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Vorlesung AKUSTIK, Dozent : Robert Hermann, Dipl.

Tonmeister

1 ) Psychoakustik

1.1 Was ist Psychoakustik

1.2 Ruhehörschwelle und Hörfläche

1.3 Die Wahrnehmung der Schallstärke

1.3.1 Kurven gleicher Lautstärke

Frequenzabhängigkeit des Lautstärkeempfindens


Pegeldynamik
Klangfarben- oder Spektraldynamik

1.3.2 Schalldauer und Lautheitsempfindung


Eben wahrnehmbare Lautstärkeänderungen
Binaurale Lautheit

1.3.3 Maskierungseffekte

Mithörschwelle von Sinustönen, verdeckt durch weißes Rauschen


Mithörschwelle von Sinustönen, verdeckt durch verschiedene Schmalbandrauschen
Anpassung (Adaption)

1.3.4 Schwebung und Rauhigkeit

1.4 Die Wahrnehmung der Tonhöhe


1.4.1 Eben wahrnehmbare Tonhöhenänderungen
1.4.2 Tonhöhenabweichung unter Einfluß des Schallpegels
1.4.3 Die Folgetonhöhe oder Zwickerscher Nachton
1.4.4 Die interaurale Tonhöhendifferenz
1.4.5 Mehrdeutige Tonhöhen eines Klanges
1.4.6 Virtuelle Tonhöhe und Residuum

1.5 Kombinationstöne

1.6 Richtungshören und Schallquellenlokalisation


1.6.1 Wahrnehmung der Richtung in der horizontalen Ebene durch Laufzeitunterschiede
1.6.2 Wahrnehmung der Richtung in der horizontalen Ebene durch Pegelunterschiede
1.6.3 Lokalisation in der Medianebene
1.6.4 Stereophones Hören, Prinzipien der Stereophonie

1.7 Entfernungshören

1.7.1 im Freifeld
1.7.2 im Diffusfeld

1.8 Gesetz der ersten Wellenfront

Theorie und praktische Anwendungen

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2) Physiologie des Ohres
2.1 ) Die Bestandteile des Ohres

2.1.1 Das äußere Ohr


2.1.2 Das Mittelohr
2.1.3 Das Innenohr

2.2 ) Schwingungsübertragung vom Außen - zum Innenohr

2.2.1 Schwingungsverlauf des Trommelfells


2.2.2 Verlauf der Schwingungsamplitude auf dem Trommelfell

2.3 ) Impedanzanpassung im Mittelohr

2.3.1 Wirkung des Flächenverhältnisses Trommelfell-Steigbügelplatte


2.3.2 Wirkung der Längenverhältnisse der Gehörknöchelchen

2.4 ) Die Mittelohrmuskeln

2.4.1 Vergrößerung des Arbeitsbereiches des Gehörs


2.4.2 Schutz des Innenohres vor zu lauten Schallen

2.5) Luft - und Knochenleitung

2.6 ) Das Innenohr

2.6.1 Der Aufbau der Schnecke (Cochlea)


2.6.2 Das Transformationsorgan (Cortisches Organ)

2.6.3 Wanderwellentheorie- Reizverteilung an die Sinneszellen


2.6.4 Informationsverarbeitung = neuronale Verarbeitung

2.7 ) Die informationsverarbeitende Maschine - Das Nervensystem

2.7.1 Die grundlegende Einheit des Nervensystems - Das Neuron

2.7.2 Allgemeine Informationskodierung im Nervensystem

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3) Schall und Schallausbreitung

3.1 Was ist Schall ? physikalisch-mathematische Betrachtung

3.1.1 Was ist Schalldruck ?


3.1.2 Wie funktioniert Schallausbreitung ?
3.1.3 Wie man Schallwellen mathematisch beschreiben kann
3.1.4 Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Medien
3.1.5 Auswirkung von Amplitude und Frequenz auf die Hörwahrnehmung
3.1.6 Ton, Klang, Geräusch
3.1.7 Darstellung durch das Frequenzspektrum
3.1.8 Die Klangfarbe
3.1.9 Die Definition des Schallpegels
3.1.10 Amplitudenmodulation
3.1.11 Frequenzmodulation

4) Die Abstrahlcharakteristik der Musikinstrumente

4.1 Violine
4.2 Violoncello
4.3 Kontrabass
4.4 Flöte
4.5 Oboe
4.6 Klarinette
4.7 Fagott
4.8 Hörner
4.9 Trompete
4.10 Posaune
4.11 Tuba
4.12 Flügel

5) Intervalle und Tonskalen

5.1 Die Obertonreihe


5.2 Intervalle und Frequenzverhältnisse
5.3 Die Quinte als Ausgangs-Intervall für die Bildung einer Tonscala
5.4 Der Quintenzirkel
5.5 Das pythagoräische Komma

Mögliche Tonskalen und Stimmungen

5.6 Reine Stimmung


5.7 Die temperierte Stimmung
5.8 Die mitteltönige Stimmung

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6) Musik und Raum

6.1 Parameter zur Beschreibung der Raumakustik

6.1.1 Raumvolumen
6.1.2 Nachhallzeit
6.1.3 Frequenzabhängigkeit der Nachhallzeit
6.1.4 Laufzeit und Dichte der ersten Reflexionen
6.1.5 Größe des Hallradius
6.1.6 Absorptionskoeffizient der einzelnen Flächen

6.2 Das Zusammenwirken von Musik und Raum

6.2.1 Akustisch klingende Instrumente / Ensembles / Orchester

6.2.2 Jazz

6.2.3 Rock und Pop

7) Einige Überlegungen zur elektroakustischen Übertragung von Musik


7.1 Abbildung des natürlichen Klanges mit elektroakustischen Medien

7.1.1 Parameter des Klangbildes in der Stereofonie

7.1.2 Erweiterung der räumlichen Wiedergabe durch Mehrkanaltechnik


- Quadrophonie
- 5.1 Surroundformate
- Ambisonic und Wellenfeldsynthese

7.1.3 Simulation akustischer Räume


- Hallräume
- Hallplatten, Folien, Federn
- Digitale Hallgeräte

7.2 Verbesserung der Raumakustik durch elektroakustische Maßnahmen

7.2.1 - Erhöhung der Nachhallzeit oder klangliche Korrektur des Nachhalls

7.2.2 - Verbesserung von Verständlichkeit und akustischer Transparenz


durch Erhöhung der Direktschallanteile

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1) Was ist Psychoakustik

Die Psychoakustik ist ein Teilgebiet der Psychophysik, einer Disziplin, die untersucht, in welcher Weise die
Sinnesorgane auf bestimmte physikalische Reizparameter reagieren. Bezieht man diese Untersuchungen speziell
auf das Hörorgan und den Hörvorgang, so spricht man von Psychoakustik. Die Psychoakustik stellt sich somit
als eine Disziplin dar, in der der Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften eines Schallsignals
und den daraus resultierenden Hörempfindungen beschrieben wird.
Es soll der Zusammenhang zwischen den physikalischen Reizen und den sich durch die sinnespsychologischen
Reaktionen ausdrückenden Wirkungen durch Messungen eindeutig erfaßbar sein. In diesem Fall können die
Zusammenhänge allgemeingültig durch Funktionen (Kennlinien) beschrieben werden. Zur Ermittlung der
Kennlinien wird das Gehör als signaltheoretisches Modell aufgefaßt, das auf die Eingangsgröße Schallreiz mit
der Ausgangsgröße Empfindung reagiert
Aufgrund des Vergleichs zwischen der genau definierten Eingangsgröße "Schallreiz" und der gemessenen
Ausgangsgröße "Empfindung" können die funktionalen Zusammenhänge zwischen Reiz und Empfindung
gewonnen werden. Es liegen dann die Übertragungseigenschaften des Gehörs vor. Hieraus lassen sich wiederum
allgemeine Modelle des Hörvorgangs ableiten.

1.1 ) Wozu dient die Psychoakustik

Die Psychoakustik ist eine Disziplin, die den Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften eines
Schallsignals und den daraus resultierenden Empfindungen beschreibt. Die aus dieser Beschreibung
resultierenden Übertragungsfunktionen dienen der Modellbildung des Hörvorgangs und geben die
Übertragungseigenschaften des Hörorgans wieder. Die Kenntnis der Übertragungsfunktion des Gehörs ist immer
dann von großer Wichtigkeit, wenn technische Mittel zur akustischen Kommunikation entwickelt oder verbessert
werden sollen.
So ist die Kenntnis der Übertragungsfunktionen des Gehörs in der Nachrichtentechnik wichtig, da das Ohr
letztendlich als Empfänger jeder Art akustischer Information dient, eine sinnvolle Konstruktion von
Schallübertragungs- und Speicheranlagen aber nur dann möglich ist, wenn das Übertragungsverhalten des
Empfängers "Ohr" bekannt ist. In der Medizin liefert der Vergleich zwischen der Kennlinie eines gesunden
Gehörs und der eines erkrankten wichtige Rückschlüsse auf die Ursache der Erkrankung. Auch die Entwicklung
von Hörhilfen stützt sich im wesentlichen auf die Kennlinien des gesunden Gehörs. Nicht zuletzt spielt die
Psychoakustik in der Lärmbekämpfung und Lärmvermeidung eine wichtige Rolle.

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1.2 ) Ruhehörschwelle und Hörfläche

Unser Gehör kann nur akustische Ereignisse innerhalb eines bestimmten Frequenz- und Schallpegelbereiches
wahrnehmen. Das bedeutet, daß Hörempfindungen beim Menschen nur von Schallereignissen ausgelöst werden,
deren Frequenz im Bereich von 20 Hz bis 20 kHz liegen. Für die Hörbarkeit ist aber außerdem noch ein gewisser
Mindestschalldruck von p = 20 µPa erforderlich. Dieser Mindestschalldruck bezieht sich auf die Frequenz von
1000 Hz und entspricht per Definition einem Schallpegel von 0 dB.
Zeichnet man den Schalldruckpegel der notwendig ist einen Ton gerade noch zu hören als Funktion der
Frequenz auf, so erhält man die Ruhehörschwelle.
Erhöht man den Schalldruck, so wird man ab einem bestimmten Schalldruckpegel beim Hören der Töne
Schmerz empfinden. Trägt man diese Kurve ebenfalls in Abhängigkeit der Frequenz auf, so erhält man die
Schmerzschwelle.
Den Bereich zwischen Ruhehörschwelle und Schmerzschwelle bezeichnet man als Hörfläche.
Wird die Schmerzschwelle überschritten, so ist mit einer bleibenden Schädigung des Gehörs zu rechnen.
Zwischen den Werten des Schalldruckpegels im Bereich der Ruhehörschwelle und dem der Schmerzschwelle
liegen 6 Zehnerpotenzen. Das bedeutet, daß der Schalldruck der Töne im Bereich der Schmerzschwelle etwa
100000 mal stärker ist als im Bereich der Ruhehörschwelle. Nur durch diesen gewaltigen Dynamikumfang ist
das Gehör in der Lage, sehr leise Schalle, z.B. das Summen einer Mücke, genauso zu verarbeiten, wie das
Rattern eines Preßlufthammers.

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Der Verlauf der Hörschwelle und die Bedeutung für die Hörempfindung
Aus dem Verlauf der Ruhehörschwelle geht hervor, daß das Gehör nicht für alle Frequenzen die gleiche
Empfindlichkeit aufweist. Dem Verlauf der Hörschwelle lässt sich entnehmen, dass das Gehör im Bereich der
Frequenzen zwischen 2 kHz und 5 kHz am empfindlichsten reagiert. Dies ist an der Absenkung der Hörschwelle
deutlich zu sehen. In diesem Bereich ist nur ein sehr geringer Schallpegel notwendig um eine Hörempfindung
hervorzurufen.
Ab der Frequenz 10 kHz weist die Hörschwelle einen starken Anstieg auf. Der Schallpegel muß entsprechend
erhöht werden, damit eine Hörempfindung hervorgerufen wird, deren subjektive Lautstärkeempfindung im
gleichen Bereich liegt, wie die im Bereich der Absenkung zwischen 2 kHz und 5 kHz. Gleiches gilt für den
Bereich niedriger Frequenzen.
Die wahrgenommene Lautstärke ist also nicht nur von dem Wert des Schalldrucks, sondern auch von der
Frequenz abhängig

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Veränderungen des Verlaufs der Hörschwelle im Alter und durch Lärmeinwirkung

Der Verlauf der Hörschwelle verändert sich mit steigendem Lebensalter. Dies ist ein natürlicher Vorgang und
äußert sich in einer altersabhängigen Anhebung der Ruhehörschwelle und kann in der sogenannten
Altersschwerhörigkeit enden. Der Verlauf der Anhebung der Ruhehörschwelle mit steigendem Alter, ist in der
nachfolgenden Grafik dargestellt. Allerdings kann durch schonenden Umgang mit dem Gehör und bewusstes
Training der Hörfähigkeit ein normales Hören bis ins hohe Alter möglich sein. So haben immerhin 10% der
80 jährigen noch ein völlig intaktes Hörvermögen.
Ein angehobener Verlauf der Ruhehörschwelle kann aber auch schon verfrüht durch übermäßige
Lärmeinwirkungen eintreten. Dieser Vorgang wird als Lärmschwerhörigkeit bezeichnet.
Lärmschwerhörigkeit bleibt im Anfangsstadium oft unbemerkt, da die Absenkung der Ruhehörschwelle zuerst in
Frequenzbereichen außerhalb des Sprachbereichs auftritt, die für die alltägliche Hörwahrnehmung keine
gravierende Rolle spielen. Bei weiterer Überlastung schiebt sich der Bereich der Schädigung zunehmend in den
Sprachbereich und führt zu gravierenden Höreinbußen.
Hörschäden durch Lärmeinwirkungen haben ihre Ursache in einer Schädigung der Nervenzellen im Innenohr
und sind unheilbar, da sich Sinneszellen nicht regenerieren können.

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1.3.1 Kurven gleicher Lautstärke

Aus dem Verlauf der Hörschwelle geht hervor, daß das Gehör nicht für alle Frequenzen die gleiche
Empfindlichkeit aufweist. Sinustöne unterschiedlicher Frequenz werden trotz gleichen Schallpegels,
unterschiedlich laut wahrgenommen.
Diese Eigenschaft des Gehörs wird mit Hilfe der Kurven gleicher Lautstärke beschrieben.
Sie geben, in Abhängigkeit der Frequenz, den Schalldruckpegel an, der die jeweils gleiche Lautheitsempfindung
hervorruft wie ein Sinuston der Frequenz 1 kHz, der als Referenz definiert wird. In der nebenstehenden
Abbildungen sind die Kurven gleicher Lautstärke für einige Schallpegel angegeben.

Pegeldynamik vs. Klangfarbendynamik:

Die Pegeldynamik beschreibt den Zusammenhang zwischen physikalischem Schalldruck und dem damit
verbundenen Schallpegel in dB ( einheitenlose, relative Grösse ). Die Klangfarbendynamik beschreibt den
Zusammenhang zwischen Lautstärke und Klangfarbe eines Schallereignisses. Generell gilt für alle Instrumente:
je höher der Pegel, desto obertonreicher ( brillanter ) die Klangfarbe.
Bei der elektroakustischen Übertragung von Musik ist es möglich, Schallpegel zu erzeugen, die mit der
ursprünglichen Dynamik nichts mehr zu tun haben. Dennoch erkennen wir ein pp oder ff immer noch an der
Klangfarbe und empfinden es als störend und unnatürlich, wenn der Schallpegel und die Klangfarbe sich nicht
entsprechen.

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1.3.2 Schalldauer und Lautheitsempfindung

Die Wahrnehmung der Lautheit eines Tones ist auch abhängig von der Dauer eines Schallsignals. Für die
Lautheitsbildung gelten erst Schalle oberhalb der Dauer von 200 ms als Dauerschall. Das bedeutet, daß die
Lautheitsempfindung nicht weiter zunimmt, wenn man die Darbietungsdauer über diesen Zeitraum ausdehnt.
Sinustöne mit einer Dauer unter 200 ms erscheinen daher leiser als Sinustöne gleicher Frequenz und Amplitude
mit längerer Schalldauer.
Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Darbietungsdauer reiner Töne und
der relativen Absenkung des Schallpegels der Ruhehörschwelle in einem Frequenzbereich zwischen 250 Hz und
4000 Hz.
Unterhalb der Dauer von ca. 200 ms wächst der zum Hören des Tones notwendige Pegel um bis zu 15 dB an,
wenn die Dauer des Schallsignals verkürzt wird.

Binaurale Lautheit

1.3.3 Maskierungseffekte

Als Verdeckungs- oder Maskierungseffekt bezeichnet man die Beeinflussung der Hörbarkeit eines Schalles
durch die Überlagerung eines oder mehrerer Störschalle.
Ein auf das Gehör wirkender Reiz setzt gleichzeitig die Empfindlichkeit für andere Reize herab. Diese
Erscheinung tritt im Alltag sehr oft auf: Ein Gespräch ist in ruhiger Umgebung ohne hohen Schallpegel leicht zu
führen, ohne daß die akustische Verständlichkeit darunter leidet. Tritt nun während des Gesprächs ein Störschall
(Maskierer) auf, so kann dieser den Sprachschall überdecken, so daß das Gespräch gar nicht mehr oder nur mit
Hilfe eines erheblich angehobenen Schallpegels, also mit lauterer Stimme weitergeführt werden kann.
Neben dem Lautstärkepegel werden die Verdeckungseigenschaften der Störschalle durch ihre spektrale
Zusammensetzung bestimmt. Allgemein gilt, daß ein Schall höherer Frequenz einen tieffrequenteren Schall nur
dann verdecken kann, wenn der Frequenzabstand zwischen beiden Schallen gering ist. Ein Schall tiefer Frequenz
kann einen höherfrequenten Schall nur dann verdecken, wenn er einen deutlich größeren Schallpegel besitzt.

Mithörschwelle von Sinustönen, verdeckt durch weißes Rauschen

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Überlagert man einen Sinuston mit weißem Rauschen, so wird die Hörschwelle zur sogenannten Mithörschwelle.
Diese gibt an, welchen Schallpegel ein Schall aufweisen muß, damit er neben dem überlagerten Störschall noch
wahrnehmbar ist. Die Mithörschwelle liegt deutlich über der Ruhehörschwelle, da durch die Überlagerung des
weißen Rauschens der Sinuston mit einem höheren Schallpegel dargeboten werden muß, damit er neben dem
Rauschen wahrgenommen wird. Das weiße Rauschen stellt in diesem Fall das Störgeräusch dar.
In der obigen Abbildung ist der Verlauf der Mithörschwelle für weißes Rauschen unterschiedlicher Intensität
aufgetragen.

