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Hardcover 275 x 197,5 (+ 19 mm Beschnitt umlaufend) 68 mm

Mutschler Arzneimittelwirkungen
Der zukunftsweisende Klassiker
Seit einem halben Jahrhundert ist „Der Mutschler“ das Standardwerk
der Pharmakologie und Toxikologie – immer mit dem Blick nach vorne und
am Puls der Zeit.

Auch die 11. Auflage zeigt sich:


■ topaktuell: neue Wirkstoffe inklusive Biologika, relevante Leitlinien
im Rahmen der evidenzbasierten Medizin
■ klar strukturiert: komplett neue Gliederung mit dem Fokus auf
indikationsbezogene Pharmakotherapie, einheitlich aufgebaute
kompakte Kapitel
■ anschaulich: viele Abbildungen und Tabellen, vollständig überarbeitet
■ einprägsam: verständliche Erklärungen auch schwieriger Sachverhalte
■ kritisch: objektive, unabhängige Bewertung des klinischen
Stellenwerts der Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen
■ umfassend: mit kurzen Einführungen in die Grundlagen der Anatomie,
Physiologie und Pathophysiologie in den einzelnen Kapiteln
■ zuverlässig: vollständige Abdeckung des Prüfungsstoffs für die
medizinischen und pharmazeutischen Staatsexamina

Die bewährte Quelle für das gesamte Wissen rund um Arzneimittelwirkungen: Geisslinger / Menzel / Gudermann / Hinz / Ruth
für Studium und Praxis.

Mutschler
Arzneimittelwirkungen
Geisslinger / Menzel / Gudermann / Hinz / Ruth
Mutschler Arzneimittelwirkungen – Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie Pharmakologie
Klinische Pharmakologie

Gudermann / Hinz / Ruth


Geisslinger / Menzel /
Toxikologie

11. A U F L A GE
ISBN 978-3-8047-3663-4

www.wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de
Symbol-Wegweiser

Enzym-gekoppelte Rezeptoren
Morphin Arzneistoff

Liganden Rezeptor-Tyrosinkinase
P

Neurotransmitter/Hormon
(gespeichert, freigesetzt)
Rezeptor mit assoziierter
P
P
Tyrosinkinase
Enzym

DNA Rezeptor-Guanylylcyclase

RNA Ionenkanäle

L Liganden-gesteuerte
Ribosom

spannungsabhängige
Protein

spannungs- und liganden-


Zellmembran L
abhängige

Carrier
Endothelzelle

Uniporter
Epithelzelle

Antiporter („Austauscher“)
Antigen

Antikörper Symporter

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR)


Pumpen (ATPasen)

Gs-gekoppelt ATP unidirektional

Gs

ATP bidirektional
Gi-gekoppelt
Gi
Strukturformel-Farbcode

Gq-gekoppelt metabolisierbarer Rest in


Gq O einem Prodrug
O COOH
H3CO
Intrazelluläre Rezeptoren CH3
N strukturelle Gemeinsamkei-
R ten einer Arzneistoffklasse

Strukturformel-Beispiel
Strukturabweichung gegen-
über einer Analogsubstanz
Geisslinger / Menzel / Gudermann / Hinz / Ruth
Mutschler Arzneimittelwirkungen
Geisslinger / Menzel / Gudermann / Hinz / Ruth

Mutschler
Arzneimittelwirkungen
Pharmakologie – Klinische Pharmakologie –
Toxikologie
Begründet von Ernst Mutschler, Mainz

Bearbeitet von

Gerd Geisslinger, Frankfurt/M.


Sabine Menzel, Bad Soden
Thomas Gudermann, München
Burkhard Hinz, Rostock
Peter Ruth, Tübingen

11., völlig neu bearbeitete Auflage

654 Abbildungen und 316 Tabellen


mit ca. 1400 Strukturformeln
Zuschriften an
lektorat@dav-medien.de

Anschriften der Autoren


Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Gerd Geisslinger Dr. rer. nat. Sabine Menzel
Klinikum der Goethe-Universität Apothekerin
Institut für Klinische Pharmakologie 65812 Bad Soden am Taunus
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main

Prof. Dr. med. Thomas Gudermann Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Hinz
Ludwig-Maximilians-Universität München Universitätsmedizin Rostock
Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Goethestr. 33 Schillingallee 70
80336 München 18057 Rostock

Prof. Dr. rer. nat. Peter Ruth


Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Pharmakologie, Klinische Pharmazie und Toxikologie
Institut für Pharmazie
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen

Hinweis:
Um die Lesbarkeit dieses Buchs zu verbessern, verzichten
wir auf die gleichzeitige Nennung männlicher und
weiblicher Sprachformen. Alle Formen schließen Männer
und Frauen ein.
Die genannten Fertigarzneimittel stellen lediglich eine
Auswahl dar.

Alle Angaben in diesem Werk wurden sorgfältig geprüft. 11. Auflage 2020
Dennoch können die Autoren und der Verlag keine Gewähr ISBN 978-3-8047-3663-4 (Print)
für deren Richtigkeit übernehmen. ISBN 978-3-8047-4054-9 (E-Book, PDF)
ISBN 978-3-8047-4055-6 (EPUB)
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Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Indexing: Publishing and more, Birkenau (verantwortlich:
Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Das gilt Walter Greulich)
insbesondere für Übersetzungen, Nachdrucke, Mikrover- Grafiken: Dr. Eltamash Israr für Agonist media, Frankfurt/M.
filmungen oder vergleichbare Verfahren sowie für die Bearbeitungen und Grafikneuerstellungen von Angelika
Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Kramer, Stuttgart auf Grundlage des Grafikkonzepts von
Dr. E. Israr
Strukturformeln: Dr. Carsten D. Siebert, Frankfurt/M
Vorwort V

Vorwort

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Besonderen Wert legten wir wieder auf ein schlüssi-
Seit mehr als 40 Jahren sind die von Herrn Professor ges didaktisches Konzept, einen klaren Duktus, eine
Dr. Dr. Dr. h .c. mult. Ernst Mutschler begründeten, in einheitliche Gliederung der Kapitel, prägnante Darstel-
10 Auflagen erschienenen „Arzneimittelwirkungen“ für lung und gute Verständlichkeit des Textes unter Berück-
Generationen von Studierenden der Pharmazie, Medi- sichtigung der evidenzbasierten Medizin und der aktu-
zin, Zahnmedizin und anderer Naturwissenschaften ellen Leitlinien klinischer Fachgesellschaften. Unverän-
das Standardwerk für den Erwerb des notwendigen dert blieb auch die einheitliche Gliederung der Kapitel
pharmakologischen und pharmakotherapeutischen sowie die den einzelnen Kapiteln vorangestellten kur-
Wissens. Darüber hinaus sind die „Arzneimittelwir- zen Einführungen in die Grundlagen der Anatomie,
kungen“ für im Beruf stehende Ärzte, Apotheker, Zahn- Physiologie und Pathophysiologie. Speziell für Nicht-
ärzte, Biologen und Chemiker eine viel benutzte zuver- mediziner sollen dadurch die für das Verständnis phar-
lässige und praxisrelevante Informationsquelle. Mit der makologischer Wirkungen wichtigen medizinischen
nun vorliegenden 11. Auflage hat Herr Professor Mut- Grundkenntnisse in integrierter Form vermittelt wer-
schler „sein Buch“ in neue Hände gegeben. Das ist für den.
uns Autoren eine Ehre, aber auch Herausforderung und Der in den Gegenstandskatalogen des Instituts für
Verpflichtung zugleich. Wir danken ihm sehr herzlich Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen für
für sein Vertrauen und werden das Buch in seinem die Prüfungen in den Fächern Pharmakologie, Klini-
Sinne fortführen und auch weiterentwickeln. sche Pharmakologie und Toxikologie geforderte Stoff
Die Beurteilung von Arzneimittelwirkungen gehört ist vollständig enthalten.
für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker zum beruflichen Die Strukturformeln der Arzneistoffe wurden wie-
Alltag. Dabei hat sich das für die Fachgebiete Pharma- derum dankenswerterweise von Herrn Dr. C. Siebert
kologie und Klinische Pharmakologie relevante Wissen nach den Empfehlungen der International Union of
in den letzten Jahren infolge vieler Neueinführungen Pure and Applied Chemistry (IUPAC) gezeichnet. Für
innovativer Arzneimittel, der Aufklärung von Wir- das Sachregister, das erstmalig nicht von den Autoren
kungsmechanismen, aber auch zusätzlicher Erfahrun- erstellt wurde, bedanken wir uns bei Herrn Walter
gen mit altbewährten Substanzen rasant vermehrt. Greulich und seinem Team.
Wie in den vorangegangenen Auflagen haben wir Unser aufrichtiger Dank gilt außerdem zahlreichen
auch in der 11. Auflage das große Gebiet der Pharma- Kolleginnen und Kollegen für die kritische Durchsicht
kologie, Klinischen Pharmakologie und Toxikologie der Manuskripte sowie für wertvolle Anregungen und
aktualisiert, ergänzt und erweitert. Wir haben versucht, Verbesserungsvorschläge. Unseren (Post-)Doktoran-
das Wissen korrekt, praxisrelevant, übersichtlich, ver- dinnen und Doktoranden danken wir sehr herzlich für
ständlich, einprägsam, aber auch kritisch darzustellen. die Korrektur der Druckfahnen.
Um dies bestmöglich umzusetzen, haben wir eine kom- Nicht zuletzt haben wir dem Verlag – und hier
plett neue Gliederung gewählt, die noch mehr als bisher besonders Frau Marlene Bareiß, Frau Luise Keller,
die indikationsbezogene Pharmakotherapie in den Mit- Frau Natascha Wenzel, Frau Annika Piepenburg, Herrn
telpunkt stellt. Das vorliegende Buch ist dementspre- Dr. Tim Kersebohm und Herrn Dr. Eberhard Scholz –
chend in 17 große Bereiche (A bis Q) eingeteilt: Grund- für die fruchtbare und vertrauensvolle Zusammen-
lagen, Nervensystem, Gefäßsystem und Kreislauf, Herz, arbeit zu danken.
Blut, Respirationstrakt, Gastrointestinaltrakt, Niere Zuversichtlich hoffen wir, dass auch die 11. Auflage
und Elektrolythaushalt mit Urogenitaltrakt, endokrines des beliebten Standardwerks eine positive Resonanz
System, Immunsystem, Tumorerkrankungen, Haut, finden wird. Gleichwohl freuen wir uns über Anregun-
Auge, Infektionskrankheiten, Diagnostika, Mikronähr- gen, Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik
stoffe und Vergiftungen. Jeder Bereich ist wiederum aus dem Leserkreis.
unter pharmakotherapeutischen Aspekten in Kapitel Zu allerletzt gilt unser größter Dank noch einmal
untergliedert, sodass die „Arzneimittelwirkungen“ nun Herrn Professor Mutschler für sein Vertrauen. Ihm
letztendlich insgesamt 91 Kapitel umfassen. Diese Ein- widmen wir diese 11. Auflage.
teilung trägt auch den Fragen der medizinischen und
pharmazeutischen Staatsexamina Rechnung, bei denen Gerd Geisslinger, Frankfurt am Main,
die pharmakologischen Fragen meist anhand von Fall- Sabine Menzel, Bad Soden am Taunus,
beispielen im diagnostischen und therapeutischen Thomas Gudermann, München,
Gesamtkonzept geprüft werden. Darüber hinaus Burkhard Hinz, Rostock,
ermöglicht diese kompakte Kapiteldarstellung einen Peter Ruth Tübingen,
schnellen Überblick über ein bestimmtes Fachgebiet. im Dezember 2019
Inhaltsverzeichnis VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort .......................................................................... V

TEIL A GRUNDLAGEN

1 Pharmakokinetik .......................................... 3 1.8 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe ............. 33


1.8.1 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe
1.1 Stofftransport durch biologische
nach Einmalgabe ......................................................... 33
Membranen ................................................................. 4
1.8.2 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe
1.1.1 Passive Diffusion .......................................................... 4
bei Mehrfachapplikation ........................................... 34
1.1.2 Carrier-vermittelter Transport ................................. 5
1.8.3 Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf
1.1.3 Aktiver Transport .......................................................... 5
bei einer Infusion ........................................................ 35
1.1.4 Transportproteine ........................................................ 5
1.8.4 Therapeutischer Konzentrationsbereich .............. 35
1.2 Applikationsarten .................................................... 7 1.8.5 Therapeutisches Drugmonitoring ........................... 36
1.3 Resorption .................................................................... 8
1.9 Pharmakokinetische Modelle ............................. 38
1.3.1 Resorption bei oraler Applikation .......................... 9
1.9.1 Ein- und Zweikompartiment-Modelle ................. 38
1.3.2 Resorption bei rektaler, vaginaler,
1.9.2 Physiologisch basierte pharmakokinetische
bukkaler/sublingualer, nasaler und
Modelle (PBPK) .............................................................. 39
pulmonaler Applikation ............................................ 10
1.9.3 Populationskinetische Modelle (popPK) .............. 40
1.3.3 Resorption bei dermaler Applikation .................... 11
1.3.4 Resorption bei subkutaner und intramuskulärer 1.10 Besonderheiten der Pharmakokinetik .......... 40

Applikation .................................................................... 11 1.10.1 Nichtlineare Kinetik .................................................... 40


1.10.2 Kinetik chiraler Substanzen ...................................... 41
1.4 Verteilung ..................................................................... 11
1.10.3 Veränderungen der Kinetik bei pathologischen
1.4.1 Proteinbindung ............................................................ 12
Zuständen ...................................................................... 42
1.4.2 Spezielle Verteilungsräume ...................................... 13
1.10.4 Pharmakokinetik im Alter ......................................... 43
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) ............ 15
2 Pharmakodynamik ...................................... 45
1.5.1 Phase-I-Reaktionen ................................................... 16
1.5.2 Phase-II-Reaktionen ................................................. 20 2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-
1.5.3 Induktion von Arzneistoff metabolisierenden Zielstrukturen ............................................................. 45

Enzymen ......................................................................... 22 2.1.1 Neurotransmitter – Amine ........................................ 45

1.5.4 Hemmung von Arzneistoff metabolisierenden Acetylcholin ................................................................... 47

Enzymen ......................................................................... 24 Adrenalin und Noradrenalin .................................... 50

1.5.5 First-Pass-Effekt .......................................................... 24 Dopamin ......................................................................... 58

1.5.6 Bioaktivierung und Biotoxifizierung ..................... 25 2.1.2 Neurotransmitter – Aminosäuren .......................... 60

1.5.7 Einfluss von Alter und Geschlecht auf die Gamma-Aminobuttersäure ...................................... 60

Biotransformation ....................................................... 25 Glutaminsäure .............................................................. 61


Glycin ............................................................................... 63
1.6 Ausscheidung ............................................................. 26
β-Alanin, Asparaginsäure, Cystein, Taurin .......... 63
1.6.1 Ausscheidung über
2.1.3 Neurotransmitter – Purine ....................................... 64
den Gastrointestinaltrakt .......................................... 27
2.1.4 Neurotransmitter – Peptide ..................................... 66
1.6.2 Hepatische/biliäre Ausscheidung ........................... 27
Endorphine und Enkephaline ................................. 66
1.6.3 Renale Ausscheidung ................................................. 28
Substanz P ...................................................................... 67
1.6.4 Pulmonale Ausscheidung .......................................... 29
Somatostatin ................................................................. 68
1.7 Pharmakokinetische Parameter ........................ 29 2.1.5 Endocannabinoide ...................................................... 69
1.7.1 AUC, Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz ........... 29 2.1.6 Stickstoffmonoxid (NO), Kohlenstoffmonoxid (CO),
1.7.2 Verteilungsvolumen .................................................... 30 Schwefelwasserstoff (H2S) ......................................... 70
1.7.3 Clearance ........................................................................ 31 2.1.7 Mediatoren .................................................................... 73
1.7.4 Eliminationshalbwertszeit ........................................ 32 Histamin ................................................ 73
VIII Inhaltsverzeichnis

Serotonin ............................................... 75 4 Nebenwirkungen .......................................... 117


Eicosanoide ............................................ 79
4.1 Arzneistoffspezifische, dosisabhängige
Kinine (Bradykinin, Kallidin) ....................... 84
Nebenwirkungen ...................................................... 117
Plättchen-aktivierender Faktor (PAF) ............. 84
2.1.8 Hormone ......................................................................... 85 4.2 Überempfindlichkeitsreaktionen ..................... 118
2.1.9 Immunmediatoren (Zytokine) ................................. 85 4.2.1 Antikörper-vermittelte Überempfindlichkeits-
reaktionen ...................................................................... 119
2.2 Rezeptor-vermittelte
4.2.2 T-Lymphozyten-vermittelte
Pharmakonwirkungen ........................................... 85
Überempfindlichkeitsreaktionen ........................... 122
2.2.1 Rezeptoren ..................................................................... 85
4.2.3 Pseudoallergische Reaktionen ................................ 124
2.2.2 Agonisten, Antagonisten ........................................... 87
4.2.4 Maßnahmen zur Vermeidung allergischer
2.2.3 Intrazelluläre Rezeptoren .......................................... 91
Reaktionen ..................................................................... 124
2.2.4 Membranständige Rezeptoren ................................ 93
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren ........................ 93 4.3 Hämatologische Störungen ................................. 124

Ionenkanäle ................................................................... 94 4.4 Verlängerung des QT-Intervalls ......................... 124


Enzym-assoziierte Rezeptoren ................................ 99
4.5 Arzneimittel-induzierte Leberschäden ......... 125
2.3 Transportproteine und Enzyme ......................... 102 4.6 Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ........... 125
2.3.1 Pharmakonwirkungen an Transportern ............... 102
4.7 Nebenwirkungen in der Embryonal- und
2.3.2 Pharmakonwirkungen an Enzymen ...................... 103
Fetalzeit sowie in der Postnatal- und
2.4 Dosis- bzw. Konzentrations-Wirkungs- Stillperiode .................................................................. 126
Beziehungen ............................................................... 103 4.7.1 Teratogene Wirkungen ............................................... 128

2.4.1 Pharmakologische Kenngrößen .............................. 105 4.7.2 Sonstige Nebenwirkungen in

2.4.2 Synergismus ................................................................... 106 der Schwangerschaft .................................................. 128

2.4.3 Gewöhnung (Toleranzentwicklung) und 4.7.3 Nebenwirkungen in der Postnatal- und

Tachyphylaxie ................................................................ 106 Stillperiode .................................................................... 128

2.4.4 Dosierung ....................................................................... 107


4.8 Arzneimittelabhängigkeit .................................... 129

2.5 Beziehungen zwischen der chemischen 5 Interaktionen ................................................... 131


Struktur und der pharmakologischen
Wirkung ......................................................................... 108 5.1 Pharmakodynamische Interaktionen ............. 132

2.5.1 Qualitative und quantitative Struktur-Wirkungs- 5.1.1 Additive QT-Intervall-Verlängerung ...................... 132

Beziehungen ................................................................. 108 5.1.2 Hypo- und Hyperkaliämie ........................................ 133

2.5.2 Struktur-Wirkungs-Beziehungen 5.1.3 Serotoninsyndrom ....................................................... 133

bei Isomeren ................................................................. 109 5.1.4 Erhöhtes Blutungsrisiko ............................................. 134


5.1.5 Hypo- und Hyperglykämie ....................................... 135
2.6 Beziehung zwischen Pharmakokinetik und 5.1.6 Gesteigerte anticholinerge Wirkung ...................... 135
Pharmakodynamik ................................................... 109
5.1.7 Antagonisierung der Wirkung .................................. 135

3 Pharmakogenetik ......................................... 111


5.2 Pharmakokinetische Interaktionen ................ 136

3.1 Polymorphismen von 5.2.1 Interaktionen bei der Resorption ........................... 137

Biotransformationsenzymen .............................. 111 5.2.2 Interaktionen bei der Metabolisierung ................ 137

3.1.1 Polymorphe CYP-Enzyme .......................................... 112 5.2.3 Transporterbasierte Interaktionen ......................... 141

3.1.2 Polymorphe N-Acetyltransferase ............................ 112 5.2.4 Sonstige Interaktionen bei der Ausscheidung ... 144

3.1.3 Seltenere Polymorphismen ...................................... 113


5.3 Arzneistoffgruppen mit
3.2 Polymorphismen hohem Interaktionsrisiko ..................................... 144

nicht metabolisierender Enzyme ..................... 113


6 Gen- und Zelltherapie ............................. 145
3.2.1 Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-
Mangel ............................................................................. 114 6.1 Gentherapie ................................................................ 145

3.2.2 Weitere Polymorphismen .......................................... 114 6.1.1 Einsatzgebiete der somatischen Gentherapie .... 145
6.1.2 Gentransfer mittels viraler Vektoren ..................... 145
3.3 Genetische Varianten in 6.1.3 Gentherapeutika .......................................................... 147
der Pharmakodynamik .......................................... 115
Inhaltsverzeichnis IX

6.1.4 Genome Editing ............................................................ 147 7 Arzneimittelentwicklung und


6.2 Therapie mit Oligonucleotiden .......................... 148
-bewertung ....................................................... 155

6.2.1 Antisense-Oligonucleotide ....................................... 148 7.1 Präklinische Entwicklung ..................................... 156


6.2.2 microRNA und Antagomire ....................................... 150
7.2 Klinische Prüfung ..................................................... 158
6.2.3 RNA-Interferenz mittels siRNA ................................. 150
7.3 Prüfungsarten ............................................................ 160
6.2.4 Aptamere ........................................................................ 151
7.4 Schein-, Schritt- und Sprunginnovationen 162
6.3 Stammzelltherapie .................................................. 152
7.5 Evidenzbasierte Medizin ....................................... 163

TEIL B NERVENSYSTEM

8 Anatomische und physiologische 9.6 Langzeit-Antipsychotika ....................................... 200


Grundlagen des Nervensystems ....... 167 9.7 Therapiestrategie bei Schizophrenie .............. 201
8.1 Nervengewebe ........................................................... 167 10 Antidepressiva ................................................. 202
8.1.1 Neuronen ........................................................................ 167
10.1 Affektive Störungen ................................................. 202
8.1.2 Neuroglia ........................................................................ 168
10.2 Pathomechanistische Hypothesen ................... 202
8.2 Erregung von Nervenzellen, Erregungs-
leitung und -übertragung ................................... 169
10.3 Übersicht über Antidepressiva ........................... 203

8.2.1 Ruhe- und Aktionspotenzial ................................... 169 10.4 Nichtselektive Monoamin-


8.2.2 Erregungsauslösung an Sensoren ........................... 170 Wiederaufnahmehemmer .................................... 205
8.2.3 Nervale Erregungsleitung und Informations- 10.4.1 Tricyclische Antidepressiva ....................................... 205
übertragung ................................................................... 171 10.4.2 Tetracyclische Antidepressiva ................................... 209
8.2.4 Synaptische Erregungsübertragung ....................... 171
10.5 Selektive Monoamin-
8.2.5 Pharmakologische Beeinflussung der
Wiederaufnahmehemmer .................................... 209
synaptischen Erregungsübertragung ..................... 173
10.5.1 Selektive Serotonin-
8.3 Anatomie des Gehirns ............................................ 173 Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ............................. 209
10.5.2 Selektive Noradrenalin-
8.4 Aufbau des Rückenmarks ..................................... 176
Wiederaufnahmehemmer (SNRI) ............................ 211
8.5 Aufbau des peripheren Nervensystems ......... 177
10.5.3 Selektive Serotonin-Noradrenalin-
8.6 Funktionen des somatischen Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) .......................... 211
Nervensystems ........................................................... 177 10.5.4 Selektive Noradrenalin-Dopamin-
8.7 Funktionen des autonomen Wiederaufnahmehemmer (SNDRI) ......................... 212
Nervensystems ........................................................... 179
10.6 Noradrenerge und spezifisch
8.8 Darmnervensystem .................................................. 180 serotonerge Antagonisten (NaSSA) ................... 213

9 Antipsychotika ................................................ 183 10.7 Monoaminoxidasehemmer ................................. 214

9.1 Schizophrenie ............................................................. 183 10.8 Antidepressiva mit anderen


Wirkprinzipien ........................................................... 215
9.2 Pathomechanistische Hypothesen ................... 184
10.9 Therapie der unipolaren Depression .............. 217
9.3 Übersicht über Antipsychotika ........................... 185

9.4 Klassische Antipsychotika ..................................... 192 11 Pharmakotherapie von


9.4.1 Phenothiazine und Phenothiazin-Analoga ....... 192 bipolaren Störungen ................................. 219

9.4.2 Butyrophenone und Diphenylbutylpiperidine .... 194 11.1 Bipolare Störungen ................................................. 219

9.5 Atypische Antipsychotika ...................................... 195 11.2 Übersicht über Arzneistoffe


9.5.1 Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Loxapin ............ 195 zur Therapie bipolarer Störungen .................... 220
9.5.2 Sulpirid, Amisulprid .................................................... 198 11.2.1 Lithiumsalze .................................................................. 220
9.5.3 Risperidon, Paliperidon, Ziprasidon ...................... 198 11.2.2 Antiepileptika ............................................................... 221
9.5.4 Aripiprazol, Cariprazin, Sertindol ........................... 199 11.2.3 Antipsychotika .............................................................. 222
X Inhaltsverzeichnis

11.3 Therapiestrategie bei bipolaren 14.4.4 Pitolisant ........................................................................ 251


