieabschnittes ist ein Deponieober-
10 flächenabdichtungssystem aufzubringen. Dies ist so auszu-
führen, dass Undichtigkeiten lokalisiert und repariert werden
können.
11 Ein vollständiges Oberflächenabdichtsystem besteht aus fol-
12
-
genden Systemkomponenten (. Abb. 15.13):
Rekultivierungsschicht mit d ≥ 1,0 m und nutzbarer Feldka-
pazität ≥ 140 mm, als Wasserhaushaltsschicht mit nutzbarer
Feldkapazität ≥ 220 mm und hierauf abzustimmender
-
13 Gesamtdicke,
Entwässerungsschicht mit d ≥ 0,3 m, kf 1 × 10−3 m s−1 und
14
- Gefälle i ≥ 5 %,
Kunststoffdichtungsbahn mit d ≥ 2,5 mm als Konvektions-
15
-- sperre (alternativ),
Dichtungskontrollsystem,
zweite mineralische Abdichtkomponente mit d ≥ 50 cm
-
16 .. Abb. 15.12 Deponiebasisabdichtungssysteme bei Altdeponien nach TA und kf ≥ 5 × 10−10 m s−1,
Siedlungsabfall und TA Abfall. a Abdichtsystem für Deponieklasse I, b Ab-
erste mineralische Abdichtkomponente mit d ≥ 50 cm und
-
dichtsystem für Deponieklasse II, c Abdichtsystem für besonders überwa-
17 chungsbedürftige Abfälle nach TA Abfall (Deponieklasse III) kf ≥ 5 × 10−10 m s−1,
Gasdränschicht (als mineralische Dränschicht d ≥ 50 cm,
18
19
- Deponie nach DepV mit nur geringen oder keinen Anteilen
an abbaubaren organischen Stoffen (Glühverlust Vgl ≤ 5 %)
und nur geringen chemischen Reaktionen im Deponiekör-
-- max. Gesamtcarbonatanteil 10 %),
Ausgleichsschicht,
Abfall.
20 - per.
Reaktordeponien (Altdeponien)
für Abfälle mit abbaubaren organischen Stoffen. Deren
Abbau ist innerhalb einer wahrscheinlichen Zeit ge-
DepV schreibt bei den Deponieklassen 0 bis III folgende System-
komponenten vor.
Bei DK 0 ist nur eine Rekultivierungsschicht erforderlich.
Bei DK I sind Rekultivierungsschicht, Entwässerungsschicht,
21 währleistet, und die dabei freiwerdenden flüssigen und 1. Abdichtungskomponente und gegebenenfalls eine Gasdrän
gasförmigen Emissionen werden an die Sohlentwässerung schicht erforderlich.
22 oder an die Entgasungsvorrichtungen abgegeben. Die Bei DK II sind Rekultivierungsschicht, Entwässerungs-
eintretenden Setzungen und Verformungen im Deponie- schicht, 1. und 2. Abdichtungskomponente und gegebenenfalls
körper sind vorhersehbar. Nach Abschluss der Deponie eine Gasdränschicht erforderlich.
23 und Ablauf einer Nachsorgezeit von etwa 30 Jahren sollte Bei DK III sind Rekultivierungsschicht, Entwässerungs-
der Deponiekörper einen inerten Charakter angenom- schicht, Dichtungskontrollsystem, 1. und 2. Abdichtungskom-
men haben. ponente und gegebenenfalls eine Gasdränschicht erforderlich.
15.3 • Deponien nach dem Multibarrierenkonzept
623 15
a b
.. Abb. 15.13 Deponieoberflächenabdichtungssysteme nach TA Siedlungsabfall. a Mineralische Ausbildung für Deponieklasse I, b Kombinationsdichtung für
Deponieklasse II und für Deponien nach TA Abfall (besonders überwachungsbedürftige Abfälle bzw. Sondermüll)
Eine Oberflächenabdichtung soll den Deponiekörper so ein- Damit werden an die Oberflächenabdichtung gleich hohe An-
kapseln, dass er vor Niederschlägen geschützt ist und eine Gas- forderungen gestellt wie an die Basisabdichtung. Die angestrebte
und Luftzirkulation im wesentlichen unterbunden wird. Das als Reparierbarkeit der Abdichtungen ist bei der Oberflächenabdich-
Reaktionsmedium für die deponieinternen Auslaugungs- und tung besser und auch mehrfach ausführbar.
Zersetzungsprozesse wirkende Wasser soll zurückgehalten wer-
den. Damit soll die doppelte Wirkung erzielt werden, dass zum
einen die Gasbildung durch das Austrocknen der Deponie un- 15.3.7 Kontrolliertes Entgasen
terbunden wird und dass zum anderen Sickerwasseranfall und
die Gefahr von Sickerwasserleckagen vermieden werden. Die Soweit signifikante Gaskonzentrationen auftreten, sind geeig-
an eine Oberflächenabdichtung gestellten Anforderungen sind nete Gasdränagen und Einrichtungen zum Fassen, Ableiten und
--
(Franzius 1985):
Wasserdichtigkeit zum Verhindern der Versickerung;
Behandeln des anfallenden Deponiegases zu installieren.
Organische Abfälle werden unter Luftabschluss anaerob
-
dieser Gasproduktion können sein:
--
Sicherheit gegen Austrocknen (Trockenrisse bei Ton);
Erosionssicherheit;
- wirksames Gas;
Vegetationsschäden und Schädigung der Bodenlebewesen
-
Frostsicherheit;
Beständigkeit gegen die chemische Beanspruchung durch
Deponiegas und kapillar aufsteigende Schadstoffe (Ander- - durch Verdrängen der Bodenluft;
Geruchsemissionen.
--
sen und Madsen 1985);
Beständigkeit gegen Nagetiere und andere grabende Tiere;
zz Entstehen der Deponiegase
Das Entstehen der Deponiegase lässt sich modellhaft in folgende
--
Beständigkeit gegen Mikroorganismen;
Begehbarkeit und Befahrbarkeit;
-
Stufen unterteilen (. Abb. 15.14):
Stufe 1: Oxidation
-
Rekultivierbarkeit mit entsprechendem Wurzelraum;
keine Beeinträchtigung der Dichtigkeit durch Nutzung der
- Aufbrauch des Restsauerstoffs.
Stufe 2: saure Gärung
-
Deponieoberfläche;
Kontrollmöglichkeit für die Dichtigkeit und Reparierbar-
keit.
Abbau komplexer organischer Müllinhaltsstoffe durch
fakultativ anaerobe Bakterien (Säurebildner) zu Fettsäuren
u. a., Alkohol, Kohlendioxid und Wasserstoff.
624 Kapitel 15 • Deponietechnik
1
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5
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.. Abb. 15.14 Schematische Darstellung der Deponiegasentwicklung nach
7 LAGA-Informationsschrift „Deponiegas“ (1983)
8
9
- Stufe 3: instabile Methangärung
Mithilfe von Bakterien werden die gebildeten Zwischen-
produkte in Methan und Kohlendioxid umgesetzt. Der
23 zz Technisches Entgasen
Wenn bei Deponien konzentrierte Gasaustritte auftreten oder
signifikante Gaskonzentrationen gemessen werden, sind geeig-
15.4 • Oberirdische Deponien für Inertstoffe
625 15
15.3.8 Kontrollierte Wasser- Berg aufgeschüttet wird. Von Kippen spricht man, wenn die un-
und Sickerwassererfassung brauchbaren Massen in künstliche oder natürliche Hohlformen
geschüttet werden. Das Schütten erfolgt, je nach Betrieb, mit
Die im Deponiebereich anfallenden Wässer sind getrennt zu er- Förderbändern, LKWs oder Schienenfahrzeugen. Bei kleinerer
fassen und getrennt einer Behandlung zuzuführen. Es werden Betriebsgröße besteht auch die Möglichkeit zum direkten Ver-
--
folgende Wässer unterschieden:
Sickerwasser aus dem Deponiebasisabdichtungssystem;
Oberflächenwässer von Deponieabschnitten, auf denen
sturz, indem die zum Lösen eingesetzten Raupen oder Bagger
durch Fahren und Schwenken die zu lösenden Massen direkt
vom Abbaustoß auf die Kippe verbringen. In der Regel erfolgt
- beorten;
Oberflächenwasser von überdachten oder zwischengelager-
die Böschungskante geschoben. Beim Einsatz von Förderbrücken
und Förderbändern steht die Kippvorrichtung mit ihren kippen-
- ten Flächen;
Oberflächenwasser von Deponieflächen mit Deponieober-
seitigen Stützen auf frisch geschüttetem Material der Vorkippe
des Kippensystems. Dieser Umstand verlangt nach eingehendem
--flächenabdichtungssystem;
Fremdwasserzuflüsse (Quellwasser, Schichtwasser);
Abwasser aus dem Sanitärbereich.
bodenmechanischem Überprüfen der Standsicherheit.
Das Abkippen und Aufhalden von Gesteinsmassen beinhal-
tet eine Vielzahl von umweltrelevanten sowie arbeitstechnischen
und sicherheitstechnischen Sachfragen. Vom Geologen sind
Abwasserkontrollen zum Bestimmen der Inhaltsstoffe im Sicker- Aussagen über eine mögliche Beeinträchtigung des Untergrun-
wasser aus dem Deponiebasisabdichtungssystem eignen sich des und des Grundwassers im näheren und weiteren Nachbar-
zum Überwachen der Abbauvorgänge im Deponiekörper. schaftsbereich zu treffen. Geologienahe sind weiterhin Fragen
des Staubanfalls, des Verwitterungsfortschrittes und des Wie-
derbegrünens.
15.4 Oberirdische Deponien für Inertstoffe Grundlage aller Diskussionen ist die geologische Aufnahme
des Abbaugebietes mit qualitativem und quantitativem Untersu-
Für nicht belastete Massen aus Erdaushub und Bauschutt sowie chen aller im Abraum anfallenden Gesteine. Soweit Mischungen
nicht brauchbare Massen aus Steinbrüchen und Bergbau besteht aus verschiedenen Gesteinsschichten zur Ablagerung kommen,
ein gesetzliches Verwertungsgebot, gegebenenfalls mit Aufberei- ist eine Aussage zu treffen, ob und wie sich das Mischungsver-
tung und Zwischenlagerung. hältnis in der Zukunft ändert. Für die hydrogeologische Frage-
Sollen solche nicht belasteten Massen deponiert werden, stellung ist von Interesse, inwieweit lösliche Stoffe (Salz, Gips,
so können sie im Rahmen eines internen Massenausgleichs auf sulfidische Erze) aus einer vom natürlichen Wasserkreislauf ab-
Halden und Kippen abgelagert werden. Für die einzulagernden geschirmten Lage an die Oberfläche oder in vom Grund- oder
Massen müssen die Herkunft und die bisherige Verwendungsart Sickerwasser durchströmte Bereiche verfrachtet werden können.
des Bodens bekannt sein. Grundsätzlich ist auszuschließen, dass Sowohl die arbeitstechnischen als auch die sicherheitstech-
aus der Ablagerung eine Beeinträchtigung des öffentlichen Wohls nischen Fragen verlangen nach einer genauen Analyse der auf-
zu befürchten ist. Angelieferte Massen sind nach Augenschein zuhaldenden oder abzukippenden Gesteinsmischungen. Diese
und gegebenenfalls durch Riechproben zu testen. zeigen ein anderes bodenphysikalisches Verhalten als die in
Leicht oder wenig belastete Aushubmassen, Bauschutt und getrennten Schichten anstehenden Bodenmassen. Sowohl Mi-
Deponiegut aus Sanierungsanlagen für kontaminierte Böden schungen von Gesteinen wie auch umzulagernde einheitliche
können, sofern im Eluat die Zuordnungswerte der . Tab. 15.2 Erdmassen erleiden beim Lösen, beim Transport und beim Ab-
eingehalten werden, auf Deponien der Klasse I abgelagert werden. kippen Veränderungen in ihren bodenmechanischen Eigenschaf-
ten, die für die Standsicherheit der Halden- und Kippenböschung
von ausschlaggebender Bedeutung sind (Schubert 1972, Stoll
-
15.4.1 Halden und Kippen 2009). Folgende Faktoren sind von Bedeutung:
Art, Korngrößenverteilung oder Stückgrößenverteilung der
In Bergbau- und Steinbruchbetrieben fallen neben dem jeweiligen
Abbauprodukt in großen Mengen unbrauchbare Gesteinsmassen
(Berge) an. Dabei bewirkt sowohl das Nutzen neuer Lösetechni-
ken wie auch die Konzentration auf wenige Abbaustandorte eine
- transportierten Boden- und Gesteinsmassen;
natürlicher Wassergehalt und Plastizitätseigenschaften der
anstehenden Gesteinsschichten und Veränderungen im
Wassergehalt während des Transportes (Verringerung bei
Zunahme der unbrauchbaren Massen. Auch der Straßen- und Trockenwetter, Vergrößerung bei Regenwetter, Gefahr des
Tunnelbau liefert Gesteinsmassen, die gelegentlich in Seitenabla-
gerungen aufgehaldet werden müssen. Besonders groß sind die
umzulagernden Massen beim Braunkohlenbergbau.
Abgelagert werden solche Massen auf Halden und Kippen
- Eintritts von thixotropen Zuständen beim Bandtransport);
Entmischungsvorgänge beim Verstürzen (große Gesteins-
blöcke oder Erdklumpen stürzen über die Kippe oder
Halde bis zum Böschungsfuß, feinkörnigere Mischungen
(. Abb. 15.17). Von Halden spricht man, wenn das Material verbleiben in höherer Lage in der Böschung); Abhängigkeit
über dem natürlichen Geländeverlauf zu einem künstlichen der Entmischung vom zufälligen Wassergehalt;
626 Kapitel 15 • Deponietechnik
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21 .. Abb. 15.16 Aufbau von Abraumkippen (a) und Abraumhalden (b). Die spitzkegelige Ausbildung entsteht beim Einsatz von Förderbändern oder Förderbrü-
cken. Ebene Oberflächen entstehen beim Einsatz von Planierraupen oder Räumpflügen. Im Gegensatz zu dem sonst weitgehend horizontalen Schichtenein-
22 bau bei Erdbauwerken werden Kippen und Halden aus sich überlagernden Schuttkegeln oder Schuttfächern mit Neigungswinkeln zwischen etwa 30 und 40°
aufgebaut. Die Zahlen 1–4 geben die Reihenfolge der Schüttungen an
23
15.4 • Oberirdische Deponien für Inertstoffe
627 15
.. Abb. 15.17 a,b Gestufter Ausbau von Dämmen bei Klärteichen mit Filterlage, c Sedimentationsanlage mit Spüldamm in der Grube „Weiß“ bei Bensberg,
d Damm aus einzelnen maschinell eingebauten Erhöhungsstufen, e Dammbau und Dammerhöhung aus maschinell abgetrenntem Grobkorn, f,g Grundriss
und Längsschnitt von schwalbennestartig dem Hang angehefteten Klärbecken. (Umgezeichnet nach Brauns und Blinde 1985)
- Überlagerungshöhe;
Wasserdurchlässigkeit des geschütteten Materials, Möglich-
keiten der Entwässerung und Gefahren des Aufbaus von
Teil 15 zu beachten.
Der Wassertransport der Trübstoffe erfordert einen nicht zu
langen Transportweg. Somit wird die Form der Anlage stets von
- Porenwasserüberdrücken;
veränderte Scherfestigkeit nach eingetretener Verdichtung
den örtlichen morphologischen Gegebenheiten mitbestimmt.
In der Ebene entstehen Becken mit allseitiger Umschließung.
- geschütteten Material;
Aussagen über den Untergrund mit natürlichem Gelände-
verlauf und bodenphysikalischen Kenngrößen wie Boden-
art, Lagerungsdichte, Steifemodul, Wasserdurchlässigkeit
nen als Klärteiche mit allseitiger Umschließung für die Ablage-
rung von Trübstoffen genutzt werden.
An Hängen oder auf geneigtem Gelände genügen Eindäm-
mungen mit winkelförmigem Grundriss. Solche Dämme schlie-
und Scherfestigkeit und deren Veränderung bei Belastung. ßen beidseitig an den Hang an und umschließen so eine Hohl-
form. Solche Klärbecken sind dem Hang wie Schwalbennester
Zum Beantworten der arbeitstechnischen und sicherheitstech- angeheftet (. Abb. 15.18f,g).
--
nischen Fragen werden folgende Berechnungen durchgeführt:
Setzung der Halde (. Tab. 9.4 und 15.3, . Abb. 15.17);
Grundbruchsicherheit der Halde (. Tab. 9.1, . Abb. 9.2
Talsperrenartige Klärteiche kommen im Bergland in Be-
tracht, sofern ein Tal zum Absperren zur Verfügung steht. Hier-
bei ergibt sich das Erfordernis, die natürlichen Abflüsse sicher
- und 15.21);
Sicherheit gegen Böschungsbruch nach DIN 4084
(. Tab. 11.1, . Abb. 11.10).
zu beherrschen. Das Einbeziehen von Fließgewässern in die
Stauhaltung stellt hohe Anforderungen an die Hochwasserent-
lastungsanlage und beeinträchtigt die Klärung der Trübe. Bei
Hochwasser besteht die Gefahr, dass Trübstoffe in den Vorfluter
Bei den Kippen im Braunkohlentagebau und vergleichbaren An- gelangen. Günstigerweise wird man die natürlichen Zuflüsse mit-
lagen wird die Standsicherheit der Kippen- oder Haldenböschung tels Hanggräben um das Klärbecken herumleiten.
und die Sicherheit gegen Böschungsbruch kontinuierlich mit den Ein besonderes Merkmal der Klärteiche und der Erhöhung
sich ändernden bodenmechanischen Eigenschaften der geschüt- der Staubecken von Klärteichen ist der gestufte Ausbau. Der be-
teten Mischungen und den sich verändernden Schütthöhen rech- nötigte Klärraum wächst mit der Betriebszeit. Nur selten stehen
nergestützt ermittelt. Bei kleineren Betriebsgrößen kann die Stabi- zu Beginn der Klärarbeiten die Investitionsmittel für Jahrzehnte
lität der Böschung auch nach den Verfahren von Fellenius, Taylor bereit. Vielmehr werden die erforderlichen Dammkonstrukti-
oder Jelinek bestimmt werden (. Abb. 7.1 und 7.2, . Tab. 7.4). onen in Stufen ausgebaut und hochgezogen (. Abb. 15.18a,b).
In den Damm werden Fremdstoffe (Kies, Steine) eingebaut. Au-
ßerdem werden die Grobkörnungen der Trübe zum Stabilisieren
15.4.2 Klärteiche herangezogen. Die Feststoffsuspension wird vom Damm aus in
den Klärteich eingespült, sodass sich zunächst das Grobkorn auf
Beim Aufbereiten von Rohstoffen fallen große Mengen an un- dem dem Damm vorgelagerten Spülstrand ablagert. Das Fein-
brauchbaren Massen in Form von Trübstoffen an. Als Wasch- korn wird in weiter entfernten Teilen des Spülsees abgelagert. Das
oder Flotationstrübe werden diese Rückstände in Klärteiche wirksame Trennen in die verschiedenen Kornfraktionen ist das
628 Kapitel 15 • Deponietechnik
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13 .. Abb. 15.18 Beispiele für technische Entgasungssysteme nach LAGA-Informationsschrift „Deponiegas“. a Flächendrän, b Schottersäulen im Abstand von
50–80 m, c Gasbrunnen, d Entgasungsschacht, e Entgasungsgraben zum Unterbrechen der Gasmigration
14
Hauptproblem beim Nutzen der Trübstoffe. Ist eine ausreichende Gegensatz zu Spüldämmen mit wassergesättigten, unverdichteten
15 Grobkörnung im Spülgut enthalten, kann das Absperrbauwerk Erdmassen weisen diese Konstruktionen auch bei Erdbeben er-
weitgehend als Spüldamm erstellt werden (. Abb. 15.18c). Herr- höhte Standfestigkeit auf. Zum Trennen von Fein- und Grobkorn
schen jedoch im Spülgut die feinkörnigen Bodenarten vor oder kommen Aquamatoren mit einer Korntrennung durch Wasserströ-
16 lassen sich diese nicht abtrennen, muss das Absperrbauwerk aus mung, Absetzklassierer mit einer Korntrennung durch Schwerkraft
Fremdmaterial aufgebaut werden. und Hydrozyklone mit Trennung durch Fliehkraft zur Anwendung.
17 Im Spülstrandkörper nehmen bei sorgsamem Betrieb der An- Die geologische Untersuchung für das Planen und Über-
lage Körnung und Durchlässigkeit des eingespülten Sedimentes mit prüfen von Klärbecken umfasst das Klären der morphologi-
der Entfernung von der Einlassstelle kontinuierlich ab. Somit kann schen Situation, die geologische Kartierung und Deckschich-
18 sich zur Luftseite hin eine Sickerlinie in günstiger Lage einstel- tenkartierung und die Untersuchung des Untergrundes für das
len, und das Sickerwasser kann gefahrlos abgeführt werden. Eine Klärbecken und für die Absperrbauwerke. Die Beurteilung der
19 Drän- und Filteranlage am Fuß der Dammschüttung begünstigt Standsicherheit berücksichtigt die für den Bau von Stauanlagen
die Wasserhaltung und Standfestigkeit der Dammkonstruktion. und Talsperren bestehenden Normen. Eine besondere Gefahr
20 Eine Bauweise mit maschinell eingebauten Erhöhungsstu- geht von den Sickerverhältnissen und den damit verbundenen
fen (. Abb. 15.18d) führt mit zunehmender Aufhöhung zu ei- Stabilitätsverlusten im und unter dem Stauraum sowie in und
ner Verschiebung der Dammachse auf die Wasserseite zu. Aus unter den Absperrbauwerken aus. Dammbrüche von Klärteichen
21 Gründen der Standsicherheit können solche Bauweisen nicht haben mehrfach zu katastrophalen Schlammströmen geführt.
auf beliebige Höhe fortgeführt werden. Mit zunehmender Höhe Beim Grubenunglück von Lengede im Jahre 1963 fluteten die
22 werden Feinkornlagen im Untergrund mitbelastet, welche dann Wässer eines Klärteiches die Untertageanlagen der unmittelbar
für die Gesamtstandfestigkeit des Bauwerkes maßgebend sind. benachbarten Zeche.
Durch systematisches Trennen des Grobkornes vom Feinkorn Veränderlich feste Gesteine und die hieraus abgetrennten
23 und den maschinellen Einbau der gewonnenen Sandfraktion Grobkörnungen sind für Dammkonstruktionen im Hinblick auf
können standfeste Dämme aufgebaut werden (. Abb. 15.18e). Im die Standsicherheit des Untergrundes nur bedingt geeignet. Die
15.5 • Oberirdische Altdeponien für Hausmüll und hausmüllähnliche Abfälle – historische Entwicklung
629 15
Veränderung ihrer bodenmechanischen Eigenschaften im Zuge Das Schütten erfolgte planlos ohne vorhergehende oder wei-
eintretender Verwitterung ist genauestens zu erkunden. Von tere Behandlung. Ein Verdichten des Schüttungskörpers erfolgte
den Klärteichen kann eine umweltrelevante Beeinflussung der bei der damals üblichen Vorkopfschüttung in der Regel nicht.
Grundwasserqualität ausgehen. Unbedenklichkeitsnachweise für Gelegentlich wurde der abgelagerte Abfall in Brand gesetzt, um
benachbarte Wasser- und Grundwassernutzung sind im Zuge Raum für weiteren Abfall zu schaffen oder sparsam mit Depo-
hydrogeologischer Begutachtung zu erbringen. nieraum umzugehen.
Im Umfeld der Städte setzte sich der Hausmüll in der Nach-
kriegszeit zunächst überwiegend aus Bauschutt und schwer ver-
15.5 Oberirdische Altdeponien für Hausmüll rottbarem Sperrmüll zusammen.
und hausmüllähnliche Abfälle Eine Abschirmung des Deponiekörpers gegenüber der Um-
– historische Entwicklung welt war, sofern keine natürliche geologische Barriere vorhanden
war, nicht gegeben.
Als Altdeponien werden nach der Deponieverordnung DepV, Über die Beeinflussung des Grundwassers durch Müllkörper
§ 2 solche Deponien bezeichnet, die sich am 16. Juli 2009 in der wird 1951 von Rössler erstmals berichtet, wobei er auf Arbeiten
Ablagerungsphase, Stilllegungsphase oder Nachsorgephase be- aus den Jahren 1920 bis 1938 Bezug nimmt. In den betroffenen
fanden. Das Deponieverhalten der in Altdeponien eingebauten Kreisen der Wasserwirtschaft war das Problem der Grundwas-
Abfälle unterscheidet sich von den nach DepV abgelagerten serverunreinigung durch Abfalldeponien bekannt.
behandelten Abfällen. Das Deponiegut (Müll) wird sich über Anfang der Sechzigerjahre wird das Problem der Grundwas-
lange Zeit verändern, um allmählich in einen „geologischen serkontamination im Umfeld von Hausmülldeponien in der Fach-
Körper“ überzugehen. Um den inneren Aufbau und das Ein- welt thematisiert (Semmler 1960, Langer 1963, Zwittnig 1964).
passen solcher „Körper“ in die Landschaft zu verstehen, sind Untersuchungen über das Abbauverhalten von Deponiesi-
nachstehend die Altdeponien in ihrer historischen Entwick- ckerwasser im Grundwasser (Andersen und Dornbush 1967;
lung beschrieben. Golwer et al. 1969) und der gestiegene Landverbrauch durch das
Das Deponieren von Siedlungsabfällen reicht in Mitteleuropa ungeordnete, „wilde“ Deponieren führten zur Entwicklung der
bis in das frühe Mittelalter und die Antike zurück. Hohe Besied- „geordneten Deponie“.
lungsdichte und Konsum von industriell hergestellten Produk-
ten, deren vermeintliche Reparaturkosten höher wären als die zz Kenntnisstand der Deponietechnik 1965
Kosten für eine Neubeschaffung, ließen die Abfallberge seit dem Bei lockerer, unverdichteter Ablagerung des Mülls entsteht De-
Ende der Notzeiten höher wachsen. poniesickerwasser. Die Umsetzung organischer Massen erfolgt
Parallel dazu entwickelte sich die Deponietechnik. in zwei Phasen: der aeroben Verrottung und der anaeroben
Beim Deponieren von Hausmüll und Siedlungsabfällen sind Vergärung. Die aerobe Verrottung tritt bei gering verdichtetem
fünf verschiedene Deponietypen zu benennen: Abfall oder bei normal verdichtetem Abfall in einer kurzen An-
1. die ungeordnete Deponie; fangsphase (saure Phase) auf. Bei der aeroben Verrottung ent-
2. die geordnete Deponie; steht leicht saures Sickerwasser mit hohen BSB5-Werten. Dieses
3. die geordnete Deponie nach TA Abfall; Sickerwasser enthält neben leichtlöslichen Salzen leicht abbau-
4. die Reststoffdeponie nach TA Siedlungsabfall; bare organische Fett- und Carbonsäuren. Die anaerobe Vergä-
5. Deponien für behandelte Reststoffe nach DepV. rung tritt bei normal verdichtetem Abfall in der Reifephase auf.
Durch das Eindringen von Deponiesickerwasser in das Grund-
Die Schrittmacher für die Entwicklung der Deponietechnik sind wasser kann es im Bereich sensibler Grundwassernutzungen,
Raumangebot und Umweltauswirkung in gleichem Maße als li- z. B. bei Trinkwasserfassungen, Brauereien und Molkereien, zu
mitierender wie auch fördernder Faktor. Nutzungseinschränkungen kommen. Im Grundwasserabstrom
von Deponien treten drei hintereinander liegende Zonen auf,
und zwar die Reduktionszone, die Übergangszone und die Oxi-
15.5.1 Die ungeordnete Deponie – Müllkippen dationszone. In der Reduktionszone fehlen freier Sauerstoff und
und Müllhalden Nitrat. Gleichzeitig treten gelöstes Eisen in zweiwertiger Form
und Ammonium auf. Sulfat kann reduziert werden. In der
Das ungeordnete Deponieren von Hausmüll und anderen Ab- Oxidationszone ist ständig freier Sauerstoff vorhanden. In der
fallarten erfolgte in Deutschland bis Anfang der Siebzigerjahre dazwischen liegenden Übergangszone tritt nur zeitweise freier
und ist außerhalb des Geltungsbereiches von DepV und gleich- Sauerstoff auf.
artigen Bestimmungen in Europa noch heute eine häufig, wenn
nicht gar die am häufigsten, angewandte Methode zum Entsorgen
von Abfällen, besonders in Entwicklungsländern. Das Abkippen 15.5.2 Die geordnete Deponie (Altdeponie)
erfolgte in aufgelassenen Sand-, Kies- und Tongruben. Auch
natürliche Hohlformen wie Dolinen, Karstschächte, Sack- und Die geordnete Deponie wurde in der BRD mit Beginn der
Blindtäler wurden durch Müllschüttungen verfüllt. 1970er-Jahre eingeführt. Der deponietechnische Unterschied zur
ungeordneten Deponie bestand zunächst darin, dass auf ausge-
630 Kapitel 15 • Deponietechnik
wiesenen Ablagerungsplätzen eine Verdichtung des Abfalls durch begegnet werden. Durch Methan, Kohlenmonoxid und andere
1 Raupen und einfache Verdichter durchgeführt wurde. Ziel der Einflüsse entstehen häufig Deponieschwelbrände, die feuerwehr-
Verdichtung war es, den Deponieraum sparsam zu verwenden technisch nur schwer beherrschbar sind.
2 und die Deponiesickerwassermenge zu verringern. Deponiesickerwasser schien nach dem damaligen Kenntnis-
Verwaltungstechnisch war die Aufgabe der Abfallbeseitigung stand ein zentrales Problem der Deponietechnik zu sein (Steg-
von den Kommunen an übergeordnete Gebietskörperschaften, mann und Ehrig 1980; Doedens und Cord-Landwehr 1984; Stork
3 meistens Stadt- oder Landkreise, übergegangen. Juristisch war 1985; Hantge et al. 1986; Coldewey und Schütz 1990; Hohnecker
damit auch ein Übergang von einem „Abfuhrrecht“ zu einem und Biehler 1991). Dies führte zur Umsetzung verschiedener
4
5
Abfallbeseitungsrecht verbunden.
In dieser Phase der Deponiegeschichte konnten wesentliche
Erkenntnisse zur Verbesserung einer umweltschonenden Depo- -
Forderungen:
Die Zuordnungskriterien schließen Abfälle mit Konzent-
rationsüberschreitungen im Eluat aus oder erfordern eine
nietechnik gewonnen werden.
- Vorbehandlung.
Die Abdichtung gegen schädliche Flüssigkeiten wird für die
-
6 zz Kenntnisstand der Deponietechnik 1975 Lagerungs-, Behandlungs- und Arbeitsbereiche gefordert.
Durch Verdichten des Müllkörpers geht dieser schneller in den Das Deponieabdichtungssystem wird als Multibarrieren-
7 Zustand der anaeroben Vergärung über. Dadurch sinkt die BSB- system mit geologischer Barriere, mineralischer Dichtung
Belastung des Sickerwassers. Gleichzeitig nimmt die Sickerwasser- (Düllmann 1985) und Kunststoffdichtungsbahn definiert
8 menge ab. Bei zu niedrigem Wassergehalt im Deponiekörper ist die
Umsetzung der organischen Massen, also die sogenannte Minerali-
sierung, verlangsamt. Deponiesickerwasser kann durch Dränrohre - (Stief 1986).
Material- und Prüfungsanforderungen für das Abdich-
tungssystem werden festgeschrieben (TA Abfall, Anhang G;
9
10
aufgefangen und abgeleitet werden. Durch Zentralisieren der Ab-
lagerung und Einschränken der ungeordneten, wilden Deponien
wird eine Verbesserung der Grundwasserqualität erreicht. -- Jessberger 1985, Olzem 1985).
Das Fassen des Deponiesickerwassers wird vorgeschrieben.
Der Deponiebetreiber erhält Vorgaben über ein Mess- und
Kontrollprogramm, in das die Grundwasserbeschaffenheit
einbezogen wird.
11 15.5.3 Die „nachgerüstete geordnete Deponie
nach TA Abfall“ (Altdeponie) Eine explizite Definition der geologischen Barriere erfolgt nicht,
12 jedoch werden verschiedene geologische Situationen beschrie-
Die „Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallge-
setz“ (TA Abfall vom 17.12.1990) war vom Gesetzgeber zur
-
ben, die zu einem Ausschluss als Deponiestandort führen:
Standorte in Karstgebieten oder stark klüftigen, besonders
--
13 Regelung der Handhabung und Ablagerung von Sonderabfäl- wasserwegsamen Gesteinen;
len (besonders überwachungsbedürftige Abfälle) geschaffen Standorte in Trinkwasserschutzgebieten;
14 worden. Sie ist strenggenommen für Hausmülldeponien nicht Standorte in Überschwemmungsgebieten.
relevant. Im Zeitraum bis zum Inkrafttreten der „Dritten all-
15 gemeinen Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz“ (TA Sied- Diese legislativen Änderungen hatten zur Folge, dass die Auf-
lungsabfall vom 14.05.1993) war sie für Deponiebetreiber und sichtsbehörden eine Erweiterung oder Erneuerung der Plan-
Genehmigungsbehörden Leitschnur für die Organisation von feststellungsbeschlüsse forderten, die die Anforderungen der
16 Deponiebetrieben sowie für den Ausbau und das Nachrüsten TA Abfall mindestens zum Teil realisierten. Bei den meisten
von Deponieanlagen. Altanlagen kam es somit in den Jahren 1986 bis 1990 zu einer
17 Nachrüstung des Abdichtungssystems, der Sickerwasserfassung
zz Kenntnisstand der Deponietechnik 1985 und der Grundwasserüberwachung.
Das Deponiesickerwasser der Methanphase weist mit zuneh- Jede Nachrüstung hat Grenzen. So kann der Standort einer
18 menden Deponiealter ein höheres CSB/BSB-Verhältnis auf. Die Deponie nur in Ausnahmefällen verändert werden. Der nach-
Abbaubarkeit des Deponiesickerwassers in kommunalen Abwas- trägliche Einbau eines Basisabdichtungssystems oder einer Si-
19 serreinigungsanlagen ist stark eingeschränkt. Das Entwässern ckerwasserfassung ist nur mit erheblichem Aufwand realisierbar.
des Müllkörpers bereitet Probleme, da Dränrohre häufig nicht In einigen Fällen wurde mit seitlichen Abdichtungssystemen
20 die erforderliche Stabilität aufweisen oder durch Inkrustation oder Zwischenabdichtungen mit darüber liegenden Sickerwas-
eine Verminderung der Wegsamkeit entwickeln. Grundwasser- serfassungen ein neuer Deponiekörper nach dem Stand der
verunreinigungen im Abstrom von Deponien lassen Standorte Technik von der Altanlage abgegrenzt.
21 mit vorgesehener wasserwirtschaftlicher Nutzung als ungeeignet Die sofort durchgeführte Verdichtung des abgelagerten Mülls
erscheinen. Problematische Müllbestandteile (Chemikalien und sollte die Sickerwassermenge verringern und eine hohe organi-
22 ähnliche industrielle Abfälle) müssen unter besonderen Sicher- sche Belastung durch Gärsäuren vermeiden.
heitsvorkehrungen abgelagert (Love Canal!) werden. Hausmüll- Durch diese Verfahrensweise treten zwei weitere Probleme
und Sondermülldeponien müssen gegenüber der Hydrosphäre auf: Das Deponiesickerwasser tritt nun als Produkt der anae-
23 abgedichtet werden. Standorte mit natürlicher Abdichtung sollen roben Gärung auf. Hohe Ammoniumgehalte machen es für
bevorzugt werden. Der Geruchsbelästigung durch Hausmüll- Fische und niedere Organismen unverträglich. Die schlechte
deponien kann durch frühzeitiges Abdecken des Müllkörpers biologische Abbaubarkeit des Deponiesickerwassers in Abwas-
15.6 • Einbau und Standfestigkeit der Abfälle in oberirdischen Deponien
631 15
serreinigungsanlagen wird durch das hohe CSB/BSB5-Verhältnis einem Glühverlust von weniger als 5 % die gravierendste Aus-
belegt. Die Vorbehandlung des Sickerwassers vor Einleiten in wirkung darstellt. Dieser Zuordnungswert soll sicherstellen, dass
Abwasserreinigungsanlagen erscheint unumgänglich (Landtag die Deponie lediglich der Ablagerung von Stoffen, nicht jedoch
Baden-Württemberg 1994). Abwasserrechtliche Regeln bestehen als Ort zum Abbau und Umsatz von organischer Substanz dient.
(Zander-Hauck et al. 1993, Hahn und Hoffmann 1991).
Mit der anaeroben Gärung treten auch große Mengen Depo- zz Altdeponien für besonders überwachungsbedürftige
niegas auf. Dieses Deponiegas besteht vorwiegend aus CO2, CO, Abfälle (Sondermüll)
H2S und CH4. Das Entgasen von Deponien spielte im Regelwerk Das Ablagern der besonders überwachungsbedürftigen Abfälle
bis zum Entstehen der TA Siedlungsabfall keine Rolle, und so darf war in TA Abfall geregelt. Für das Ablagern von solchen Abfällen
davon ausgegangen werden, dass dieses Problem erst in den 1980er- in oberirdischen Deponien bestanden über die Ausbildung der
Jahren bedeutsam geworden ist (Weber und Neumaier 1993). Deponie und die Betriebsabläufe hinaus Anforderungen an In-
Wesentlich ist die Erweiterung des Kenntnisstandes über die formation und Dokumentation. Die das Ablagern begleitenden
Grundwasserbeeinflussung durch Deponien durch Grundwas- Überprüfungs- und Arbeitsschritte waren detailliert vorgegeben.
seruntersuchungsprogramme, die an den in den Jahren 1985 bis Bestimmte Zuordnungswerte (Anhang D der TA Abfall) muss-
1990 gebauten Grundwassermessstellen durchgeführt wurden. ten eingehalten werden. Sollten sich aus der Nachsorge Fragen
ergeben, so können die dokumentierten Ablagerungsberichte
wichtige Hinweise enthalten.
15.5.4 Die Reststoffdeponie nach der TA
Siedlungsabfall (Altdeponie)
15.6 Einbau und Standfestigkeit
Die Erkenntnis, dass auch gut abgedichtete Hausmülldeponien ei- der Abfälle in oberirdischen Deponien
nen schädlichen Einfluss auf das Grundwasser haben (Jäger und
Reinhardt 1990, Tsonis und Yannopoulos 1991), führte zu wesentli- Der Deponiebetrieb verlangte regelmäßig vorzunehmende Un-
chen Änderungen in der „Deponierungsphilosophie“ der TA Sied- tersuchungen zur Standsicherheit und möglichen Verformung
lungsabfall bis zur Deponieverordnung (DepV). Um das Anfallen des Deponiekörpers, des Untergrundes und aller sonstigen in-
von Sickerwasser und Deponiegas so weit wie möglich zu vermei- genieurtechnischen Einrichtungen. Standsicherheit und Verfor-
den, wendete man sich von der Reaktordeponie ab und führte die
Ablagerung inerter Reststoffe als Konzept flächendeckend ein.
--
mung sind abhängig von
der Art der Abfälle,
-- der Einbautechnik,
den Ausmaßen des Deponiekörpers,
--
zz Kenntnisstand der Deponietechnik 1995
Das austretende Methan und die anderen Deponiegase werden dem Rotteprozess im Müllkörper,
zunehmend als Problem erkannt. Gebäude im Bereich der De- möglichen starren Einbauten im Deponiekörper und
ponie (Waagen, Sozialräume, Kassenhaus) müssen gegen die den geologischen Gegebenheiten im Untergrund.
Ansammlung von Deponiegas geschützt werden. Ein kontrol-
liertes Entgasen der Deponien ist erforderlich. Die Deponiegase
werden in Fackeln verbrannt. Untersuchungen im Umfeld zeigen, 15.6.1 Einbau fester Abfälle
dass Sickerwasseremissionen nur schwer beherrschbar sind. Die
schlechte Abbaubarkeit des Deponiesickerwassers machte eine Der Einbau fester Abfälle wie Hausmüllverbrennungsasche, Kes-
Sickerwasseraufbereitung am Ort des Entstehens erforderlich. selasche, Steinkohleflugasche, Schmelzkammergranulat, Schla-
Das Ableiten unaufbereiteten Sickerwassers in kommunale Klär- cken, Gießereireststoffe sowie konditionierter oder chemisch
anlagen ist nicht mehr möglich. gebundener Massen, mineralisch oder chemisch verschmutz-
Die Deponiepraxis zeigt, wie schwierig es ist, großflächig ter oder natürlich belasteter Erdmassen (schwermetallhaltige
funktionierende Abdichtungen zu installieren. Vagabundierende Böden) erfolgte nach den Regeln des Erd- und Grundbaus.
Phasen von LHKWs und Mineralölkohlenwasserstoffen stellen Hierzu werden an dem behandelten Abfallgut die bodenme-
das Konzept der mineralischen Abdichtung stark in Frage. chanischen Kennwerte ermittelt und das Abfallgut wurde je
Die Probleme des Deponiesickerwassers und des Deponiega- nach Bedarf und Nutzbarkeit in Bauwerke (z. B. Straßenbau)
ses scheinen nur beherrschbar, wenn die chemisch-biologischen eingebaut, recycelt oder deponiert. Beim Deponieren richteten
Reaktionen minimiert werden. Dies führt zu der Forderung nach sich Aufschüttungshöhe, Böschungsgestalt, Böschungsneigung
der Inertstoffdeponie. und Sicherheit gegen Rutschen, Erosion und Deflation nach den
Bei Betriebsende von Reaktordeponien beginnt eine Nach- physikalischen und bodenmechanischen Eigenschaften dieser
sorgephase, in der der Deponiesickerwasserhaushalt und Depo- Feststoffe.
niegashaushalt bewirtschaftet und überwacht werden. Die Dauer
der Nachsorgephase ist unbekannt und ungeregelt. Nach ersten
Erfahrungen bei stillgelegten Hausmülldeponien ist mit einer
Nachbewirtschaftung von mehr als 30 Jahren zu rechnen.