Mithörschwelle von Sinustönen, verdeckt durch verschiedene Schmalbandrauschen

Mithörschwellen von Sinustönen bei Verdeckung durch ein Schmalbandrauschen der Mittenfrequenz 1 kHz und
der Bandbreite 160 Hz für unterschiedliche Schallpegel des Maskierers. Hierbei weisen die Mithörschwellen ein
ausgeprägtes Maximum an Stelle der Mittenfrequenz des Schmalbandrauschens auf. Das maskierende Signal
hat nur wenig Einfluß auf die Hörbarkeit der Töne, deren Frequenzen sich von der Mittenfrequenz des
Schmalbandrauschens deutlich unterscheiden. Dabei werden tiefere Frequenzen weniger stark verdeckt als
höhere.

Anpassung (Adaption)

Eine der wichtigsten Eigenschaften des Gehörs besteht darin, seine Empfindlichkeit an einen bestimmten ,
gerade herrschenden Schallpegel anzupassen. Diese Eigenschaft findet eine Analogie im visuellen System.
Ebenso wie sich das Auge an verschiedenen Helligkeitsgerade anpassen kann, kann das Gehör sich an einen
gerade herrschenden mittleren Schallpegel anpassen. Hierdurch kann sich das Gehör z.B. an verschieden hohe
Wiedergabepegel einer Tonproduktion anpassen, ohne daß dabei ein wesentlicher Qualitätsunterschied zu
bemerken ist, solange sich die Pegelunterschiede in bestimmten Grenzen bewegen.
Das Gehör bildet hierbei aus den einwirkenden akustischen Reizen ein subjektives Bezugssystem, das als
Anpassungsniveau bezeichnet wird. An diesem subjektiv gebildeten Bezugssystem orientieren sich die vom
Hörer gebildeten Urteile über den gerade einwirkenden akustischen Reiz. Die Adaption ermöglicht es daher,
Schallereignisse mit niedrigem Pegel qualitativ in gleicher Weise wahrzunehmen wie Schallereignisse eines
hohen Pegels.

Durch die Adaption tritt aber noch ein weiterer Effekt ein. Gleichmäßige Hintergrundgeräusche werden im
Bewußtsein zurückgedrängt, so daß ein gleichmäßiger Dauerton, z.B. ein Sinuston nach einiger Zeit immer leiser
erscheint. Das Gehör ordnet diesen Dauerschall als unwichtiges Hintergrundgeräusch ein, und läßt es nicht mehr
ins Bewußtsein vordringen.

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1.3.4 Schwebung und Rauhigkeit

Werden zwei Sinustöne mit ähnlichem Schallpegel und dicht benachbarter Frequenz gemeinsam dargeboten,
verschmelzen sie zu einem gemeinsamen Ton. Da aber die Frequenzen der beiden Töne unterschiedlich sind,
verschieben sich die Phasen der Töne kontinuierlich gegeneinander. Im zeitlichen Verlauf des resultierenden
Signals kommt es zu Verstärkungen, bzw. Abschwächungen im Pegelverlauf, so daß ein sich periodisch
ändernder Lautstärkeeindruck entsteht.
Bezeichnet man die Frequenzen der beteiligten Schwingungen mit f1 und f2, so ergibt sich für die Frequenz des
resultierenden Schwingungsmusters
f = (f1+f2) / 2 Die Schwebungsfreqenz fs, also die Anzahl der Lautstärkeschwankungen pro Sekunde ergibt sich
aus: fs = f1 - f2
Überschreitet die Frequenzdifferenz zwischen beiden Tönen den Wert von ca. 15 (30) Hz, so verschwindet die
Schwebungsempfindung und es tritt eine Empfindung auf, die als Rauhigkeit bezeichnet wird. Wird der
Frequenzunterschied weiter gesteigert, so wird die sogenannte Frequenzunterscheidungsschwelle überschritten.
Bei Überschreiten dieser Schwelle beginnt das Gehör zwei einzelne Töne zu unterschieden, deren Tonhöhen
den Frequenzen f1 und f2 entsprechen.

1.4 Die Wahrnehmung der Tonhöhe

1.4.1 Eben wahrnehmbare Tonhöhenänderungen


Die Fähigkeit des Gehörs Tonhöhen zu unterscheiden wird als Frequenzauflösung bezeichnet. Das menschliche
Gehör ist durch eine sehr große Frequenzauflösung ausgezeichnet und kann ungefähr 620 Tonhöhen
unterscheiden.
Die wahrnehmbare Frequenzänderung ist abhängig von der Frequenz des Schallereignisses. Unterhalb einer
Frequenz von 500 Hz ist ein Frequenzunterschied von 1,8 Hz gerade noch hörbar. Oberhalb von 500 Hz muß die
Frequenzänderung mindestens 3,5 Promille betragen, damit eine Tonhöhenänderung wahrnehmbar ist.
Die nachfolgende Abbildung gibt die Funktion des kleinsten wahrnehmbaren Frequenzunterschiedes eines
Tones in Abhängigkeit von dessen Frequenz wieder.
Die rote Kurve gibt den ursprünglichen, die blaue Kurve die lineare Approximation des Verlaufs der Funktion
wieder.
Aus der nachfolgenden Grafik geht hervor, daß mit steigender Frequenz auch der Frequenzunterschied zwischen
zwei Tönen größer werden muß, damit ein Tonhöhenunterschied wahrgenommen werden kann. Die Ursache
hierfür liegt im Aufbau der Basilarmembran und der Verteilung der darauf befindlichen Sinneszellen.

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Eben wahrnehmbare Tonhöhenänderungen
In Abhängigkeit von der Frequenz

1.4.2 Tonhöhenabweichung unter Einfluß des Schallpegels


Die Tonhöhe eines Tones fester Frequenz kann sich ändern, wenn der Schallpegel des Tones verändert wird.
Dieser Effekt ist schon im 19. Jahrhundert entdeckt und als Tonhöhenparadoxon bezeichnet worden.
Bei einer Erhöhung des Schalldruckpegels läßt sich bei tiefen Tönen konstanter Frequenz eine Absenkung, bei
hohen Tönen konstanter Frequenz dagegen eine Anhebung der empfundenen Tonhöhe feststellen. Töne im
Frequenzbereich um 2000 Hz bleiben von diesem Phänomen nahezu unbeeinflußt.
In der nachfolgenden Abbildung ist die relative Tonhöhenabweichung vl für vier Frequenzlagen dargestellt. Für
den Referenzschallpegel gilt L = 60 dB.

Es ist ein Glück für ausübende Musiker und auch für Zuhörer, dass die Tonhöhenänderung mit dem Schallpegel
für komplexe Klänge sehr viel kleiner ist, als uns in den anfänglichen Experimenten mit Sinustönen berichtet
wurde.
Das Musizieren würde sicher ziemlich schwierig sein, wenn es auffällige Tonhöhenänderungen während der
dynamischen Lautstärkeänderungen gäbe.

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1.4.3 Die Folgetonhöhe oder Zwickerscher Nachton
Die Folgetonhöhe bezeichnet einen Effekt, der eine Analogie zur visuellen Wahrnehmung der Nachbilder
besitzt. Wird das Gehör entsprechend der nebenstehenden Grafik mit einem Breitbandrauschen beschallt, dessen
Frequenzspektrum eine Lücke aufweist, so kann nach dem Abschalten des Geräuschs ein leiser Sinuston
wahrgenommen werden. Dieser schwillt langsam ab und ist nach einigen Sekunden wieder verschwunden. Die
Tonhöhe dieses „Nachtones“ ist zeitlich konstant und entspricht einer Frequenz, die innerhalb der Frequenzlücke
des Breitbandrauschens liegt.
Folgetonhöhen entstehen auch nach der Beschallung mit einem Klang, wenn dessen Spektrum eine Lücke
aufweist.
Die Folgetonhöhe ist ein monaurales Phänomen. Beschallt man beide Ohren gleichzeitig mit
Breitbandgeräuschen, die unterschiedliche Frequenzlücke aufweisen, so lassen sich auf beiden Ohren
gleichzeitig unterschiedliche Folgetöne erzeugen.
Da sich die Nachtöne nicht im Innenohr nachweisen lassen, ist anzunehmen, daß sie durch neuronale
Aktivitäten hervorgerufen werden.

1.4.4 Die interaurale Tonhöhendifferenz


Als interaurale Tonhöhendifferenz bezeichnet man den Effekt, daß ein Ton konstanter Frequenz auf dem einen
Ohr eine andere Tonhöhe hervorrufen kann als auf dem anderen.
Werden beide Ohren gleichzeitig mit einem Sinuston fester Frequenz beschallt, so nimmt man eine konstante
Tonhöhe wahr. Beschallt man aber nun die Ohren nacheinander einzeln mit diesem Ton, so läßt sich fast immer
eine Abweichung der wahrgenommenen Tonhöhe zwischen den beiden Ohren feststellen.
Dieser Effekt weist darauf hin, daß die Tonhöhe in jedem Ohr autonom gebildet wird.

1.4.5 Mehrdeutige Tonhöhen eines Klanges


Klänge sind Schallereignisse, die aus einer sinusförmigen Grundschwingung mit den entsprechenden
harmonischen Oberschwingungen unterschiedlicher Ausprägung bestehen.
In der Regel ist es so, daß die im Klang vorhandenen Teiltöne zu einem ganzheitlichen Klangeindruck
verschmelzen, wenn im Schallsignal keine zeitlichen Änderungen auftreten. Tonhöhe und Klangfarbe sind in
diesem Fall eindeutig zu beschreiben.
Wird aber ein einzelner Teilton des Klanges betont oder hinzugefügt, so wird im selben Moment die zu diesem
Teilton gehörende Tonhöhe sehr deutlich und akzentuiert wahrgenommen. Im Verlauf einiger Sekunden
verschmilzt diese aber wieder mit dem Gesamtklang. Man spricht in diesem Zusammenhang von der
synthetischen Wahrnehmung eines Klanges. Hierbei wird die Aufmerksamkeit auf das Schallereignis als Ganzes
gerichtet.
Musikalisch geübten Personen gelingt es oft auch ohne die zusätzliche Akzentuierung der einzelnen Teiltöne die
im Klang enthaltenen Spektralanteile bewußt wahrzunehmen. Ein Klang ruft dabei spontan eine oder mehrere
Tonhöhen hervor. Man spricht in diesem Fall von der analytischen Wahrnehmung eines Klanges. Hierbei
können die einzelnen Harmonischen getrennt wahrgenommen werden.

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1.4.6 Virtuelle Tonhöhe und Residuum
Die wahrgenommene Tonhöhe eines Klanges entspricht normalerweise derjenigen der Grundschwingung
(1. Harmonische). Die virtuelle Tonhöhe entsteht, wenn von einem breitbandigen Linienspektrum nur ein
höherfrequenter Teil übertragen wird. Dieser Vorgang ist in der nebenstehenden Abbildung dargestellt. Der
resultierende "Restklang", der Klang aus dem die Harmonischen der tieferen Ordnungsnummern entfernt sind,
wird als Residuum oder Residualklang bezeichnet. Da der Residualklang aus dem ursprünglichen Schallereignis
durch das Entfernen der unteren Harmonischen entstanden ist, erwartet man , daß sich die musikalische Tonhöhe
des Residuums gegenüber dem ursprünglichen Klang verändert. Dies ist aber nicht der Fall. Die
wahrgenommene musikalische Tonhöhe ist gleich geblieben, lediglich die Klangfarbe des Schallereignisses hat
sich geändert. Die sich einstellende Tonhöhe des Residualklanges wird als virtuelle Tonhöhe bezeichnet.
Der Effekt der virtuellen Tonhöhe kann soweit gesteigert werden, daß die Tonhöhenempfindung nur noch als
Illusion auftritt.
Sie wird vom Gehör aufgrund von Erfahrungen der Wahrnehmung von Sprache und Musik gebildet. Dabei
bezieht es sich auf die realen Bedingungen der akustischen Informationsaufnahme.

Beispiel: auch bei einer Telefonübertragung hören wir die originale Tonhöhe eines Musikstücks, obwohl durch
den begrenzten Frequenzbereich der Uebertragung ( 300 Hz bis 3400 Hz ) bei vielen Klängen die ersten
Harmonischen nicht übertragen werden.

1.5 Kombinationstöne

Kombinationstöne sind zusätzliche Tonhöhenempfindungen die auftreten, wenn zwei Sinustöne


unterschiedlicher Frequenzen f1 und f2 zusammen dargeboten werden und die Töne von hoher Intensität sind.
Dabei entsprechen diesen zusätzlichen Tonhöhenempfindungen Frequenzen, die von f1 und f2 verschieden sind.
Kombinationstöne sind im ursprünglichen Schallsignal nicht vorhanden, sondern entstehen durch die eine
nichtlineare Verzerrung des akustischen Signals im Ohr, insbesondere durch die Nichtlinearitäten der
Übertragungsfunktion der Cochlea wo diese Töne als physikalische Schwingungen vorhanden sind.

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1.6 Richtungshören und Schallquellenlokalisation

1.6.1 Wahrnehmung der Richtung in der horizontalen Ebene durch Laufzeitunterschiede

Die interauralen Laufzeitunterschiede werden als wichtigste Grundlage für die Schallquellenlokalisation
bezeichnet. Aufgrund der Maße des Kopfes (d) beträgt der maximale Laufzeitunterschied nur 0,63 ms. Der
geringste noch wahrnehmbare Zeitunterschied liegt bei 0,03 ms. Dies entspricht einer Lokalisationsschärfe von
3° bis 5°

Bestimmung der Wegedifferenz: ∆s = sinα · d


Bestimmung der Laufzeitdifferenz: ∆t = ∆s / c = sinα · d / c

α = Schalleinfallswinkel
d = Abstand zwischen den Ohren ( ca. 0.21m)
c = Schallgeschwindigkeit 343m/s

1.6.2 Wahrnehmung der Richtung in der horizontalen Ebene durch Pegelunterschiede

Für die Lokalisation von Schallquellen sind die interauralen Pegeldifferenzen von geringerer Bedeutung als die
Laufzeitdifferenzen. Ebenso wie die Laufzeitdifferenzen werden die Pegeldifferenzen zwischen den Ohrsignalen
durch die interaurale Übertragungsfunktion hervorgerufen. Das Gehör ist in der Lage, im gesamten hörbaren
Frequenzbereich Pegeldifferenzen zu erkennen und als Richtungsinformation auszuwerten. Unterhalb der
Frequenz von ca. 400 Hz sind die Pegelunterschiede zwischen den Signalen wegen der Beugungserscheinungen
der Schallwellen am Kopf praktisch nicht vorhanden. Erst oberhalb dieser Frequenz nehmen sie mit steigender
Frequenz zu.
Aufgrund der Frequenzabhängigkeit des Schalldruckpegels ergeben sich bei breitbandigen Schallsignalen
zusätzlich Klangfarbenunterschiede zwischen den Ohrsignalen, die zwar unbewußt wahrgenommen werden, aber
nachweislich trotzdem zur Schallquellenlokalisation ausgenutzt werden. Hierbei ist , im Gegensatz zu
Lokalisation durch die Laufzeitdifferenzen, ein Lernprozeß Voraussetzung. Lokalisation aufgrund der
Klangfarbenunterschiede kann nur stattfinden, wenn die Kenntnis der Klangfarbe bei frontalem Schalleinfall, als
auch Kenntnisse über die Änderung der Klangfarbe bei Richtungswechsel vorliegen.

Pegelunterschied zwischen den Ohrsignalen in Abhängigkeit


vom Einfallswinkel der Schallwelle

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Pegeldifferenz in Abhängigkeit von Frequenz und Schalleinfallsrichtung

Pegeldifferenzen entstehen erst dann, wenn der Schall nicht mehr vollständig um den
Kopf herumgebeugt wird. Dies ist der Fall, wenn λ/2 ≤ d ( 0.21m )

λ = c / f > f = c / λ = 343m/s / 0.42m = 816 Hz

λ = Wellenlänge der Frequenz


d = Abstand zwischen den Ohren
C = Schallgeschwindigkeit in Luft 343 m/s

Lokalisation in der Medianebene

Obwohl sich in der Medianebene bei Schalleinfall keine Unterschiede der Ohrsignale ausbilden, ist hier eine
Schallquellenlokalisation möglich. Durch die Erhebung der Schallquelle in der Medianebene entstehen
Klangfarbenunterschiede bezogen auf die Klangfarbe des aus Blickrichtung eintreffenden Signals. Die
Klangfarbenunterschiede werden individuell durch die Abmessungen des Kopfes und der Ohren verursacht. Je
nach Einfallsrichtung des Schallsignals werden bestimmte Schallanteile bestimmter Frequenzbereiche, die
sogenannten „richtungsbestimmenden Frequenzbänder“ im Pegel angehoben.
Die Lokalisationsunschärfe ist hierbei wesentlich größer als die in der Horizontalebene, Lokalisierung ist
überhaupt nur dann möglich, wenn es sich um ein breitbandiges Schallsignal handelt und wenn das Gehör über
Erfahrungen über die Strukturierung dieses Schallsignals verfügt.

1.6.3 Stereofones Hören, Prinzipien der Stereofonie


Die stereofone Aufnahme- und Wiedergabetechnik basiert darauf, dass durch Laufzeit- und / oder Pegeldifferenz
zwischen linkem und rechtem Lautsprecher eine Richtungslokalisation erzeugt wird.
In praxisbezogenen Hörversuchen mit breitbandigen Musiksignalen wurde ermittelt, welche Laufzeit- oder
Pegelunterschiede zwischen den Lautsprechern nötig sind, um eine exakte Lokalisierung nur links oder nur
rechts zu erhalten. Dabei haben sich folgende Werte ergeben:

Links 1.5 ms früher als rechts > Lokalisierung aus linkem Lautsprecher
Links 18 dB lauter als rechts > Lokalisierung aus linkem Lautsprecher

Laufzeit- und Pegelunterschiede können sich auch ergänzen.

Links 0.5 ms früher und 6 dB lauter > Lokalisierung aus linkem Lautsprecher

Diese Werte sind in den psychoakustischen Lehrbüchern nicht zu finden, weil die Messungen der Psychoakustik
immer mit sehr elementarem klanglichem Material gemacht werden ( Sinustöne, Rauschen, kurze Impulse ), das
zu anderen Messergebnissen führt. Unabhängig von den bei den verschiedenen Methoden ermittelten Werten gilt
aber das Prinzip:

links früher > Lokalisierung links


links lauter > Lokalisierung links
links früher und lauter > Lokalisierung links

rechts früher >Lokalisierung rechts


rechts lauter >Lokalisierung rechts
rechts früher und lauter >Lokalisierung rechts

links und rechts gleichzeitig und gleich laut: > Lokalisierung in der Mitte

Eine exakte Lokalisierung ist nur bei einer Hörposition in der Mitte zwischen den Lautsprechern möglich Bei
einer Hörposition ausserhalb der Mitte entstehen durch die unterschiedliche Entfernung zu den Lautsprechern
zusätzliche Laufzeit- und Pegeldifferenzen, die die auf der Aufnahme gestaltete Stereobasis verfälschen.