Störungen ..................................................................... 223
15 Analgetika .......................................................... 252
11.3.1 Therapie der akuten Manie/Hypomanie .............. 223
11.3.2 Therapie der akuten Depression ............................. 223 15.1 Pathophysiologie des Schmerzes ...................... 252
11.3.3 Phasenprophylaxe ....................................................... 224 15.1.1 Schmerzursachen, Schmerztypen ........................... 252
15.1.2 Schmerzentstehung und
12 Pharmakotherapie von
Schmerzverarbeitung ................................................. 253
Angststörungen ............................................. 225
15.1.3 Das endogene schmerzhemmende System ......... 256
12.1 Angststörungen ......................................................... 225 15.1.4 Plastizität des nozizeptiven Systems ..................... 257

12.2 Übersicht über Arzneistoffe zur Therapie 15.1.5 Schmerzreaktionen ..................................................... 258

von Angststörungen ................................................ 225 15.1.6 Schmerzbewertung ..................................................... 258

12.2.1 Benzodiazepine ............................................................ 226 15.1.7 Prinzipien der Schmerztherapie ............................. 259

12.2.2 Buspiron ......................................................................... 230 15.2 Pathophysiologie des Fiebers ............................. 260
12.2.3 Hydroxyzin ..................................................................... 231
15.3 Nichtopioide Analgetika der WHO-Stufe 1 .... 261
12.2.4 Opipramol ...................................................................... 231
15.3.1 Klassifizierung nichtopioider
12.2.5 Antidepressiva .............................................................. 231
Analgetika ...................................................................... 261
12.2.6 Pregabalin ...................................................................... 231
15.3.2 Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) ............... 261
12.2.7 Niedrig dosierte Antipsychotika .............................. 232
Acetylsalicylsäure (ASS) ............................................... 265
12.3 Therapiestrategie bei Angststörungen .......... 232 Essigsäure-Derivate ..................................................... 266
2-Arylpropionsäure-Derivate .................................. 267
13 Hypnotika ............................................................ 233
Oxicame ........................................................................... 268
13.1 Physiologische Grundlagen ................................. 233 15.3.3 COX-2-selektive nichtsteroidale Antiphlogistika

13.2 Schlafstörungen ........................................................ 235 (Coxibe) ........................................................................... 268


15.3.4 Sonstige nichtsteroidale Antiphlogistika ............. 269
13.3 Übersicht über Hypnotika .................................... 236
15.3.5 Antipyretische Analgetika ohne
13.3.1 Benzodiazepine ............................................................ 237
antiphlogistische Wirkung ........................................ 270
13.3.2 Zolpidem, Zopiclon ..................................................... 238
Paracetamol ................................................................... 270
13.3.3 H1-Antihistaminika ..................................................... 239
Metamizol, Phenazon und Propyphenazon ........ 271
13.3.4 Sonstige chemisch definierte Hypnotika ............. 239
15.3.6 Analgetische Kombinationspräparate .................. 272
13.3.5 Pflanzliche Schlafmittel ............................................. 241
15.4 Opioid-Analgetika ................................................... 272
13.4 Therapiestrategie bei Schlafstörungen ......... 242
15.4.1 Zentrale und periphere Wirkungen
14 Psychostimulanzien, Analeptika von Opioiden ................................................................. 272
und Arzneimittel zur Behandlung 15.4.2 Einteilung der Opioid-Analgetika .......................... 273
von ADHS und Narkolepsie .................... 243 15.4.3 Klinische Pharmakologie der Opioide ................... 274
15.4.4 Opium .............................................................................. 277
14.1 Psychostimulanzien ................................................ 243
15.4.5 Schwach wirksame Opioide
14.1.1 Coffein ............................................................................. 243
der WHO-Stufe 2 .......................................................... 277
14.1.2 Amphetamine und verwandte Substanzen ........ 244
15.4.6 Stark wirksame Opioide der WHO-Stufe 3 ........... 278
14.2 Analeptika .................................................................... 245
15.5 Cannabinoide ............................................................. 282
14.3 Pharmaka zur Therapie von ADHS .................... 246
15.5.1 Cannabinoidrezeptoren ............................................. 282
14.3.1 Methylphenidat, Dexamfetamin,
15.5.2 Cannabishaltige Arzneimittel .................................. 282
Lisdexamfetamin ......................................................... 246
14.3.2 Atomoxetin .................................................................... 247 15.6 Ziconotid ....................................................................... 284
14.3.3 Guanfacin ....................................................................... 248 15.7 Therapie neuropathischer Schmerzen ........... 284
14.3.4 Strategie der ADHS-Therapie .................................... 249
16 Migränemittel .................................................. 287
14.4 Pharmakotherapie der Narkolepsie ................ 249
16.1 Pathophysiologische Grundlagen
14.4.1 Modafinil ........................................................................ 249
der Migräne ................................................................. 287
14.4.2 Methylphenidat ............................................................ 250
14.4.3 Natriumoxybat .............................................................. 250 16.2 Therapie der akuten Migräneattacke ............. 288
Inhaltsverzeichnis XI

16.2.1 Triptane ........................................................................... 288 21 Antiparkinsonmittel ................................... 329


16.2.2 Ergotamin-Derivate .................................................... 289
21.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 329
16.3 Medikamentöse Migräneprophylaxe .............. 290
21.2 Übersicht über Antiparkinsonmittel ............... 331
17 Lokalanästhetika .......................................... 293 21.2.1 Levodopa (l-Dopa) ...................................................... 331
21.2.2 COMT-Hemmer .............................................................. 335
17.1 Allgemeines zu Lokalanästhetika .................... 293
21.2.3 MAO-B-Hemmer .......................................................... 335
17.1.1 Lokalanästhetika vom Säureamidtyp .................... 296
21.2.4 Dopaminerge Agonisten ............................................ 336
17.1.2 Lokalanästhetika vom Estertyp ............................... 296
21.2.5 Zentral wirksame Anticholinergika ........................ 338
18 Allgemeinanästhetika .............................. 298 21.2.6 Amantadin ..................................................................... 338
21.2.7 Budipin ........................................................................... 338
18.1 Allgemeines zu Anästhetika ................................ 298

18.2 Injektionsanästhetika ............................................ 300 21.3 Strategie der Pharmakotherapie des

18.2.1 Thiopental ...................................................................... 300 idiopathischen Parkinson-Syndroms ............. 339

18.2.2 Etomidat ......................................................................... 301 21.4 Pharmaka gegen Spätdyskinesien und


18.2.3 Propofol .......................................................................... 302 hyperkinetische Bewegungsstörungen ......... 340
18.2.4 Ketamin .......................................................................... 302
22 Antidementiva ................................................ 342
18.2.5 4-Hydroxybutansäure ................................................ 303
18.2.6 Opioide ............................................................................ 303 22.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 342
18.2.7 Benzodiazepine ............................................................ 304 22.2 Übersicht über Antidementiva ........................... 343
22.2.1 Acetylcholinesterasehemmer ................................... 343
18.3 Inhalationsanästhetika ......................................... 305
22.2.2 Memantin ....................................................................... 344
18.3.1 Lachgas ............................................................................ 306
22.2.3 Ginkgo biloba ................................................................ 344
18.3.2 Halogenierte Ether ...................................................... 307
22.2.4 Nootropika ..................................................................... 345
18.3.3 Halogenierte Kohlenwasserstoffe .......................... 307
22.3 Therapie der Alzheimer-Demenz ..................... 346
18.4 Besondere Narkoseverfahren ............................. 307
18.4.1 Balancierte Anästhesie .............................................. 307 23 Sympathomimetika ..................................... 347
18.4.2 Total intravenöse Anästhesie ................................... 307
23.1 Noradrenalin und Adrenalin ............................... 347
19 Muskelrelaxanzien ....................................... 308
23.2 Direkte Sympathomimetika ................................. 347
19.1 Anatomische und physiologische 23.2.1 α-Adrenozeptor-Agonisten ...................................... 348
Grundlagen ................................................................. 308 23.2.2 α,β-Adrenozeptor-Agonisten ................................... 348
19.2 Peripher angreifende Muskelrelaxanzien .... 309 23.2.3 β-Adrenozeptor-Agonisten ...................................... 348
19.2.1 Nichtdepolarisierende (stabilisierende)
23.3 Indirekte Sympathomimetika ............................ 351
Muskelrelaxanzien ...................................................... 310
19.2.2 Depolarisierende Muskelrelaxanzien .................... 312 24 Sympatholytika ............................................... 352

19.2.3 Dantrolen ....................................................................... 313


24.1 α-Adrenozeptor-Antagonisten .......................... 352
19.2.4 Clostridium-botulinum-Toxin ................................. 313
24.1.1 Selektive α1-Adrenozeptor-Antagonisten ........... 352

19.3 Zentral angreifende Muskelrelaxanzien ....... 314 24.1.2 Mutterkornalkaloide ................................................... 353
24.1.3 Phenoxybenzamin ...................................................... 354
20 Antiepileptika (Antikonvulsiva) ........ 315
24.2 β-Adrenozeptor-Antagonisten
20.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 315
(Betablocker) ............................................................... 355
20.2 Übersicht über Antiepileptika ............................ 317
24.3 Antisympathotonika ............................................... 358
20.2.1 Natriumkanäle blockierende Antiepileptika ...... 319
24.3.1 α2-Adrenozeptor-Agonisten .................................... 358
20.2.2 Calciumkanäle blockierende Antiepileptika ....... 322
24.3.2 Reserpin .......................................................................... 359
20.2.3 GABA-verstärkende Antiepileptika ........................ 323
20.2.4 Sonstige Antiepileptika .............................................. 325 25 Parasympathomimetika .......................... 361

20.3 Therapiestrategie der Epilepsie ........................ 327 25.1 Muscarinrezeptor-Agonisten


20.3.1 Anfallskontrolle ............................................................ 327 (m-Cholinozeptor-Agonisten) ............................ 361

20.3.2 Therapie des Status epilepticus .............................. 328 25.2 Cholinesterasehemmer .......................................... 361
XII Inhaltsverzeichnis

25.2.1 Carbaminsäure-Derivate ........................................... 362 26.1.1 Belladonnaalkaloide .................................................. 366


25.2.2 Organophosphorverbindungen .............................. 363 26.1.2 Quartäre Parasympatholytika .................................. 366
26.1.3 Tertiäre Parasympatholytika ..................................... 367
26 Parasympatholytika .................................... 364
26.2 Muskulotrope und neurotrop-muskulotrope
26.1 Übersicht über Muscarinrezeptor-
Spasmolytika .............................................................. 368
Antagonisten .............................................................. 364

TEIL C GEFÄSSSYSTEM UND KREISLAUF

27 Anatomische und physiologische 29.2 Hypotonie, orthostatische Dysregulation


Grundlagen des Gefäßsystems .......... 371 und Antihypotonika ................................................ 395

28 Antihypertonika ............................................. 376 30 Lipidsenker ........................................................ 396

28.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 376 30.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 396

28.2 Übersicht über antihypertensiv wirkende 30.1.1 Lipoproteine .................................................................. 396

Pharmaka ..................................................................... 377 30.1.2 Cholesterol ..................................................................... 398

28.2.1 ACE-Hemmer (Angiotensin-Konversionsenzym- 30.2 Übersicht über Lipidsenker .................................. 398


Hemmer) ......................................................................... 377 30.2.1 Statine ............................................................................. 398
28.2.2 AT1-Antagonisten (Angiotensin-II-Typ-1- 30.2.2 Cholesterol-Resorptionshemmer ........................... 403
Rezeptor-Antagonisten) ............................................ 380 30.2.3 PCSK9-Hemmer ............................................................ 403
28.2.3 Aliskiren .......................................................................... 382 30.2.4 Ionenaustauscher und Omega-3-Fettsäuren .... 404
28.2.4 Calciumkanalblocker ................................................... 382 30.2.5 Fibrate ............................................................................. 405
1,4-Dihydropyridine ................................................... 383 30.2.6 Gentherapie bei Lipoproteinlipase-Defizienz .... 406
Verapamil und Diltiazem ........................................... 384
30.3 Empfehlungen zur Therapie
28.2.5 Diuretika ......................................................................... 384
von Hyperlipidämien .............................................. 406
28.2.6 Antihypertonika mit Wirkung am
Sympathikus .................................................................. 386 31 Gefäßtherapeutika ...................................... 408
28.2.7 Vasodilatatoren ............................................................ 386
31.1 Arterielle Durchblutungsstörungen ................ 408
28.3 Therapie der Hypertonie ....................................... 388 31.1.1 Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) ... 408
28.3.1 Bluthochdrucktherapie bei Diabetikern .............. 388 Statine .............................................................................. 409
28.3.2 Bluthochdrucktherapie in Schwangerschaft Vasodilatatoren ............................................................ 409
und Stillzeit .................................................................... 389 Thrombozytenaggregationshemmer ..................... 410
28.3.3 Hypertensive Krise, hypertensiver Notfall ........... 389 31.1.2 Thrombangiitis obliterans ......................................... 410
31.1.3 Morbus Raynaud .......................................................... 411
28.4 Therapie der pulmonal-
31.1.4 Zerebrale Durchblutungsstörungen ....................... 411
arteriellen Hypertonie ........................................... 390
28.4.1 Prostacyclin und Analoga .......................................... 390 31.2 Venenerkrankungen und ihre Folgen ............ 411
28.4.2 Endothelinrezeptor-Antagonisten ......................... 391 31.2.1 Tiefe Becken- und Beinvenenthrombose (TVT) .... 411
28.4.3 PDE-5-Hemmer und Riociguat ............................... 392 31.2.2 Lungenembolie ............................................................ 413

29 Therapie von Schock und 31.3 Erektile Dysfunktion ................................................ 413


Hypotonus .......................................................... 393 31.3.1 PDE-5-Hemmer ........................................................... 414
31.3.2 Weitere erektionsfördernde Pharmaka ................ 415
29.1 Schock und Schocktherapie ................................. 393
29.1.1 Volumensubstitution .................................................. 393
29.1.2 Die Hämodynamik beeinflussende Pharmaka ... 393
29.1.3 Therapie des kardiogenen Schocks ........................ 394
Inhaltsverzeichnis XIII

TEIL D HERZ

32 Anatomische und physiologische 34.3.3 β-Adrenozeptor-Antagonisten ............................... 440


Grundlagen des Herzens ........................ 419 34.3.4 Aldosteronrezeptor-Antagonisten ......................... 441
34.3.5 Diuretika ......................................................................... 441
33 Koronartherapeutika ................................. 424
34.3.6 Sacubitril/Valsartan ..................................................... 441
33.1 Pathophysiologische Grundlagen 34.3.7 Ivabradin ........................................................................ 442
der koronaren Herzkrankheit (KHK) ................ 424 34.3.8 Digitalisglykoside ......................................................... 442
33.1.1 Stabile Angina pectoris .............................................. 424
34.4 Stufenplan zur Behandlung
33.1.2 Akutes Koronarsyndrom ............................................ 425
der chronischen Herzinsuffizienz
33.2 Übersicht über Koronartherapeutika mit reduzierter Ejektionsfraktion .................... 444
(Antianginosa) ............................................................ 426
34.5 Therapie der Herzinsuffizienz mit
33.2.1 NO-Donatoren .............................................................. 427
erhaltener linksventrikulärer
33.2.2 β-Adrenozeptor-Antagonisten ............................... 430
Ejektionsfraktion ...................................................... 445
33.2.3 Calciumkanalblocker ................................................... 431
34.6 Therapie der akuten Herzinsuffizienz ........... 446
33.2.4 If-Kanalblocker ............................................................. 431
33.2.5 Ranolazin ....................................................................... 432 35 Antiarrhythmika ............................................ 448
33.2.6 Trapidil ............................................................................ 432
35.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 448
33.2.7 Thrombozytenaggregationshemmer ..................... 433
35.1.1 Erregungsbildungsstörungen ................................... 448
33.2.8 Statine ............................................................................. 433
35.1.2 Erregungsleitungsstörungen .................................... 449
33.3 Medikamenten-beschichtete Stents ............... 433
35.2 Übersicht über Antiarrhythmika ....................... 450
33.4 Therapie des akuten Koronarsyndroms ........ 433 35.2.1 Klasse-I-Antiarrhythmika ......................................... 450
33.5 Sekundärprophylaxe der koronaren 35.2.2 Klasse-II-Antiarrhythmika ....................................... 452
Herzkrankheit (KHK) ................................................ 434 35.2.3 Klasse-III-Antiarrhythmika ...................................... 453
35.2.4 Klasse-IV-Antiarrhythmika ...................................... 455
34 Therapie der Herzinsuffizienz ............ 435
35.2.5 Sonstige Antiarrhythmika ......................................... 455
34.1 Pathophysiologie und Symptome
35.3 Antiarrhythmische Therapie
der Herzinsuffizienz ................................................ 435
bei Vorhofflimmern ................................................. 456
34.2 Präventive Maßnahmen ........................................ 438
35.3.1 Rhythmus-regulierende Therapie .......................... 456
34.3 Pharmaka zur Therapie der chronischen 35.3.2 Frequenz-regulierende Therapie ........................... 456
Herzinsuffizienz ........................................................ 439
35.4 Pharmakotherapie bradykarder
34.3.1 ACE-Hemmer ................................................................. 439
Herzrhythmusstörungen ....................................... 457
34.3.2 AT1-Antagonisten ........................................................ 439

TEIL E BLUT

36 Physiologische Grundlagen 37 Thrombozytenaggregations-


des Blutes ........................................................... 461 hemmer ................................................................ 472

36.1 Zelluläre Bestandteile ............................................ 461 37.1 Hemmstoffe der Cyclooxygenase-1 ................. 472
36.1.1 Erythrozyten .................................................................. 461 37.2 ADP-Rezeptor-Antagonisten .............................. 474
36.1.2 Leukozyten ..................................................................... 464
37.3 Phosphodiesterasehemmer
36.1.3 Thrombozyten ............................................................... 465
(PDE-Hemmer) ........................................................... 476
36.2 Blutplasma, Blutserum .......................................... 466 37.4 Glykoprotein-(GP-)IIb/IIIa-Antagonisten .... 477
36.3 Hämostase (Blutstillung) ...................................... 467 37.5 Anhang: sonstige Antithrombotika ................ 478
36.3.1 Primäre und sekundäre Hämostase ...................... 467
36.3.2 Hämorrhagische Diathese ......................................... 470
38 Antikoagulanzien ......................................... 479

36.3.3 Thrombose und Embolie ........................................... 470 38.1 Antikoagulanzien im Überblick ......................... 479
XIV Inhaltsverzeichnis

38.2 Parenterale Antikoagulanzien ........................... 479 39.2 Antihämorrhagika .................................................... 494


38.2.1 Antithrombin-vermittelte Thrombin- und/ 39.2.1 Antifibrinolytika ........................................................... 494
oder Faktor-Xa-Hemmung ....................................... 479 39.2.2 Vitamin K ........................................................................ 494
Heparine ......................................................................... 479 39.2.3 Blutgerinnungsfaktoren ............................................ 495
Fondaparinux ................................................................ 483 39.2.4 Fibrinogen ...................................................................... 497
Danaparoid .................................................................... 483 39.2.5 Thrombopoetinrezeptor-Agonisten ....................... 497
38.2.2 Direkte parenterale Thrombin-
40 Antianämika und
Inhibitoren ..................................................................... 484
Volumenersatzmittel ................................. 498
Hirudine .......................................................................... 484
Argatroban ...................................................................... 484 40.1 Antianämika ............................................................... 498
40.1.1 Eisenmangelanämie ................................................... 498
38.3 Orale Antikoagulanzien ......................................... 484
Eisenpräparate .............................................................. 498
38.3.1 Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) .................. 484
40.1.2 Renale Anämie ............................................................. 499
38.3.2 Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine) .................... 486
40.1.3 Makrozytäre Anämien ................................................ 500
38.3.3 Orale Antikoagulation bei Patienten mit nicht
Vitamin-B12-Mangel-Anämie ................................. 500
valvulärem Vorhofflimmern ..................................... 490
Folsäuremangel-Anämie ........................................... 501
39 Fibrinolytika und
40.2 Volumenersatzmittel .............................................. 501
Antihämorrhagika ........................................ 492
40.2.1 Kristalloide Lösungen ................................................. 502
39.1 Fibrinolytika (Thrombolytika) ............................ 492 40.2.2 Kolloidale Lösungen ................................................... 502

TEIL F RESPIRATIONSTRAKT

41 Anatomische und 42.4 Kombinationspräparate ........................................ 521


physiologische Grundlagen des 42.5 Stufenschema der Asthmatherapie ................. 521
Respirationstrakts ........................................ 507
42.6 Therapie des Status asthmaticus ...................... 522
41.1 Ventilationsstörungen ........................................... 509
43 Pharmakotherapie der COPD ............... 524
41.1.1 Obstruktive Ventilationsstörungen ........................ 509
41.1.2 Restriktive Ventilationsstörungen .......................... 510 43.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 524
41.1.3 Surfactant ....................................................................... 510 43.2 Grundlagen der COPD-Therapie ........................ 525
43.2.1 Bronchospasmolytika ................................................. 525
42 Therapie des Asthma bronchiale ..... 511
Quartäre Muscarinrezeptor-Antagonisten ........... 525
42.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 511 β2-Sympathomimetika ............................................... 526
42.2 Grundlagen der Asthmatherapie ..................... 513 Theophyllin .................................................................... 526
42.2.1 Kausale Therapie .......................................................... 514 43.2.2 Inhalative Glucocorticoide ....................................... 527
Allergenspezifische Immuntherapie ...................... 514 43.2.3 Roflumilast ..................................................................... 527
Omalizumab ................................................................... 515
43.3 Therapiealgorithmus der COPD .......................... 527
42.2.2 Symptomatische Therapie ......................................... 515
43.4 Sonstige Therapieoptionen ................................. 527
42.3 Antiasthmatika .......................................................... 515
42.3.1 Bronchospasmolytika ................................................. 515
44 Therapie der Lungenfibrose ................ 529

β2-Sympathomimetika ............................................... 515 44.1 Pathophysiologische und klinische


Muscarinrezeptor-Antagonisten Grundlagen ................................................................. 529
(Parasympatholytika) .................................................. 516
44.2 Pirfenidon .................................................................... 529
Theophyllin .................................................................... 517
44.3 Nintedanib ................................................................... 530
42.3.2 Antientzündlich wirkende Pharmaka ................... 518
Glucocorticoide ............................................................. 518 45 Antiallergika ..................................................... 531
Montelukast ................................................................... 520
45.1 Pathophysiologie der allergischen
Interleukin-5-Antikörper ......................................... 520
Rhinitis .......................................................................... 531
Cromoglicinsäure .......................................................... 520
45.2 H1-Antihistaminika ................................................. 531
Inhaltsverzeichnis XV

45.3 Therapiestrategie bei allergischer Rhinitis .... 535 47.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 540

46 Antitussiva und Expektoranzien ...... 537 47.2 Arzneistoffe zur Therapie


der Mukoviszidose ................................................... 540
46.1 Antitussiva ................................................................... 537
47.2.1 Sekretolytische Inhalativa ......................................... 540
46.2 Expektoranzien .......................................................... 538 47.2.2 Antibiotika ..................................................................... 541
47.2.3 CFTR-Modulatoren ....................................................... 541
47 Pharmakotherapie
der Mukoviszidose ....................................... 540

TEIL G GASTROINTESTINALTRAKT

48 Anatomische und physiologische 51 Laxanzien, Prokinetika und


Grundlagen des Gastrointestinal- Antidiarrhoika ................................................. 566
trakts ....................................................................... 545
51.1 Laxanzien ..................................................................... 566
48.1 Mundhöhle, Pharynx und Ösophagus ........... 545 51.1.1 Quellstoffe ...................................................................... 566

48.2 Magen ............................................................................ 545 51.1.2 Osmotisch wirkende Laxanzien ............................... 567

48.2.1 Anatomie des Magens ................................................ 545 51.1.3 Wasserbindende Laxanzien ...................................... 568

48.2.2 Magenmotilität und -entleerung .......................... 545 51.1.4 Antiresorptiv und hydragog wirkende

48.2.3 Magensaftsekretion .................................................... 546 Laxanzien ....................................................................... 568