Die wesentliche Änderung liegt in der verschärften Anwen-
dung von Zuordnungswerten, von denen die Forderung nach
632 Kapitel 15 • Deponietechnik
1
2
3 .. Abb. 15.20 Querschnitt durch eine Altdeponie nach Spillmann (1980).
Durch den getrennten Einbau von Aushubmaterial und Bauschutt konnte ge-
4 genüber dem üblichen unsortierten Einbau eine steilere Böschungsneigung
mit ausreichender langzeitiger Standsicherheit gewählt werden
5
Deponiegutes und auf die Standsicherheit des Untergrundes zu
achten.
6 .. Abb. 15.19 Schnitt durch eine Sondermülldeponie mit undurchlässigen
Von möglichen Grundbrüchen sind die Böschungsstabilität
Zwischenabdeckungen und getrennten Dränagesystemen
und die Befahrbarkeit, aber auch die Wirksamkeit von Basisab-
7 dichtung, Dränagesystem und Entgasungssystem einschließlich
15.6.2 Einbau von Müll und halbfesten Abfällen der Standfestigkeit von Beobachtungsschächten betroffen. Es
bei Altdeponien muss die Standsicherheit im Deponiekörper in Bezug auf Bö-
8 schungsbruchsicherheit (DIN 4084) und Spreizdruckversagen
In Deutschland erfolgte bis 2005/2009 das Ablagern und Ein- in der Deponiebasis gewährleistet sein. Neben konstruktiven
9 bauen solcher Abfälle in Deponien nach LAGA-Vorschriften. Angaben zur Höhe der Aufhaldung und zum beabsichtigten Bö-
Das geordnete Ablagern von Müll und halbfesten Abfällen schungswinkel interessieren als maßgebende bodenmechanische
10 (konditionierte verfestigte Klärschlämme) umfasste demnach (müllmechanische) Kenngrößen die Art des Deponiegutes, der
Zerkleinern, Einbauen und Verdichten der Abfälle und Abde- Klärschlammanteil an der Gesamtmüllmenge, die Materialdichte,
cken der Betriebsflächen mit begleitenden Maßnahmen gegen der Wassergehalt, das Hohlraumvolumen, die Scherfestigkeit, ge-
11 Papierflug, Lärm, Staub und das Massenauftreten von Tieren trennt nach Winkel der inneren Reibung und Kohäsion, und als
sowie das Verhüten von Bränden, das Errichten von Schutzwäl- Kriterium für zu erwartende Reaktionen und müllmechanische
12 len und die Anlage von Entwässerungsgräben. Der Einbau von Veränderungen, das Deponiealter bzw. bei Umlagerung das Alter
Schlämmen aus Kläranlagen erfolgte im entwässerten Zustand. des Deponiegutes.
In Betracht kamen ausgefaulte und aerob stabilisierte Schlämme Die bodenmechanischen Kenngrößen für den Müll variie-
13 mit Wassergehalten bis 65 %. Die Schlämme wurden entweder ren stark mit der Art und Menge der eingebauten Abfallstoffe,
mit den festen Abfällen vermischt eingelagert, oder es wurden dem Anteil an Klärschlamm und anderen Schlämmen, der Art
14 einzelne mit Folien ausgelegte Kammern mit Klärschlamm ver- und Menge des Materials für die Zwischenabdeckungen, dem
füllt (Behälterdeponie). Derartige Kammern (Kassetten) wurden Einbauverfahren, der Müllzerkleinerung und -verdichtung, den
15 aus Gründen der Belastbarkeit in der obersten Lage der Deponie biochemischen Abbauvorgängen und dem Alter der Deponie.
eingebaut. Frisch abgelagerter Grobmüll hat eine hohe Zugfestigkeit (Plas-
Nach den LAGA-Vorschriften waren die eingebrachten Ab- tik, Pappe, Holz) und somit einen hohen kohäsiven Zusammen-
16 fälle flächenhaft einzubauen und lagenweise (30–50 cm) zu ver- halt. Durch die Müllzerkleinerung wurde diese hohe Zugfestig-
dichten (. Abb. 15.21). Nach Abschluss des täglichen Betriebes keit teilweise erniedrigt. Mit dem Einbau von Klärschlamm mit
17 waren die eingebauten Abfälle mit Bodenaushub, Bauschutt oder Wassergehalten bis 65 % erniedrigte sich die Anfangsstandfes-
geeignetem Gewerbeabfall abzudecken. Dabei sollte das Zwi- tigkeit erheblich. Maßgebend war die mit der Flügelsonde zu
schenabdeckmaterial luft-, gas- und wasserdurchlässig sein und bestimmende Anfangsscherfestigkeit τ0 für den Klärschlamm.
18 bei Auftrag in geringen Stärken gut befahrbar sein. Für Sonder- Die Scherparameter für den Klärschlamm schwanken je nach
mülldeponien wurden Zwischenabdeckungen aus feinkörnigem Konsolidationsgrad und Wassergehalt (Salomo 1985b):
19 Material mit aufliegender Dränage und Entwässerung verwendet
' 0 = 10 − 15ı ;
(. Abb. 15.19).
20 0 = 5 − 50 kN m−2 :
15.6.3 Bodenmechanische Kenngrößen Für die Standsicherheit der Altdeponie sind weiterhin die durch
21 für unbehandelt abgelagerten Hausmüll, die Alterung eintretenden Änderungen der bodenmechanischen
Siedlungsabfall, Klärschlamm (müllmechanischen) Kenngrößen wichtig. Die Prozesse der Al-
22
Der geordnete Einbau von Abfall in Deponien verlangt nach
-
terung sind:
biologisches Verrotten im aeroben Prozess unter Bildung
23 standsicheren Konstruktionen. Aus Mangel an geeigneten
Hohlformen wie Tongruben werden Deponien zunehmend zu
beträchtlichen Höhen aufgehaldet (in Hannover ca. 120 m).
Bei derartig hohen Bauwerken ist auf die Standsicherheit des
- von Kohlendioxid, Nitrat, Sulfat und Phosphat;
biologischer Abbau durch Mikroorganismen unter
Bildung von Kohlendioxid und Methan im anaeroben
Prozess;
15.6 • Einbau und Standfestigkeit der Abfälle in oberirdischen Deponien
633 15
.. Abb. 15.21 Grundbruchuntersu-
chung unter dem Deponiefuß nach
DIN 4017. (Salomo 1985)
--
bodenmechanischen Kenngrößen gerechnet werden:
Wichte γ = 10 kN m−3 (max. 12 kN m−3);
Bei weichem Untergrund ist der Böschungsfuß grundbruchge-
fährdet. Die Untersuchung erfolgt nach DIN 4017, Teil 2 wie bei
1 .. Tab. 15.3 Setzungsberechnung für die Mitte des Müllbergs der Deponie Flotzgrün (. Abb. 15.22; Herzhauser 1988)
Setzung nach Steinbrenner für Berechnungspunkt 1:b1 = 215 m; a = 400 m; a / b1 = 1,9; σ1 = 900 kN m−2
2 Pkt. Ord. Z ∆Z σü 0,2 σü Z/b i iσ1 iσ1ges. mittl. iσ1ges. mittl. iσ1ges. ∆Z Es mittl. iσ1ges. ∆Z Es
4
1 −2 2 2 38 7,6 0,0093 0,25 225 900 900 + 900 900 ∙ 1 = 900 50.000 0,0180
2
2 −3 3 1 58 11,6 0,014 0,25 225 900 900 + 676;8 788,4 ∙ 22 = 17.344,8 70.000 0,2478
5 2
3 −25 25 22 322 64,6 0,12 0,188 169,2 676,8 676;8 + 414 545,4 ∙ 21 = 11.453,4 70.000 0,1636
6 2
4 −46 46 21 574 114,8 0,21 0,115 103,5 414 414 + 345;6 379,8 ∙ 10 = 3798 18.000 0,2110
7 2
5 −56 56 10 674 134,8 0,26 0,096 86,4 345,6 345;6 + 259;2 302,4 ∙ 10 = 3024 18.000 0,1680
2
8 6 −66 66 10 774 154,8 0,31 0,072 64,8 259,2 259;2 + 176;4 217,8 ∙ 20 = 4356 60.000 +0,0726
2
9 7 −86 86 20 994 198,8 0,40 0,049 44,1 176,4
calsb1 = 1,1579 m
10 = 115,79 cm
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
.. Abb. 15.22 Querschnitt durch die Deponie Flotzgrün bei Speyer mit Schichtenfolge im Untergrund und der berechneten Setzungsmulde. (Herzhauser 1988)
22
23
15.7 • Schadstoffausbreitung
635 15
.. Abb. 15.23 Aufbau eines hori-
zontalen Pegels zum Messen von
Bewegungen im Deponiekörper.
(Ahting und Swatek 1977)
wirkt die Anlage räumlich begrenzter (geordneter) Deponien nen Sedimenten, welche von Sedimentkörpern unterschiedli-
1 in erster Linie der Schadstoffausbreitung als Feststoff entgegen. cher Durchlässigkeit aufgebaut sind, werden geringdurchlässige
Schichtpartien umflossen und stärker durchlässige Fließpfade
2 bevorzugt, was zu weiterer Ausbreitung der im Wasser gelösten
15.7.2 Schadstoffausbreitung oder mitgeführten Schadstoffe führt.
durch hydraulische Strömung Im porenfreien Kluftgrundwasserleiter bewegt sich das Was-
3 ser in Klüften, die nur wenige Promille des Gesteinsvolumens
Durch Leckagen in der Basisabdichtung von Deponien und einnehmen. In Abhängigkeit von der Öffnungsweite und dem
4 durch unzureichend abgedichtete Lagerung und Ablagerun- Abstand der Klüfte, der zusickernden Wassermenge und dem
gen von wassergefährdenden Stoffen geht eine Gefahr für das hydraulischen Gradienten i ergeben sich große Fließstrecken und
5 Grundwasser aus, die unter dem Begriff „Altlasten“ allgemein Abstandsgeschwindigkeiten in der Größenordnung von einigen
bekannt ist. Die kontaminierten Wässer werden bei fehlender hundert Metern bis Kilometern pro Jahr. Die Schadstoffe werden
Basis- und Oberflächenabdichtung mit einer Grundwasser- sehr schnell in konzentrierter Form weitergeleitet.
6 spende von etwa 0,05 l s−1 ha−1 dem Grundwasserstrom beige- Für den Grundwasserfluss im klüftigen Porengestein (Tonst-
mischt. Wenn die Basisabdichtung einen kf-Wert > 10−8 m s−1 ein, Kalkstein, Mergelstein, Sandstein) ergeben sich gleich hohe
7 besitzt und der hydraulische Gradient in der Deponiesohle > 1 Abstandsgeschwindigkeiten. Jedoch wirken hier auch Diffusion
ist, können alle aus der Grundwasserspende der Deponie her- und Adsorption auf die Konzentration der Wasserinhaltsstoffe
vorgehenden Sickerwässer durch eine solche Basisabdichtung ein. Gegenüber dem Massenfluss tritt eine Retardierung von
8 an den tieferen Untergrund abgegeben werden. Bei kleineren kf- Schadstoffen ein. Erst wenn das Porenwasser die gleiche Kon-
Werten verringert sich diese Sickerwasserrate entsprechend dem zentration wie das Sickerwasser auf den Klüften besitzt und
9 Darcy-Gesetz. Bei den in DepV geforderten Durchlässigkeits- wenn alle Sorptionsplätze besetzt sind, wird das Kluftgrundwas-
beiwerten für die geologische Barriere von kf ≤ 1 ∙ 10−9 m s−1 ser in unveränderter Konzentration weitergegeben. Im extrem
10 und für das mineralische Deponiebasisabdichtungssystem von günstigen Fall können kontaminierte Sickerwässer ebenso wie
kf ≤ 5 ∙ 10−10 m s−1 verringert sich die Sickerwasserrate auf mit Tracern markierte Grundwässer nach längerer Fließzeit als
ein Zehntel bis ein Fünfzehntel (10 bis 6,7 %) der natürlichen schadstoff- bzw. tracerfreies gefiltertes Wasser austreten.
11 Grundwasserspende. Der Anteil der Sickerwasserrate, der das Tonabdichtungen und Tongesteine besitzen eine geringe
Oberflächenabdichtungssystem mit dem vorgegebenen Durch- Wasserdurchlässigkeit und ein hohes Sorptionsvermögen für
12 lässigkeitsbeiwert kf ≤ 5 × 10−10 m s−1 durchsickert hat, kann Schwermetalle, sodass diese praktisch im Ton fixiert werden. Für
dem Darcy-Gesetz entsprechend auch das mit gleichem Durch- organische Stoffe besitzt der Ton ein gewisses Rückhaltevermögen,
lässigkeitsbeiwert konzipierte Deponiebasisabdichtungssystem welches mit dem Anteil an organischer Bodensubstanz steigt. Die
13 durchsickern. Maßgebend für das Zurückhalten, Aufstauen und Wandergeschwindigkeit organischer Verbindungen und beson-
Abführen von Sickerwasser über die Dränage ist die dauerhafte ders die der Chlorkohlenwasserstoffe wird von Komodromos und
14 Wirksamkeit einer Filterschicht mit Dränagesystem, damit nur Göttner (1986) in der Größenordnung von Wasser angegeben. Das
kleine hydraulische Gradienten in der Größenordnung kleiner Thema der Beeinflussung von Tonen und deren Wasserdurchläs-
15 i0 auftreten können. Der hydraulische Gradient wird auch dann sigkeit durch Chemikalien sowie der Wechselbeziehungen zwi-
im Minimum etwas größer als 1 sein, da in der Dränschicht die schen benetzenden (Wasser) und nicht benetzenden Flüssigkeiten
Stauhöhe des Wassers nicht auf 0 abgesenkt werden kann. Durch (Chlorkohlenwasserstoffe) beim Durchsickern feinkörniger Böden
16 das Rückhaltevermögen der Deponie wird dieser hydraulische ist weiterhin zu diskutieren und zu beachten. Es kann nicht aus-
Gradient ununterbrochen aufrechterhalten. Bei unzureichender geschlossen werden, dass die Tone ihr Quellverhalten und damit
17 Basisabdichtung ist in Mitteleuropa mit einem Leckagefaktor ihre Wasserdurchlässigkeit durch chemische Reaktionen ändern.
von 150–300 mm pro Jahr bzw. 1500–3000 m3 Sickerwasser pro
Hektar und Jahr zu rechnen. Dieser Sickerwasserstrom kann in
18 vielen Fällen vom Gestein des Untergrundes über Poren oder 15.7.3 Schadstoffausbreitung durch Diffusion
Klüfte aufgenommen werden. Im gleichmäßig aufgebauten Po- in der flüssigen Phase
19 renraum einer ungesättigten Bodenzone bildet sich unter der
Deponiefläche eine Sickerfront aus, in der Sickerwasser durch Die Diffusion ist eine unmittelbare Folge der Brown’schen Mole-
20 kontaminiertes Wasser ersetzt wird. In Abhängigkeit von Bo- kularbewegung. Sie bewirkt den Konzentrationsausgleich infolge
denart, Porenraum, Bodenkapazität, Speichervolumen, Durch- des zufälligen Charakters der Bewegung der einzelnen Moleküle.
lässigkeitsbeiwert und der anfallenden Menge an Sickerwasser Die Moleküle haben das Bestreben, sich über den ganzen verfüg-
21 schiebt sich diese Verschmutzung in der Größenordnung von baren Raum gleichmäßig zu verteilen. Ist dieser Raum durch eine
Metern pro Jahr in die Tiefe. Erreicht die Verschmutzung das Schlitzwand, durch die Moleküle hindurchtreten können, in zwei
22 Grundwasser, so wird der kontaminierte Sickerwasserstrom Bereiche geteilt, so erfolgt auch eine Diffusion durch diese hin-
zunächst dem Grundwasserstrom aufgelagert. Durch hydrody- durch. Die Diffusion von Stellen höherer Konzentration zu Stellen
namische Dispersion und Diffusion werden die Schadstoffe mit niedrigerer Konzentration, also in Richtung des Konzentrationsge-
23 dem Grundwasser vermischt. Die hydrodynamische Dispersion fälles, wird durch die Fick’schen Gleichungen (1855) beschrieben:
wirkt im gleichkörnigen Medium nach dem Dalton’schen Ver-
teilungsprinzip (Nagelbrett). In vom Grundwasser durchflosse-
15.7 • Schadstoffausbreitung
637 15
-- 20 cm zu 231 Tagen;
--
@m @c
= −D
@t @x 30 cm zu 1,4 Jahren;
40 cm zu 2,5 Jahren;
oder, bezogen auf t = 1 s und q = 1 cm2:
-- 60 cm zu 5,7 Jahren;
100 cm zu 15 Jahren;
-- 200 cm zu 63 Jahren;
@c C0
j = −D = −D
@x Z 500 cm zu 400 Jahren;
1000 cm zu 1600 Jahren.
m = Substanzmenge [g]
c = Konzentration [g cm−3] Diese überschlägig berechneten Werten lassen sich mit gemessenen
t = Zeit [s] Werte aus Tonablagerungen unter einer Hausmülldeponie in Ka-
q = Querschnittsfläche [cm2] nada vergleichen (Quigley und Crooks 1983, zitiert nach Mattheß
D = Diffusionskonstante [cm2 s−1] 1985). Laboruntersuchungen an über 30 m mächtigen jungpleisto-
∂c/∂x = Konzentrationsgefälle zänen Geschiebemergeln bei Sarnia, Ontario (k = 1,5 · 10−10 m s−1,
x= Z = Mächtigkeit [cm] n = 25 %) wiesen nach 15-jähriger Lagerzeit Konzentrationsgradi-
C0 = Anfangskonzentration [g cm−3] enten für Na, Ca, Mg und Cl im Porenwasser unter der Deponie-
j = Diffusionsstrom [g cm−2 s−1] basis bis in 1,0 m Tiefe, für Cu, Zn, Fe und Pb bis in ca. 0,2 m Tiefe
und für organische Verbindungen bis in ca. 0,9 m Tiefe aus. Die
In der Zeit ∆t [1 s] wandert durch die Querschnittsfläche q hydraulische Sickerwasserbewegung berechnet sich für diesen Fall
[1 cm2] an den Ort x (Distanz) die Substanzmenge ∆m. Diese zu 3,5 cm. Das Beispiel bestätigt die nach den Diffusionsgesetzen
ist gleich dem Produkt aus dem Konzentrationsgefälle und der durchgeführte überschlägige Berechnung.
Diffusionskonstanten. Für eine 60 cm starke mineralische Basisabdichtung aus Ton
Die molekularen Diffusionskonstanten von in Wasser gelös- mit einer Porosität n = 42 % und Wassersättigung berechnet sich
ten Stoffen hängen zwar von Stoffart und Temperatur der Lösung der effektive Diffusionsstrom J aus einem Deponiesickerwasser
ab, liegen aber für alle anorganischen und organischen Stoffe im mit einer Anfangskonzentration von 10 g Natriumsulfat pro Liter
Bereich von zu 1400 kg pro Hektar und Jahr:
-
tungsschicht aus Ton mit der Stärke
10 cm zu 57 Tagen;
638 Kapitel 15 • Deponietechnik
Nach Hölting und Coldewe (2013) kann das Ausmaß der 15.8 Überwachen der Umwelteinflüssen
1 Retardierung über den Retardierungsfaktor R ausgedrückt und von Deponien und Altdeponien
abgeschätzt werden. In Sedimenten gilt demnach
2 Während und nach dem Deponiebetrieb ist das Deponie-
R = 1 + n−1 KD verhalten zu beobachten. Dieses wird durch den zeitlichen
Verlauf von Sickerwassermenge, Sickerwasserbeschaffenheit,
3 ρ= Dichte Temperaturentwicklung im Deponiekörper und Gasemissi-
N= Porenanteil onen sowie durch das Setzungs- und Verformungsverhalten
4 KD= Adsorptionskoeffizient. dokumentiert.
Mögliche Umwelteinwirkungen von Deponien und Alt
5 15.7.4 Schadstoffausbreitung
standorten können vom Deponiegas und vom Deponiesicker-
wasser ausgehen. In bestimmten Abständen sind die gasförmigen
durch Gasmigration Emissionen, das Deponiesickerwasser, das Grundwasser und das
6 Oberflächenwasser auf ihre Menge und/oder Beschaffenheit zu
Die beim Rotteprozess entstehenden Gase bauen im Deponie- kontrollieren.
7 körper einen Gasdruck in der Größenordnung 0,1–0,3 bar auf. Dies erfordert den Einbau geeigneter Kontroll- und Auffang-
Unter diesem Eigendruck findet eine Gasmigration statt. Das Gas einrichtungen wie Dränagen, Sauger, Auffangbecken, Gaspegel
bewegt sich in Richtung fallender Druckgradienten (∆h). Bevor- und Grundwasserpegel.
8 zugte Gaswege (x) sind offene Spalten und Risse sowie grobpo-
rige Müll- und Gesteinslagen. Außerhalb der Deponie können
9 Entwässerungsrohre, Leitungen und kiesverfüllte Sickergräben 15.8.1 Gasförmige Emissionen
als Gasweg fungieren. Das Entgasen über den Porenraum wird
10 als Gaskonvektion bezeichnet und erfolgt nach der Formel von Bei Verdacht auf Gasaustritte werden zum Feststellen von Gas-
Darcy und Hartge. Die höchsten Transportraten durch Konvek- konzentrationen und Gaswegsamkeiten innerhalb und außer-
tion werden in trockenem Kies und Sand erreicht. Das Gas folgt halb von Deponien bzw. Altlasten Sondierungen durchgeführt.
11 dabei den Gesetzen von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac: Über eine Einschlagsonde wird Bodenluft und Deponiegas ab-
gesaugt. Für Untersuchungen in größeren Tiefen werden Boh-
12 V = −kGas
h
:
rungen angesetzt und Gasmessstellen eingebaut. Zum Beurteilen
x der Situation wird das abgesaugte Bodengas zunächst auf Me-
than untersucht, weiterhin auf Kohlendioxid und Sauerstoff. Das
13 Das Entgasen über den Porenraum wird durch Bodenfeuchte Messen erfolgt für die erste Orientierung mit Gasspürgeräten,
erniedrigt und in feuchten bis nassen feinkörnigen Böden weit- bei denen eine definierte Gasmenge durch ein Prüfröhrchen ge-
14 gehend verhindert. Beim natürlichen Entgasen durch die De- leitet wird. Die im Röhrchen enthaltene Indikatorsubstanz färbt
ponieoberfläche wird das Gas stark verdünnt und oxidiert. Bei sich entsprechend der Konzentration eines nachzuweisenden
15 nur geringfügiger Gasentwicklung kann ein solches natürliches Gases. Es gibt für die verschiedensten Gaskomponenten ent-
Entgasen durch die Deponieoberfläche zulässig sein. Seitliche sprechende Prüfröhrchen. Methankonzentrationen werden
Gasmigration mit möglicher Gefährdung der Nachbarschaft ist durch die bei katalytischer Verbrennung entstehende Reakti-
16 zu verhindern (. Abb. 15.15). onswärme erfasst. Weitergehende Untersuchungen erfolgen
durch Gaschromatographie, Infrarot-Absorption oder Messen
17 der Wärmeleitfähigkeit.
15.7.5 Schadstoffausbreitung durch Diffusion
in der Gasphase
18 15.8.2 Deponiesickerwasser
Im lufterfüllten Porenraum erfolgt die Diffusion vom Bereich
19 hoher Gaskonzentration in den Bereich niedriger Gaskonzent- Die in eine Altdeponie eingetragenen Abfälle besitzen eine
ration nach dem Fickʼschen Gesetz. Der Diffusionsstrom j ist in hohe Speicherkapazität und nehmen in den ersten Wochen
20 der Gasphase erheblich größer als in der flüssigen Phase, da die nach Ablagerung beträchtliche Mengen des Sickerwassers auf.
Diffusionskonstanten D für Gas in Gas um den Faktor 10.000 Bei nicht abgedeckten Deponieflächen scheint die Speicher-
größer sind. Die Diffusionskonstanten von Gasen in Luft variie- kapazität nach ca. 150 Wochen (3 Jahren) erschöpft zu sein
21 ren in Abhängigkeit von der Art des Stoffes und der Temperatur (Ehrig 1985). Bei nicht funktionierender Oberflächenabdich-
zwischen tung kann der Sickerwasseranfall in Abhängigkeit vom Nie-
22 derschlag stark schwanken, bei Altstandorten zwischen 0 und
D = 0;05 und 0;2 cm2 s−1 : 10 m3 pro Hektar und Tag. Mittlere Abflussmengen liegen bei
nicht abgedeckten Altstandorten zwischen 2,5 und 3 m3 pro
23 Die Diffusionsgeschwindigkeit liegt in der gasförmigen Phase in Hektar und Tag. Unter dem Einfluss von Fremdwasserzuläufen
der Größenordnung Meter pro Stunde bis Meter pro Tag. kann die Schwankungsbreite wesentlich größer ausfallen und
15.8 • Überwachen der Umwelteinflüssen von Deponien und Altdeponien
639 15
zum Verschleppen von Kontaminationen in bislang unkontami- In der Nachsorgephase sind Langzeitsicherungsmaßnahmen
1 nierte Grundwasserleiter führen. und Kontrollen des Deponieverhaltens durchzuführen und zu
Untersuchungshäufigkeit und Untersuchungsumfang der dokumentieren.
2 zu entnehmenden Wasserproben sind im Regelfall durch einen Nach Anhang 5 der Verordnung über Deponien und Lang-
Planfeststellungsbeschluss festgelegt. zeitlager (DepV) sind meteorologische Daten, Emissionsdaten,
Altdeponien als heterogene Ablagerungen mit schwer zu be- Grundwasserdaten, Daten zum Deponiekörper und Daten zu
3 schreibenden chemischen Reaktionen machen die Suche nach den Abdichtsystemen regelmäßig zu messen und zu kontrollie-
Kenngrößen für Grundwasserverunreinigungen sehr schwer ren. Hierzu sind dort in einer Tabelle Häufigkeiten für die Abla-
4 (Cevrim et al. 1990). gerungs- und Stilllegephase und für die Nachsorgephase genannt.
Forschungsarbeiten aus den sechziger Jahren (Golwer et al. Für die Nachsorgephase werden zum Überprüfen der Wasser-
5 1969) führten zu umfangreichen Kenngrößenlisten, deren Struk- stände sowie der Menge und Zusammensetzung von Grundwas-
tur durch eine Mischung aus Kenngrößen geprägt ist, die bei ser, Sickerwasser, Oberflächenwasser und Gas Untersuchungen
allgemeinen Grundwassergüteuntersuchungen und bei Abwas- im halbjährlichen Abstand verlangt. Der Deponiekörper ist jähr-
6 seruntersuchungen relevant sind. lich auf Setzung und Stabilität zu untersuchen. Die Deponieba-
Beim Erkunden und Untersuchen von industriellen Altstand- sisabdichtung und die Entwässerungsleitungen mit zugehörigen
7 orten und Altablagerungen besteht der maßgebende Unterschied Kontrollschächten und die Oberflächenabdichtung sind jährlich
zu Hausmülldeponien darin, dass das Kontaminantenspektrum auf mögliche Verformungen und Funktionsfähigkeit zu untersu-
der Industriealtlasten primär xenobiotischer Art ist und aus nur chen. Dichtungskontrollsysteme sind im dreimonatigen Abstand
8 wenigen Leitsubstanzen besteht. zu kontrollieren.
Das Auswerten der Ergebnisse einer Listenanalytik führt zu
9 einem eingeschränkten Kenngrößenspektrum. Es setzt sich aus
Substanzen und Kenngrößen zusammen, die im Abstrom von 15.8.6 Stoffliche Aspekte beim Bewerten
von Grundwassergütedaten
10 Deponien besonders häufig und signifikant auftreten und deren
toxisches Potential bedeutend ist (Brill et al. 1986; Kerndorff und
Milde 1986; Kerndorff et al. 1990). Dies ist gleichzeitig auch ein Die Listen der im Abstrom von Mülldeponien untersuchten
11 Versuch, aus der chemischen Analyse eine toxikologische Bewer- Kenngrößen sind lang. Der Umfang dieser Listen resultiert ei-
tung abzuleiten. Für die Ableitung von Grenz- und Richtwerten nerseits aus dem Wunsch, ein umfassendes Bild über die Grund-
12 (Zander-Hauck et al. 1993) war diese Vorgehensweise grundle- wasserqualität zu erlangen, andererseits ist er auch eine Folge der
gend. Unsicherheit der betreuenden und beaufsichtigenden Behörden
Andere Auffassungen (Nachtweyh et al. 1991) tendieren da- bei der Auswahl geeigneter Kenngrößen.
13 hin, Veränderung im Grundwasser durch chemische Analysen Es besteht daher ein nachvollziehbares Interesse der Depo-
zu beschreiben, toxikologische Aussagen aber über biologische niebetreiber nach Kenngrößen und Bewertungsverfahren, die
14 Testverfahren herzuleiten. Biologische Testverfahren beschrei- das Grundwassermonitoring während der Nachsorgephase von
ben die summarische Wirkung von Substanzen oder Substanz- ehemaligen Hausmülldeponien minimieren.
15 gemischen auf die Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit von Dieses Interesse wird seitens der Gutachter und der bericht-
Organismen oder Organismengruppen. Beide Verfahren schei- erstattenden Berater geteilt. Ein verringerter Listenumfang ver-
nen sich gegenseitig zu ergänzen und ihre Nachteile gegenseitig einfacht das Bewerten und reduziert den Bearbeitungsaufwand.
16 auszugleichen. Die Erfahrung zeigt, dass nur wenige Berater das erforderliche
Die beschriebenen Anforderungen an das Grundwassermo- n-dimensionale Auswerten der Gütedaten betreiben und statt
17 nitoring im Umfeld von Deponien und die damit verbundenen dessen wenige Kenngrößen exemplarisch darstellen.
Probleme stellen hohe Anforderungen an durchführende und Untersuchungsumfang und Bewertungsmethoden sind zu
gutachtende Hydrogeologen und ebenso hohe Anforderungen an optimieren.
18 Deponiebetreiber und Aufsichtsbehörden bei der Auswahl von
geeigneten Hydrogeologen und Hydrochemikern. kkBewerten der Hauptinhaltsstoffe
19 Zu dieser Kenngrößengruppe gehören Calcium, Magnesium,
Natrium, Kalium, Hydrogencarbonat, Sulfat, Chlorid und Nitrat.
20 15.8.5 Mess- und Kontrollprogramm Diese Kenngrößen sind geogen geprägt und sollten in der
nach Schließen der Deponien Faktorenanalyse dem Gesteinsfaktor zugeordnet werden. Nitrat
bildet eine Ausnahme, da es durch den großflächigen landwirt-
21 Das Schließen von Deponien oder Deponieabschnitten ist in schaftlichen Einfluss in jüngerer Zeit von einem Nebenbestand-
DepV geregelt. Demnach ist die Oberfläche abzudichten und teil zu einem Hauptbestandteil in vielen Grundwässern wurde.
22 noch ausstehende Überwachungssysteme sind einzubauen. In der Die Konzentrationen von Calcium, Magnesium und Hyd-
Schlussabnahme der zuständigen Behörde sind jährliche Erklä- rogencarbonat werden unter natürlichen Umständen durch den
rungen zum Deponieverhalten, die Jahresauswertungen der Kon- CO2-Haushalts des Bodens gesteuert (Mattheß 1990; Appelo und
23 trollen und die Funktionstüchtigkeit der Deponieabdichtungs- Postma 1993; Strätz und Udluft 1993; Baumann et al. 1993).
systeme und Überwachungseinrichtungen zu berücksichtigen.
15.8 • Überwachen der Umwelteinflüssen von Deponien und Altdeponien
641 15
Anomale Erhöhungen von einem oder mehreren dieser Die anderen Schwermetalle werden im Grundwasser nur
Kenngrößen können in der Regel keinem bestimmten Schadens- selten vorgefunden, obwohl sie im Deponiesickerwasser nach-
herd zugeordnet werden. weisbar sind. Dies betrifft diejenigen Schwermetalle, die schwer-
Das Bewerten dieser Hauptinhaltsstoffe ist nur in Kombina- lösliche Carbonate, Sulfide und Sulfate bilden, wie z. B. Barium,
tion mit anderen Anomalien bei Neben- und Spurenbestandtei- Blei, Wismut und Cadmium (El Bassam 1982, Koch 1989, Jacob
len möglich. und Brasser 1992).
Chlorid nimmt eine besondere Rolle unter den Hauptin- Die Abscheidung von Goethit (α-FeOOH) in der Übergangs-
haltstoffen ein. Da Chloride im Gegensatz zu Carbonaten und zone vom reduzierenden in das oxidierende Grundwassermilieu
Sulfaten stets sehr gut löslich sind und nicht an Fällungs- und führt zur adsorptiven Bindung von Schwermetallen (Jenne 1968,
Sorptionsprozessen teilnehmen, wird die Messgröße Chlorid als Gerth und Brümmer 1983).
konservativer Tracer betrachtet und häufig zum Bewerten von Hohe Chloridkonzentrationen innerhalb der Deponie kön-
Deponiesickerwasser-Kontaminationen (Exler 1979) herangezo- nen einen Immobilisierungspfad für Silber, Thallium und Blei
gen. Da Chlorid kein toxisches Potential besitzt, ist eine solche darstellen.
Bewertung als Hilfskonstruktion zu betrachten. Chrom(III) wird im alkalischen Deponiesickerwassermilieu
bereits im Deponiekörper als Chromhydroxid immobilisiert. Die
kkBewerten der Nebeninhaltsstoffe oxidierte Form, das Chrom(VI), ist geochemisch wesentlich mo-
Zu den häufig untersuchten Nebeninhaltsstoffen zählen Eisen, biler. Die Reduktion des Cr(VI) wird nur durch sehr hohe pH-
Mangan, Ammonium und Phosphat. Werte verhindert. Im sauren und neutralen pH-Bereich oxidiert
das Cr(VI) die organische Substanz des Deponiesickerwassers.
zz Eisen und Mangan Mithin ist Chrom(VI) im Abstrom von Deponien extrem selten
Unter reduzierenden Bedingungen, z. B. durch die Zufuhr ge- nachweisbar.
löster organischer Substanz, kann Mangan als zweiwertiges Ion Mobilisierend wirken die im organisch belasteten Grundwas-
nach Reduktion aus Braunstein freigesetzt werden. Im Grund- ser vorhandenen Huminstoffe (HS) und huminstoffähnlichen
wasser kann sich die Mangankonzentration mit Einsetzen der Substanzen (HULIS) (Stevenson 1976, Buffle 1988). Huminstoffe
Kontamination erhöhen und mit dem Abklingen der Kontami- sind Großmoleküle mit Molmassen von 300–600. Sie sind, wenn
nation erniedrigen. Aus der Feststellung, dass das infiltrierende sie nicht durch Alterung ausgeflockt sind, kolloidal gelöst. Sie be-
Sickerwasser kein nachweisbares Mangan enthält, ist zu schlie- sitzen eine Vielzahl von Koordinationsstellen zur Komplexierung
ßen, dass diese oder eine ähnliche Reaktion im Grundwasser- von Metallionen. Auch anthropogene Komplexbildner, die im
leiter abläuft. Deponiegut vorhanden sein können, wie z. B. NTA, DTPA und
Mangan kann eine wichtige Kenngröße zum Verständnis der EDTA, können zum Mobilisieren von Schwermetallen beitragen
hydrochemischen Reaktionen im Grundwasserleiter darstellen, (Görtz et al. 1990)
obwohl es selbst kein Kontaminant ist. Da Eisen diesem Reak-
tionsmechanismus nicht unterliegt, erscheint es sinnvoller, das kkBewerten der organischen Bestandteile
Grundwasser im Abstrom von Deponien auf Mangan anstatt auf Bedingt durch die Vielzahl der im Grundwasser vorkommen-
Eisen zu untersuchen. den organischen Verbindungen, werden in erster Linie Summen-
oder Gruppenkenngrößen untersucht.
zz Ammonium
Ammonium stammt direkt aus der Vergärung oder Verwesung zz Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB)
organischer Substanz. Besonders die anaerobe Vergärung lässt Der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wird über die Oxidation
Deponiesickerwasser entstehen, welches bei hohen, basischen organischer Substanz durch Chrom(VI) im sauren Milieu ge-
pH-Werten Ammoniumgehalte von mehreren hundert Milli- messen. Die Bestimmungsgrenze liegt bei 15 mg l−1 O2.
gramm pro Liter enthalten kann. Die Migrationsfähigkeit von Die unterschiedlichen Sauerstoff- und Wasserstoffanteile
Ammonium ist gut untersucht (Engelmann et al. 1992). Ammo- an den organischen Molekülen lassen keinen direkten Rück-
nium ist zur Grundwasserbewertung heranzuziehen. schluss auf die Zusammensetzung und Konzentration der or-
ganische Substanz zu. Das Untersuchen an unfiltrierten, aber
kkBewerten der Schwermetalle homogenisierten Proben erfasst gelöste Substanzen, Kolloide
Arsen und Nickel sind regelmäßig im Abstrom von Hausmüll- und feste Partikel. Hierdurch ist die Untersuchungsmethode
deponien nachweisbar. Beide Elemente bilden leicht lösliche sehr empfindlich auf Veränderungen in der Probenahmetech-
Komplexe, die aufgrund ihrer sehr geringen sorptiven Neigung nik. Verfälschungen treten durch hohe Konzentrationen von
erhebliche, vom pH-Wert und Redoxverhalten des Grundwas- zweiwertigem Eisen und Ammonium auf. Die Messgröße CSB,
sers unabhängige Reichweite erlangen können (Brill et al. 1986, die eigentlich der Abwassertechnik entlehnt wurde, wird regel-
Kerndorf et al. 1990). Hohe Arsengehalte werden oft mit Stein- mäßig bei allen Sickerwässern bestimmt.
kohleaschen in Verbindung gebracht. Durch das apparativ einfache und kostengünstige Bestimmen
Soll beim Bewerten von Grundwasserkontaminationen Ar- ist der CSB stets Leitparameter bei Sickerwasseruntersuchun-
sen berücksichtigt werden, so ist dessen geogener Hintergrund gen und zum Erfassen organischer Belastungen notwendig. Es
abzuschätzen oder durch Messen nachzuweisen (Heinrichs und ist durch huminstoffanalytische Untersuchungen zu ergänzen.
Udluft 1996).
642 Kapitel 15 • Deponietechnik
Da es sich chemisch nicht anders verhält als Wasser, stellt 15.9.1 Multibarrierenkonzept
es den idealen Tracer dar. Weitere positive Eigenschaften sind bei Untertagedeponien
die sehr niedrige Nachweisgrenze, der hohe Kontrastumfang
zwischen Kontamination und natürlicher Umgebung und die Bei Untertagedeponien für besonders überwachungsbedürf-
Tatsache, dass Fremdkontaminationen nahezu auszuschließen tige Abfälle, besondere für das Endlagern hochtoxischer und
sind. radioaktiver Abfälle, ist der Kontakt zwischen den abgelager-
Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Würt- ten Schadstoffen und der Biosphäre durch Vermeiden jeglicher
temberg ergaben, dass das Sickerwasser von Hausmülldeponien Wasserwegsamkeit und Transportmöglichkeit zu unterbinden.
Tritiumgehalte aufweist, die deutlich höher sind als die Triti- Angestrebt wird eine mehrfache und vollständige Abschirmung.
umgehalte im Niederschlag. Die bei baden-württembergischen
Hausmülldeponien nachgewiesenen Tritiumgehalte liegen da-
bei zwischen der damals im Strahlenschutz üblichen Nachweis-
grenze von 50 TU und 2600 TU. Einzelne Hausmülldeponien
-
Folgende Barrieren werden vorgesehen:
Schwerlöslichkeit des Abfallproduktes
Das Abfallprodukt wird durch Konditionieren in einen
Festzustand (Glas, Keramik, kristallines Aggregat) über-
weisen Sickerwässer mit noch höheren Tritiumkonzentrationen führt. Bei der nicht völlig auszuschließenden Störfallan-
auf. Diese Deponien, die an Standorten mit Uhren- und Ziffer- nahme eines Wasser- oder Laugenzutritts, der unter hyd-
blattherstellern liegen, geben einen Hinweis auf die mögliche rothermalen Bedingungen zum direkten Kontakt mit dem
Herkunft des Tritiums. Abfallprodukt führt, wird über lange Zeit eine Zerstörung
Unabhängig von den Untersuchungen in Baden-Württem-
berg konnte im Rahmen der experimentellen Deponierung in
Niederösterreich (Rank et al. 1992) Tritium im dortigen Sicker-
wasser in Konzentrationen über dem Niederschlagswert nach-
- der glasartigen oder keramischen Produkte eintreten.
Behälter
Sehr stabile Abfallbehälter sollen unter thermischer und
radioaktiver Beanspruchung auf 100.000 Jahre leckdicht
gewiesen werden. Da bei diesem Experiment keine Abfälle aus
kerntechnischen Anlagen, Krankenhäusern oder ähnlichen Ins-
titutionen verwendet wurden, sondern nur sortierter Hausmüll,
dessen Zusammensetzung unbekannt war, konnte die Herkunft
- gegen einen Lösungsangriff bleiben.
