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Ursachenforschungen für tieffrequente Geräusche in Leinfelden-Echterdingen

ein Beitrag von Dipl. Ing. Jürgen Kurtz

Seit einiger Zeit wird auch in und um Leinfelden-Echterdingen ein Brummton wahrgenommen. Von
einem Phänomen sollte nicht gesprochen werden, denn das Geräusch ist wahrnehmbar und damit
auch messbar. Lediglich die Ursache ist unklar.

Äußerst hilfreich ist, dass man aus dem Internet eine Geräuschaufzeichnung herunterladen kann:
brummton-region-stuttgart.de/2017/03/01/erste-hilfe/

Die Datei ist allerdings tiefpassgefiltert worden. Die obere Grenzfrequenz liegt bei rund 150 Hz.

Das konkrete tieffrequente Geräusch setzt sich grob aus 3 Frequenzblöcken zusammen. Folgendes
Frequenzspektrum verdeutlicht dies.

Block 1: Infraschallbereich bis etwa 20 Hz


Block 2: Frequenzbereich hauptsächlich von etwa 30 Hz bis etwa 80 Hz
Block 3: Einzelton bei 100 Hz

Die drei Frequenzblöcke haben unterschiedliche akustische Signaturen. Das zeigen die nachfolgenden
Signalverläufe.
Ganz oben ist der Signalverlauf des bis 20 Hz tiefpassgefilterten Signals zu sehen. Darunter zeigt sich
der von 30 Hz bis 80 Hz bandpassgefilterte Bereich - ganz unten dann der 100 Hz Signalverlauf.
Schon mit wenigen Blicken ist zu erkennen, dass sich die Druck-Zeitverläufe aller 3 Teilsignale deutlich
voneinander unterscheiden. Die Bereiche mit relativ hohen Ausschlägen liegen überall woanders.

Der Infraschallbereich (bis 20 Hz) muss nicht weiter geprüft werden. Denn durch Abhören des
entsprechend tiefpassgefilterten Signals kann festgestellt werden, dass dieser Bereich nicht hörbar ist.
Im Folgenden wird er nicht mehr betrachtet.

Mehr Informationen bietet das jetzt folgende Spektrogramm. Man muss sich ein Spektrogramm als
eine Aneinanderreihung von nacheinander ermittelten Einzelfrequenzspektren vorstellen. Diese
Abfolge aneinander gereihter Einzelspektren wird dann von oben betrachtet. Dabei stellen rötliche
Bereiche hohe und blaue Bereiche niedrige Frequenzpegel dar. Zur Verdeutlichung ist links neben dem
Spektrogramm das um 90“ gedrehte Frequenzspektrum als Mittel über die gesamte Signalzeit
dargestellt.

Während das Frequenzspektrum also eine Darstellung der Schallpegel über die Frequenz ist, zeigt das
Spektrogramm den Frequenzverlauf über die Zeit.

Auch im Spektrogramm sind die drei bereits erläuterten Blöcke zu erkennen.


ganz unten: Block 1 (Infraschallbereich bis 20 Hz),
Mitte : Block 2 (30 Hz bis 80 Hz),
waagerechte Linie darüber: Block 3 (einzelton bei 100 Hz)

Ganz typisch für gleichförmig betriebene technische Geräusche (Pumpen, Gebläse, …) sind
charakteristische waagerechte Linien im Spektrogramm. Dies trifft hier für den 100 Hz Einzelton zu.
Die Lage bei praktisch genau 100 Hz lässt als Ursache stromdurchflossene Aggregate sehr
wahrscheinlich werden. Dieser Einzelton bei 100 Hz ist allerdings nicht Pegel- und damit nicht
geräuschbestimmend.

Das belästigende Geräusch ist folglich durch den Frequenzblock 2 repräsentiert (nachfolgend noch
einmal als Spektrogramm abgebildet).
Dieser Frequenzbereich zeigt im Spektrogramm ein scheinbar regelloses Auf und Ab mit Schwerpunkt
bei rund 65 Hz. Damit fallen kontinuierlich betriebene Arbeitsmaschinen als Ursache aus. Es fehlen,
wie beschrieben, die weitestgehend waagerechten durchgehenden Spektrallinien.