51.1.5 Selektive 5-HT4-Rezeptor-Agonisten ................... 569
48.3 Dünndarm .................................................................... 548
51.1.6 Peripher wirksame Opioidrezeptor-
48.4 Dickdarm ....................................................................... 548 Antagonisten ................................................................. 570
48.5 Leber und Gallenwege ........................................... 549 51.1.7 Rektale Entleerungshilfen ........................................ 570
51.1.8 Behandlungsstrategie der chronischen
48.6 Pankreas ........................................................................ 550
Obstipation .................................................................... 571
48.7 Verdauung .................................................................... 551
51.2 Prokinetika .................................................................. 571
48.8 Resorption .................................................................... 551
51.3 Antidiarrhoika ............................................................ 572
49 Ulkustherapeutika ....................................... 552
51.3.1 Loperamid und Racecadotril .................................... 572
49.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 552 51.3.2 Probiotika ....................................................................... 573
51.3.3 Adsorbenzien und Adstringenzien ......................... 574
49.2 Pharmaka zur Therapie der Ulkus- und
51.3.4 Antibiotika ..................................................................... 574
Refluxkrankheit ......................................................... 552
51.3.5 Behandlungsstrategie der Diarrhö ......................... 574
49.2.1 Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) ...................... 553
49.2.2 H2-Antihistaminika ..................................................... 555 51.4 Therapie des Reizdarmsyndroms ...................... 575
49.2.3 Antazida .......................................................................... 556
51.5 Sonstige Magen-Darm-Mittel ............................ 577
49.2.4 Sucralfat .......................................................................... 557
51.5.1 Die Magen- und Darmmotilität hemmende
49.2.5 Prostaglandin-E-Derivate ........................................ 557
Pharmaka ....................................................................... 577
49.2.6 Parasympatholytika .................................................... 557
51.5.2 Verdauungsenzyme zur Substitutionstherapie
49.2.7 Eradikationstherapie von
(Digestiva) ...................................................................... 577
Helicobacter pylori (HP) ............................................. 558
51.6 Anhang: Antiadiposita ........................................... 577
49.3 Gastritis und Gastritisbehandlung .................. 558
51.6.1 Resorptionsvermindernde Antiadiposita ............. 577
50 Therapie chronisch entzündlicher 51.6.2 Appetitvermindernde Antiadiposita ..................... 577
Darmerkrankungen ..................................... 560
52 Antiemetika ....................................................... 579
50.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 560
52.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 579
50.2 Arzneistoffe zur Therapie von
52.2 Übersicht über antiemetisch wirkende
Colitis ulcerosa und Morbus Crohn .................. 562
Pharmaka ..................................................................... 579
52.2.1 H1-Antihistaminika ..................................................... 580
52.2.2 Prokinetika ..................................................................... 580
XVI Inhaltsverzeichnis

52.2.3 Antipsychotika .............................................................. 581 52.3 Anhang: Antivertiginosa ....................................... 585


52.2.4 5-HT3-Antagonisten (Setrone) ................................ 581
53 Gallentherapeutika ..................................... 587
52.2.5 Neurokinin-1-(NK1-)Rezeptor-Antagonisten .... 581
52.2.6 M1-Rezeptor-Antagonisten ...................................... 583 53.1 Gallensäuren und Analoga .................................. 587
52.2.7 Cannabinoide ............................................................... 583 53.1.1 Chenodesoxycholsäure .............................................. 588
52.2.8 Glucocorticoide ............................................................ 583 53.1.2 Ursodesoxycholsäure .................................................. 588
52.2.9 Therapeutischer Einsatz von Antiemetika ............ 584 53.1.3 Obeticholsäure .............................................................. 589

53.2 Pflanzliche Gallentherapeutika ........................ 589

TEIL H NIERE UND ELEKTROLYTHAUSHALT, UROGENITALTRAKT

54 Anatomische und physiologische 56.1.3 Hypo- und Hypercalcämie ........................................ 619


Grundlagen der Niere ............................... 593 56.1.4 Hypo- und Hypermagnesiämie .............................. 620

54.1 Aufbau eines Nephrons ......................................... 593 56.2 Therapeutische Anwendung von Kalium-,

54.2 Glomeruläre Filtration, Primärharnbildung 594 Calcium- und Magnesiumsalzen ...................... 621
56.2.1 Kaliumpräparate .......................................................... 621
54.3 Tubuläre Transportprozesse,
56.2.2 Calciumpräparate ......................................................... 621
Endharnbildung ........................................................ 595
56.2.3 Magnesiumpräparate ................................................. 621
54.3.1 Tubuläre Resorption .................................................... 596
54.3.2 Tubuläre Sekretion ....................................................... 598 56.3 Säure-Basen-Haushalt .......................................... 621
56.3.1 Regulation des Säure-Basen-Haushalts .............. 622
54.4 Regulation der Nierenfunktion ......................... 598
56.3.2 Störungen des Säure-Basen-Haushalts ............... 622
54.4.1 Regulation der glomerulären Filtrationsrate ...... 599
56.3.3 Therapie von Störungen des Säure-Basen-
54.4.2 Regulation der Wasserausscheidung ..................... 599
Haushalts ........................................................................ 622
54.4.3 Regulation der Na+-Ausscheidung ........................ 600
54.4.4 Regulation des Säure-Basen- 57 Prostatamittel ................................................. 624
Gleichgewichts ............................................................. 601
57.1 Anatomische Grundlagen ..................................... 624
55 Diuretika .............................................................. 602 57.2 Pathophysiologische Grundlagen

55.1 Übersicht über Diuretika ....................................... 602 des benignen Prostatasyndroms (BPS) .......... 624

55.2 Thiazide und Thiazid-Analoga .......................... 605 57.3 Übersicht über Prostatamittel ............................ 625
57.3.1 α1-Adrenozeptor-Antagonisten .............................. 625
55.3 Schleifendiuretika .................................................... 607
57.3.2 Testosteron-5α-Reduktase-Inhibitoren .............. 625
55.4 Kaliumsparende Diuretika ................................... 610 57.3.3 Tadalafil .......................................................................... 626
55.4.1 Aldosteronrezeptor-Antagonisten ......................... 610
57.3.4 Phytopharmaka ............................................................ 626
55.4.2 Triamteren, Amilorid ................................................... 611
57.4 Pharmakotherapie des benignen
55.5 Diuretika mit speziellen Indikationen ........... 612
Prostatasyndroms ..................................................... 627
55.5.1 Carboanhydratasehemmer ....................................... 612
55.5.2 Osmodiuretika ............................................................... 613 58 Inkontinenzbehandlung ........................ 628

55.5.3 Tolvaptan ........................................................................ 613 58.1 Anatomie der Harnblase ....................................... 628

55.6 Anhang: Antidiuretika ........................................... 614 58.2 Pharmaka zur Therapie


55.6.1 Therapie des Diabetes insipidus centralis ........... 614 der Belastungsinkontinenz ................................. 628
55.6.2 Therapie des Diabetes insipidus renalis .............. 614 58.3 Pharmaka zur Therapie

56 Therapie von Störungen des der Dranginkontinenz ............................................ 629

Elektrolyt- und Säure-Basen- 58.3.1 Orale Inkontinenzbehandlung ................................ 629

Haushalts ............................................................ 616 Muscarinrezeptor-Antagonisten ............................. 629


Mirabegron ..................................................................... 630
56.1 Elektrolythaushalt ................................................... 616
58.3.2 Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin ....... 630
56.1.1 Hypo- und Hypernatriämie ...................................... 616
58.3.3 Therapiestrategie der Dranginkontinenz ............. 631
56.1.2 Hypo- und Hyperkaliämie ........................................ 618
Inhaltsverzeichnis XVII

TEIL I ENDOKRINES SYSTEM

59 Hormone des hypothalamisch- 60.6 Insulinunabhängige Antidiabetika ................. 673


hypophysären Systems ............................. 635 60.6.1 Metformin ...................................................................... 673
60.6.2 Glitazone ........................................................................ 676
59.1 Grundlagen der Hormonwirkung ..................... 635
60.6.3 α-Glucosidase-Inhibitoren ...................................... 676
59.2 Hypothalamus ............................................................ 641
60.6.4 SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozine) .............................. 677
59.3 Hypothalamushormone ........................................ 641
60.7 Strategien der Therapie des Diabetes
59.4 Hypophyse .................................................................... 643 mellitus ......................................................................... 679
59.5 Hypophysenvorderlappenhormone ................ 643 60.7.1 Therapie des Typ-1-Diabetes .................................. 679
59.5.1 Thyrotropin (TSH) .......................................................... 644 60.7.2 Therapie des Typ-2-Diabetes .................................. 679
59.5.2 Corticotropin (ACTH) ..................................................... 644
61 Schilddrüsenhormone und
59.5.3 Melanotropin (MSH) .................................................... 645
-therapeutika .................................................. 681
59.5.4 Gonadotropine ............................................................. 645
59.5.5 Prolactin (LTH) ............................................................... 645 61.1 Anatomische Grundlagen ..................................... 681
59.5.6 Somatropin (STH) .......................................................... 645 61.2 Schilddrüsenhormone ........................................... 681

59.6 Funktionsstörungen 61.3 Störungen der Schilddrüsenfunktion ............. 684


der Adenohypophyse .............................................. 647 61.3.1 Struma ............................................................................. 684
59.6.1 Hypophysenvorderlappeninsuffizienz .................. 647 61.3.2 Hypothyreose ................................................................ 685
59.6.2 Hypophysärer Minderwuchs ..................................... 647 61.3.3 Hyperthyreose ............................................................... 686
59.6.3 Hypophysärer Riesenwuchs und Akromegalie ... 648
61.4 Thyreostatika .............................................................. 687
59.7 Hypophysenhinterlappenhormone ................. 648 61.4.1 Thiouracile und Mercaptoimidazole ...................... 687
59.7.1 Adiuretin und Analoga ............................................... 648 61.4.2 Perchlorate ..................................................................... 688
61.4.3 Iodid und elementares Iod ....................................... 689
59.8 Regulation der Bildung von
Sexualhormonen ...................................................... 650 61.5 Radioiod ........................................................................ 689
59.8.1 Gonadotropin-Releasinghormon und Analoga 61.6 Therapiestrategien bei Hyperthyreosen ....... 689
als Arzneistoffe ............................................................. 651
59.8.2 Gonadotropine als Pharmaka .................................. 654
62 Calciumhomöostase,
Knochenstoffwechsel und
60 Antidiabetika ................................................... 656 Osteoporosemittel ....................................... 691

60.1 Anatomische und physiologische 62.1 Anatomische Grundlagen


Grundlagen ................................................................. 656 der Nebenschilddrüsen ......................................... 691
60.1.1 Anatomie des Pankreas ............................................. 656
62.2 Parathyrin (Parathormon) .................................... 691
60.1.2 Pankreashormone ....................................................... 656
62.3 Störungen der Nebenschilddrüsen-
Insulin .............................................................................. 656
funktion ........................................................................ 692
Glucagon ......................................................................... 658
62.3.1 Hypoparathyreoidismus ............................................ 692
60.1.3 Regulation des Blutzuckerspiegels ........................ 660
62.3.2 Hyperparathyreoidismus ........................................... 692
60.1.4 Hypoglykämie ............................................................... 660
60.1.5 Hyperglykämie – Diabetes mellitus ....................... 661 62.4 Calcitonin ...................................................................... 694

60.2 Übersicht über Antidiabetika ............................. 665 62.5 Osteoporose ................................................................. 695
60.3 Insuline und Insulin-Analoga ........................... 666 62.5.1 Formen der Osteoporose ........................................... 695
60.3.1 Insulinbehandlungsformen ..................................... 668 62.5.2 Physiologie des Knochenstoffwechsels ................ 696
62.5.3 Einteilung der Osteoporosemittel .......................... 697
60.4 Insulinotrope Antidiabetika ............................... 669
62.5.4 Arzneimittel mit hemmender Wirkung
60.4.1 Sulfonylharnstoffe ....................................................... 669
auf den Knochenabbau ............................................. 697
60.4.2 Glinide ............................................................................. 670
Bisphosphonate ........................................................... 697
60.5 Inkretinbasierte Antidiabetika .......................... 671 Denosumab .................................................................... 701
60.5.1 GLP-1-Rezeptor-Agonisten (Inkretinmimetika) 671 62.5.5 Arzneimittel mit stimulierender Wirkung
60.5.2 DPP-4-Inhibitoren (Gliptine) .................................. 673 auf den Knochenaufbau ........................................... 701
XVIII Inhaltsverzeichnis

62.5.6 Strategie der Osteoporoseprophylaxe 65.1 Anatomische und physiologische


und -therapie ............................................................... 702 Grundlagen ................................................................. 725

63 Glucocorticoide und 65.2 Struktur, Biosynthese, Abbau von


Mineralocorticoide ...................................... 704 Estrogenen und Progesteron .............................. 725

65.3 Wirkungen der Estrogene ..................................... 727


63.1 Anatomische, physiologische und
pathophysiologische Grundlagen .................... 704 65.4 Estrogene und Antiestrogene
63.1.1 Anatomie der Nebennieren ...................................... 704 als Arzneistoffe .......................................................... 728
63.1.2 Nebennierenrindenhormone .................................. 704 65.4.1 Estrogene ohne organselektive

63.1.3 Physiologische Bedeutung agonistische Wirkung ................................................. 728

der Glucocorticoide ..................................................... 705 65.4.2 Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren

63.1.4 Physiologische Bedeutung (SERM) .............................................................................. 729

der Mineralocorticoide ............................................... 708 65.4.3 Tibolon ............................................................................ 730

63.1.5 Nebennierenrinden-Androgene ............................ 709 65.4.4 Antiestrogene ................................................................ 731

63.1.6 Störungen der Nebennierenrindenfunktion ...... 710 65.5 Wirkungen der Gestagene ................................... 733

63.2 Glucocorticoide als Arzneistoffe ........................ 712 65.6 Gestagene und Antigestagene
63.3 Mineralocorticoide als Arzneistoffe ................. 717 als Arzneistoffe .......................................................... 734
65.6.1 Gestagene ...................................................................... 734
63.4 Therapie von Funktionsstörungen
65.6.2 Antigestagene ............................................................... 735
der Nebennierenrinde ........................................... 717
65.6.3 Selektive Progesteronrezeptor-
64 Männliche Sexualhormone und Modulatoren (SPRM) .................................................... 735
davon abgeleitete Pharmaka ............. 719
65.7 Der ovarielle und menstruelle Zyklus ............. 736
64.1 Physiologische Grundlagen ................................. 719
65.8 Hormonelle Steuerung von Schwangerschaft,
64.1.1 Biosynthese und Kinetik der Androgene ............. 719
Geburt und Laktation ............................................. 737
64.1.2 Androgenwirkungen ................................................... 719
65.9 Gynäkologische Erkrankungen .......................... 737
64.2 Androgene als Arzneistoffe ................................. 721
65.10 Hormonelle Kontrazeptiva ................................... 738
64.2.1 Testosteron und Testosteron-Derivate .................. 721
65.11 Hormonersatztherapie in
64.2.2 Anabolika ....................................................................... 721
der Postmenopause ................................................ 743
64.3 Antiandrogene als Arzneistoffe ......................... 722
65.12 Pharmakotherapie von Zyklusstörungen ..... 744
64.3.1 Androgenrezeptor-Antagonisten ........................... 722
65.13 Uteruswirksame Substanzen .............................. 744
64.3.2 5α-Reduktasehemmer ............................................... 723
65.13.1 Oxytocin .......................................................................... 744
64.3.3 Androgen-Biosynthese-Inhibitor .......................... 723
65.13.2 Carbetocin ...................................................................... 745
65 Weibliche Sexualhormone und 65.13.3 Prostaglandin-Derivate ............................................. 745
davon abgeleitete Pharmaka ............. 725 65.13.4 Mutterkornalkaloide ................................................... 746
65.13.5 Tokolytika ....................................................................... 746

TEIL J IMMUNSYSTEM

66 Grundlagen der Immunabwehr ....... 751 67 Impfstoffe ........................................................... 760

66.1 Angeborene (unspezifische) 67.1 Aktive Immunisierung ........................................... 760


humorale Abwehr .................................................... 751 67.1.1 Standardimpfungen .................................................... 763

66.2 Angeborene (unspezifische) zelluläre 67.1.2 Indikationsimpfungen ............................................... 765

Abwehr .......................................................................... 753 67.2 Passive Immunisierung


66.3 Adaptive (spezifische) humorale Abwehr ..... 754 (Serumprophylaxe) ................................................. 766

66.4 Adaptive (spezifische) zelluläre Abwehr ....... 757


Inhaltsverzeichnis XIX

68 Immunstimulanzien und 70.5.1 Synthetische DMARD (sDMARD) ................................ 796


-modulatoren ................................................. 769 Konventionelle synthetische DMARD
(csDMARD) ....................................................................... 796
68.1 Zytokine ......................................................................... 769
Target-spezifische synthetische DMARD
68.2 Körperfremde Immunstimulanzien ................ 774 (tsDMARD) ....................................................................... 799
70.5.2 Biologische DMARD (bDMARD) .................................. 801
69 Immunsuppressiva ...................................... 776
70.6 Chondroprotektiva ................................................... 806
69.1 Übersicht über Immunsuppressiva .................. 776
69.1.1 Calcineurin-Inhibitoren ............................................ 776
70.7 NSAID zur lokalen Applikation ........................... 807

69.1.2 TOR-Inhibitoren ........................................................... 779 70.8 Differenzialtherapeutischer Einsatz von


69.1.3 Glucocorticoide ............................................................ 780 Antirheumatika bei entzündlichen
69.1.4 Belatacept ...................................................................... 780 rheumatischen Erkrankungen ........................... 807
69.1.5 Zytostatika ...................................................................... 781 70.9 Gichttherapeutika .................................................... 809
69.1.6 Antikörper ...................................................................... 782 70.9.1 Pathophysiologische Grundlagen
von Hyperurikämie und Gicht ................................. 809
69.2 Anwendung von Immunsuppressiva .............. 787
70.9.2 Therapie des akuten Gichtanfalls ........................... 810
69.3 Immunsuppressive Therapie bei
70.9.3 Therapie der chronischen Gicht .............................. 811
Transplantationen ................................................... 787
Urikostatika .................................................................... 812
70 Antirheumatika und Urikosurika ..................................................................... 813
Gichttherapeutika ........................................ 788 Urikolytika ...................................................................... 815

70.1 Erkrankungen des rheumatischen 71 Therapie der multiplen Sklerose ..... 816
Formenkreises ............................................................ 788
71.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 816
70.1.1 Rheumatoide Arthritis (RA) ....................................... 788
70.1.2 Seronegative Spondyloarthritiden ......................... 790
71.2 Therapie des akuten Schubs ............................... 817

70.1.3 Kollagenosen ................................................................. 791 71.3 Arzneistoffe zur verlaufsmodifizierenden


70.1.4 Vaskulitiden ................................................................... 792 Therapie ........................................................................ 817
70.1.5 Degenerative Gelenkerkrankungen ....................... 793 71.3.1 Dimethylfumarat, Glatirameracetat,
70.1.6 Extraartikuläre Rheumaformen .............................. 793 Teriflunomid .................................................................. 817
71.3.2 Fingolimod, Cladribin ................................................ 818
70.2 Antirheumatika im Überblick ............................. 793
71.3.3 Natalizumab, Alemtuzumab, Ocrelizumab,
70.3 Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) ........ 794 Mitoxantron ................................................................... 819
70.4 Glucocorticoide .......................................................... 794
71.4 Therapiestrategie bei MS ...................................... 821
70.5 Basistherapeutika (DMARD) ................................. 795
71.5 Therapie von Begleitsymptomen ..................... 821

TEIL K TUMORERKRANKUNGEN

72 Pathophysiologie 72.3.2 Verlust wachstumshemmender Signale:


der Tumorentstehung ............................... 825 der Zellzyklus und seine Kontrolle ......................... 829
72.3.3 Störung des programmierten Zelltods .................. 832
72.1 Häufigkeit und Relevanz
72.3.4 Unbegrenzte Zellteilung ............................................ 832
von Tumorerkrankungen ...................................... 825
72.3.5 Stimulation der Gefäßneubildung ......................... 833
72.2 Proto-Onkogene, Onkogene
72.3.6 Invasion und Metastasierung .................................. 835
und Epigenetik .......................................................... 825
72.3.7 Reprogrammierung
72.2.1 Proto-Onkogene und Onkogene ............................. 825
des Energiestoffwechsels .......................................... 835
72.2.2 Epigenetische Regulation der Genexpression .... 827
72.3.8 Verlust der Kontrolle durch
72.3 Charakteristische Eigenschaften das Immunsystem ....................................................... 836
von Tumorzellen ....................................................... 828
72.4 Entzündungsprozesse und
72.3.1 Von Wachstumsfaktoren unabhängiges
Tumorentwicklung ................................................... 837
Wachstum ....................................................................... 828
XX Inhaltsverzeichnis

72.5 Multiple Zellveränderungen 73.3 Kinase-Inhibitoren .................................................. 872


als Voraussetzung der Tumorentstehung ..... 838 73.3.1 BCR-ABL-Tyrosinkinase-Inhibitoren ..................... 873

72.6 Das Tumorgewebe und seine Gewebe- 73.3.2 EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren ............................ 874

umgebung (tumor microenvironment) ......... 838 73.3.3 ALK-Tyrosinkinase-Inhibitoren ............................... 877


73.3.4 Multikinasehemmer .................................................... 878
72.7 Bösartige Tumorarten ............................................ 840
73.3.5 JAK-Tyrosinkinase-Inhibitoren ................................ 880
72.8 Therapeutische Maßnahmen 73.3.6 Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren ........................ 880
bei malignen Tumoren .......................................... 841 73.3.7 PI3K-Lipidkinasehemmer ......................................... 881
72.8.1 Prinzipien der polymodalen Tumortherapie ...... 841
73.3.8 mTOR-Serin/Threonin-Kinasehemmer ................. 882
72.8.2 Resistenzentwicklung ................................................. 841
73.3.9 BRAF-Serin/Threonin-Kinasehemmer .................. 883
72.8.3 Arten der Tumorchemotherapie .............................. 842
73.3.10 MEK-Tyrosin/Threonin-Kinasehemmer ................. 884
72.8.4 Allgemeine Nebenwirkungen der Zytostatika .... 843
73.3.11 CDK4/6-Inhibitoren .................................................... 884
72.8.5 Kontraindikationen der Zytostatika ....................... 844
73.4 Weitere Signalweg-Inhibitoren ........................ 885
73 Onkologika ......................................................... 845
73.4.1 Hedgehog-Signalweg-Inhibitoren ........................ 885
73.1 Zytostatika ................................................................... 845 73.4.2 BCL-2-Inhibitor ............................................................ 885
73.1.1 Antimetaboliten ........................................................... 845
73.5 Monoklonale Antikörper ....................................... 886
Folsäure-Antagonisten .............................................. 845
73.5.1 Antikörper gegen den EGF-Rezeptor ..................... 888
Antagonisten von Purin- und Pyrimidinbasen .. 846
73.5.2 HER2-Antikörper .......................................................... 889
73.1.2 Alkylanzien .................................................................... 851
73.5.3 Antikörper gegen VEGF, VEGF-Rezeptor 2
Stickstofflost-Derivate ................................................ 851
und PDGF-Rezeptor .................................................... 890
Ethylenimin-Derivate (Aziridine) ............................ 854
73.5.4 Antikörper gegen CD20-, CD22- und CD33-
Sulfonsäurealkylester .................................................. 855
Oberflächenantigene .................................................. 891
N-Nitrosoharnstoff-Derivate .................................... 855
73.5.5 CD30-Antikörper Brentuximabvedotin ................. 893
Platinkomplexe ............................................................. 856
73.5.6 Antikörper gegen CD38- und SLAMF7 (CD319)-
Sonstige Alkylanzien ................................................... 857
Oberflächenantigene .................................................. 893
73.1.3 Topoisomerase-Hemmstoffe .................................... 859
73.5.7 Gangliosid GD2-Antikörper ...................................... 894
73.1.4 Mitosehemmstoffe ...................................................... 861
73.5.8 Bispezifischer Antikörper .......................................... 894
Vincaalkaloide, Eribulin ............................................. 861
73.5.9 Checkpoint-Inhibitoren ............................................. 895
Taxane .............................................................................. 862
73.5.10 Sonstige Antikörper ..................................................... 897
73.1.5 Zytostatisch wirksame Antibiotika ......................... 863
Actinomycine ................................................................. 863 73.6 Zellbasierte Therapieformen .............................. 897

Anthracycline ................................................................. 864 73.6.1 Chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen

Sonstige zytostatisch wirksame Antibiotika ........ 865 (CAR-T-Zellen) ............................................................... 897


73.6.2 Genetisch verändertes T-Zell-Präparat ................. 899
73.2 Onkologika mit unterschiedlichen
Wirkmechanismen ................................................... 867 73.7 Sonstige Immuntherapieformen ...................... 899

73.2.1 Differenzierungsinduktoren ..................................... 867 73.8 Hormone und Hormon-Antagonisten ........... 901
Retinoide ........................................................................ 867 73.8.1 GnRH-Analoga und GnRH-Antagonisten ............. 901
Bexaroten ....................................................................... 867 73.8.2 Estrogene ........................................................................ 902
Arsentrioxid .................................................................... 867 73.8.3 Antiestrogene ................................................................ 902
73.2.2 Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid ............ 868 Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren
73.2.3 Mifamurtid ..................................................................... 869 (SERM) .............................................................................. 902
73.2.4 Proteasom-Inhibitoren .............................................. 869 Estrogenrezeptor-Antagonist ................................... 903
73.2.5 Asparaginase ................................................................. 870 Aromatasehemmer ...................................................... 904
73.2.6 Enzyminhibitoren im Zellkern ................................. 870 73.8.4 Gestagene ...................................................................... 904
Ribonucleosiddiphosphat-Reduktase- 73.8.5 Antiandrogene .............................................................. 905
Hemmstoffe ................................................................... 870 73.8.6 Glucocorticoide ............................................................ 906
Poly-ADP-Ribose-Polymerase-Hemmstoffe ....... 871
73.9 Supportive Pharmakotherapie in
Histon-Deacetylase-Inhibitoren ............................. 872
der Onkologie ............................................................. 906

73.10 Stammzelltransplantation ................................... 907


Inhaltsverzeichnis XXI

73.11 Photodynamische Therapie ................................. 907 73.13.5 Melanom ......................................................................... 911