Vertiefende Betrachtungen des Klangbildes in der Stereophonie finden Sie in Kapitel 7.1.1 und 7.1.2

17
1.7 Entfernungshören
Das Entfernungshören ist nicht auf eindeutig messbare Parameter zurückzuführen wie das bei der
Richtungslokalisation in der horizontalen Ebene der Fall ist. Die Parameter, die zu einer Einschätzung der
Entfernung des akustischen Signals führen, sind im Freifeld und im Diffusfeld verschieden. In beiden Fällen
ist aber der Vergleich des akustischen Signals mit uns bekannten, ähnlichen akustischen Erfahrungen die
wichtigste Orientierung.

1.7.1 im Freifeld

Das Freifeld ist per Definition eine akustische Umgebung, in der es keine Schallreflexionen gibt. In der
akustischen Messtechnik gibt es speziell konstruierte, reflexionsarme Räume ( im Volksmund auch „schalltote
Räume“ genannt), in denen praktisch keine Schallreflexionen vorkommen.

In der Natur sind es weite, frisch verschneite Felder ohne Bäume, die dem Freifeld am ehesten entsprechen.
Jeder hat wahrscheinlich schon das „wattige“ Gefühl in den Ohren erlebt, das in einer solchen Situation entsteht.

Je weiter sich nun ein akustisches Signal im Freifeld entfernt, desto leiser ( -6 dB pro Entfernungsverdoppelung )
und dumpfer ( hochfrequente Anteile werden durch die Luft stärker absorbiert ) wird es.
Nun sagt die Tatsache, dass ein Signal leise und dumpf ist, noch nichts über dessen Entfernung aus. Erst der
Vergleich mit vertrauten Klängen ( aus 2m Entfernung klingt es. ganz anders, wenn jemand laut ruft... )
macht eine Einschätzung der Entfernung möglich.

1.7.2 im Diffusfeld

Das Diffusfeld ist eine akustische Umgebung, in der der Schall durch begrenzende Flächen refllektiert wird.
Dazu gehören natürlich alle geschlossenen Räume, aber auch alle Umgebungen im Freien, in denen es
reflektierende Flächen gibt ( Häuserwände, Felswände, Baumstämme etc. ).

Im Diffusfeld ist die Änderung des Pegels und der Klangfarbe mit zunehmender Entfernung nicht so ausgeprägt
wie im Freifeld, da die Schallenergie nicht nur direkt sondern auch über Reflexionen zum Hörer gelangt.

Im Diffusfeld ist aber durch das Verhältnis zwischen direktem und reflektiertem Schall ( einfach gesagt: je
weiter weg, desto halliger ) eine Einschätzung der Entfernung der Schallquelle möglich.

18
1.8 Gesetz der ersten Wellenfront

Theorie und praktische Anwendungen

Das sogenannte Gesetz der ersten Wellenfront beschreibt ein Phänomen, das ein wesentlicher
Bestandteil unserer akustischen Richtungswahrnehmung ist.
Für die Richtungswahrnehmung ist auch entscheidend, von wo der Schall zuerst am Ohr eintrifft. Dabei
können später eintreffende Schallanteile einer Schallquelle sogar lauter sein als der zuerst eintreffende
Direktschall, ohne dass dadurch die Richtungswahrnehmung verändert wird. Deshalb können wir
Schallquellen auch dann lokalisieren, wenn wir weit entfernt sind und die Diffusanteile des Schalls
lauter sind als die Direktanteile. Wäre das nicht der Fall, wäre ausserhalb des Hallradius ( Punkt, an dem
gilt: Direktschall und Diffusschall sind gleich laut ) keine Richtungs-lokalisation mehr möglich.

Die obige Kurve lässt sich wie folgt interpretieren: auf der X-Achse ist die Verzögerung der spater
eintreffenden Schallanteile angegeben, auf der Y-Achse die Pegeldifferenz zum zuerst eintreffenden
Schallanteil. So können zum Beispiel später eintreffende Schallanteile einer Schallquelle bei einer
Verzögerung von 15ms bis zu 12 dB lauter sein als der zuerst eintreffende Direktschall, ohne dass die
Lokalisation des Direktschallanteils sich verändert ( gelber Pfeil ). Bei den Versuchen, in denen diese
Werte ermittelt wurden, verwendete man allerdings exakt gleiche Signale bei der Primär- und
Sekundärschallquelle. Dies ist in der Praxis selten anzutreffen. Deshalb sind die praktischen Werte für
den Sekundärschall um bis zu 20dB niedriger

Diese Erkenntnis ist bei akustischer Musik nur von theoretischer Bedeutung. In der Beschallungstechnik
wird das Gesetz der ersten Wellenfront jedoch häufig angewendet, um die Richtungslokalisation von
Schallquellen zu verbessern.

Zur Verdeutlichung sollen hier zwei Beispiele gezeigt werden, wie man Instrumente,
deren Schallenergie für die Grösse eines Raumes nicht ausreicht, verstärken kann, ohne die originale
Richtungsinformation zu verlieren:

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Gesetz der ersten Wellenfront Anwendungsbeispiel 1

Theater Basel, Grosse Bühne, Tanztheater, Kammermusik mit 4 Kontrabässen

4 Kontrabässe auf 30 cm hohem Podest


1 2 3 4
I II

2 Lautsprecher d&b F1220


18m
4 Mikrofone NEUMANN KM84 als Grenzfläche
auf dem Boden

t = 18 x 3 ms + 12 ms = 66 ms

Portalbeschallung

Problem: die vier Kontrabässe auf der Bühne waren zu leise, der akustische Klangeindruck
sollte aber erhalten bleiben. Erschwerend kam hinzu, dass die Kontrabassisten
erst während einer laufenden Szene auf die Bühne kamen.

Lösung: 4 Mikrofone KM 84 wurden in ca. 30 cm Abstand vor die Bässe auf den Beden gelegt
( Grenzflächenmikrofonierung ). Diese Mikrofonierung konnte schon vor dem Auftritt der
Bassisten optisch unauffällig installiert werden und brachte einen erstaunlich ausgewogenen
Klang.

2 fullrange Lautsprecher wurden zwischen die Bässe 1+2 und 3+4 auf den Boden gestellt.
Diese dienten zur Erhöhung des Pegels am Standort der Bässe. Dadurch konnte auch die
verzögerte Portalbeschallung lauter gemacht werden ohne dass die Ortung auf der Bühne
hinten verloren ging.

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Gesetz der ersten Wellenfront Anwendungsbeispiel 2

Portalbeschallung, geflogen
13m entspricht 39ms Laufzeit

25m entspricht 75ms Laufzeit

Flügel
ohne Deckel.

15m

Problem: Der Klang des Flügels war zu leise und etwas zu diffus. Durch die fehlende
Richtwirkung des geöffneten Flügeldeckels gingen Teile der abgestrahlten
Schallenergie im Bühnenturm verloren.

Der Flügel wurde während einer laufenden Szene auf die Bühne geschoben.

Lösung: Der Flügel wurde mit zwei Mikroports ( kleine Mikrofone mit Sender )
abgenommen, wodurch eine optisch unauffällige und mobile Lösung erreicht wurde.
Die geflogenen Lautsprecher im Portal dienten dazu, fehlende Deckel- und
Deckenreflexionen zu simulieren. Dadurch wurde der Flügelklang grösser und
präsenter ohne „verstärkt“ zu klingen.
Die Verzögerungszeit für die Portallautsprecher wurde wie folgt eingestellt:

Als Referenz diente ein Platz in der Mitte des Parketts. Die Laufzeit des
Direktschalls des Flügels beträgt bei 25 m Entfernung 75 ms. Dazu kommt
die „Haas-Zugabe“ von ca. 12 ms, macht insgesamt 87 ms. Da der Lautsprecher
selbst aber auch 13 m vom Referenzplatz entfernt ist, muss man die dadurch bedingte
Laufzeit von 39 ms von den 87 ms wieder abziehen.
Am Verzögerungsgerät wurden also 87-39 = 48 ms eingestellt.

21
2) Physiologie des Ohres
2.1 ) Die "Bestandteile" des Ohres

2.1.1 Das äußere Ohr

Das äußere Ohr erfüllt die Aufgabe der Schalleitung aus der Umwelt zum Trommelfell.
Der Prozeß der Schalleitung durch das äußere Ohr weist eine starke Frequenz- und
Richtungsabhängigkeit auf.
Diese wird durch die Form von Ohrmuschel und Gehörgang verursacht. Die angesprochene Frequenz-
und Richtungsabhängigkeit bildet eine wichtige Grundlage für unsere Hörempfindung. So ist z.B.
räumliches Hören nur durch die angesprochene Frequenz- und Richtungsabhängigkeit möglich.

2.1.2 Das Mittelohr

Das Mittelohr besteht aus dem Trommelfell, der luftgefüllten Paukenhöhle, den Gehörknöchelchen, die
als Hammer, Amboß und Steigbügel bezeichnet werden und den beiden Mittelohrmuskeln.

Das Mittelohr erfüllt mit seinen Komponenten folgende Aufgaben

* Schwingungsübertragung vom Außen- zum Innenohr


* Impedanzanpassung zwischen Mittel- und Innenohr
* Erweiterung des Dynamikbereiches des Gehörs
* frequenzselektive Empfindlichkeitsänderung des Gehörs
* Schutz des Innenohres vor zu lauten Schallen

22
2.1.3 Das Innenohr

Das Innenohr enthält das Gleichgewichtsorgan und das eigentliche Hörorgan, das wegen seiner
Form auch Schnecke (Cochlea) genannt wird. Beide Organe zusammen werden als Labyrinth
bezeichnet. Das Gleichgewichtsorgan steht zwar mit der Schnecke in Verbindung, spielt aber
für den Hörprozeß keine Rolle, so daß es hier nicht weiter betrachtet wird.
Im Innenohr findet der eigentliche Hörprozeß statt, hierfür muß es die Aufgaben der

- Reizverteilung an die Sinneszellen (Wanderwellentheorie) und die


- Reiztransformation, die Umwandlung der mechanischen Schwingungen in Nervenimpulse,
erfüllen.

2.2 Schwingungübertragung zum vom Außen - zum Innenohr

2.2.1 Schwingungsverlauf des Trommelfells

Wird das Trommelfell an der Hörschwelle mit einer Frequenz von 1000 Hz angeregt, so wird
es in Schwingungen versetzt, deren Amplitude unterhalb des Durchmessers eines
Wasserstoffatoms liegen. Diese unvorstellbar kleinen Schwingungen können noch als Ton
wahrgenommen werden, ein Beweis dafür von welcher Sensibilität das Gehör ist.
Zum Vergleich: Da die Amplitude der Schwingung bei einer Anregung an der Hörschwelle
unterhalb der Wellenlänge des sichtbaren Lichts liegt, ist der Nachweis der
Trommelfellschwingungen in diesem Fall selbst mit dem stärksten Lichtmikroskop nicht mehr
möglich!
Die Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Frequenz und der zugehörigen
Auslenkungsamplitude des Trommelfells im Bereich der Hörschwelle.

23
2.2.2 Verlauf der Schwingungsamplitude auf dem Trommelfell

Das Schwingungsmuster des Trommelfells ändert sich in Abhängigkeit der Frequenz. Bis zu
einer Frequenz von 2,4 kHz schwingt das gesamte Trommelfell einschließlich des
Hammergriffs als starre konische Fläche um eine gemeinsame Drehachse. Dabei tritt die größte
Amplitude am unteren Rand des Trommelfells auf. Steigt die anregende Frequenz über 2,4
kHz, so tritt ein anderes Schwingungsverhalten auf und die wirksame Trommelfelloberfläche
wird kleiner.
Die nachfolgende Abbildung zeigt den Schnitt durch Trommelfell und Hammer. Die Pfeile
geben die Zunahme der Schwingungsamplitude an.

2.3 Impedanzanpassung im Mittelohr

Außenohr und Paukenhöhle sind mit Luft, das Innenohr mit den darin befindlichen Sinneszellen mit
Lymphflüssigkeit, einer wasserähnlichen Flüssigkeit gefüllt. Bei der Übertragung der Schwingungen
vom Außenohr zum Innenohr findet daher ein Wechsel des schalleitenden Mediums und damit ein
Übergang zwischen zwei unterschiedlichen akustischen Impedanzen statt.
Theoretisch würden, aufgrund der unterschiedlichen Schallwellenwiderstände (Impedanzen) der beiden
Medien, an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser etwa 98% der auftreffenden Schallwellen
reflektiert und somit für den Hörvorgang verloren gehen.
Zur Vermeidung dieser Reflexionsverluste muß im Mittelohr eine Anpassung der
Schallwellenwiderstände, eine sogenannte Impedanzanpassung, vorgenommen werden. Hierzu ist eine
Druckerhöhung am ovalen Fenster gegenüber des Druckes am Trommelfell notwendig.

Der Anpassungsvorgang wird hauptsächlich durch

* das Flächenverhältnis von Trommelfell zu Steigbügelfußplatte und


* die Längenverhältnisse der wirksamen Hebel der Gehörknöchelchenkette

realisiert.

Durch den Prozess der Impedanzwandlung werden nur etwa 40% anstatt 98% der Schallwellen
reflektiert. Dies entspricht einer Absorption von ca. 60% der am Trommelfell eintreffenden
Schallwellen.
Der Druck am ovalen Fenster des Innenohres weist durch den Mechanismus der Impedanzanpassung
einen etwa 22 mal höheren Wert auf, als der Druck am Trommelfell.

24
2.3.1 Wirkung des Flächenverhältnisses Trommelfell-Steigbügelplatte

Die Drucktransformation aufgrund des Flächenverhältnisses zwischen Trommelfell und


Steigbügelplatte funktioniert in gleicher Weise, wie eine hydraulische Presse:

Die wirksame Fläche des Trommelfells beträgt 55mm2, die des Steigbügels dagegen nur
3.2mm2.

Der auf eine Fläche A wirkende Druck p berechnet sich nach der Gleichung
p = F/A mit F: senkrecht auf A wirkende Kraft

Auf Trommelfell und Steigbügelplatte muß die gleiche Kraft wirken, damit das
Kräftegleichgewicht erhalten bleibt (es gilt: F1 = F2).
Um diese Forderung zu erfüllen, muß der an der Steigbügelplatte ausgeübte Druck
entsprechend verstärkt werden.
Der hiefür notwendige Verstärkungsfaktor ergibt sich direkt aus dem Verhältnis der
Trommelfellfläche zur Fläche der Steigbügelplatte.
Für den Verstärkungsfaktor aufgrund der Flächenverhältnisse ergibt sich somit:

p1 = F1/A1 und p2 =F2 / A2


( Es gilt: F1 = F2 ( Kräftegleichgewicht ), A1 = 55mm2 A2 = 3,2mm2 )

Durch Umformung erhält man: p2 = p1 x A2/A1 = ca. 17 x p1

Der Druck wird also um den Faktor vF = 17 verstärkt.

Die so ermittelte Verstärkung gilt für eine direkte Überragung zwischen Trommelfell und
ovalem Fenster. Da aber zwischen diesen beiden Komponenten noch die
Gehörknöchelchenkette als zusätzliches Hebelsystem wirkt, wird die Druckerhöhung zwischen
Trommelfell und ovalem Fenster zusätzlich durch eine Kraftverstärkung erhöht.

25
2.3.2 Wirkung der Längenverhältnisse der Gehörknöchelchen

Aufgrund der Längenverhältnisse der wirksamen Hebelarme der Gehörknöchelchen und ihrer Lage
zueinander, wird die Auslenkung der Steigbügelfußplatte gegenüber der Auslenkung am Trommelfell
um den Faktor 1,3 vermindert.
Unter Anwendung des Hebelgesetzes F1 · l1 = F2 · l2
bedeutet dies, daß die Kraft auf die Steigbügelfußplatte um den gleichen Faktor verstärkt wird.
Der Übertragungsfaktor der Umsetzung über das Hebelsystem beträgt folglich

vH = 1,3

Die Verstärkung durch das Hebelsystem der Gehörknöchelchen wird durch die Drucktransformation
aufgrund der Flächenverhältnisse zwischen Trommelfell und Steigbügelfußplatte verstärkt.

Bezeichnet man den Verstärkungsfaktor aufgrund des Flächenverhältnis zwischen Trommelfell und
Steigbügelplatte mit vF, den der Hebelwirkung der Gehörknöchelchen mit vH, so ergibt sich der
Gesamtübertragungsfaktor dieses Systems mit

v = vF · vH
v = 17 · 1,3
v = 22

Das bedeutet, daß der Druck am ovalen Fenster des Innenohres etwa 22 mal höher liegt als der Druck
am Trommelfell.

26
2.4 Die Mittelohrmuskeln

Im Mittelohr befinden sich zwei kleine Muskeln, der Trommelfellspanner (M.tensor tympani) und der
Steigbügelmuskel (M.stapedius). Ihre Aufgabe ist es, die Übertragungseigenschaften des Mittelohres
entsprechend der auftretenden Schallreize zu verändern, so daß folgende Funktionen erfüllt sind:

* Schutz des Innenohres vor zu lauten Schallen


* Vergrößerung des Arbeitsbereiches des Innenohres

Die Anordnung der Muskeln in der Paukenhöhle ermöglicht die Beeinflussung der Bewegungen des
Trommelfells und der Gehörknöchelchenkette, so daß die Übertragungsfunktion des Mittelohres in
Abhängigkeit der auftretenden Schallreize beeinflußt werden kann.
Weiterhin sorgen die Mittelohrmuskeln für eine Dämpfung des Trommelfell-Gehörknöchelchen-
Apparates. Hierdurch tritt u.a. eine Verkürzung der bei Sprachschall auftretenden Ausschwingvorgänge
auf, wodurch der akustische Informationsfluß deutlich erhöht wird.

2.4.1 Vergrößerung des Arbeitsbereiches des Gehörs

Durch die Kontraktion der Mittelohrmuskeln wird der Arbeitsbereich des Innenohres vergrößert, da
durch die vermehrte Reflexion der Schallwellen am Trommelfell die Reizintensität auf dem Weg von
der Umwelt zum Innenohr herabgesetzt wird.
Ohne die beschriebene Absenkung würden die Sinneszellen im Innenohr nur bei Schallereignissen, die
einen Schallpegel unter 40 dB aufweisen, außerhalb ihres Sättigungsbereiches arbeiten.