Verfüll- und Versatzmaterial
Eine zusätzliche, unabhängig wirkende Barriere können
sorgfältig ausgewählte natürliche Verfüll- und Versatz-
des Tritiums nur diesem Hausmüll zugeordnet werden. materiale übernehmen. Besonderes Interesse richtet sich
Gelingt es zum Abgrenzen des Niederschlagstritiums, ein der auf tonhaltige Gesteine, welche sich durch eine geringe
hydrogeologischen Situation entsprechendes Modell zu wählen Durchlässigkeit gegen Wasser und ein hohes Sorptions-
und dieses Modell mit dem unbelasteten Bereich eines Grundwas- vermögen auszeichnen. Von Nachteil bei der Endlagerung
serleiters zu kalibrieren, so kann die ermittelte mittlere Verweilzeit wärmeentwickelnder Abfälle ist deren geringe Wärmeleit-
auf die Gesamtsituation übertragen werden. Jeder höhere Tritium-
befund kann dann als deponiesickerwasserbedingte Aufstockung
betrachtet werden, aus der unter Berücksichtigung der Tritiumge-
halte im Sickerwasser der infiltrierte Anteil errechnet werden kann.
- fähigkeit.
Eignung des Wirtgesteins für die Ablagerung von „besonders
überwachungsbedürftigen Abfällen“ und die Endlagerung
radioaktiver Abfälle
Das Verfahren ist für Kluft-, Karst- und Porengrundwasser- Als Wirtgestein wird das Gebirge (Gestein) bezeichnet,
leiter anwendbar. in dem sich der zur Ablagerung bestimmte untertägige
Hohlraum befindet. Dieses Gestein soll vom Wasserkreis-
lauf abgeschirmt oder in begrenztem Maße von fossilem
-
15.9 Untertagedeponien Grundwasser umgeben sein.
Deckgebirge und Nebengestein
Die vom Bergbau in ausreichender Größe geschaffenen Hohl- Das über dem Wirtgestein lagernde Gebirge soll beim
räume, für die die Möglichkeit zum Ablagern von Abfällen ge- Freisetzen von Radionukliden oder anderen, hochgiftigen
prüft werden soll, müssen für die Dauer des Ablagerns und bei Inhaltsstoffen aus dem Endlager eine weitere Barriere zur
Erfordernis darüber hinaus für Mensch und Maschinen zugäng- Biosphäre darstellen. Bei einer Überlagerung von Salz
lich und befahrbar sein. Die Wetterführung muss aufrechterhal- durch Anhydrit oder Ton bzw. Tonstein ist eine Barriere
ten bleiben. Das umgebende Gestein muss als Barriere wirken.
In vielen Fällen ist es möglich, die aus bergwirtschaftlichem In-
teresse entstandenen Hohlräume direkt zum Ablagern von Müll
zu nutzen. Prinzipiell sollte jedoch davon ausgegangen werden,
- gegen den Transport im strömenden Grundwasser gegeben.
Endlagerung außerhalb bewohnter Gebiete
Die untertägige Endlagerung in unbewohnten Wüsten-
gebieten bietet eine Möglichkeit für multinationale und
dass die Konstruktion von Untertagedeponien einem gezielten internationale Zusammenarbeit.
Plan folgt und nicht auf dem Niveau des herkömmlichen Ver-
füllens solcher aus anderem Interesse entstandenen Hohlräume Im folgenden wird die Barrierewirkung der wichtigsten Wirtge-
verbleibt. Im günstigen Fall werden beim Planen und beim berg-
baulichen Vortrieb und Abbau die gesetzlichen Vorgaben für das
Einbauen oder Ablagern von Abfällen berücksichtigt und die Un-
tertagedeponie von Beginn an geplant.
-
steine für Untertagedeponien diskutiert:
Salz
Günstige Eigenschaften als Wirtgestein sind:
644 Kapitel 15 • Deponietechnik
1 -
-
die hohe Plastizität hat zur Folge, dass offene Klüfte und
Hohlräume wieder verschlossen werden; -- Granit
Günstige Eigenschaften sind:
--
im Tieftemperaturbereich besitzt Salz eine hohe Wärme- weite Verbreitung in der Erdkruste;
2
-
leitfähigkeit; Homogenität der Granitkörper,
durch geringe Porosität und Klüftung ist Salz gegen weitständige Trennflächen mit geringer Öffnungsweite
- -
Laugen und Gase undurchlässig; in den Trennfugen;
3 günstige Eigenschaften beim bergmännischen Kaver- geringer Klufthohlraum als Speicher für geringe Grund-
- -
nenbau; wassermengen;
4 günstige Eigenschaften für soltechnisches Herstellen von gute Standfestigkeit beim Kavernenbau.
-
Kavernen. Ungünstige Eigenschaften sind:
5
-
Ungünstige Eigenschaften sind: Wasserbewegung im Trennflächensystem; es gibt kein
die Unreinheit und schlechte Diagnostizierbarkeit der Sorptionsvermögen und auch kein stagnierendes Poren-
-
Homogenität von Salzkörpern; wasser, das aus dem im Kluftsystem fließenden Wasser
6
-
die geringe Dichte und die hohe Plastizität begünstigen Schadstoffe aufnehmen kann!
Diapirismus und führen zu komplizierten geometri- in großer Tiefe kann Granit von mineralisiertem Ther-
7
8
-
--
schen Strukturen;
die hohe Löslichkeit des Salzes, die die Erosions- und
Subrosionsgefahr erhöht; -- malwasser zersetzt oder karstartig gelöst werden.
Basalt
Günstige Eigenschaften sind:
--
die korrosive Wirkung von Salzlösungen auf die Behälter; weite Verbreitung;
- --
das geringe Sorptionsvermögen von Salz; Homogenität innerhalb einzelner Basaltkörper;
-
9 die wirtschaftliche Bedeutung von Salzvorkommen. gute Standfestigkeit beim Kavernenbau;
Anhydrit Einschaltung feinporöser Lavalagen mit stagnierendem
10 Günstige Eigenschaften sind: Porenwasser.
--
Anhydrit ist zwischen 40 und 1180 °C bei atmosphäri- Ungünstige Eigenschaften sind:
-
schem Druck stabil; veränderliche Kluftdichte;
11 er wandelt sich unter Wasseraufnahme und Volumen- Inhomogenitäten wie Lavatunnel und grobporöse Lava-
12
-
zunahme von 60 % in Gips um und verheilt damit alle
Klüfte und Spalten (Selbstheilungsprozess);
die Sorptionsfähigkeit von Anhydrit für Cäsium- und - lagen mit Wasserführung, Verwitterung.
Tuff
Tuffe kommen in großer Verbreitung auf der Erde vor.
-
Strontium-Isotope ist hoch; Als Füllung von Grabenstrukturen und Calderen sowie in
13 hohe Wärmeleitfähigkeit von reinem Anhydrit. Ascheflüssen in der Nähe vulkanischer Zentren bilden sie
-
Ungünstige Eigenschaften sind: Gesteinskomplexe mit großer Mächtigkeit.
--
14 geologische Körper aus homogenem, reinem Anhydrit Günstige Eigenschaften sind:
sind im gewünschten Ausmaß in der Natur selten; es hohes Sorptionsvermögen (Tonminerale);
15
-
muss mit komplizierten Bauwerken gerechnet werden; geringe Permeabilität.
-
die Abhängigkeit des Selbstheilungsprozesses von einer Ungünstige Eigenschaften sind:
Anzahl veränderlicher Bedingungen relativiert diese Inhomogenität mit unterschiedlicher Ausbildung,
16
-
Vorteile im speziellen Fall; Entstehung, Verfestigung und Klüftung in den verschie-
-
die korrosive Wirkung von Gipswässern verringert die denen Tufflagen;
17
18
-- Standzeit der Behälter.
Tonstein
Günstige Eigenschaften sind:
--
Variabilität in der chemischen und mineralogischen
Zusammensetzung;
hoher Wassergehalt (bis 10 %);
--
geringe Wasserdurchlässigkeit; geringe Wärmeleitfähigkeit.
hohes Sorptionsvermögen;
19 Vorkommen mit großer Mächtigkeit und gleichmäßiger Die Gegenüberstellung der günstigen und ungünstigen Eigen-
Ausbildung. schaften der Gesteine zeigt, dass kein Gestein eine absolut sichere
20
--
Ungünstige Eigenschaften sind: und auf sehr lange Zeit wirksame geologische Barriere bildet.
schlechte Wärmeleitfähigkeit; Die Einlagerung in ein bestimmtes Wirtgestein wirkt gefahr-
--
Quellfähigkeit durch Wasseraufnahme; mindernd. Die angebotenen Endlagerungsmodelle bieten nur
21 hoher Wassergehalt und hohe Plastizität; in Wechselwirkung mit anderen Barrieren eine Sicherheit und
schlechte Standfestigkeit beim Kavernenbau. liegen somit außerhalb des Grundprinzips des Multibarrieren-
22 Die verschiedenen Tonsteine enthalten eine vielfältige konzeptes, nach dem jede einzelne Barriere für sich ausreichende
Mischung aus Tonmineralen, Quarz, Glimmer, Calcit u. a. Sicherheit bieten muss.
mit stark unterschiedlichem Diagenesegrad. Entsprechend
23 ist die Eignung als Wirtgestein in jedem Einzelfall genau zu
untersuchen und zu diskutieren.
15.9 • Untertagedeponien
645 15
15.9.2 Erhöhen der Stehzeit unterirdischer bem Gestein (Bergematerial), welches beim Abbau oder
Hohlräume durch Versatzbauweise Vortrieb anfällt oder eigens für diesen Zweck untertägig
in Blindorten abgebaut wird. Eingebaut wird/wurde das
-
Bei vom Bergbau aufgefahrenen Hohlräumen ist deren Standfes- Versatzmaterial
tigkeit und Stehzeit, geologisch bedingt, abhängig vom gewählten als Handversatz per Hand und Schaufel, z. T. unter
-
Abbauverfahren, von der gewählten Art des Abstützens und von Benutzung fester Rutschen oder Schüttelrutschen;
der ungesicherten Stützweite. Es ist/war das Ziel des Bergbaube- als mechanischer Versatz durch Einsatz größerer Ma-
treibers, die Lagerstätte möglichst gewinnbringend abzubauen. schinen, z. B. zum Einlagern von Fässern und größeren
-
Hierzu müssen aus Sicherheitsgründen die mit dem Gebirgs- Gebinden (big bags);
druck zusammenhängenden Kräfte beherrscht werden. Die als Sturzversatz, bei welchem das Versatzmaterial ohne
Standsicherheit der für den Abbau der Lagerstätte zu schaffenden weitere mechanische Hilfsmittel und ohne Führungs-
Hohlräume muss jedoch, abgesehen von Förder- und Belüftungs- rohre direkt in den geschaffen Hohlraum (Alter Mann)
strecken, nur für die Dauer der Abbautätigkeit garantiert sein. Es oder durch Rolllöcher bzw. Blindschächte in den zu
-
lag früher nicht im Interesse des Bergbaubetreibers, dauerhaft verfüllenden Hohlraum fällt;
standfeste und für das Ablagern von Abfall geeignete Hohlräume als Fließversatz, bei welchem das Versatzmaterial in ei-
zu hinterlassen. Aus bergbaulichen Gründen wird/wurde für den ner geschlossenen Leitung, gegebenenfalls unter Einsatz
Abbau ein Verfahren gewählt, welches das Hereingewinnen der von Wasser oder Druckluft, in das Versatzfeld gefördert
-
Lagerstätte und der zu lösenden Nebengesteine (Ganggesteine) wird;
erleichtert. Zum anderen ist das Bestreben des Bergbaubetrei- als Blasversatz, bei dem das Versatzmaterial durch
bers darauf gerichtet, Bergschäden, für welche er entsprechend strömende Druckluft getragen und in Rohrleitungen
Bundesberggesetz (BBergG), § 115 zu haften hat, nach Mög- „schwebend“ zum Versatzort transportiert und dort
-
lichkeit zu vermeiden oder zu minimieren. Im Vordergrund eingeblasen wird;
standen und stehen mithin das Abstützen und Unterfangen als Schleuderversatz, bei dem das Versatzmaterial mit
-
der Firste bzw. des Hangenden. In schichtartigen Lagerstätten einer Versatzschleuder in den Hohlraum verbracht wird;
mit großer Ausdehnung, insbesondere bei Kohleflözen, werden als Spülversatz, bei dem das Versatzmaterial durch in
Abbauverfahren mit langen Abbaufronten angewendet. In bis Rohren strömendes Wasser in den zu verfüllenden Ab-
-
4 m mächtigen Flözen mit Einfallen bis 40° ist/war der Strebbau bauraum befördert wird,
das verbreitetste Abbauverfahren. Im abzubauenden Abschnitt als selbsterhärtender Spülversatz, bei dem ein Versatz-
wird in langer Front das Flöz fortschreitend verhauen. In dem material eingebaut wird, welchem zum Aushärten und
jeweils offenen, durch fortschreitenden Ausbau gesicherten Stre- Erhöhen der Tragwirkung/Abstützung des Hangenden
braum finden die Betriebsvorgänge „Gewinnen“, „Fördern“ und im nassen Zustand Bindemittel (Zement, Filterasche
-
„Einbringen des Versatzes“ statt. Je nach Einbauart des Versatzes u. a.) beigegeben werden.
ist die Stützwirkung unterschiedlich. Unterschieden wird auch Die Methode des hydraulisch selbsthärtenden Spülver-
zwischen Teilversatz und Vollversatz. Der Strebbau kann als satzes wird/wurde auch im Örter-Bergbau-Verfahren
Bruchbau oder als Versatzbau geführt werden (Fritzsche 1962, eingesetzt, wenn die Lagerstätte möglichst vollständig
Wikipedia). Beim Strebbau können folgende Abbauverfahren abgebaut werden soll oder nachträglich, wenn die ver-
-
unterschieden werden:
Abbauverfahren mit nur kurzzeitigem Abstützen des Han-
genden und anschließendem zu Bruchwerfen des Han-
genden; „Alter Mann“. Das Verfahren wird/wurde unter
bliebenen Festen zu schwach dimensioniert sind/waren.
Breite von wenigen Metern im direkten Arbeitsbereich Als Versatzmaterial wurde und wird auch Material von über Tage
von Hauer oder Schrämmaschine abgestützt. Um Ab- aus Sandgruben, Steinbrüchen, Schiefermühlen, Halden einge-
senkbeträge an der Oberfläche zu minimieren, wird unter baut. Das Einbauen von gefährlichen Abfallstoffen (Aschen, Fil-
Siedlungs- und Verkehrsflächen das Versatzverfahren terstäube etc.), die dem selbsthärtenden Versatz dienen, ist in-
angewendet. Es ist das Ziel, Bergschäden möglichst gering nerhalb der EU als Verwertungsverfahren R 5 gemäß Anhang II
zu halten. Hierzu wird/wurde im Flözbergbau (Strebberg- der Richtlinie 2008/98 EG anerkannt (Wikipedia: Versatz). Zu
bau) und auch im Pfeilerbergbau mit Versatz gearbeitet. beachten ist die Verordnung über den Versatz von Abfällen
Darunter versteht man das Verfüllen des durch den Abbau unter Tage vom 24.7.2002 mit Änderung vom 24.2.2012 (Ver-
entstandenen Hohlraumes (abgebautes Flöz) mit tau- satzverordnung – VersatzV), Bundesministerium für Justiz und
646 Kapitel 15 • Deponietechnik
1
Verbraucherschutz. In dieser Verordnung ist das Verwerten von
Abfällen als Versatzmaterial geregelt. Feststoffgrenzwerte und
Zuordnungswerte, die im jeweils verwendeten unvermischten
- die Abfälle allmählich umschließen.
3
für Elemente und organische Verbindungen für Feststoffe in mg/
kg, für Eluate in µg/l aufgelistet. Abfälle, die diese Feststoffgrenz-
werte und Zuordnungswerte überschreiten, sind demnach nach --
Nachgewiesen werden soll der:
geotechnische Standsicherheitsnachweis,
Sicherheitsnachweis für die Ablagerungs- und für die Still-
4
5
den Vorgaben der Deponieverordnung (DepV) in Deponien der
Deponieklasse IV zu deponieren.
Gegen das Verwertungsverfahren von giftigen Abfällen als
Versatz unter Tage gibt es Widerstand. Nach ZEIT ONLINE
- legungsphase,
Langzeitsicherheitsnachweis.
--
11 werden. zung der einzelnen Schichten,
12
-- Versatzbergwerke in Deutschland sind (laut Wikipedia):
Grube Teutschenthal (Salz; Sachsen-Anhalt),
Mächtigkeit und Lagerung der einzelnen Schichten,
Ausbildung der Flanken und der Oberfläche der Salzlager-
-- --
13 Jura, Nordrhein-Westfahlen), tektonische Beanspruchung der Salzstruktur, Halokinese,
Bleicherode (Salz; Zechstein, Thüringen), geologischer Schnitt durch Lagerstätte und Bergwerk,
14
15
Bergwerk Kochendorf (Salz, Mittl. Muschelkalk, Baden-
--Württemberg),
Hattorf (Salz, Zechstein, Hessen), -- geothermischer Gradient,
regionale seismische Aktivität,
Subrosion, Ausbildung von Nachbrüchen, Tagbrüchen,
--
Stetten (Salz, Mittl. Muschelkalk, Baden-Württemberg),
Walsum, (Steinkohle, Nordrhein-Westfahlen),
Erdfällen.
-
16 Erzbergwerk Meggen (Schwefelkies, Erzlager, Nordrhein-
-
Angaben zum Bergwerk
Westfahlen), Aufrisspläne für das Bergwerk mit Lage, Teufe und Quer-
17 Glückauf Sondershausen (Salz, Thüringen). schnitt der Grubenbaue wie Schächte, Blindschächte, Stre-
cken, Wendeln und Rampen sowie Tiefenlage und Abstand
18 15.9.4 Anforderungen an das Einrichten
von Untertagedeponien -- der Sohlen und Teilsohlen,
Lage und Größe der geplanten Ablagerungsräume,
Standsicherheit der Schächte, Blindschächte, Strecken und
--
19 Abbauräume,
Für Deponien der Klasse IV sind in DepV, Anhang 2 die An- Firstfälle, Stoßabschalungen, Liegendaufbrüche,
20 forderungen an den Standort, an die geologische Barriere und Solezuflüsse mit Angaben zu Menge, Dichte, Sättigungs-
an den Langzeitsicherheitsnachweis geregelt. Deponien der grad, Temperatur, Ursache und Herkunft, Isotopenalter der
21
Klasse IV dürfen nur im Salzgestein eingerichtet werden. Das
Salz bildet die geologische Barriere. Es kann die eingebrachten
- Zuflüsse,
Gasaustritte und Gefährdung, Ort, Menge, Zusammenset-
22
Abfälle allmählich umschließen. Das Ablagern soll so erfolgen,
dass keine Nachsorgemaßnahmen erforderlich sind. Das umge-
-- zung, Ursache, Herkunft,
Vorkommen von Erdöl und/oder Erdgas,
23 --
bende Salzgebirge muss als geologische Barriere
gegenüber Flüssigkeiten und Gasen dicht sein,
- Ausbildung der Sicherheitspfeiler,
Sicherheitsabstand zu Deckgebirge, Flanken, basalen
- abgedämmte oder abzudämmende Teile des Bergwerks. sind zu beschreiben, Gefährdungsmöglichkeiten zu defi-
-
Hydrogeologische Verhältnisse
Aussagen zum Deckgebirge mit Stratigraphie, Petrographie,
Mächtigkeit, Lagerungsverhältnissen, tektonischer Bean-
- nieren;
Festlegen der zu berücksichtigenden Einwirkungsfaktoren
geologischer/tektonischer Art (primärer Spannungszu-
stand), geogener Gefahren (Erdbeben, Änderung des Tem-
-
peraturfeldes) und anthropogener Art (Bergbautätigkeit in
der Nachbarschaft);
-
Durchführen von Laborversuchen zum Ermitteln gesteins-
mechanischer Eigenschaften;
--
Einbringen von Abfällen
Art, Menge und Beschaffenheit der Abfälle;
Ablagerungskonzept, nach Möglichkeit mit getrenntem
- zu dessen Langzeitverhalten;
Bewerten der gebirgsmechanischen Gegebenheiten zu Fra-
gen der Standsicherheit und zur Konvergenz des Grubenge-
bäudes, zur Absenkung der Oberfläche und zur langfristi-
- Massen;
Ablagern in einzelnen Kammern oder Strecken, die Abfälle
tende geotechnische Messungen aus gebirgsmechanischer
Sicht während des Einlagerungsbetriebes und zum Be-
- Abfälle;
Reaktionsverhalten der Abfälle bei Zutritt von Wasser oder
Laugen bezüglich Löslichkeitsverhalten, Gasentwicklung und
Nachweis der Langzeitsicherheit In einem Langzeitsicherheits-
nachweis sind für das Gesamtsystem Untertagedeponie/Abfall/
Gebirge auf Grundlage eines Mehrbarrierensystems folgende
-
zu gewährleisten. Es ist auszuschließen, dass
die während und nach dem untertägigen Ausbruch eintre-
tenden Verformungen die Funktionsfähigkeit des Bergwer- - Bohrungen und der hieraus bedingten Auflockerungen;
Barrierewirkung, beruhend auf der Abfallbeschaffenheit
und deren Konditionierung, der Art des Einbringens der
- kes beeinträchtigen;
während und nach dem untertägigen Ausbruch kein Aus-
brüche der Firste (Sargdeckel), keine Bergschläge, Verbrü-
--
Abfälle, dem Abdämmen von Strecken und dem Verschlie-
ßen von Schächten;
geogene Einflüsse/Gefahren wie Erdbeben, Diapirismus;
-
Die Aufgabenstellungen des Gutachtens sind:
Einordnen und Bewerten der geologischen, tektonischen,
hydrogeologischen, Daten im Hinblick auf ihre Relevanz
für die angetroffene und prognostizierbare gebirgsmecha
Gaseinbrüche während der Ablagerungs- und Stilllegungs-
phase, bergbaubedingte Gebirgsauflockerung, Bohrungen
und sonstige Eingriffe in der Nachbetriebsphase.
-- nische Situation;
Analyse der bergbaulichen Situation;
Stilllegen von Untertagedeponien Das Stilllegen setzt voraus, dass
alle Hohlräume vollständig verfüllt sind, gegebenenfalls durch Ein-
- tuationen;
Gebirgsmechanisches Bewerten zur Integrität der geo-
logischen Barrieren und zur Langzeitsicherheit. Risiken
stellen, dass die Abfälle der Biozone zuverlässig entzogen sind. Die
Schächte sind unter Berücksichtigung der durchfahrenen Schich-
648 Kapitel 15 • Deponietechnik
--
3 Baden-Württemberg),
UTD Zielitz – (Salz, Zechstein, Sachsen-Anhalt),
4 UTD Sondershausen (Salz, Zechstein, Thüringen).
1
Im Braunkohletagebau, in Steinbrüchen, auf Halden und Depo-
nien sowie bei zahlreichen Baumaßnahmen entstehen Flächen,
deren Funktionen gestört sind und die aus diesem Grunde re-
-- Verbessern der Lebensbedingungen für Bodenlebewesen;
phytosanitäre Wirkungen.
2 kultiviert werden müssen. Das Bundesberggesetz (BBergG) ver- Das Anwenden von Substraten zum Rekultivieren sollte zumin-
pflichtet z. B. Bergbautreibende, devastierte Landflächen durch dest eine der obengenannten Bodeneigenschaften oder -funkti-
technische und biologische Maßnahmen zu rekultivieren. Die onen nachhaltig positiv beeinflussen, ohne gleichzeitig andere
3 Begriffsinhalte von Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung Bodenfunktionen oder Umweltmedien zu schädigen oder zu
4
5
-
sind nach Abo-Rady et al. (2000) folgende:
Wiedernutzbarmachung
Wiedernutzbarmachen ist das ordnungsgemäße Gestalten
der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche
gefährden.
Neben dem technisch-naturwissenschaftlichen Optimieren
von Bodenersatzsubstraten müssen bei Rekultivierungsmaßnah-
men auch die rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden.
unter Beachtung des öffentlichen Interesses (§ 4, BBergG Es hat sich gezeigt, dass in diesem Bereich deutliche Rechtsunsi-
6
7
- 1980).
technische Rekultivierung
Technisches Rekultivieren (Wiederurbarmachen) ist das
Herrichten der vom Bergbau nicht mehr genutzten devas-
cherheiten bestehen, die darauf beruhen, dass auf Bundesebene
keine fallspezifischen Regelungen vorhanden sind bzw. vorhan-
dene Regelungen nur teilweise und regional begrenzt zutreffen.
11
Biologisches Rekultivieren ist das Herstellen und Fördern
der Bodenfruchtbarkeit auf technisch vorgerichteten Flä-
chen. Dies erfolgt durch Bodenbearbeiten, Anreichern der -- Fassung vom 24.02.2012;
Düngegesetz (DüngG);
Düngemittelverordnung (DümV) in der Fassung vom
12 Humussubstanz im Oberboden, Düngen, Erstbepflanzen
und rationelles land- oder forstwirtschaftliches Nutzen in
Folge. --05.12.2012;
Düngeverordnung (DüV) in der Fassung vom 27.02.2007;
Klärschlammverordnung (AbfKlärV) in der geänderten
-
13 Fassung vom 24.02.2012;
Ähnliches gilt auch für Deponien, die nach den Regeln der bis Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) einschließlich
14 2009 gültigen TA Siedlungsabfall aufgebaut sind und oberhalb der ressortabgestimmten Durchführungsverordnung vom
15
der technischen Oberflächenabdichtung eine mindestens 1 m
mächtige Rekultivierungsschicht aufweisen müssen.
Die auf devastierten Flächen und hierauf neu entstandenen
Böden auftretenden Schäden sind vielfältig und haben oft Eines
-24.02.2012;
LABO-/LAGA-Anforderungen an den Einsatz von Bio-
kompost/Klärschlamm bei der Rekultivierung von langjäh-
rig devastierten Flächen der Braunkohlentagebaue in den
--
16 gemeinsam: Es fehlt der belebte humose Oberboden. neuen Bundesländern, Stand März 1995;
Das Anreichern von organischer Substanz im Oberboden Bioabfallverordnung (BioabfV) vom 04.04.2013;
17 ist daher in der Regel ein wichtiges Teilziel beim Rekultivieren. Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in der Fassung vom
Neben Klärschlamm werden zunehmend auch Komposte aus 07.08.2013.
Klärschlamm und der Bioabfallsammlung als Träger organischer
18 Substanz angeboten. Aufgrund der teilweise hohen Nährstoff- Die wichtigsten Leitsätze und Aussagen dieser Gesetze, Verord-
19
20
und Schadstoffgehalte und der häufig nicht ausreichenden Struk-
turstabilität werden die organischen Stoffe häufig mit minerali-
schen Komponenten vermengt, um ein bodenähnliches Substrat
(Bodenersatzsubstrat) zu schaffen.
-
nungen, Anforderungen und Merkblätter sind (Philipps 2000):
Kreislaufwirtschaftsgesetz
Biokompost bzw. Klärschlamm als Abfall zur Verwertung
kann als Sekundärrohstoffdünger im Bereich der landwirt-
Vom Anwenden der Komposte und Bodenersatzsubstrate schaftlichen Düngung eingesetzt werden, wenn dieser dem
sind im Rahmen von Rekultivierungsmaßnahmen u. a. folgende Düngemittelgesetz und den nachgeschalteten düngemittel-
-- -
21 Effekte zu erwarten (Abo-Rady et al. 2000): rechtlichen Verordnungen genügt.
Zufuhr von organischer Substanz und Nährstoffen; Düngegesetz (DüngG)
22 Erhöhen der Wasserspeicherfähigkeit, Durchlässigkeit und Klärschlamm fällt unter dieses Gesetz, wenn dieser zur
23 - Bodenwärme;
Stabilisieren des Bodengefüges und Schutz vor Verschläm-
- landwirtschaftlichen Düngung vorgesehen ist.
Düngemittelverordnung
-
- LABO/LAGA
(Düngebedarfsermittlung, Nährstoffvergleiche). - DümG - Haldenrichtlinie
Thüringen
Klärschlammverordnung - Deponieverordnung
Klärschlämme, Klärschlammkomposte und Klärschlamm- - (BBodSchG)
gemische unterliegen im Rahmen der landwirtschaftlichen
Verwertung der AbfKlärV Gleichzeitig unterliegen die - BioAbfV
genannten Stoffe auch den düngemittelrechtlichen Vor-
.. Abb. 16.1 Rechtliche Regelungen zum Einsatz von Klärschlamm und
schriften. Das Aufbringen von Klärschlamm auf Rekulti- Klärschlammprodukten in der Landwirtschaft und bei Rekultivierung und
vierungsflächen wird von der AbfKlärV nur dann geregelt, Landschaftsbau
wenn diese Flächen anschließend auch landwirtschaftlich
- genutzt werden.
Bundesbodenschutzgesetz
Ziel ist das nachhaltige Sichern und Wiederherstellen von
Bodenfunktionen sowie die Abwehr schädlicher Boden-
- Richtlinie für die Verwertung von Reststoffen bei der Abde-
ckung und Rekultivierung von Halden des Steinkohleberg-
baus auf Karbon.
veränderungen. Die Bereiche, in denen bereits Richtlinien Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr, Saarbrü-
(z. B. KrW-/AbfG, DüngG, AbfKlärV) das Aufbringen von
Abfällen als Dünger oder Sekundärrohstoff regeln, werden
- cken 1996 – seit 01.03.2009 ungültig.
Texte und Anforderungen des ANS.
- erfolgen.
Wasserhaushaltsgesetz
Stoffe dürfen nur so abgelagert werden, dass eine nach-
teilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu
tige Bodenersatzsubstrate hinsichtlich der in ihnen enthaltenen
Schad- und Nährstoffgehalte geregelt sowie dem Bedarf der je-
weiligen Nutzpflanzen angepasst. Der Einsatz von Biokompost in
der Landwirtschaft wird von der BioAbfV geregelt.
besorgen ist (§ 32.2). Von den obengenannten rechtlichen Regeln wird das Ver-
wenden von Biokompost, Klärschlamm und Bodenersatzsubstra-
Darüber hinaus existieren weitere, oft nur auf Länderebene gül- ten für Rekultivierungszwecke und im Landschaftsbau lediglich
tige Regelwerke, die entweder per Erlass bindenden Charakter im engbegrenzten Einsatz auf devastierten Flächen der Braun-
haben oder deren Einhaltung und Beachtung die zuständigen kohletagebaue in den neuen Bundesländern eindeutig definiert
-
Behörden im Einzelfall fordern:
Klärschlammverwertung im Landschaftsbau.
Bericht des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-An-
halt, Halle 1993.
und reglementiert.
In allen anderen rechtlichen Regeln wird dieser Teilaspekt
der Biokompost- und Klärschlammverwertung nicht behandelt
bzw. sogar ausdrücklich ausgeschlossen (s. § 1, Abs. 1 AbfKlärV).
652 Kapitel 16 • Rekultivieren von Halden, Deponien und Tagebauen
Lediglich aus einzelnen Abschnitten des Bundesboden- schenen N-Verbindungen) unterschieden. Das Bewerten erfolgt
1 schutzgesetzes lassen sich noch Begründungen für den Einsatz anhand der Austauschhäufigkeit des Bodenwassers bei Feldka-
von Biokompost, Klärschlamm oder klärschlammhaltigen Bo- pazität im effektiven Wurzelraum. (Das Ermitteln von Kenngrö-
2 denersatzsubstraten beim Rekultivieren und im Landschaftsbau ßen erfolgt nach DIN E 19732 anhand von Nomogrammen, Be-
konstruieren. So ergibt sich aus § 1 BBodSchG, dass die Funktio- rechnungsmodellen und Messungen, z. B. mit Lysimetern.) Das
3 nen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen sowie schäd-
liche Bodenveränderungen abzuwehren sind, was in dieser Form
-
standörtliche Verlagerungsrisiko wird wie folgt unterschieden:
A: empfindliche Standorte,
4
auch in den LABO-/LAGA-Anforderungen formuliert ist.
Der Einsatz von Biokompost, Klärschlamm oder klär-
- Austauschhäufigkeit > 200 %.
B: mäßig empfindliche Standorte,
5
schlammhaltigen Bodenersatzsubstraten für Rekultivierungs-
zwecke wäre daher nach BBodSchG an den Nachweis der Nütz-
lichkeit sowie der Schadlosigkeit gekoppelt. Bei Vorhandensein
eines entsprechenden Produktes, welches die durch gültige
- Austauschhäufigkeit 100–200 %.
C: unempfindliche Standorte,
Austauschhäufigkeit < 100 %.
6 Rechtsverordnung geregelten Werte und Anforderungen erfüllt, Anhand der Einteilung in Nutzungsklassen und hydrogeolo-
wäre eine Verwendung für die genannten Zwecke auch außerhalb gische Standorttypen werden von der LABO/LAGA maximal
7 der LABO-/LAGA-Anwendungsbereiche nach den Vorgaben zulässige Stickstofffrachten (verfügbarer N-Anteil) pro Hektar
des BBodSchG durchaus möglich. Nachdem deutlich gemacht festgelegt.
wurde, dass für den Einsatz von Bodenersatzsubstraten beim In Bezug auf die Nährstoffe Phosphat und Kalium werden
8 Rekultivieren und im Landschaftsbau lediglich die rechtlichen ebenfalls maximal zulässige Frachten vorgegeben, die sich an den
Regeln der LABO/LAGA sowie das BBodSchG Anwendung fin- obengenannten Nutzungsklassen sowie an der für den Standort
9 den, wird nachfolgend detailliert auf diese beiden Regelwerke relevanten Nährstoffversorgungsstufe gemäß VDLUFA-Dün-
eingegangen. geempfehlungen orientieren. Die im LABO-/LAGA-Papier zu-
10 grunde gelegten maximal zulässigen Frachten für Phosphat und
Kalium basieren auf der Nährstoffversorgungsstufe C (Erhal-
16.1.1 LABO/LAGA tungsdüngung). Bei niedrigen (A) bzw. mittleren (B) Nährstoff-
11 gehalten im Boden sind die zulässigen Frachten mit dem Faktor 2
In den LABO-/LAGA-Anforderungen werden die Randbedin- bzw. 1,5 zu multiplizieren. Bei sehr hohen Nährstoffgehalten im
12 gungen der Biokompost- und Klärschlammverwertung anhand Boden (Versorgungsstufe D) ist die Fracht zu halbieren. Bei äu-
relevanter Nährstoff- und Schadstoffgrenzwerte vorgegeben. ßerst hohen Nährstoffgehalten (Versorgungsstufe E) ist das Aus-
Die Schadstoffgrenzwerte werden hierfür aus der AbfKlärV bringen von Klärschlamm bzw. Bioabfallkompost nicht zulässig.
13 übernommen (Schwermetalle, PCB, PCDD/F), wobei sowohl Mithilfe der obengenannten Differenzierungen hinsichtlich
die Boden- wie auch die Klärschlammwerte herangezogen wer- Nutzungsklassen, hydrogeologischen Standorttypen und Nähr-
14 den. Der Schadstoffgehalt im Bodensubstrat bzw. Abfallgemisch stoffversorgungsstufen soll erreicht werden, dass beim Ausbrin-
darf die Gehalte der am Standort vorkommenden Böden nicht gen von Klärschlamm bzw. Bioabfallkompost die Nährstoffein-
15 überschreiten (50er bzw. 90er Perzentil der regionalen Hinter- träge an die Bodenfunktionen und den Pflanzenbedarf angepasst
grundwerte). und die Risiken insbesondere erhöhter Nitratausträge ins Grund-
Die Nährstoffgrenzwerte (Stickstoff, Phosphat, Kalium) wer- wasser minimiert werden (s. auch Delschen et al. 1996).
16 den anhand von sogenannten Nutzungs- und Standortfaktoren Im Anhang der LABO-/LAGA-Anforderungen ist eine Bei-
festgelegt. Als Bemessungsgrundlage werden die Düngemittel- spielrechnung für die Kompostmenge angegeben, die auf einen
17 vorschriften genannt. Standort der Nutzungskategorie II (intensive Grünlandnutzung)
Die Nutzungsklassen werden wie folgt gegliedert (wobei die mit dem hydrogeologischen Standorttyp C (unempfindlich) und
Nutzungsklasse I von der AbfKlärV geregelt wird und für das der Nährstoffversorgungsstufe A (doppelte zulässige Nährstoff-
-
18 Rekultivieren nicht relevant ist): fracht) auszubringen ist.
Nutzungsklasse I: intensive Ackerkulturen, intensive Grün- Wenn man in diese Beispielrechnung die für Klärschlamm-
--
19 landnutzung; komposte häufigen Nährstoffgehalte einsetzt, erhält man fol-
Nutzungsklasse II: intensive Grünlandnutzung (Weide); gende Ausbringmengen:
20 Nutzungsklasse III: extensive Grünlandnutzung, Grünflä-
- chen;
Nutzungsklasse IV: Aufforstungen, Gehölzflächen, Grün-
-
Beispielrechnung
Klärschlammkompost (häufig gemessene Werte):
- --
21 brachen mit Einsaaten; Wassergehalt 48 Gew.-%,
Nutzungsklasse V: Grünbrache ohne Einsaat. Schüttdichte 730 kg m−3,
22
--
ges
N 1 % TS,
min
Die Einteilung in Nutzungsklassen soll eine bedarfsgerechte N 0,033 % TS,
23 Versorgung mit Nährstoffen sicherstellen und Überdüngen ver-
meiden.
Zusätzlich wird bei Stickstoffverbindungen das standörtli-
che Verlagerungsrisiko (Schutz des Grundwassers vor ausgewa-
-- Phosphor (P2O5) 1,85 % TS,
Kalium (gesK) 0,48 % TS.
Standort:
Nutzungskategorie II,
16.1 • Rechtliche Rahmenbedingungen für das Anwenden von Bodenersatzsubstraten
653 16
-- Versorgungsstufe A.
Frachten (zulässig):Stickstoff 85 kg ha−1,
in diesem Zusammenhang, dass nicht die Schadstoffe (z. B. Schwer-
metalle), sondern die Nährstoffe der begrenzende Faktor sind.
1. Stickstoff: gesN = 10 kg (1 % gesN · 1000 kg) Das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) weist zwar keine di-
min
N = 0,33 kg rekte Regel zum Aufbringen von Biokompost, Klärschlamm oder
org
N = (10 − 0,33) kg = 9,67 kg klärschlammhaltigen Bodenersatzsubstraten beim Rekultivieren
verf
N = 0,33 kg + (9,67 kg · 0,15) = 1,8 kg und im Landschaftsbau auf, enthält jedoch Ansatzpunkte, die für
(unter der Annahme, dass 15 % des orgN im ersten Jahr diesen Verwendungsfall herangezogen werden könnten.
verfügbar sind) So wird z. B. in § 6 das „Auf- und Einbringen von Materialen
Auszubringende einmalige Klärschlammkompostmenge auf oder in den Boden“ angesprochen. Anhand von Merkmalen
(s. o. Annahme) nach N: wie „Art und Beschaffenheit der Materiale und des Bodens, Auf-
85 kg/1,8 kg = 47 t TM ha−1 bringungsort und -zeit sowie natürliche Standortverhältnisse“
2. Phosphor P2O5 = 18,5 kg (1,85 % · 1000 kg) können „Untersuchungen der Materiale und/oder des Bodens“
Auszubringende Klärschlammkompostmenge nach P: bestimmt werden.
160 kg/18,5 kg = 8,7 t TM ha−1 In § 7 ist die Vorsorgepflicht des Grundstückseigentümers
Erlaubte Zusammenfassung von 3 Jahresgaben: geregelt, die dann gegeben ist, wenn aufgrund der räumlichen,
3 · 8,7 t = 26 t TM ha−1 langfristigen oder komplexen Auswirkung einer Nutzung die Be-
3. Kalium K2O = 4,8 kg (0,48 % · 1000 kg) sorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht.
Auszubringende Klärschlammkompostmenge nach K: Die landwirtschaftliche Bodennutzung richtet sich hierbei
300 kg/4,8 kg = 62,5 t TM ha−1 nach dem Grundsatz der „guten fachlichen Praxis“, die forst-
wirtschaftliche Bodennutzung nach dem Bundeswaldgesetz
In dieser Beispielrechnung für Klärschlammkompost stellt Phos- bzw. nach den entsprechenden Vorschriften der Länder und der
phor den limitierenden Faktor dar. Es dürften unter den ange- Schutz des Grundwassers nach den wasserwirtschaftlichen Vor-
nommenen Bedingungen lediglich 26 t Klärschlammkompost schriften. Ein spezieller Hinweis auf den Bereich Rekultivieren
(Trockenmasse) pro Hektar ausgebracht werden. Bei einem Was- und Landschaftsbau wird nicht gegeben.
sergehalt von rund 48 Gew.-% wären dies rund 54 t Frischmasse. In Anhang 2 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenver-
Unter Zugrundelegung einer Schüttdichte von 0,73 t m−3 ergibt ordnung (BBodSchV) vom 24.03.2012 werden in Vorsorge-,
sich daraus ein Volumen von 74 m3 ha−1. Prüf- und Maßnahmenwerte zu § 8 BBodSchG genannt in
Die resultierende „Aufbringstärke“ beträgt damit rund . Tab. 1.15–1.23. Die einzelnen Wertegruppen werden wie folgt
0,75 cm ha−1, wobei nur einmaliges Aufbringen statthaft ist. gegliedert, wobei lediglich die Prüf- und Maßnahmenwerte eine
Mit diesem Resultat ist es auch unter den bereits voraus- gewisse Hierarchie aufweisen und die Vorsorgewerte isoliert da-
gesetzten günstigen Standortbedingungen (Nutzungsklasse II,
Standorttyp C, Versorgungsstufe A) fraglich, ob das Anwenden
von Bodenersatzsubstraten in solchen äußerst geringen Dosie-
rungen überhaupt fachlich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Bei
-
von zu sehen sind (Schrader 1998):
Vorsorgewerte
Beim Überschreiten dieser Grenzwerte ist in der Regel
von einer schädlichen Bodenveränderung auszugehen. Die
Anwendung eines üblichen klärschlammhaltigen Bodener- Differenzierung orientiert sich wegen unterschiedlicher
satzsubstrates (s. Beispielrechnung) ist die Stärke der Rekulti- Schadstoffbindung bei Schwermetallen an den Anteilen von
vierungsschicht mit 0,75 cm in jedem Falle zu gering. Um eine Ton, Lehm und Sand im Boden, bei organischen Stoffen
begrünungsfähige Rekultivierungsschicht von ca. 0,25 m Stärke (PCB, PAK) am Humusgehalt.
zu erhalten, müssten dem klärschlammhaltigen Bodenersatzsub-
strat daher große Mengen an schad- und nährstofffreiem Substrat
zugesetzt werden (Gallenkemper und Flamme 1996).