73.12 Radioaktive Isotope ................................................ 907 73.13.6 Multiples Myelom ........................................................ 912
73.13.7 Chronisch lymphatische Leukämie ........................ 913
73.13 Pharmakotherapie ausgewählter
73.13.8 Chronisch myeloische Leukämie ............................. 913
Tumorerkrankungen ............................................... 908
73.13.9 Akute Leukämien ......................................................... 913
73.13.1 Mammakarzinom ......................................................... 908
73.13.2 Prostatakarzinom ......................................................... 909 73.14 Strategien zur individualisierten
73.13.3 Kolonkarzinom ............................................................. 909 Tumortherapie ........................................................... 914
73.13.4 Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom ................... 910 73.15 Kombinationstherapie mit Zytostatika ......... 915

TEIL L HAUT

74 Anatomische, physiologische und 76.4.2 Methotrexat (MTX) ........................................................ 940


pathophysiologische Grundlagen 76.4.3 Ciclosporin ...................................................................... 940
der Haut ............................................................... 921 76.4.4 Apremilast ...................................................................... 940
76.4.5 Acitretin .......................................................................... 940
74.1 Aufbau der Haut ........................................................ 921
76.4.6 Biologika ......................................................................... 941
74.1.1 Epidermis ....................................................................... 921
74.1.2 Dermis und Subkutis ................................................... 922 76.5 Phototherapie mit Psoralenen (PUVA) ............ 943
74.1.3 Anhangsorgane der Haut .......................................... 922 76.6 Behandlungsstrategie der Psoriasis ............... 943
74.2 Krankheitssymptome der Haut .......................... 923 77 Therapie von Infektionen und
74.3 Grundlagen der Therapie von Tumoren der Haut ........................................ 946
Hauterkrankungen .................................................. 924
77.1 Häufige Hautinfektionen ..................................... 946
75 Therapie von Dermatitiden, 77.1.1 Bakterielle Infektionen durch S. aureus .............. 946
Urtikaria und Angioödem ...................... 925 77.1.2 HPV-induzierte Warzen ............................................. 947
77.1.3 Parasitosen der Haut .................................................. 948
75.1 Dermatitiden .............................................................. 925
75.1.1 Topische Glucocorticoide ........................................... 925 77.2 Tumorerkrankungen der Haut ........................... 949
75.1.2 Antipruriginosa ............................................................. 928 77.2.1 Aktinische Keratose und kutanes
75.1.3 Neurodermitis ............................................................... 929 Plattenepithelkarzinom ............................................ 950
Topische Therapie ........................................................ 931 77.2.2 Basalzellkarzinom ........................................................ 951
Systemische Therapie .................................................. 931 77.2.3 Malignes Melanom ...................................................... 952
Stufentherapie der Neurodermitis ......................... 932 77.2.4 Hautkrebsprävention durch Lichtschutz .............. 952
75.1.4 Allergisches Kontaktekzem ....................................... 932 Lichtschäden .................................................................. 952
Lichtschutz ..................................................................... 953
75.2 Urtikaria und Angioödem .................................... 933
Lichtschutzsubstanzen ............................................... 953
Urtikaria .......................................................................... 933
Angioödem ..................................................................... 933 78 Therapie von Akne, Alopezie
und Hirsutismus ............................................ 956
76 Therapie der Psoriasis vulgaris ......... 935
78.1 Akne ................................................................................ 956
76.1 Pathophysiologische Grundlagen .................... 935
78.1.1 Pathophysiologische Grundlagen .......................... 956
76.2 Übersicht über Antipsoriatika ............................ 936
78.1.2 Übersicht über Aknetherapeutika .......................... 956
76.3 Topische Antipsoriatika ......................................... 937 78.1.3 Retinoide ........................................................................ 957
76.3.1 Glucocorticoide ............................................................ 937 78.1.4 Benzoylperoxid ............................................................. 957
76.3.2 Vitamin D3 und Analoga ............................................ 937 78.1.5 Azelainsäure .................................................................. 958
76.3.3 Dithranol ........................................................................ 938 78.1.6 Antibiotika ..................................................................... 958
76.3.4 Calcineurin-Inhibitoren ............................................ 938 78.1.7 Antiandrogene Hormone .......................................... 958
76.3.5 Tazaroten ........................................................................ 938 78.1.8 Behandlungsstrategie der Akne .............................. 959

76.4 Systemische Antipsoriatika .................................. 939 78.2 Androgenetische Alopezie und


76.4.1 Fumarsäureester .......................................................... 939 Hirsutismus .................................................................. 959
XXII Inhaltsverzeichnis

TEIL M AUGE

79 Anatomische und physiologische 80.1.7 Carboanhydratasehemmer ....................................... 971


Grundlagen des Auges ............................. 963 80.1.8 Strategie der Glaukomtherapie ............................... 971

79.1 Anatomie des Auges ................................................ 963 80.2 Arzneistoffe zur Therapie der
Makuladegeneration .............................................. 972
79.2 Pupillenreaktionen und intraokulärer
80.2.1 Therapie der trockenen AMD .................................... 972
Druck ............................................................................... 966
80.2.2 Therapie der feuchten AMD ...................................... 972
79.3 Funktion der Photosensoren .............................. 967
80.3 Sonstige Ophthalmika ............................................ 973
80 Ophthalmika ..................................................... 968
80.3.1 Mydriatika ...................................................................... 973
80.1 Glaukommittel ........................................................... 968 80.3.2 Lokalanästhetische Ophthalmika ........................... 974
80.1.1 Pathophysiologische Grundlagen .......................... 968 80.3.3 Antiinfektive Ophthalmika ....................................... 974
80.1.2 Übersicht über Antiglaukomatosa .......................... 969 80.3.4 Antiphlogistische Ophthalmika ............................... 975
80.1.3 Prostaglandin-Analoga ............................................. 969 80.3.5 Antiallergische Ophthalmika .................................... 975
80.1.4 β-Adrenozeptor-Antagonisten ............................... 970 80.3.6 Sympathomimetika als Dekongestiva ................... 975
80.1.5 α2-Adrenozeptor-Agonisten .................................... 970 80.3.7 Dexpanthenol ............................................................... 976
80.1.6 Parasympathomimetika (Miotika) .......................... 971 80.3.8 Filmbildner .................................................................... 976

TEIL N INFEKTIONSKRANKHEITEN

81 Infektionskrankheiten ............................. 979 Makrolide und Analoga .............................................. 1011


Clindamycin ................................................................... 1014
81.1 Infektionskrankheiten in Deutschland .......... 979
Streptogramine ............................................................. 1014
81.2 Armutsbedingte und vernachlässigte
82.4.4 Oxazolidinone ............................................................... 1014
tropische Infektionskrankheiten ...................... 980
82.5 Antibiotika mit Wirkung auf
81.3 Meilensteine in der Entwicklung
Nucleinsäuren ............................................................ 1015
von Antiinfektiva ...................................................... 981
82.5.1 Fluorchinolone (Gyrasehemmer) ............................ 1015
82 Antibiotika ......................................................... 982 82.5.2 Folsäure-Antagonisten .............................................. 1019
82.5.3 Nitroverbindungen ...................................................... 1022
82.1 Grundlagen ................................................................. 983
82.1.1 Wirkungsspektrum, Wirkungstyp, Wirkstärke ..... 983 82.6 An der Zellmembran angreifende
82.1.2 Resistenz ......................................................................... 984 Antibiotika ................................................................... 1024
82.1.3 Persistenz ....................................................................... 986 82.6.1 Daptomycin .................................................................... 1024
82.6.2 Polymyxine .................................................................... 1025
82.2 Übersicht über Antibiotika ................................... 987

82.3 Antibiotika mit Angriff an 82.7 Lokalantibiotika ........................................................ 1025


der Zellwandsynthese ............................................ 988 82.8 Multiresistente Erreger (MRE) ............................. 1028
82.3.1 Betalactame .................................................................. 989 82.8.1 MRSA ................................................................................. 1028
Penicilline ....................................................................... 993 82.8.2 Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) ....... 1029
Cephalosporine ............................................................. 999 82.8.3 Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö
Carbapeneme ................................................................ 1002 (CDAD) .............................................................................. 1029
Monobactame ............................................................... 1003 82.8.4 Multiresistente gramnegative Bakterien
82.3.2 Glykopeptide und Lipoglykopeptide ..................... 1003 (MRGN) ............................................................................. 1029
82.3.3 Fosfomycin ..................................................................... 1005
82.9 Prinzipien der Antibiotikatherapie ................. 1030
82.4 Antibakterielle Hemmstoffe der ribosomalen 82.9.1 Allgemeine Anwendungskriterien
Proteinsynthese ........................................................ 1006 für Antibiotika ............................................................... 1030
82.4.1 Aminoglykoside ............................................................ 1007 82.9.2 Maßnahmen gegen eine zunehmende
82.4.2 Tetracycline .................................................................... 1010 Resistenzentwicklung ................................................. 1032
82.4.3 Makrolide, Lincosamide, Streptogramine ............ 1011
Inhaltsverzeichnis XXIII

82.10 Therapiebeispiele bakterieller 84.4.3 Hepatitis C ...................................................................... 1064


Erkrankungen ............................................................. 1032 HCV-Protease-Inhibitoren
82.10.1 Pneumonie .................................................................... 1032 (NS3/4A-Inhibitoren) .................................................. 1066
82.10.2 Harnwegsinfektionen ................................................. 1034 NS5A-Inhibitoren ......................................................... 1067
82.10.3 Lyme-Borreliose ........................................................... 1035 HCV-Polymerase-Inhibitoren
82.10.4 Bakterielle Meningitis ................................................ 1036 (NS5B-Inhibitoren) ...................................................... 1067
82.10.5 Infektiöse Endokarditis .............................................. 1037 DAA-Kombinationen ................................................... 1069
82.10.6 Sepsis ............................................................................... 1038 Ribavirin .......................................................................... 1069
82.10.7 Sexuell übertragene bakterielle Therapie der chronischen Hepatitis C .................... 1070
Erkrankungen ................................................................ 1038 84.4.4 Hepatitis D ...................................................................... 1071
84.4.5 Hepatitis E ...................................................................... 1071
82.11 Antibiotika in der Schwangerschaft ................ 1039

82.12 Anhang: Steckbrief Antibiotika ......................... 1040 84.5 Antiretrovirale Virostatika .................................... 1071
84.5.1 HIV und AIDS .................................................................. 1071
83 Antituberkulotika ......................................... 1041 84.5.2 Entry-Inhibitoren (Eintrittshemmer) .................... 1073

83.1 Mykobakterien ........................................................... 1041 Korezeptor-Antagonisten .......................................... 1073


Fusionshemmer ............................................................ 1074
83.2 Übersicht über Antituberkulotika .................... 1041
84.5.3 Nucleosidische Reverse-Transkriptase-
83.3 Orale Erstrang-Antituberkulotika .................... 1042
Inhibitoren (NRTI) ........................................................ 1074
83.3.1 Isoniazid ......................................................................... 1042
84.5.4 Nucleotid-analoge Reverse-Transkriptase-
83.3.2 Pyrazinamid ................................................................... 1044
Inhibitoren (NTRTI) ...................................................... 1077
83.3.3 Rifamycine ..................................................................... 1045
84.5.5 Nicht-nucleosidische Reverse-Transkriptase-
83.3.4 Ethambutol .................................................................... 1046
Inhibitoren (NNRTI) ...................................................... 1078
83.4 Orale Zweitrang-Antituberkulotika ................. 1046 84.5.6 Integrase-Inhibitoren (INI) ....................................... 1080
84.5.7 HIV-Protease-Inhibitoren (PI) ................................. 1081
83.5 Reserve-Antituberkulotika gegen
84.5.8 HIV-Infektion und deren antiretrovirale
multiresistente Tuberkulose ............................... 1047
Therapie (ART) ............................................................... 1084
83.6 Tuberkulosetherapie ............................................... 1048

83.7 Sonstige antimykobakteriell wirksame


85 Antimykotika .................................................... 1089

Antiinfektiva ............................................................... 1050 85.1 Azol-Antimykotika ................................................... 1089


83.7.1 Antiinfektiva gegen atypische 85.1.1 Lokale Azol-Antimykotika (Imidazole) .................. 1090
Mykobakteriosen .......................................................... 1050 85.1.2 Systemische Azol-Antimykotika (Triazole) ........... 1091
83.7.2 Antiinfektiva gegen Lepra ......................................... 1050
85.2 Terbinafin und Naftifin ......................................... 1094
84 Virostatika ........................................................... 1052
85.3 Amorolfin ...................................................................... 1094
84.1 Übersicht über Virostatika .................................... 1052 85.4 Polyen-Antimykotika .............................................. 1095
84.2 Influenzaviren hemmende Virostatika ........... 1054 85.4.1 Amphotericin B ............................................................. 1095
84.2.1 Neuraminidasehemmer ............................................. 1054 85.4.2 Nystatin und Natamycin ............................................ 1096
84.2.2 Amantadin ..................................................................... 1056
85.5 Echinocandine ........................................................... 1097
84.2.3 Pharmakotherapie der Influenza ........................... 1056
85.6 Flucytosin ..................................................................... 1098
84.3 Antiherpetika ............................................................. 1057
85.7 Griseofulvin ................................................................. 1099
84.3.1 Nucleosid-Analoga ..................................................... 1057
85.8 Sonstige Antimykotika zur lokalen
84.3.2 Foscarnet und Cidofovir ............................................. 1059
Anwendung ................................................................. 1099
84.3.3 Therapie von Herpes-Infektionen (Beispiele) .... 1060
85.9 Pharmaka mit Wirkung gegen
84.4 Virostatika mit Wirkung gegen
Pneumocystis jirovecii ........................................... 1099
Hepatitisviren ............................................................. 1061
85.10 Therapie oberflächlicher und
84.4.1 Hepatitis A ...................................................................... 1061
systemischer Mykosen ............................................ 1100
84.4.2 Hepatitis B ...................................................................... 1062
85.10.1 Tinea ................................................................................. 1100
Peginterferon alfa-2a ................................................ 1062
85.10.2 Mukokutane Pilzinfektionen (Kandidosen) ........ 1101
Nucleosid- und Nucleotid-Analoga ...................... 1063
85.10.3 Systemmykosen ............................................................ 1101
Therapie der chronischen Hepatitis B ................... 1063
XXIV Inhaltsverzeichnis

86 Antiprotozoika ................................................ 1103 87.2.3 Ivermectin ...................................................................... 1120


87.2.4 Lokal im Darm wirkende Anthelminthika ............ 1120
86.1 Malaria ........................................................................... 1103
86.1.1 Einteilung der Malariamittel .................................... 1104 87.3 Pharmakotherapie ausgewählter
86.1.2 4-Aminochinoline und Arylaminoalkohole ....... 1105 Wurmkrankheiten .................................................... 1121
86.1.3 Artemisinin-Derivate .................................................. 1107 87.3.1 Oxyuriasis (Madenwurmbefall) ............................... 1121
86.1.4 Artemisininbasierte Kombinationspräparate ..... 1108 87.3.2 Zystizerkose .................................................................... 1122
86.1.5 Proguanil und Pyrimethamin .................................. 1109 87.3.3 Echinokokkose .............................................................. 1122
86.1.6 Atovaquon ...................................................................... 1110 87.3.4 Lymphatische Filariose ............................................... 1123
86.1.7 Primaquin ...................................................................... 1110 87.3.5 Schistosomiasis (Bilharziose) ................................... 1123
86.1.8 Prophylaxe und Therapie der Malaria ................... 1111
88 Desinfektionsmittel
86.2 Sonstige durch Protozoen verursachte und Antiseptika ............................................. 1124
Tropenkrankheiten .................................................. 1113
88.1 Desinfektionsmittel ................................................. 1124
86.2.1 Trypanosomiasis ........................................................... 1113
88.1.1 Halogene ........................................................................ 1124
86.2.2 Leishmaniosen ............................................................. 1114
88.1.2 Silberverbindungen .................................................... 1125
86.2.3 Amöbiasis ....................................................................... 1115
88.1.3 Oxidationsmittel .......................................................... 1125
86.3 Toxoplasmose ............................................................. 1115 88.1.4 Alkohole und Aldehyde ............................................. 1125
88.1.5 N-haltige Heterocyclen .............................................. 1126
86.4 Trichomoniasis ........................................................... 1116
88.1.6 Phenole ........................................................................... 1126
87 Anthelminthika .............................................. 1117 88.1.7 Quartäre Ammoniumverbindungen und
Biguanide ....................................................................... 1127
87.1 Würmer (Helminthen) ............................................ 1117

87.2 Anthelminthika ......................................................... 1117 88.2 Anwendung von Desinfektionsmitteln .......... 1128
88.2.1 Instrumenten-, Flächen-, Wäsche- und
87.2.1 Albendazol und Mebendazol ................................... 1117
Händedesinfektion ..................................................... 1128
87.2.2 Praziquantel .................................................................. 1119
88.2.2 Wundantiseptika .......................................................... 1128

TEIL O DIAGNOSTIKA

89 Kontrastmittel und 89.1.3 Fettlösliche iodhaltige Röntgenkontrastmittel ...... 1135


Radiopharmaka ............................................. 1133
89.2 Kontrastmittel für
89.1 Röntgenkontrastmittel .......................................... 1133 die Kernspintomographie .................................... 1135
89.1.1 Bariumsulfat .................................................................. 1133 89.3 Kontrastmittel für die Sonographie ................ 1137
89.1.2 Wasserlösliche iodhaltige
89.4 Radiopharmaka für die Positronen-
Röntgenkontrastmittel ............................................... 1133
Emissions-Tomographie (PET) ............................ 1138

TEIL P MIKRONÄHRSTOFFE

90 Vitamine ............................................................... 1143 90.2.3 Vitamin B3 (Nicotinamid) .......................................... 1155


90.2.4 Vitamin B5 (Pantothensäure) ................................... 1156
90.1 Fettlösliche Vitamine .............................................. 1143
90.2.5 Vitamin B6 (Pyridoxin) ................................................ 1156
90.1.1 Vitamin A (Retinol, Retinal, Retinylester)
90.2.6 Vitamin B9 (Folsäure) .................................................. 1157
und Retinoide ............................................................... 1144
90.2.7 Vitamin B12 (Cobalamine) ......................................... 1159
90.1.2 Vitamin D (Calciferole) ................................................ 1148
90.2.8 Vitamin C (Ascorbinsäure) ......................................... 1160
90.1.3 Vitamin E (Tocopherole, Tocotrienole) .................. 1150
90.2.9 Vitamin H (Biotin) ......................................................... 1161
90.1.4 Vitamin K (Phyllochinone) ........................................ 1151
90.3 Anhang: Essenzielle Spurenelemente
90.2 Wasserlösliche Vitamine ....................................... 1153
und essenzielle Fettsäuren ................................. 1162
90.2.1 Vitamin B1 (Thiamin) .................................................. 1153
90.3.1 Eisen und andere Spurenelemente ....................... 1162
90.2.2 Vitamin B2 (Riboflavin) .............................................. 1154
90.3.2 Essenzielle Fettsäuren ................................................ 1164
Inhaltsverzeichnis XXV

TEIL Q VERGIFTUNGEN

91 Toxikologie ......................................................... 1169 91.8 Tierische Gifte ............................................................ 1192


91.8.1 Schlangengifte .............................................................. 1192
91.1 Allgemeinmaßnahmen bei Vergiftungen ..... 1170
91.8.2 Insektengifte ................................................................. 1193
91.1.1 Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen ................ 1170
91.1.2 Verhinderung der Giftresorption ............................ 1170 91.9 Schwermetalle ........................................................... 1193
91.1.3 Beschleunigung der Giftelimination ..................... 1171 91.9.1 Antidote bei Schwermetallvergiftungen .............. 1193
91.1.4 Behandlung mit Antidoten ...................................... 1173 91.9.2 Blei ................................................................................... 1195
91.9.3 Quecksilber .................................................................... 1197
91.2 Genussgifte .................................................................. 1173
91.9.4 Cadmium ........................................................................ 1198
91.2.1 Alkoholvergiftung ........................................................ 1173
91.9.5 Thallium .......................................................................... 1199
Alkoholkinetik ............................................................... 1174
91.9.6 Eisen ................................................................................. 1199
Akute und chronische Alkoholvergiftung ............. 1175
91.9.7 Aluminium ..................................................................... 1200
Alkoholentwöhnungsmittel ...................................... 1175
91.2.2 Tabakrauchen und Nicotin ........................................ 1177 91.10 Radionuklide .............................................................. 1200
Akute Nicotinvergiftung ............................................. 1177 91.11 Säuren und Laugen ................................................. 1201
Chronische Schädigung durch Rauchen ................ 1178
91.12 Seifen und Detergenzien (Tenside) .................. 1202
Raucherentwöhnungsmittel .................................... 1178
91.13 Organische Lösemittel ............................................ 1202
91.3 Gasförmige Verbindungen ................................... 1180 91.13.1 Nicht halogenierte Kohlenwasserstoffe ............... 1203
91.3.1 Lungenreizstoffe .......................................................... 1180 91.13.2 Halogenierte Kohlenwasserstoffe .......................... 1203
91.3.2 Kohlenmonoxid ............................................................ 1180 91.13.3 Alkohole .......................................................................... 1205
91.3.3 Kohlendioxid ................................................................. 1181
91.3.4 Stickstoffoxide (NOx) ....................................................
91.14 Karzinogene ................................................................ 1206
1181
91.14.1 Aromatische und polycyclische aromatische
91.3.5 Blausäure und Cyanide .............................................. 1182
Kohlenwasserstoffe ..................................................... 1207
91.3.6 Schwefelwasserstoff .................................................... 1182
91.14.2 Aromatische Amine ..................................................... 1208
91.4 Methämoglobinbildner ......................................... 1183 91.14.3 N-Nitroso-Verbindungen .......................................... 1208
91.5 Bakterientoxine ........................................................ 1184 91.14.4 Sonstige alkylierende Substanzen ......................... 1209
91.5.1 Lebensmittelvergiftung durch Enterotoxine ....... 1184 91.14.5 Karzinogene Naturstoffe ........................................... 1210
91.5.2 Lebensmittelvergiftung durch 91.14.6 Anorganische krebserregende Stoffe ..................... 1210
Botulinumtoxine .......................................................... 1185
91.15 Nanopartikel ............................................................... 1211
91.6 Giftpilze ......................................................................... 1186
91.6.1 Knollenblätterpilze ..................................................... 1186 Quellenverzeichnis ........................................................ 1212
91.6.2 Fliegen- und Pantherpilz .......................................... 1187 Publikationen und Bücher ...................................................... 1212
91.6.3 Sonstige Giftpilze ......................................................... 1187
Internetquellen ............................................................................ 1215
91.7 Pflanzengifte .............................................................. 1188 AWMF-Leitlinien ........................................................................... 1216
91.7.1 Alkaloide ......................................................................... 1188
Sonstige Leitlinien ...................................................................... 1217
91.7.2 Glykoside ........................................................................ 1191
91.7.3 Pflanzliche Proteine .................................................... 1191 Sachregister ......................................................................... 1219
91.7.4 Pflanzensäuren ............................................................. 1192
1

Teil A
Grundlagen
1 Pharmakokinetik ......................................................................................................................... 3

2 Pharmakodynamik ..................................................................................................................... 45

3 Pharmakogenetik ........................................................................................................................ 111

4 Nebenwirkungen ......................................................................................................................... 117

5 Interaktionen ................................................................................................................................. 131

6 Gen- und Zelltherapie ............................................................................................................. 145

7 Arzneimittelentwicklung und -bewertung ................................................................ 155


3

1 Pharmakokinetik
Die Wirkung eines Arzneistoffs hängt von vielen Faktoren und insbesondere auch von seiner Phar-
makokinetik ab. Die Pharmakokinetik beschreibt die Resorption (Aufnahme in den Körper), die
Verteilung im Körper sowie seine Elimination, sei es durch Metabolisierung oder durch unverän-
derte Ausscheidung über die Nieren oder via Fäzes. Ein wichtiger Parameter, der die Elimination
eines Arzneistoffs charakterisiert, ist die Halbwertszeit. Ist sie aufgrund von Leber- oder Nieren-
funktionsstörungen oder wegen Interaktionen mit anderen Arzneistoffen verlängert, ist in der
Regel eine Dosisreduktion erforderlich, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