2.4.2 Schutz des Innenohres vor zu lauten Schallen

Überschreitet die aus der Umwelt übertragene Schallenergie einen gewissen Wert, so kommt es zur
Kontraktion der Mittelohrmuskeln wodurch das Trommelfell stärker gespannt wird. In Folge wird die
Reflexion der Schallwellen am Trommelfell erhöht und die Steigbügelauslenkung eingeschränkt. Durch
die verminderte Steigbügelauslenkung und den vermehrt reflektierten Anteil der eintreffenden
Schallwellen sind die im Innenohr liegenden Sinneszellen vor einer Beschädigung durch zu hohe
Schalldruckamplituden geschützt.
Beide Muskeln benötigen allerdings eine gewisse Ansprechzeit (Latenzzeit) bis sie kontrahieren. Diese
Zeit ist von der Schallintensität abhängig und beträgt ca. 35 ms bei hohen und bis zu 150 ms bei
niedrigen Schallpegeln. Die Mittelohrmuskeln erfüllen aus diesem Grund nur einen unzureichenden
Schutz des Innenohres vor plötzlich auftretenden lauten Schallereignissen, z.B. Knallen.
Dies ist darin begründet, daß der Anstieg des Schalldruckpegels eines Schallereignisses in einem
kürzeren Zeitraum als Ansprechzeit der Mittelohrmuskeln erfolgt. Das Schallereignis erreicht in diesem
Fall mit einem die Sinneszellen gefährdenden hohen Pegel das Innenohr, bevor die Mittelohrmuskeln
kontrahieren.
Schon ein plötzlich auftretendes Schallereignis genügend hoher Lautstärke kann zur irreparablen
Schädigung der Sinneszellen im Innenohr führen.
In diesem Zusammenhang spricht man von einem Schall- oder Knalltrauma. Solche Schalle entstehen
z.B. beim Zünden eines Feuerwerkskörpers oder bei einem Gewehrschuss.

27
2.5 Luft-und Knochenleitung

Der bisher beschriebene Weg des Schalltransports über Außen- und Mittelohr zum Innenohr wird als
Luftleitung bezeichnet. Zusätzlich zur Luftleitung tritt aber noch ein zweiter Mechanismus der
Schalleitung, die sogenannte Knochenleitung, auf.
In gleicher Weise wie das Trommelfell, wird auch der Schädelknochen durch die aus der Umwelt
auftreffenden Schallwellen zu mechanischen Schwingungen angeregt. Diese Schwingungen des
Schädelknochens werden als Knochenschall bezeichnet und übertragen sich direkt auf das Innenohr.
Der Weg durch äußeres Ohr und Mittelohr wird hierbei umgangen.
Für die Hörempfindung im täglichen Leben spielt die Knochenleitung, außer zum Hören der eigenen
Stimme, kaum eine Rolle. Dies liegt daran, daß der Anteil des Knochenschalls für alle Frequenzen
ungefähr 50 dB unter dem Luftschallanteil liegt.
Die Wirkung der Knochenleitung auf das Hören der eigenen Stimme ist jedem bekannt, der einmal eine
Tonbandaufnahme seiner Stimme gehört hat.
Die eigene Stimme erscheint auf der Aufnahme völlig fremd, während andere Personen nichts
ungewöhnliches feststellen können.

Experimente zur Luft- und Knochenleitung

Knochenleitung tritt auch dann auf, wenn die Schallquelle in direktem Kontakt mit der Schädelkapsel
steht. Dies läßt sich durch einige einfache Versuche verdeutlichen:

Versuch 1 :

Schlägt man eine Stimmgabel an, so ist ein relativ leiser Ton zu hören. Setzt man diese aber nach dem
Anschlagen mit ihrer Fußplatte auf dem Scheitel auf, so erklingt
der Ton laut und deutlich, die Schallquelle scheint sich im Kopf zu befinden. Die Schwingungen der
Stimmgabel übertragen sich auf den Schädelknochen, regen diesen ebenfalls zu Schwingungen an und
gelangen auf diesem Weg zum Innenohr.

Versuch 2:

Setzt man die obere Zahnreihe (vorsichtig!) auf den Korpus einer gezupften Gitarre oder eines
gespielten Klavieres auf, so führt dies zu einer wesentlich anderen Wahrnehmung des
Instrumentenklangs. Die Schwingungen des Korpus werden hierbei über die Zähne und somit über den
Kieferknochen direkt auf den Schädel übertragen.
In der gleichen Weise prüfte der schwerhörig gewordene Thomas Alva Edison Schallaufzeichnungen
des von ihm erfundenen Phonographen, einem Vorläufer des
Grammophons. Das Gerät verursachte Schwingungen, die auf die Tischplatte übertragen wurden auf der
es stand. Durch Hineinbeißen in die Tischplatte konnte er die Schallaufzeichnungen seines Gerätes,
trotz seiner Schwerhörigkeit, überprüfen.

28
2.6 ) Das Innenohr

2.6.1 Der Aufbau der Schnecke (Cochlea)

Die Schnecke besteht aus einer knöchernen Hülle, die drei übereinader liegende spiralig aufgewickelte
konische Röhren enthält.
Diese Röhren sind mit der sogenannten Perilymphe, einer Lymphflüssigkeit gefüllt und werden als
Scala vestibuli, Scala media und Scala tympani bezeichnet

Zur besseren Darstellung wird die Schnecke im abgerollten Zustand dargestellt. Die Schneckenbasis, an
der sich rundes und ovales Fenster befinden, wird als basales, der Ort des Helicotremas als apicales
Ende bezeichnet.
Im abgerollten Zustand ist die Schnecke ca. 30 mm lang und verjüngt sich während ihres Verlaufs von
0,9 mm auf 0,3 mm im Durchmesser.
Scala vestibuli und Scala media sind durch die Reissnersche Membran, Scala media und Scala tympani
durch die Basilarmembran getrennt.
Auf der Basilarmembran befindet sich das Transformationsorgan (Cortisches Organ). Hier findet der
eigentliche Hörprozeß, die Umwandlung mechanischer Schwingungen in Nervenimpulse, statt.
Die Basilarmembran verändert ihre mechanischen Eigenschaften während ihres Verlaufs vom basalen
zum apicalen Ende.
Auf diesem Weg nimmt die Steifigkeit ab. Gleichzeitig verbreitert sich die Basilarmembran von 1/6 mm
auf 1/2 mm.
Die Änderung der mechanischen Eigenschaften ist eine wichtige Voraussetzung für die dem
Schallereignis entsprechende Reizverteilung an die Sinneszellen. Dieser Vorgang wird mit Hilfe der
sogenannten Wanderwellentheorie beschrieben.

29
Nach der Wanderwellentheorie hängt der Ort des Maximums der Wellenbewegung bei
Sinustönen von der Frequenz ab.

Töne hoher Frequenz haben ihr Maximum in der Nähe des ovalen Fensters ( Eingang der Schnecke),
Töne niedriger Frequenz in der Nähe des Helicotremas ( Schneckenspitze ).

2.6.2 Das Transformationsorgan (Cortisches Organ)

Das Transformationsorgan hat die Aufgabe, der Umwandlung der über das Mittelohr antransportierten
Schwingungen in neuronale Impulsmuster.
Diese Transformation ist notwendig, da das Nervensystem "elektrisch" funktioniert. Damit der Mensch
physikalische Reize, wie z.B. Schallereignisse aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten kann,
müssen diese erst in entsprechende neuronale Impulsmuster umgewandelt werden.

2.6.3 Wanderwellentheorie- Reizverteilung an die Sinneszellen

Durch die Bewegungen des Steigbügels im ovalen Fenster wird in der Schnecke eine
Flüssigkeitsverschiebung, bzw. eine Druckänderung hervorgerufen.
Hierdurch wird die Basilarmembran in Schwingungen versetzt. Aufgrund dieser Schwingungen bilden
sich auf der Basilarmembran Wanderwellen aus, die sich vom ovalen Fenster zum Helicotrema
fortpflanzen und an einer frequenzabhängigen Stelle ihr Amplitudenmaximum ausbilden. Töne hoher
Frequenz in der Nähe des ovalen Fensters, Töne niedriger Frequenz in der Nähe des Helicotremas
abgebildet. In der nachfolgenden Grafik ist die Zuordnung zwischen der anregenden Frequenz und dem
Ort der maximalen Auslenkung dargestellt.

An der Stelle der Amplitudenmaxima kommt es zur Relativbewegung zwischen der Basilarmembran
und der Tektorialmembran. Dies führt zu einer tangentialen Abscherung der Haarzellen. Die Haarzellen

30
reagieren darauf mit der Freisetzung von Nervenimpulsen, die über die Fasern des Hörnerven zu den
neuronalen Verarbeitungsstufen im Gehirn geleitet werden.
Da der Ort des Amplitudenmaximums auf der Basilarmembran abhängig von der Frequenz des
Schallereignisses ist, wird auf die hier beschriebene Weise jede Frequenz eindeutig auf eine bestimmte
Stelle der Basilarmembran abgebildet.
Die sich auf der Basilarmembran ausbildende Wanderwelle ist das letzte Ereignis des Hörvorgangs, bei
dem sich der aus der Umwelt aufgenommene Schall noch als mechanische Schwingung nachweisen
läßt. Nach der Transformation beginnt die komplizierte neuronale Verarbeitung, deren Arbeitsweise bis
heute noch nicht eindeutig geklärt ist.

2.6.4 Informationsverarbeitung = neuronale Verarbeitung

Nachdem das Schallereignis den Weg des Schalltransportes durch Außen- und Mittelohr sowie die
Transformation in elektrische Nervenimpulse im Innenohr durchlaufen hat, schließt sich nun der letzte
und komplizierteste Teil des Hörvorgangs an, die neuronale Verarbeitung.
Alle Informationen, die auditiv verarbeitet werden, werden durch den Hörnerv übertragen. In gleicher
Weise, wie ein akustischer Reiz vollständig durch seine physikalischen Eigenschaften beschrieben
werden kann, kann man ihn theoretisch auch durch die Angabe aller Aktivitäten des Hörnerven
beschreiben.
Die Sinneszellen der Basilarmembran liefern an das Nervensystem Muster neuronaler Erregungen. In
diesen Mustern sind die physikalischen Eigenschaften des Schallsignals decodiert. Diese werden nun
durch das Nervensystem aufgearbeitet, damit sie dem Menschen als Wahrnehmung bewußt und auf
ihren Informationsgehalt hin analysiert werden können. Da die Codierungsstrategien und die
Arbeitsweise der neuronalen Verarbeitung sehr komplex und größtemteils noch nicht hinreichend
erforscht sind, kann an dieser Stelle nur ein kleiner Einblick in den Aufbau des Nervensystems und die
allgemeine Informationskodierung gegeben werden.

2.7 ) Die informationsverarbeitende Maschine - Das Nervensystem

Physiologisch bezeichnet man als Nervensystem den von Rückenmark und Gehirn gebildeten Komplex.
Das Nervensystem dient dem Empfang, der Organisation und der Auswertung von Nachrichten aus der
Umwelt. Aufgrund der aus diesen Nachrichten gewonnenen Informationen steuert es in einem
komplexen Prozeß die Wahrnehmung, Lernprozesse, Bewegungsabläufe und das Handeln des
Organismus.
Technisch gesehen, kann man das Nervensystem daher als eine informationsverarbeitende Maschine
auffassen, die innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde Zehntausende Signale von den Sinnesorganen
empfängt und Tausende von Signalen an das Gehirn sendet.

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Die Verarbeitung der Signale erfolgt durch ein kompliziertes System neuronaler Schaltkreise, die durch
die Verknüpfung der Nervenzellen (Neurone) gebildet werden.
Eine Nervenzelle ist hierbei nur ein Bestandteil einer Kombination von über 10 Milliarden Nervenzellen
im menschlichen Gehirn, die durch sehr komplexe, größtenteils dynamische Strukturen untereinander
verbunden sind.

2.7.1 Die grundlegende Einheit des Nervensystems - Das Neuron

Das Neuron stellt die funktionelle und strukturelle Einheit des Nervensystems dar. Neurone sind
spezialisierte Körperzellen, welche die besondere Eigenschaft besitzen, Nervenimpulse (neuronale
Erregungen) leiten zu können. Sie dienen somit der Nachrichtenübermittlung und der
Nachrichtenverarbeitung im Organismus.
Aus diesen Aufgaben geht hervor, daß die Nervenzelle in der Lage sein muß Nachricht, also neuronale
Erregungen, von anderen Nervenzellen zu empfangen, als auch zu diesen weiterzuleiten.
Zu diesem Zeck ist die Nervenzelle mit zwei Arten von Ausläufern, den Dendriten und dem Axon
versehen. Das Axon erfüllt die Leitungsfunktion der Erregung zwischen den Nervenzellen, die
Dendriten und das Soma stellen die Empfänger der Nervenzelle dar.
Die Übertragung der Nachricht zwischen den Nervenzellen wird durch die Synapsen erfüllt.
Einzelne Nervenzellen kommen im Organismus der Säugetiere nicht vor. Sie bilden immer ein Bündel,
die als Nerven bezeichnet werden. Hierbei ist eine einzelne Faser dieses Nerven zu nichts anderem in
der Lage, als neuronale Erregung in einer bestimmten Richtung weiterzuleiten.

32
2.7.2 Allgemeine Informationskodierung im Nervensystem

Die fundamentale neuronale Ausgangsbotschaft ist durch den einzelnen neuronale Impuls gegeben.
Diese Nervenimpulse sind elektrische Spannungsimpulse und werden als Aktionspotentiale (AP)
bezeichnet.
Das Signal eines Neurons, also das einzelne AP hat jedoch noch keinerlei Bedeutung. Erst das
komplexe Signal, das sich durch die Aussendung neuronaler Impulse eines ganzen Faserbündels ergibt,
kann zu einer sinnvollen Wahrnehmung verarbeitet werden.
Eine neuronale Botschaft ist durch die Häufigkeit oder die zeitliche Verteilung bestimmt, mit der die
einzelnen Impulse freigesetzt werden.
Die Entscheidung, ob ein Neuron aufgrund der ankommenden Informationen ein AP freisetzt oder
nicht, wird durch einen Integrationsprozeß entschieden.

Der Integrationsvorgang

Die Entscheidung ob eine Neuron feuert oder nicht, wird durch die zeitliche Summation (Integration)
der ankommenden hemmenden oder anregenden Impulse gefällt.
Nimmt ein Neuron innerhalb eines fest definierten Zeitintervalls eine Anzahl anregender Reize auf, die
die Zahl der gleichzeitig ankommenden hemmenden Reize übersteigt, so feuert das Neuron. Es entsteht
ein AP und die Erregung wird weitergeleitet. Der Zellkörper bildet also die Summe über die von den
Dendriten zugeführten Signale. Überschreitet diese Summe einen bestimmten Schwellwert, so sendet
das Neuron ein Signal aus, welches über die Axone zu weiteren Neuronen übertragen wird

Da bei diesem Vorgang die Anzahl der hemmenden und anregenden Signale über festes Zeitintervall
aufsummiert und anschließend verglichen wird, spricht man von der Integration der Nachricht. Wichtig
ist, daß die Entscheidung ob ein Neuron feuert oder nicht, sowohl von der zeitlichen als auch von der
räumlichen Verteilung der ankommenden Signale abhängig ist.

33
3) Schall und Schallausbreitung

3.1 Was ist Schall ? physikalisch-mathematische Betrachtung

Als Schall bezeichnet man die sich wellenartig ausbreitende räumliche und zeitliche
Druckänderung eines elastischen Mediums

Damit Schall entstehen und sich ausbreiten kann, bedarf es einer Schallquelle und eines elastischen
Mediums in dem sich der Schall fortpflanzen kann.
Steht die Schallquelle mit einem elastischen Medium, z.B. der Luft in Verbindung, so überträgt sie
ihre Schwingungen auf die umgebenden Luftmoleküle. Die so angeregten Teilchen übertragen ihre
Schwingungen wiederum auf ihre Nachbarmoleküle, so daß sich die von der Schallquelle
ausgehende Erregung im gesamten Raum ausbreitet.

3.1.1 Was ist Schalldruck ?

Durch die Anregung der Luftmoleküle kommt es zu Zonen mit Verdichtungen und Verdünnungen
der Teilchenabstände, die aufeinander folgen und sich wellenartig im Raum ausbreiten. Die
Verdichtung der Molekülabstände verursacht einen Luftdruckanstieg gegenüber dem schon
vorhandenen atmosphärischen Luftdruck. Analog wird durch die Verdünnung der Teilchenabstände
ein niedrigerer Luftdruck erzeugt. Auf diese Weise entstehen Luftdruckschwankungen die dem
schon vorhandenen atmosphärischen Luftdruck überlagert und als Schalldruck [p] bezeichnet
werden. Da sich dieser Vorgang wellenförmig ausbreitet, spricht man von der Entstehung einer
Schallwelle

Die Einheit des Luftdrucks ist N/m2 ( Newton pro Quadratmeter ). 1 Newton entspricht einem
Gewicht von 102 Gramm. Der Wert des atmosphärischen Luftdrucks beträgt 100 000 N/m2.
Wetterbedingte Luftdruckänderungen ( Hochdruck, Tiefdruck ) betragen bis zu 2000 N/m2.
Die kleinste für das Ohr wahrnehmbare Luftdruckschwankung bei einer Schallquelle mit einer
Frequenz von 1 kHz beträgt gerade mal 0.00002 N/m2. Die Schmerzschwelle liegt bei 20 N/m2.
Damit beträgt das Verhältnis zwischen niedrigster und höchster Luftdruckschwankung, die das Ohr
verarbeiten kann, 1:1 000 000

Nachfolgend eine Darstellung des Verlaufs der Schalldruckamplitude einer sinusförmigen


Schwingung.

34
3.1.2 Wie funktioniert Schallausbreitung ?

Um den Vorgang der Schallausbreitung zu veranschaulichen, kann man sich, wie in der
nachfolgenden Grafik gezeigt, die Luftmoleküle als Masseklötzchen vorstellen, die durch
Federn elastisch gekoppelt sind. Die Schwingung des ersten Teilchens wird über die Federn
auf die weiteren Teilchen übertragen. Gleichzeitig sorgen die Federn dafür, dass jedes Teilchen
an seinem Ort bleibt und nur um seine Ruhelage hin- und herschwingt.
Hierbei ist der Schalldruck die Amplitude der maximalen Auslenkung aus der Ruhelage. Die
Geschwindigkeit, mit der ein einzelnes Teilchen hin- und herschwingt ist die Schallschnelle.
Die Schallschnelle ist nicht zu verwechseln mit der Schallgeschwindigkeit. Die
Schallgeschwindigkeit ist das Tempo, in dem sich der Schall innerhalb eines elastischen
Mediums ausbreitet.

3.1.3 Wie man Schallwellen mathematisch beschreiben kann

Da Schall auf Schwingungen beruht, lassen sich Schallereignisse durch ihren zeitlichen
Schwingungsverlauf darstellen und beschreiben.
Die einfachste Schwingungsform liegt mit der harmonischen oder sinusförmigen Schwingung
vor, die man mit einem mathematischen Pendel oder mit bestimmten Schallquellen, z.B. einer
Stimmgabel erzeugen kann.

Trägt man den Verlauf einer sinusförmigen Schwingung über der Zeit auf, so erhält man einen
typischen Verlauf, der eindeutig durch die Größen

* Periodendauer T : zeitliche Dauer eines Schwingungsverlaufs


* Amplitude A: Maximale Auslenkung der Schwingung
* Phase j: Startpunkt der Schwingung, bzw. zeitliche Verschiebung zweier
Schwingungsverläufe zueinander beschrieben wird.