Die tatsächliche Ursache des Geräusches zu finden, ist von Ferne schwierig und praktisch kaum
möglich. Ich biete daher lediglich 2 Ursachenmöglichkeiten an.

Eine Erklärungsvariante ist Fahrzeugverkehr. Denn einerseits bildet dieses Auf und Ab im
Spektrogramm Frequenzverschiebungen durch den Dopplereffekt ab. Ursache sind die
Relativbewegungen der Fahrzeuge, bezogen zum Messstandort. Andererseits ist der Frequenzbereich
insbesondere zwischen rund 60 Hz und 80 Hz typisch für den Betreib von Verbrennungsmotoren. Denn
bei einem 4-Zylinder-Ottomotor mit einer Umdrehungszahl von beispielsweise 2000 U/min errechnet
sich eine Zylinderzündfolgefrequenz von rund 66 Hz.

Eine weitere mögliche Ursache könnte das Luft- bzw. Lüfterrauschen von größeren Lüfteranlagen bzw.
Klimaanlagen sein. Zusätzlich zu erwarten wären hierbei allerdings höherfrequente waagerechte
Linien im Spektrogramm, die den Lüfterantrieb repräsentieren. Dazu wäre es hilfreich, das ungefilterte
Geräusch zu kennen.

Solch ein tieffrequentes Innengeräusch ist oftmals im Freien nicht deutlich oder überhaupt nicht
auszumachen. Denn Ausgangspunkt kann ein unauffälliges Außengeräusch sein, dessen tieffrequenter
Frequenzanteil im Vergleich zu natürlichen Geräuschen erhöht ist. Dies ist mess- aber kaum hörbar.
Beim Übertritt von außen nach innen filtern die Außenwände von Gebäuden den Außenschall stark
aus, sodass in der Regel in den Wohnräumen nur noch der tieffrequente Schallanteil übrig bleibt. Das
Geräusch innen hört sich denn auch ganz anders an, als außen im Freien, was eine Quellenzuordnung
so schwierig macht.
Verstärkt wird dies noch dadurch, dass es innerhalb von Räumen zur Resonanz und folglich zur
Lautstärkeanhebung tieffrequenter Geräusche kommt, wenn Geräuschfrequenzen mit
Raumeigenfrequenzen übereinstimmen. Dies ist besonders bei größeren (bzw. höheren) Räumen mit
Abmessungen von mehr als 4 m ausgeprägt.
Bei Räumen, die einfach nur durch Breite, Länge und Höhe beschrieben werden können, bilden sich in
diesem Zusammenhang diskrete Resonanzmuster aus, weil auch die Raumgeometrie einfach ist. Ist sie
allerdings komplex, wird auch ein ganzer Frequenzkomplex tieffrequenter Geräusche in Resonanz
gebracht. Besonders ausgeprägt ist das in Dachgeschossen, wo die Raumdecken dem Dreiecksgiebel
des Daches folgen. Dann sind breite Resonanzfrequenzbereiche zu erwarten, die dann auch zu
erhöhtem Lautheitsempfinden führen. Das erscheint mir auch in diesem Fall teilweise der Fall.
Mit diesem Hintergrund ist auch erklärbar, warum tieffrequente Geräusche in manchen Wohnungen
zu hören sind und in manchen nicht. Denn ob und auch wie das Geräusch in Wohnräumen
wahrnehmbar ist, hängt von vielen Einflussfaktoren ab, z.B.:
- Frequenzverteilung des Außengeräusches,
- Schallpegelhöhe außen vor der Wohnung,
- Dämmeigenschaften der Außenbauteile,
- Fläche der Raumaußenwände,
- Raumabmessungen,
- Komplexität der Raumkubatur (Dachschrägen / viele Ecken).
Eine Konsequenz daraus ist, dass sich tieffrequente Geräusche wegen des eingeschränkten
Frequenzbereiches in verschiedenen Räumen gleich oder zumindest sehr ähnlich anhören können, die
messtechnische Analyse aber in der Regel signifikante Unterschiede trotz gleicher Ursache erbringt.

Jürgen Kurtz

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