1
Die Wirkung eines Arzneimittels ist das Ergebnis zahl-
reicher, meist sehr komplexer Vorgänge im Organismus. pharmazeutische
In der Regel liegt ihr eine Reaktionskette zugrunde, die Phase
in drei Phasen unterteilt wird: Die pharmazeutische,
pharmakokinetische und pharmakodynamische Phase. Applikation
In Ⴜ Abb. 1.1 sind die wichtigsten Vorgänge, die nach
oraler Gabe eines Arzneimittels im Organismus ablau-
fen, schematisch dargestellt. Zerfall der Arzneiform
Die pharmazeutische Phase umfasst – bei den am Auflösung der Wirkstoffe
meisten verwendeten festen Arzneiformen – den Zer-
fall der Arzneiform und die Auflösung der Arzneistoffe.
pharmakokinetische
Sie wird daher vorwiegend von den galenischen Eigen- Phase
schaften des Arzneimittels bestimmt.
Die Pharmakokinetik beschreibt den zeitlichen Ver- Resorption
lauf von Arzneistoffkonzentrationen im Organismus
(Was macht der Organismus mit dem Pharmakon?).
Zur pharmakokinetischen Phase gehören die Teilpro- Biotransformation
zesse:
󠀂 Resorption (Absorption),
󠀂 Verteilung und
󠀂 Elimination. Verteilung
Unter Resorption versteht man die Aufnahme eines Arz-
neistoffs in den Organismus. Die Verteilung beschreibt
den Stofftransport vom Blut in die Gewebe. Als Elimina-
Speicherung Ausscheidung
tion werden die Prozesse bezeichnet, die zu einer Kon-
zentrationsabnahme des Arzneistoffs im Organismus
Wirkort
führen; dazu gehören die Biotransformation (Metaboli- (Rezeptoren)
sierung) und die Ausscheidung (Exkretion).
Zusammen bestimmen die pharmazeutische und pharmakodynamische
pharmakokinetische Phase die Beziehung zwischen Phase
einer gegebenen Dosis und der erreichten Konzentra-
tion des Arzneistoffs im Organismus. pharmakologischer
Effekt
Die pharmakodynamische Phase wird durch die
Wechselwirkung des Pharmakons mit seinem Zielmo-
lekül (Target) und die sich anschließende Beeinflussung Wirksamkeit
toxische Wirkung
der Signaltransduktion bestimmt, an deren Ende der (klinische Wirkung)
pharmakologische Effekt steht (Was macht das Phar-
makon mit dem Organismus?). Ⴜ Abb. 1.1 Bei oraler Gabe eines Arzneimittels im Orga-
nismus ablaufende Vorgänge
4 1 Pharmakokinetik

Die Arzneimittelwirkung hängt also einerseits von


Glykoprotein extrazelluläre
den pharmakodynamischen Eigenschaften des jeweili- Flüssigkeit
gen Arzneistoffs ab, andererseits aber auch – und zwar
in hohem Maße – von pharmazeutischen und pharma- Glykolipid
kokinetischen (biopharmazeutischen) Parametern.
Dementsprechend dienen pharmakokinetische bzw.
biopharmazeutische Untersuchungen:
󠀂 der Bestimmung des Resorptionsverhaltens,
󠀂 der Ermittlung der im Organismus erreichbaren
Wirkstoffkonzentrationen und deren Zeitverlauf,
Filamente des
󠀂 der Aufklärung der Biotransformationswege und Zytoskeletts
des Ausscheidungsverhaltens sowie Cholesterol
󠀂 dem Vergleich verschiedener Zubereitungen wirk-
stoffgleicher Arzneimittel (Bioverfügbarkeits- und Membran-
Bioäquivalenzstudien, Ⴉ Kap. 1.7.1). assoziiertes Protein
integrales
Erst auf Basis pharmakokinetischer Untersuchungen Membranprotein
wird die Erstellung eines rationalen Dosierungsregimes
Zytoplasma
(Höhe der Einzeldosis, Dosierungsintervall, Ⴉ Kap. 1.8.2)
möglich.
Ⴜ Abb. 1.3 Aufbau der Zellmembran in schematischer
Darstellung

1.1 Stofftransport durch biologische


Membranen Der Durchtritt von Arzneistoffen durch die Membran
(Ⴜ Abb. 1.4) erfolgt im Wesentlichen als:
Da Resorption, Verteilung und Elimination ohne einen 󠀂 passive Diffusion,
Transport durch Membranen nicht möglich sind, wer- 󠀂 Carrier-vermittelter Transport oder
den diese Vorgänge vorab beschrieben. 󠀂 primär bzw. sekundär aktiver Transport.
Die Lipiddoppelschicht der Zellmembran besteht im
Wesentlichen aus Phospholipiden (z. B. Phosphatidyl- 1.1.1 Passive Diffusion
cholin, Ⴜ Abb. 1.2), deren hydrophile „Kopfteile“ nach Die passive Diffusion erfolgt entlang eines Konzentrati-
außen und die lipophilen „Schwanzteile“ nach innen onsgradienten. Dabei ist die Diffusionsgeschwindigkeit
angeordnet sind. direkt proportional dem Konzentrationsgefälle zwi-
In die Lipiddoppelschicht (Ⴜ Abb. 1.3) sind inselartig schen der Arzneistoffkonzentration auf der Membran-
Proteine mit unterschiedlichen Funktionen (z. B. Ka- außenseite und der -innenseite, der Membranfläche
nalproteine) eingelagert. Da die Membran nicht sta- sowie dem substanzspezifischen Diffusionskoeffizien-
tisch, sondern dynamisch ist – Lipid- und Proteinmole- ten (abhängig von Molekülgröße und -struktur, Lipo-
küle können lateral diffundieren – wurde sie 1972 von philie, Ladung) und umgekehrt proportional zur Mem-
Lenard und Singer als Fluid-Mosaik-Modell beschrie- brandicke. Der Diffusionsprozess ist durch struktur-
ben. analoge Verbindungen nicht hemmbar.
Für einen membranären Stoffdurchtritt stehen haupt- Da die Diffusion durch die Lipidmatrix im Vorder-
sächlich zwei sich prinzipiell unterscheidende Mem- grund steht, kommt der Lipophilie der Substanz dabei
branstrukturen zur Verfügung: die Lipidschicht, insbe- eine dominierende Bedeutung zu. Organische Säuren
sondere für die Aufnahme lipophiler Stoffe, und durch und Basen diffundieren bevorzugt im nichtionisierten
Proteine gebildete wassergefüllte Poren für die Penetra- und damit lipophileren Zustand durch Lipidmembra-
tion hydrophiler Substanzen. nen, daher spricht man von nichtionischer Diffusion.

O O

P CH3
H3C O O O
N CH3
O H
O
– + CH3
H3C
O

Ⴜ Abb. 1.2 Phosphatidylcholin als amphiphiler Bestandteil von Zellmembranen


1.1 Stofftransport durch biologische Membranen 5

arbeitenden ATPasen dar. Hierzu gehören die prak-


tisch in allen Zellmembranen vorkommende Na+/K+-
passive Diffusion ATPase, ferner die Ca2+-ATPase und die H+/K+-ATPase
sowie die weiter unten beschriebenen Transporter.
Diese Proteine hydrolysieren an der Innenseite der
Membran ATP zu ADP und anorganischem Phosphat
Uniport und nutzen die dabei freiwerdende Energie zum akti-
ven Transport, bei dem eine Substanz entgegen dem
Konzentrationsgefälle durch eine Membran transpor-
tiert wird. Der primär aktive Transport ist durch Sub-
Symport stanzen mit ähnlicher chemischer Struktur kompetitiv
hemmbar.
Beim sekundär aktiven Transport wird zunächst
durch eine ATPase ein Konzentrationsgradient aufge-
Antiport baut, der nachfolgend zu einem Carrier-vermittelten
Transport führt. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind mit 1
Natriumionen gekoppelte Transportprozesse, wobei
primär aktiver die Natriumionen und die mit diesen zu befördernde
ATP Transport Substanz, z. B. Glucose, in dieselbe Richtung transpor-
tiert werden. Es entsteht ein ternärer Komplex zwi-
schen der zu transportierenden Substanz, dem Carrier
Substrat Kosubstrat und den Natriumionen. Da die intrazelluläre Na+-Kon-
zentration durch die Na+/K+-Pumpe niedrig gehalten
Ⴜ Abb. 1.4 Möglichkeiten des Substanzdurchtritts durch wird, besteht ein Konzentrationsgefälle für Natrium-
Membranen ionen von außen nach innen. Durch den Natrium-
ionen-Bergabtransport wird die zu transportierende
Für die Resorption schlecht lipidlöslicher Nichtelek- Substanz gleichzeitig „bergauf “ transportiert.
trolyte sowie ionisierter Stoffe mit relativ niedriger Mo- Zu den Substanzen, die primär oder sekundär aktiv
lekularmasse sind dagegen die in den Membranen ent- transportiert werden, gehören u. a. Aminosäuren, Zu-
haltenen Poren bedeutsam. cker sowie teilweise auch wasserlösliche Vitamine und
Pharmaka.
1.1.2 Carrier-vermittelter Transport
Carrier (Schlepper) sind Transportproteine, die eine 1.1.4 Transportproteine
erleichterte Diffusion, d. h. einen beschleunigten Sub- Für die Pharmakokinetik von Arzneistoffen von beson-
stanztransport insbesondere von hydrophilen Molekü- derem Interesse ist der gerichtete Transport (vektoriel-
len durch Bildung eines Substanz-Transporter- ler Transport) über zelluläre Barrieren, z. B. in Leber,
Komplexes, ermöglichen. Wie bei der Diffusion ist der Niere oder Intestinaltrakt (Ⴜ Abb. 1.5). Dafür sind im
Carrier-vermittelte Transport ein passiver Prozess, des- Wesentlichen zwei Proteinfamilien verantwortlich,
sen treibende Kraft der Konzentrationsgradient zwi- nämlich die:
schen verschiedenen Kompartimenten, z. B. zwischen 󠀂 Transportproteine vom SLC-Typ (Solute-Carrier-
Extra- und Intrazellularraum, darstellt. Familie) sowie die
Nach der Art des Transports unterscheidet man Uni- 󠀂 ABC-Transporter (ATP-Binding-Cassette).
porter, die nur eine Art von Teilchen transportieren,
Symporter, die mehrere Teilchenarten in gleicher Rich- Transportproteine vom SLC-Typ. SLC-Transporter sind
tung befördern, und Antiporter, die verschiedene Teil- am Transport zahlreicher kationischer, anionischer
chenarten in entgegengesetzter Richtung bewegen. oder ungeladener endogener Substrate sowie von Arz-
Carrier-vermittelte Transportprozesse sind durch neistoffen beteiligt. Die etwa 360 verschiedenen Pro-
hohe Strukturspezifität, Sättigung des Transportsys- teine wurden aufgrund ihrer Aminosäuresequenz in 48
tems bei hohen Substanzkonzentrationen sowie Familien unterteilt. Sie können ihre Substrate sowohl
Hemmbarkeit durch Inhibitoren charakterisiert. von extrazellulär nach intrazellulär als auch von intra-
zellulär nach extrazellulär transportieren, fungieren
1.1.3 Aktiver Transport aber hauptsächlich als Aufnahmetransporter. Sie
Bei dieser Transportform wird zwischen primär und se- schleusen Nährstoffe und auch Arzneistoffmoleküle in
kundär aktivem Transport unterschieden. Wichtige pri- die Zellen ein. Zu den SLC-Transportern gehören u. a.
mär aktive Transportproteine stellen die als Pumpen die OATP (organic anion-transporting polypeptides),
6 1 Pharmakokinetik

Ⴜ Abb. 1.5 Stark verein-


Gehirn
fachte (unvollständige)
Epithelzelle von
Darstellung von Aufnahme-
Hirnkapillaren OATP P-gp OCTN und Effluxtransportern an
OAT
Enterozyten, Hepatozyten,
proximalen Tubuluszellen
der Niere sowie Endothel-
OATP P-gp BCRP MRP
zellen der Hirnkapillaren.
proximale Tubuluszelle Hepatozyt BCRP breast cancer resis-
MDR3 tance protein, BSEP bile salt
P-gp P-gp
MRP export pump, MATE multi-
MRP drug and toxin extrusion
OAT OCT MATE
Urin Galle transporter, MRP multidrug
MATE Blut
OAT MRP resistance-associated pro-
OCT
BCRP tein, OAT organic anion
OATP transporter, OATP organic
OAT BSEP
BCRP anion-transporting poly-
peptide, OCT organic cation
MRP transporter, OCTN carnitine/
Enterozyt organic cation transporter,
P-gp P-Glykoprotein. Nach
OATP BCRP P-gp MRP
König

Darmlumen

OAT (organic anion transporters), OCT (organic cat- fungieren als Effluxpumpen für zahlreiche endogene
ion transporters) und die MATE (multi-drug and toxin Substrate und viele Arzneistoffe und deren Metaboliten.
extrusion transporters), die sich alle in weitere Unter- Ein pharmakologisch besonders relevanter und sehr
familien untergliedern lassen. OATP nehmen beispiels- gut untersuchter Effluxtransporter der ABC-Familie ist
weise Arzneistoffe aus dem intestinalen Lumen in En- P-gp (P-Glykoprotein, permeability glycoprotein), das
terozyten und aus dem Blut in Hepatozyten sowie in das im Rahmen der Resistenzentwicklung von Tumoren
Endothel der Blut-Hirn-Schranke (Ⴉ Kap. 1.4.2) auf. gegen Zytostatika entdeckt wurde. P-gp ist in der Lage,
OAT und OCT schleusen Arzneistoffmoleküle aus dem bestimmte Zytostatika aus dem Inneren der Tumorzelle
Blut in die Zellen des proximalen Tubulus der Niere (tu- herauszupumpen und so die Konzentration in der Tu-
buläre Sekretion) und in Hepatozyten (wichtig für die morzelle zu reduzieren. P-gp ist ein membranständiges
Metabolisierung) und sind daher besonders für die Protein, das durch das Multi-Drug-Resistance-Gen
Ausscheidung von Arzneistoffen von Bedeutung. (MDR1) kodiert wird. Es besteht aus zwei Hälften mit je
MATE können an den Zellen des renalen proximalen 6 transmembranären Domänen, in jeder Hälfte ist im
Tubulus sowie an Hepatozyten sowohl als Aufnahme- zytoplasmatischen Teil eine ATP-Bindungsstelle lokali-
als auch als Effluxtransporter fungieren. siert (Ⴜ Abb. 1.6, Ⴜ Abb. 1.7).
Der Transport erfolgt entweder als Carrier-vermit- P-gp ist für die Pharmakokinetik zahlreicher Sub-
telter Transport entlang eines elektrochemischen Gra- stanzen sehr wichtig, weil es in vielen Geweben physio-
dienten (z. B. als Symport oder Antiport) oder sekundär logisch exprimiert wird, wie beispielsweise im Darm
aktiv, d. h. angetrieben von Ionengradienten, die durch oder im Gehirn, wo es durch den Substanzefflux eine
ATP-abhängige Pumpen generiert werden, gegen ein Barrierefunktion ausübt. Außerdem ist es in Leber und
Konzentrationsgefälle. Niere an der Elimination (Ⴉ Kap. 1.6.2, Ⴉ Kap. 1.6.3)
zahlreicher Arzneistoffe beteiligt (Clearancefunktion).
Transportproteine vom ABC-Typ. Bei den ABC-Trans- Der P-gp-bedingte Arzneistoffefflux führt dazu, dass:
portern wurden bisher mehr als 50 Vertreter identifi- 󠀂 Onkologika, die P-gp-Substrate (z. B. Doxorubicin,
ziert, die in 7 Familien unterteilt sind (ABCA bis Paclitaxel) sind, aufgrund einer Überexpression von
ABCG). Alle Transporter dieses Typs haben ATP-bin- P-gp in den Tumorzellen nicht in diese gelangen
dende Sequenz-Motive, an die ein oder zwei ATP ge- und somit nicht wirken können,
bunden werden und an denen die energieliefernde 󠀂 Arzneistoffe, die P-gp-Substrate sind, eine niedri-
ATP-Hydrolyse stattfindet, die für die Konformations- gere orale Bioverfügbarkeit (Ⴉ Kap. 1.7.1) haben, da
änderung des Transportproteins erforderlich ist. Sie
1.2 Applikationsarten 7

extrazellulär A B C
Glykosylierung „inside open“ „outside open“

ATP ATP T T T T T T
M M M M M M
NH2 D D D D D D
COOH
N N N N N N
intrazellulär B B B B
D D
B B
D D D D
ADP ADP
Ⴜ Abb. 1.6 Lokalisation von P-gp (P-Glykoprotein) in der
Zellmembran Substrat Pi Pi
P
ATP

sie durch intestinales P-gp zumindest teilweise an Ⴜ Abb. 1.7 Mechanismus des P-gp-vermittelten Trans-
der Resorption gehindert werden, ports in schematischer Darstellung. A Der Arzneistoff bin- 1
󠀂 Arzneistoffe, die P-gp-Substrate sind, die Blut-Hirn- det an eine Substratbindestelle, daraufhin bindet ATP an
Schranke nicht ausreichend permeieren und somit die Nucleotid-Bindungsstelle (NBD). B Konformationsän-
derung der transmembranären Domäne (TMD) durch
das zentrale Nervensystem nicht erreichen,
ATP-Hydrolyse. C Durch Spaltung eines weiteren ATP-Mo-
󠀂 klinisch relevante Interaktionen auftreten können,
leküls wird der Ausgangszustand wiederhergestellt und
wenn mehrere P-gp-Substrate gleichzeitig bzw. ein der Arzneistoff freigesetzt. Nach Mansoori
P-gp-Substrat mit einem P-gp-Inhibitor oder P-gp-
Induktor gegeben werden. dem Ort, an dem das Pharmakon wirken soll, und dem
Weitere wichtige ABC-Transporter sind z. B. MRP Zustand des Patienten (z. B. i. v. Gabe bei Bewusstlosig-
(multidrug resistance-associated proteins) mit weiteren keit).
Unterfamilien (MRP 1–5) und BCRP (breast cancer re- Eine lokale oder topische Applikation auf oder in
sistance protein). bestimmte Körperstellen ist dann indiziert, wenn die
Wirkung auf den Applikationsort beschränkt sein soll,
Inhibition und Induktion von Transportproteinen. sodass der Gesamtorganismus möglichst wenig beein-
Eine Transporterinhibition erfolgt meist als kompeti- flusst wird. Wird dagegen eine systemische Wirkung
tive Hemmung bei entsprechend hoher Affinität des In- angestrebt, muss der Arzneistoff entweder direkt in die
hibitors zur Substratbindungsstelle am Transportpro- Blutbahn injiziert oder in resorbierbarer Form z. B. per-
tein oder (seltener) nichtkompetitiv als allosterische oral appliziert werden.
Hemmung, verursacht durch eine reversible Konforma-
tionsänderung des Transportproteins, die dazu führt, Topische (lokale) Applikation. Beispiele für eine topi-
dass das Substrat nicht mehr gebunden werden kann. In sche Applikation sind u. a. die Lokalbehandlung von
vielen Fällen wird der Inhibitor – auch bei kompetitiver Augen- und Hauterkrankungen sowie die pulmonale
Hemmung – selbst nicht transportiert. Anwendung von Arzneistoffen in Form von Aerosolen
Eine Transporterhemmung kann erwünscht sein, z. B. (z. B. Broncholytika). Der Vorteil einer topischen Appli-
um die Bioverfügbarkeit oder die ZNS-Gängigkeit von P- kation besteht vor allem darin, dass die erforderliche
gp-Substraten zu erhöhen oder die Resistenz von Tumo- therapeutische Dosis niedriger liegt als bei einer ande-
ren gegen Onkologika zu durchbrechen. Daher befinden ren, z. B. der p. o. Gabe, und daher systemische Wirkun-
sich P-gp-Inhibitoren mit unterschiedlichen Hemm- gen in geringerem Umfang auftreten.
mechanismen seit Jahren in der klinischen Forschung.
Auf der anderen Seite kann eine Hemmung von Parenterale Applikation. Von parenteraler Applikation
Transportern klinisch relevante Wechselwirkungen spricht man, wenn die Resorption unter Umgehung des
(Ⴉ Kap. 5.2.4) von Arzneistoffen zur Folge haben. Magen-Darm-Trakts erfolgt (z. B. i. v., i. m., s. c.).
Die intravasale, meist intravenöse (i. v.), seltener in-
traarterielle (i. a.) Injektion bzw. Infusion ist dadurch
1.2 Applikationsarten gekennzeichnet, dass exakt dosiert werden kann und
der Arzneistoff sehr rasch den Wirkort erreicht. Diese
Applikationsort und Applikationsart (႒ Tab. 1.1) rich- Applikationsform ist daher vor allem dann, wenn der
ten sich nach den physikalischen und chemischen Zeitfaktor besonders bedeutsam ist, z. B. in Notfällen
Eigenschaften des Arzneistoffs, dem gewünschten Wir- indiziert. Durch die rasche Verdünnung im Blut und
kungseintritt und der gewünschten Wirkdauer, nach durch dessen große Pufferkapazität sind die Anforde-
8 1 Pharmakokinetik

႒ Tab. 1.1 Applikationsarten (Auswahl) neiformen (Tabletten, Dragees, Kapseln u. a.) relativ
leicht hergestellt werden können und der Patient sie
Applikationsort Applikationsart
außerdem meist bevorzugt.
Applikation auf Haut oder Schleimhaut
Rektale Applikation. Eine rektale Applikation weist
Mund- und Zungen- bukkal, lingual, sublingual
eine sehr unterschiedliche und im Vergleich zur oralen
schleimhaut
Gabe meist auch niedrigere Resorptionsquote (s. u.)
Magen- und Darm- enteral = peroral (p. o.) auf. Dennoch ist bei Säuglingen und Kleinkindern die
schleimhaut rektale Anwendung z. B. von Antipyretika sinnvoll.
Außerdem werden bei Patienten, die zu Erbrechen oder
Rektumschleimhaut rektal
Magenstörungen neigen (z. B. bei Migräne), rektale
Nasenschleimhaut nasal Arzneiformen eingesetzt.

Bronchial- und Alveolar- pulmonal, per inhalationem


epithel 1.3 Resorption
Schleimhäute der Genital- intravaginal, intraurethral
organe und ableitenden Unter der Resorption (Absorption) eines Stoffs versteht
Harnwege man dessen Aufnahme von der Körperoberfläche –
hierzu gehört auch die Schleimhaut des Ma-
Haut epikutan gen-Darm-Kanals – in die Blutbahn oder in das Lymph-
Applikation in das Körperinnere gefäßsystem, von wo aus die Verteilung in den Gesamt-
organismus erfolgt.
Herz intrakardial Um resorbiert werden zu können, muss der Arznei-
stoff in gelöster Form vorliegen. In der Regel bestimmt
Arterie intraarteriell (i. a.)
die Geschwindigkeit, mit der sich der Wirkstoff (z. B.
Vene intravenös (i. v.) im Gastrointestinaltrakt oder in einem intramuskulä-
ren Depot) auflöst, auch die Resorptionsgeschwindig-
Lendenwirbelkanal lumbal
keit. Neben den Substanzeigenschaften (z. B. Teilchen-
Liquorraum intrathekal größe) sind dafür auch die Eigenschaften der Arznei-
form (d. h. die verwendeten Hilfsstoffe, Überzüge u. a.)
Haut intrakutan, subkutan (s. c.) von Bedeutung.
Muskel intramuskulär (i. m.)
Bei organischen Arzneistoffen ist die Resorptions-
quote von ihrem Verteilungskoeffizienten (z. B. Octanol/
Bauchhöhle intraperitoneal (i. p.) Wasser) abhängig: Die Resorbierbarkeit steigt zunächst
mit zunehmendem Verteilungskoeffizienten bis zu
Gelenk intraartikulär (i. art.)
einem Maximum, um dann wieder abzunehmen. Der
Grund hierfür liegt darin, dass vorwiegend hydrophile
rungen an die Injektionslösung zur i. v. Applikation be- Stoffe die Lipidmembranen schlecht durchdringen kön-
züglich Isotonie und Isohydrie geringer als bei intra- nen, andererseits aber hochlipophile Substanzen sich
muskulärer und subkutaner Injektion. Nachteile der nicht in ausreichender Konzentration in dem wässrigen
intravenösen Injektion sind der im Vergleich zu ande- Milieu, das die resorbierenden Flächen umgibt, lösen.
ren Applikationsformen größere Aufwand, die Belas- Saure und basische organische Arzneistoffe werden
tung des Patienten sowie das erhöhte Risiko (z. B. Ver- bevorzugt in der nichtionisierten und damit lipidlösli-
schleppung von Keimen). chen Form aufgenommen. Da der Dissoziationsgrad
Bei intramuskulärer (i. m.) oder subkutaner (s. c.) In- vom pKa-Wert der Substanz und dem pH-Wert des je-
jektion ist im Gegensatz zur intravenösen Injektion ein weiligen Milieus abhängt, werden schwache Säuren
Resorptionsprozess erforderlich. Wenn nicht streng auf besser im sauren bis neutralen Milieu, schwache Basen
Isohydrie und Isotonie der Injektionslösung (gleicher besser bei pH-Werten ≥ 7 resorbiert. Änderungen des
pH-Wert bzw. gleicher osmotischer Druck wie Körper- pH-Werts, z. B. durch Antazida, können die Resorp-
flüssigkeiten, Gewebe) geachtet wird, können bei i. m. tionsquote teilweise dissoziierter Pharmaka daher stark
und s. c. Injektion lokale Unverträglichkeitsreaktionen, verändern. Die Aufnahme quartärer Ammoniumver-
wie z. B. Schmerzen und u. U. auch Nekrosen auftreten. bindungen und anderer vollständig ionisierter Sub-
stanzen erfolgt sehr langsam und nur in geringem Um-
Orale Applikation. Am häufigsten werden Arzneimittel fang, z. T. werden sie in Form von Ionenpaaren resor-
peroral (p. o.) verabreicht, da die dafür geeigneten Arz- biert.
1.3 Resorption 9

Darm Galle

A A -Konjugat A -Konjugat
Sekretion
Hydrolyse
A A

Magen
entero- entero-
A gastraler hepatischer
Kreislauf Kreislauf

A A A -Konjugat

Phase-II-Reaktion

Blut Leber 1

Ⴜ Abb. 1.8 Enterohepatischer und enterogastraler Kreislauf eines Arzneistoffs (A)