Die Anforderungen der LABO/LAGA orientieren sich sehr
- Die Anwendung ist schadstoffbindungsbezogen.
Maßnahmenwerte
Beim Überschreiten dieser Grenzwerte ist in der Regel von
einer schädlichen Bodenveränderung (oder Altlast) auszu-
stark an der landwirtschaftlichen Düngepraxis, was vor allem gehen. Entsprechende Maßnahmen sind erforderlich. Die
anhand der äußerst limitierten Nährstoffgehalte deutlich wird. Maßnahmenwerte markieren die Gefahrenschwelle.
Die Anwendungspraxis sollte beim Rekultivieren stärker berück-
sichtigt werden, da hier im Gegensatz zur Landwirtschaft in der
Regel nur eine einmalige Anwendung erfolgt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die LABO-/LAGA-
- Die Anwendung ist nutzungs- und schutzgutbezogen.
Prüfwerte
Beim Überschreiten dieser Grenzwerte ist eine einzel-
fallbezogene Prüfung durchzuführen, ob eine schädliche
Anforderungen in ihrer gegenwärtigen Form nahezu einen Aus- Bodenveränderung (oder Altlast) vorliegt. Die Prüfwerte
schluss der Klärschlamm- bzw. Bioabfallkompostanwendung im markieren nicht die Gefahrenschwelle, sondern verpflich-
Rahmen von Rekultivierungs- und Landschaftsbaumaßnahmen ten zur näheren Untersuchung, ob eine Gefahr vorliegt.
darstellen, da ein wirtschaftliches Ausbringen aufgrund der sehr res- Die Anwendung ist nutzungs- und schutzgutbezogen.
654 Kapitel 16 • Rekultivieren von Halden, Deponien und Tagebauen
In § 12 der BBodSchV werden zur Rekultivierungsproblematik gewiesen wird, dass das Elutionsverhalten bzw. die eluierbare
1 folgende Aussagen getroffen: Fracht pro Jahr und Fläche durch entsprechende Produktreak-
Als Kulturbodenschicht soll vorrangig Bodenmaterial auf- tion, wie z. B. Emissionsneutralität durch Verglasen, Versintern
2 getragen werden. Dabei darf nach Art, Menge und Schadstoff- oder Keramisieren, minimiert wird.
gehalten dieses Bodenmaterials sowie der am Ort der Aufbrin- Hinsichtlich der Nährstoffsituation sind im BBodSchG und
gung anstehenden Böden nicht die Besorgnis des Entstehens in der BBodschV keine begrenzenden Vorgaben enthalten. Aller-
3 schädlicher Bodenveränderungen hervorgerufen werden. Im dings gibt es diesbezüglich auch hier andere Einschränkungen,
Hinblick auf künftige unvermeidliche Schadstoffeinträge durch etwa die Forderungen zum Schutz des Grundwassers vor Verun-
4 Bewirtschaftungsmaßnahmen sollen die Schadstoffgehalte in der reinigungen mit Nitrat, Phosphat etc.
entstandenen Kulturbodenschicht 70 % der Vorsorgewerte nicht Die LABO-/LAGA-Anforderungen berücksichtigen im Ge-
5 überschreiten. gensatz zum BBodSchG zwar die Nährstoffsituation, jedoch ist
Beim Ausbringen von Biokompost, Klärschlamm oder klär- der Anwendungsfall inhaltlich eng auf die Belange der Braun-
schlammhaltigen Bodenersatzsubstraten im Rahmen von Rekul- kohletagebaue in den ostdeutschen Bundesländern begrenzt.
6 tivierungs- und Landschaftsbaumaßnahmen sind die Vorsorge- Auch andere Gründe sprechen gegen das bundesweite Anwenden
werte für Metalle und organische Stoffe in Böden zu beachten. der LABO-/LAGA-Anforderungen.
7 Während die organischen Stoffe im Klärschlamm in der Regel
weniger problematisch sind, weisen die Metalle bekanntermaßen
je nach Einzugsgebiet der Kläranlage bzw. Verunreinigungen der 16.2 Abfall- und Wertstoffproblematik
8 Bioabfallsammlung häufig erhöhte Gehalte auf. bei Rekultivierungssubstraten
Bei Rekultivierungsmaßnahmen sind für das Ausbringen
9 klärschlammhaltiger Bodenersatzsubstrate Cadmium, Kupfer Die Grundsätze des KrW-/AbfG vom 24.02.2012 sehen vor, dass
und vor allem Zink kritische, weil häufig erhöhte Parameter. Abfälle in erster Linie zu vermeiden sind. Ist dies nicht möglich
10 Die Zugabe von Bodenmaterial zum klärschlammhaltigen (wie beim Klärschlamm), so sind die Abfälle stofflich oder ener-
Bodenersatzsubstrat muss unter Einhaltung der Vorgabe des getisch zu verwerten. Erst wenn weiteres Verwerten ökologisch
BBodSchG erfolgen (max. 70 % der Vorsorgewerte, z. B. Zink: und ökonomisch nicht mehr sinnvoll durchführbar ist, sollen
11 140 mg kg−1 TS). Außerdem ist vor jedem Ausbringen der Boden Abfälle beseitigt bzw. deponiert werden.
in der Ausbringfläche zu überprüfen. Gegenwärtig wird Klärschlamm bzw. Klärschlammkompost
12 Im Gegensatz zu den LABO-/LAGA-Anforderungen ist nach landwirtschaftlich und thermisch verwertet bzw. untergeordnet
der obengenannten Auslegung des BBodSchG unter dem Ge- auch als Rekultivierungssubstrat aufbereitet. Das Ablagern von
sichtspunkt der Schadstoffgehalte das Ausbringen von Bodener- Klärschlamm auf Deponien ist seit 2005 nicht mehr möglich.
13 satzsubstraten in beliebigen Mächtigkeiten möglich, sofern die Das Verwenden von Klärschlamm als Dünger durch Aufbrin-
Vorsorgewerte nicht überschritten werden. gen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch
14 Aus Rücksicht auf die Vegetation ist die Dicke der aufzutra- genutzte Böden ist eine stoffliche Verwertung im Sinne von § 6
genden Schichten auf ca. 0,2 m zu begrenzen. Beim Auftrag di- Abs. 1 KrW-/AbfG. Der Klärschlamm wird damit einem in An-
15 ckerer Schichten kann es zur Bildung von biologisch inaktivem lage 2 zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausdrücklich
Totboden kommen. Von Totböden ist bekannt, dass sie erhöhte genannten Verwertungsverfahren zugeführt, nämlich dem Ver-
Nitratmengen abgeben. Bei zu dickem Ausbringen von Biokom- fahren gemäß R 10: „Aufbringung auf den Boden zum Nutzen
16 post, Klärschlamm oder klärschlammhaltigen Bodenersatzsub- der Landwirtschaft …“ Dies ist ein stoffliches Verwerten, da nach
straten kann der Gesichtspunkt einer Entsorgung zunehmend einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichti-
17 Bedeutung erlangen. gung der im Klärschlamm enthaltenen Verunreinigungen, der
Bezüglich der in einem Produkt enthaltenen Schadstoffe ist Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Klärschlamms
beim Überschreiten der Vorsorgewerte eine Frachtbetrachtung und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Es
18 vonnöten. Dies bedeutet, dass § 8 Abs. 2 BBodSchG greift, zu geht darum, die konkreten Eigenschaften des Klärschlamms zu
dem im ergänzenden Regelwerk der BBodSchV Werte tabella- nutzen, um einen bestimmten Erfolg zu erzielen, zu dessen Er-
19 risch aufgelistet sind, die stoffliche Begrenzungen des Eintrages reichen der Aufbringende sich sonst eines anderen Stoffes hätte
in den Untergrund darstellen. bedienen müssen (Wendt 1998).
20 In der Praxis heißt dies, dass die Zugabe von Bioabfällen bzw. Biokompost wird ebenfalls in der Landwirtschaft und im
Klärschlamm zum Bodenersatzsubstrat zunächst durch den Vor- Gartenbau stofflich verwertet, wobei mit dem Aufbringen auf
sorgewert begrenzt wird. Überschreitet das Produkt durch eine Böden die abfallrechtliche Verwertung abgeschlossen ist.
21 erhöhte Zugabe von Bioabfall bzw. Klärschlamm den Vorsorge- In § 11 und 12 nimmt das KrW-/AbfG Bezug auf die An-
wert, heißt dies, dass die Aufbringstärke des Produktes, welche forderungen der Kreislaufwirtschaft für Bioabfälle und Klär-
22 zuvor nicht begrenzt war, dann wegen zu hoher Frachten auf schlämme sowie deren Qualitätssicherung.
ein Minimum zu reduzieren ist. Hier hat der Gesetzgeber eine Das Düngen landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder
wohlüberlegte Hemmschwelle eingebaut, die überhöhte Zugaben gärtnerisch genutzter Böden mit Biokompost und Klärschlamm
23 von Bioabfall bzw. Klärschlamm verhindert. unterliegt daher dem Rechtsregime des Kreislaufwirtschafts- und
Andererseits können naturwissenschaftlich gesicherte An- Abfallgesetzes. Biokompost und Klärschlamm, die durch Rotte-
sätze zu wirtschaftlichen Problemlösungen führen, indem nach- und Kompostierverfahren oder durch Vermischen mit Grün-
16.3 • Regelungsbedarf für Bodenersatzsubstrate im Landschaftsbau
655 16
schnittmaterial und Ton aufgearbeitet werden, können als Dün- Rekultivieren scheidet die Anwendung der AbfKlärV/-BioKompV
ger für landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch und der daraus abgeleiteten Vorschriften grundsätzlich aus.
genutzte Böden verwendet werden. Das Material kann aber auch Wie oben erläutert, bestehen gegenwärtig, abgesehen von
als Mittel der Landschaftsgestaltung, z. B. für das Rekultivieren einigen im Grundsatz wohl heranziehbaren Vorgaben im BBod-
von verödeten Industrieflächen, sonstigem Ödland, Deponien SchG sowie regional begrenzt gültigen Regeln und Empfehlungen,
und Halden, eingesetzt zu werden (Wendt 1998). keine rechtlich verbindlichen, bundeseinheitlichen Rahmenvor-
Das Klassifizieren zwischen Verwendung von Rekultivie- gaben. Somit ist für den Einsatz bioabfall- bzw. klärschlamm-
rungssubstraten im Sinne einer Verwertung oder im Sinne einer haltiger Bodenersatzsubstrate der Entscheidungsspielraum der
Beseitigung ist problematisch. Wenn ein Rekultivierungssubstrat zuständigen Fachbehörden sehr weit gefasst (Müsken 1996).
als Dünger oder als Mittel der Landschaftsgestaltung verwendet Üblicherweise wird gegenwärtig das Ausbringen von Bio-
wird, handelt es sich doch zum Zeitpunkt der entsprechenden kompost, Klärschlammkompost und klärschlammhaltigen Bo-
Verwendung – also beim Einsatz – nicht mehr um Abfall im denersatzsubstraten in Form von Einzelgenehmigungsverfahren
Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Abfallverwer- behandelt, wobei die Genehmigungsauflagen von den zuständi-
tung und Abfallbeseitigung setzen begrifflich das Vorhandensein gen Umweltbehörden aufgestellt werden.
von Abfall voraus. Für betriebswirtschaftlich lohnendes Verwerten von Klär-
Durch Verrotten oder Kompostieren bzw. durch Vermischen schlammkomposten und Bodenersatzsubstraten sind Einzelge-
mit Grünschnittmaterial oder Ton kann der Biokompost bzw. nehmigungsverfahren hingegen wenig förderlich. Aus diesem
Klärschlamm seine Abfalleigenschaft verloren haben. Eine sol- Grund haben sich 1988 zahlreiche Hersteller von Klärschlamm-
che Aufarbeitung wäre dann ihrerseits als abschließende Ver- kompost unter dem Dach des „Arbeitskreises für die Nutzbarma-
wertung, nämlich als Nutzung der stofflichen Eigenschaften des chung von Siedlungsabfällen (ANS) e.V.“ zusammengeschlossen
Klärschlamms (§ 6 KrW-/AbfG), zu begreifen. und ein eigenes Gütesiegel entwickelt.
Ob die grundsätzliche Pflicht zum stofflichen Verwerten er- Die bisherigen Praxiserfahrungen bei der Bodenersatzsub-
füllt wird, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Hinblick auf stratanwendung im Bereich Rekultivieren und Landschaftsbau
die jeweiligen Eigenschaften des betreffenden Abfalls bestimmen. haben ergeben, dass gütegesicherter Kompost aus Bioabfall oder
Als Indizien für eine nicht mehr vorhandene abfallspezifische Abwasserschlamm ohne weitere behördliche und genehmigungs-
Eigenschaft eines Rekultivierungssubstrats können nach Wendt rechtliche Restriktionen entsprechend den Anwendungsempfeh-
-
(1998) folgende Punkte angesehen werden:
Die gewonnenen Stoffe sind in ihren Eigenschaften den zu
substituierenden Primärrohstoffen oder Produkten (natür-
lungen der „Gütegemeinschaft Kompost im ANS e.V.“ eingesetzt
werden kann. In der Regel werden dabei von den Kompost- oder
Substratherstellern die abgegebenen Mengen per Wiegeschein
- ---
Steinbrüche, Betriebsfläche 8900 24.900 24.344
Kiesgruben. [ha]
6 Ablagerungen:
Rückstandshalden,
7
8
- -- Deponien.
Erdbauwerke:
Böschungen, Hänge, Straßeneinschnitte,
Lärmschutzwälle.
langen noch nicht abgedeckte Rückstandshalden oder Abfallde-
ponien eine Sicherung gegen den Zutritt der Atmosphärilien.
Bergbaufolgeflächen (. Tab. 16.1) werden aufgrund ihrer
Ausdehnung unabhängig von der späteren Nutzungsart häufig zu
ganzen Bergbaufolgelandschaften umgestaltet. Rückstandshalden
9 Die Verpflichtung zum Rekultivieren ergibt sich aus den Grund- und Abfalldeponien bleiben hingegen trotz mitunter beachtli-
sätzen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), die als Rah- cher Größe stets isolierte Punkte in einer ansonsten natürlich
10 menvorschriften für die Ländergesetzgebung vorsehen, dass gewachsenen Landschaft. Daraus resultieren in vielen Fällen ganz
nachteilig verändernde Eingriffe in den Landschaftshaushalt bzw. unterschiedliche Ansprüche und Vorgaben für das Rekultivieren
in das Landschaftsbild durch landschaftspflegerische Maßnah- (LfU Sachsen-Anhalt 1993).
11 men (z. B. Rekultivierungen) auszugleichen sind. . Tab. 16.1 zeigt, dass ein großes Rekultivierungspotential
Das Durchführen von Rekultivierungsmaßnahmen ist nicht (Betriebsfläche) von rund 60.000 ha allein in den drei großen
12 standardisiert, sondern muss angepasst an die jeweilige Standort- Braunkohlerevieren Deutschlands besteht. Auf den sogenann-
situation und die geplanten Folgenutzungen erfolgen. ten Kipprohböden der Braunkohlereviere müssen Rekultivie-
Üblicherweise werden die Rahmenbedingungen bei an- rungsmaßnahmen aufgrund ihrer im Gegensatz zu gewachse-
13 stehenden Rekultivierungsmaßnahmen in einem Rekultivie- nen Kulturböden besonders empfindlichen chemischen und
rungsplan zusammengefasst und bedürfen einer behördlichen physikalischen Eigenschaften sehr sorgfältig geplant werden
14 Zustimmung. Je nach Anwendungsfall und Region sind Untere (. Tab. 16.2).
Naturschutz- bzw. Wasserschutzbehörden, Straßenbauämter Das Ziel der Rekultivierung devastierter Flächen der Braun-
15 oder Bergämter zuständig. kohletagebaue sollte dem Gebot von Nachhaltigkeit und Nütz-
Der Rekultivierungsplan gliedert sich in der Regel in folgende lichkeit folgen (LABO/LAGA 1995), was sich in Form einer Ver-
16
-
Elemente:
Vorbereiten der Fläche
-
besserung der folgenden Eigenschaften ausdrückt:
Erhöhen des Anteils an organischer Substanz im Oberbo-
17
Hierzu gehört der Abbruch evtl. vorhandener Hilfsbau-
werke, das Planieren des Geländes und das Anlegen geeig-
-- den;
Zufuhr pflanzenverfügbarer Nährstoffe;
18 - neter Böschungen.
Andecken bzw. Aufbringen von Mutterboden
Hierzu kann bei Mangel an humosen Erdstoffen auch
der Einbau von Bodenersatzsubstraten (Kompost, Klär-
-- Neutralisation bzw. Regulieren des pH-Wertes;
Anregen des Bodenlebens;
Verbessern des Wasserhaushaltes.
19 schlamm, Kultursubstrate, Rindenmulchprodukte u. ä.) Zu vermeiden sind beim Rekultivieren Verschlechterungen der
20 - gehören.
Anpflanzen mit standortgerechter Vegetation
-
Bodenfunktionen durch:
Schadstoffeintrag, der die geringe Belastbarkeit der Boden-
21 16.4.1 Rohstoffgewinnungsstätten --
substrate übersteigt;
nicht bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr;
Verdichten des Bodens.
22 Tagebaue (Bergbaufolgelandschaften) Rekultivierungsmaßnah- In den vergangenen Jahren wurden u. a. aus Gründen der man-
men auf Bergbaufolgeflächen unterscheiden sich deutlich von gelnden Verfügbarkeit geeigneter natürlicher humoser Oberbö-
den Maßnahmen bei Rückstandshalden oder Abfalldeponien. den zunehmend Versuche unternommen, die obengenannten
23 Während bei Bergbaufolgeflächen die Wiedernutzbarmachung Positivziele der Rekultivierung durch den Einsatz organischer
und die Veräußerung der behandelten Flächen im Zustand un- Abfälle zu erreichen. Neben der im Grundsatz sicherlich löbli-
eingeschränkter Nachnutzbarkeit im Vordergrund stehen, ver- chen Verwertung der wertgebenden Inhaltsstoffe wie z. B. der
16.4 • Technisches Umsetzen von Rekultivierungsmaßnahmen
657 16
.. Tab. 16.2 Eigenschaften von gewachsenen Kulturböden im .. Tab. 16.3 Maximal zulässige Schadstoffkonzentrationen in
Vergleich zu Kipprohböden der Braunkohlereviere. (Nach Abo-Rady Biokomposten, Klärschlämmen und Klärschlammkomposten für den
et al. 2000) Einsatz bei Rekultivierungs- und Landschaftsbauvorhaben auf devas-
tierten Flächen der ehemaligen Braunkohletagebaue in den neuen
Eigenschaft Gewachsene Kipprohböden der Braun- Bundesländern gemäß LABO-/LAGA-Richtlinien (1995)
Kulturböden kohlentagebaue
Parameter Einheit Biokomposte Klärschlämme/
1. Bodengefüge Stabil Sehr instabil Klärschlamm-
komposte
2. Oberboden Homogen Inhomogen durch
Verkippen Blei mg kg−1 TS 150 900
3. Bodenleben Intensiv Nicht vorhanden Cadmium mg kg −1
TS 1,5 10
4. Grundwasser- Bekannt In vielen Fällen unbe- Chrom mg kg −1
TS 100 900
verhältnisse kannt; aufgrund des Hö-
−1
henniveaus können diese Kupfer mg kg TS 100 800
Flächen nach Beendi- −1
Nickel mg kg TS 50 200
gung der Wasserhaltung
−1
z. T. in den Grundwasser- Quecksilber mg kg TS 1 8
bereich gelangen −1
Zink mg kg TS 400 2500
5. Gefahr von Nicht vorhanden Verstärkt vorhanden −1 a
PCB mg kg TS – 0,2b
Setzungsfließen
PCDD/F ng TE kg−1 TS –a 100
6. Beeinträch- Keine Sehr hoch in den terti-
tigung durch ären Substraten (Versaue- a
Keine Grenzwertfestlegung, da üblicherweise nur geringe Grundbe-
Säurebildner rungsgefahr) lastung in Biokomposten
(Pyrit, Markasit) b
Pro Einzelkongener
7. Kulturtechnolo- Meistens gut Meistens begrenzt
gische Eignung
8. Sorptions Meistens befrie- In ca. 70 % dieser Böden menden Hintergrundwerte, d. h., dass 50 bzw. 90 % der natürlich
kapazität digend bis hoch sehr niedrig (d. h. Aus- gewachsenen Böden unter diesen statistisch ermittelten Werten
waschung von Nähr- und liegen.)
Schadstoffen)
Zusätzlich zum Schadstoffaspekt sind beim Verwerten orga-
9. Entwicklungs- Gut entwickelt, Unentwickelt (Rohbö- nischer Abfälle im Zuge von Rekultivierungsmaßnahmen auch
stand und Emp- weniger emp- den), sehr empfindlich
die Grundsätze der „guten fachlichen Praxis“ zu beachten, die
findlichkeit findlich
in den düngemittelrechtlichen Gesetzen und Verordnungen
10. Erosivität Gering Sehr hoch (DüngG, DümV, DüV) beschrieben werden.
11. Humusgehalt, Hoch Gering bis nicht vorhanden Um Auswaschen von Nährstoffen (insbesondere von Nitrat)
pflanzenverfüg- aus dem Rekultivierungssubstrat ins Grundwasser zu vermeiden,
bare Nährstoffe wurden standortspezifische Nährstofffrachten in den LABO-/
(N, P, K)
LAGA-Richtlinien festgelegt (. Tab. 16.4 und 16.5).
Gemäß den LABO-/LAGA-Richtlinien ist das Verwerten von
organischen Abfällen beim Rekultivieren devastierter Flächen
organischen Substanz und der Nährstoffe in organischen Ab- der Braunkohletagebaue in den neuen Bundesländern zu unter-
fällen müssen jedoch auch die „Schattenseiten“ dieser Verwer-
tung betrachtet werden. Im Gegensatz zu natürlichen Oberbö-
-
lassen, wenn
die vorgesehene (Tagebau-)Fläche nicht ordnungsgemäß
den weisen Substrate aus organischen Abfällen teilweise hohe
Nährstoff- und/oder Schadstoffgehalte auf, von denen bei nicht
sachgerechter Anwendung aufgrund der teilweise ungünstigen -- vorbereitet ist (z. B. Standsicherheit);
das Bodensubstrat weniger als 5 % Ton aufweist;
der pH-Wert der Grundmelioration nicht dauerhaft den
Eigenschaften der „Kipprohböden“ ein gewisses Umweltgefähr-
dungspotential ausgehen kann (. Tab. 16.2).
- Wert 5 unterschreitet;
die Rekultivierungsfläche innerhalb der Wasserschutz-
Für Biokomposte wie auch für Klärschlämme und Klär-
schlammkomposte wurden aus diesem Grund in den LABO-/
LAGA-Richtlinien (1995) maximal zulässige Schadstoffkonzent-
rationen für das Verwenden im Bereich Rekultivieren und Land-
- zone I–II liegt;
in weniger als 10 m Abstand vom Aufbringungsbereich
Oberflächengewässer liegen.
schaftsbau festgelegt (. Tab. 16.3). Der Erfolg einer Rekultivierungsmaßnahme wird insbesondere
Das Anwenden von organischen Abfällen beim Rekultivie- an den verbesserten bodenphysikalischen Eigenschaften der neu
ren ehemaliger Braunkohletagebaugebiete ist nur dann zulässig, hergestellten Böden deutlich. Durch die Zugabe von Kompost
wenn die Schadstoffgehalte im Bodenersatzsubstrat die Gehalte werden neben der gewünschten Nährstoffanreicherung auch die
der vor dem Abbau vorhandenen Böden nicht überschreiten. Bodengefügeeigenschaften wie Luftkapazität, nutzbare Feldkapa-
(Maßgabe ist das 50er bzw. 90er Perzentil der regional vorkom- zität und Bodendichte positiv beeinflusst, wie dies an Ergebnissen
658 Kapitel 16 • Rekultivieren von Halden, Deponien und Tagebauen
(Mehrschnitt-Wiesennutzung)
5 II Intensive Grünlandnutzung (Weide), 50 70 120
Flächen mit Einsaat von Gründün-
6 gungspflanzen
9 V
a
Grünbrachen ohne Einsaat 0 20 35
16 II 80 150
III 60 120
17 IV 40 80
V 20 40
18 a
b
Siehe . Tab. 16.4
Zusammenfassung der zulässigen Frachten von 3 Jahren möglich
19
von Rekultivierungsvorhaben im Rheinischen Braunkohlerevier
20 deutlich wird (. Abb. 16.2).
Im eher regenreichen mitteleuropäischen Klima ist der Erhalt
.. Abb. 16.2 Veränderung der bodenphysikalischen Eigenschaften eines
eines grobporigen, lockeren Zustandes des Oberbodens bzw. der
21 Rekultivierungsschicht notwendig, um Luftmangelerscheinungen
Oberbodens nach der Kompostanwendung auf der Rekultivierungsfläche
„Gustorfer Höhe“ im Rheinischen Braunkohlerevier. (Nach Tenholtern et al.
und Staunässe zu vermeiden. Mit zunehmender Kompression, 1996)
22 z. B. durch Befahren der Rekultivierungsflächen, nimmt der Grob-
porenanteil deutlich ab und die Verdichtung zu (. Abb. 16.3). sondere ehemalige Steinbrüche können darüber hinaus abhängig
von den Materialeigenschaften des abgebauten Gesteins steile bis
23 Steinbrüche und Gruben Steinbrüche, Ton-, Sand- und Kiesgru- nahezu saiger stehende Abbauwände (60–80°) aufweisen.
ben liegen in ihrer räumlichen Ausdehnung mehrere Größen- Rekultivierungspläne für abgebaute Gewinnungsflächen
ordnungen unter den obengenannten Tagebaugebieten. Insbe- der Steine- und Erdenindustrie verfolgen heute in der überwie-
16.4 • Technisches Umsetzen von Rekultivierungsmaßnahmen
659 16
--
rung folgende Ziele mit dem Rekultivieren zu verbinden sind:
Anlage flacher und standsicherer Böschungen;
Neugestalten der Oberfläche durch konturgebende Maß-
hohe Wasserspeicherfähigkeit besitzen. Eine Verdichtung
ist nicht vorzunehmen.
- nahmen;
Anlage von begehbaren Bermen für Sicherungsarbeiten.
.. Tab. 16.7 Korngrößenverteilung, Porenvolumen und Porenverteilung der Ausgangsmateriale und Rekultivierungssubstrate auf der Kalihalde Blei-
cherode, Thüringen. (Nach Minnich et al. 1996)
Porengrößenverteilung [Vol.-%]
.. Tab. 16.8 Entwicklung der Rekultivierungsplanung und Rekultivierungspraxis seit 1970 am Beispiel von Deponien in Baden-Württemberg. (Aus
Bönecke 1994)
Phase Zeitraum Zuständig Deponieart Zahl der Rekultivie- Maßnahmen für Rekultivierungsschicht und Aufforstung
Standorte/ rungspläne
mittlere
Größe
S. o. B ?/? l. d. R Ja
S. o. E ?/? Z. T.
(obligatorisch in Deponieklasse II) auf den Standort dränierend den diese verdichtet. Dabei werden in diesen das Porenvolumen
wirkt (Bönecke 1994). und die Porenvernetzung stark vermindert.
Die größten Einflüsse auf die Qualität der Rekultivierungs- Die Folge sind Störungen im Bodensauerstoffhaushalt, wegen
schicht resultieren aus der Aufbring- und Bearbeitungstechnik. denen die Pflanzen nur flache Wurzelsysteme ausbilden können
Beim Befahren der eingebauten Rekultivierungsschichten wer- (Windwurfgefährdung, Trockenstress). Durch die Bodenverdich-
662 Kapitel 16 • Rekultivieren von Halden, Deponien und Tagebauen
Boden auf Wällen, b Verkippen von Boden ohne lagenweises Befahren durch Locker Verdichtet
4 Bagger oder Radlader
Reibungswinkel φ′ [°] 32,5 35–40 5–15
5
Kohäsion c′ [kN m] 5 15–30 0–5
6
7
8 .. Abb. 16.7 Wirkungsweise eines Tiefenlockerungsgerätes (Wippscharlo-
ckerer). Die Eingreiftiefe liegt bei etwa 0,8 m, die durch den Lockerungseffekt
9 erzielte Dicke des bearbeiteten Substrats bei etwa 1,1 m. (Bönecke 1994)
14
16.4.3 Erdbauwerke
15
Böschungen in Form von Geländeanschnitten und Aufschüttun-
gen können zum Schutz vor Erosion und flachen Rutschungen
16 begrünt werden. Die betreffenden Flächen sollen in der Regel in
möglichst kurzer Zeit dicht bewachsen sein. Als Kulturschicht
17 werden auch Bodenersatzsubstrate auf Klärschlamm- oder
Kompostbasis aufgetragen. Sie eignen sich sowohl wegen ihres
hohen Nährstoffgehaltes als auch wegen ihrer günstigen boden-
18 mechanischen Eigenschaften und stellen aufgrund ihrer Struk-
turstabilität eine gute Alternative zu humosem Bodenmaterial
19 dar (. Tab. 16.9).
20
21
22
23
663 17
Oberflächennahe Geothermie
Marco Lichtenberger, Wolfgang Dachroth
1
2
3
4
5
.. Abb. 17.1 Temperatur der Erdkruste aus verschiedenen Bohrungen. (Nach
6 Huenges, 2000)
9 Erdwärme-
sonden
Mäßig hoch Hoch Sehr gering
10
Erdwärme- Gering Mäßig hoch Gering
kollektor
17.4.1 Bergrecht
kannt. Nordrhein-Westfalen hingegen kennt gar keine bergrecht- WHG Abnahmeprüfungen durch einen anerkannten Sachver-
1 lich bewilligungspflichtige Erdwärmenutzung bei Wärmequellen ständigen, da sie der VAwS (Verordnung über Anlagen zum Um-
auf unterschiedlichen Flurstücken, wenn ein räumlicher oder be- gang mit wassergefährdenden Stoffen) unterliegen. Die Prüfung
2 trieblicher Zusammenhang besteht. Ob das Gewinnen von Erd- ist bei wesentlichen Änderungen, Stilllegung oder alle fünf Jahre
wärme auf benachbarte Flurstücke einen geothermischen oder zu wiederholen. Diese Prüfungspflicht gilt sowohl für Erdwär-
hydrologischen Einfluss hat, spielt keine Rolle, da das BBergG mesonden, als auch für Erdwärmekollektoren und andere mit
3 nach der Lesart Nord-Rhein-Westfalens hierfür keine Rechts- wassergefährdenden Stoffen gefüllten Rohrsysteme. In privaten
grundlage bietet. In Bayern unterliegen Erdwärmeanlagen bis Haushalten sind entsprechende Prüfungen in der Regel nicht
4 200 kW Wärmeleistung keinem bergrechtlichen Verfahren nach vorgesehen, können aber durch die Wasserbehörde gefordert
§§ 8, 51 BBergG. werden. Das Fachgebiet (oder Fachwissen) der hierfür zustän-
5 digen Sachverständigen ist nicht unbedingt identisch mit dem
des zum Betreuen der Bohrungen bestellten Sachverständigen
17.4.2 Lagerstättengesetz (vgl. 17.7.4).
6
Alle Bohrungen, die mit mechanischer Kraft angetrieben werden,
7 sind nach §4 Lagerstättengesetz durch den Bohrunternehmer 17.4.4 Sonstige Rechte
dem zuständigen geologischen Landesamt mindestens 14 Tage
im Voraus anzuzeigen. Mitarbeitern des Landesamtes ist Zugang Weitere rechtliche Vorgaben, die durch den Bau von Erdwärme-
8 zur Baustelle, zu Bohrproben und zu sonstigen Ergebnissen zu anlagen tangiert werden können, sind das Bundesnaturschutz-
gewähren. Ein Abschlussbericht inklusive Bohrprotokoll, Schich- gesetz, die jeweiligen Landesnaturschutzgesetze, die jeweilige
9 tenverzeichnis, Bohrprofil und gegebenenfalls geophysikalischen Landesbauordnung (LBO), gegebenenfalls mit ihren Durchfüh-
Messungen ist nach Abschluss der Arbeiten einzureichen. rungsverordnungen, örtliche Bauvorschriften (z. B. Ortsbausat-
10 zung und Bebauungsplan) sowie die Unfallverhütungsvorschrif-
ten der zuständigen Berufsgenossenschaft.
17.4.3 Wasserrecht In Bezug auf potenzielle Bodenverunreinigungen durch die
11 Anlage oder durch das Verschleppen vorhandener Altlasten bei
In Bezug auf das Wasserrecht gibt es Vorgaben durch das Was- Bohr- oder Erdarbeiten sind das Bundes-Bodenschutzgesetz
12 serhaushaltsgesetz (WHG) und die Wassergesetze der einzelnen (BBodSchG), die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverord-
Bundesländer (WG). nung (BBodSchV), das Umweltschadensgesetz und die jeweiligen
Entsprechend § 8 WHG bedarf das Benutzen eines Gewässers Landes-Bodenschutz und -Altlastengesetze zu beachten.
13 einer Erlaubnis oder Bewilligung. Nach § 9, Abs. 2, Nr. 2 WHG Fällt durch Bohrarbeiten mit dem Bohrgut gefördertes
liegt eine Benutzung vor, wenn eine Maßnahme geeignet ist, dau- Grundwasser an, so ist, soweit dies über die Abwasserleitung
14 ernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige entsorgt werden soll, hierfür eine Einleitegenehmigung zu be-
Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen. Der antragen. Mögliche Auflagen können den Einsatz eines Absatz-
15 Eintrag von Stoffen aus der Baumaßnahme und möglichen Le- containers oder eine Begrenzung der Sedimentfracht umfassen.
ckagen einer Erdwärmeanlage (Arbeitsmittel der Wärmepumpe
oder Wärmeträgermittel) ins Grundwasser ist eine potenziell
16 nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit, auch wenn 17.5 Technische Normen und Richtlinien
fallweise diskutiert werden kann, ob diese nicht nur unerheb-
17 lich sind. Abkühlungen werden generell nicht als nachteilige Für das Planen und Erstellen von Erdwärmeanlagen, insbeson-
Veränderung der Wasserqualität gesehen, Erwärmungen kön- dere Erdwärmesonden, existiert noch keine DIN-, ISO- oder
nen fallweise durch die Anregung mikrobiellen Wachstums als EN-Norm.
18 nachteilige Veränderung definiert werden. Alle Wärmequellen, Die gegenwärtig in Deutschland als maßgeblich geltende
die in einen Grundwasserleiter reichen oder die Schutzfunk- Richtlinie für Erdwärmeanlagen ist die Blattreihe des Vereins
19 tion gegebenenfalls vorhandener, einen Grundwasserleiter nach Deutscher Ingenieure (VDI) VDI 4640 mit den folgenden Blät-
oben abdichtender Schichten einschränken, sind daher erlaub- tern:
20 nispflichtig. VDI 4640 Blatt 1: 2010-06 „Thermische Nutzung des Un-
Für Erdwärmebrunnen greifen neben § 9, Abs. 2, Nr. 2 WHG tergrundes – Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte“
weiterhin § 9, Abs. 1, Nr. 1, 2 u. 5 WHG sowie § 9, Abs. 2, Nr. 1 und die Erweiterung „Thermische Nutzung des Untergrunds –
21 WHG, da Grundwasser im Förderbrunnen entnommen und ab- Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte, Berichtigung zur
gesenkt sowie im Schluckbrunnen aufgestaut wird. Richtlinie VDI 4640 Blatt 1:2010-06“ von 2011-12. Dieses Blatt
22 Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine wasserrechtliche Er- behandelt technische und rechtliche Grundlagen zur Erdwär-
laubnis, selbst wenn kein zwingender Versagensgrund vorliegt. menutzung.
Fehlt eine wasserrechtliche Erlaubnis, wird eine möglicherweise VDI 4640 Blatt 2: 2001-09 „Thermische Nutzung des Unter-
23 bereits erteilte bergrechtliche Erlaubnis hinfällig. grundes – Erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen“. Dieses Blatt
Erdwärmesondenanlagen in der gewerblichen Wirtschaft behandelt Erdwärmeanlagen, die mit Wärmepumpen betrieben
und in öffentlichen Einrichtungen benötigen nach § 62, Abs. 1 werden. Dieser Anlagentyp stellt über 90 % aller in Deutschland
17.6 • Geophysikalische Parameter
669 17
Metamorphe
3 Lockergesteine Gesteine
Ton, Schluff, 0,5a (0,4–1,0) 1,6a (1,5–1,6) Gneis 2,9 (1,9–4,0) 1,8–2,4
trocken
4 Ton, Schluff, was- a
1,3 (0,9–2,3) a
2,4 (1,6–3,4)
Glimmerschiefer 2,0 (1,5–3,1) 2,2
Quarzit 5,8 (3,6–6,6) 2,1–2,2
sergesättigt
5 Sand, trocken 0,4a (0,3–0,8) 1,6a (1,3–1,6)
Tonschiefer
Marmor
2,1 (1,5–2,6)
2,1 (1,3–3,1)
2,2–2,5
2,1
Sand, wasserge- 2,7a (1,7–5,0) 2,5a (2,2–2,9)
6
Sonstiges
sättigt
Beton 1,6 (0,7–2,0) 3,9
Kies, trocken 0,4 (0,4–0,5) 1,5 (1,4–1,6)
Bentonit 0,6 (0,5–0,8) 1,8
7 Kies, wasserge- 1,8 2,4 Wasser (10 °C) 0,6 4,2
sättigt
Eis (−10 °C) 2,3 1,9
8 Torf, Mudde 0,4 (0,2–0,7) 0,8 (0,5–3,8)
Luft (0–20 °C, 0,03 0,0012
Geschiebelehm, 2,9a 2,0a trocken)
9 Geschiebemergel a
nach Henning (2010)
Moräne 2,0 (1,0–2,5) 2,0 (1,5–2,5) b
nach Kleiner (2003)
10 Sedimentgesteine
c
nach Szilagyi (1995)
b
nach Henning (2010) pressmaterial (. Abb. 17.4). Je niedriger der thermische Bohrloch-
nach Kleiner (2003) widerstand ist, desto besser funktioniert die Wärmeübertragung
c
nach Szilagyi (1995) vom Untergrund in die Sonde und desto niedriger ist der Tem-
23 peraturunterschied zwischen Untergrund und Wärmeträgerfluid.
Die mittlere scheinbare Wärmeleitfähigkeit ist die mittlere
Wärmeleitfähigkeit der durchteuften Schichten, zuzüglich dem
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
671 17
17.6.3 Wärmekapazität C
17.6.4 Entzugsleistung
PE 80 0,42 40 a (10 bar) 20 a (9 bar) Nicht beständig Nicht beständig Mäßig gut
4 PE 100 0,42 100 a (10 bar) 50 a (12 bar) 5 a (8 bar) Nicht beständig Gut
PE 100 RC 0,42 100 a (10 bar) 50 a (12 bar) 5 a (8 bar) Nicht beständig Sehr gut
5 PE-X 0,35 100 a (10 bar) 100 a (10 bar) 50 a (10 bar) 15 a (7 bar) Ausgezeichnet
.. Tab. 17.5 Eigenschaften üblicher Sondentypen. Der typische Bohrlochwiderstand und Bohrlochmindestdurchmesser ist für min. 3 cm Ringraum
und Hinterfüllung mit Brunnendämmer (0,8 W/(m ∙ K)) angegeben
-- reines Wasser,
unter Druck gesetzte Gase in Sonden nach dem Prinzip des
gefährdungsklasse von Stoffmischungen ist nach Anhang 4 der
VwVwS zu bestimmen. Das Verwenden nicht aufgeführter Stoffe
- Wärmerohrs,
Arbeitsmittel von Wärmepumpe in Systemen mit Direkt-
verdampfung.
liegt in der Eigenverantwortlichkeit von Hersteller und Inver-
kehrbringer und ist nach Anhang 3 der VwVwS auszuführen.
Neben nicht wassergefährdenden Stoffen wird je nach Bun-
desland und wasserwirtschaftlicher sowie hydrogeologischer
Die Funktion des Wärmeträgerfluides ist der Transport von Einstufung eines Bauvorhabens der Einsatz von Wärmeträger-
Wärme, die im Untergrund aufgenommen wird, in das Heiz- fluiden der Wassergefährdungsklasse 1 erlaubt. In Wasserschutz-
oder Kühlsystem, in der Regel eine Wärmepumpe. In den meis- gebieten, Heilquellenschutzgebieten und hydrogeologischen Pro-
ten Anlagen muss das Wärmeträgermittel eine Betriebssicherheit blemgebieten ist dies oft nicht der Fall.
von bis min. −5 °C gewährleisten. Umgangssprachlich werden Wärmeträgerfluide auf Basis von Propylenglykol weisen eine
auch Mischungen von organischen Frostschutzmitteln mit Was- deutlich geringere Toxizität auf als Fluide auf Basis von (Mono-)
ser als „Sole“ bezeichnet. Ethylenglykol, allerdings sind sie wesentlich viskoser und erfor-
Als Füllung von geschlossenen Erdwärmequellen dürfen dern somit stärkere Soleumwälzpumpen und konsequenterweise
Wasser und nicht wassergefährdende Stoffe eingesetzt werden. einen größeren Einsatz elektrischer Hilfsenergie. Fluide auf Basis
Stoffe werden in den Anhängen 1 und 2 der Verwaltungsvor- von Ethylenglykol sind daher die mit Abstand am häufigsten in
schrift wassergefährdender Stoffe (VwVwS) in folgende Wasser- Deutschland eingesetzten Wärmeträgermittel.