Aus Gründen der Handhabbarkeit wird statt der Periodendauer T die Frequenz f zur
Beschreibung der Schwingungsanzahl pro Sekunde verwendet. Diese ergibt sich direkt aus
dem Kehrwert der Periodendauer:

* Frequenz f : f = 1/T : Schwingungsanzahl pro Sekunde. Die Einheit der Frequenz ist das
Hertz [Hz]

Schallereignisse, die durch sinusförmige Schwingungen hervorgerufen werden, bezeichnet


man als reine Töne.
Der zeitliche Verlauf einer Sinusschwingung ist in der nachfolgenden Grafik dargestellt

35
3.1.4 Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Medien

Material c, m/s

Luft - 10° 325.6


0° 331.8
10° 337.8
20° 343.8
800° 658

Helium 0° 971
Wasser 10° 1481
Eisen 5850
Aluminium 6400

3.1.5 Auswirkung von Amplitude und Frequenz auf die Hörwahrnehmung

Werden sinusförmige Schwingungen mit einer harmonisch angeregten Lautsprechermembran


hörbar gemacht, so haben die Größen Amplitude und Frequenz bestimmte Auswirkungen auf
die Hörempfindung.

Die Amplitude ist für die Lautstärke massgebend ( je grösser, desto lauter ), die Frequenz für
die Tonhöhe ( je grösser der Wert, desto höher der Ton ).

Erhöhung der Amplitude, Frequenz konstant

36
Erhöhung der Frequenz, Amplitude konstant

3.1.6 Ton, Klang, Geräusch

Neben Tönen, die durch Sinusschwingungen erzeugt werden, existiert noch eine unendliche
Anzahl an Schallereignissen, die einen von der Sinusform abweichenden Schwingungsverlauf
aufweisen. Ein Schallereignis, das zwar einen periodischen Schwingungsverlauf aufweist,
dessen Amplitudenverlauf aber von der Sinusform abweicht, entsteht durch die Überlagerung
mehrerer Sinusschwingungen verschiedener Amplituden und Frequenzen. Wenn die
Frequenzen der Einzelschwingungen hierbei in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander
stehen, werden sie als Klang bezeichnet. Die Komponenten eines Klanges haben spezielle
Namen, die in der Akustik zur physikalischen Beschreibung von Schallen häufig benutzt
werden.
Bei Klängen bezeichnet man die tiefste vorhandene Frequenz als Grundschwingung. Die
darauf aufbauenden Teilschwingungen mit ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz
werden als Oberschwingungen oder Harmonische bezeichnet. Die von Musikinstrumenten
erzeugten Töne stellen, physikalisch gesehen, Klänge dar.

Schallereignisse, die aus theoretisch unendlich vielen Einzelschwingungen bestehen, deren


Frequenzabweichungen (Frequenzabstände) beliebig klein sind, werden als Geräusch
bezeichnet. Geräusche weisen meistens. einen nichtperiodischen Schwingungsverlauf auf. Das
bedeutet, daß ein zu einem beliebigen Zeitpunkt betrachteter Amplitudenverlauf nur mit Hilfe
statistischer Aussagen angegeben werden kann.
Ein Ausschnitt eines charakteristischen Schwingungsverlauf eines Geräusches ist in der
nachfolgenden Grafik dargestellt. Es gibt unendlich viele Geräusche, die sich durch ihre
Intensität, ihre Klangfarbe und ihren Rhythmus unterscheiden. Zwei für die Akustik wichtige
Geräusche sind das sogenannte weiße Rauschen und das Bandpaßrauschen
(Schmalbandrauschen).

37
Im musikalischen Zusammenhang haben die in der Akustik recht klar getroffenen
Unterscheidungen zwischen Ton, Klang und Geräusch keine wirkliche Bedeutung,
da Musikinstrumente in der Regel erst aus dem Zusammenspiel zwischen klang- und
geräuschhaften Anteilen ihren individuellen Charakter bekommen.

3.1.7 Darstellung durch das Frequenzspektrum

Jede periodische Schwingung kann als eine Überlagerung von Sinusschwingungen


unterschiedlicher Amplituden und Frequenzen dargestellt werden.
Trägt man die Amplituden der beteiligten Schwingungen in Abhängigkeit der Frequenz auf, so
erhält man eine Darstellung die als Frequenzspektrum (kurz: Spektrum) bezeichnet wird.
Im Spektrum wird die Amplitude jeder Teilschwingung durch eine Linie entsprechender Höhe
in Abhängigkeit ihrer Frequenz repräsentiert. Der Zusammenhang zwischen dem zeitlichen
Schwingungsverlauf und dem Spektrum soll durch die nebenstehende Zeichnung verdeutlicht
werden.
Die Darstellung von Schwingungen durch das Spektrum nennt man Darstellung im
Frequenzbereich. Analog bezeichnet man die Darstellung als zeitlichen Verlauf als Darstellung
im Zeitbereich.
Reine Töne und Klänge können als diskretes Spektrum, d.h. als Spektrum mit einzelnen Linien
dargestellt werden. Geräusche hingegen besitzen ein kontinuierliches Spektrum. Die
Darstellung durch das Spektrum ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Beschreibung von Schallen,
da jedes Schallereignis ein charakteristisches Spektrum besitzt.

38
3.1.8 Die Klangfarbe

Hört man einen Klang oder ein Geräusch, so empfindet man zusätzlich zur Tonhöhe und
Lautstärke noch etwas anderes: Die Klangfarbe.
Die Klangfarbe wird dadurch definiert, daß die Amplituden der verschiedenen Obertöne mit
unterschiedlicher Ausgeprägtheit vorhanden sind.
Klänge weisen eine zunehmend "härtere, brillantere" Färbung auf, wenn die Zahl der Obertöne
und deren Ausgeprägtheit zunimmt. Je schwächer die Ausgeprägtheit der beteiligten Obertöne
in einem Klang ist, um so "weicher" klingt er.

3.1.9 Die Definition des Schallpegels

Eine der zentralen Größen in der Akustik ist der Schalldruckpegel, der zur Beschreibung der
Lautstärke benötigt wird.
Dieser ist als logarithmisches Maß für das Verhältnis zwischen dem gemessenen Schalldruck
und einem Bezugsschalldruck definiert. Der Bezugsschalldruck ist per Definition auf 20µ Pa
festgelegt. Dieser Schalldruck entspricht einem Schalldruckpegel von 0 dB.
Ein sinusförmiger Ton von 1000 Hz ist bei diesem Pegel gerade noch hörbar. Die Größe des
Schalldruckpegels wurde eingeführt, damit man den Wertebereich des Schalldrucks, den das
Gehör verarbeiten kann ( zwischen Hörschwelle und Schmerzschwelle beträgt das
Schalldruckverhältnis 1 : 1 000 000 !! ), mathematisch sinnvoll handhaben und darstellen
kann. Einen Überblick über die Zuordnung zwischen Schallpegel und entsprechender
Lautstärkeempfindung soll durch die Grafik verdeutlicht werden. Aus der Grafik ist auch
ersichtlich, daß das Gehör einen Wertebereich von 0 dB bis 120 dB verarbeiten kann.
Die Gleichung für den Schalldruckpegel (Schallpegel) lautet:

Schalldruckpegel [dB] = 20 log (Gemessener Schalldruck / Bezugsschalldruck) dB

39
3.1.10 Amplitudenmodulation

Als Amplitudenmodulation bezeichnet man die periodische Änderung der Amplitude eines
Schallereignisses in Abhängigkeit der Zeit. Ändert man die Amplitude eines reinen Tones
periodisch über der Zeit, so weist das Resultat zwar eine konstante Tonhöhe aber eine sich
periodisch verändernde um einen Mittelwert schwankende Lautstärke auf (s. Grafik).
Amplitudenmodulierte Töne stellen eine wichtige Klasse in der technischen Akustik dar.
Die zu modulierende Schwingung wird Grundschwingung (Trägerschwingung, rot ) genannt.
Die Grundschwingung bestimmt die Tonhöhe und die Lautstärke des Tones.
Die Schwingung, welche die Schwankung der Lautstärke um den Mittelwert verursacht, wird
modulierende Schwingung (blau), ihre Frequenz Modulationsfrequenz genannt. Die
Modulationsfrequenz bestimmt die Schnelligkeit, die Amplitude der modulierenden
Schwingung die Größe der Lautstärkeänderung.

Grafik zur Amplitudenmodulation

40
3.1.11 Frequenzmodulation

Als Frequenzmodulation bezeichnet man die periodische Änderung der Frequenz eines
Schallereignisses. Hierdurch weisen frequenzmodulierte Schallereignisse eine sich zeitlich
ändernde Tonhöhe auf.

Ändert man die Frequenz eines reinen Tones periodisch über der Zeit, so erhält man einen Ton
konstanter Lautstärke aber mit sich periodisch ändernder Tonhöhe.
Eine frequenzmodulierte Schwingung weist eine konstante Amplitude bei sich periodisch
ändernder Frequenz auf. Dieser Zusammenhang ist in der nebenstehenden Abbildung
dargestellt. Die zu modulierende Schwingung wird Grundschwingung genannt, diese bestimmt
die Grundtonhöhe und die Lautstärke des Tones. Die Frequenz der modulierenden
Schwingung, welche die Tonhöhenschwankung verursacht, wird Modulationsfrequenz
genannt. Die Modulationsfrequenz bestimmt die Schnelligkeit, die Amplitude der
modulierenden Schwingung die Größe der Frequenzänderung.

Grafik zur Frequenzmodulation

41
4) Abstrahlcharakteristik der Musikinstrumente

Neben den allgemeinen raumakustischen Parametern wie Raumgröße, Nachhallzeit,


Frequenzgang des Nachhalls, Laufzeit und Dichte der ersten Reflexionen, Größe des
Hallradius sowie Absorptionsgrad der einzelnen Flächen spielt auch die frequenzabhängige
Richtcharakteristik der Instrumente eine wichtige Rolle für deren räumlichen Klang.

So ist zum Beispiel der Klang einer Trompete in einem Konzertsaal in 20m Entfernung von der
Bühne sehr viel direkter als der einer Tuba, weil durch die starke Richtwirkung im hochfrequenten
Bereich relativ wenige Reflexionen im Raum erzeugt werden und somit der Diffusschallanteil
gering ist.

Bei einer sinnvollen Aufstellung der Instrumente auf der Bühne oder in einem Orchestergraben
spielt die Berücksichtigung der Richtcharakteristik der Instrumente eine wichtige Rolle.
Ungünstige räumliche Vorgaben wie zum Beispiel ein abgesenkter Orchestergraben können
durch bauliche akustische Maßnahmen wie Wand- oder Deckenreflektoren verbessert werden.
Für deren sinnvollen Einsatz ist aber die Kenntnis des Abstrahlverhaltens der Instrumente unabdingbar.

Die nachfolgend beschriebenen Richtcharakteristiken der einzelnen Instrumente sind natürlich


nicht für jedes Instrument einer Instrumentengruppe exakt gleich. Dennoch lassen sich über
statistische Mittelungen wesentliche gemeinsame Merkmale feststellen.

Bei den nachfolgenden Grafiken ist für die jeweiligen Frequenzbereiche die Hauptrichtung
der Abstrahlung angegeben. Selbstverständlich sind die entsprechenden Klanganteile auch
aus anderen Richtungen wahrnehmbar, allerdings mit teilweise deutlich geringerem Pegel
und entsprechender Auswirkung auf die Klangfarbe des Instrumentes.

Die Messungen der Abstrahlcharakteristik müssen natürlich in einem reflexionsarmen Raum


durchgeführt werden, um Einflüsse des Raumes auf die Verteilung der Schallenergie in
den verschiedenen Frequenzbereichen auszuschließen.

Zur Übersetzung der Frequenzbereiche in musikalisch klingende Tonhöhen sei auf die entsprechende
Tabelle verwiesen. Sehr hohe Frequenzen kommen nicht mehr als „spielbare“ Töne vor, sehr wohl
aber als Teil des Obertonspektrums.

42
4.1 Violine

Die Abstrahlcharakteristik kommt im wesentlichen durch die schwingenden Holzteile des


Resonanzkörpers in Zonen mit verschiedener Amplituden- und Phasenlage zustande.
Während die Abstrahlung im tieffrequenten Bereich kugelförmig ist, gibt es im Bereich der
mittleren Frequenzen zwischen 500 und 1500 Hz sehr ausgeprägte Hauptabstrahlungsrichtungen.
Im höheren Frequenzbereich ab ca. 2000 Hz ist die Abstrahlung im Vergleich zu Blasinstrumenten
relativ breit.
Im Nahbereich hat die Frequenzkurve in den Formantbereichen ( siehe entsprechende Grafik ) eine
zerklüftete, fast kammfilterähnliche Struktur, die erst durch die Überlagerung von Raumreflexionen
geglättet wird. In sehr trockenen Räumen kann es daher in Abhängigkeit vom Hörort zu
unterschiedlichen Klangeindrücken kommen. Ebenso ist bei der Mikrofonierung insbesondere bei
E-Musik ein etwas grösserer Mikrofonabstand empfehlenswert, um ein ausgewogenes Frequenz-
spektrum zu erhalten.

Die Eigenschaften der Viola unterscheiden sich in den oben genannten Punkten nicht wesentlich von
der Violine, weshalb hier auf eine separate Betrachtung verzichtet werden kann.

43
4.2 Violoncello

Das Cello weist nur im Bereich der tiefsten Frequenzen eine kugelförmige Charakteristik auf ( tiefster
Ton = C = 65 Hz ). Bereits ab 150 Hz ist eine Konzentration der Hauptenergie auf die vom Spieler aus
gesehen rechte Seite festzustellen. Im Gebiet zwischen 250 und 300 Hz spielen Bodenresonanzen eine
grosse Rolle. In entsprechenden Sälen ( z.B. Großer Saal der Musikakademie ), die von sich aus
Resonanzen in diesem Bereich haben, kann dies zu Überhöhungen führen, die man nur durch akustische
Entkoppelung ( z.B. einen dicken Teppich unter das Cello legen ) in den Griff bekommt.
Bei etwa 300 Hz ist die Abstrahlung nach hinten stärker, die Breite der Maxima ist jedoch bei den
einzelnen Celli unterschiedlich. Die folgenden Frequenzen bis etwa 700 Hz strahlen hauptsächlich nach
vorne ab, während bei 800 bis 1000 Hz die seitliche Abstrahlung am stärksten ausgeprägt ist.
Bei den hohen Frequenzen von 2000 Hz aufwärts erfolgt die stärkste Abstrahlung wieder nach vorne,
wobei häufig die vom Spieler aus gesehen linke Seite etwas benachteiligt ist.

In der vertikalen Ebene ( siehe nächste Seite ) ist das Problem der Bodenresonanzen im Bereich von
250 Hz ebenfalls gut zu sehen. Im Bereich der hohen Frequenzen ab 2000 Hz gibt es zwei Maxima,
eines nach oben Richtung Decke, eines Richtung Boden, weswegen reflektierende Flächen des
Konzertsaals in diesen Richtungen für einen brillanten Celloklang wichtig sind. Im übrigen sind
reflektierende Flächen an der Decke auch für Violinen unabdingbar, da auch sie wesentliche
Klanganteile nach oben abstrahlen.

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45
4.3 Kontrabass

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bereits bei sehr tiefen Frequenzen ist eine ausgeprägte Bündelung
des abgestrahlten Schalls vorhanden ist.
Zwischen 200-250 Hz gibt es zwei Maxima ( nach vorne links und nach hinten rechts ). Eine
vergleichbare Konstellation herrscht bei 600-800 Hz. In weiteren mittleren Frequenzbereichen gibt es
vom Spieler aus gesehen Bündelungen nach vorne und nach rechts. Auffällig ist die relativ breite Ab-
Strahlung der höheren Frequenzen ab 1000 Hz nach vorne.

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4.4 Flöte

Ein Überblick über die folgenden Grafiken zeigt, dass der Klang der Flöte in fast allen
Frequenzbereichen in einem relativ breiten Winkel nach vorn abgestrahlt wird.
Dies gilt auch für die vertikale Abstrahlung nach oben.
Bei Frequenzen bis ca. 1200 Hz ist allerdings auch die Abstrahlung nach hinten stark aus-
geprägt, wodurch sich in diesem Bereich die Schallenergie fast rotationssymmetrisch zur
Hauptachse des Instruments verteilt. Bei höheren Frequenzen macht sich die Abschattung
durch Kopf und Körper des Instrumentalisten bemerkbar, weshalb in diesen Bereich die be-
vorzugte Abstrahlrichtung nach vorne und nach oben ist. Lediglich bei höchsten Frequenzen
ab 8000 Hz ist eine ausgeprägte Richtwirkung nach rechts vom Spieler aus gesehen festzustellen.

Aufgrund dieser Richtcharakteristiken ist die übliche Konzertaufstellung der Flöte mit Blickrichtung
zum Publikum als die akustisch sinnvollste anzusehen. Selbst bei einer gleichen Sitzhöhe im Orchester
wie die davor sitzenden Streicher bleiben immer noch die Reflexionen von der Decke wirksam, da diese
auch im Winkelbereich bevorzugter Schallabstrahlung liegt. Schallreflexionen von der Rückwand hinter
dem Orchester spielen bei der frontalen Sitzweise vor allem für die tieferen Frequenzanteile eine Rolle.
In den unteren Lage werden durch die Reflexionen der Rückwand die Grundtöne und die ersten
Obertöne verstärkt, in den höheren Lagen beschränkt sich die Verstärkung auf die Grundtöne.
Bei Aufstellung von Solisten vor dem Orchester ist die frontale Aufstellung ebenfalls zu bevorzugen,
soweit der Kontakt zum Dirigenten dies zulässt.

47
4.5 Oboe

Die Klangkomponenten im Bereich des Hauptformanten, die bei etwa 1000 Hz liegen, werden sehr
vorteilhaft nach vorn in den Saal abgestrahlt. Der Hauptbereich erstreckt sich in der Vertikalen von
der Waagerechten bis zu einem Winkel von 50° nach oben, so dass das Publikum sowohl direkt als auch
über Reflexionen von der Decke erreicht wird. Auch bei 2000 Hz gibt es eine direkte Abstrahlung nach
vorne sowie eine zweite Hauptrichtung nach oben. Deren akustische Wirkung hängt vom
Neigungswinkel der Decke ab. Ist sie waagerecht, so kommen die Reflexionen in erster Linie auf das
Orchester zurück. Sind schräg geneigte Reflektoren vorhanden, ist auch eine Schallspiegelung in
Richtung Publikum möglich.
Bei höheren Frequenzen erfolgt die Schallabstrahlung hauptsächlich zum Fußboden hin, so dass die
zum Hörer gelangende Intensität in erster Linie von dessen Reflexionsfähigkeit abhängt. Innerhalb des
Orchesters werden diese Schallanteile sehr stark durch die davor sitzenden Musiker absorbiert. Das wird
allerdings als eher angenehm empfunden, da der Oboenklang ohne diese Absorption sehr scharf werden
kann. Bei 4000 Hz gibt es außerdem ein sehr steil reflektiertes Strahlenbündel, das durch eine weitere
Deckenreflexion zum Publikum gelangen kann. Den nach hinten abgestrahlten Schallanteilen ist keine
allzu große Bedeutung zuzumessen, weshalb das Vorhandensein von rückwärtigen Reflexionsflächen
bei der Oboe keine wichtige Rolle spielt.