1.3.1 Resorption bei oraler Applikation den Speichel gelangen. Wie bei der Ausscheidung mit
Nach oraler Gabe findet die Resorption im Wesentli- der Galle oder in den Magen kann der im Speichel ent-
chen im oberen Dünndarm statt, der durch Schleim- haltene Arzneistoff nach dem Verschlucken im Darm
hautfalten, -zotten und -krypten sowie Mikrovilli eine wieder resorbiert werden.
besonders große resorbierende Oberfläche aufweist.
Der pH-Wert reicht von schwach sauer im Duodenum Orale Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreiset-
bis zu schwach alkalisch in tieferen Dünndarmab- zung. Säureempfindliche Stoffe müssen vor der Ein-
schnitten, daher liegen sowohl von schwachen Säuren wirkung der Magensäure geschützt werden. Dies ge-
als auch von schwachen Basen ausreichende Anteile in lingt durch Arzneiformen mit magensaftresistenten
nichtionisierter und damit resorbierbarer Form vor. Überzügen, die sich erst im leicht alkalischen Milieu
Die Verweilzeit des Arzneistoffs im Magen ist vom des Dünndarms auflösen. Magensaftresistente Tablet-
Füllungszustand und den im Magen befindlichen sons- ten dürfen nicht geteilt, zerkleinert oder zerkaut wer-
tigen Inhaltsstoffen abhängig: Rasche Entleerung bei den, da sonst die Schutzwirkung des Überzugs verloren
Gabe des Arzneimittels in den leeren Magen, verzögerte geht. Die Dragierung von Tabletten mit unlöslichen
Abgabe bei gleichzeitiger Nahrungszufuhr. Filmbildnern oder Diffusionsüberzügen führt zu einer
Nach der Resorption aus den verschiedenen Darm- verzögerten Wirkstofffreigabe, wodurch eine Wir-
abschnitten gelangen oral applizierte Wirkstoffe über kungsverlängerung erzielt wird (Retardformulierun-
die Pfortader in die Leber. Dort kann bei entsprechen- gen). Neuere Retardarzneiformen auf Basis von Ma-
den Substanzeigenschaften ein erheblicher Anteil meta- trixsystemen oder Pelletformulierungen (Multiple-
bolisiert werden (First-Pass-Effekt, Ⴉ Kap. 1.5.5). Hoch- Unit-Systeme, in Kapseln oder Tabletten) zeichnen sich
lipophile Stoffe können auch zusammen mit Lipiden durch eine gleichförmige Freisetzung des Wirkstoffs
(z. B. Cholesterol) in Form von Chylomikronen in das über einen längeren Zeitraum (von mehreren Stunden
Lymphsystem aufgenommen werden. bis zu einem Tag) aus. Eine kontrollierte Wirkstofffrei-
Stoffe, die mit der Galle in den Zwölffingerdarm aus- gabe ist außerdem durch sog. orale osmotische Systeme
geschieden werden, können in tieferliegenden Darmab- (Oros-Systeme) möglich, bei denen die Freisetzung mit
schnitten teilweise oder ganz rückresorbiert werden. konstanter Geschwindigkeit durch osmotischen Druck
Man spricht dann von einem enterohepatischen Kreis- erfolgt.
lauf (Ⴜ Abb. 1.8). Retardarzneiformen dürfen meist nicht zerkleinert
Ein enterogastraler Kreislauf liegt vor, wenn basi- oder zerkaut werden, um ein sog. Dose dumping
sche Substanzen aus dem Blut in den Magen übertreten (Überdosierung durch plötzliche Freisetzung der ge-
und dann im Dünndarm teilweise rückresorbiert wer- samten Dosis) zu vermeiden. Neuere Systeme sind oft
den. teilbar, Tabletten mit Retardüberzügen dagegen nicht.
Arzneistoffe können außerdem durch passive Diffu- Ein besonders schneller Wirkungseintritt wird mit
sion oder durch aktiven Transport aus dem Plasma in sog. Schmelztabletten (oral dispersible tablets, ODT,
10 1 Pharmakokinetik

z. B. mit Loperamid, Lorazepam) erzielt. Es handelt sich guale Applikation nur bei leicht resorbierbaren Sub-
dabei in der Regel um Lyophilisate, die bereits in der stanzen und bei niedrigen erforderlichen Dosen in Be-
Mundhöhle innerhalb von Sekunden zerfallen und tracht. Verschiedene Arzneiformen stehen dafür zur
ohne Wasser geschluckt werden können. Bei sehr lipo- Verfügung. Glyceroltrinitrat z. B. wird in Form von Zer-
philen Arzneistoffen kann dabei bereits eine beträchtli- beißkapseln oder als Spray zur Anwendung in der
che Arzneistoffmenge über die Mundschleimhaut (s. u.) Mundhöhle bei Angina-pectoris-Anfällen eingesetzt.
resorbiert werden. Buprenorphin, das nach oraler Applikation wegen aus-
geprägter First-Pass-Metabolisierung (Ⴉ Kap. 1.5.5)
1.3.2 Resorption bei rektaler, vaginaler, nicht systemisch bioverfügbar ist, kann in Form von
bukkaler/sublingualer, nasaler und Sublingualtabletten zur Substitutionstherapie bei Opi-
pulmonaler Applikation atabhängigkeit angewendet werden. Orodispersible
Resorption bei rektaler Applikation Filme (ODF), z. B. mit dem Analgetikum Fentanyl, zer-
Bei der rektalen Applikation liegt die Resorptionsquote fallen innerhalb von Sekunden im Mund und der Arz-
in der Regel deutlich niedriger als bei p. o. Gabe und ist neistoff kann rasch über die Mundschleimhaut resor-
außerdem stärkeren intra- und interindividuellen biert werden.
Schwankungen unterworfen. Die primäre Leberpassage
wird großenteils umgangen, da die in den unteren zwei Resorption bei nasaler Applikation
Dritteln des Rektums resorbierten Anteile direkt in die Die Nasenschleimhaut besitzt ähnlich wie die Mund-
untere Hohlvene und damit nicht in die zur Leber füh- schleimhaut gute Resorptionseigenschaften. Wie bei
rende Pfortader gelangen. Für Arzneistoffe, die bereits bukkaler/sublingualer Applikation wird auch bei nasa-
bei der ersten Leberpassage umfangreich metabolisiert ler Applikation eine präsystemische Elimination im
werden, können die Plasmaspiegel dadurch nach rekta- Magen-Darm-Trakt und in der Leber umgangen. Al-
ler Applikation höher sein als nach p. o. Applikation der lerdings ist die Nasenschleimhaut sehr empfindlich,
gleichen Dosis. wodurch eine intranasale Dauertherapie erschwert
Beispiele für rektal angewendete Arzneistoffe sind wird.
Paracetamol-Fieberzäpfchen für Säuglinge und Klein- Die Resorption durch die Nasenschleimhaut wird
kinder, Metoclopramid-Zäpfchen für Patienten mit z. B. bei der Anwendung von Peptiden genutzt, die bei
Übelkeit und Erbrechen sowie Diazepam-Zäpfchen für oraler Applikation im Magen-Darm-Kanal durch Pro-
Patienten mit akuten Angst- und Erregungszuständen. teasen zerstört werden würden (z. B. Desmopressin-Lö-
sung zur Therapie des Diabetes insipidus). Ein Grippe-
Resorption bei vaginaler Applikation Impfstoff für Kinder (Fluenz® Tetra Nasenspray) ist ein
Die Vaginalschleimhaut stellt ein gutes Resorptions- Beispiel für nasal applizierte Impfstoffe. Fentanyl er-
organ dar. Lokale Estrogene (meist Estriol), die z. B. bei reicht in Form eines Nasensprays – ähnlich wie bei buk-
Genitalatrophie in der Menopause eingesetzt werden, kaler Applikation – einen raschen Wirkungseintritt.
werden unter Umgehung der ersten Leberpassage re- Bei topischer Anwendung schleimhautabschwellen-
sorbiert und erreichen bei gleicher Dosis 10-fach hö- der Arzneimittel bei Rhinitis (z. B. Nasentropfen mit
here Plasmaspiegel als nach oraler Applikation. Eine α-Sympathomimetika, Ⴉ Kap. 23.2.1), ist zu berücksich-
hauptsächlich lokale Wirkung ohne systemische tigen, dass bei hoher Dosierung infolge der Resorption
Nebenwirkungen ist daher nur bei sehr niedrigen Do- auch systemische Effekte, z. B. Blutdruckanstieg und
sierungen gewährleistet. Das Gleiche gilt für Vaginal- reflektorische Bradykardie auftreten können. Gefährdet
ringe mit Estradiol zur Empfängnisverhütung. sind vor allem Säuglinge.
Andererseits scheint Clotrimazol, ein Antimykoti- Die nasale Applikation ist außerdem als Applika-
kum, nicht in nennenswertem Umfang vaginal resor- tionsweg zur Umgehung der Blut-Hirn-Schranke
biert zu werden. Es ist auch zur Therapie von Vaginal- Gegenstand experimenteller Forschung. Arzneistoffe
mykosen in der Schwangerschaft zugelassen. sollen nach intranasaler Applikation direkt von der Nase
in den Liquor bzw. ins Gehirn gelangen (Ⴉ Kap. 1.4.2).
Resorption bei bukkaler/sublingualer Applikation
Die gut vaskularisierte Schleimhaut der Mund- und Ra- Resorption bei pulmonaler Applikation
chenhöhle besitzt für lipophile, nichtionisierte Stoffe Die Lunge ist mit ihrer großen Alveolaroberfläche von
gute Resorptionseigenschaften (bukkale, sublinguale 70–100 m2 zur Resorption von gasförmigen Stoffen
Applikation). Günstig ist, dass die Einwirkung von Ver- (z. B. Narkosegasen, Ⴉ Kap. 18.3), Flüssigkeiten und
dauungssäften des Magen-Darm-Kanals entfällt und Feststoffen befähigt.
der Arzneistoff nicht unmittelbar nach der Resorption Bei lokaler Therapie im Bereich der Atemwege (z. B.
die Leber passiert. Wegen der relativ geringen Resorp- bei Asthma bronchiale), kann es daher – wenn auch
tionsfläche kommt jedoch eine bukkale oder sublin- heute selten – zu systemischen Wirkungen kommen.
1.4 Verteilung 11

1.3.3 Resorption bei dermaler Applikation Parenterale Depotarzneiformen (z. B. in Form von
Die Resorbierbarkeit durch die intakte Haut, die phy- öligen Lösungen oder Kristallsuspensionen) können
siologischerweise keine resorptiven Aufgaben besitzt, intramuskulär (z. B. Benzylpenicillin-Benzathin, Glu-
ist gering. Das nicht kapillarisierte Stratum corneum cocorticoide) oder subkutan (z. B. Insuline) appliziert
mit einem sehr niedrigen Wassergehalt (ca. 10 %) und werden. Die Wirkstoffe werden aus den Gewebedepots
einer hohen Konzentration apolarer Lipide stellt die über einen längeren Zeitraum freigesetzt, wirksame
hauptsächliche Resorptionsbarriere dar. Die höchste Plasmaspiegel können z. T. über mehrere Tage bis Wo-
Resorptionsquote bei kutaner Applikation besitzen vor- chen erreicht werden.
wiegend lipidlösliche Substanzen, die gleichzeitig noch
eine gewisse Wasserlöslichkeit aufweisen. Hydrophile
Stoffe, aber auch Fette und Öle, werden dagegen kutan 1.4 Verteilung
nur wenig resorbiert.
Durch Erhöhung der Hauttemperatur, ferner durch Die Verteilung (Distribution) ist als reversibler Sub-
einige Lösungsmittel (z. B. Dimethylsulfoxid) sowie stanztransport von einem Teil des Körpers in einen an-
durch verstärkte Hydratation (Wassereinlagerung, z. B. deren definiert. Sie hängt von zahlreichen Variablen ab,
mit harnstoffhaltigen Zubereitungen), kann die Haut- z. B. von der Durchblutung der Organe und Gewebe, 1
resorption verbessert werden. Auch in entzündeten der Durchlässigkeit der Membranen und der pH-Diffe-
Hautgebieten ist die Resorptionsquote erhöht. Durch renz von Plasma und Gewebe. Von den Stoffeigenschaf-
mechanische, chemische oder thermische Schädigung ten ist neben der Molekülgröße und Löslichkeit insbe-
der Hautoberfläche, z. B. bei Verletzungen oder Ver- sondere die Bindung an Plasma- und Gewebeproteine
brennungen, wird das Stratum corneum und damit die bedeutsam.
Resorptionsbarriere beseitigt. Ist ein Pharmakon in die Blutbahn gelangt, wird es
im Gefäßsystem mit dem Blutstrom weitertranspor-
Transdermale therapeutische Systeme (TTS). Transder- tiert. Infolge des Konzentrationsgefälles vom Blut zum
male therapeutische Systeme, die als Pflaster auf die Gewebe verlässt es die Blutbahn und verteilt sich im
Haut geklebt werden, stellen für einige Substanzen mit Organismus so lange, bis die freien, proteinungebunde-
niedriger Dosierung (Tagesdosen bis ca. 10 mg) eine Al- nen Plasma- und Gewebekonzentrationen gleich sind
ternative zur oralen Gabe dar. Durch die gleichmäßige (passive Diffusion vorausgesetzt). Dann ist das Vertei-
Wirkstoffabgabe können mit dieser Applikationsform lungsgleichgewicht erreicht, d. h. es diffundiert pro
annähernd konstante Plasmaspiegel über einen relativ Zeiteinheit genauso viel Arzneistoff aus dem Plasma in
langen Zeitraum (mehrere Tage) erreicht werden, auch das Gewebe wie umgekehrt aus dem Gewebe zurück ins
lässt sich eine präsystemische Elimination umgehen. Plasma, von wo aus dann die Elimination erfolgt.
Derzeit sind solche Zubereitungen z. B. mit Glyceroltri- Vor Erreichen des Verteilungsgleichgewichts wird
nitrat, Sexualhormonen, Opioiden (Buprenorphin, die Verteilung in hohem Maß von der Durchblutung
Fentanyl) und Nicotin im Handel. der Organe und Gewebe bestimmt. Das bedeutet, dass
stark kapillarisierte Organe (z. B. Leber, Gehirn) zu An-
1.3.4 Resorption bei subkutaner und fang des Verteilungsprozesses eine größere Arzneistoff-
intramuskulärer Applikation menge aufnehmen als schlecht durchblutete Bereiche
Die Resorptionsgeschwindigkeit hängt hierbei in (z. B. Fettgewebe). Im Verlauf des Verteilungsprozesses
hohem Maß vom Konzentrationsgradienten und damit stellt sich das Verteilungsgleichgewicht dann aber un-
von der Durchblutung des resorbierenden Gewebes ab: abhängig von der Stärke der Durchblutung ein.
Je stärker die Durchblutung, desto höher ist der Kon- Unter funktionellen Gesichtspunkten kann der Or-
zentrationsgradient wegen des raschen Stoffabtrans- ganismus in verschiedene Verteilungsräume (Kompar-
ports mit dem Blut. Da die Muskulatur sehr stark vasku- timente, Ⴉ Kap. 1.9) eingeteilt werden.
larisiert ist, erfolgt die Resorption nach i. m. Applikation Zum Intrazellularraum (ca. 75 % des Körperge-
normalerweise sehr rasch. Die Unterhaut ist dagegen wichts) gehören die intrazelluläre Flüssigkeit und die
weniger gut durchblutet, die Wirkstoffe werden daher festen Zellbestandteile (Ⴜ Abb. 1.9). Der Extrazellular-
nach s. c. Gabe in der Regel langsamer resorbiert. raum (ca. 25 % des Körpergewichts) wird weiter unter-
Auch lipidunlösliche, hydrophile Substanzen kön- teilt in das Plasmawasser (ca. 4 % des Körpergewichts),
nen vielfach schnell transkapillär diffundieren, da bei den interstitiellen Raum (ca. 16–20 % des Körperge-
einem Teil der Kapillaren die Resorption durch ein wichts) und die transzelluläre Flüssigkeit (ca. 1,5 % des
Porenendothel erleichtert ist. Selbst bei Verbindungen Körpergewichts). Unter der Bezeichnung Gesamtkör-
mit höherer Molekularmasse ist dies möglich (z. B. s. c. perwasser versteht man die gesamte Flüssigkeit des Or-
Injektion von Insulin). ganismus (bei einem Patienten mit 70 kg KG etwa 42 l).
12 1 Pharmakokinetik

Intrazellularraum Extrazellularraum

feste Zell- intrazelluläre Plasma- interstitieller transzelluläre


bestandteile Flüssigkeit wasser Raum Flüssigkeit

Gesamtkörperwasser

Ⴜ Abb. 1.9 Verteilungsräume des Organismus

Die Konzentration eines Arzneistoffs im Plasma


(Plasmaspiegel) ist eine wichtige Kenngröße, da Plas- Plasma Gewebe/Wirkort
maspiegelwerte oft eng mit der pharmakologischen
Wirkung korrelieren und mit analytischen Methoden
proteingebundener proteingebundener
exakt bestimmbar sind. Wirkstoff Wirkstoff
Die Verteilung zwischen Plasmaraum und intersti-
tiellem Raum wird vom Kapillaraufbau in dem jeweili-
gen Gebiet bzw. Organ beeinflusst. Besonders leicht er-
folgt der Austausch dort, wo das Kapillarendothel Poren freier Wirkstoff freier Wirkstoff
aufweist (z. B. in Leber und Pankreas) oder wo die Ba-
salmembran fehlt (z. B. in der Leber). Erschwert ist da-
gegen der Durchtritt in Kapillargebieten mit lückenlo- Ⴜ Abb. 1.10 Einfluss der Proteinbindung auf die Vertei-
sen Endothelien und Basalmembranen (z. B. bei der lung eines Arzneistoffs. Nur der freie Wirkstoff, der mit dem
Blut-Hirn-Schranke, Ⴉ Kap. 1.4.2). proteingebundenen Wirkstoff im Gleichgewicht steht, kann
das Plasma verlassen und den Wirkort erreichen. Daraufhin
stellt sich das Gleichgewicht aus proteingebundenem und
1.4.1 Proteinbindung
freiem Wirkstoff im Plasma erneut ein, d. h. es wird Wirk-
Ein wesentlicher Faktor für die Verteilung eines Arznei- stoff aus der proteingebundenen Form freigesetzt.
stoffs ist ferner die Bindung an Eiweiße, insbesondere
Plasma-, Gewebe- und Erythrozytenproteine. Im Hu- Infolge der begrenzten Zahl von Bindungsstellen
manserumalbumin konnten zwei verschiedene Bin- wird das Ausmaß der Proteinbindung ferner von der
dungsstellen nachgewiesen werden, einige Arzneistoffe Protein- und Wirkstoffkonzentration bestimmt. Bei
binden selektiv nur an eine der beiden Bindungsstellen, den meisten Pharmaka liegen die therapeutisch rele-
andere dagegen an beide. Bei basischen Substanzen, vanten Plasmaspiegel vergleichsweise niedrig (< 10 μg/
z. B. Propranolol, trägt zur Plasmaeiweißbindung ml), sodass die üblichen Fluktuationen der Wirkstoff-
außerdem auch das saure α1-Glykoprotein bei. konzentration die Proteinbindung nicht wesentlich be-
Entsprechend der chemischen Struktur der Wirk- einflussen. Andererseits führen aber Veränderungen
stoffe können an der Proteinbindung Ionen-, Wasser- des Gehalts an Albumin bzw. saurem α1-Glykoprotein,
stoffbrücken- und Dipol-Dipol-Bindungen sowie hy- die bei verschiedenen Erkrankungen vorkommen
drophobe Wechselwirkungen beteiligt sein. Die Bin- (႒ Tab. 1.2), zu einer Änderung des freien Wirkstoffan-
dung an Proteine ist reversibel, d. h. es stellt sich ein teils.
Gleichgewicht zwischen gebundenem und ungebunde- Außer von den stofflichen Eigenschaften des Wirk-
nem Arzneistoff ein. Das Ausmaß der Proteinbindung stoffs ist die Eiweißbindung u. a. auch vom Lebensalter
ist für einen Wirkstoff im therapeutischen Plasmakon- abhängig. Beim Neugeborenen ist die Eiweißbindung
zentrationsbereich relativ konstant und hängt vor allem geringer als beim Erwachsenen. Da gleichzeitig auch
von seiner Affinitätskonstante zu dem jeweiligen Pro- die Elimination (s. u.) infolge der Unreife der Elimina-
tein ab. tionsorgane oftmals verzögert ist, reagieren Neugebo-
Die Proteinbindung ist umso stärker, je größer die rene vielfach wesentlich empfindlicher auf Arzneistoffe
Affinitätskonstante des betreffenden Stoffs zu dem Pro- als Erwachsene und ältere Kinder.
tein ist. Da die Affinitätskonstanten zu verschiedenen Auf die Wirkstärke und Elimination von Arzneistof-
Proteinen, z. B. zu Plasma- und Gewebeproteinen, oft- fen hat die Eiweißbindung folgende Auswirkungen: Der
mals unterschiedlich sind, wird auch das Verteilungs- an Plasmaprotein gebundene Anteil eines Pharmakons
gleichgewicht beeinflusst: Es verschiebt sich zu den Pro- kann nicht diffundieren und unterliegt in der Regel
teinen mit der größeren Affinitätskonstante (Ⴜ Abb. 1.10). auch nicht der Biotransformation und der Ausschei-
1.4 Verteilung 13

႒ Tab. 1.2 Ursachen einer veränderten Konzentration von zahlreiche Blutschranken im Körper (z. B. Blut-Luft-
Albumin und saurem α1-Glykoprotein Schranke, Blut-Knochenmark-Schranke, Blut-Hoden-
Albumin ↓ Saures α1-Glykoprotein ↑
Schranke), von pharmakologischem Interesse sind je-
doch vor allem die Blut-Hirn-Schranke, die Blut-Li-
Unterernährung rheumatoide Arthritis quor-Schranke und die Plazentaschranke.
Leberzirrhose Morbus Crohn
Blut-Hirn-Schranke
Verbrennungen akuter Myokardinfarkt Hirnkapillaren bestehen aus einem Endothel, umgeben
von einer Basalmembran mit eingelagerten Perizyten
nephrotisches Syndrom Verbrennungen und aufgelagerten Astrozytenfortsätzen (Ⴜ Abb. 1.11).
Niereninsuffizienz Infektionskrankheiten Die eigentliche Diffusionsbarriere zwischen Blut und
Extrazellularraum des ZNS stellt das Kapillarendothel
Hyperthyreose Fettsucht dar, bei dem die Zellen durch sog. Tight junctions lü-
ckenlos miteinander verbunden sind. An der Ausbildung
Albumin ↑ Saures α1-Glykoprotein ↓
dieser interzellulären Verbindungen sind Transmem-
Hypothyreose orale Kontrazeptiva, Leber- branproteine (z. B. Claudine, Occludin und junctional 1
zirrhose adhesion molecules) beteiligt, die ein Permeations-
hindernis darstellen bzw. die Permeation kontrollieren.
dung. Dies bedingt, dass – von Ausnahmen abgesehen Für eine funktionierende Blut-Hirn-Schranke ist
– nur die freie Form an die eigentlichen Wirkorte ge- eine enge Koordination von Endothelzellen, Perizyten,
langt und damit wirksam wird. Andererseits stellt der Astrozyten, Neuronen und Gliazellen erforderlich. Die
gebundene Anteil eine Speicherform dar, aus der bei Gesamtheit dieser Strukturen wird deshalb auch als
einer Konzentrationserniedrigung der freien Form neurovaskuläre Einheit (neurovascular unit, NVU) be-
(z. B. durch Biotransformation) zur Wiederherstellung zeichnet.
des Gleichgewichts (innerhalb von Millisekunden) Arz- Lipidlösliche Stoffe können die Blut-Hirn-Schranke
neistoffmoleküle freigesetzt werden. im Allgemeinen gut durch transzelluläre Diffusion
überwinden (Ⴜ Abb. 1.12), lipidunlösliche können sie
Verdrängung aus der Proteinbindung. Befinden sich dagegen nicht passieren, sofern keine aktiven Trans-
gleichzeitig mehrere Pharmaka im Blut, besteht die portmechanismen (Ⴉ Kap. 1.1.3) bestehen. Eine para-
Möglichkeit einer Konkurrenz um die Bindungsstellen. zelluläre Diffusion ist bei intakter Blut-Hirn-Schranke
Die Substanz mit der höheren Affinität bzw. Konzentra- aufgrund der Tight junctions kaum möglich. Bei ent-
tion kann den anderen Arzneistoff aus der Proteinbin- zündlichen Prozessen nimmt allerdings die Integrität
dung verdrängen und damit dessen freien Anteil erhö- der Blut-Hirn-Schranke ab und ihre Permeabilität zu,
hen sowie als Folge Wirkstärke und Wirkdauer beein- sodass dann auch solche Stoffe in das ZNS eindringen,
flussen, vor allem wenn der gebundene Anteil > 90 % welche die Barriere normalerweise nicht überwinden
beträgt. Fällt die Proteinbindung eines Arzneistoffs bei- können.
spielsweise von 99 % auf 95 % ab, erhöht sich die freie, Aufnahmetransporter ermöglichen den Übertritt
wirksame Form von 1 % auf 5 %, also um den Faktor 5. verschiedener Substanzen, z. B. von Glucose oder Amino-
Allerdings wird aufgrund des erhöhten freien Anteils
auch die Elimination verstärkt und damit die initiale
Blut Tight junction
Wirkungszunahme der verdrängten Substanz begrenzt. lipophiler Arzneistoff
Nach erneuter Gleichgewichtseinstellung liegt die Ge- Basal- Perizyt
membran
samtkonzentration dann niedriger als vor der Gabe der
Endothel-
konkurrierenden Substanz. zelle
Klinisch relevante Interaktionen, basierend auf der
Verdrängung aus der Eiweißbindung, sind relativ sel-
ten. Arzneistoffe, für die sie beschrieben sind, sind z. B.
Phenytoin (erhöhtes Nebenwirkungsrisiko bei gleich- Neuron Astrozyt Mikroglia
zeitiger Gabe von Valproinsäure) und Warfarin (erhöh-
tes Blutungsrisiko bei Phenylbutazon-Gabe).