--
gefährdungsklassen eingeteilt:
1: „schwach wassergefährdend“,
Teilweise werden Sonden auch mit reinem Wasser gefüllt.
Im Falle einer Leckage kann dann kein grundwassergefährden-
- 2: „wassergefährdend“,
3: „stark wassergefährdend“.
von Wasser mit Frostschutzmitteln, wodurch der Druckverlust im Heizsystem, den mittleren Wärmequellentemperaturen
1 in der Wärmequelle und damit der benötigte Stromverbrauch für und dem COP der geplanten Wärmepumpe die Entzugs-
die Umwälzpumpe geringer ausfällt. Auf den Betrieb mit reinem leistung berechnen, die die Wärmequelle über die Volllast-
2
3
Wasser ausgelegte Sonden haben außerdem höhere Wärmequel-
lentemperaturen, da hier um ein Einfrieren zu vermeiden, mi-
nimale Temperaturen von je nach Wärmepumpe > 2 bis > 4 °C
(gemessen am Ausgang der Wärmepumpe) notwendig sind.
- stundenzahl liefern muss.
Zahl der Jahresvolllaststunden, d. h. die Anzahl der Stun-
den, in der das Heizsystem bei voller Heizlast laufen soll.
Jahresvolllaststunden bewegen sich üblicherweise in einer
4
5
Somit haben die Anlagen höhere Wärmequellentemperaturen
und konsequenterweise bessere Effizienzen. Der Nachteil beim
Verwenden von Wasser als Wärmeträgerfluid ist um 30–60 %
deutlich größere, benötigte Menge an Bohrmetern.
- Größenordnung von ca. 1600-2500 h.
Ein eventueller Kühlenergiebedarf mit analog zum Wärme-
energiebedarf der Kühllast und der Zahl der Jahresvolllast-
stunden für die Kühlung
zz Sonden nach dem Wärmerohrprinzip Die hausseitigen Parameter sind stark abhängig von der Gebäude-
6 Wärmerohrsonden sind mit einem Arbeitsmittel (in der Regel größe, der Gebäudehülle, dem klimatischen Standort, der Zahl der
CO2, seltener Ammoniak oder dem Arbeitsmittel der Wärme- Bewohner (insbesondere wegen der Trinkwassererwärmung) sowie
7 pumpe) gefüllt, welches bei den im Kältekreis der Wärmepumpe dem spezifischen Nutzerverhalten, bzw. dem Zweck des Gebäudes.
typischen Temperaturen einem Phasenwechsel unterliegt. Am Sondenfeldplan und Haustechnik sind mit Hinblick auf
Sondenfuß hat das Arbeitsmittel einen flüssigen Aggregatszu- Druckverluste in den Sondenrohren abzustimmen. Die teils in
8 stand. Nimmt es Wärme aus dem umliegenden Untergrund auf, der Wärmepumpe verbaute Soleumwälzpumpe muss eine aus-
geht es in den gasförmigen Aggregatzustand über und steigt da- reichende Restförderhöhe besitzen, um Druckverluste in den
9 bei zum Sondenkopf auf. Am Sondenkopf wird dem Gas über ei- Sondenrohren zu überwinden. Wesentlich sind hierbei der
nen mit der Wärmepumpe verbundenen Wärmetauscher Wärme Sondendurchmesser und die Sondentiefe, weiterhin erzeugen
10 entzogen, die dem Heizsystem zugeführt wird. Dabei kondensiert Anschlussleitungen zwischen Bohrung und Wärmepumpe, Ver-
das Wärmeträgermittel am Wärmetauscher und das Kondensat teiler, Winkel sowie der Wärmetauscher in der Wärmepumpe
fließt wieder nach unten. Das Umwälzen innerhalb der Sonde Druckverluste, die zu berücksichtigen sind (. Abb. 17.5). Eine
11 wird also durch den Phasenwechsel gewährleistet, eine Pumpe Berechnung der Druckverluste ist mittels Datenblättern der ein-
ist nicht erforderlich. Erdwärmeanlagen mit Sonden nach dem zelnen Bauteile und Rohrkennlinienkurven möglich. Zum PC-
12 Wärmerohrprinzip benötigen ca. 5–15 % weniger Hilfsenergie gestützten Berechnen ist das Microsoft Excel-Arbeitsblatt EWS-
als herkömmliche Systeme. Druck der Huber Energietechnik AG frei erhältlich.
13 zz Geodaten
17.7.2 Dimensionieren von Erdwärmesonden Das zu erwartende Bohrprofil ist aus eventuellen benachbarten
14 Bohrungen und geologischen Karten zu ermitteln. Aus den zu
Hauptziel des Dimensionierens von Erdwärmesonden ist es, den erwartenden Lithologien lassen sich tiefenspezifisch Wärme-
15 Energiebedarf des zu temperierenden Objektes mit einem auf die leitfähigkeiten und Wärmekapazitäten abschätzen, die für das
anstehende Geologie und die regionalen Rechtsvorgaben basie- Dimensionieren genutzt werden.
renden Sondenfeld abzugleichen. Aus Bohrprofilen und hydrogeologischen Karten sind au-
16 ßerdem der Grundwasserspiegel und eventuell Grundwasserab-
zz Gebäudedaten standsgeschwindigkeiten zu bestimmen (▶ Abschn. 1.10.5), da
17 Die Gebäudedaten sind von Haustechnikingenieuren nach ein- Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität stark vom Wassergehalt
schlägigen Normen zu ermitteln oder bei Bestandsgebäuden abhängen.
auf Basis bekannter Energieverbräuche zu bestimmen und dem Erkundungsbohrungen werden aus Wirtschaftlichkeitsgrün-
18 Planer des Sondenfeldes mitzuteilen. Bekannt sein sollten min- den meist nur bei großen Anlagen mit Heizleistungen > 50 kW
19
20
-
destens:
Wärmeenergiebedarf pro Jahr, d. h. die Wärme, die zum
Beheizen des Gebäudes und Erwärmen von Trinkwasser
verwandt werden soll. Der Wärmeenergiebedarf ist das
ausgeführt. Solche Bohrungen werden meist auf Basis einer Vor-
planung dimensioniert und als vollständige Erdwärmesonden
beantragt und erstellt. Mithilfe der aufgenommenen Schichten-
folge und eines GRT (▶ Abschn. 17.6.1) wird dann die Endpla-
Produkt aus Heizlast und Jahresvolllaststunden. Er wird nung des Sondenfeldes durchgeführt.
21
22
- typischerweise in MWh/a angegeben.
Die Heizlast (z. B. nach DIN EN 12.831), d. h. die zum
Aufrechterhalten einer bestimmten Raumtemperatur zu er-
bringende thermische Leistung des geplanten Heizsystems.
Bekannte Wärmeanomalien im Untergrund sind zu be-
achten. So weist z. B. die Innenstadt von Frankfurt teilweise
Temperaturen > 17 °C in Tiefen um 80 m auf. Auch an den
Randverwerfungen des Oberrheingrabens können lokal hohe
Die Heizlast des Neubaus eines Einfamilienhauses beträgt Temperaturen in wenigen Zehnermetern Tiefe gemessen werden.
typischerweise zwischen 4 und 15 kW. Bei einem vergleich- Die Wärmeleitfähigkeit des anstehenden Untergrundes ist auch
23 baren Bestandsgebäude aus den 1980er-Jahren beträgt sie in Wärmeanomalien der entscheidende Parameter in Bezug auf
typischerweise zwischen 12 und 20 kW. Aus der Heizlast das Dimensionieren der Sondenlängen. Allerdings muss hierbei
lässt sich mittels der angestrebten mittleren Temperaturen die Wärmepumpe entsprechend hohe Temperaturen im Vorlauf
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
675 17
Es lassen sich Werte für 1800 oder 2400 Volllaststunden pro Jahr
(PEWS = spezifische Entzugsleistung [W/m]; nach Kaltschmitt ablesen, Zwischenwerte können interpoliert werden. Keine Be-
1999): rücksichtigung finden nach dieser Tabelle unter anderem Was-
sergehalte, Sondendurchmesser und Verpressmaterial. Insbeson-
PEWS = 13 + 10 dere für das Dimensionieren mit Wasser gefüllter Sonden sind
die dieser Tabelle zu entnehmenden Werte nicht geeignet.
1500 Jahresvolllaststunden PEWS = −1,02 λ2 + 13,21λ + 31,72
1800 Jahresvolllaststunden PEWS = −0,96 λ2 + 13,00λ + 29,60 zz Dimensionieren nach Nomogramm
2100 Jahresvolllaststunden PEWS = −0,91 λ2 + 12,73λ + 27,79 In der Schweiz werden kleinere Erdwärmesondenanlagen (bis
2400 Jahresvolllaststunden PEWS = −0,85 λ2 + 12,39λ + 26,26 8 kW Heizleistung) typischerweise mittels eines Nomogramms
(SIA-Norm 384/6, VDI 4640, Blatt 2: 2001) dimensioniert
nach Leitfaden des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und (s. . Abb. 17.6). Hierbei wird im Gegensatz zu den deutschen
Geologie. Berechnungsmethoden die Geländehöhe einbezogen. Der Son-
Diese Formeln berücksichtigen zwar die Wärmeleitfähigkei- dendurchmesser und die Wärmeleitfähigkeit des Verpressmate-
ten und teilweise auch die Zahl der Jahresvolllaststunden, aber rials werden im Nomogramm nicht berücksichtigt.
nicht den Sondentyp und den Ausbau des Bohrlochs. Zum Dimensionieren nach SIA-Norm 384/6 sind auch ent-
sprechende Arbeitsblätter für Microsoft- Excel erhältlich. Di-
zz Dimensionieren nach Tabellen mensionieren nach SIA-Norm 384/6 wird in Teilen Bayerns im
Die VDI 4640, Blatt 2: 2001 enthält in . Tab. 2 (S. 16) typische Rahmen der Genehmigung gefordert.
spezifische Entzugsleistungen in W/m für verschiedene Gesteine. Der Parameter a des Nomogramms berechnet sich nach
Diese Tabelle wird vielfach in Leitfäden oder technischen Hand-
büchern zum Dimensionieren von Sonden kopiert und empfoh- a = QHa = .QHa =ˇa / − Qpa :
676 Kapitel 17 • Oberflächennahe Geothermie
Silt- und Tonstein Mäßig gut bis schlecht Gut Mäßig gut bis ungeeignet
Sand- und Kalksteine Gut bis sehr gut Mäßig gut Ungeeignet
aufgeführt sind. Diese sind jedoch nicht immer aktuell und voll- zunächst einem PSW übergeben, der sie prüft, begutachtet und
ständig. Anträge auf den Einbau von Erdwärmesondenanlagen Vorschläge für wasserrechtliche Auflagen formuliert. Dann geht
sind bei der Unteren Wasserbehörde des jeweiligen Landkreises der Antrag inklusive des Gutachtens des PSW an die Wasser-
einzureichen. Daher ist zu empfehlen, sich bei der zuständigen behörde, die in der Regel die Vorschläge des PSW in einem Be-
Unteren Wasserbehörde vorab über die aktuellen Anforderungen willigungsbescheid übernimmt. Auf diese Art und Weise kann
zu informieren. zum einen auf Fachwissen der Sachverständigen zurückgegriffen
Die wasserrechtlichen Anträge auf den Einbau von Erdwär- werden, das so in den Wasserbehörden nicht immer vorhanden
mesonden werden meist von den ausführenden Bohrfirmen ist, zum anderen wird der Aufwand der Behörden beim Bearbei-
oder geologischen Planungsbüros erstellt, da Bauherren und ten der Anträge vermindert. Neben dem Bearbeiten der Anträge
Heizungsbauer für gewöhnlich nicht über das notwendige De- haben die PSW die Aufgabe, das Einhalten der Auflagen des Be-
tailwissen, z. B. zum geplanten Bohrverfahren, dem Ausbau der willigungsbescheides zu dokumentieren. Daher werden entspre-
Sonden und der erwarteten Geologie, verfügen. Erfüllt ein An- chende Bauabnahmen durchgeführt, die auch die Wärmepumpe
trag alle wasser- und bergrechtlichen Vorgaben, wird ein Bewil- und die Zuleitungen beinhalten müssen. Da Erdwärmesonden
ligungsbescheid erlassen. nach ihrer Erstellung für eine solche Bauabnahme nicht mehr
Bei Erdwärmesondenbohrungen mit geplanten Teufen einsehbar sind, hat eine baubegleitende Bauabnahme in Form
> 100 m werden in der Regel zusätzlich die Bergämter beteiligt, einer Bohrbetreuung durch einen PSW zu erfolgen. Der PSW
das bedeutet, die Antragsunterlagen werden je nach Landkreis ist also mindestens während des Bohrens des ersten Bohrlochs
entweder durch die Wasserbehörde oder den Antragsteller an (inkl. Sondeneinbau und Verpressung) vor Ort und begutach-
das Bergamt übermittelt. Sind die länderspezifischen Anforde- tet außerdem noch die Wärmepumpe mit ihren Zuleitungen im
rungen an die Anlage eingehalten, wird das Bergamt in der Regel Rahmen einer Bauabnahme.
auf ein bergrechtliches Verfahren und die Notwendigkeit eines PSW bearbeiten in Bayern Anträge außerhalb von Wasser-
Betriebsplanes verzichten. Die Bergbehörde prüft weiterhin auf schutzgebieten (in wenigen Landkreisen auch innerhalb), außer-
die Lage des Vorhabens in einem bestehenden bergrechtlichen halb von Gebieten mit Altlasten und mit maximalen Anlagenleis-
Konzessionsfeld, also einem reservierten Feld, in dem ein vor- tungen von 50 kW. Alle anderen Anträge werden auf ähnliche Art
angegangener Antragsteller mittels bergrechtlichem Verfahren und Weise durch die jeweiligen Wasserwirtschaftsämter bear-
Aufsuchung und Nutzung von Erdwärme exklusiv bewilligt be- beitet. Die baubegleitende Bauabnahme ist dann in vielen Fällen
kam. Zwar werden solche Felder meist im Rahmen von Tiefen- aber wieder durch einen PSW durchzuführen.
geothermieprojekten vergeben, doch ist je nach zuständigem/
zuständiger Bergamt/Wasserbehörde nicht auszuschließen, das
auch oberflächennahe Anlagen eine Absprache mit dem Konzes- 17.7.4 Einbau von Erdwärmesonden
sionsinhaber erfordern.
Es ist sinnvoll, immer etwas mehr Bohrmeter und auch eine Bohrverfahren. Zum Einbau von Erdwärmesonden werden
zusätzliche Bohrung zu beantragen, als in der Planung bemessen Bohrlöcher üblicherweise in zwei unterschiedlichen Bohrver-
wurde, um vor Ort auf Bohrschwierigkeiten oder unerwartete fahren abgeteuft: Imlochhammerbohrungen mit Luftspülung
Gesteine mit niedriger Wärmeleitfähigkeit reagieren zu können, oder Rotary-Spülbohrungen (▶ Abschn. 1.6.2 . Tab. 17.8).
ohne ggf. zeitaufwendige Änderungsanträge stellen zu müssen. Beide Bohrverfahren werden in der Regel als direkte Spülboh-
Zusätzlich zum wasserrechtlichen Antrag sind beabsichtigte rungen angewandt. Das Bohrgut wird also zwischen Innen-
Bohrvorhaben den geologischen Landesämtern in Form einer gestänge und Bohrlochwand nach oben gefördert, während
Bohranzeige mindestens 14 Tage im Voraus zu melden. bei den im Bereich der oberflächennahen Geothermie kaum
In Bayern sind bei Genehmigungen von Erdwärmeanlagen verwandten indirekten Bohrverfahren das Bohrgut im Bohr-
nicht nur Behörden, sondern auch private Sachverständige in gestänge gefördert wird.
der Wasserwirtschaft (PSW) beteiligt. Dabei handelt es sich um
Geologen oder Bauingenieure, die vom bayerischen Landesamt kkImlochhammer-Verfahren
für Umwelt (LfU) geprüft und anerkannt werden. Die wasser- Bei Imlochhammerbohrungen (▶ Abschn. 1.6.1) wird das Bohr-
rechtlichen Anträge werden dann anstelle der Wasserbehörde gut mittels durch einen Kompressor erzeugter Druckluft mit 10
678 Kapitel 17 • Oberflächennahe Geothermie
bis etwa 40 bar gefördert. Die durch das Gestänge an den Bohr- bohrungen kommen Kompressoren mit Leistungen von meist
1 kopf gepresste Druckluft treibt außerdem den Imlochhammer zwischen 20 und 50 bar zum Einsatz. Zunächst wird abwechselnd
als Bohrwerkzeug an. Eine eventuelle Wasserzugabe erfolgt zum mit Innengestänge als auch mit Außenverrohrung gebohrt. Die
2 Kühlen und Staubbinden. Imlochhammerbohrungen eignen sich üblichen Bohrgeräte mit Doppelbohrkopf erlauben den gleich-
am besten für homogene Festgesteine mit mittleren bis hohen zeitigen Vortrieb von Außenrohr und Innengestänge. Bei sehr
Druckfestigkeiten und erreichen in diesen hohe Bohrfortschritte. standfestem, wenig geklüftetem Gebirge kann der Bohrfortschritt
3 Imlochhammerbohrungen eignen sich weniger für Lockgesteine dann ab einer vor Ort anhand von Bohrproben, Bohrfortschritt
und Ton- bis Schluffsteine mit niedrigen Druckfestigkeiten, da und Druckverlusten bestimmten Tiefe optional ohne Außenrohr
4 in solchen Gesteinen die Düsen des Bohrhammers verkleben erfolgen. Nach Erreichen der Endteufe wird das Bohrloch ge-
können. spült, das Innengestänge gezogen und die Sonde mit Verpressein-
5 Eine Eigenheit von Imlochhammerbohrungen ist, dass richtung (Verpressschläuche oder Verpressgestänge) eingebaut.
durch die Druckluft als Fördermedium und den Stoffstrom zum Dann wird das Bohrloch erfüllt.
Bohrloch hin auch angebohrte, nicht verfestigte Kluftfüllungen Sonderfälle sind GRD-Bohrungen. Hierbei werden von ei-
6 ausgetragen werden, wodurch sich ein Mehrverbrauch an Ver- nem zentralen Punkt geneigte Bohrungen sternförmig abgeteuft
pressmaterial einstellen kann. Liegen mehrere Imlochhammer- und mit Koaxialsonden ausgebaut. Selten werden Rammsonden
7 bohrungen nahe bei einander, so haben die zuletzt gebohrten aus Stahl verwendet, die ähnlich Rammpegeln für Grundwas-
Löcher oft einen höheren Verpressmaterialverbrauch als die erste serpegel mittels Rammbohrgeräten in den Untergrund nieder-
Bohrung. Minimieren lässt sich dieser Effekt durch Vollverroh- gebracht werden. Letztere erfordern kein Verpressen und haben
8 rung, vollständig vermieden wird er allerdings nicht. geringe thermische Bohrlochwiderstände, allerdings sind die
Investitionskosten im Vergleich zu herkömmlichen Doppel-U-
9 kkRotary-Spülbohr-Verfahren Sonden aus PE hoch.
Bei Rotary-Spülbohrungen (▶ Abschn. 1.6.1) wird das Bohrgut
10 mittels einer Umwälzpumpe aus dem mit Bohrspülung gefüllten zz Gefördertes Bohrgut und Wasser
Bohrloch in einen Absetzcontainer oder einen Spülteich trans- Das anfallende Bohrgut liegt unter Berücksichtigung des Auf-
portiert. Dieses Spülwasser wird im Kreislauf genutzt und in lockerungsfaktors (▶ Abschn. 8.8.2) im Größenordnungsbe-
11 Abhängigkeit von der Geologie mit Tonmineralgemischen wie reich des Bohrlochvolumens. Durch einen Eintrag von Bohrgut
Bentonit verdickt sowie mit organischen Materialien zur Ober- in Klüfte und andere Hohlräume kann auch weniger Material
12 flächenstabilisierung von Tonen gemischt. Beim Verwenden von anfallen. Meist ist das Volumen des Bohrgutes um ca. 20–30 %
Spülungszusätzen sind das DVGW-Merkblatt W 116 und die größer als das berechnete Bohrlochvolumen. Das Entsorgen des
Auflagen der jeweiligen unteren Wasserbehörde zu beachten. Als schadstofffreien Bohrgutes kann durch einen Auftrag auf Rekul-
13 Werkzeuge kommen vor allem Flügelmeißel und Rollenmeißel tivierungsflächen erfolgen. Meist muss ein Abtransport zu einer
zum Einsatz. Rotary-Spülbohrungen sind in praktisch allen zur geeigneten Erdstoffdeponie (DK 0, ▶ Kap. 15) erfolgen. Je nach
14 Erdwärmenutzung geeigneten Gesteinen anwendbar, erreichen Geologie kann das Auftreten natürlich vorhandener Schadstoffe,
aber in Lockergesteinen sowie Ton- und Schluffsteinen im Ver- z. B. Schwermetalle in Gesteinen des Grundgebirges, gegeben
15 gleich zur Imlochhammerbohrung besseren Bohrfortschritt. In sein. Die Rechtsvorgaben der Umwelt-, Wasser- und Boden-
klüftigen Gesteinen ist mit Spülungsverlusten zu rechnen. Ge- schutzgesetzgebung sind in jedem Falle zu beachten.
steinswechsel mit großen Unterschieden in der Druckfestigkeit In Abhängigkeit von behördlichen Vorgaben sind in Abstän-
16 führt in den zu durchbohrenden Gesteinen zu erhöhtem Werk- den von typischerweise 1–3 m Proben des Bohrgutes zur Doku-
zeugverschleiß und macht einen häufigen Werkzeugwechsel mentation zu nehmen. Bohrproben erlauben den Vergleich der
17 erforderlich. Das Ziehen und Wiedereinbauen der kompletten angetroffenen Schichten mit der Prognose und bei Abweichun-
Rohrtour kann zu geringerem Bohrfortschritt führen. gen ein Anpassen des Sondenfeldes.
Selten kommen andere Bohrverfahren zum Einsatz. In Lo- Das beim Bohren anfallende Wasser kann auf unterschied-
18 ckerböden werden bisweilen Hohlbohrschnecken verwandt liche Art und Weise behandelt werden (▶ Abschn. 6.7). Hierbei
(▶ Abschn. 1.6.1). Gelegentlich wird in lockeren Deckschichten ist eine Abstimmung mit der Wasserbehörde geboten. Saube-
19 bis zum Übergang zum Festgestein mit Hohlbohrschnecken ge- res Wasser kann auf belebten Grünflächen versickert werden.
arbeitet und das Bohrverfahren dann auf eine Imlochhammer- Zu beachten ist die Versickerungsfähigkeit des Bodens, die
20 bohrung umgestellt. örtliche Bebauung und Infrastruktur, die nicht beeinträchtigt
Bei großen Sondenfeldern in geologisch oder hydrogeolo- werden darf. Das Wasser aus zermahlenem Gestein kann Stoffe
gisch schwierigen oder unbekannten Gebieten werden bisweilen wie Schwermetalle enthalten. Auch kann bei technisch nicht
21 Kernbohrungen (Einfachkernrohr oder Seilkern) abgeteuft, um einwandfreier Bohrausrüstung ein unerwünschter Zutritt von
Bohrkerne höherer Qualität zu erhalten und damit offene Frage- Treib- und Schmierstoffen auftreten. Ist eine Versickerung vor
22 stellungen zu bearbeiten. Ort nicht zulässig, kann das Wasser mittels Pump- oder Gülle-
Eine typische Baustelleneinrichtung besteht aus dem wagen abtransportiert werden. Das Wasser kann alternativ in Ab-
Bohrgerät mit seinen Gestängen, der Außenverrohrung und sprache mit dem örtlichen Wasserentsorger nach entsprechender
23 ca. 1 bis 3 Containern für die Aufnahme des geförderten Bohr- Prüfung und Behandlung der Kanalisation zugegeben werden.
gutes und Grundwassers. Im Falle von Rotary-Bohrungen ist Zum Klären werden einfache Absetzcontainer, Absetzcontainer
ein Spülungs-/Absetzcontainer vor Ort, bei Imlochhammer- mit Sieben und Filtersysteme auf Zyklonbasis verwendet. Eine
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
679 17
Einleitung in Oberflächengewässer ist aufgrund der auch nach mes gezogen, besteht das Risiko, die Sonde durch Abknicken zu
dem Absetzen noch enthaltenen Schluff- und Tonpartikel nicht beschädigen. Dies kann geschehen, wenn sich das Außenrohr an
möglich. Die anfallende Wassermenge ist von Bohrtiefe, Bohr- der Bohrlochwand verkantet und deutlich mehr Rotation zum
lochdurchmesser, Bohrverfahren, Bohrfortschritt und vor allem Bergen erfordert. Wird die Außenverrohrung nach dem Hinter-
der Hydrogeologie abhängig. Typischerweise fallen bei einer füllen des Ringraumes gezogen, vermindert sich zwar durch das
100 m Bohrung mittels Imlochhammerverfahren etwa 10 m3 teilweise Abbinden des Verpressmaterials der geologiebedingte
Wasser an, wobei die Schwankungsbreite im Extremfall von 0 m3 Mehrverbrauch, aber die Reibung an der Innenseite des Außen-
bis über 80 m3 reichen kann. rohrs ist deutlich erhöht und erfordert stärkere Zugkräfte.
zz Außenverrohrung zz Sondeneinbau
Die Außen- oder Standverrohrung hat die Funktion, die Bohr- Doppel-U-Sonden und manche Koaxialsonden werden als auf-
lochwand zu stabilisieren, Spülungs- oder Luftdruckverluste in gerollte Stränge mit bereits verschweißten Sondenfüßen geliefert.
das umliegende Gebirge zu verringern und laterale Wasserzutritte Der Sondeneinbau hat von einer Haspel aus zu erfolgen, um das
in die Bohrung zu mindern. Meist werden mit Gewinden verse- Abrollen der Sonde zu erleichtern. Eine am Kran des Bohrgerätes
hene Stahlrohre mit Innendurchmessern von ca. 150–170 mm in angebrachte Umlenkrolle erhöht den Radius der Sondenrohre
Bohrungen für Standard-Doppel-U-Sonden mit 32 oder 40 mm und erleichtert den senkrechten Einbau. An der Außenverroh-
Außendurchmesser eingesetzt. In Spezialanwendungen, z. B. rung kann die Sonde beim Einbau beschädigt werden, wenn
bei großvolumigen Koaxialsonden, bei Sonden mit im Bohrloch beim Kontakt zwischen Kunststoffrohr und der oft schartigen
eingebauter Messtechnik oder falls zur Abdichtung gegen das Oberkante des Außenrohrs Späne abgeschabt werden. Daher ist
Gebirge eine höhere Mindestdicke der Ringraumhinterfüllung die Oberkante des Außenrohrs beim Sondeneinbau zu bedecken.
erforderlich ist, kommen Außenrohre mit Innendurchmessern In der Regel werden hierfür Bastellösungen wie z. B. umgekehrte
bis zu ca. 220 mm zum Einsatz. und abgesägte Gummipylone aus der Straßensicherung benutzt.
Theoretisch ist die Tiefe der eingesetzten Außenverroh- Das Einbringen der Sondenrohre wird durch den der Lieferung
rung abhängig von der anstehenden Geologie, und es müssen als Rolle geschuldeten Drang der Sonde, sich wieder einzurollen,
alle Schichten verrohrt werden, die dazu neigen ins Bohrloch erschwert. Auch das Aufschwimmen der Sonde im Grundwasser
einzubrechen oder die hydraulisch getrennte Grundwasserleiter erschwert den Einbau. Verbliebenes Bohrgut am Fuß des Bohr-
darstellen. Außenverrohrung verhindert außerdem ein Abdriften lochs kann das vollständige Einbringen der Sonde unmöglich
der Bohrung längs von Spalten, Klüften oder schräggestelltem machen. Die Bohrlöcher sind vor dem Sondeneinbau ausrei-
Schichtfallen. Vollverrohrte Bohrlöcher sind am stabilsten und chend zu spülen.
weisen die geringsten Risikopotentiale auf. Auch das Einbringen Das Einbringen kann durch händisches Hinabschieben in
einer Sonde ist hier am einfachsten. Allerdings ist der Einbau das Bohrloch erfolgen. Über eine gebremste Haspel lässt sich
der Außenverrohrung einer der größten Zeitfaktoren während der Einbauvorgang auch bei niedrigen Grundwasserständen
des Bohrfortschritts und wird aus Zeitgründen oft minimiert. weit genug verlangsamen, um immer noch kontrolliert erfolgen
Auch liefern vollverrohrte Bohrlöcher deutlich mehr Bohrgut zu können. Die zum Hinterfüllen notwendigen Verpressrohre
und benötigen entsprechend mehr Verpressmaterial, wodurch werden während des Einbringens an der Sonde befestigt. Sollen
die Gestehungskosten deutlich ansteigen. Die häufigste Ursache sie im Bohrloch verbleiben, können sie z. B. mehrfach mit Pan-
für Probleme und Schadensfälle bei Erdwärmebohrungen ist der zerband gesichert werden. Wenn sie später gezogen werden sol-
aus Kostengründen gewählte, zu geringe Einsatz von Außenver- len, darf die Befestigung nur locker sein. Ein Nachschieben von
rohrung. Verpressrohren ist nach dem Ziehen der Außenverrohrung und
Die Außenverrohrung wird vor oder nach dem Einbau der der damit einhergehenden Destabilisierung der Bohrlochwand
Erdwärmesonde wieder gezogen. Bei Bohrungen in hydrogeo- nicht immer möglich.
logischen Problemgebieten, in denen besonders hohe Vorgaben Zum leichteren Einbau von Doppel-U-Sonden wird oft eine
bezüglich einer dauerhaften Abdichtung der Bohrlochwand ca. 2 m lange Metallstange oberhalb des Sondenfußes zwischen
bestehen, kann ein Verbleib eines Teils der Außenverrohrung die vier Rohre mit Panzerband befestigt, um dem durch die
im Bohrloch sinnvoll oder zumindest von den Wasserbehörden Lieferung als Rolle geschuldeten Drang der Sonde, sich wieder
gefordert sein. Besonders in Sandsteinen ist es in seltenen Fäl- einzurollen, zumindest an der Sondenspitze entgegenzuwirken.
len möglich, dass die Außenverrohrung mit der Bohrlochwand Metallgewichte von 20–50 kg können vor Einbringen am Son-
verkantet und dann nicht mehr ohne unverhältnismäßig hohen denfuß befestigt werden. Zum einen wirken sie dem Auftrieb der
Aufwand geborgen werden kann. Sonde entgegen, zum anderen begradigen sie die Sonde durch
Der optimale Zeitpunkt zum Ziehen der Außenverrohrung ihr Eigengewicht. Beim Einbau von Sonden unter die Grund-
hängt von diversen geologischen und technischen Faktoren ab wasseroberfläche sind die Sonden mit Wasser zu befüllen. Damit
und wird von den Unternehmen unterschiedlich gehandhabt. mindert sich der Auftrieb der Sonden wesentlich. Weiterhin wird
Wird die Außenverrohrung vor dem Einbau der Sonde gezogen, das Zusammendrücken der Sonde durch hydrostatischen Druck
ist die Bohrlochwand beim Einbau instabiler. Beim Einbringen verhindert.
der Sonde kann der Sondenfuß verkanten und der Einbau kann Alternativ zum händischen Einbringen des Sondenbündels
schwieriger sein oder scheitern. Wird die Außenverrohrung nach mit Verpressrohren kann der Einbau mittels Verpressgestänge
dem Einbau der Sonde, aber vor dem Hinterfüllen des Ringrau- erfolgen, das Außendurchmesser von ca. 32 cm und Rohrlän-
680 Kapitel 17 • Oberflächennahe Geothermie
gen von 2–3 m hat. Der Einbau mit Verpressgestänge ist zwar rekt durchgeführt. Auch werden beim Prüfen des Durchflusses
1 zeitlich aufwendiger und erfordert ein Mehr an Material auf der eventuelle PE-Reste oder in die Rohre geratene Fremdpartikel
Baustelle, ermöglicht aber einen Einsatz des Bohrgerätes, um ausgespült.
2 die Sonde entgegen ihrem Auftrieb einzubringen, zu zentrieren
und zu begradigen. Auch wird das Rohrmaterial des Verpress- zz Druckprüfungen
schlauchs eingespart. Sie dienen dem Überprüfen der Dichtheit geschlossener Erd-
3 Großvolumige Koaxialsonden sind zu starr für eine An- wärmesysteme. Sie werden je nach Bundesland, Landkreis und
lieferung auf Rolle, daher müssen sie vor Ort geschweißt und ausführender Firma zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Ar-
4 druckgeprüft werden. Nur am Sondenfuß und am Sondenkopf beiten ausgeführt.
5
können die Schweißarbeiten werkseitig erfolgen. Die einzelnen
Rohrteile werden mit LKW angeliefert und dann vor oder wäh-
- Druckprüfungen werden optional durchgeführt:
nach dem Verschweißen der Sondenrohre mit dem Son-
rend des Einbaus im Spiegelschweißverfahren verbunden. Da das
Schweißen auf der Baustelle unter schwierigeren Bedingungen
-- denfuß (meist im Werk),
vor dem Einbau der Sonde,
--
6 stattfindet als im Werk, ist der Einsatz von Schweißgeräten mit nach dem Einbau, aber vor dem Verpressen der Sonde,
automatischer Protokollierung zu empfehlen, um eine Informa- während dem Verpressen der Sonde,
7
8
tion über die Qualität der Verbindung zu erhalten und um im
Rahmen der Dokumentationspflicht diese an die Wasserbehörde
weitergeben zu können. - nach dem Verpressen der Sonde,
nach Abschluss der Anbindearbeiten.
Die VDI 4640, Blatt 2, 5.2.2 fordert, dass Sondenfuß und Son-
zz Abstandshalter denanschlüsse werkseitig herzustellen und einer Druckprüfung
9 Abstandshalter sind starre Kunststoffbauteile, die in den Son- nach DIN 4279-7 zu unterziehen sind. Die Druckprüfung ist mit
denstrang oder um den Sondenstrang montiert werden. Sie sind dem 1,5-fachen Nenndruck des Rohrmaterials durchzuführen,
10 in verschiedenen Formen erhältlich und haben den Zweck, den zusätzlich ist eine Durchflussprüfung durchzuführen.
Wärmeübertrag vom warmen zum kalten Rohr zu minimieren Nach dem Einbringen, aber noch vor dem Verfüllen, wird
und einen konstanten Abstand zur Bohrlochwand einzuhalten, eine Druck- und Durchflussprüfung empfohlen (VDI 4640,
11 wodurch das allseitige Umhüllen der Sonde mit Verpressmate- Blatt 2: Punkt 5.2.3). Eine Funktionsendprüfung findet nach dem
12
rial verbessert wird und die Sondenrohre nicht an der Wand des
Bohrlochs anliegen. Manche der auf dem Markt erhältlichen Ab-
-
Verfüllen statt:
Der Prüfdruck der mit Wasser gefüllten Sonde soll mindes-
standshalter erfüllen nur eine der beiden Funktionen.
Im praktischen Gebrauch haben sich Abstandshalter nach
- tens 6 bar betragen.
Die Vorbelastung soll 30 min., die Prüfdauer 60 min. betra-
--
13 wie vor nicht etabliert, da die Montage einen erhöhten personel- gen.
len Aufwand erfordert. Das Einbringen der Sonden ist stark ver- Als tolerierbarer Druckabfall gelten 0,2 bar.
14 langsamt und das Material stellt einen zusätzlichen Kostenfaktor Vor Inbetriebnahme ist das Gesamtsystem zusätzlich einer
dar. Ein Hängenbleiben der Sonde beim langsameren Einbrin- Druckprüfung mit 1,5-fachem Betriebsdruck (Betriebs-
15 gen mit größerem Durchmesser des Sondenstranges wird wahr- druck ist in der Regel 2-3 bar) zu unterziehen (VDI 4640,
16
scheinlicher. Versuche an innerhalb von Rohren verpressten und
später geborgenen Erdwärmesonden haben gezeigt, dass nur bei
im Abstand von 2 m oder kleiner gesetzten Abstandshaltern die
angestrebten Funktionen erfüllt werden. Bei größeren Abständen
- Blatt 2: 5.2.7).
Das Protokoll ist dem Betreiber zu übergeben, eine gleich-
mäßige Durchströmung ist zu überprüfen.
17 wird sich eine auf Rolle gelieferte Sonde immer in das Bohrloch Ein Vorteil selbst einer kurzen Druckprüfung vor dem Einbau
eindrehen. Damit sind die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Ab- einer Sonde ist, dass bei Versand und Lagerung der Sonden auf-
standshaltern und die Forderung nach Aufnahme in das Leis- getretene Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt wer-
18 tungsverzeichnis und in den Bewilligungsbescheid fragwürdig. den und die Sonde noch ohne großen Arbeitsaufwand getauscht
werden kann. Eine Druckprüfung vor dem Verpressen der Sonde
19 zz Durchflussprüfung kann Auskunft darüber geben, ob die Sonde fehlerfrei eingebaut
Bei einer Durchflussprüfung wird mit einer konstanten und de- wurde. Zu diesem Zeitpunkt kann sie im Zweifelsfall meist noch
20 finierten Pumpleistung die Wärmequelle durchspült. Mittels ei- geborgen werden. Eine Druckprüfung während des Verpressvor-
ner Durchflussprüfung können z. B. abgeknickte Sonden erkannt gangs erlaubt ein einfaches Überwachen des Pegels der Verpress-
werden, die zwar eine Druckprüfung bestehen, aber dennoch suspension. Die Druckprüfung kurz nach dem Verpressen der
21 nicht zu gebrauchen sind. Eine Durchflussprüfung im eigent- Sonde ist nur bedingt sinnvoll, da die Sonde zu diesem Zeitpunkt
lichen Sinne misst den Druckverlust im gespülten Kreis sowie nicht mehr geborgen werden kann und da nach Anschluss der
22 den Durchsatz (vgl. Rohner, 2005). Zum Prüfen des Durchflus- Anbindearbeiten, aber vor dem Befüllen mit Wärmeträgerfluid
ses gehört das Messen der Durchflussmengen. Ohne diese An- ohnehin eine abschließende Druckprüfung der gesamten Wär-
gaben entspricht eine solche Durchflussprüfung lediglich dem mequelle notwendig ist.
23 Arbeitsschritt „Spülen der Sonde“. Beim Spülen oder Prüfen des Das Durchführen von Druckprüfungen wird in DIN V 4279-7
Durchflusses wird Luft aus dem Rohrsystem ausgetragen und und in DIN EN 805 aufgezeigt. DIN V 4279-7 (1994) beschreibt
eine Druckprüfung vor Inbetriebnahme einer Anlage erst kor- als Innendruckprüfung von Druckrohrleitungen aus PE-HD
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
681 17
.. Abb. 17.7 Druckprüfung in
Anlehnung an DIN V 4279-7 und DIN
EN 805. (Verändert nach Rohner,
2005)
(PE 80 und PE 100) ein Kontraktionsverfahren. Wasserrechtli- erheblichen zusätzlichen hydrostatischen Druck. Leckagen soll-
che Bescheide beziehen sich oft noch auf diese Norm. DIN EN ten sich daher deutlich schneller durch Druckverluste äußern. In
805: 2000 (Wasserversorgung – Anforderungen an Wasserver- der Praxis werden Druckprüfungen in der Regel sehr viel kürzer
sorgungssysteme und deren Bauteile außerhalb von Gebäuden) (ca. 30 min.) und ohne den 5-stufigen Aufbau durchgeführt. Sie
ersetzt die bisher geltenden Normen DIN 19630 für den Bau und sind daher meist nicht normgerecht. Auch das Durchführen nach
DIN 4279 Teile 1, 2, 6–8 und 10 für das Prüfen und beschreibt ein Norm schließt nicht aus, dass Mikroleckagen existieren, die zu
vergleichbares Kontraktionsverfahren (. Abb. 17.7). Verlusten von < 10 ml Sole pro Stunde führen können (Rohner,
Vor dem Druckprüfen sind die Sonden zu entlüften, zu spü- 2005), jedoch sind solche Schäden äußerst selten.
len und vollständig mit Flüssigkeit zu füllen. Druckprüfungen
nach DIN V 4279-7 und DIN EN 805 werden als 5-stufige Ver-
-
zz Hinterfüllbaustoffe für Erdwärmesonden
fahren durchgeführt: Der nach dem Einbringen der Erdwärmesonde im Bohrloch ver-
Druckaufbauphase, der Innendruck der Sonden ist in max. bleibende Freiraum ist mit einem geeigneten Verpressmaterial zu
Tabellenwert liegen. Bei Anwesenheit von Luft in der Sonde Die Abdichtungen sollen dauerhaft chemisch und physikalisch
ist der Test fehlerhaft. Sehr lange Zuleitungen müssen mit stabil sein. Früher wurden hierfür das Bohrgut oder auf der
Einsatz. Durch die Vorabmischung und Abpackung der Verfüll- Bei zu hohen Außendrücken muss das Hinterfüllen abschnitts-
1 baustoffe werden eine gleichmäßigere Qualität und damit ver- weise erfolgen, das heißt, der obere Bereich des Bohrloches wird
lässlichere physikalische und chemische Eigenschaften erreicht. erst hinterfüllt, wenn der Mörtel im tieferen Bereich abgebunden
2 Je nach geologischer Gegebenheit und behördlicher Anforderung ist.
können Brunnendämmer und Füllbinder oder Spezialprodukte Beim Anmischen der Verpresssuspension kommen ver-
für Erdwärmeanlagen verwandt werden. Brunnendämmer und schiedene Mischverfahren zum Einsatz. Es gibt einfache Mör-
3 Füllbinder sind in der Investition günstiger, verfügen aber nur telmischer, ein Anmischen in den integrierten Spülwannen
über geringe Wärmeleitfähigkeiten im Bereich von 0,8 W/(m K). von Brunnenbohrmaschinen, Kolloidal-Chargenmischer und
4 Dadurch erhalten die ausgebauten Bohrlöcher einen hohen ther- Durchlaufmischer. Kolloidalmischer zeigen in der Regel den
mischen Bohrlochwiderstand und haben geringere Entzugsleis- besten Aufschluss des Verpressmaterials. Die Dichte der Ver-
5 tungen. Spezialbaustoffe für Erdwärmeanlagen sind zum Teil presssuspension kann mittels Spülungswaage und dem Wiegen
thermisch optimiert und weisen dann Wärmeleitfähigkeiten im in einem definierten Gefäß überprüft werden. Zum Beurteilen
Bereich von 2,0 W/(m K) auf. Dadurch lässt sich die Anzahl der der Fließfähigkeit kann ein Marsh-Zylinder eingesetzt werden.