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4.6 Klarinette

Die Winkelbereiche der stärksten Schallabstrahlung liegen bei der Klarinette ähnlich wie bei den
Oboen. Lediglich das bei 2000 Hz nach oben gerichtete Schallbündel fehlt. Die Abstrahlung in diesem
Bereich ist wegen der steileren Haltung des Instruments auch etwas flacher nach unten gerichtet.
Bei der normalen Sitzordnung der Klarinette im Orchester werden die Frequenzanteile bis über 1000 Hz
wie bei der Oboe frontal und über eine Deckenreflexion ins Publikum gerichtet. Die volle und runde
Klangfarbe der Klarinette in großen Sälen erklärt sich aus der Tatsache, dass sich in diesem
Frequenzbereich die O- und A-Formanten befinden. Hierbei ist allerdings eine freie Abstrahlung ohne
allzu große Abschattung durch davor sitzende Spieler erforderlich, da sich ansonsten durch den
überproportionalen Anteil der Deckenreflexion ein räumlich etwas diffuser Klangeindruck ergibt.
Rückwandreflexionen haben bei der Klarinette allenfalls für die Grundtöne in der tiefen Lage eine
Bedeutung, die hier eine verstärkende Wirkung erfahren.
Die ungehinderte Abstrahlung der Fußbodenreflexionen hat weniger auf die Lautstärke als vielmehr auf
die Klangfarbe der Klarinette eine Auswirkung. Frequenzanteile oberhalb etwa 1500 Hz sind deutlich
ausgeprägter und machen den Klang brillanter, aber auch schärfer.

Für Klarinette und Oboe gilt, dass bei Mikrophonaufnahmen schon kleine Positionsänderungen des
Mikrophons aufgrund der unterschiedlichen Abstrahlungswinkel in den verschiedenen Bereichen
höherer Frequenzen zu deutlichen Klangfarbenunterschieden führen.

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4.7 Fagott

Bei Frequenzen bis etwa 250 Hz ist die Intensität nach allen Seiten ungefähr gleich ( ohne Abbildung ).
Im Gebiet um 300 Hz ist die Abstrahlung in der waagerechten Ebene ringsum sehr stark, so dass auch
Rück- und Seitenwandreflexionen mit entsprechend verstärkender Wirkung eine Rolle spielen.
Im Frequenzbereich der stärksten Klanganteile des Fagotts um 500 Hz ist der Schall direkt auf das
Publikum gerichtet. Ebenfalls werden Seitenwand- und Deckenreflexionen erzeugt. Dabei ist die
Wirksamkeit der Deckenreflexionen für den Publikumsbereich von der Neigung der Decke abhängig
Im darüberliegenden Frequenzbereich bis über 1000 Hz gibt es eine Aufteilung in vier
Hauptabstrahlungsrichtungen, ab 2000 Hz sind noch zwei Schallbündelungen festzustellen, während
im hochfrequenten Teil bei 5000 Hz die Schallenergie direkt nach oben in Achsrichtung des
Instruments abgestrahlt wird. Der relativ steil ansteigende Winkel der ins Publikum gerichteten Anteile
bei 1000 bis 2000 Hz bedingt, dass eine gleichmäßige Verteilung dieser Anteile nur bei ansteigender
Bestuhlung möglich ist. Bei flacher Bestuhlung wird das Fagott durch das Fehlen der
Direktschallanteile insbesondere in den hinteren Reihen etwas schwächer sein.
Bei den höchsten Frequenzen, die vor allem bei großer Lautstärke auftreten, führt die eng gerichtete
Abstrahlung nach oben dazu, dass diese Klanganteile hauptsächlich durch Deckenreflexionen ins
Publikum gelangen. Die damit verbundene leichte Dämpfung dieser Anteile ist für das Timbre des
Fagotts durchaus von Vorteil.

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4.8 Hörner

Beim Horn ist die Intensität der Frequenzen unter 100 Hz nach allen Richtung gleich
( ohne Abbildung ). Die Frequenzen ab 150 Hz bis 500 Hz werden in der horizontalen
nach rechts in der Breite eines Halbkreises abgestrahlt. Die höheren Frequenzen ab 1000 Hz
konzentrieren sich auf einen engeren Winkel, der nach rechts und hinten orientiert ist. Diese
Komponenten erreichen die Zuhörer vorwiegend über Wandreflexionen.
Die allgemeine Bevorzugung der rechten Seite sowie der rückwärtigen Richtungen ist auch bei
der vertikalen Abstrahlung zu beobachten. Außerdem gibt es bis ca.1300 Hz ein ausgeprägtes
Strahlenbündel nach vorne aufwärts, welches über eine Deckenreflexion in den Zuschauerbereich
des Saales gelangen kann. Unterhalb von 600 Hz ist die Direktabstrahlung nach vorne bis zur
Horizontalen erweitert, so dass die Komponenten, welche die Hauptformanten des Hornes enthalten,
auch direkt auf die Zuhörer abgestrahlt werden. Bemerkenswert sind die ausgeprägten Maxima in der
Vertikalen zwischen 1000 und 1300 Hz. Dieser Bereich des hellen a-Formanten kann sowohl über
Seitenwand- als auch über Decken- und Rückwandreflexionen zum Zuhörer gelangen und fördert
so einen kraftvollen Klang des Horns. Zur rechten Seite hin tritt mit steigender Frequenz eine
zunehmende Aufteilung in zwei Hauptrichtungen ein, die ihrerseits auch enger werden. In diesem
Bereich kommt neben den Seitenwandreflexionen auch den Schallrückwürfen von der Decke eine
Bedeutung zu. Die höchsten Frequenzen treten nur bei gesteigerter Lautstärke auf. Der Glanz des
Forte-Klangs sowie die gesamte dynamische Wirkung des Horns kommen besser zur Geltung, wenn
die hohen Frequenzanteile über Reflexionen zum Publikum gelenkt werden. Andernfalls kann der
Klangcharakter des forte zu matt bleiben.

Die außerordentlich verschiedene Klangwirkung des Horns in Abhängigkeit von der Abstrahlrichtung
ist in den Sonagrammen ( grafische Darstellung des Frequenzspektrums mit Intensität und Dauer )
auf S.15 dargestellt. Bei Abbildung 1 wurde das Sonagramm des im Notenbeispiel gezeigten Motivs
im reflexionsarmen Raum von einem Mikrofon in 3,5m Abstand vor dem Spieler aufgenommen.
Abbildung 2 zeigt das Sonagramm desselben Motivs in 3,5m Entfernung rechts neben dem Spieler.
Es ist unschwer zu erkennen, dass rechts neben dem Spieler ein obertonreicherer Klang entsteht.

In Abbildung 3 und 4 ist die Auswirkung einer reflektierenden Fläche hinter dem Spieler zu sehen.
Bei Abbildung 3 ist das Sonagramm des im Notenbeispiel gezeigten Motivs in 1m Abstand vor dem
Spieler ohne reflektierende Rückwand zu sehen, in Abbildung 4 mit reflektierender Rückwand.
Das Klangspektrum mit reflektierender Rückwand ist deutlich obertonreicher.
Eine schallharte Fläche hinter dem Spieler hat auch deutliche Auswirkungen auf den Pegel des Horns.
In Abhängigkeit von der Frequenz sind Pegelerhöhungen bis zu 15 dB möglich, wie dem unteren Teil
der Abbildung 5 zu entnehmen ist.

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4.9 Trompeten

Im Bereich bis ca. 500 Hz strahlt die Trompete allseitig gleichmäßig ab ( ohne Abbildung ).
Anschließend konzentrieren sich die stärkeren Energieanteile nach vorn in einem Winkelbereich,
der räumlich betrachtet etwa die vordere Halbkugel umfasst. Bei Frequenzen bis 1000 Hz erreicht
der Schall die Zuhörer nicht nur auf direktem Wege sondern auch über Reflexionen an weiten Teilen
der Saaldecke und der Seitenwände. Fußbodenreflexionen sind ebenfalls möglich, wobei deren
Bedeutung bei großen Orchestern wegen der Absorption durch die davor sitzenden Musiker gering ist.
Eine Besonderheit ist im Bereich von 800 Hz zu beobachten, weil dort sowohl in der Horizontalen als
auch in der Vertikalen die Bedeutung von Reflexionen von der höher gelegenen Rückwand sowie der
gesamten Decke noch einmal zunimmt. Bei höher werdender Frequenz ab 1000 Hz wird die
Abstrahlung der Trompete zunehmend enger. Neben dem Direktschall sind dann nur noch Reflexionen
von weiter entfernten Teilen der Decke und der Seitenwände wirksam. Da diesem Frequenzbereich die
stärksten und für das Timbre der Trompete typischen Klanganteile liegen ( auch im piano ), wirkt der
Klang der Trompete auch in größerer Entfernung noch relativ direkt. Für die freie Abstrahlung der
stark gebündelten höheren Frequenzen ist die erhöhte Sitzordnung im Orchester wichtig. Ebenso ist
es sinnvoll, die Trompeten weit hinten zu plazieren, da dadurch eine gleichmäßigere Verteilung der
hochfrequenten Anteile ermöglicht wird. Die Ausrichtung des Schalltrichters zum Notenpult spielt
ebenfalls eine wichtige Rolle. Richtet der Spieler die Trompete gegen das Notenpult, so entsteht durch
die Abschattung der hohen Frequenzen eine weicherer Klang. Wird der Schalltrichter über das
Notenpult gerichtet, ist der Klang heller und strahlender. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass sich
auf Plätzen außerhalb des Hallradius der Trompeten bei hohen Frequenzen ( d.h. seitlich und hinter
dem Orchester ) nicht der gleiche Klangeindruck wie beim Dirigentenpult einstellt. In Sälen mit
relativ vielen Plätzen in diesem Bereich entsteht durch schärfere Tongebung bei normaler Sitzhaltung
ein gleichmäßiger verteiltes Klangbild.
Dabei sei betont, dass ein Maximum an Intensität bei den höchsten Frequenzen nicht grundsätzlich
erstrebenswert ist, sondern meist nur bei hohen Dynamikstufen.

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4.10 Posaunen

Bei den Posaunen wird, ähnlich wie bei den Trompeten, die Schallbündelung zu hohen Frequenzen hin
zunehmend enger. Bei direkter Ausrichtung zum Publikum wirkt diese Instrumentengruppe leicht zu
hart und hat nicht die gewünschte Sonorität. Bis etwa 700 Hz spielen bei der Posaune Seitenwand- und
Deckenreflexionen für die Intensität eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur Trompete, wo die stärkste
Energie in einem Frequenzgebiet mit relativ scharfer Bündelung abgestrahlt wird, liegt bei den
Posaunen der Hauptformant in einem Frequenzbereich, in dem die Intensität seitlich des Spielers nur
um etwa 3 dB gegenüber der Blickrichtung abgeschwächt ist. Diese wichtigen Klanganteile werden also
verhältnismäßig breit in den Raum abgestrahlt. Diese Tatsache verdient besondere Beachtung auf
Podien, deren Seitenwände relativ weit vom Orchester entfernt sind, da in diesem Fall die ungehinderte
Abstrahlung von seitlichen Wandreflexionen zu unausgewogenen Lautstärkebalancen im Publikum
führen kann. Eine seitliche Aufstellung der Posaunen sollte insbesondere dann vermieden werden, wenn
die Seitenwände neben dem Podium nicht parallel verlaufen, sondern sich zum Saal hin erweitern, da
einseitige Schallrückwürfe von einer Seitenwand zu lautstärkemäßigen Überhöhungen der Posaunen in
den entsprechenden Bereichen des Publikums führen. Da Posaunisten meist in der hintersten Reihe des
Orchesters sitzen, ist die Frage nach dem Einfluss der Reflexionen durch die Rückwand des Podiums
interessant. Aufgrund der Richtcharakteristik der Posaune wirken sich Reflexionen der Rückwand
hauptsächlich im Frequenzbereich bis 400 Hz aus. Durch eine reflektierende Rückwand wird die
Klangfarbe der Posaunen etwas dunkler und grundtöniger, ohne dass sich jedoch, im Gegensatz zum
Horn, die Lautstärke deutlich ändert, weil der Hauptformant kaum beeinflusst wird.

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4.11 Tuba

In der folgenden Abbildung sind die Bereiche der bevorzugten Schallabstrahlung für drei
Frequenzbereiche in zwei unterschiedlichen Vertikalebenen dargestellt. Wegen der etwas schrägen
Lage der Trichterachse im Raum ergeben sich hierbei etwas unterschiedliche Abstrahlungsbreiten.
Bei Frequenzen bis etwa 75 Hz erfolgt die Abstrahlung nach allen Seiten in gleicher Stärke ( ohne
Abbildung ). Im Konzertsaal ist der Direktschall für die Abstrahlung zum Publikum nur bei den
tiefsten Frequenzen von Bedeutung. Schon im Gebiet des Hauptformanten ( je nach Instrument
zwischen 210-250 Hz ) ist die Intensität in der waagrechten Ebene um 3 dB niedriger als nach oben hin.
Mit wachsender Frequenz wird die Bündelung immer enger. Klanganteile über 800 Hz werden zur
Decke hin bereits 20 dB lauter abgestrahlt als in der Horizontalen. Für einen vollen, runden Klang der
Tuba sind diese Frequenzanteile jedoch schon relativ hoch, d.h. sie werden vielfach als eher unschön
empfunden, zumal sich bei den höheren Frequenzen auch geräuschhafte Anteile des Tubenklangs
befinden. Richard Strauss, bekanntermaßen ein Meister der Instrumentation, forderte, die Tuba nicht
lauter als mf zu spielen, um einen vollen, runden Klang ohne hochfrequente Geräuschanteile zu
erzielen. Deckenreflexionen, die die nach oben abgestrahlten höheren Frequenzen noch verstärken
würden, sind im Falle der Tuba eher unerwünscht. Sie können im Extremfall sogar zu
Fehllokalisationen führen, bei denen der Zuhörer den Eindruck hat, das Instrument hinter der
Reflexionsfläche an der Saaldecke zu orten; denn die tieffrequenten Direktschallanteile tragen wenig
zur Lokalisation bei.

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4.12 Flügel

4.12.1 Flügel, Deckel offen :

Die Schallabstrahlung des Flügels setzt sich aus Schwingungen des Resonanzbodens sowie bei
hohen Frequenzen aus Direktabstrahlung der Saiten selbst zusammen. Die Schwingungen des
Resonanzbodens werden sowohl direkt als auch über Reflexionen des Schalldeckels und des
Fußbodens in den Saal übertragen. Die Abstrahlung der Saiten selbst bei hohen Frequenzen erfolgt
ebenfalls direkt und über Reflexionen des Schalldeckels.
Aus diesen Komponenten bilden sich im Zusammenwirken die Richtwirkungen, wobei noch zu
berücksichtigen ist, dass sowohl der Deckel als auch das Instrument selbst für gewisse Richtungen des
direkten oder reflektierten Schalls abschattend wirken. Die Bedeutung dieser abschattenden Effekte
nimmt bei steigender Frequenz zu, während tiefere Frequenzen aufgrund ihrer Wellenlänge um die
Hindernisse herumgebeugt werden.
In der tiefen Lage im Bereich um C ist die Schallabstrahlung nach allen Seiten relativ
gleichmäßig. Die Grundtöne sind lediglich in der Horizontalebene bis zu einem Winkel von etwa 20°
aufwärts um etwa 4 dB schwächer als in den steileren Richtungen. Die bevorzugte Abstrahlrichtung
von höheren Frequenzen ab etwa 1000 Hz erfolgt in der senkrechten Ebene zwischen 0° und 55°, also
aus dem geöffneten Deckel heraus, in der waagrechten Ebene ist eine Bevorzugung des Bereichs
von + 30° um die 0° Richtung festzustellen. Die Schärfe der Schallbündelung ist bei hohen Frequenzen
ab 4000 Hz in der Horizontalen besonders groß. Die Brillanz des Klanges ist somit auf einen relativ
engen Winkelbereich beschränkt. Allerdings sind die Grundtöne auch in der hohen Lage in keiner
Richtung mehr als 10 dB leiser als in der Hauptabstrahlungsrichtung.

4.12.2 Flügel, Deckel geschlossen :

Bei geschlossenem Flügeldeckel ergeben sich in der senkrechten Ebene vor allem im Winkelbereich
zwischen 0° und 90° deutliche Unterschiede im Vergleich zum geöffneten Deckel. In den Richtungen,
wo sich bei geöffnetem Deckel die Schallkonzentrationen ausbilden, entfallen die Maxima. Dies betrifft
insbesondere den hochfrequenten Bereich, wo die Intensitätsabnahme teilweise bis zu 10 dB beträgt.
Die Klangfarbe verliert dadurch an Helligkeit und Brillanz. Zur Rückseite des Flügels hin sind im
Vergleich zum geöffneten Deckel keine wesentlichen Unterschiede feststellbar.
Auch in der waagrechten Ebene entfallen die starken Komponenten zur 0° Ebene hin. Bei höheren
Frequenzen ab 2000 Hz erfolgt die Abstrahlung vorzugsweise zum Spieler hin, die Amplituden
entsprechen in diesem Bereich weitgehend den Verhältnissen bei geöffnetem Deckel. Dieses
Hauptabstrahlungsgebiet kommt durch die etwa 25 cm breite Öffnung zwischen dem Notenpult und
dem Flügeldeckel zustande.

4.12.3 Flügel, Deckel halboffen :

Das Hauptabstrahlungsgebiet bei halboffenem Deckel umfasst erstaunlicherweise einen ähnlichen


Bereich wie bei geöffnetem Deckel; dabei sind die Amplituden allerdings schwächer. Diese
Abschwächung nimmt bei hohen Frequenzen zu und beträgt bei Klanganteilen um 4000 Hz bereits
6 dB. Das Klangbild in der Hauptabstrahlungsrichtung ist nur unwesentlich leiser als bei geöffnetem
Deckel, besitzt aber weniger Helligkeit und Brillanz. Zur Rückseite des Flügels hin sind im Vergleich
zum geöffneten Deckel ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede feststellbar.