1.4.2 Spezielle Verteilungsräume Neuron


Spezielle Verteilungsräume werden durch Blutschran-
ken geschaffen, die Barrieren zwischen dem Blut und Ⴜ Abb. 1.11 Schematischer Aufbau der Blut-Hirn-
anderen Strukturen des Organismus bilden. Es gibt Schranke. Nach Breakefield
14 1 Pharmakokinetik

transzelluläre parazelluläre Aufnahme- Rezeptor-vermittelte Adsorptions-vermittelte


Diffusion Diffusion und Transzytose Transzytose
Effluxtransporter

Blut

Endothel Tight junction

Gehirn

Ⴜ Abb. 1.12 Transportmechanismen durch die Blut-Hirn-Schranke. Nach Sanchez-Covarrubias

säuren, aber auch von Arzneistoffen (z. B. über (Beispiele sind Antiepileptika, Parkinsonmittel, Psy-
OATP1A2, OATP2B1, Ⴉ Kap. 1.1.4) aus dem Blut ins chopharmaka und Opioide).
Endothel sowie vom Endothel ins Gehirn (z. B. OCTN, Besonders wichtig ist die Penetration der Blut-Hirn-
OAT3). Auch eine Reihe von ABC-Transportproteinen Schranke außerdem für Onkologika zur Therapie von
(P-gp, BCRP, MRP) wurde identifiziert, die einen akti- Hirntumoren.
ven Auswärtstransport von Pharmaka bewirken und so Da eine chemische Modifikation des Wirkstoffmole-
zum Schutz des ZNS beitragen (auch metabolisierende küls (z. B. in Richtung höhere Lipophilie, verminderte
Enzyme, z. B. CYP und UGT sind in Endothelzellen der Affinität zu Efflux- bzw. erhöhte Affinität zu Aufnah-
Hirnkapillaren enthalten). metransportern) für eine bessere Penetration der Blut-
Größere Moleküle, wie z. B. Insulin oder Transferrin Hirn-Schranke oft nicht möglich ist, verfolgt die klini-
werden durch Rezeptor-vermittelte Transzytose aufge- sche Forschung heute im Wesentlichen zwei Wege: Zum
nommen. Nach Bindung an die entsprechenden Rezep- einen strebt man die Blockade von Effluxtransportern
toren werden die Substrat-Rezeptor-Komplexe interna- (z. B. P-gp) mit Inhibitoren an, die selbst möglichst
lisiert und durch die Endothelzelle geschleust. Bei der keine Wirkungen und Nebenwirkungen besitzen. Zum
Adsorptions-vermittelten Transzytose handelt es sich anderen werden kleine Arzneistoffmoleküle in Nano-
um einen kationischen Transport. Die Zelloberfläche partikel (sog. Vektor-gekoppelte Darreichungssysteme)
ist aufgrund von Glykoproteinen negativ geladen, so- verpackt, die schließlich so beschaffen sind, dass sie mit-
dass positiv geladene Peptide oder Proteine unspezi- tels Transzytose transportiert werden können.
fisch gebunden und nach Internalisierung durch die Darüber hinaus befinden sich verschiedene Strate-
Zelle transportiert werden können. gien, die Blut-Hirn-Schranke gezielt zu öffnen, um den
Für die Pharmakotherapie hat die Blut-Hirn- Arzneistofftransport ins ZNS zu gewährleisten, ohne
Schranke Vor- und Nachteile zugleich: Einerseits gibt es dabei deren Schutzfunktion nennenswert zu beein-
Arzneistoffe, die die Blut-Hirn-Schranke nicht perme- trächtigen, in der klinischen Forschung. Vielverspre-
ieren sollen, um zentralnervöse Nebenwirkungen mög- chende Versuchsansätze sind dabei eine vorüberge-
lichst zu vermeiden. Dies lässt sich zumindest in man- hende osmotische Öffnung der Blut-Hirn-Schranke
chen Fällen durch Veränderung der Molekülstruktur sowie eine Öffnung mittels Elektrostimulation, mit fo-
steuern: Quartäre Ammoniumverbindungen können kussiertem Ultraschall oder mit Nanomagneten (funk-
beispielsweise als hydrophile Substanzen die Blut-Hirn- tionelle Magnetotherapie).
Schranke nicht überqueren. Dies hat man u. a. bei eini- Außerdem steht ein neuer Applikationsweg unter
gen peripher wirkenden Anticholinergika (z. B. bei uro- Umgehung der Blut-Hirn-Schranke im Fokus der For-
logischen und gastrointestinalen Spasmolytika oder schung: Die „Nase-Gehirn-Route“ (nose to brain, N2B),
Bronchospasmolytika) genutzt, um das Risiko für un- bei der der Arzneistoff in den oberen Teil der Nase ap-
erwünschte zentrale anticholinerge Effekte (z. B. Kon- pliziert wird und unter Umgehung der Blut-Hirn-
zentrationsstörungen, Verwirrtheit) zu minimieren. Schranke über die N. olfactorius und trigeminus in die
Andererseits liegt für manche Pharmaka der Wirkort Cerebrospinalflüssigkeit oder direkt ins Gehirn gelangt.
im ZNS, z. B. bei neurologischen und neurodegenerati- Im Gegensatz zur intrathekalen Applikation ist die
ven Erkrankungen, sodass ein Übertritt über die Blut- N2B-Applikation – sollte sie sich in Zukunft etablieren
Hirn-Schranke für die Wirksamkeit Voraussetzung ist – minimal invasiv.
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 15

Blut-Liquor-Schranke Strukturen, die den Blutkreislauf der Mutter von


Die Blut-Liquor-Schranke, auch als Blut-CSF-Schranke dem des Kindes trennen, werden unter dem Begriff
(CSF, Cerebrospinalflüssigkeit) bezeichnet, liegt in den Plazentaschranke zusammengefasst.
Plexus choroidei (Ⴉ Kap. 8.3), die den Liquor cerebrospi- Die Barrierefunktion der Plazenta beruht auf deren
nalis bilden. Im Gegensatz zur Blut-Hirn-Schranke sind speziellem Aufbau: Eine bindegewebige Plazentazotte
die Kapillaren der Blut-Liquor-Schranke fenestriert, die wird von fetalen Gefäßen durchzogen und das Binde-
Barrierefunktion wird von den Plexusepithelzellen über- gewebe ist seinerseits von mononukleären Zytotropho-
nommen, die durch Tight junctions miteinander ver- blasten umgeben. Die Grenze zum mütterlichen Blut
knüpft sind. Die CSF-Seite der Epithelzellen ist mit Mi- bilden die sog. Synzytiotrophoblasten, die eine Reihe
krovilli ausgestattet, die aufgrund der Oberflächenver- von SLC- und ABC-Transportern (Ⴉ Kap. 1.1.4) expri-
größerung die CSF-Sekretion und Transportvorgänge mieren, und über die der erforderliche Stoffaustausch
erleichtern. Im Plexusepithel befinden sich – ähnlich wie zwischen dem fetalen und mütterlichen Blut stattfindet.
im Endothel der Blut-Hirn-Schranke – zahlreiche Auf- Die Plazentaschranke hat allerdings eine einge-
nahme- und Effluxtransporter für den Stofftransport. schränkte Barrierefunktion: Manche Stoffe werden von
Die Blut-Liquor-Schranke ist etwas durchlässiger als ihr zurückgehalten (z. B. viele Bakterien und Viren),
die Blut-Hirn-Schranke. Als Barriere für den Arznei- manche können sie aber auch nahezu ungehindert pe- 1
stofftransport spielt sie eine eher untergeordnete Rolle, netrieren, z. B. auch zahlreiche Arzneistoffe, Alkohol,
auch weil der flächenmäßige Anteil sehr viel geringer ist Nicotin oder Rötelnviren. Daher darf die Anwendung
als der der Blut-Hirn-Schranke. von Arzneistoffen in der Schwangerschaft grundsätz-
Der Liquor ist eine nahezu proteinfreie Flüssigkeit, lich nur nach sorgfältigster Nutzen-Risiko-Abwägung
er enthält etwa 0,3 % der Proteine im Vergleich zum erfolgen.
Plasma. Steigt die Konzentration an Albumin, das nur
in der Leber gebildet wird, im Liquor an, liegt eine Stö-
rung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion vor. Dies ist 1.5 Biotransformation (Metabolisierung)
– in unterschiedlichem Ausmaß – bei bestimmten
Krankheiten, z. B. bei multipler Sklerose, Meningitis, Da lipophile Substanzen nach der glomerulären Filtra-
Enzephalitis oder Schädel-Hirn-Trauma der Fall. Die tion in den Nierentubuli weitgehend rückresorbiert
Albuminkonzentration im Liquor wird daher neben werden, können sie nur langsam renal ausgeschieden
anderen Faktoren (z. B. dem IgG-Liquor-Serum-Quoti- werden. Daher müssen lipophile Arzneistoffe in hy-
enten) als diagnostischer Marker verwendet. drophilere, leichter ausscheidbare Stoffe umgewandelt
Ferner bietet die Quantifizierung von Arzneistoff- werden. Diese Umwandlungsprozesse von Fremdsub-
konzentrationen im Liquor (meist im Tierversuch) die stanzen im Organismus werden als Biotransformation
einzige Möglichkeit, die ZNS-Gängigkeit von Arznei- oder Metabolisierung bezeichnet. Sie erfolgen vor allem
stoffen und deren Konzentrationen im Gehirn z. B. in der Leber, aber auch in anderen Organen z. B. im
nach i. v. oder p. o. Gabe in vivo abschätzen zu können. Darm, in der Niere, der Lunge, der Milz, der Muskula-
Zur Umgehung der Blut-Hirn-Schranke können tur, der Haut oder im Blut.
Arzneistoffe außerdem mittels intrathekaler Injektion Die an der Biotransformation beteiligten Enzyme
in den Liquor eingebracht werden. Beispiele sind sind strukturgebunden hauptsächlich in den Mem-
Schmerzmittel und Zytostatika bei Krebspatienten, branen des endoplasmatischen Retikulums (z. B.
Glucocorticoide bei Patienten mit multipler Sklerose Monooxygenasen, Glucuronyltransferasen) und z. T.
und Baclofen bei Patienten mit schweren spastischen auch in den Mitochondrien lokalisiert. Daneben kom-
Bewegungsstörungen. men sie strukturungebunden als lösliche Enzyme (z. B.
Esterasen, Amidasen, Sulfotransferasen) vor. Sie sind
Plazentaschranke häufig wenig substratspezifisch, d. h., dass sie Substrate
Die Plazenta hat neben der Bildung von Sexualhormo- unterschiedlicher chemischer Struktur umsetzen. Sie
nen die Aufgabe, die Versorgung des Fetus mit den ver- sind außerdem an Stoffwechselprozessen körpereige-
schiedensten Nährstoffen sicherzustellen. Andererseits ner Substanzen (z. B. von Steroidhormonen, Gallensäu-
soll sie zum Schutz des werdenden Kindes beitragen. So ren, Häm) beteiligt. Neben körpereigenen Enzymen
kann beispielsweise das für den Fetus gefährliche Bili- leistet auch die Darmmikrobiota, insbesondere durch
rubin von diesem nur über die Plazenta eliminiert wer- Reduktion und Hydrolyse, einen Beitrag zur Biotrans-
den. Daneben soll der heranwachsende Organismus formation.
durch die Plazenta vor Xenobiotika und darunter In Ⴜ Abb. 1.13 sind die wichtigsten Vorgänge bei der
potenziell toxischen Substanzen geschützt werden, al- Biotransformation, die Phase-I- und -II-Reaktionen,
lerdings gelingt dies nur sehr bedingt. schematisch wiedergegeben.
16 1 Pharmakokinetik

Oxidationsreaktionen
Arzneistoff Von besonderer Bedeutung für die Biotransformation
sind Oxidationsreaktionen, an denen Oxidasen, Mono-
Oxidation oxygenasen und Dioxygenasen beteiligt sind. Oxidasen
Phase-I-Reaktion Reduktion
Hydrolyse oxidieren durch Entzug von Wasserstoff bzw. Elektro-
nen. Durch Monooxygenasen wird ein Sauerstoffatom
Phase-I-Metabolit
von einem Sauerstoffmolekül in den Fremdstoff einge-
Konjugation mit baut und das andere zu Wasser reduziert. Dioxygenasen
akt. Glucuronsäure
Phase-II-Reaktion akt. Schwefelsäure führen dagegen beide Atome eines Sauerstoffmoleküls
akt. Essigsäure, in das Xenobiotikum ein.
Aminosäuren u.a.
Phase-II-Metabolit Cytochrom P450. Die weitaus größte Bedeutung für die
oxidative Biotransformation von Pharmaka besitzen
mikrosomale Monooxygenasen, die Hämproteine vom
Ⴜ Abb. 1.13 Die wichtigsten Vorgänge bei der Biotransfor-
mation Typ Cytochrom P450 enthalten. Die Bezeichnung Cy-
tochrom P450 beruht auf der starken Absorption von
Ⴜ Abb. 1.14 zeigt den Anteil von Metabolisierungsre- Licht der Wellenlänge 450 nm (nach Reduktion mit Na-
aktionen an den Haupteliminationswegen von Arznei- triumdithionit und Equilibrierung mit CO).
stoffen. Bei der Umwandlung eines Substrats (PH) durch Mo-
Als Phase-I-Reaktionen werden die Biotransforma- nooxygenasen wird dieses zunächst an Cytochrom P450
tionsreaktionen bezeichnet, bei denen das Arzneistoff- mit dreiwertigem Eisen gebunden. Nun erfolgt über eine
molekül oxidativ, reduktiv oder hydrolytisch verändert Elektronentransferkette, in der NADPH und ein Flavo-
wird, während bei den Phase-II-Reaktionen eine protein nachgewiesen sind, die Übertragung eines Elek-
Kopplung (Konjugation) des Arzneistoffmoleküls bzw. trons auf das Eisen (unter Oxidation von NADPH), wo-
eines bereits durch eine Phase-I-Reaktion entstandenen durch dieses im Cytochrom P450 zweiwertig wird. Nach
Metaboliten mit einer körpereigenen Substanz erfolgt Anlagerung von molekularem Sauerstoff und Aufnahme
(Ⴜ Abb. 1.13). In vielen Fällen wird erst durch eine Pha- eines weiteren Elektrons über eine zweite Transferkette
se-I-Reaktion die Voraussetzung für eine Konjugations- zerfällt der ternäre Komplex unter Regeneration von Cy-
reaktion geschaffen. tochrom P450 mit dreiwertigem Eisen in das hy-
In der neueren Literatur werden aktive transmem- droxylierte Substrat (POH) und Wasser (Ⴜ Abb. 1.15).
branäre Transportprozesse, die der Elimination aus der Zusammenfassend ergibt sich:
Zelle dienen, als Phase-III-Reaktionen bezeichnet.
PH + O 2 + NADPH + H + → POH + H 2O + NADP +
1.5.1 Phase-I-Reaktionen
Eine Übersicht über die wichtigsten Phase-I-Reaktio- Es gibt eine Vielzahl solcher Cytochrom-P450-Enzyme
nen gibt ႒ Tab. 1.3. (CYP), die sich hinsichtlich ihrer Substratspezifität, der
am jeweiligen Expressionsort vorhandenen Menge

Ⴜ Abb. 1.14 Anteil (%) der


Haupt- Elimination Metabolisierung wichtigsten Eliminations-
eliminationswege über die Leber via CYP wege an der Arzneistoffeli-
100
mination. CYP Cytochrom
P450. Nach Zanger
75

50

25

0
hepatisch CYP-Metabolisierung 3A4
renal andere Phase-I- alle anderen
andere Reaktionen (z.B. 1A2, 2B6,
Phase-II-Reaktionen 2C9, 2C19, 2D6)
andere
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 17

zyme (z. B. CYP1A2, CYP2B6, CYP3A4), deren Aktivi-


PP H tät unabhängig von Erbfaktoren durch Modulation des
Expressionsniveaus reguliert wird (Ⴉ Kap. 1.5.3).
(Fe3+)
CYP-Enzyme katalysieren aliphatische und aromati-
(Fe3+) P H
sche Hydroxylierungen, die Epoxidierung olefinischer
und aromatischer Doppelbindungen, die oxidative Des-
P OH e-
alkylierung von N-, O- und S-Alkyl-Verbindungen, die
oxidative Desaminierung und die Oxidation von Thio-
(Fe3+) P OH Cytochrom P450 (Fe2+) P H ethern und Aminen zu Sulfoxiden bzw. Hydroxylaminen.
CYP-Enzyme sind maßgeblich an der Metabolisierung
H2O O2 folgender Arzneistoffe bzw. Arzneistoffgruppen betei-
_. ligt (Ⴜ Abb. 5.3):
[(Fe2+) (O2 ) P H] [(Fe2+) (O2) P H] 󠀂 CYP1A2:
_. 󠀂 Duloxetin, Theophyllin,
[(Fe3+) (O22-) P H] [(Fe3+)(O2 ) P H]
e- 󠀂 CYP2C8:
󠀂 Paclitaxel, Repaglinid, 1
󠀂 CYP2C9:
Ⴜ Abb. 1.15 Mechanismus der Oxidation eines Pharma-
kons (P) durch Cytochrom P450 󠀂 Sulfonylharnstoffe (Glimepirid, Glibenclamid),
󠀂 AT1-Antagonisten (Candesartan, Irbesartan,
sowie weiterer Charakteristika (z. B. Induzierbarkeit, Losartan, Valsartan),
genetische Polymorphismen) unterscheiden. Anhand 󠀂 Statine (Fluvastatin, Rosuvastatin, Pitavastatin),
ihrer Aminosäuresequenzen werden die verschiedenen 󠀂 sonstige: Celecoxib, Phenytoin,
CYP-Enzyme in Familien eingeteilt, die durch eine ara- 󠀂 CYP2C19:
bische Zahl charakterisiert sind (für die Metabolisie- 󠀂 Protonenpumpen-Inhibitoren (Esomeprazol,
rung von Fremdstoffen sind insbesondere die Familien Omeprazol),
1–3 wichtig). Die Familien enthalten mehrere, mit 󠀂 Clopidogrel (Prodrug),
einem Buchstaben gekennzeichnete Subfamilien, deren 󠀂 CYP2D6:
Einzelvertreter mit einer weiteren Zahl bezeichnet wer- 󠀂 Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin, Nor-
den. triptylin, Trimipramin, Venlafaxin),
Das für die Metabolisierung quantitativ wichtigste 󠀂 Antipsychotika (Fluphenazin, Risperidon),
CYP-Enzym ist CYP3A4, das an der Oxidation einer 󠀂 Betablocker (Nebivolol, Metoprolol, Proprano-
Vielzahl häufig eingesetzter Arzneistoffe beteiligt ist, lol),
gefolgt von CYP2D6, CYP1A2, CYP2C9 und 󠀂 sonstige: Dextromethorphan, Tamoxifen und
CYP2C19. Weitere CYP-Enzyme, wie z. B. CYP2B6, Codein (beides Prodrugs),
CYP2A6 und CYP2E1 spielen für den Arzneistoffmeta- 󠀂 CYP3A4:
bolismus eine untergeordnete Rolle. CYP2E1 ist aber in 󠀂 Benzodiazepine (Alprazolam, Midazolam, Tria-
der Toxikologie wegen der Biotransformation vieler zolam),
nichttherapeutischer Xenobiotika von großer Bedeu- 󠀂 Calciumkanalblocker (Felodipin, Nisoldipin),
tung. Dabei gibt es Arzneistoffe, die nur von einem be- 󠀂 Immunsuppressiva (Ciclosporin, Everolimus,
stimmten CYP-Enzym maßgeblich metabolisiert wer- Sirolimus, Tacrolimus),
den, bei einer Vielzahl von Arzneistoffen sind allerdings 󠀂 PDE-5-Hemmer (Avanafil, Sildenafil, Tadalafil,
zwei oder auch mehrere CYP-Enzyme beteiligt. Vardenafil),
Die größte Menge an CYP-Enzymen kommt in der 󠀂 Statine (Atorvastatin, Lovastatin, Simvastatin).
Leber vor. Aber auch in vielen anderen Organen (z. B. Die Kenntnis der genannten CYP-Substrate ist deshalb
Gastrointestinaltrakt, Lunge, Gehirn) konnten sie nach- von Bedeutung, weil sich ihre Plasmaspiegel bei gleich-
gewiesen werden, wobei insbesondere das Vorkommen zeitiger Applikation mit entsprechenden CYP-Inhibito-
im Dünndarm (Lokalisation im apikalen Bereich der ren oder CYP-Induktoren sehr stark verändern und
Enterozyten) die Bioverfügbarkeit oral verabreichter daher klinisch relevante Interaktionen (Ⴉ Kap. 5.2.2) re-
Substanzen limitieren kann. Die Menge an einzelnen sultieren können.
CYP-Enzymen und deren Aktivität ist interindividuell
sehr unterschiedlich. Hierfür werden zwei Phänomene Flavinmonooxygenasen. Neben den Cytochrom-P450-
verantwortlich gemacht: Zum einen kann die Aktivität haltigen Monooxygenasen gibt es auch Flavin-haltige
durch Erbfaktoren bestimmt sein, solche genetischen Monooxygenasen (FMO), die nucleophile Heteroatome
Polymorphismen wurden z. B. für CYP2D6 und wie z. B. Stickstoff, Schwefel oder Phosphor, nicht aber
CYP2C19 beschrieben. Zum anderen gibt es CYP-En- Kohlenstoff, oxidieren.
18 1 Pharmakokinetik

႒ Tab. 1.3 Phase-I-Reaktionen

Reaktionen Substratbeispiele Reaktionen Substratbeispiele

Oxidationen R1 R1
C S C O
O
R2 R2
R CH2OH R R COOH
H
R1 R3 R1 R3
P P
Oxidation von Alkoholen Benzylalkohol, Pyridoxin R2 S R2 O
und Aldehyden

OH Desulfurierung Thiobarbiturate, Parathion


R CH3 + R COOH
R CH3 R1 R2
1 2
R R
Oxidation aliphatischer Barbiturate
O
Ketten
Epoxidierung Carbamazepin
H O
R1 N R1 NH2 + R2 R R
CH2 R2 H
HO
Oxidative N-Desalkylierung Ephedrin, Lidocain,
Methamphetamin Hydroxylierung von Chlorpromazin, Phenobarbi-
Aromaten tal, Propranolol
O
R NH2 R + NH3 Reduktionen
H
O
R R CH2OH
Oxidative Desaminierung Histamin, Mescalin,
H
Noradrenalin

von Aldehyden Chloralhydrat


R2 O R2
+
R1 O R1 H HO R2
N
N
Oxidative O-Desalkylierung Codein, Mescalin, Papaverin
R1 NH2
H +
NH2 N N O R2
OH
H2N
R1
R R R
von Azoverbindungen Salazosulfapyridin
Oxidation aromatischer Anilin-Derivate
Amine NO2 NH2

R1 R1 R3
3 + R R
N R N
2 -
R R2 O von Nitrogruppen Nitrazepam

N-Oxidation Imipramin Hydrolysen

R1 R1 R1 O O
R1 COOH + HO R2
S S O S
R1 O R2
R2 R2 R2 O

von Estern Acetylsalicylsäure, Cocain,


S-Oxidation Phenothiazine Pethidin, Procain
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 19

႒ Tab. 1.3 Phase-I-Reaktionen (Fortsetzung) Sonstige oxidierende Enzyme. Weitere wichtige oxidie-
rende Enzyme sind die:
Reaktionen Substratbeispiele 󠀂 Alkohol-Dehydrogenase, die Alkohole (z. B. Etha-
nol) zu Aldehyden dehydriert,
O
󠀂 Aldehydoxidase, die Aldehyde in Säuren überführt
R1 COOH + H2 N R
2
R1 N R2 und die
H
󠀂 Monoaminoxidase, die vor allem biogene Amine
(z. B. Catecholamine) oxidativ biotransformiert.
von Säureamiden Procainamid