6 benötigten Bohrmeter je nach Geologie und Anlagenplanung um Dabei wird die Zeit gemessen, die die Suspension zum Auslaufen
bis ca. 25 % verringern. aus dem definierten Zylindergefäß benötigt. Zum Beurteilen des
7 Selten werden, wie auch beim Brunnenbau, Tonpellets als Absetzmaßes wird eine Probe von der angemischten Suspension
Verpressmaterial verwendet. Diese quellen im Bohrloch auf und ca. 1–2 h in einem zylindrischen Gefäß ruhend aufbewahrt. Die
bilden einen gleichmäßigen, geringdurchlässigen Verpresskör- sich durch das Absetzen gröberer Bestandteile aus der Suspen-
8 per, welcher alle Lücken und Risse ausfüllt und das Bohrloch, sion auf dieser bildende Wassersäule sollte nicht mehr als 2 % der
bzw. die Erdwärmesonde wasserdicht gegen den umgebenden Zylinderhöhe betragen.
9 Baugrund abschließt. Für das Einfüllen der Pellets in mehrere Der Verpressvorgang hat, um eine vollständige Abdichtung
Zehnermeter Tiefe sind allerdings Hinterfüllrohre mit großem zu erreichen, von unten nach oben, also im Kontraktorverfah-
10 Durchmesser notwendig, die höhere und damit wesentlich teu- ren zu erfolgen. Wird das Verpressrohr während des Verpressens
rere Bohrlochdurchmesser erfordern. gezogen, soll sich der Auslass immer unterhalb der Suspensions-
Die Frostsicherheit von Hinterfüllbaustoffen ist ein kontro- oberfläche befinden.
11 vers diskutiertes Thema. Erdwärmesonden werden in Spitzen- Verbleibt das Verpressrohr im Bohrloch, baut sich in dem
lastzeiten mit Temperaturen < 0 °C betrieben. Es ist noch nicht System kommunizierender Röhren ein Verpressdruck auf. Er
12 abschließend geklärt, ob und wenn ja, bei welchen Hinterfüll- wird meist am Mischer gemessen und setzt sich aus dem Winkel
baustoffen im Verpresskörper bei Frost um die Sonden Risse der inneren Reibung sowie dem Wandreibungswinkel am Rohr
entstehen können, was zu unerwünschter Wasserwegsamkeit zusammen. Es handelt sich nicht um einen statischen Druck, da
13 führen kann. Noch ist von den Wasserbehörden kein Verfah- das Bohrloch nach oben offen ist. Der Verpressdruck ist nicht
ren zum Überprüfen der Frostsicherheit anerkannt. Genutzt geeignet, um direkt die Höhe der Suspensionssäule quantitativ zu
14 werden ersatzweise die Normen und Verfahren für Natursteine berechnen. Ein Ansteigen des Druckes zeigt aber qualitativ ein
und Beton (DIN 52104-A: Prüfung von Naturstein; Frost-Tau- Ansteigen der Suspensionssäule an und zugleich, dass seitliche
15 Wechsel-Versuch, ÖNORM B 3303: Betonprüfung, DIN 1045- Verluste in Klüften und Spalten nicht so groß sind, als dass die
1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Suspension nicht weiter ansteigen könnte. Bei Bohrlöchern mit
Bemessung und Konstruktion, DIN EN 206-1: Beton – Teil 1: Tiefen größer als ca. 80–150 m in Abhängigkeit vom eingesetzten
16 Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität, DIN Verpressmaterial und seiner Fließfähigkeit empfiehlt sich oft der
CEN/TS 12390-9: Prüfung von Festbeton – Teil 9: Frost- und Einsatz eines zweiten Verpressschlauches, da der Verpressdruck
17 Frost-Tausalz-Widerstand – Abwitterung). dann die Maximalbelastung üblicher Mischer von 25 bis 40 bar
Neben der Wärmeleitfähigkeit und Frostbeständigkeit ist überschreiten kann.
außerdem beim Auftreten sulfathaltiger Grundwässer die Sul- Das automatische Überwachen von Verpressvorgängen ist
18 fatbeständigkeit der eingesetzten Hinterfüllbaustoffe zu berück- mit verschiedenen Methoden in der Weiterentwicklung und An-
sichtigen. wendung. Eine Übersicht über den Fortschritt der Hinterfüllung
19 erhält man auch, wenn auf die beim Verpressen verschlossenen
zz Hinterfüllvorgang Sonden Manometer montiert sind. Da die Dichte des Verpress-
20 Beim Hinterfüllen ist zu beachten, dass die zulässigen Innen- materials größer ist als die Dichte des im Bohrloch befindlichen
und Außendrücke der Sondenrohre, insbesondere vor dem Ver- Wassers und der Luft, steigt der Druck in der Sonde proportional
pressen und nach dem Verpressen, nicht überschritten werden. zum Anstieg der Suspensionssäule im Bohrloch. Berücksichtigt
21 Eine in ein Bohrloch ohne Grundwasser eingebrachte und mit man zusätzlich die gegebenenfalls ansteigende Grundwasser-
Wasser gefüllte 200 m Sonde hat beispielsweise einen statischen oberfläche oberhalb der Suspension, die sich z. B. im zweiten
22 Innendruck von 20 bar am Sondenfuß. Nach dem Einbringen Verpressrohr mittels Lichtlot messen lässt, kann man die Ober-
des Verpressmaterials mit einer Dichte von 2 kg/l erfährt die fläche der Verpresssuspension ausreichend abschätzen und late-
Sonde einen Außendruck von 40 bar. Ist die Sonde mittels einer rale Suspensionverluste frühzeitig erkennen.
23 geschraubten Kappe verschlossen, wird ein Zusammendrücken Suspensionsverluste, also ein Mehrverbrauch von Verpress-
verhindert. Daher sind Sonden nach dem Einbringen und vor suspension im Vergleich zum Volumen des eigentlichen Bohr-
oder spätestens während des Verpressens gefüllt zu verschließen. lochs, können in Abhängigkeit von der Geologie 100 % und
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
683 17
mehr betragen. Das erzeugt zum einen deutliche Mehrkosten, alle Vorläufe eines Sondenfeldes in einem Verteiler gesammelt
zum anderen werden durch den Verpressvorgang gegebenen- oder nach Tichelmann angeschlossen und an die Wärmepumpe
falls natürliche Wasserwegsamkeiten außerhalb des Bohrlochs weitergegeben. Der Rücklauf der Wärmepumpe wird dann über
verschlossen. Zum Mehrverbrauch von Verpressmaterial bei einen weiteren Verteiler an die Rückläufe der einzelnen Sonden
Imlochhammerbohrungen ▶ Abschn. 17.7.1. Auch irrtümlich aufgeteilt. Bei einem Anschluss in Reihe geht der Rücklauf ei-
angebohrte Infrastruktur, wie tiefe Abwasserkanäle, können ner Sonde in den Vorlauf der nächsten über. Es werden auch
so verfüllt werden. Steigt der Pegel des Verpressmaterials wäh- Mischformen dieser beiden Anschlussschemata verwandt, in de-
rend des Verpressvorgangs nicht weiter an, fließt das Material nen zum Beispiel in einem Sondenfeld mit sechs Sonden je zwei
in Klüfte oder andere Hohlräume ab, die natürlicherweise mit Sonden in Reihe geschaltet werden und die resultierenden drei
Luft oder Wasser gefüllt waren. Hier kann das Verpressrohr Sondenreihen parallel über einen Verteiler verbunden sind. Bei
auf Höhe des Pegels gezogen werden, um z. B. Quarzsand oder einem Anschluss in Reihe kann meist auf einen Schacht verzich-
Feinkies einzuspülen und den Verlust an Verpressmaterial zu tet werden. Nachteile bei einem Anschluss in Reihe sind jedoch
minimieren. Alternativ kann ein zweites Verpressrohr auf Höhe ein ungleichmäßiger Wärmeentzug im Untergrund, der Ausfall
des Pegels eingebracht werden. Solch eine gezielte Änderung des gesamten Sondenfeldes im Falle einer Leckage und die feh-
des Verpressmaterials für einen oder mehrere Horizonte ist nur lende Regulierbarkeit der Durchströmung.
möglich, wenn der Pegel der Verpresssuspension z. B. über den Durch die in ▶ Abschn. 17.2 genannte, nicht einheitliche
Druck auf die verschlossenen Sonden während des Verpress- Verwendung der Bezeichnungen von „Vor- und Rücklauf “ ist
vorgangs kontrolliert wird. es bei in Reihe angeschlossenen Koaxialsonden beim Anbinden
Eine weitere Möglichkeit zum Minimieren von Suspensions- wichtig, die Fließrichtung des Wärmeträgerfluids zu beachten,
verlusten bietet der Einbau der Sonden in einen dehnbaren Strumpf da hier Vor- und Rücklauf, bzw. Innen- und Außenrohr unter-
aus reißfestem Geotextil. Der Strumpf passt sich beim Verpressen schiedliche hydraulische Eigenschaften und Charakteristika des
an die Bohrlochwand an. Ein Abfließen von Verpressmaterial über Wärmetransports aufweisen. Fehlerhafte Anschlüsse führen zu
Klüfte ist nicht möglich. Zwar lässt sich beim Verwenden von Ver- geminderten Sondenleistungen.
pressstrümpfen der Verbrauch an Verpressmaterial im klüftigen Anbindeleitungen sollten frostfrei in einem Sandbett oder
Gebirge deutlich mindern, jedoch stellt ein solcher Strumpf beim in feinkörnigem Boden verlegt werden. Typische Tiefen sind 0,8
Einbringen der Sonde in das Bohrloch einen zusätzlichen Be- bis 1,2 m. Die Bereiche der Leitungen sind durch angemessene
standteil des Sondenbündels dar, der sich an der Bohrlochwand Abstände von Bäumen vor einem Verdrücken durch Wurzeln zu
verhaken kann. Verpressstrümpfe werden daher, insbesondere bei schützen. Ein Verlegen von Warnbändern oberhalb der Leitun-
kleinen Bohrlochdurchmessern, ungern angewandt. gen und eine fotografische Dokumentation mit Maßstab werden
empfohlen.
zz Anbinden von Erdwärmesonden Der Anschluss von Sonden an die Wärmepumpe kann nach
Anbindeleitungen verbinden den Sondenkopf mit der Wärme- Tichelmann erfolgen. Das bedeutet, dass die Längen der Anbin-
pumpe. Sie werden wie die meisten Sonden aus PE-Material her- deleitungen der einzelnen Sonden gleich sind. Dadurch treten
gestellt und vergleichbar zu Wasser- oder Gasleitungen verlegt. gleiche Druckverluste auf und die beiden Sonden werden mit
Meist wird PE-100 oder auch PE-80 eingesetzt. Die beiden Kreis- gleichem Durchfluss durchströmt, wodurch auch der Wärme-
läufe einer Doppel-U-Sonde werden meist am Sondenkopf mit entzug annähernd gleich ist.
Y- oder Hosenstücken verbunden. Zum Vermeiden von Druck- Sind die Anbindeleitungen mehrerer Sonden unterschiedlich
verlusten ist es sinnvoll, die Rohrdurchmesser zu erhöhen, d. h. lang, müssen bei einem parallelen Anschlussschema Verteiler
DN-32-Sonden erhalten einen DN-40-Vor- und -Rücklauf, DN- mit Durchflussmessern und Durchflussbegrenzern, sogenannte
40-Sonden entsprechend einen DN-50-Rücklauf. Takkosetter mit Kugelhähnen, verwendet werden, um bei allen
Vorteile der Verbindung der Sondenkreise am Sondenkopf Sonden einen gleichen Durchfluss und damit gleichmäßigen
zum nächst größeren Rohrdurchmesser sind die geringere Menge Wärmeentzug zu erreichen. Das ist bei unterschiedlich tiefen
an Rohrmaterial in den Verbindungsgräben und bei einem par- Sonden in gleicher Weise notwendig.
allelen Anschlussschema die geringere Größe des Verteilers. Ein Verteiler werden entweder in Kontrollschächten außerhalb
Vorteil der getrennten Führung aller Kreise bis zum Verteiler ist, des Gebäudes oder innerhalb des Gebäudes angebracht. Ein Ein-
dass im Falle eines Schadens, wie z. B. einer Leckage, der defekte bau im Innenraum benötigt mehr Platz und verlangt eine gute
Sondenkreis ohne größeren Aufwand stillgelegt werden kann. Wärmedämmung an den Rohren oder eine Möglichkeit, Kon-
Werden jedoch die Sondenkreise am Sondenkopf verbunden, denswasser schadlos abzuführen. Bei der Installation des Ver-
lassen sich bei gleichem Schaden ein defekter Sondenkreis ohne teilers innerhalb eines Gebäudes sind weiterhin mehrere Wand-
Erdarbeiten und erneutes Freilegen des Sondenkopfes weder er- durchbrüche oder Leerrohre und eine entsprechende Abdichtung
kennen noch separat stilllegen. der Gebäudewand notwendig. Daher werden Verteiler meist in
Vor dem Anschweißen der Y-förmigen Hosenstücke ist zu Schächten außerhalb der Gebäude montiert. Zum Teil kommen
gewährleisten, dass jeweils die Vorläufe und die Rückläufe der isolierte Lichtschächte und Betonringschächte zum Einsatz, es
Doppel-U-Sonde miteinander verbunden werden. Im Fall einer gibt aber auch speziell für Erdwärmesonden vorgefertigte Kunst-
Verwechslung ist kein Durchfluss durch die Sonde möglich. stoffschächte. In manchen Landkreisen (z. B. in Bayern) wird ge-
Erdwärmesonden können in Reihe oder parallel miteinan- fordert, dass die Schächte dicht sein müssen, um bei Leckagen ein
der verbunden werden. Bei einem parallelen Anschluss werden Eindringen des Wärmeträgerfluids in den Boden zu verhindern.
684 Kapitel 17 • Oberflächennahe Geothermie
Meist gibt es keine besonderen Anforderungen. Ebenso wie bei erzeugen. Praktisch ist dieses Schadenspotential als gering
1 allen anderen Schächten z. B. aus dem Abwasserbereich ist auf einzustufen. Bei Imlochhammerbohrungen entsteht durch
einen fachgerechten Einbau und das Erreichen der notwendigen die Druckluftförderung ohnehin ein starker Stoffstrom auf
2 Tragfähigkeiten, insbesondere bei späterem Befahren, zu achten. die Bohrung zu. Bei Rotary-Bohrungen wird das Bohrloch
über den Bohrkuchen seitlich abgedichtet. Um Trübungen
zz Bohrbetreuung herbeizuführen, sind offene Spalten oder große offene Po-
3 Bei vielen Bohrungen, die für den Einbau von Erdwärmeson- renräume mit sehr hohen Durchlässigkeitswerten und hohe
4
5
den niedergebracht werden, findet eine geologische Betreuung
statt. Ein vom Bauherren und der ausführenden Bohrfirma un-
abhängiger Sachverständiger dokumentiert dabei die vor Ort
durchgeführten Arbeiten. Der Nachweis der Qualifikation ist
- Abstandsgeschwindigkeiten erforderlich.
Frosthebungen
Bei unterdimensionierten, geschlossenen Systemen können
sich in frostempfindlichen Böden Eislinsen bilden, die den
von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Sehr klare Vor- darüberliegenden Boden anheben und so kleinräumig
gaben inklusive entsprechender Prüfungen, Fortbildung und An- Schäden verursachen. Vermeiden lassen sich Frosthebun-
6 erkennung gibt es derzeit nur in Bayern in Form Privater Sach- gen durch angemessenes Dimensionieren, z. B. nach den
verständiger in der Wasserwirtschaft (PSW). Bei Sondenfeldern Temperaturvorgaben der VDI 4640. Als Mindestabstände
7 wird oft nur das erste Bohrloch überwacht, manchmal wird mit zu Infrastruktur und Bauwerken werden für geschlossene
Behörden oder der Bauherrenschaft in Abhängigkeit von der Wärmequellen in der Regel 1,5 m empfohlen. Bei starkem
lokalen Geologie ein Prozentsatz abgesprochen, z. B. zwei von Wärmeentzug kann sich um Einzelsonden ein großer Ab
8 zwanzig Bohrlöchern sollen überwacht werden. Seltener wird kühlungszylinder/Frostzylinder bilden. Dadurch können
9
10
eine Bohrbetreuung ohne Ankündigung durchgeführt.
Die Aufgaben des Betreuers hängen auch von den Festlegun-
gen der fordernden Instanz ab. Eine Bohrbetreuung kann auch
zu Dokumentationszwecken von der Bauherrenschaft in Auftrag
- größere Abstände notwendig werden.
Artesisch gespanntes Grundwasser
Beim Anbohren artesisch gespannter Grundwasserleiter
können große Wassermengen zu Tage treten und lokal
gegeben werden, um eine einwandfreie Ausführung der Arbeiten Schäden an Gebäuden und Infrastruktur erzeugen. Beim
zu dokumentieren. Meist wird sie von der Unteren Wasserbe- Einsatz einer Außenverrohrung bis in den Grundwasserlei-
11 hörde als Anforderung im Bewilligungsbescheid genannt, um das ter kann vermieden werden, dass Grundwasser in größeren
Einhalten der wasserrechtlichen Vorgaben zu dokumentieren. Mengen dem Bohrloch zufließt. Innerhalb der Verrohrung
12 Der Sachverständige, der eine Bohrung betreut, muss die vor ist artesischer Überdruck z. B. mit hydraulischen Packern
13
Ort ausgeführten, wasserrechtlich und anlagentechnisch rele-
vanten Arbeiten vollständig dokumentieren und die geförderten
Bohrproben ansprechen. In der Regel ist er die einzige geologisch
ausgebildete Fachkraft vor Ort und stellt für die ausführende Bohr-
- und Schwerspat beherrschbar.
Verbindung von Grundwasserstockwerken
Beim Durchteufen von Grundwasserhemmern, die Grund-
wasserstockwerke trennen, können vertikale Wasserbewe-
14 firma sowie für die Genehmigungsbehörden den Ansprechpartner gungen einsetzen, die bei nicht fachgerechtem Verpressen
in Bezug auf Geologie, Hydrogeologie und Sondenausbau dar. zu Schäden führen. Insbesondere, wenn aus einem oberen
15 Der eine Erdwärmeanlage betreuende Geologe oder Geo- Grundwasserleiter Wasser in tiefere Horizonte abfließt,
techniker muss über Fachkenntnisse zur regionalen Geologie können Brunnen und Quellen versiegen und großräu-
und Hydrogeologie, zur Aufnahme von Bohrproben, zu regio- mige Setzungen auftreten. Auch kann die Wasserqualität
16 nalen wasser- und bergrechtlichen Vorgaben, zur Bohrtechnik der einzelnen Grundwasserleiter durch das Vermischen
und zum Beherrschen typischer Probleme, die beim Bohren und beeinträchtigt werden. Verbindungen zwischen Grundwas-
17 beim Installieren der Anlagentechnik von Erdwärmeanlagen auf- serstockwerken können durch eine Außenverrohrung und
treten können, verfügen. durch vollständiges Verpressen der Bohrlöcher verschlos-
Eine Weisungsbefugnis liegt bei einer amtlich geforderten sen werden. Für Baden-Württemberg finden sich in den
18 Bohrbetreuung in der Regel nicht vor. Im Falle wasserrechtlich Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden (LQS EWS)
bedenklicher Abweichungen vom Bewilligungsbescheid hat umfangreiche Vorgaben zum Umgang mit kritischem
-
19 er die zuständige Behörde zu informieren, die dann über den Stockwerksbau des Grundwassers.
Bauherren als Antragsteller und Auftraggeber der ausführenden Anhydrit im Untergrund
20 Firma Anweisungen vorgeben kann. Bei anhydritführenden Gesteinen im Untergrund besteht die
Gefahr, dass beim Bohren und beim fehlerhaften Hinterfül-
len von Erdwärmesonden eine schwer beherrschbare Was-
21 17.7.5 Gefahrenpotential serwegsamkeit von Grund- oder Oberflächenwasser zu dem
trockenen anhydritführenden Gebirge herbeigeführt wird.
22
23
-
Typische potenzielle Risiken bei Erdwärmebohrungen sind:
Wassertrübung bei Bohrarbeiten
Das Grundwasser wird beim Bohren unterhalb des
Grundwasserspiegels durch zerbohrtes Gesteinsmaterial
Dies führt zum Umkristallisieren von Anhydrit zu Gips, mit
einer Volumenvermehrung von 60 % und damit zum Auftre-
ten von Kristallisationsdruck, Blähdruck oder Schwelldruck
und hieraus folgenden Verformungen und Hebungen, die zu
verschmutzt. Solche Trübungen können in nahe gelegenen schweren Schäden führen können (▶ Abschn. 11.5, 11.9 und
Brunnen Probleme bei der geforderten Wasserqualität 13.5.2). Daher ist in einigen Bundesländern (insbesondere
17.7 • Geschlossene Wärmequellen
685 17
Baden-Württemberg) das Durchteufen sulfathaltigen Ge- Bar zu kurzzeitigem Anheben und Auflockern der Erdober-
steins nicht mehr genehmigungsfähig. Verhindern lässt sich fläche führen. Dadurch können Gebäude und befestigte
das Aufquellen von Gestein bei Erdwärmesondenbohrungen Oberflächen innerhalb von Minuten beschädigt werden.
durch das ausreichende Mitführen von Verrohrung und das Das Mitführen einer Außenverrohrung bis in Tiefen > 10 m
ben Auskunft über die Neigung der Sonden und deren Abwei-
1 chungen von der Vertikalen.
Ein AGRT kann über die Tiefe aufgelöst Informationen zur
2 Temperaturverteilung, zum thermischen Bohrlochwiderstand
und der scheinbaren Wärmeleitfähigkeit liefern. Dadurch kön-
nen große Fehlstellen im verpressten Hinterfüllmaterial und
3 starke Grundwasserbewegungen, die Hinweis auf einen Austrag
von Verpressmaterial aus dem Bohrloch geben, erkannt werden.
4 Durch die definierte Zugabe von Markierstoffen zum Ver-
pressmaterial lassen sich Fehlstellen im verpressten Hinterfüll-
5 material mit höherer Auflösung feststellen. Dabei kann radioak-
tiv dotierter Zirkon eingesetzt werden, um später mittels einem
Gamma-Log die Verteilung um die Sonde messen zu können.
6 Analog kann durch Zugabe von Magnetit die Verteilung um die
Sonde mittels Magnetometern kontrolliert werden.
7 Da ein nachträgliches Untersuchen von Erdwärmesonden
aufwendig ist und nur wenige Daten bringt, kann dadurch das
baubegleitende Protokollieren der Bohr-, Einbau- und Hinter-
8 füllarbeiten nicht ersetzt werden. Insbesondere die Qualität der
aufgenommenen Schichten- oder Gesteinsfolge ist für das Auf-
9 finden möglicher Ursachen für Schadensfälle wesentlich.
.. Tab. 17.9 Typische Maße und Wärmeträgerfluidmengen für .. Tab. 17.10 Entzugsleistungen für 2 Klimazonen für Grabenkollek-
Kollektoren toren (OK in 1 m Tiefe, 2 m tiefer Graben, Breite des Kollektors: 1,2 m,
vertikaler Abstand der Rohre: 0,1 m) und Erdwärmekörbe (1,7 m Durch-
Rohrdimension Innendurchmesser Volumen pro 10 m [l] messer oben, 0,9 m unten, Höhe 1,3 m, 5 Körbe mit je 4 m Abstand).
[mm Außendurch- [mm] (Nach Ramming 2007)
messer ∙ mm
Wandstärke] Grabenkollektor Entzug [W/m] in Entzug [W/m] in
Klimazone 12 Klimazone 13
25 ∙ 2,3 20,4 3,27
Sand 90 58
32 ∙ 2,9 26,2 5,39
Lehm 144 81
40 ∙ 3,7 32,6 8,35
Schluff 154 82
ben sich Abstände zwischen 40 und 80 cm. Auslegungen auf dieser In den Tabellen (vgl. . Tab. 17.10) sind hierzu maximale Ent-
1 Basis berücksichtigen die anstehenden Böden und Volllaststun- zugsleistungen für 4 Bodentypen in 15 Klimazonen nach
denzahlen recht grob, das örtliche Klima und der Rohrdurchmes- DIN 4710 aufgeführt. Die Anlagenkonfiguration, für die die Ta-
2 ser wird nicht miteinbezogen. bellen gelten, besteht aus je 4 Körben mit je 4 m Abstand. Klei-
Zum Dimensionieren von Kollektoren wird auf VDI 4640, nere Abstände oder mehr Körbe führen zu geringeren maxima-
Blatt 2 und auf das Informationsblatt Nr. 43 des BDH (Bundesin- len Entzugsleistungen.
3 dustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik Für das Bemessen von Spiralsonden im Grundwasserfluss
e. V.): „Auslegung von oberflächennahen Erdwärmekollektoren“ kann das in Loose (2007) veröffentlichte Verfahren verwandt
4 verwiesen. Das BDH-Informationsblatt Nr. 43 enthält Auslegungs- werden, das auch die Grundwasserkonvektion miteinbezieht.
diagramme, die das Auslegen und Optimieren von Kollektoren Erdwärmekörbe werden in der Regel in Gruben eingebaut
5 in Abhängigkeit von der Klimazone nach DIN 4710, Bodenarten und dann wieder mit dem Aushubmaterial überfüllt. Die Ober-
und Rohrdurchmesser erlauben. Ergebnisse der Diagramme sind kante der Körbe sollte mindestens 0,8–1,2 m unter der Gelän-
Verlegeabstand und spezifische Entzugsleistung in W/m2. Daraus deoberkante liegen. Die Flächen über vergrabenen Erdwärme-
6 lässt sich mittels Division die erforderliche Rohrlänge bestimmen. körben sind frei zu halten (keine Bauwerke, Verkehrsflächen,
Das Bemessen von Kollektormatten ist neben den Angaben Bäume oder Sträucher).
7 der jeweiligen Hersteller nach BDH-Informationsblatt Nr. 43 mög- Spiralsonden werden in mit Hohlbohrschnecken erstellte
lich. Analog zu herkömmlichen Kollektoren wird in Diagrammen Bohrlöcher eingebaut. Kurze Spiralsonden werden meist mit
die Auslegung und Optimierung in Abhängigkeit von Klimazone, Bodenmaterial hinterfüllt, was mit der Unteren Wasserbehörde
8 Bodentypen und Rohrdurchmesser durchgeführt. Ergebnisse der abzustimmen ist.
Diagramme sind Verlegeabstand der Matten und spezifische Ent- Für das Genehmigen von Erdwärmekörben gibt es bundes-
9 zugsleistung in W/m2. weit kein einheitliches Vorgehen. Da dieser Typ der Wärme-
Das Auslegen von Grabenkollektoren ist in Anlehnung an das quelle nur selten eingebaut wird, wird generell empfohlen, den
10 BDH-Informationsblatt Nr. 43 möglich (. Tab. 17.10). Umfang der notwendigen Genehmigungen bei der zuständigen
Unteren Wasserbehörde zu erfragen. Wenn die Körbe deutlich
oberhalb des Grundwasserspiegels liegen, besteht nach Ansicht
11 17.8.5 Einbau von Kollektoren einiger Wasserbehörden, ähnlich zu Kollektoren, nur eine An-
zeigepflicht.
12 Die Verlegetiefe sollte ca. zwischen 1,2 und 1,5 m, aber mindes- Spiralsonden, die in Schachtbrunnen eingebaut werden, sind
tens immer 0,2 m unter der örtlichen Frosteindringtiefe liegen. eine Zwischenform zwischen Erdwärmesonden und Erdwärme-
In leichten Hanglagen sind die Rohrschlaufen parallel zum Hang brunnen. Ein Vereisen der Brunnen ist zu vermeiden. Um die-
13 zu verlegen. ses zu erreichen, kann z. B. in der Wärmepumpensteuerung die
Die Rohrschlaufen sollten aufgrund der Druckverluste Län- minimale Rücklauftemperatur des Wärmeträgerfluids auf 0 °C
14 gen von 100 m nicht wesentlich überschreiten und zum leichte- begrenzt werden. Im Fall einer Füllung mit Wasser, können hö-
ren hydraulischen Abgleich gleiche Längen aufweisen. here Minimaltemperaturen sinnvoll sein.
15 Das aufgefüllte Bodenmaterial darf nur mit leichtem Gerät
verdichtet werden. Die Kollektorrohre sind während des Ver-
dichtens befüllt und verschlossen zu halten. Oberhalb der Rohre 17.10 Energiepfähle
16 sollte im Abstand von 50 cm ein Warnband verlegt werden, um
bei späteren Erdarbeiten die Wahrscheinlichkeit einer Beschädi- Energiepfähle sind betonkernaktivierte Gründungspfähle. Hier-
17 gung zu vermindern. bei werden PE-Rohrschlaufen z. B. mit Kabelbindern an den
Innenseiten der Metallgitterkonstruktionen befestigt, die als
Bohrpfähle in den Untergrund eingebracht werden. Der Ein-
18 17.9 Erdwärmekörbe und Spiralsonden bau der PE-Rohre kann mäanderförmig, als parallele Schlaufen,
als über Kreuz verlegte Schlaufen oder spiralförmig erfolgen
19 Hierbei handelt es sich um spiralig aufgedrehte PE-Rohre mit (. Tab. 17.11). Die Metallgitter werden dann mit Beton aufge-
einem geraden, zentralen Rohr, das in der Regel als Vorlauf für füllt und haben neben ihrer grundbaustatischen Funktion dann
20 die Wärmepumpe genutzt wird. Erdwärmekörbe haben maxi- noch die Funktion einer günstigen Wärmequelle.
male Durchmesser von über 40 cm, wobei der Durchmesser Der Einbau in Energiepfähle ist für die PE-Rohre technikbe-
in die Tiefe abnimmt. Spiralsonden sind mehr als 2 m tief und dingt wenig schonend, weshalb mit Ausfallquoten von 5–10 %
21 haben einen über die Tiefe gleichbleibenden Durchmesser. Bei zu rechnen ist. Heizsysteme auf Basis von Energiepfählen sind in
hohem Grundwasserstand und hohen Fließgeschwindigkeiten der Regel multivalente Systeme, wodurch es bei Ausfällen nicht
22 im Grundwasserstrom kann mit Spiralsonden ein guter Wir- zu Unterdimensionierungen kommt.
kungsgrad erreicht werden. Energiepfähle sind mit Wärmequellentemperaturen oberhalb
Das Dimensionieren von Erdwärmekörben nach BDH-Infor- von 0 °C zu betreiben, um Frost-Tau-Wechsel bzw. Permafrost im
23
--
mationsblatt Nr. 43, Anhang 3 berücksichtigt 2 Korbgeometrien:
Durchmesser 1,3 m und Höhe 1,3 m,
Durchmesser 0,5 m und Höhe 2,0 m.
Bereich der grundbaustatisch relevanten Pfähle zu vermeiden.
Sie werden daher mit reinem Wasser oder mit Wärmeträgermit-
teln mit geringem Frostschutzmittelgehalt gefüllt.
17.11 • Erdwärmebrunnen
689 17
generell 5 °C behördlich vorgegeben, als Maximaltemperatur den Hausdaten angepasste Wärmepumpe, durch die benötigte
1 ca. 20 °C. Damit soll eine negative chemische, physikalische und Entzugsleistung und durch den gewünschten Temperaturun-
biologische Änderung des Grundwassers vermieden werden. terschied zwischen entnommenem und rückgeleitetem Wasser
2 Erdwärmebrunnen in den Nahzonen von Wasser- und bestimmt.
Heilquellenschutzgebieten sind in der Regel nicht genehmi-
gungsfähig. Da das Einleiten belasteten Grundwassers nach
3 Wasserhaushaltsgesetz (§ 34, Abs. 1) unzulässig ist, ist der Bau 17.11.3 Anforderungen an die Wasserqualität
von Erdwärmebrunnen in Gebieten mit bereits verunreinigtem
4 Grundwasser meist nicht möglich. Vor dem Wiedereinleiten sind Optimale hydrochemische Bedingungen für den Betrieb von
belastete Wässer zu behandeln. Erdwärmebrunnen bieten weiche, nichtkorrosive Grundwäs-
5 ser mit einem hohen Sauerstoffgehalt ([O2] > 2 mg/l). Prob-
lematisch können sein: anthropogene Verunreinigungen aus
17.11.1 Sonderbauformen Altlasten oder Landwirtschaft, hohe Eisen- und Mangankon-
6 von Erdwärmebrunnen zentrationen bei niedrigem Sauerstoffgehalt, sehr geringe Mi-
neralstoffgehalte, eine mangelnde Pufferkapazität, sehr hartes
7 Anstelle von herkömmlichen Schluckbrunnen werden zur Rück- Wasser mit hohem Mineralstoffgehalt, hohe Chlorid- und hohe
gabe des thermisch genutzten Grundwassers zum Teil auch Si- CO2-Gehalte.
ckerschächte verwendet. In manchen Bundesländern sind diese Untersuchungen zum Bewerten der Korrosivität gegenüber
8 wasserrechtlich nicht gewünscht, in anderen werden sie bei ent- Metallen können nach DIN 50930, Teil 1 bis 5 (Korrosion me-
sprechenden Bedingungen empfohlen. Sickerschächte können tallischer Werkstoffe im Inneren von Rohrleitungen, Behältern
9 da sinnvoll sein, wo schnelles Verockern der Schluckbrunnen und Apparaten bei Korrosionsbelastung durch Wässer) durch-
zu befürchten ist und für das Versickern ausreichende Durch- geführt werden.
10 lässigkeiten in den anstehenden Schichten bis in den Aquifer
vorliegen. Seltener werden aus der Versickerungs- und Entwäs-
- Folgende hydrochemische Parameter sollen bestimmt werden:
Kationen: Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium, Eisen,
11
serungstechnik bekannte Bauwerke wie Rigolen und Sickerblö-
cke eingesetzt.
- Mangan,
Anionen: Nitrat, Phosphat, Sulfat, Chlorid, Hydrogencar-
12
Eine Sonderbauform von Erdwärmebrunnen sind Koaxial-
brunnen, die auch „offene Erdwärmesonden“ genannt werden.
Hier wird analog zu Koaxialsonden innerhalb eines Bohrlochs -- bonat,
Ammonium,
Vor Ort sind folgende Parameter bei der Probenahme zu
13
14
meist über ein Innenrohr Grundwasser gefördert, welches dann
nach dem Wärmeentzug im Außenrohr oder im Ringraum
zwischen Innenrohr und Bohrlochwand versickert wird. Ko-
axialbrunnen sind zwar platzsparend einzusetzen, bergen aber
- messen:
Temperatur, pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Redox-
Potential, O2-Gehalt.
technikbedingt die Gefahr eines thermischen Kurzschlusses. Um Korrosionsschäden zu vermeiden, geben einige Wärme-
15 Das geförderte Wasser hat dann eine niedrigere Temperatur pumpenhersteller für ihre Produkte Grenzwerte der möglichen
als das natürliche Grundwasser, da diesem zu einem relevanten aggressiven Inhaltsstoffe und Eigenschaften des zu pumpenden
Teil abgekühltes Wasser beigemischt sein kann. Koaxialbrun- Wassers an.
16 nen erzeugen allerdings viel kleinere Absenkungstrichter und Um die Gefahr einer Verockerung auszuschließen, sollte eine
können in Gegenden eingesetzt werden, in denen z. B. aufgrund hydrochemische Untersuchung mindestens auf Eisen und Man-
17 der vorhandenen Bebauung keine bei Dubletten üblichen Ab- gan durchgeführt werden. Zusätzlich ist bei der Probenahme vor
senkungstrichter im Grundwasser auftreten dürfen. Neben der Ort der pH-Wert zu bestimmen.
geringeren Temperatur und der Bemessung einer ausreichen- Kalkausfällungen treten durch Temperaturänderungen von
18 den Sickerstrecke für das abgekühlte Wasser ist zu beachten, bis 6 K selten auf. Bei einer Druckentlastung in Verbindung mit
dass der Ringraum zwischen Innenrohr und Außenrohr, bzw. einer Temperaturerhöhung kann es allerdings in Schluckbrunnen
19 Bohrlochwand über eine ausreichende Durchlässigkeit verfügt. und/oder Rohrsystemen zum Ausfällen von Sinterkalk kommen.