60
61
62
5) Intervalle und Tonskalen

5.1 Die Obertonreihe

,Bei den konventionellen Musikinstrumenten dient entweder eine schwingende Saite oder einer
pulsierende Luftsäule der Schwingungs- und Klangerzeugung.
Saiten und Luftsäulen schwingen einerseits als Ganzes, andererseits aber auch mehrfach
unterteilt.
Neben einer Grundschwingung entstehen so immer auch Oberschwingungen mit der
doppelten, dreifachen, vierfachen, etc. Frequenz der Grundschwingung. Diese werden als
sogenannte Obertöne von unserem Gehör nicht einzeln wahrgenommen. Sie verschmelzen mit
dem Grundton zu einem Klang. Dies ist der Fall, weil alle diese Töne in einem harmonischen
Verhältnis zueinander stehen, und die Intensität der Obertöne geringer ist als die des
Grundtones. Die Intervalle der Obertonreihe sind konsonant. Sie eignen sich deshalb zum
Aufbau von Tonskalen.

Die mit Pfeilen markierten Töne weichen von der notierten Tonhöhe nach unten oder oben ab.

5.2 Intervalle und Frequenzverhältnisse

Unter Intervall versteht man den Tonhöhenabstand zweier Töne. Physikalisch betrachtet
bedeutet ein Intervall ( z.B.eine Quinte ) immer ein bestimmtes Frequenzverhältnis ( bei der
Quinte 3: 2 ) und nicht eine bestimmte Differenz.

Intervall Frequenz-Verhältnis

Unisono 1: 1
Oktave 2: 1
Quinte 3: 2
Quarte 4: 3
grosse Terz 5: 4
grosse Sexte 5: 3
kleine Terz 6: 5
kleine Sexte 8: 5
grosser Ganzton 9: 8 ( siehe Kap. 5.6. reine Stimmung )
kleiner Ganzton 10: 9 ( siehe Kap. 5.6. reine Stimmung )
kleine Sekund 16:15
grosse Septime 15: 8
kleine Septime 9: 5
Tritonus 17:12

63
5.3 Die Quinte als Ausgangs-Intervall für die Bildung einer Tonskala

Der zweite Oberton mit der dreifachen Frequenz des Grundtones liegt um eine Duodezime
höher als der Grundton. Setzt man ihn eine Oktave tiefer, dann erhält man das Intervall einer
Quinte mit dem Frequenzverhältnis 3 : 2 (halbierte dreifache Frequenz des Grundtones).
Dieses Intervall eignet sich zur Bildung von Tonskalen.

5.4 Der Quintenzirkel

Werden Quinten aufeinandergeschichtet, durchlaufen sie den sogenannten Quintenzirkel.


Nach 12 Quinten ist man bei der siebten Oktav des Ausgangstones angelangt. Werden nun
alle durch die Quintenschichtung entstandenen Töne durch entsprechende geradzahlige
Frequenzteilung in den Bereich einer einzigen Oktav heruntergesetzt, ergibt sich eine aus 12
Tönen bestehende Skala.
Durch die Auswahl einzelner Töne aus diesem Quintenzirkel sind folgende musikalisch
brauchbare Tonleitern entstanden:

- die pentatonische Tonskala D - E - G - A - C


(chinesisch, alt-schottisch, Asien, Afrika)

- die reine ( harmonische ) Tonskala C – D – E - F – G – A – H – C’


( siehe auch 5.6 reine Stimmung )

- die Siebentonskala (Syntho-lydisch) C - D - E - Fis - G - A – H

5.5 Die pythagoräische Tonskala

Als historisch älteste Skala gilt die 5-stufige Reihe der Pentatonik. Sie ist aus dem Intervall der
Quinte ( 3 : 2 ) abgeleitet ( z.B. d e g a c ).
Durch Hinzufügen von zwei weiteren Quinten entsteht bereits eine diatonische Tonleiter aus
Ganz- und Halbtönen bestehend ( z.B. d e f g a h c ).
Diese nur aus reinen Quinten aufgebaute Tonleiter heisst pythagoräische Tonleiter ( benannt
nach dem griechischen Mathematiker Pythagoras 582 – 496 v.Chr. )

Noten: C D E F G A H C’

Verhältnis zu C: 1 9/8 81/84 4/3 3/2 27/16 243/128 2

Diese Tonleiter enthält nur grosse Ganztöne.( 9/8 ).

Die pythagoräische Terz erhält man, indem man 4 Quinten hinauf und 2 Oktaven hinunter
geht: ( 3 / 2 )4 x 1 / 4 = 81 / 64. Diese Terz ist im Vergleich zur reinen Terz ( 5 / 4 ) zu gross.
Der Unterschied zwischen pythagoräischer und reiner grosser Terz beträgt 81/64 : 5/4 = 81/80
= 1.0125 ( syntonisches Komma ).

Setzt man den Quintenzirkel noch weiter fort, um alle chromatischen Töne zu erhalten, so
stösst man auf ein weiteres Problem:
Mit 12 aufeinander geschichteten Quinten gelangt man nicht genau zur 7. Oktav.
Die 12. Quinte liegt ein wenig höher als die 7. Oktav. Dies lässt sich rechnerisch zeigen:
Nach 12 Quinten erreicht man eine Frequenz, die um den Faktor (3/2)12 höher liegt als die
Ausgangsfrequenz.
Nach 7 Oktaven erreicht man eine Frequenz, die um den Faktor 27 höher liegt als die
Ausgangsfrequenz.

12 Quinten entsprechen einem Zahlenwert von (3/2)12 = 129.7463

7 Oktaven entsprechen einem Zahlenwert von 27 = 128

64
Die Zahlendifferenz von 1,7463 wird pythagoräisches Komma genannt.

Dieses Komma ist die Ursache für die bekannten Probleme mit den Tonskalen und der
Stimmung der Musikinstrumente.

Mögliche Tonskalen und Stimmungen

5.6 Reine Stimmung

Alle Intervalle sind im Bezug auf C und die direkt benachbarten Töne so rein wie möglich.

Noten: C D E F G A H C

Verhältnis zu C: 1 9/8 5/4 4/3 3/2 5/3 15/8 2

zu vorangehendem Ton 9/8 10/9 16/15 9/8 10/9 9/8 16/15

Merkmal dieser Stimmung:

es gibt zwei unterschiedliche Ganztöne mit dem Frequenzverhältnissen 9/8 und 10/9. Die
Skala ist nicht universell, sondern nur in jeweils einer Tonart brauchbar.

5.7 Die temperierte Stimmung

Die Oktav wird rein gestimmt.


Das pythagoräische Komma wird gleichmäßig auf alle 12 Quinten des Quintenzirkels (und
damit auf alle Halbtonintervalle der 12Ton-Scala) verteilt:
Die Quinten werden zu klein, und damit unrein und nicht voll zusammenklingend gestimmt.
Es tritt eine Schwebung auf.
Die Verteilung des Kommas auf die 12 Halbtöne kann nun entweder so geschehen, dass die
Stimmung gleichschwebend ( die heute übliche Stimmung, 1636 zum ersten Mal von Marin
Mersenne berechnet ) oder proportional-schwebend ( A. Werckmeister 1681, G. Neidhardt
1706, J.P. Kirnberger 1771 ) ausgeführt wird.
Die temperierte Stimmung ist universell für alle Tonarten einsetzbar. Ohne sie wäre die
Entwicklung der Musik seit Bach anders verlaufen.

5.8 Die mitteltönige Stimmung

Die ersten vier Schritte des Quintenzirkels führen zum E, zur Terz (C-G-D-A-E).
Bei der mitteltönigen Stimmung werden nun die Quinten C-G, G-D. D-A und A-E so
gestimmt, dass das Intervall C-E rein ist.
In diesem Fall wird das Intervall Gis - Es deutlich unrein. Man nennt es die Wolf-Quinte
(quinte-de-loup). Die Tonskala ist nicht universell verwendbar.

65
6) Musik und Raum

6.1 Parameter zur Beschreibung der Raumakustik

6.1.1 Raumvolumen

Das Raumvolumen wird in Kubikmetern ( m3 ) gemessen und errechnet sich bei einer einfachen
Raumgeometrie ( Kubus, Quader ) durch die Multiplikation der Parameter Länge, Breite und Höhe.
V=LxBxH

Das Raumvolumen hat immer Auswirkungen auf die Laufzeit der ersten Reflexionen.
Je grösser ein Raum ist, desto weiter sind reflektierende Flächen von der Schallquelle entfernt .
Damit verlängert sich auch die Laufzeit der ersten Reflexionen.

Die Nachhallzeit wird ebenfalls durch das Raumvolumen beeinflusst. Mit der Größe des
Raumvolumens steigt die Nachhallzeit.

Die Nachhallzeit ist aber ebenso abhängig vom Absorptionsgrad der im Raum vorhandenen Flächen:
Sabinsche Formel: T = 0.163 x V/A

T = Nachhhallzeit
V = Raumvolumen
A = Summe aller Teilabsorptionen

6.1.2 Nachhallzeit

Zur Messung der Nachhallzeit wird der Raum mit breitbandigen kurzen Impulsen angeregt
( z.B. Knall, Schuss ).
Als Nachhallzeit T ( in Sekunden ) ist jene Zeit definiert, die nach Abschalten der Schallquelle vergeht,
bis der Schalldruckpegel um 60 dB gesunken ist

Nachhall

Ein angemessener Nachhallzeitverlauf fördert das Verschmelzen der einzelnen Stimmen des Orchesters
zu einem geschlossenen Gesamtklang, verleiht melodischen Phrasen in ihrem zeitlichen Ablauf einen
gleichmäßigen Fluß. Dabei sollen aber kurze Pausen noch deutlich in Erscheinung treten, piano-Stellen
sollen nach einem forte-Abbruch nicht untergehen, hohe Deutlichkeit soll auch bei rhythmisch stark
gegliederten Motiven oder polyphonem Stimmgefüge noch gewährleistet sein.

66
6.1.3 Frequenzabhängigkeit der Nachhallzeit

Wie groß die Nachhallzeit in einem bestimmten Raum ist, hängt hauptsächlich von den
Absorptionseigenschaften der Wände, des Bodens und der Decke, der Einrichtung sowie dem
Raumvolumen ab. Die Nachhallzeit ist frequenzabhängig, da Stein, Holz, Teppich oder Textilien den
Schall bei den verschiedenen Frequenzen unterschiedlich stark absorbieren.
Das führt dazu, dass die Nachhallzeit bei tiefen, mittleren und hohen Frequenzen unterschiedlich ist,
wodurch auch Klangfarbe des Nachhalls beeinflusst wird.

Zwei exemplarische Grafiken sollen den Zusammenhang zwischen Frequenz und Nachhallzeit in
verschiedenen Räumen verdeutlichen.

67
6.1.4 Laufzeit und Dichte der ersten Reflexionen

Die Laufzeit der ersten Reflexionen gibt uns wichtige Informationen über die Raumgröße.
Je kürzer die Laufzeit, desto kleiner der Raum. Je länger die Laufzeit, desto grösser der Raum.
Beispiele: in einem kleinen Badezimmer beträgt die Laufzeit der ersten Reflexionen
ca. 2 – 5 ms. In einem großen Konzertsaal sind es 30 – 80 ms.

Ein angenehmer und deutlicher Klang wird allerdings erst erreicht, wenn die ersten Reflexionen in
ausreichendem Maß gestreut werden.

Deshalb werden n der Raumakustik häufig Wandstrukturen eingesetzt, mit denen die Diffusität des
Schallfeldes im Raum erhöht werden soll. Schon in den ersten Konzertsälen der Geschichte geschah
dies, wenn auch noch ohne detaillierte Kenntnis der physikalischen Zusammenhänge. Die reichen
Verzierungen, Rosetten und Figuren an Balkonen und Wänden reflektierten den einfallenden Schall in
viele unterschiedliche Raumrichtungen. Durch moderne, schlichtere Bauweise wurde die Konstruktion
von speziellen Diffusoren nötig. Nicht nur in den großen Sälen, sondern auch in kleinen akustisch
genutzten Räumen, wie etwa Tonstudios oder Übungsräumen für Musiker, ist der Einsatz von
Diffusoren von großer Bedeutung

6.1.5 Grösse des Hallradius

Der Hallradius ist der Punkt in einem Raum, an dem die Schallenergie von Direktschall und
reflektiertem Schall ( Diffusschall ) gleich hoch ist. Die Grösse des Hallradius hängt von verschiedenen
Faktoren ab:

Raumvolumen:

nach der Formel r H = 0.057 x √V / T gilt: je größer das Raumvolumen, desto größer der
Hallradius ( V = Raumvolumen, T = Nachhallzeit )

Absorptionsgrad der begrenzenden Flächen

Je höher der Absorptionsgrad der begrenzenden Flächen, desto grösser der Hallradius.

Frequenz

Je höher die Frequenz, desto größer der Hallradius.

Abstrahlcharakteristik der Schallquelle:

Je enger die Abstrahlcharakteristik der Schallquelle, desto grösser der Hallradius

Der Hallradius ist in Konzertsälen meist recht klein, etwa 4 – 8 Meter.

68
6.1.6 Absorptionskoeffizienten der einzelnen Flächen

Der Absorptionskoeffizient a gibt den Anteil der absorbierten ( d.h. „ geschluckten“ ) zur auftreffenden
Schallenergie an.
Der Wert des Absorptionskoeffizienten beträgt a = 1, wenn gar kein Schall reflektiert wird wie das z.B.
bei einem geöffneten Fenster der Fall ist.
Bei vollständiger Schallreflektion, wie das näherungsweise bei einer Marmorwand der Fall ist, beträgt
der Wert von a = 0, d.h. es wird überhaupt kein Schall absorbiert.

Der Absorptionskoeffizient der meisten Materialien ist stark frequenzabhängig:

Material Schallabsorptionskoeffizient bei


125 Hz 500 Hz 2000 Hz

offenes Fenster 1.0 1.0 1.0


geschlossenes Fenster 0.1 0.02 0.03
glatter Verputz auf Mauerwerk 0.01 0.02 0.03
Holzfussboden, glatte Holzwand 0.1 0.1 0.1
Teppich mittlerer Dicke 0.1 0.2 0.35
Vorhang mittlerer Dicke 0.1 0.3 0.5
Akustikplatten 0.2 – 0.5 02. – 0.6 0.2 – 0.8
1 Platz Holzbestuhlung 0.01 0.02 0.05
1 Platz Polstersitz 0.2 0.3 0.35
1 Zuhörer auf Polstersitz 0.2 0.5 0.6

69
6.2 Das Zusammenwirken von Musik und Raum

6.2.1 Säle für akustisch klingende Instrumente / Ensembles / Orchester

An diese Räume werden hohe akustische Anforderungen gestellt, da ein gut klingender Raum
ein unverzichtbarer Bestandteil der musikalischen Darbietung ist. Erst in einem gut klingenden Raum
können die einzelnen Instrumente eines Ensembles zu einem Gesamtklang verschmelzen und eine
räumliche Größe und Dimension entwickeln.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Klangbalance des Ensembles oder des Orchesters
auf der Bühne und am Dirigentenpult übereinstimmen muss mit der Klangbalance im Zuschauerraum.
Ansonsten würde im Saal eine dynamisch verfälschte Interpretation zu hören sein.

Die Intensitätsverhältnisse der Instrumentengruppen sollen auf allen Plätzen im Zuschauerraum


möglichst gleich sein.

Das Verhältnis zwischen Direktschall, ersten Reflexionen und Nachhall muss ausgewogen sein.
Der Direktschall und die ersten Reflexionen sorgen für die Präsenz und Transparenz des Klanges.
Die späteren Reflexionen und der Nachhall erzeugen einen Raumklang, durch den die Zuhörer in das
Klanggeschehen einbezogen werden und nicht das Gefühl haben, einem entfernten Klangkörper
gegenüber zu sitzen. ( zur Qualität von ersten Reflexionen und Nachhall siehe auch Kapitel 6.1.4 )

Das Anhören einer mit ausgewogenem Hallanteil versehenen Aufnahme über eine Stereoanlage
erzeugt diese Einbeziehung beispielsweise nicht.

Die Dauer und der Frequenzgang des Nachhalls haben für den Klang eines Saales entscheidende
Bedeutung. Empirisch wurde ermittelt, dass eine mittlere Nachhallzeit von 1.7 bis 2.0 s bei sinfonischer
Musik als angenehm empfunden wird.
Der bei den meisten Konzertsälen anzutreffende Anstieg der Nachhallzeit zu tiefen Frequenzen hin
unterstützt die Intensität der tiefen Instrumente, was dem Empfinden des Gehörs entgegenkommt ( siehe
Kapitel 1.3.1 Kurven gleicher Lautstärke ). Außerdem haben auch tiefe Instrumente ihre stärksten
Klanganteile erst oberhalb 200 Hz, so dass ein verlängerter Nachhall im tieffrequenten Bereich auch die
unter 200 Hz liegenden Grundtöne dieser Instrumente unterstützt.

Die Unterschiede von Dauer und Frequenzgang des Nachhalls bei leerem und voll besetztem Saal
sollten nicht zu groß sein, da sonst eine Beurteilung der Interpretation im Probenprozess erschwert
wird. Eine Verkleinerung des Unterschiedes zwischen leerem und vollbesetztem Saal kann durch die
Verwendung von gepolsterter Bestuhlung erreicht werden.

Die Musiker müssen sich selbst und sich gegenseitig gut hören können. Wenn sich ein Spieler sich
selbst im Verhältnis zu den anderen nur leise hört, begünstigt das die rhythmische Präzision, die
Sauberkeit der Intonation wird dadurch aber sehr erschwert. Wenn sich der Spieler zu laut hört, wird
dadurch das Gefühl für Intonation und Tongebung deutlich besser, die rhythmische Präzision kann
jedoch darunter leiden.

70
6.2.2 Jazz

Grundsätzlich ist man beim Jazz in der Wahl des Raumes für die musikalische Aufführung freier als bei
der „E-Musik“. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Verwendung von Verstärkern und
Beschallungsanlagen inzwischen ein selbstverständlicher Teil der musikalischen Aufführungspraxis ist.
So kann z.B. eine Triobesetzung bestehend aus Schlagzeug, Bass und Piano völlig unverstärkt im
kleinen Jazzklub spielen oder - mit einer entsprechenden Beschallungsanlage - in einem großen Saal.

Beim Jazz muss man aufgrund der sehr unterschiedlichen Stile und Besetzungen beim Ensembleklang
drei wichtige akustische Grundkonstellationen unterscheiden:

1) Besetzung und Arrangement erzeugen bereits auf der rein akustischen Ebene der Instrumente
( d.h. ohne zusätzliche Verstärkung ) ein ausgewogenes Klangbild.

2) Teile des Ensembles müssen aufgrund zu geringer eigener Lautstärke verstärkt werden
( z.B. Kontrabass, Flügel, Gesang )

3) Elektronische Instrumente sind Teil des Ensembles. Lautsprecher als Teil des musikalischen
Gesamtklanges sind unverzichtbar.