Wenn das abgekühlte Wasser oberhalb der Grundwasseroberflä-
20 che versickert wird, kann eine Verockerung auftreten und ist in
17.11.4 Genehmigungsverfahren
diesem Fall als Minderung der Durchlässigkeit zu berücksich-
tigen Der Ringraum ist mittels Tonsperren und Außenrohren für Erdwärmebrunnen
21 zur Oberfläche hin und gegenüber durchlässigen, von Natur aus
grundwasserfreien Schichten abzudichten. Das Genehmigungsverfahren für eine Wasser/Wasser-Anlage ist
22 im Allgemeinen zweistufig aufgebaut. Im ersten Schritt wird die
Bohrgenehmigung beantragt. In einem zweiten Schritt, basie-
17.11.2 Dimensionieren von Erdwärmebrunnen rend auf den Ergebnissen der Bohrungen und der geologischen
23 Auswertung, werden die Installation und das Nutzen einer Wär-
Erdwärmebrunnen werden analog zu herkömmlichen Brun- mepumpenanlage beantragt. In vielen Fällen lässt sich das Ge-
nen dimensioniert. Die benötigte Wassermenge wird durch die nehmigungsverfahren jedoch bereits vor Beginn aller Arbeiten
17.14 • Technische Regeln
691 17
komplett durchführen und die Ergebnisse der Brunnenbohrun- Wandheizungen als am angenehmsten empfunden. Fußboden-
gen werden im Zuge des Abschlussberichtes mitgeteilt. heizungen werden zwar zum Kühlen eingesetzt, erzeugen aber ei-
Der Umfang der erforderlichen Genehmigungsunterlagen nen kalten Boden. Die Luft unter der Zimmerdecke bleibt warm.
und die spezifischen behördlichen Anforderungen sind örtlich Die im Kühlfall an den Untergrund abgegebene Wärme-
sehr unterschiedlich, sodass sich, wie beim Genehmigen von energie kann teilweise vor Ort verbleiben und über die Wärme-
Erdwärmesonden, eine Vorabinformation bei der zuständigen pumpe wieder genutzt werden. Das Speichern von Energie im
Wasserbehörde empfiehlt. Zum Teil sind entsprechende Sachver- Untergrund ist stark von der jeweiligen Geologie und Hydro-
ständigengutachten erforderlich. In Bayern unterliegen Erdwär- geologie abhängig.
mebrunnen inkl. Wärmepumpe einer Endabnahme durch einen Mittels Geothermie lassen sich jedoch nicht nur Gebäude küh-
PSW, die im Gegensatz zum Einbau von Erdwärmesonden nicht len. Ein Ableiten von Abwärme in den Untergrund ist auch aus
baubegleitend erfolgen muss. anderen Wärmequellen wie z. B. der Kühlung von Photovoltaik-
Modulen oder Restenergie von Solarthermiemodulen sowie tech-
nischer Prozesswärme möglich. Beim Dimensionieren sind immer
17.11.5 Herstellen von Erdwärmebrunnen die Temperaturbeständigkeit der eventuell eingesetzten Sonden-
materialien sowie die wasserrechtlichen Vorgaben zu maximalen
Erdwärmebrunnen werden analog zu herkömmlichen Brunnen Untergrund- bzw. Grundwassertemperaturen zu beachten.
abgeteuft und eingebaut. Es kommen je nach Geologie und Hy-
drogeologie Filterbrunnen oder auch nur einfache Schachtbrun-
nen zur Anwendung. Die Funktion von Förder- und Schluck- 17.14 Technische Regeln
brunnen soll vor der Installation einer Wärmepumpe mittels
eines Pumpversuchs überprüft werden. Dabei werden der Ab- DIN EN 206-1 „Beton – Teil 1: Festlegung, Eigenschaften, Her-
senkungstrichter des Förderbrunnens, der Anstau am Schluck- stellung und Konformität“
brunnen und die notwendige Förderrate mit den beim Planen DIN EN 805: 2000-03 „Wasserversorgung – Anforderungen
verwendeten Werten verglichen. an Wasserversorgungssysteme und deren Bauteile außerhalb von
Gebäuden“
DIN 1045-1 „Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbe-
17.12 Freihalten von Verkehrsflächen bei Eis ton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion“
und Schnee DIN V 4279-7: 1994-12 „Innendruckprüfung von Druck-
rohrleitungen für Wasser – Druckrohre aus Polyethylen geringer
In bisher noch wenigen Projektbeispielen wurde versucht, den Dichte PE-LD, Druckrohre aus Polyethylen hoher Dichte PE-HD
geothermischen Wärmestrom zum Freihalten von sensiblen Ver- (PE 80 und PE 100), Druckrohre aus vernetztem Polyethylen PE-
kehrsflächen zu nutzen. Dabei sollen sich im Betrieb deutliche X, Druckrohre aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid PVC-U“
Kostenersparnisse gegenüber herkömmlichen elektrischen Sys- DIN 8901: 2002-12 „Kälteanlagen und Wärmepumpen –
temen erreichen lassen. Zu den fachlichen Hintergründen sei auf Schutz von Erdreich, Grund- und Oberflächenwasser – Sicher-
Fouad & Richter (2010) verwiesen. heitstechnische und umweltrelevante Anforderungen und Prü-
fung“
DIN CEN/TS 12390-9 „Prüfung von Festbeton – Teil 9:
17.13 Kühlen und Wärmespeichern Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand – Abwitterung“
DIN EN 12831: 2003-08 „Heizungsanlagen in Gebäuden –
Beim passiven Kühlen wird die relativ kühle Untergrundtem- Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast“
peratur über einen Wärmetauscher an das Heizsystem abgege- DIN 50930 „Korrosion metallischer Werkstoffe im Innern
ben. Es handelt sich um ein einfaches Umwälzen im Heizkreis von Rohrleitungen, Behältern und Apparaten bei Korrosionsbe-
und im Wärmequellenkreis. Beim aktiven Kühlen werden in lastung durch Wässer“
der Wärmepumpe Heizkreis und Wärmequelle vertauscht. Der DIN 52104-A „Prüfung von Naturstein; Frost-Tau-Wechsel-
Untergrund wird praktisch beheizt, indem dem Gebäude über Versuch“
das Heizsystem Energie entzogen wird. Hierfür ist die Wärme- DVGW W 120-1: 2012-08 „Qualifikationsanforderungen für
pumpe aktiv und verbraucht elektrische Energie, hat aber bei die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau, -regenerierung, -sanie-
hohen Haustemperaturen und niedrigen Untergrundtempera- rung und -rückbau“
turen sehr hohe Arbeitszahlen. Passives Kühlen hat eine gerin- DVGW W 120-2: 2013-07 „Qualifikationsanforderungen
gere Kühlleistung als aktives Kühlen, erzeugt aber außer dem für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie
Stromverbrauch der Umwälzpumpen kaum Betriebskosten. (Erdwärmesonden)“
Als zum Kühlen geeignetes Heizsystem kommen in erster ÖNORM B 3303 „Betonprüfung“
Linie Flächenheizungen zum Einsatz. Die über herkömmliche ÖWAV-Regelblatt 207 (2., vollständig überarbeitete Auflage,
Radiatoren erreichbaren Kühlleistungen sind aufgrund der 2009) „Thermische Nutzung des Grundwassers und des Unter-
niedrigen Temperaturunterschiede zwischen Heizsystem und grunds – Heizen und Kühlen“
Raumtemperatur beim Vermeiden von Kondensation sehr ge- SIA-Norm 384/6: 2010 „Richtlinie für das Planen, Bauen und
ring. Unter den Heizsystemen werden Deckenheizungen und Betreiben von Erdwärmesonden“
692 Kapitel 17 • Oberflächennahe Geothermie
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711
Serviceteil
Serviceteil
Stichwortverzeichnis – 712
Stichwortverzeichnis
Bemessungssituation BS-E (earthquake situati- Bergsturzmasse 216, 414 Biaxialversuch 136, 137
on) 429 Bergwasserspiegel 488 Biegelinie 451
Bemessungssituation BS-P (persistent situa- Bergwerk 646 Biegezugversuch 122
tions) 318, 429 Bericht, geotechnischer 20, 270, 318, 491 Bifurkation 210
Bemessungssituation BS-T (transient situa- Berliner Verbau 357, 358, 526 Bildanalyse 99, 102, 112
tions) 429 Berme 271, 322, 323, 659 bildsam 114
Bemessungswasserstand 334 –– Nachteil 323 Bims 362
Bemessungswert 301, 346, 423, 424, 433, 438, –– Vorteil 323 Bimsstein 156
454 Bernoldblech 513 Bindemittel 374, 375, 382
Bemessungswerte EG,d 430 Besatz 275 –– bituminöses 382
Bemessungswerte für Widerstände Rd,i 430 Beschleunigungsaufnahme 371 –– hydraulisches 375
Bemessungswert für den Sohldruck 432 Beschreiben Bindemittelgehalt 380
Bemessungswert für Einwirkung 423 –– stoffliches 9 Bindung 125, 375, 641
Bemessungswiderstand 437 Beständigkeit 12, 672 –– adsorbtive 641
Benennen 4 Bestandsaufnahme 483, 485, 487 –– mineralische 375
Benennen des Gesteins 164 –– baugeologische 485 –– polare 125
Benetzungsverlust 472 –– hydrogeologische 487 Binnendeich 572
Benetzungswiderstand 218 –– regionalgeologische 483 Bioabfall 650, 653, 654
Bentonit 308, 340, 342, 525, 535, 616, 678 Beton 6, 293, 523, 542, 586, 587 –– -verordnung 650, 651
–– aktivierter 340, 616 –– -aggressivität 523 biochemische Verwitterung 161
–– Effektivität 616 –– -fangdamm 293 Biokompost 651, 652, 654, 660
–– hochaktiver 616 –– -kies 6 –– -verordnung 651
–– -suspension 340, 341 –– -verbau 542 –– -verwertung 651
Beobachtungspegel 488 –– -verformbarkeit 587 biologische Gesteinsauflockerung 161
Beobachtungsstollen 583 –– -wand 586 biologischer Sauerstoffbedarf 639
Beobachtungszeit 74 Betonbauweise 466 biologische Verockerung 175
Beprobungsraster 79 Betondecke 466 Bioturbation 187
Berechnen Betonformstein 327 Bitumen 13, 307, 308, 382, 385
–– hydraulisches 553 Betonit –– -anstrich 307
Berechnen des Regenwasserabflusses 472 –– aktiviert 339 –– -bahn 307, 308
Berechnung, hydraulische 580, 590 –– Stützflüssigkeit 340 –– -enemulsion 382
Berechnungsverfahren 437 Betonitsuspension 341 –– -gehalt 382
Beregnen 600 Betreten 179 –– -haftkleber 382
Bereich 101, 617 Betreuung –– -pech 382
–– laminarer 101 –– geologische 684 –– -zugabe 385
–– linearer 617 Betriebsablass 578 bituminöser Schiefer 440, 462
–– postlinearer 617 Betriebsform 466 bituminöses Bindemittel 382
–– prälinearer 617 Betriebsmerkmal 466 –– Eignungsprüfung 384
–– strömungsloser 617 Betriebsüberwachung 660 bituminöse Stabilisierungen 383
–– turbulenter 101, 617 Betroffenheit 227 bituminös verfestigter Boden 384
Bereitstellung von Lockermaterial 207 Bettung Blähdruck 52, 501, 684
Berg 95, 147, 183, 188, 221, 461, 483, 485, 500, –– von Bauwerken 448 Blähstrecke 502
505, 579, 656 Bettungsmodul 130, 450, 528 Blähton 362
–– -bau 95, 461, 483, 656 –– -verfahren 450 Blasversatz 460
–– -schadenkunde 95 Bewässern 595, 599 blätterig 265
–– -schlag 147, 500, 505 Bewässerungsanlage 599 Blattverschiebung 90
–– -senkungsgebiet 221 Bewässerungsgraben 599 Blei 641
–– -sickerwasser 485 Bewässerungsmaßnahme 174 Blitz, kurzwellige Emission 52
–– -sturz 183, 579 Bewässerungsverfahren 599 Block 93, 94, 181, 183, 184, 188, 190, 254, 261,
–– -wasserdruck 500 Bewässerungswasser 174 262, 282, 410, 415, 437, 484, 546
–– -zerreißung 188, 485 Bewegungen im Erdreich –– absturzgefährdeter 410
Bergamt 677 –– dynamische 469 –– -anteil 282
Bergbau 225, 643 bewegungsauslösender Faktor 195 –– -bild 484
Bergbaufolgelandschaft 656, 659 Bewegungsbahn –– -bildung 94
Bergbaukunde 198 –– Folie 387 –– Ferntransport 94
Bergehalde 13 Bewegungsformen des Wassers 203 –– -gleiten 190
Bergematerial 13 bewehrte Erde 404, 405 –– -größe 188
Bergrecht 667 Bewehrungsband 385, 404 –– -halde 94
Bergschaden 197 Bewehrungslage 386 –– -lawine 183, 184, 415
–– beheben 202 Bewehrungsmatte 363, 477 –– monolithischer 338
–– vermeiden 202 Beweissicherungsverfahren 462 –– -sturz 93, 181, 410
Bergschadenkunde 198 Bewerten 4, 110 –– -werk 546
Bergschadensicherung 198 Bewetterung 489 Blöcke 4, 5
Bergschlag 528 bezogene Lagerungsdichte 118 –– und Steine 4
Bergsenkung 230 bezogene Setzung 132 Blockgleitverfahren 437
Bergsenkungsgebiet 461 Bezugskornform 7, 97, 99 Blockhalde 206
Bergsturz 414 Bezugspunkt für die Förderung 288 Blocklava 155
Bergsturzgefahr 413 Biaxialkissenversuch 136 Block, monolithischer 338, 354
716 Stichwortverzeichnis
Blockregen 471, 472 –– -verdichtung 370, 389 Bodenverfestigung 221, 255, 266, 380, 389
Blocksturz 412 –– -verdichtungsgerät 372 –– Zement 378
Boden 4, 5, 6, 8, 22, 24, 60, 79, 82, 92, 94, 95, 124, –– -verdrängungsverfahren 531 Bodenverunreinigung 668
125, 149, 167, 179, 187, 197, 218, 221, 224, 226, –– -verfestigung 369, 374, 375, 376, 379, 380, Bodenwasserhaushalt 305
227, 254, 255, 256, 257, 259, 261, 263, 266, 270, 382, 389 Bodenwiderstand 458
271, 303, 307, 354, 365, 366, 369, 370, 372, 374, –– -verflüssigung 149 Boden-Zement-Gemisch
375, 376, 377, 379, 380, 382, 384, 385, 389, 423, –– -vernagelung 354 –– untersuchen 381
477, 487, 531, 590, 596, 650, 651, 653, 654, 657 –– -volumen 24 Boden-Zement-Mischung, verfestigen 378
–– -abtrag 229, 270 –– -wasser 60 Bogengewölbe 499
–– alkalischer 88 –– wassergesättigt 264 Bogenstaumauer 583, 587
–– -ansprache 254 –– -Wasser-Luft-Zone 60 Böhmit 5
–– -art 254, 256, 257, 472 –– Wasser- und Luftverhältniss 596 Bohrabstand 485
–– -artenhauptgruppe 6 –– -Zement-Gemisch 379 Bohranzeige 677
–– -artenuntergruppe 6 –– -zone 92 Bohrarbeit 255, 259, 506
–– -aushub 270 –– -zone, ungesättigte 218 Bohrarbeit, eine Erschwernis 261
–– -austausch 270, 271, 365, 366, 477 Bodenaustausch 365, 394, 685 Bohrarbeiten 259
–– -bearbeitung 179 –– durch Verdrängen 366 Bohraufgabe 25
–– -behandlung 374, 375 Boden-Bindemittel-Gemisch 374 Bohrbetreuung 677, 684
–– -behandlungen 379 Bodendichte Bohrbild 505
–– bindig 260, 261, 262 –– anstehende 390 Bohrbrunnen 68, 69, 295
–– bituminös verfestigter 384 –– aufgelockerte 390, 391 Bohren 26, 27, 28, 29, 30, 521
–– -durchschlagrakete 531 –– LKW-Ladung 391 –– Abschlagslänge 496
–– -entnahmeverfahren 531 –– verdichtete 390 –– Greifer 26
–– -ersatzsubstrat 650, 651, 654 Bodeneigenschaft 231 –– Hohlbohrschnecke 28
–– feinkörniger 255, 256, 431, 455 Bodenentnahme 423 –– Kiespumpe 26
–– -feuchte 167, 218, 307, 596 Bodenerosion 178 –– orientiertes 30
–– -Füller-Gemisch 385 Bodenerosionskarte 180 –– Pürckhauer-Bohrstock 29
–– -gas 79, 82 Bodenersatzsubstrat 652, 653, 655, 662 –– Rammkern-Seilkernbohrung 27
–– gefrorener 221 Bodenfeuchte –– Rammkernsonde 29
–– -gefüge 229, 657 –– aufsteigende 307 –– Schappe 26
–– gemischtkörniger 254, 256, 475 Bodenfließen 222 –– Schlitzsonde 29
–– grobkörniger 254, 266, 431, 455, 475 Bodengruppe 474 –– Schnecke 26
–– -gruppen 254 Boden-Kalk-Gemisch –– Ventilbüchse 26
–– -hauptgruppen 254 –– Scheibe Bohrfortschritt 261, 506, 678
–– -hebung 303 –– Säule 369 Bohrgerät 678
–– -horizont 92 Bodenkenngröße 473 Bohrgut 21, 31, 32, 678, 679
–– -Kalk-Gemisch 379, 380 Bodenkriechen 394 –– aus Festgestein 31, 32
–– -kapazität 218, 309 Bodenleben 656 Bohrkrone 30
–– -kenngröße 95, 264, 473 Bodenluft, Entnahme von 79 Bohrlafette 506
–– -kennwert 95 Bodenmaterial Bohrlanze 31
–– -klasse 256, 259, 261 –– verbessertes 375 Bohrloch 35, 53, 58, 137, 140, 277, 287, 529, 675,
–– -klassifikation 254 Boden mit Beimengung humoser Art, grobkör- 679
–– -klassifizierung 487 nig 255 –– -abstand 277, 287, 506
–– -kriechen 187, 394 Boden mit kalkiger Bildung, grobkörnig 255 –– -aufweitungsversuch 137
–– -kunde 224 Bodennagelsystem 417 –– -durchmesser 287
–– -luft 79 Bodennutzung –– -kaliber 58
–– -mechanik 95 –– forstwirtschaftliche 653 –– -messung 35, 58
–– mineralische Substanz 4 –– landwirtschaftliche 653 –– -schlitzsonde 140, 529
–– nichtbindig 260, 261, 262 Bodenphysik 658 –– -untersuchung, geophysikalische 53
–– nichtkonsolidierter 125 Bodenplatte 202 –– vollverrohrtes 679
–– normalkonsolidierter 125 Bodenproben 21 Bohrlochaufweitung 139
–– -nutzung 629 Bodenradar 48 Bohrlochaufweitungsmesssystem 138
–– organisch 8, 255, 256, 260, 261, 262, 263 Bodensauerstoffhaushalt 661 Bohrlochaufweitungsversuch 137
–– organische Substanz 4 Bodensäule Bohrlochrammsondierung 38, 39
–– organogener 255, 262 –– verfestigte 369 Bohrlochschlitzsonde 140
–– plastischer 94 Bodenschatz Bohrlochseismik
–– -plastizität 377 –– bergfreier 667 –– Crosshole-Prinzip 46
–– -probe 22, 24, 79 Bodensenkung 197 –– Downhole-Prinzip 46
–– schrumpfen 221 Bodenspannung 445 Bohrlochwand 679, 680
–– Schutzgut 227, 228 Bodenstruktur 229 Bohrlochwiderstand 670, 671, 673, 678, 681
–– -senkung 197 –– Veränderung 233 –– thermischer 672
–– tauender 222 Bodentyp 227 Bohrpfahl 302, 337, 338, 341, 417, 419, 426, 457
–– -thermometer 590 Bodenveränderung –– Erfahrungswert 455
–– überkonsolidierter 125 –– schädliche 654 –– mit Fußverbreiterung 427
–– UVP 226 Bodenverbesserung 255, 380, 389 –– -wand 302, 338, 341
–– -veränderung, schädliche 653 –– qualifizierte 375 Bohrpfahlgründung 255
–– -verbesserung 266, 270, 374, 375, 376, 380, Bodenverdichtung 229, 233, 301 Bohrpfahlreihe 403
389 Bohrpfahlwand 418
717 B–D
Stichwortverzeichnis
–– -schaden 589 Deponie 225, 239, 306, 615, 617, 618, 619, 621, Dichtungsschürze 368, 577, 590
–– -schüttmaterial 264, 292, 394 623, 624, 629, 630, 631, 632, 636, 638, 654, Dichtungssohle 304, 305, 621
–– -schüttmaterial, leichtes 477 656, 660 –– tiefliegende 304
–– -schüttung 268, 467, 475 –– -abdichtungskonzept 660 Dichtungssystem
Dammbau 225, 466 –– -abdichtungssystem 630 –– nachträglicher Einbau 620
–– Dränage 588 –– Anforderung 608 Dichtungsteppich 584, 585, 586
Dammbauten 241 –– -basisabdichtung 615, 617, 618, 619 Dichtungswand 584, 586
Dammbauwerk 233 –– -betrieb 631 Dichtwand 296, 340, 341, 620, 621
Dammböschung 328 –– Einbautechnik 631 –– -masse 620
Dammdurchlässigkeit 292 –– eingekapselte 621 dickbankig 265
Dammkonstruktion 568 –– Entgasen 624 dickplattig 265
Darcy-Gesetz 72, 309, 617 –– -gas 623, 631 Dickspülung 427
–– Gültigkeitsbereiche 617 –– -gasentwicklung 624 Dielektrizität 48
–– linear 617 –– geordnete 629 Differenz-Druckmessung 108
–– prälinear 617 –– Längsgefälle 615 Diffusion 113, 610, 612, 635, 636, 637, 638
–– strömungslos 617 –– -planum 615 –– molekulare 637
–– turbulent 617 –– Quergefälle 615 Diffusionsgeschwindigkeit 638
Darstellen, zeichnerisches 32 –– Reststoff 629 Diffusionskonstante 637
Darstellung der Tunnelröhre 528 –– -sickerwasser 629, 630, 638 Diffusionsstrom 637, 638
Datenerfassung, meteorologische 660 –– -sohle 636 –– effektiver 637
Daueranker 345 –– Standsicherheit 631, 632 Dilatometer 137, 140, 528
Dauerfrostboden 222 –– ungeordnete 629 –– -sonde 137
Dauergefrornis 222 –– Verformung 631 –– -versuch 137, 140, 528
Davidenkoff 294 –– -wand 618 Dilatometersonde 137
debris flow 186 –– Zuordnungskriterium 606 Dilatometerversuch 137
Decke 467, 469 Deponiebasisabdichtung 617, 620, 622 Dimension 97, 198
Deckelbauweise 303, 527 –– Qualitätskontrolle 618 Dimensionieren
Deckengewölbe 200 Deponieersatzbaustoff 606, 608, 616 –– analytischer Software 676
Deckenheizung 691 Deponieklasse 605, 608 –– detaillierte Formel 675
Deckschicht 282, 469, 685 Deponiestandort –– Erdwärmesonden 674
Deckwalze 576 –– Anforderung 608 –– Faustformel 675
Deckwerk 549, 559, 560 Deponietechnik 629, 630, 631 –– Nomogramm 675
–– geschlossenes 561 Deponieverhalten 640 –– numerischer Software 676
–– offenes 561 Deponieverordnung 660 –– SIA-Norm 384/6 675
–– Schaden 561 Desquamation 159, 169 –– Tabelle 675
Deflation 179, 212 Detonation 274 –– von Erdwärmebrunnen 690
Deflationsfurche 179 Detonationsgeschwindigkeit 275, 276 dimensionslos gemessene Korngröße 97
Deflationswanne 179 Deutsche Bundesbahn 244 dimensionslos gemessene Menge 97
Deflektometermessung 529 Deutscher Einbruch 505 direkter Scherversuch 126
Deformation 95, 96 devastierte Fläche 650 Direktverdampfer 687
–– tektonische 96 Diapirismus 161 Direktverdampfer-Kollektor 687
Deformationsgeschwindigkeit 510 Dicalciumsilikat 12 Diskontinuität 92
Dehnung 141 dicht 262 Diskontinuitätsfläche 44
Dehydrationsvorgang 159 Dichte 105, 106, 115, 117, 256, 276, 371, 440, 472 Dispersion 214, 635, 636
Deich 210, 211, 362, 394, 568, 570, 571, 572, 597 –– -messung 105 –– hydrodynamische 636
–– -bau 225, 568 –– -Messverfahren 371 –– von Wellen 214
–– -bruch 568 –– -schichtung 106 Dispersitätsgröße 97
–– -graben 597 –– von Sprengstoff 276 DOC 642 Siehe gelöster organischer Kohlenstoff
–– -höhe 570 –– von wassergesättigtem Boden 117 Dokumentation, hydrogeologische 488
–– -körper 568 Dichteabnahme 112 Dokumentationspflicht 680
–– -prüfen 572 Dichtheit 680 Doline 196, 200
–– -schau 571 Dichtigkeit 311, 580, 592 Dolomitstein 200
–– -sicherung 211 –– Untergrund 581 Dom-Gewölbe 499
–– -trasse 570 Dichtmaterial 588 Doppelbohrkopf 678
–– -verstärkung 570 Dichtschicht 620 Doppelkeilanker 344
Deichbauten 241 Dichtschirm 584 Doppelkernrohr 30
Deichfußdeckwerk 561 Dichtsohle 620, 621 Doppelpacker 581
Deichkrone 567 Dichtstrom 513 Doppelporositätsgrundwasserleiter 73
Deichprofil 567 Dichtung 308 Doppelschicht
dekadische Reihe 98 –– mineralische 617 –– Tonmineral 373
Deklination 50 Dichtungsbahn 386 Doppel-U-Erdwärmesonde 685
Delta 205, 210 Dichtungskern 588 Doppel-U-Sonde 678, 679, 683
Deltaablagerung 210 Dichtungskonzept 592, 593 Dosimeterverfahren 77
Deltaebene 210 Dichtungskörper 588 Downhole-Prinzip 47
Deltasediment 217 Dichtungsmaterial 617 drag coefficient 102
Deltavorbau 210 Dichtungsschicht 617, 619 Draht 338, 339, 543
Denudation 176 Dichtungsschirm 584, 586, 588, 592, 593 –– -geflechtbehälter 338
Denudationsniveau 176 Dichtungsschleier 584 –– -schotterkorb 338, 339, 543
719 D–E
Stichwortverzeichnis
Einbau 264, 266, 267, 373, 476, 632 Eisenbahn 225 Entzugsleistung 671, 687
–– -eigenschaften 373 Eisenhüttenschlacke 468 –– spezifische 671, 688
–– feinkörnige Böden 264 Eisenoxid 165 EOX 642
–– Felsgestein 267 Eisensulfatkristallisation 462 EPS-Hartschaum 477
–– fester Abfälle 631 eisgesättigt 221 Erdabtrag 179
–– gemischtkörnige Böden 266 Eiskeil 222 Erdanschüttung 370
–– grobkörnige Böden 266 Eisverteilung 221 Erdarbeit 255, 473, 592
–– leichter Baustoffe 202 Eisvolumen 221 Erdauflockerung 179
–– -stärke 476 elastisches Verformen 197 Erdaufschüttung 423
–– von Müll 632 elastische Verformung 128 Erdbaustoff 235, 373
–– von Schlämmen 632 Elastizität 96 Erdbauwerk 255, 362, 370, 385, 394, 401, 473
Einbaudicke 476 Elastizitätslehre 440 Erdbeben 146, 147, 148, 149, 151, 152, 579
Einbauten, vorgelagerte 464 Elastizitätsmodul 129, 528 –– Eintrittswahrscheinlichkeit 149
Einbindetiefe 358, 404, 432 Electromagnetic Radiation 52 –– -gefährdung 149, 232
Einbruch 197, 275, 505 elektrische Leitfähigkeit 71 –– -häufigkeit 148
–– -schlot 197, 199 elektrischer Widerstand 56 –– künstlich induziertes 146
Einbruchsart 505 Elektrode 297 –– -risiko 151
eindimensional gemessene Menge 97 Elektrodenabstand 297 –– Stärke 147
eindimensional gemessener Korngröße 97 Elektrohammer 281 –– -statistik 151
Eindringtiefe der Sickerwasserfront 65 Elektrolytgehalt 205 –– Überwachung 152
Eindringwiderstand 40, 347, 455 Elektroosmoseverfahren 297, 325, 417 –– Vorhersage 152
–– von Rammsonden 347 EL-Log 56 –– -wellen 146
Einfachkernroh 30 Eluatkriterium 607, 608 –– Wiederholungsperiode 148
Einfachpacker 581 Elutionsverhalten 654 –– -wirkung 148
Einfall der Trennfläche 261 Emission, akustische 202 erdbebenseismische Observation 153
Einfallen 262, 287 Emissionsneutralität 654 erdbebensicheres Bauen 151
Einflussbeiwert i 399, 443, 444, 635 Emissionspotential 659 Erdbeschleunigung 115
–– nach Kany 443, 444 Emittentenbewertung 72 Erdbeton 369
–– nach Steinbrenner 399, 444, 635 Endlagerung 163, 643 Erdbetonscheibe 369
Einflusstiefe 442 Endlagerung radioaktiver Abfälle 238 Erdbult 221
eingedeichter Fluss 210 Endsee 216 Erddamm 292, 583
Eingriffsdimension 226 Energiepfahl 688 Erddruck 187, 329, 332, 333, 423, 435, 440
Einheit, rutschanfällige geologische 321 Energiespeicher 671 –– aktiver 329
Einheitsbettungsmodul 451 Energieumwandler 544, 546 –– -beiwert 332, 333
Einkanalempfänger 43 Energieumwandlung 545 –– -berechnung 329
Einkapseln 620 Energieverbrauch 689 –– -kraft 332
Einkornbeton 341 Entfestigung 499 –– passiver 329
Einkornbetonpfahl 341 Entgasungsgraben 628 –– räumlicher 333
Einphasenschlitzwand 342 Entgasungsschacht 624, 628 Erddruckberechnung, elektronische 333
Einsaat 652 Entgasungssystem 621, 624, 628 Erddruckdose 590
Einschnitt 233 Entlastung 440 Erddruckfigur 351
Einschnittsböschung 319, 328 Entlastungskluft 92 Erddruck, Horizontalkomponente 332
Einschwingverfahren 582 Entlastungskurve 139, 440 Erddruckkraft 329, 334, 404
Einspülen 370 Entmischungseffekte 371 Erddrucktheorie
Einsturz 146, 196, 200 Entnahme 74, 270 –– Coulomb’sche 329
–– -beben 146 –– -brunnen 74 –– Rankine 329
–– -doline 196, 200 Entsalzen von Bewässerungsboden 174 Erde, bewehrte 404, 405
–– -loch 196, 200 Entsorgung 654 Erdfall 52, 94, 196, 198, 199, 200, 201, 202, 460,
–– -schlot 196 Entspannung 273 461
Eintreibrohr 426 Entspannungsbohrung 523 –– Alter 201
Einwandbuhne 564 Entspannungsbrunnen 586 –– Anhydrit 199
Einwirkung 305, 423 Entwässern 420, 595 –– Bestandsaufnahme 201
–– dynamische 423 –– biotechnisches 325 –– -form 201
–– ortsspezifische 423 –– einer Rutschmasse 417 –– -gebiet 460
–– ständige 423 Entwässerung 292, 297, 363, 401, 416, 466, 477, –– -gefahr 200, 201
–– veränderliche 423 480, 485, 596, 618 –– Gips 200
Einzäunen 411 –– elektroosmotische 297 –– -häufigkeit 202
Einzelfundament 424 –– kulturtechnische 596 –– -pegel 202
Einzugsgebiet 65, 305 Entwässerungsbau 232 –– Schadenrisiko 201
Eis 157, 183, 186, 221, 478, 516 Entwässerungseinrichtung 292, 471 –– -trichter 196
–– -lawine 157, 186 Entwässerungsleitung 399 erdfallgefährdetes Gebiet 461
–– -linse 221, 478 Entwässerungsschicht 615, 660 Erdfalltrichter 202
–– -schirm 516 Entwässerungssystem 615, 620 Erdfangdamm 292
–– -sturz 183 Entwurfsanforderung 466 Erdfließen 186
Eisdruck 423 Entwurfsböschungen 323 Erdgas 685
Eisen 12, 174, 641 Entwurfsgröße 485 erdgekoppelt 665
–– -kruste 174 Entwurfsklasse 466 Erdgezeiten 220
–– -sulfid 12 Erdmagnetfeld 50
721 E–F
Stichwortverzeichnis
Geothermal Response Test 670, 671, 676 Gesteinskörnung Gleitfuge 188, 351, 354, 395, 435
Geothermie –– aus recyceltem Material 476 –– tiefe 351, 354
–– mitteltiefe 665 –– künstliche 476 Gleithang 208
–– oberflächennahe 665 –– natürliche 476 Gleithorizont 10
–– Tiefen- 665 Gesteinslage Gleitkeilanker 344
geothermische Tiefenstufe 490 –– inkompetente 90 Gleitkörper 188, 437
Geotop –– kompetente 188 Gleitkreis 335, 438
–– schutzwürdig 234 Gesteinslagerung 258, 485 Gleitlinie 436, 438
Gerinnequerschnitt 590 Gesteinslösen 287, 290, 592 Gleitschacht 520
Geröll 204, 206, 474 Gesteinsmagnetismus 31 –– -ausbau 520
–– -flut 206 Gesteinsmehl 5, 383 Gleitschienenverbau 355
–– markiertes 204 Gesteinstextur 96 Gleitsicherheit 334, 396, 436
Gesamtsetzung 441, 445 Gesteinsveränderung 254 –– Erhöhen 436
Gesamtspannung 445 Gesteinsverband 503 –– von Stützbauwerken 334
Gesamtvolumen 203 Gesteinszersatz 19, 92, 93, 167 Gleitwiderstand 435
Gesamtwassergehalt 113 –– hydrothermaler 93 Gleitwinkel 404
Gesamtwassermenge Q [m3] 295 Getriebezimmerung 511, 512, 514 Gletscherseeausbruch 219
gesättigte Zone 60 Gewässer 225, 553, 555 Glühverlust 120, 472
Geschiebe 204, 205, 210, 212, 543, 545, 546, –– -ufer 553 Glutlawine 156, 157, 184
547, 591 –– Umgestaltung 241 Glutwolke 156, 184
–– -anlandung 547 –– -unterhaltung 555 Gneiszersatz 19, 123, 167, 254
–– -bilanz 204 Gewässergütekartierung 554 Goethit 641
–– -fänger 204 gewässerkundliche Hauptzahl 67 Goodman-Sonde 139
–– -fracht 204, 545, 546 Gewässerzustand 554 GPR 48
–– -führung 204, 543, 591 Gewebe 385 GR 56
–– -fund 543 Gewichtsänderung Graben 270, 321, 355, 358, 592, 597, 599, 600
–– -menge 547 –– beim Transport 391 –– -bewässerung 599, 600
–– -messung 204 Gewichtskraft 298, 334, 335, 404, 438 –– -entwässerung 597
–– -sammler 546 –– stabilisierende 301 –– -stau 600
–– -trieb 204, 543 Gewichtslotanlage 36 –– -verbau 355, 358
–– -zufuhr 204 Gewichtsstaumauer 587 grabenförmiger Einbruch 197
–– -zugabe 547 Gewinnen von Ton und Lehm 286 Grabenkollektor 687, 688
Geschiebesammler 545 Gewinnleistung 284 Gradient 480, 592
Geschiebetrieb 557 Gewinnsprengen 274, 277, 279 –– geothermischer 665
Geschiebezugabe 556, 557 Gezeiten 214 –– hydraulischer 592, 613, 636
gespanntes Grundwasser 64 Gezeitenwirkung 214 –– i 592
Gestalt, innere 96 GI 254 –– Sickerströmung 593
Gestaltungsmerkmal 466 Gießereireststoff 468 Gradient, hydraulischer 72, 611, 636
Gestein 9, 12, 13, 90, 93, 95, 188, 222, 268, 394, Gips 161, 162, 168, 200, 201, 462, 501 Gradtag 479
396, 469, 523 –– -höhle 200 Granit 171, 644
–– bituminöses 13 –– -karst 201 –– -verwitterung 171
–– brennbares 13 –– -kristallisation 462 Granitgrus 19
–– erdölhaltiges 13 –– -kruste 168, 169, 173 Granitzersatz 19, 123, 167, 254
–– festes 268 –– -lappen 200 Graphit 13
–– frostsicheres 222 –– Lösen 162 Graupel 58
–– lösliches 95 –– -spiegel 162, 501 Gravitationsbeschleunigung 99
–– Löslichkeit 13 Gitterradwalze 372 GRD-Bohrung 678
–– quellfähiges 675 Glattwalze 371 Greatplain 212
–– veränderlich festes 12, 93, 188, 222, 268, 322, Glazialerosion 179 Greifer 26
374, 394, 396, 399, 469 Gleichgewicht Grenzabstand 667
–– verwitterungsresistent 188 –– bestehendes 503 Grenzbauhöhe 327
–– vulkanisches 90 Gleichgewicht im Gebirge 499 Grenzfließgeschwindigkeit 592
–– wasserempfindliches 523 Gleichgewichtsbetrachtung 188 Grenzgehalt 263
Gesteine mit Druckfestigkeit 433 Gleichgewichtsstrecke 203 Grenzgeschwindigkeit 204
Gestein, hornblendehaltig 259 Gleichgewichtsverlust 305, 434 Grenzkraft 346, 347
Gesteinsalter 254 Gleichgewichtszustand 304 –– von Ankern 346
Gesteinsbeschreibung 263 Gleichstromverfahren 47 Grenzlast 347, 434, 452, 454
Gesteinsbezeichnung 262 Gleitbahn 419 –– von Ankern 347
gesteinsbildende Minerale 164, 167 –– Folie 387 Grenztiefe 441, 443, 445, 449, 635
Gesteinsblock 94, 254 Gleitbahn nach Bishop 438 Grenztragfähigkeit 365
Gesteinsdurchlässigkeit 68, 73 Gleiten 188, 334, 338, 423, 429, 431, 433, 436, Grenzwert 347, 584, 616
Gesteinsentspannung 177 577 –– der Mantelreibung 347
Gesteinsentstehung 254 –– Nachweis 436 –– oberer 433
Gesteinsfestigkeit 495, 507 Gleitfestigkeit 123, 125 –– thixotroper 616
Gesteinsfolge, teilverwitterte 254 Gleitfläche 189, 329, 332, 404, 416, 436, 579 –– unterer 433, 584
Gesteinsgeschichte 254 –– nach Coulomb 332 Grenzzustand 429, 433
Gesteinsgrus 92, 94 –– EQU 429
–– HYD 429
725 G–G
Stichwortverzeichnis
–– STR 429 Grundwasser 60, 62, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 70, 71, Grundwasserabsenkung 220, 229, 232, 233, 234,
–– Tragfähigkeit 433 72, 173, 174, 198, 213, 217, 219, 220, 227, 229, 294, 301, 302, 449
–– Versagen des Baugrundes (GEO – geotechnic 230, 292, 294, 295, 296, 298, 300, 302, 308, 309, –– Reichweite von 294
failure) 429 311, 314, 362, 441, 448, 449, 470, 472, 516, 579, Grundwasserabstand 309
Grenzzustand des Versagens 318 598, 611, 612, 629, 630, 639, 640, 642, 659 Grundwasserabstandsgeschwindigkeit 674
Grobblocklage 208 –– -Abfluss 579 Grundwasseranstieg 220
Grobgrus 5 –– -absenkung 292, 294, 295, 298, 362, 448, 449 Grundwasserbeobachtungsbrunnen 294
Grobkies 4 –– absenkung 220 Grundwasserbeschaffenheit 231
Grobkorn 364 –– absenkung, Berechnung 296 Grundwassercarbonatisierung 173
Grobsand 4, 5 –– aggressives 689 Grundwasserchemie 491
Grobschluff 5 –– Aggressivität 472 Grundwasserdynamik 230, 231
Grobschotter 364 –– Altersstruktur 314 Grundwassereigenschaft 231
Grobton 5 –– Anreichern 309 grundwassererfülltes Gebirge 522
Großblöcke 5 –– artesisch gespanntes 63, 64 Grundwasserflurabstand 309, 470
Großbohrlochsprengverfahren 287 –– -berg 62 Grundwasserfluss 592
Große Blöcke 4 –– betonangreifendes 71 Grundwasserganglinie 219
Großerdfall 197, 199, 201 –– -bewirtschaftung 72 grundwassergekoppelt 665
großer Salzsee in Utah 217 –– -carbonatisierung 173 Grundwassergleiche 294
Großkluft 14, 90, 92 –– -differenzplan 302 Grundwassergleichenplan 473
Großlochbohren 521 –– -druckfläche 69 Grundwassergütedaten 640
Großpore 65 –– einleiten 690 Grundwasserhaushalt 231
Großscherversuch 127 –– Fließbahn 64 Grundwasserhemmer 684
Großsprengverfahren 366, 367 –– Fließbahnen im Karsthohlraum 64 Grundwasserkreislauf 167
Großstörung 485 –– Fließbahnen im Klufthohlraum 64 Grundwasserleiter 668
Grube 658 –– Fließbahnen im Porenraum 63 –– artesisch gespannter 684
Grubenabbau 289 –– -fließrichtung 70, 612 –– Empfindlichkeit 229
Grubschluff 4 –– freies 63, 64 Grundwassermonitoring 639
Grünbrache 652 –– gespanntes 63, 64, 298, 675 Grundwasserneubildung 65, 233
Grundablass 217, 576, 578 –– -gleiche 70 Grundwasseroberfläche 331
Grundbruch 294, 298, 301, 324, 338, 363, 394, –– -gleichenkarte 470 Grundwasserqualität
395, 404, 423, 429, 431, 433, 434, 435, 462, 526, –– -gleichenplan 302 –– Veränderung 230
577, 627, 633 –– -gütemessstelle 72, 639 Grundwasserschutz 232, 470, 689
–– -figur 395 –– -güteuntersuchung 640 Grundwasserschutzgebiet 470
–– -gleichung 435 –– -hemmer 63 Grundwassersituation 282
–– hydraulischer 294, 298, 301, 526, 577 –– -inhaltsstoff 72, 639 Grundwassersolontschake 174
–– -last 434, 435 –– -kartierung 70 Grundwasserspiegel 218, 431, 674
–– -sicherheit 394, 627, 633 –– -kontamination 629 –– Anstieg der 65
–– -untersuchung 394, 633 –– -körper 62, 470 Grundwasserspiegelhöhe 302
Grundbruchfigur 394 –– -landschaft 63 Grundwasserstand 65, 160, 423
Grundbruchformel 435 –– -leiter 62, 639 –– wechselnder 214
Grundbruchgefahr –– -leiter, schwebender 62 Grundwasserstockwerk 684
–– hydraulische 300 –– -Messstelle 68, 69, 72, 639 Grundwasserstrom
Grundbruchgleichung 435 –– Monitoring 640 –– Veränderung 230