Beschränkungen in der Wahl des Raumes gibt es hauptsächlich in zwei Punkten:

Grosse Besetzungen wie Bigbands brauchen eine bestimmte Mindestgröße des Raumes, damit der
Klang des Ensembles für die Zuhörer nicht unangenehm laut wird.

Aufgrund der meist ausgeprägten rhythmischen und perkussiven Anteile im Jazz sind Räume mit zu
großer Nachhallzeit ( > 1,5 sec. ) ungeeignet, da dann eine ausreichende Deutlichkeit des Klanges nicht
mehr gewährleistet ist

6.2.3 Rock und Pop

Die Rock- und Popmusik benötigt bis auf wenige Ausnahmen immer Lautsprecher als
klangerzeugendes Medium. Zum einen für die „elektronischen“ Instrumente wie E-Gitarren,
Bass und Keyboards, zum anderen für die Verstärkung von Gesang und dem gesamten
Ensembleklang.
Die Mischung des Klanges inklusive aller räumlichen Effekte wie Hall und Echo wird bereits auf der
Lautsprecherebene hergestellt. Deshalb sind zusätzliche Raumeinflüsse generell unerwünscht.
Am besten geeignet sind Räume mit möglichst geringer Nachhallzeit oder Aufführungsorte im Freien.
Gerade bei bekannten Rock- und Popbands müssen wegen kommerzieller Aspekte ( Platz für viele
Zuhörer ) Konzerte oft in Räumen mit ungeeigneter Akustik veranstaltet werden ( Messehallen,
Hallenstadien, Flugzeughangars ). In diesen Fällen kann durch eine Beschallungsanlage nur noch eine
akustische Schadensbegrenzung erreicht werden, indem man versucht, mit geeigneten Lautsprecher-
systemen möglichst viel Direktschall zu den Zuhörern zu transportieren und möglichst wenige
Raumreflexionen zu erzeugen.

71
7) Einige Überlegungen zur elektroakustischen Übertragung von Musik

7.1 Abbildung des natürlichen Klanges mit elektroakustischen Medien

Es ist allgemein bekannt, dass die Aufnahme von Musik und die anschließende Wiedergabe über
Lautsprecher niemals das originale Schallfeld exakt reproduzieren kann. Es handelt sind dabei immer
um eine Übersetzung auf eine andere Rezeptionsebene, die ihre eigenen Chancen und Gesetze hat.

Für alle Musiker, die den Wunsch haben, ihr musikalisches Schaffen auch einmal auf CD oder DVD zu
dokumentieren oder zu veröffentlichen, ist es sinnvoll zu wissen, welche Kriterien bei der Gestaltung
des Klangbildes für die elektroakustische Wiedergabe zu beachten sind.

7.1.1 Parameter des Klangbildes in der Stereofonie

Klangfarbentreue / spektrale Ausgewogenheit

Ist die Klangfarbe der einzelnen Instrumente natürlich ? Sind die Instrumente und Register
eines Ensembleklangs ausgewogen dargestellt ?

Lokalisation

Ist es möglich, den Instrumenten innerhalb der Stereobasis ( das ist der Bereich von ganz links bis ganz
rechts ) eine exakte Position zuzuordnen ?

Proportionale Abbildungsbreite

Entspricht die Abbildungsbreite der originalen klanglichen Ausdehnung des Instrumentes ?


( so ist z.B. eine Trompete ist im Original punktförmig und sehr exakt zu orten, während eine
Kirchenorgel eine grosse räumliche Ausdehnung hat. )

Räumliche Tiefenstaffelung

Gibt das Klangbild die originale Sitzordnung der Instrumente auch bezüglich der vorne / hinten
Positionen ausreichend wieder ?

Raum- / Direktklang Verhältnis

Ist das Verhältnis zwischen Direktschall und Diffusschall gut dargestellt ? Sind alle Instrumente
in den räumlichen Gesamtklang eingebunden ?

Qualität des Nachhalls

Klingt der Nachhall luftig und angenehm ohne das Klangbild zu verwaschen ? Ist die Länge des
Nachhalls dem Musikstil und der Interpretation angemessen ?

Dynamik

Ist die originale Dynamik des Musikstücks den Wiedergabedingungen musikalisch sinnvoll angepasst
worden ? Ein Orchesterwerk kann z.B. bis zu 70dB Lautstärkeunterschied zwischen der leisesten und
lautesten Stelle aufweisen. Für Musikwiedergabe über Lautsprecher sind aber mehr als 40 dB nicht
sinnvoll. Ist die Klangfarbendynamik und Lautheit der Rock- / Pop- oder Jazzaufnahme genügend
präsent und durchsetzungsfähig ?

Durchhörbarkeit

Sind alle Instrumente gut hörbar ? Sind die musikalischen Strukturen transparent dargestellt ?

72
7.1.2 Erweiterung der räumlichen Wiedergabe durch Mehrkanaltechnik

Gemessen an der Musikwiedergabe im originalen Schallfeld hat die Stereofonie nur begrenzte
Möglichkeiten. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
In der Mitte einer Konzertsaalbühne spielt eine Violine. An allen Zuhörerplätzen im originalen
Schallfeld gibt es nun zwei elementare akustische Informationen:

1 ) Der Direktschallanteil der Violine gibt Information über Standort und Entfernung des Instrumentes
Dabei kann der Standort der Violine unabhängig von der Position des Zuhörers exakt bestimmt
werden. Alle Zuhörer, egal ob sie vorne oder hinten, links oder rechts sitzen, werden sagen können:
Die Violine spielt vorne in der Mitte der Bühne.

2 ) Der Diffusschallanteil ( Raumreflexionen, Nachhall ) erreicht den Zuhörer dreidimensional aus allen
Richtungen und sorgt für eine klangliche Einhüllung.

In der Stereofonie ist der Standort der Violine nur bei einer idealen Abhörposition ( gleichschenkliges
Dreieck zwischen Hörposition und Lautsprechern ) zu bestimmen. Dies liegt daran, dass bei der
Stereofonie die links- / rechts Ortung durch eine Phantomschallquellenbildung erzeugt wird. Nur wenn
die Lautsprechersignale gleichzeitig und gleich laut beim Zuhörer ankommen, ist die Empfindung einer
Schallquelle genau in der Mitte zu erzeugen ( siehe Kapitel 1.6.4 )
Der Diffusschallanteil kommt nur von vorne, eine klangliche Einhüllung findet nicht statt. Diese beiden
wesentlichen Einschränkungen führten zu Überlegungen, wie die Reproduktion des originalen
Schallfeldes verbessert werden kann.

Ideale Hörzone ( sweetspot ) bei der Stereofonie

73
Quadrophonie

In den 70er Jahren wurde versucht, mit der Quadrophonie einen neuen Standard zu schaffen
Dieses Format erweitert das Hörfeld um Informationen von hinten. Die Problematik der sehr
kleinen idealen Hörzone bleibt allerdings, da auch bei diesem Format eine exakte links- / rechts
Information nur über eine Phantomschallquellenbildung zwischen den beiden vorderen Lautsprechern
funktioniert. Dies ist wohl der Hauptgrund, warum sich dieses System als Alternative zur Stereofonie
nie wirklich durchsetzen konnte.

Ideale Hörzone ( sweetspot ) bei der Quadrofonie


fonie

74
5.1 Surroundformate

Das 5.1 Surroundformat wurde ursprünglich für das Kino entwickelt. Der zusätzliche Center
Lautsprecher vorne in der Mitte wird benötigt, damit die Dialoge unabhängig von der Zuhörerposition
aus der Mitte der Leinwand lokalisiert werden. Dadurch wird eine Übereinstimmung von optischer und
akustischer Wahrnehmung der Darsteller erreicht.
Bei der Musikwiedergabe kann der Centerlautsprecher sehr gut für die Wiedergabe von Solisten
eingesetzt werden, die in der Konzertaufstellung ebenfalls meistens in der Mitte stehen.
Ein räumliche Einhüllung durch Wiedergabe von Diffusschall aus den hinteren Lautsprechern ist
realisierbar. Die ideale Hörzone ist im Vergleich zur Stereofonie deutlich vergrößert.

Ideale Hörzone ( sweetspot ) beim 5.1 Surround


fonie

Left LFE* Right


Center

• LFE = Low Frequency Effects.


Wiedergabe der Bassanteile über einen Subwoofer,
der meistens vorne in der Mitte auf dem Boden steht

75
Ambisonic und Wellenfeldsynthese

Die beiden Verfahren Ambisonic und Wellenfeldsynthese sollen hier nur der Vollständigkeit halber
erwähnt werden, weil sie für den heimischen Gebrauch auch mittelfristig keine Rolle spielen werden.
Die möglichen Anwendungen im Bereich von Beschallungsinstallationen sind allerdings sehr
interessant. Prinzipiell geht es bei beiden Verfahren darum, durch eine große Anzahl von Lautsprechern
das originale Schallfeld möglichst exakt zu reproduzieren oder sehr komplexe virtuelle
Klangräume zu schaffen.

7.1.3 Simulation akustischer Räume

Mit der Weiterentwicklung der Kunst der Mikrofonauswahl und -aufstellung kam der Wunsch auf, den
Raumanteil des Klanges kontrollierbarer zu machen. Aus dieser Zielsetzung heraus, begann man,
Verfahren zur künstlichen Nachhallerzeugung zu entwickeln. Als "Nachhall" oder "Hall" bezeichnet
man den Teil eines Signals, der erst im Raum entsteht, im Gegensatz zum "Direktschall", der den Klang
ohne Raumanteil bezeichnet. Erst war diese Unterscheidung nur modellhaft gewesen, mit der
künstlichen Raumerzeugung begann der Versuch, Direktschall und Hallanteil zu isolieren. Während
Polymikrofonverfahren es ermöglichten, jedes einzelne Instrument aus geringer Entfernung
aufzunehmen und auf diese Weise seinen Klang von der Umgebung loszulösen, ermöglichte der
künstliche Nachhall das Hinzufügen eines als passend erscheinenden Raumanteils. Ein Parameter, der
zuvor auf das engste mit den akustischen Gegebenheiten am Ort der Performance verknüpft war, wurde
unabhängig regelbar.

Hallräume

Als es noch keine Geräte zur Erzeugung von zusätzlichem Nachhall gab, hat man folgende Methode
angewendet: Eine fertige Stereoaufnahme wurde über zwei Lautsprecher in einem halligen Raum
eingespielt. In diesem Raum standen meist zwei Mikrofone, die den Nachhall aufnahmen. Das Signal
dieser beiden Mikrofone wurde dann bei der originalen Aufnahme hinzugemischt.
Es war sogar in Grenzen möglich, den Klangcharakter des Hallraumes zu beeinflussen. Filterte man
z.B. den Höhenanteil des Mikrofonsignals heraus, so entstand der Eindruck eines bedämpften Raumes,
obgleich die Wände des Hallraums oft gekachelt waren und sein akustischer Hall deshalb sehr
höhenreich war. Auch reflektierende bzw. absorbierende Stellwände, wie sie bereits zur akustischen
Trennung der Instrumente üblich waren, konnten den Klang anpassen helfen. Unveränderbar war aber
grundsätzlich die Raumgröße. Einige Studios bauten deshalb mehrere unterschiedliche Hallräume. Das
Verfahren hat aufgrund seiner Qualität - schließlich wird ein Raumanteil nicht simuliert, sondern
akustisch erzeugt - bis heute Anhänger. Der Aufwand ist allerdings so hoch, daß sich nur noch wenige
Studios diesen Luxus leisten.

76
Mikrofone nehmen Nachhall vom Hallraum auf

HALLRAUM

Lautsprecher geben Originalaufnahme wieder

Hallplatten, Folien, Federn

Vor allem aus diesen wirtschaftlichen Erwägungen


heraus wurden elektromechanische Hallgeräte
entwickelt. Dieses Prinzip wurde in drei Abwandlungen
umgesetzt: Die seit Ende der 50er Jahre gebaute
Hallplatte, ein Patent der Firma EMT, bestand aus einer
großen Stahlplatte, welche in einem Rahmen elastisch
aufgehängt ist. Diese wird, ähnlich einer
Lautsprechermembran, elektromagnetisch in
Schwingung versetzt. Während das Nachschwingen nach
einem Impuls bei einem Lautsprecher unerwünscht ist
und man deshalb meist leichte Membranen mit starken
Antrieb verwendet, macht man sich hier die Trägheit der
schweren Metallplatte zunutze. Mittels mehrerer
Tonabnehmer werden die mechanischen Schwingungen
der Platte wieder in elektrische umgeformt und können
als Hallsignal dem Klang hinzugemischt werden. Die
Nachhallzeit läßt sich durch mehr oder weniger starke
mechanische Bedämpfung regeln. Wie zu erwarten
unterscheidet sich der mechanisch erzeugte Hall klanglich stark von seinem natürlichen Vorbild, er
konnte aber offensichtlich dessen Funktion einnehmen. Bis weit in die 70er Jahre hinein gehörte dieses
Hallgerät zur Grundausstattung eines jeden Tonstudios. Auch in Konkurrenz zu Hallräumen wurde der
eigenständige, etwas metallische Plattenklang oft bevorzugt. Besonders perkussive Instrumente und
Solostimmen profitierten von ihrem Charakter. Daß auch nach Verfügbarkeit realistischerer
Raumsimulationen jedes moderne Hallgerät ein "Plate"-Programm besitzt, zeigt, wie "Sound" oft höher
bewertet wird als Realismus. Weiterentwickelt wurde die Hallplatte in der sog. Goldfolie (offizielle
Bezeichnung: EMT 240). Die metergroße, dicke Stahlplatte wurde hier durch eine dünne, kleine

77
goldene Folie ersetzt, die Technologie miniaturisiert. Sie wurd nach 1970 zum Standard für
Vokalaufnahmen. Um ein Vielfaches billiger und damit weiter verbreitet ist der Federhall (auch
Hallspirale genannt). Statt riesigen Stahlplatten oder goldenen Folien wird hier eine Metallfeder in
Schwingung versetzt. Federhall benutzen vor allem Musiker. Eingebaut in Gitarren- und
Gesangsverstärker, E-Orgeln etc. war und ist dieser selbstverständlicher Teil ihres Livesounds.

Digitale Hallgeräte

Die heute am meisten verbreitete Art der Nachhallerzeugung ist die digitale. Durch entsprechende
Algorithmen lässt sich die Abfolge von Schallreflexionen, die den Raumklang ausmachen, elektronisch
simulieren.
In der Praxis nimmt man größtenteils vom naheliegenden Ansatz Abstand, die physikalische Akustik
eines Raumes exakt nachzubilden. Aufgrund der beschränkten Rechenleistung, aber auch aus
geschmacklichen Erwägungen, folgt man größtenteils einem Modell, das den Raumeindruck mit einigen
kurzen Erstreflektionen vermittelt, an welche sich eine möglichst "weiche", d.h. diffuse Hallfahne
anschließt. Die Algorithmen werden nicht am natürlichen Vorbild, sondern nach ihrem subjektiven
"Sound" optimiert. Die Hallgeräte des Herstellers Lexicon, seit fast 20 Jahren eine Art Industriestandard
in den Studios, sind gerade dafür beliebt, daß sie für viele Anwendungen "besser" klingen als ein
natürlicher Raum.

Dank gestiegener Rechnerleistungen wird inzwischen allerdings auch eine andere Methode der
Raumsimulation angewendet. In einem akustisch guit klingenden Raum wird ein breitbandiger -sehr
kurzer- Schallimpuls erzeugt, und die Raumantwort mit mehreren Mikrofonen aufgenommen. Durch
ein spezielles Verfahren – Convolution ( dt. „Faltung“ ) – ist es möglich, ausgehend von dieser vorher
aufgenommenen Raumantwort für jeden Klang den entsprechenden Nachhall zu berechnen.

78
7.2 Verbesserung der Raumakustik durch elektroakustische Massnahmen

Wie im Kapitel 6.2 schon erläutert wurde, braucht jeder Musikstil bestimmte raumakustische
Voraussetzungen, damit ein angenehmer und adäquater Klang entstehen kann.
Hierbei kann es - vereinfacht dargestellt - im Zusammenspiel zwischen Raum und Klangkörper
folgende Schwierigkeiten geben:

- der Raum klingt zu trocken

- der Nachhall des Raumes klingt unschön

- der Raum ist zu hallig.

Innerhalb gewisser Grenzen kann man mit elektroakustischen Maßnahmen die Klanglichkeit eines
Raumes spürbar verbessern.

7.2.1 Erhöhung der Nachhallzeit oder klangliche Korrektur des Nachhalls

Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, den Diffusschallanteil eines Raumes zu optimieren.
Der Klang eines Ensembles wird über 2 bis 4 Mikrofone abgenommen, die meist von der Saaldecke
über dem Ensemble abgehängt werden. Der von diesen Mikrofonen aufgenommene Klang wird nun
durch ein Raumsimulationsverfahren bearbeitet und über möglichst viele, gleichmäßig im Raum
verteilte Lautsprecher wiedergegeben. Dadurch sind verschiedene Korrekturen möglich:

- Simulation von ersten Reflexionen , wodurch der Klang kräftiger und gleichmäßiger verteilt wird.

- Erhöhung der Nachhallzeit

- Ergänzung von fehlenden Frequenzanteilen des vorhandenen Nachhalls

Eine sehr gelungene Installation in dieser Art ist im Grossen Festspielhaus in Salzburg zu hören.

7.2.2 Verbesserung von Verständlichkeit und akustischer Transparenz durch Erhöhung der
Direktschallanteile

Wenn die Nachhallzeit eines Raumes zu lang ist, werden die musikalischen Strukturen undeutlich und
verschwommen. Diese Problem kann nur durch Erhöhung des Direktschallanteils der Instrumente gelöst
werden, was wesentlich aufwändiger ist als die Erhöhung des Diffusschallanteils wie im vorigen
Beispiel. Da der Direktschall naturgemäß in unmittelbarer Nähe der Instrumente am stärksten ist,
müssen alle Instrumente mit sehr kleinem Abstand mikrofoniert werden, was je nach Ensemblegröße
eine hohe Anzahl von Mikrofonen erfordert. Im Saal selbst müssen idealerweise so viele Lautsprecher
installiert werden, daß es für jeden Zuhörerplatz Lautsprecher gibt, deren Abstand kleiner ist als der
Hallradius. Allerdings ist in diesem Fall nur der Hallradius für die höheren Frequenzen ( oberhalb ca.
1 kHz ) relevant, der bei einer entsprechend engen Abstrahlcharakteristik der Lautsprecher recht groß
sein kann. Alle Lautsprecher müssen zur originalen Schallquelle so verzögert sein, das die
Lokalisierung bei den Instrumenten bleibt ( siehe 1.8 Gesetz der ersten Wellenfront ). Eine musikalisch
gefühl- und sinnvolle Abmischung vorausgesetzt, sind auch hier erstaunliche Ergebnisse möglich.

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