Grundbruchsicherheit 432, 435 –– -probe 639 Grundwasserströmung 302, 303, 669
Grundbruchsicherheitsnachweis 435 –– -probenahme 72 Grundwasserverhältnis 429, 594
Gründen 577, 584 –– -qualität 71, 72, 230, 639 Grundwasserverunreinigung 685
–– von Sperren 584 –– -schaden 470 Grundwasservorranggebiet 234
–– von Wehren 577 –– -schutz 659 Grundwasserwärmepumpe 689
Grundfeuchte 167 –– Schutzgut 228, 229 Grundwasserzufluss 592
Grundlawine 186 –– -see 213 Grundwehr 576
Grundmelioration 657 –– -solontschak 174 Grundwert, klimatologischer 595
Grundpegel 363, 400 –– -spiegel 68, 71, 217, 441, 611 Grünlandnutzung 652
Grundreihe 98 –– -spiegel, scheinbarer Anstieg 220 Gruppeneinteilung 254
Grundschwelle 547, 548, 551 –– -spiegelschwankung, technisch verursach- Grus 5
Gründung 362, 461 te 220 GT 255
–– auf schwellfähigem Untergrund 461 –– -stand 219 GU 255
–– Bergbaugebiet 461 –– -stockwerk 63 Gummiradwalze 372
Gründungsbalken 424, 425 –– -stockwerk, schwebendes 62 Gurt 343
Gründungsfuge 423 –– -strömung 72 Gürtelradwalze 372
Gründungskörper 424, 441 –– -strömungsnetz 300 Gussasphalt 383, 384
Gründungspfahl 688 –– -überwachung 630 Güteklasse 21, 554
Gründungsplatte 425 –– UVP 227 Güteklassifikation
Gründungssanierung 370 –– -vernässung 598 –– biologische 554
Gründungssohle 370 –– -verunreinigung 629 –– chemisch-physikalische 554
Gründungstiefe 424, 431, 463 –– -vorrat, abflussfähiger 66 –– Gewässerstruktur 554
Grundwalze 576 –– -zirkulationssystem 62 –– Saprobiensystem 555
–– -zufluss 516 Güteüberwachung 110
–– -zyklus 311 GW 254
Gyttja 9, 263, 473
726 Stichwortverzeichnis
H –– söhlig 17
–– steil 17
Höhle 94, 95, 163, 199, 200, 201
–– im Anhydrit 199
Haff 212 Hauptvorfluter 62 –– im Gips 200
Haftanker 344 Hauptzahl, gewässerkundliche 67, 217 –– im Kalkstein 200
Haftwasser 58, 60, 113, 309, 637 Hausmüll 629, 660 –– im Silikatgestein 201
–– -gehalt 637 –– -deponie 660 –– primäre 95
Hagel 58 Hausmüllverbrennungsasche 468 –– sekundäre 95
Hakenschlagen 187, 582 HDD-Bohrverfahren 31, 536 –– tektonische 95
Halbwertszeit 559, 642 HDD-Rutschungsentwässerung 419 Höhlendecke 200
–– Tritium 642 HDI-Verfahren, Hochdruckinjektionsverfah- Höhlenentwicklung 200
Halde 176, 394, 625, 626, 651, 659 ren 302, 342, 620 Höhlengang 200
Haldenabdeckung 659 Headspace-Glas 79 Höhlengewölbe 200
Haldenaußenfläche 660 Hebeanlage 292, 305 hohler Gesteinsblock 163
Haldenböschung 318, 625 Hebebetrag 440 Hohlform 197
Haldenkörper 660 Hebeln 270, 273 Hohlraum 93, 94, 198, 200, 201, 267, 367, 368,
Halitkruste 174 Heben 440 460, 579
Halle 200 Hebung 198, 461, 462, 478 –– Alter 198
Halloysit 165 –– über anhydritführenden Tonsteinen 461 –– -bildung 93, 177
Halogenkohlenwasserstoffe 639, 642 –– über pyrit- und bitumenhaltigen Tonmergel- –– Einsturz 460
–– organische 639, 642 steinen 462 –– -entwicklung 198, 200
Haltesichtweite 466 –– ungleichmäßige 478 –– Hinterfüllung 681
Hämatit 5, 165 Heilquellenschutzgebiet 234 –– Standfestigkeit 201
Hammerschlagseismik 43 Heißeinbau 384 –– Stehzeit 645
Hang 5, 93, 173, 176, 182, 187, 294, 309, 324, 327, Heizlast 674 –– Verfüllen 367
353, 416, 417, 436, 470, 582, 600, 656 Helferschuss 506 –– -verfüllung 460
–– -abtrag 93 Herausziehwiderstand 346, 429 –– Verpressen 368
–– -entwässerung 294 High-Strain-Methode 458 –– Verschließen 460
–– -kriechen 187, 327 Hinderniss im Baugrund 491 Hohlraum in der 681
–– -quelle 470 Hinterfüllbaustoff 681, 682 Hohlweg 179
–– -rieselung 600 Hinterfüllen 478 Holm 343
–– -schutt 5 Hinterfüllrohr 682 Holzverbau 511, 513, 542
–– -sicherung 353, 417 Hinterfüllung 370, 478 Homogenbereich 89, 90, 91, 95, 442, 487
–– -sicherungsmaßnahmen 416 Hinterfüllvorgang 682 Homogenisierung 286
–– -vernässung 309 Hintergrundwert 657 Hooghoudt-Formel 598, 599
–– -verschüttung 182 Hjulström-Diagramm 205 Hooke’sches Gesetz 440
–– -wassercarbonatisierung 173 HN 255 Horizontalabdichtung 307
Hangabbau 287, 289 Hochbagger 285 Horizontalbohrung
Hangabspülung 553 Hochdruck –– Spülvortrieb 537
Hangabtrag 176, 179 –– -injektionskörper 342 Horizontalbohrverfahren 31, 534
Hangbewegung 583 –– -vermörtelung 342 Horizontalmessung 53
Hängetaltyp 203 Hochdruckinjektion 369, 463 Horizontalramme 532
Hangfuß 206 Hochdruckinjektionsverfahren 342 Horizontalschub 435
Hangrost 325, 326 Hochdruckvermörtelung 337, 369, 511 Horizontalspannung 500
Hangrutsch 310 Hochmoor 8 Horizontalspannungsrichtung 56
Hangrutschungsdruck Hochschnitt 283 Horizontalverformung 401
–– 341 Hochwasser 157, 210, 217, 218, 219, 308, 309, Hosenstück 683
Hangschutt 579 464, 556, 568, 570, 573, 574, 578, 627 Hotelkomplex 226, 250
Hangsicherung 418 –– -Abfluss 309 HS 641 Siehe Huminstoff
Hangunterschneidung 206 –– -ableitung 568 Hügelabbau 288, 289
Hangvernässung 309 –– -entlastungsanlage 578, 627 HULIS 641, 642 Siehe huminstoffähnliche Sub-
Hangwassercarbonatisierung 173 –– -minderung 568 stanzen
Hantusch, Typkurvenverfahren nach 74 –– -querschnitt 218 Hülsenpfahl 426
Härte 12 –– -rückhaltebecken 568, 574, 578 Hülskernverfahren 28
Härtling 93 –– -schutz 210, 217, 568, 570 Huminstoff 641, 642
Hartrinde 166 –– -überlauf 578 huminstoffähnliche Substanzen 641
Harz 308 –– -welle 218, 219 Hummock 221
Haufwerk 281, 286, 484 Hochwasserableitung 568 Humus 5, 227
–– übergroßes 281 Hochwassergefahr 218, 219, 568 Humusschwund 229
Hauptgaskomponente 624 hochwasserreduzierende Maßnahmen 568 Hybrid-Seismik 45, 46
Hauptgruppe 254 Hochwasserschutz Hydrargillit 167
Hauptinhaltsstoff 641 –– aktiver 556 Hydratation 162, 199, 200, 378
Hauptkluftfläche 15 –– passiver 556 –– von Anhydrit 162
Hauptstromlinie 209 Hochwasserschutzbauwerk 568 Hydratationsvorgang 159
Haupttrennfläche 15, 17, 263, 264, 265, 437 Hochwasserschutzraum 217 –– Kalk 379
–– flach 17 Hochwasserwelle 553 Hydratform 376
–– geneigt 17 Hohlblock 166 Hydraulefaktor 374, 376, 379
–– Raumstellung 17, 265 Hohlbohrschnecke 28, 678 Hydraulik 508, 553
–– senkrecht (saiger) 17 –– -Tunnelbagger 508
727 H–K
Stichwortverzeichnis
Hydraulikbagger 509
hydraulische 580, 590, 612, 636
inhomogene Schicht 187
Inhomogenität 20, 89, 92, 93, 94, 437 J
–– Barriere 612 Initialbegrünung 659 Jahresdurchschnittstemperatur 490
–– Berechnung 580, 590 Injektion 293, 368, 460, 463, 523, 584, 586, 587 Jahresvolllaststunde 674, 687
–– Strömung 612, 636 Injektionsanker 345 Jahreswärmeenergiebedarf 676
hydraulischer 72, 294, 298, 376, 526, 577, 591, Injektionsarbeiten in Bruchzonen 196 Janbu 189
611, 636, 639 Injektionsbohrung 311, 522 Jelinek-Verfahren 319
–– Gradient 72, 611, 636 Injektionsdruck 311 Jet Grouting 337, 369
–– Grundbruch 177, 294, 298, 526, 577 Injektionsgutaufnahme 587 Jetpfählung 511
–– Kalk 376 Injektionskörper 314, 369 juveniles Wasser 60
–– Radius 591 Injektionsmedium 368
–– Shunt 639 Injektionsmittel 307, 368, 587
hydraulisches 300, 301, 375, 376
–– Bindemittel 375
–– Anwendbarkeit 368
Injektionsring 523
K
–– Erhärten 376 Injektionsrohr 311 Kaliber 54
–– Gefälle 300, 301 Injektionsschirm 586, 620 Kalibermessung 175
–– Potenzial 65 Injektionsschleier 302, 368, 577, 586 Kali-Haldenrichtlinie 659
–– Verfestigen 376 Injektionssohle 303 Kalisalzhalde 660
hydrodynamische Dispersion 636 Injektionssystem 313 Kalium 640, 652, 658
Hydrogencarbonat 640 Injektionstour 311 Kaliumsalz 199
Hydrogeologie 684 Injektionsverfahren 212, 307, 620 Kalk 9, 161, 168, 171, 172, 200, 374, 376, 379, 621
Hydrogeologie, UVP 227 Injektionsversuch 315, 581 –– -bindevermögen 379
hydrogeologische 487, 488, 609, 612 Injektionswasser 314 –– -brei 376
–– Barriere 612 Injektion wasserabweisenden Stoffes 167 –– -brennen 376
–– Bestandsaufnahme 487 Injizierbarkeit 584 –– fetter 376
–– Dokumentation 488 Injizieren 368 –– gebrannter 376
–– Standortkriterien 609 Inklination 50 –– gelöschter 376
hydrogeologische Empfindlichkeit 227 Inklinometer 35, 202, 685 –– -hydrat 374, 376
hydrogeologischer Standorttyp 652 –– -messung 202, 529 –– hydraulischer 376
Hydrolyse 163 Inklinometersonde 37 –– -Kohlensäure-Gleichgewicht 161, 168
hydrolytische Verwitterung 166 inkrementale Methode 105 –– -kruste 172
Hydrophobieren 308 inkrementales Verfahren 112 –– magerer 376
hydrophobierter Zement 378 Inkrustation 621 –– -milch 376
Hydroschild 525 Innendichtung 588 –– -mudde 9
hydrostatische Belastung 579 Innengestänge 678 –– -produkt 376
hydrostatischer Druck 95 Innenkippe 288 –– -stein 171, 200
Hydrozementationsverfahren 369, 418 Innenrohr 427, 672 Kalkhydrat 380
Hydrozyklon 628 Innenschale 509 Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht 172
Hypozentrum 146, 147 innere Gestalt 96 Kalotte 484, 493, 508
HZ 255 innere Reibung 203 Kalottenausbruch 510
HZV-Verfahren 369 Siehe Hydrozementations- Inputfunktion 642 Kaltbitumen 382
verfahren Inselberg 94 Kältekreis der Wärmepumpe 674
Insolation 166 Kältesumme 479
Insolationsverwitterung 159 Kaltpechlösung 382
I Integrität 458
Integritätsmessung 458
Kaltteer 382
Kammer 292, 293, 359, 360, 483
idealisierter Untergrund 95 Integritätsprüfung 458, 459 –– -plattenverbau 359, 360
Ignimbrit 157 Intensitätsskala 149 Kammerplatten-Verbau
Illit 165 Intensivverdichten 363 –– Arbeitsschritte 360
Imbrikation 123, 208, 257, 262, 283 Interzeptionsspeicher 218 Kammtunnel 483
Imlochhammer 29 Interzept-Verfahren 43 Kanal 590, 591, 592
Imlochhammerbohrung 677, 678, 684 Ionen 125, 375, 376 –– -bau 592
Impaktbeben 146 –– -austausch 309, 376 –– -brücke 591
Impedanz 275, 277, 458 –– -belegung 375 –– geschlossener 591
Impulsgruppe 53 –– -bindung 125 –– offener 591
Impulszahl 53 Ionenaustausch –– -profil 592
industrielles Nebenprodukt 468, 593 –– Tonmineral 376 Kanalisierung 293
Inertabfall 615 Ionentransport 461 Kaolinit 165, 167
Inertdeponie 621 Isanomalienkarte, magnetische 51 Kapillar 308
Inertstoff 625 Isoliniendiagramm 84 kapillarbrechende 479, 659
Infiltration 75, 76, 229 Isoseisten 148 –– Kiesschicht 479
–– von Grundwasser 75 Isotache 203 –– Schicht 659
Infiltrationsleistung 219 Isotopen-Altersbestimmung 65 Kapillardruck 98
Infiltrationsrate 219 Isotrop 20, 95 kapillarer Aufstieg 167, 307
Infiltrationsvermörtelung 427 Isotropie 96 Kapillarität 221
Infrarot-Thermographie 590 Ist-Zustand 555 Kapillarkohäsion 125
ingenieurbiologische Bauweise 324, 325 Kapillarkraft 95, 218
Ingenieurgeologie 232 Kapillarpyknometer 116
728 Stichwortverzeichnis
Permanganatindex 642 PHI 103, 104, 110 Poren 64, 68, 95, 113, 116, 117, 186, 220, 309,
Permeabilität 64, 98 –– -Einheit 110 363, 435, 438, 523, 621
–– primäre 64 –– -Wert 103 –– -anteil 116, 669
–– sekundäre 64 Phosphat 641, 652, 654, 658 –– -durchlässigkeit 64
Permeabilitätskontrast 73 Phosphor 653 –– -größe 117, 307
Permeationsgröße 637 photometrisches Verfahren 106 –– -grundwasser 68, 220
Personenförderungsgesetz 246 phreatisches Wasser 60 –– -raum 309
Perzentilparameter 110 pH-Wert 71, 87, 88, 642, 656 –– -verstopfung 621
Perzentilwert 110 –– Bestimmen 88 –– -wasser 95, 113, 186, 363, 435, 438, 523
Petrographie 9, 258, 262 –– Korrekturwert 87 –– -zahl 116
Pfahl 202, 418, 426, 427, 452, 453, 454, 455, 458, –– von Böden 87 Porengrundwasserkörper 219
459, 477, 586 physikalische Verwitterung 92, 158 Porengrundwasserleiter 177
–– -basiswiderstand 452 –– am Stein 159 Porengrundwasserströmung 470
–– dynamisches Testverfahren 458 –– durchrissen, aufgelockert 10 Porenraum 400
–– Einschnürung 458 –– feinrissig 10 Porenspeichern 648
–– -fußwiderstand 426, 452 –– frisch 10 Porenvolumen 472
–– Gleichmäßigkeit 458 –– gleichmäßiges Absanden 10 Porenwasser 400
–– -gründung 426, 427, 452, 454 –– im Fels 160 Porenwasserdruck 123, 400, 583
–– Impedanz 458 –– Lochverwitterung 10 Porenwasserüberdruck 177
–– Integrität 458 –– rissig und entfestigt 10 Porosität 213
–– -konstruktion 477 –– zerbrochen, zerfallen 10 Portlandzement 378
–– -kopfplatte 477 Piezometerhöhe 62, 69, 74 Porzellanerde 5
–– Probebelastung 459 Pilotbohrloch 521 postlinearer Bereich 617
–– -schaftwiderstand 452 Pilotbohrung 30, 521, 522 Potential 72, 300, 612
–– -spitzendruck 455 Pilotrohr 533 –– -differenz 72, 300
–– -spitzenwiderstand 452 Pilotstollen 25, 485, 528 –– -gefälle 612
–– Tragfähigkeit 453, 458, 459 Pilotverfahren 533 –– -linie 300
–– -umfang 426, 452 Pilzfelsen 179 –– wirksames 300, 301
–– Untersuchung 453 Pinge 196 POX 642
–– Verdickung 458 Pipelinebau 592 prälinearer Bereich 617
–– -wand 586 Pipette 105, 107, 111 Prallhammer 258
Pfahl-Bodenreaktion 460 –– -Verfahren 105, 111 Prallhang 207, 208, 209
Pfahldurchmesser 452, 689 Piping 95 Pressdruck 435
Pfahlfuß 453 Piston Flow-Modell 61, 65 Pressiometerversuch 139
Pfahlfußdurchmesser 452 Planfeststellung 485 Pression 125
Pfahlfußfläche 454 Planfeststellungsbeschluss 640 Pressung 197
Pfahlgründung 256, 423 Planfeststellungsverfahren 226 Priel 179, 203, 211
Pfahlgruppe 433 Planum 362, 467 –– -erosion 179
Pfahllänge 452, 454, 456, 458 Planung 487 primärer Setzungsverlauf 132
Pfahllast Q 454 Plasma-Sprengsystem 280 primäre Setzung 132
Pfahlmantelfläche 454 plastische Verformung 128 Primärgefüge 258
Pfahlmantelreibung 455, 457 Plastizität 8, 96, 165, 262, 264, 266, 375, 376 Primärsetzung 399, 400, 401, 441, 449
–– Erfahrungswert 457 –– -seigenschaft 377 Primärwelle 41
–– in Fels 456 Plastizitätsdiagramm 8, 255 Privater Sachverständiger in der Wasserwirt-
Pfahlmantelwiderstand 454 Plastizitätszahl 114 schaft 684
Pfahlprobebelastung 457 Plateaubasalt 155 Probe 78, 96, 365, 454, 457, 493, 584, 639
–– dynamische 459 Platte 461 –– -belastung 365, 454, 457
Pfahlspitzendruck 455 Platte, konstruktive 425 –– -injektion 584
–– Fels 455 plattenartige Anbauten 464 –– -nahme 78, 639
Pfahlspitzenwiderstand 455 Plattendruck –– -stollen 493
–– Erfahrungswert 456 –– -versuch 387 –– -vorbereitung 96
–– in Fels 455 Plattendruckgerät 129 –– -vortriebsstrecke 493
Pfahltragfähigkeit 459 Plattendruckversuch 121, 131, 133, 134, 371, Probebelasten 452
Pfahlumfang 454 389, 441, 451 Probefeld 615
Pfahlwiderstand 454 Plattengurt 424 Probemenge, erforderliche 99
–– Mikropfahl 457 Plattenverbau 358 Probenahmeprotokoll 80, 81
–– Wurzelpfahl 457 plerotisches Wasser 60 Probengröße 584
Pfeiler 202, 351, 583, 588 Pneumatikbagger 284, 285 Probepfahl 457
–– -mauer 583 Poisson-Zahl 95, 129, 139, 440, 441 Probeteilung 99
–– -staumauer 588 polare Bindung 125 Probeverdichtung 266, 387
Pfeilerbergbau 645 Polder 572, 573, 574 Proctordichte 117, 118, 266, 267, 371, 380, 431,
Pflanzenkonstante 595 –– -gebiet 573 432, 473
Pflaster 325, 326 Polje 200 Proctorkurve 118, 378
Pflasterbauweise 466 Pollerzug 423 Proctorversuch 117, 266, 379
Pflasterdecke 180, 466 Polsterwand 405 Produkt, vulkanisches 155
Pflasterstein 466 Polyphyton-Stausee 579 Profil 274, 279, 484
Pflügen 179 Ponor 200, 212, 217, 220 –– geothermisches 490
Phasenwechsel 674 –– -sprengen 274, 279
–– vergittertes 484
734 Stichwortverzeichnis
Reißen 169, 259, 270, 272, 273, 508 Risikopotential 460 –– asequente 190
Reißfähigkeit 260, 274 Riss 33, 198, 507 –– begrenzte 194
Reißfähigkeitsgrenze 259 –– -bewegung 507 –– blockierte 193
Reißfestigkeit 260 –– -monitor 33 –– Breite der Gleitfläche 192
Reißgerät 259 Ritzverfahren 30 –– Breite der Rutschmasse 192
Reißgeschwindigkeit 259 RMR-Gebirgskennwert 494, 495 –– dynamisches Modell 195
Reißzahn 273 Rodinjet 511 –– Einflussfaktoren 195
Rekultivieren 650, 652, 655, 656 Rohblock 289 –– Einzel- 194
–– biologisches 650 Rohblockgröße 289 –– Flanke 192
–– technisches 650 Rohblockhöffigkeit 282, 289 –– fortschreitende 193
Rekultivierung 650 Rohr 363, 530, 534, 535, 591, 594 –– fossile 193
Rekultivierungsmaßnahmen 650, 656, 657, 658, –– -brücke 591 –– Front 192
660 –– -drän 363 –– Fuß 192
Rekultivierungsplan 656, 658 –– -leitung 226, 470, 530, 594 –– Gefahrenbeurteilung 196
Rekultivierungsplanung 660, 661 –– -rammverfahren 534 –– Gesamtlänge der Rutschmasse 192
Rekultivierungspraxis 661 –– -vortrieb 535 –– Gleitfläche 192
Rekultivierungsproblematik 654 –– Wärmedämmung am 683 –– hangabwärts fortschreitend 193
Rekultivierungsschicht 658, 660, 661 Rohrgraben 593 –– hangaufwärts rückschreitend 193
Rekultivierungssubstrat 654, 655, 659, 661 Rohrversickerung 310 –– Hauptabriss 191
Relief 469 Rohrvortriebsarbeit 255 –– Hauptrutschkörper 192
–– Veränderung 229 Rohstoff aus Bergbau 468 –– inaktive 193
Reliefumkehr 155 Rohstoffgeologie 232 –– kinematisches Modell 195
Reliefveränderung 233 Rohstoffgeologie, UVP 227 –– kombinierte 191
Renaturieren 282, 552 Rohstoffwirtschaft 230, 235 –– komplexe 194
Renaturierungsplan Rollenmeißel 29, 507, 508, 678 –– konsequente 189
–– Leitbild 555 Rolloch 288 –– Kopf 192
repräsentative Probemenge 109 Rosin-Rammler-Bennett-Verteilung 109 –– Krone 191
repräsentative Probenahme 639 Rostflecken 12 –– Länge der Rutschmasse 192
Repräsentativitätsanspruch 96 rostiger Fleck 165 –– latente 193
Residualton 162, 212, 501 Rotary-Bohrung 684 –– Mächtigkeit der Rutschmasse 192
Resonanzfall 153 Rotary-Spülbohrung 677, 678 –– Mehrfach- 194
Restdruckfestigkeit 172 Rotation 181 –– progressiv 190
Restscherfestigkeit 123, 125, 128, 188, 437 Rotationsrutschung 189, 417 –– rückschreitende 193
Restspannung 499 Rotlehm 5, 167 –– Sackungsmasse 192
Reststoffverwertung, untertägige 199 Rotteprozess 638 –– Sackungsraum 192
Resultierende 336 RQD-Gebirgskennwert 493, 495, 496 –– Sackungszone 192
Retardierung 637 Rückhalt 217 –– Sekundärabriss 192
Retentionsraum 218 Rückhalteeinrichtung 568 –– sich ausweitende 194
Reynolds-Zahl 101, 103, 106 rückhaltende Kräfte 438 –– sich fortsetzende 194
Rheologie 187 Rücklauf 665, 683 –– sich vergrößernde 193
Richterskala 148 Rückprallhärte 258 –– sich verkleinernde 194
Richtstollen 25, 485 rückschreitende Erosion 177 –– stabilisierte 193
Richtstreckenpeilung 583 Rückstandshalde 656, 659 –– sukzessive 194
Richtwert 640 Rückstaudeich 570 –– Tiefe der Gleitfläche 193
–– für Spitzenabfluss 472 rückverankerte Wand 351, 352 –– Top 192
Riedel 175 Rückzugsgebiete 659 –– Translations- 189
Riedtorf 9 Ruhedruck 500 –– Überschiebungsfläche 192
Riesel 6 Rumpffläche 93 –– Überwachen 194
Rieseln 599 Rumpfstufe 94 –– ursprüngliche Geländeoberfläche 192
Riesenwelle 216 Rundkorn 6 –– verlagertes Material 192
Rigole 310, 418, 690 Runse 178 –– zusammengesetzte 194
Rigolenversickerung 309, 310 Ruß 168 Rutschungsaktivität 181, 193, 416, 543
Rindenmulchprodukt 656 rutschanfällige geologische Einheiten 321 –– Sicherungsfragen 196
Ringdränage 292, 305, 306 Rutschgefahr 437 Rutschungsdimension 181, 192, 416
Ringnetz Rutschgelände, aktives 321 Rutschungsdruck 440, 500
–– elastische Verformung 413 Rutschgeschwindigkeit 196 Rutschungsmerkmal 191, 416
–– plastische Verformung 413 Rutschhang 338 Rutschungsschäden 180
Ringraumabdichtung 685 Rutschkeil 404 Rutschungstyp 180, 181, 188, 410, 543, 582
Ringraumhinterfüllung 679 Rutschkeil, unverformt 329 –– Driften 187, 188
Ringschluss 508 Rutschkörper 573 –– Fallen 181
Rinnenerosion 179 Rutschmasse 416, 582 –– Gleiten 188
Risiko 21, 72, 180, 196, 201 Rutschung 52, 180, 181, 189, 190, 191, 192, 193, –– Kippen 181
–– -analyse 72 194, 195, 196, 206, 309, 321, 324, 416, 436, 469, Rüttelplatte 373
–– -beurteilung 180, 196 485, 594, 660 Rüttelschotter 467
–– geotechnisches 21 –– abgeschlossene 193 Rüttelstopfverdichten 364, 365
–– ingenieurgeologisch 233 –– Akkumulation 192 Rüttelstopfverfahren 474
–– -kategorie 201 –– Akkumulationszone 192
Risikoabschätzung 196 –– aktive 193
736 Stichwortverzeichnis
See 9, 211, 214, 216, 217, 570 Setzungsbewegung 457 Sickerwasseraustritt 590
–– -deich 568, 570 Setzungsdauer 570 Sickerwasserbelastung
–– -gang 211, 214, 557 Setzungsdifferenz 635 –– organische 639
–– -kreide 9 Setzungsempfindlichkeit 447 Sickerwasserstrom 208
–– künstlicher 217 Setzungsmessung 363, 530 Sieb 98, 99
–– -wasserstand 216 Setzungsmodul 443 –– -analyse 98
Seegangsvorhersage 216 Setzungsmulde 450, 451, 634, 635 –– -boden 99
Seelenrohr 427 Setzungspegel 399 –– -dauer 99
Seewasserspiegel Setzungsriss 462 –– -gut 98
–– Erniedrigen 219 Setzungsschaden 177 –– -rückstand 99
Seggentorf 8 Setzungsunterschied 447, 448 Sieben 98, 110, 287
Seiche 215 –– Schädlichkeit 448 –– Gültigkeitsgrenze 110
Seichtkarstquelle 66 Setzungsverhalten 374 Siebsatz 99
Seil 290, 412 Setzungszeit 449 Siebverfahren 99
–– -anker 412 Setzungszuwachs 371 Siedlungsabfall 629
–– -sägeverfahren 290 SF 97, 103, 104, 105 Siedlungswasserwirtschaft 553
Seillava 155 shape factor 97 Siel 573, 574, 595
Seismik 40, 146 Shunt, hydraulischer 639 Signalabsorption 49
seismische Geschwindigkeit im Prüfkörper 258 SI 254 Signalstreuung 49
seismische Welle 40, 259 siallitische Verwitterung 166 Silber 641
Seismogramm 42 Sichardt 296 Silcrete 175
Seitenablagerung 625 Sicheldüne 213 Silikatgel 303
Seitendruckversuch 139 Sicherheit 298, 299, 300, 333, 334, 335, 336, 338, Silikatkarst 163, 201
Seitendruckziffer 500 352, 362, 394, 431, 433, 437, 440, 462, 572, 633 Silikonverbindung 308
Seitenentnahme 281, 390, 467 –– gegen Aufschwimmen 305 Silt 5
Seitenerosion 177, 207, 211, 556 –– gegen Böschungsbruch 394, 437, 633 SIMPLEX 426
sekundärer Setzungsanteil 399 –– gegen Durchströmen 298 Sinkgeschwindigkeit 102, 103, 105, 204
sekundärer Setzungsverlauf 132 –– gegen Geländebruch 333, 334, 335, 336, 338, –– PSI 103, 105
sekundäre Setzung 132 352, 433, 437, 440, 462 Sinkmatte 549
Sekundärgefüge 258 –– gegen Gleiten 336, 338, 431, 462 Sinkstück 549
Sekundärkluft 520, 521 –– gegen Grundbruch 336, 338, 462, 572 Sinkwalze 549
Sekundärrohstoffdünger 651 –– gegen hydraulischen Grundbruch 177, 299, Sinterkalk 690
Sekundärsetzung 400, 401, 441, 449 300 Sinterkruste 169
Sekundärsetzungsanteil 401 –– gegen Kippen 335, 336, 338, 462 Sinterterrasse 173
Selbstentzündung 13 –– -sbeiwert 347 Skalierung 109
Selbstreinigung 555 Sicherheitsbeiwert 346 Skewness-Koeffizienten 110
Senkfaschinen 549 Sicherheitsnachweis 305, 577, 646 Smectit 165
Senkkasten 303, 425, 527 Sichern 411, 496, 503 Sockel 167
–– -verfahren 527 –– von Blöcken 411 Sodaverbrackung 174
Senkkastenbauweise 303 Sicherung 493, 510, 511, 516, 522 Sofortreaktion 376
Senkschacht 305 –– von Felshohlräumen 493 Sofortsetzung 132, 400, 441, 449
Senkung der Tunnelfirste 529 Sicherungsarbeiten 410, 659 Sogwirkung 161
Senkungsgebiet 210, 217 Sicherungsaufwand 510 Sohlabdichtung 302
Senkungsmulde 197 Sicherungsfrage 202 Sohlaufbruch 298, 304
Serienrutschung 189 Sicherungsmaßnahme 198, 229, 511, 522 Sohlauftrieb 177
Setzbetrag 400, 441, 451, 570 Sicherungsverfahren 492 Sohlausbruch 510
–– Berechnungsbeispiel 447 Sicherungszeit 503 Sohlbruch 520
Setzen 440 Sichtanalyse 109 Sohldichtung 302
Setzmaß 399, 431, 432, 441, 443, 454, 458 Sickeranlage 305 –– künstliche 302
Setzung 132, 221, 303, 399, 401, 445, 447, 451, Sickerblock 690 –– natürliche 302
462, 526, 627, 633, 689 Sickergeschwindigkeit 309 Sohldränage 523
–– berechnen 452 –– Kies 309 Sohldruck 450, 501
–– Beschleunigung 401 –– Löss 309 –– aufnehmbarer 431
–– bezogene 132 –– Sand 309 –– -verteilung 450
–– primäre 132 –– Ton 309 –– zulässiger 431
–– sekundäre 132 Sickerlinie 573 Sohldruckverteilung 450
–– spezifische 445, 449 Sickermulde 310 –– berechnen 452
–– ungleichmäßige 447 Sickerpackung 309 Sohle 370, 484, 508
Setzungsanteil 399, 441, 442, 449 Sickerpfahl 420 Sohlenbreite 399
–– berechnen 449 Sickerrate 309 Sohlensicherung 565
–– sekundärer 399 Sickerrohrleitungen 305 Sohlental 207
Setzungsbeiwert f 443 Sickerschacht 689, 690 Sohle vom Wildbach 545
Setzungsbeiwert fs,0 442 Sickerschicht 306, 621 Sohlfuge 423
Setzungsbeiwert fs,A 443 Sickerstrang 386 Sohlhebung 35, 52, 232, 440, 442, 461, 501, 502,
Setzungsbeobachtung 441 Sickerströmung 593 520, 521
Setzungsberechnung 399, 441, 442, 443, 446, Sickerstützscheibe 306 –– konstruktive Maßnahmen gegen 502
447, 451, 633 Sickerverlust 472, 593 söhlig 265
Setzungsbetrag 432 Sickerversuch 470 Sohlnormalspannung 434, 450, 451
739 S–S
Stichwortverzeichnis
Subrosion 93, 198, 232, 394, 461, 491 –– -weg 203, 204, 207, 208, 209 Tief 212
–– Erscheinungsform 198 –– -zuschub 176, 187, 500, 543, 579 Tiefbagger 285
–– Klassifikation 198 Tangentenwinkel 438 Tiefbeben 146
–– Löslichkeit des Gesteins 198 Tangentialkraft 438 Tiefbrunnen 295, 639
–– natürliche 199 tangierende Bohrpfahlwand 341 Tiefbrunnenanlage 295
Subrosionsform 469 Tau 58 Tiefenbereich
Subrosionssenke 197 Tauchkörper 106, 108, 112 –– intermediärer 665
Substanz 8, 119, 641, 642 –– an Waage aufgehängter 112 Tiefenentwässerung 416
–– aggressive 429 –– frei schwebender 112 Tiefenerosion 177, 211, 547, 556
–– huminstoffähnliche 641, 642 –– nach Berg 112 Tiefenlockerungsgerät 662
–– organische 8, 119, 642 –– nach Schurecht 112 Tiefenrinne 211
Substitutionsgut 282 Tauchverfahren 98 Tiefenrüttler 363, 364
Substrat 227, 650 Tauchwellentomographie 46 Tiefensicker 306
–– bodenähnliches 650 Tauschaden 478 Tiefenstufe, geothermische 490
Suffosion 221 Taylor-Verfahren 319 Tiefenverdichten 474
Suffossion 95, 177, 196 Teer 382 Tiefenversenkung 311
Suffossionsgefährdung 177 Teilausbruch 510 Tiefenwirkung 441
Sulfat 640 Teilchen 97 Tiefenwirkung der Reißzähne 259
Sulfatbeständigkeit 682 Teilschnittmaschine 507, 525 Tiefenwirkung der Verwitterung 166
Summenparameter 642 Teilsetzung 445 tieferer Grundwasserkreislauf 167
Sumpfgebiet 210 Teilsicherheitsbeiwert 299, 300, 305, 346, 429, Tiefgründung 222, 362, 370, 424, 460, 462, 570
surges 184 430, 433, 434, 454 Tiefkarstquellen 67
Suspension teilverwittert 261 Tieflöffel 286
–– Bentonit und Wasser 340 Teilwassermenge 547 Tieflöffelbagger 286
–– Ton- Tektonik 14, 15 Tiefschnitt 283
–– Zement- 368 –– fossile tektonische Struktur 15 TL 255
Suspensionerfassung 106 –– großtektonische Struktur 14 TM 255
Suspensionsanordnung 104 tektonische 92, 96, 491 Ton 5, 8, 9, 133, 165, 262, 266, 285, 342, 375, 442,
Suspensionssäule 682 –– Beanspruchung 491 637, 644
Suspensionsverlust 491, 683 –– Deformation 96 –– ausgeprägt plastisch 255
Suspensionverlust 682 –– Kluft 92 –– -betonschlitzwände 342
Süßwasser 211 tektonischer Druck 440, 500 –– Feinstes 4
Süßwassersee 216 tektonisches Beben 146 –– leicht plastisch 255
SW 254 Temperatur 71, 221, 479, 485, 490, 590 –– -mineral 5, 165, 375
S-Welle 147 –– im Tunnel 490 –– mit organischer Beimengung 255
Symbolschlüssel 33 –– -leitfähigkeit 221 –– mittelplastisch 255
–– Geologie 9 –– -messung 590 –– -mudde 9
System –– -verlauf 479 –– plastischer 264
–– geschlossenes 665 –– -wechsel 166, 221 –– Plastizität 8
–– offenes 665 –– -zunahme 490 –– -Sperrschicht 637
Temperaturänderung 676 –– -stein 133, 442, 644
Temperaturbeständigkeit 672 Tonmineral
T Temperaturunterschied 670, 689
Tephra 90, 155
–– Calciumbelegung 374
–– Doppelschicht 373
TA 255, 630 Terre armée 404, 405, 406 –– Natriumbelegung 373
–– Abfall 630 Terzaghi 301, 551 Tonpellet 682
–– Siedlungsabfall 630 Testverfahren 640 Tonsperre 690
Tafel 93, 155 –– biologisches 640 Tonstein
–– -berg 93 –– dynamisches 452 –– anhydrithaltiger 461
–– -vulkan 155 TEXSOL 405 –– duktiler 188
Tafoni 95, 166 Textilfaser 406 –– inkompetenter 188
Tag 173, 174, 196, 198, 487, 501, 598 Textur 9, 96 –– überkonsolidierter 188
–– -bruch 196, 501 Thallium 641 Ton-Zement-Suspension 368
–– -wasser 173, 174, 487, 598 Theis und Jacob, Auswerteverfahren nach 74 topogenes Moor 9
Tagebau 656 Theisʼsche Brunnenfunktion 74 Torf 5, 8, 13, 119, 255, 262, 263
Tagwasser 285 Themen Torfhügel 221
Tagwassercarbonatisierung 173 –– gutachterliche 315 Torflagen 473
Tagwassersolontschake 174 Thermalwasser 92, 665 Torf, nicht zersetzt 255
Tagwasserzufluss 217 thermische Voraussage 490 Torf, zersetzt 255
Tal 176, 204, 207, 209, 210, 500, 574, 577, 579 Thiem 296 Torsionsmagnetometer 50
–– -aue 207, 209, 210, 217 Thixotropie 616 Tortuosität 637
–– -bodensumpf 210 Thixschild 525 Tosbecken 178, 203, 546, 575, 576
–– -flanke 579 Thufur 221 Totalintensität 50
–– -geschichte 207 Tide 214, 215, 220 Totboden 654
–– -kriechen 579 –– -wasserstand 215 Toteiskörper 219
–– -mäander 207 Tidenhub 214 Toxizität 673
–– -sperre 574, 577 Tideströmung 559 Tracer 637, 641, 643
Tidewasser 211 –– konservativer 641
742 Stichwortverzeichnis
Trägerbohlwand 358 Trockengewinnen von Sand und Kies 283 Überflutungsfläche 556
Tragfähigkeit 265, 350, 364, 371, 374, 424, 433, Trockenlegen Übergangsgradient 617
434, 458 –– Feuchtgebiete 553 übergroßes Haufwerk 281
–– äußere 423, 452 Trockenmauer 326, 327, 328 Überhöhen 477
–– Grenzzustand 433 Trockenspritzverfahren 327, 513 Überhöhung 363, 544
–– innere 424, 452, 458 Trockenstress 661 Überkippungseffekt, optischen 336
–– von Ankern 350 Trockenwetterfalllinie 65, 74 überkonsolidierter Tonstein 133, 442
–– von Konstruktionsteilen 434 Trockenzeit 217 Überlagerung 484
Tragfähigkeitsabfall 222 Trogbaugrube 302, 304, 305 Überlagerungsdruck 499, 500, 505
Tragfähigkeitsbeiwert 434 Tropfbewässern 600 Überlagerungshöhe 95, 500
Tragfähigkeitsfaktor 397 Trübstoff 627 Überlagerungsspannung 441, 446
Tragfähigkeit von Pfählen 429, 454 Trübung von Flusswasser 204 Überlauf 66, 578
Trägheitskraft 102 Trümmerhöhle 95 –– -quelle 66
Tragring 509, 510 Tsunami 215 Überprüfen der Standsicherheit 328
Tragschicht 267, 382, 466, 467, 476, 704 TU 642 Übersalzung 174
–– mit Bindemittel 467 Tübbing 524, 526 Überschichtung 104, 106, 109
–– ohne Bindemittel 467, 476 Tuff 90, 155, 644 Überschiebung 90
–– ungebundene 467 Tuffit 90 überschnittene Bohrpfahlwand 341
Tragschichte mit hydraulischem Bindemittel 476 Tunnel 483, 484, 485, 487, 491, 505, 508, 509, Überschussmasse 235
Transformation 97 510, 511, 513, 514, 524, 526 Überschwemmung 210
Transgression 216 –– -bagger 508 Überschwemmungsaue 210, 218, 568
Translationsrutschung 189 –– -bau 483 Überschwemmungsgebiet 205, 464, 609, 630
Transmissivität 73, 74, 295, 582 –– -bauweise 510 Überstand 270
Transpirationskoeffizient 595 –– -bogen 510, 511, 513, 514 Überstauen 599
Transport 204, 545, 638 –– -dokumentation 487 Überstauungsfläche 217
–– -kraft 545 –– Halbkreisprofil 484 Überverdichtung 390
–– -rate 638 –– Hufeisenprofil 484 –– Anhaltswert 390
Transportkosten 390 –– Kreisprofil 484 Überwachen 33, 34, 152, 157, 180, 194, 202, 387
Transportweg 205 –– Maulprofil 484 –– Aushubarbeiten 387
Transversalwelle 40, 147 –– offene Bauweise 524, 526 –– Einbauverfahren 387
Trass 376 –– -profil 505 –– Entnahmestellen 387
Trasse 467, 469, 485 –– Querschnittsgestaltung 484 –– Entwässerungsarbeiten 387
Treibsand 212, 213 –– Rechteckprofil 484 –– Erdbeben 152
Tremor 146 –– -röhre 484 –– erdfallgefährdete Gebiete 202
Trennfläche 14, 15, 17, 93, 96, 125, 322, 344, 436 –– -schild 524 –– erosionsgefährdete Bereiche 180
–– -ngefüge 344 –– Torbogenprofil 484 –– Räumungsarbeiten 387
–– Oberflächenausbildung 17 –– Trapezprofil 484 –– Risse, Klüfte 34
–– Raumlage 15 –– -trasse 485, 491 –– Rutschung 194
Trennflächenabstand 15, 125, 258, 261, 276, –– -vortrieb 507, 509 –– Sprengarbeiten 387
277, 289 –– -vortrieb im Lockergestein 524 –– veranlasste Maßnahmen 387
–– dichtständig 15 –– -vortriebmaschine 487 –– Verdichtung 387
–– engständig 15 Tunnelbau 221 –– Vulkan 157
–– mittelständig 15 –– offene Bauweise 526 Überwachungssystem 640
–– schiefrig 15 Tunnelbauweise 510 Ufer 204, 210, 402, 545, 548, 549, 550, 551
–– weitständig 15 Tunneldokumentation 527 –– -böschung 210
Trennflächenarten 90 Tunnelkonstruktion –– deckwerk 549
Trennflächengefüge 15, 96, 258, 259, 263, 274, –– gefährdeter 523 –– -mauer 551
276, 469, 491, 504, 506, 584 –– Haltbarkeit 523 –– -schutz 548
Trennflächenschar 469 –– moderne 508 –– -sicherung 402, 549, 550
Trennflächensystem 125, 263, 473 Tunnelvortrieb unter Grundwasserspiegel 522 –– -verkleidung 545
Trennfläche, ungünstige Raumstellung 324 Turbine 689 –– -wall 204, 205, 210
Trennfuge 91 turbulenter Bereich 101, 617 UL 255
Trenngrenze 99 Turbulenz 204 Ulme 484, 508
Trennlage 474 Turmkarst 200 Ulmenausbruch 510
Trennschicht Türstock 512 Ultraschall 203
–– Vliesbahn 386 Typkurve 74 Ultraschallwellengeschwindigkeit 275
Triaxialgerät 127 UM 255
Triaxialkissenversuch 136 Umläufigkeit 577, 579, 581
Triaxialversuch 138, 441
Triaxialzelle 141
U Umleitstollen 293
Umleitungskanal 293
Trichterdurchmesser 196 UA 255 Umleitungsstollen 293
Trichtersee 197 U-Bahnbau 527 Umwälzpumpe 689
Trinkwasserschutzgebiet 609, 630 Überbohren 31, 140 Umwelt 60, 226, 467, 574, 657
Tritium 639, 642 –– eines Nagels 31 –– -gefährdungspotential 657
Trittkraft 179 –– von Spannungsmesszellen 140 –– -isotope 60
Trockenabbau 283 Überdachung 411 –– -verträglichkeit 574
Trockendichte 116, 118, 266 Überfallwehr 575, 576 –– -verträglichkeitsstudie 226, 467
Trockenförderung 526 Überflutungsaue 464, 570 –– -verträglichkeitsuntersuchung 226
743 T–V
Stichwortverzeichnis