Reduktionen
H O R2 H O R2
C C + HO R 3 Im Vergleich zu den Oxidationen spielen Reduktionen
3 bei der Biotransformation nur eine untergeordnete Rolle.
R1 O R R 1 OH
Carbonylverbindungen können durch die Alkohol-
von Acetalen (Glykosiden) Anthraglykoside, herzwirk-
Dehydrogenase oder zytoplasmatische Aldo-Keto-Re-
duktase zu Alkoholen reduziert werden. Für die Spaltung
same Glykoside
von Azoverbindungen zu den primären Aminen über die 1
R2 R3 Hydrazo-Zwischenstufe scheinen mehrere Enzyme, u. a.
R1 R3
R 1
R4
die NADPH-Cytochrom-P450-Reduktase, in Betracht
R2 O R4 zu kommen. Noch nicht ganz geklärt sind auch die an der
OH OH
Reduktion von Nitroverbindungen zu den entsprechen-
von Epoxiden Carbamazepin-Metabolit
den Aminen beteiligten Enzyme.
Toxikologisch bedeutsam ist die reduktive Dehalo-
Sonstige genierung von aliphatischen chlor-, brom- oder iod-
haltigen Substanzen, z. B. von Tetrachlorkohlenstoff
COOH H H
+ CO2 (Ⴉ Kap. 91.13.2).
1
R1 R2 R R2
Biohydrolysen
Decarboxylierung Histidin, Levodopa, Wichtige biohydrolytische Reaktionen sind:
α-Methyldopa 󠀂 die Spaltung von Estern und Amiden zu Säuren und
Alkoholen bzw. Aminen durch Esterasen bzw.
Primäre und sekundäre Amine werden beispiels- Amidasen,
weise in Hydroxylamine und tertiäre Amine in N-Oxide 󠀂 die Umwandlung von Epoxiden zu vicinalen Diolen
umgewandelt. durch Epoxidhydratasen (syn. Epoxidhydrolasen),
Von den 5 FMO-Familien ist FMO3 für den Arznei- 󠀂 die Hydrolyse von Acetalen (Glykosiden) durch
stoffmetabolismus von Bedeutung, welches in der Glykosidasen sowie
(adulten) Leber stark exprimiert wird. Verglichen mit 󠀂 die Hydrolyse von Glucuroniden durch
den CYP-Enzymen ist die Anzahl von Arzneistoffen, Glucuronidasen.
die von FMO metabolisiert werden, allerdings relativ Ester und Amide werden von den gleichen Enzymen
gering. Die Antipsychotika Clozapin, Loxapin und Zi- hydrolysiert, Ester allerdings wesentlich schneller als
prasidon, die H2-Antihistaminika Cimetidin und Ra- Amide. Diese Enzyme kommen sowohl intra- als auch
nitidin sowie Tamoxifen, Amphetamin und Diphenhy- extrazellulär, mikrosomal gebunden und in gelöster
dramin sind Beispiele für Arzneistoffe, die unter Betei- Form vor. Für den Fremdstoff-Metabolismus sind
ligung von FMO3 metabolisiert werden. Pseudocholinesterasen und sog. Aliesterasen, die vor-
FMO-Enzyme sind nicht leicht induzierbar und wiegend aliphatische Ester und Amide spalten sowie
hemmbar, mit klinisch relevanten Interaktionen ist Arylesterasen, zu denen Ester und Amide mit aromati-
daher nicht zu rechnen. schen Resten eine hohe Affinität besitzen, wesentlich.
Mutationen im FMO3-Gen sind die Ursache für das Auch Darmbakterien besitzen hydrolytische En-
sog. Fischgeruch-Syndrom, die Trimethylaminurie. zyme. Sie bewirken insbesondere eine Spaltung von
Dabei handelt es sich um eine autosomal rezessiv ver- Phase-II-Metaboliten in den tieferen Darmabschnitten.
erbte Stoffwechselstörung, bei der das im Körper ent- Sofern der freigesetzte Wirkstoff dort resorbiert werden
stehende und nach altem Fisch riechende Trime- kann, tritt ein enterohepatischer Kreislauf auf
thylamin nicht in das geruchlose Trimethylamin-N- (Ⴜ Abb. 1.8).
Oxid umgewandelt werden kann und daher über Urin Epoxidhydratasen, die in einem Multienzymkom-
und Schweiß ausgeschieden wird. plex zusammen mit Monooxygenasen vorkommen, be-
20 1 Pharmakokinetik

sitzen für den Abbau von Epoxiden Bedeutung. Es ent- ႒ Tab. 1.4 Phase-II-Reaktionen
stehen vicinale Diole.
Konjugation Substratbeispiele
Neben der oben beschriebenen reduktiven Dehalo-
genierung ist eine hydrolytische Spaltung von C-Cl-Bin- HOOC O O P P Ur idin HOOC O O R
dungen möglich, als Reaktionsprodukt entsteht der ent- H OR +
sprechende Alkohol. HO OH HO OH
OH OH

1.5.2 Phase-II-Reaktionen mit aktivierter Glucuron- Alkohole, Amine, Phenole,


Bei Phase-II-Reaktionen (႒ Tab. 1.4) erfolgt eine Kopp- säure (UDP-Glucuronsäure) Sulfonamide
lung (Konjugation) des Arzneistoffmoleküls bzw. eines
bereits durch eine Phase-I-Reaktion entstandenen Me- O O R O SO 3H
R OH 3'-Phospho-
taboliten mit einer körpereigenen Substanz. In vielen + adenosin-5' P O S OH
Fällen wird erst durch eine Phase-I-Reaktion die Vor- R NH2 OH O R NH SO 3H

aussetzung für eine Konjugationsreaktion geschaffen.


Zu den wichtigsten Konjugationsreaktionen, die mit aktiviertem Sulfat aromatische Amine,
unter Beteiligung von meist spezifischen Transferasen Phenole, Sulfonamide

ablaufen, gehören die Konjugationen mit aktivierter


O
Glucuronsäure, aktiviertem Sulfat und Aminosäuren, R COOH + H2N COOH
N
insbesondere Glycin. R
H
COOH

Die Bildung von Mercaptursäure-Derivaten mit Glu-


tathion, Acetylierungen und Methylierungen sind wei- mit Glycin Benzoesäure1, Isonicotin-
tere Phase-II-Reaktionen. säure1 (als Metabolit, von
Die hydrophilen Konjugate werden rasch – auch Isoniazid)

mittels aktiver Prozesse – renal und/oder biliär ausge-


H
schieden. Konjugationsreaktionen haben somit in der H2N COOH R N COOH
Regel den Charakter von Bioinaktivierungs- bzw. Ent- O
giftungsreaktionen, da die Konjugationsprodukte meist R COOH +
biologisch inaktiv sind. Allerdings gibt es auch biolo- O NH2 O NH2
gisch aktive Phase-II-Metaboliten wie beispielsweise
die C-17-Glucuronide von Estrogenen und Androge- mit Glutamin Indolylessigsäure1,
nen oder das analgetisch wirksame Morphin-6-Glucu- Phenylessigsäure1
ronid.
Von Alkoholen werden vor allem solche, die nicht O O

rasch oxidiert werden können, d. h. sekundäre und ter- H2N R + N


R
H3C S CoA H3C
H
tiäre Alkohole, mit aktivierter Glucuronsäure konju-
giert (Ⴜ Abb. 1.16). Phenole, Carbonsäuren und Amine mit aktivierter Essigsäure Isoniazid, Solfonamide
können ebenfalls mit Glucuronsäure konjugiert wer-
den. Während Etherglucuronide relativ stabile Verbin- COOH R1
R1
dungen darstellen, sind die Esterglucuronide hy- H3C + N CH3
NH + S NH2
drolyseempfindlich. Neben der Rückspaltung zur Aus- R2 Adenosyl
R2
gangssubstanz kann bei den Esterglucuroniden auch
COOH
eine Umlagerung des Acylrests von der OH-Gruppe an H3C +
R
C-1 zu den OH-Gruppen an C-2, C-3 bzw. C-4 der Glu- R + S NH2
N
+

N Adenosyl
curonsäure auftreten (Acylmigration). CH3

N-Methylierung Methadon, Nicotinamid,


Konjugation mit Glucuronsäure
(mit Adenosylmethionin) Noradrenalin
Glucuronsäure ist eine verhältnismäßig starke Säure, die
zusätzlich alkoholische OH-Gruppen enthält und daher COOH
HO R O R
sehr hydrophil ist. Sie wird durch membrangebundene H3C
+ H3C S+ NH2
Glucuronyltransferasen (Uridin-5΄-diphosphat-Glucu- HO HO
Adenosyl
ronosyltransferasen; UGT) vor allem der Leber, dane-
ben der Niere und des Darms in Form von aktivierter O-Methylierung Catecholamine
Glucuronsäure (UDP-Glucuronsäure) übertragen. In (mit Adenosylmethionin)
Analogie zum System der CYP-abhängigen Monooxy-
genasen gibt es eine Reihe von Isoenzymen der 1 vor Konjugation Aktivierung der Säure mittels ATP und Coenzym A
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 21

႒ Tab. 1.5 Wichtige Glucuronosyltransferasen (syn. Glu-


curonyltransferasen, UGT) und ausgewählte Substrate
aktivierte
Glucuronsäure UGT Substrat
Cl
Cl 1A1 Bilirubin, Ethinylestradiol, SN 38
HOOC O O
HOH2C Cl Cl (Irinotecan-Metabolit), Etoposid, Thyroxin
Cl
Cl
HO OH 1A3 Norbuprenorphin
OH
1A4 Amitriptylin, Imipramin, Nicotin, Lamotrigin
Trichlorethanol Glucuronid des Trichlorethanols
1A6 Naproxen, Paracetamol

Glycin 1A9 Propofol, Paracetamol

2B4 Codein, Fibrate


O O

OH N
OH
2B7 Codein, Ibuprofen, Ketoprofen, Lorazepam, 1
Morphin, Naproxen
H
O
2B10 Nicotin
Benzoesäure Hippursäure
2B15 Oxazepam, Paracetamol

aktiviertes 2B17 Testosteron


Sulfat
O
OH O S OH Konjugation mit Schwefelsäure
O Vor allem Alkohole, Phenole sowie aliphatische und
aromatische Amine bilden Konjugate mit aktiviertem
Phenol Phenolschwefelsäureester Sulfat (3΄-Phosphoadenosin-5΄-Phosphosulfat, PAPS),
das durch zytosolische Sulfotransferasen (SULT)
unterschiedlicher Substratspezifität übertragen wird.
Ⴜ Abb. 1.16 Konjugationsreaktionen, bei denen gut was- Beschrieben sind heute vier Familien von SULT
serlösliche Metaboliten entstehen, die rasch durch aktive
(SULT1, 2, 4 und 6), wobei die SULT1-Familie für den
Sekretion renal ausgeschieden werden
Abbau von Arzneistoffen bedeutsam ist. Es entstehen
hydrophile Schwefelsäurehalbester, die mit dem Urin
UDP-Glucuronosyltransferasen, die sich hinsichtlich ausgeschieden werden. Anzumerken ist in diesem Zu-
ihrer Substratspezifität und ihres Expressionsortes sammenhang, dass durch Sulfatierung neben weniger
unterscheiden. Die verschiedenen Enzyme werden in toxischen auch reaktive und damit gefährliche Metabo-
gleicher Weise wie die CYP-Enzyme klassifiziert. Die liten (Biotoxifizierung) entstehen können.
ausgeprägte interindividuelle Variabilität in der Aktivi- Beispiele für SULT-Substrate sind Paracetamol und
tät der einzelnen Enzyme kann, ebenso wie bei den Cy- Salbutamol, endogene Substrate sind z. B. 17α-Ethinyl-
tochrom-P450-Enzymen, wiederum genetisch oder estradiol und Schilddrüsenhormone.
durch Induktion bedingt sein.
Es gibt zwei Familien der UGT mit insgesamt 19 En- Konjugation mit Glycin
zymen, die als UGT1 und UGT2 bezeichnet werden. Nicht weiter oxidativ abbaubare Carbonsäuren können
Dabei ist von besonderem Interesse, dass alle 9 UGT1- Konjugate mit Glycin bilden. Hierzu gehören am α-C-
Enzyme nicht durch verschiedene Gene, sondern durch Atom substituierte sowie aromatische Carbonsäuren,
Spleißvarianten desselben Gens kodiert werden. Durch z. B. Benzoesäure. Klassische Beispiele für solche Kon-
ein gewebespezifisches Herausschneiden einzelner jugate sind die aus Benzoesäure gebildete Hippursäure
Exons (alternatives Splicing) werden so aus einem Gen und die aus Salicylsäure entstehende Salicylursäure.
9 unterschiedliche Proteine erzeugt. Die UGT sind in Die Reaktion wird durch eine Transacylase katalysiert.
der Lage, ein großes Spektrum strukturell sehr unter-
schiedlicher Arzneistoffe und endogener Substrate zu Bildung von Mercaptursäure-Derivaten
glucuronidieren. Sie leisten damit einen wesentlichen Die Konjugation mit Glutathion (Tripeptid aus Gluta-
Beitrag zur Elimination. Die wichtigsten derzeit be- minsäure, Cystein und Glycin, Ⴜ Abb. 1.17) stellt einen
kannten Enzyme sowie deren Substrate sind in ႒ Tab. 1.5 wichtigen Eliminationsweg elektrophiler Verbindungen
zusammengefasst. dar. Von den primär gebildeten Glutathion-Konjugaten
22 1 Pharmakokinetik

z. B. von Catecholaminen, katalysiert durch die Cate-


O chol-O-Methyltransferase (COMT).
COOH
HN
HS O NH2
1.5.3 Induktion von Arzneistoff
metabolisierenden Enzymen
Glutaminsäure
HN Manche Arzneistoffe sowie andere Xenobiotika fungie-
Cystein
COOH Glycin ren als Enzyminduktoren, d. h. sie sind in der Lage,
durch eine vermehrte Bildung von Enzymen, die an der
Glutathion Biotransformation beteiligt sind, ihren eigenen Stoff-
wechsel und den von gleichzeitig applizierten Arznei-
stoffen zu beschleunigen. Neben metabolisierenden
Ⴜ Abb. 1.17 Strukturformel: Glutathion
Enzymen können auch Transportproteine (z. B. P-gp)
induziert werden.
O Der zugrunde liegende Mechanismus ist für alle In-
H
N CH3 duktoren ähnlich (Ⴜ Abb. 1.19): Sie binden im Zytosol
HO
oder im Zellkern an nukleäre Rezeptoren (Kernrezep-
O
S toren), die als ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren
R fungieren. Nach Bildung eines Heterodimers mit einem
zweiten Protein bindet dieses an regulatorische Ele-
Ⴜ Abb. 1.18 Mercaptursäure-Derivat einer elektrophilen mente der DNA, wodurch Gene stimuliert werden, die
Verbindung R u. a. für Cytochrom-P450-Enzyme bzw. Transportpro-
teine kodieren. Dementsprechend weisen die Kernre-
(Bindung über SH-Gruppe von Cystein) werden Gluta- zeptorproteine eine Ligandenbindungsdomäne, Dime-
minsäure und Glycin abgespalten und durch N-Acetylie-
rung von Cystein entstehen als Endprodukte sog. Mer- ႒ Tab. 1.6 Rezeptor-vermittelte Induktionsmechanismen
captursäuren (N-Acetylcystein-Derivate, Ⴜ Abb. 1.18). metabolisierender Enzyme (Beispiele)

Rezeptor Enzyme Induzierende Sub-


Acetylierung stanzen
Substanzen mit Aminogruppen, die nicht oxidativ ab-
gebaut werden können, werden häufig mittels zytosoli- Arylhydro- CYP1A1, CYP1A2, polycyclische aro-
scher N-Acetyltransferasen acetyliert. Man kennt zwei carbonrezeptor CYP1B1, UGT1A1, matische Kohlen-
Isoenzyme dieses Typs, die ubiquitär vorkommende (Ah-R) UGT1A2 wasserstoffe, Beta-
NAT1 und die überwiegend im Gastrointestinaltrakt Naphtoflavone

und in der Leber exprimierte NAT2. Zu den Substraten


Konstitutiver CYP2B6, CYP2C9, Phenobarbital,
gehören die aromatischen Amine und Alkylamine, bei
Androstan- CYP2C19, Phenytoin, Efavi-
denen sich die Aminogruppe an einem tertiären Koh- rezeptor (CAR) CYP3A4, UGT1A1 renz
lenstoffatom befindet.
Die Acetylierung der Sulfonamide und von Isoniazid Farnesoid-X- UGT2B4 Gallensäuren
sind Beispiele für eine derartige Konjugation, die im Rezeptor (FXR)
Allgemeinen zu einer Abnahme der Hydrophilie führt.
Dies kann Komplikationen, z. B. eine Kristallurie, wie Glucocorticoid- CYP2C9, CYP2B6, Glucocorticoide
sie als Nebenwirkung von Sulfonamiden beschrieben rezeptor CYP3A4, CYP3A5

wurde, auslösen. Weitere Substrate sind z. B. Amino-


Peroxisom-Pro- UGT1A9, UGT2B4 Fibrate
salicylsäure, Coffein, Clonazepam und Metamizol. liferator-akti-
Für beide NAT ist eine Vielzahl genetischer Varian- vierter-Rezep-
ten beschrieben, wobei nur die NAT2-Polymorphismen tor α (PPARα)
mit dem Acetylierer-Status assoziiert sind (schnelle und
langsame Acetylierer, Ⴉ Kap. 3.1.2). Pregnan-X- CYP1A2, CYP2B6, Carbamazepin,
Rezeptor (PXR) CYP3A4, UGT1A1, Phenobarbital, Rif-
Methylierung UGT1A3 ampicin, Glucocor-
Methylierungen kommen im Rahmen von Biotransfor- ticoide, Ritonavir,
Bosentan
mationsreaktionen verhältnismäßig selten vor. Man
findet in einigen Fällen eine N-Methylierung, Methy-
Vitamin-D- CYP2B6, CYP2C9, Calcitriol
lierungen ungesättigter heterocyclischer Verbindungen Rezeptor CYP3A4, SULT2A1
oder eine Methylierung phenolischer OH-Gruppen,
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 23

A Xb Zell- B Xb Zell- C Xb Zell-


membran membran membran

Xb Xb
AIP
AhR AhR
P HSP90 HSP90
CAR

RXR PXR CAR RXR AhR ARNT

mRNA mRNA mRNA


RXR RXR ARNT
DNA
PXR
DNA
CAR
DNA
AhR
1
PXRE PBRE XRE

Zellkern Zellkern Zellkern

Ⴜ Abb. 1.19 Stark vereinfachte schematische Darstellung der Enzyminduktion über nukleäre Rezeptoren (Xenosensor-
Aktivierung): A PXR (Pregnan-X-Rezeptor) und RXR (9-cis-Retinolsäurerezeptor) kommen hauptsächlich im Zellkern vor;
nach Ligandenbindung dimerisiert PXR mit RXR zum Heterodimer, bindet an die DNA und startet damit die Transkription.
B CAR (Konstitutiver Androstanrezeptor) befindet sich überwiegend in phosphorylierter Form im Zytosol. Die Liganden-
bindung begünstigt die Dephosphorylierung und die Translokation in den Zellkern. Dort wird analog zum PXR das Hete-
rodimer mit RXR gebildet und nach Bindung an die DNA die Transkription gestartet.
C AhR (Arylhydrocarbonrezeptor) ist in inaktiviertem Zustand im Zytosol u. a. an 2 Hitzeschockproteine (HSP90) und AIP
(AhR inhibiting protein) gebunden; nach Ligandenbindung wird AhR aus dem Komplex freigesetzt und transloziert in
den Zellkern, wo er mit ARNT (AhR nuclear translocator) ein Heterodimer bildet und nach Bindung an die DNA die Tran-
skription initiiert. PBRE phenobarbital response element, PXRE PXR response element, Xb Xenobiotikum, XRE xenobiotic
response element. Nach Klotz

risierungsdomäne, DNA-Bindungsdomäne sowie eine tal, Primidon, Phenytoin), Rifampicin und Johannis-
Transaktivierungsdomäne auf. kraut. Induktionseffekte machen sich im Fall von
Die Superfamilie der nukleären Rezeptoren umfasst 48 CYP3A4 nach 1–2 Tagen bemerkbar – das ist die Zeit,
Proteine. Für die Pharmakokinetik von Arzneistoffen die für die Enzymneusynthese benötigt wird, maximale
besonders wichtige nukleäre Rezeptoren sind der Enzymmengen sind frühestens nach etwa 6 Tagen er-
󠀂 Pregnan-X-Rezeptor (PXR) und der reicht. Genauso dauert es nach Absetzen des Induktors
󠀂 konstitutive Androstanrezeptor (CAR), noch mindestens 6 Tage bis die CYP3A4-Menge wieder
da diese von Arzneistoffen aktiviert werden können auf ihr normales Ausgangsniveau abgefallen ist (CYP3A4
(႒ Tab. 1.6). PXR und CAR kommen vor allem in der hat eine Halbwertszeit von ca. 30–70 Stunden).
Leber, im Gastrointestinaltrakt und in der Niere vor. Für die medikamentöse Therapie ergeben sich aus der
Eine vermehrte Expression von Arzneistoff metaboli- Enzyminduktion folgende Konsequenzen:
sierenden Enzymen und Transportern kann ferner durch 󠀂 Bei einer längerdauernden Medikation mit Enzym-
den Farnesoid-X-Rezeptor (FXR), die Peroxisom-Proli- induktoren kommt es zu einer Erniedrigung der zu
ferator-aktivierten Rezeptoren α und γ (PPARα und γ), Beginn der Behandlung mit einer bestimmten Dosis
durch den vor allem im Gastrointestinaltrakt lokalisier- erreichbaren Arzneistoffkonzentration im Plasma.
ten Vitamin-D-Rezeptor (VDR) sowie den zytosoli- 󠀂 Sind die Abbauprodukte weniger aktiv als die Aus-
schen Ah-Rezeptor (Ah, aryl hydrocarbons) und den gangssubstanz, wird die Wirkung vermindert, besit-
Glucocorticoidrezeptor vermittelt werden (႒ Tab. 1.6). zen sie stärkere Effekte (Prodrugs), nimmt sie zu
Weitere nukleäre Rezeptoren, die die Expression von (s. u.).
CYP-Enzymen, UGT und Transportern beeinflussen 󠀂 Manche CYP-Enzyme (wie z. B. CYP1A1 und
können, sind der Nfr-2 (nuclear factor-erythroid 2 rela- CYP1A2) sind in der Lage, chemische Karzinogene
ted factor 2), der bei oxidativem Stress aktiviert wird, zu bioaktivieren, sodass eine Induktion zu einem er-
und der HNF1α (hepatocyte nuclear factor 1α). höhten Tumorrisiko führen kann. Induktoren dieser
Zu den klinisch relevanten CYP-Induktoren zählen Enzyme werden in der Arzneimittelentwicklung
u. a. einige Antiepileptika (Carbamazepin, Phenobarbi- daher besonders kritisch betrachtet.
24 1 Pharmakokinetik

󠀂 Die Plasmakonzentration körpereigener Substrate lid-Antibiotika (z. B. Erythromycin, Clarithromy-


kann unter den Normalwert abfallen. cin) und Calciumkanalblocker (Diltiazem, Verapa-
󠀂 Bei der gleichzeitigen Verordnung anderer Arznei- mil) nachgewiesen.
stoffe besteht das Risiko von Interaktionen 2. Die irreversible Hemmung beruht auf einer kova-
(Ⴉ Kap. 5.2.2): Während der Gabe des Enzyminduk- lenten Bindung (Suizidhemmung) des reaktiven
tors können in Abhängigkeit vom Metabolisierungs- Metaboliten an das CYP-Apoprotein. Beispiele
weg auch die Blutkonzentrationen des Zweitphar- dafür sind Kinase-Inhibitoren (z. B. Imatinib) und
makons abnehmen und, sofern daraufhin die Dosie- Clopidogrel.
rung zum Ausgleich erhöht wurde, nach Absetzen In vivo unterscheiden sich quasi-irreversible Hemmung
des Induktors evtl. über einen kritischen Wert an- und irreversible Hemmung praktisch nicht, die nor-
steigen. male Enzymfunktion wird in beiden Fällen durch Neu-
Ein Spezialfall ist die Bildung von toxischen Metaboli- synthese des Enzyms wiederhergestellt.
ten durch Enzyminduktion, Beispiele hierfür sind Val- Ein Zusammenhang zwischen Hemmmechanismus
proinsäure und Paracetamol. und Qualität der Hemmung – stark, mäßig, schwach –
scheint nicht zu bestehen. Sowohl die kompetitiven In-
1.5.4 Hemmung von Arzneistoff hibitoren Itraconazol und Ketoconazol als auch der irre-
metabolisierenden Enzymen versible Inhibitor Diltiazem gelten als starke CYP3A4-
Zahlreiche Arzneistoffe können Transport- und Bio- Inhibitoren. Es ist außerdem möglich, dass sich in vivo
transformationsprozesse hemmen, sie werden daher als kompetitive und irreversible Mechanismen überlappen.
Enzyminhibitoren bezeichnet. Die Enzyminhibition ist
die Ursache von zahlreichen Arzneimittelinteraktionen 1.5.5 First-Pass-Effekt
(Ⴉ Kap. 5.2.2). Das gesamte venöse Blut des Magen-Darm-Kanals (mit
Für die Hemmung der CYP-Enzyme, die für den Ausnahme der distalen zwei Drittel des Rektums) und
Arzneistoffmetabolismus die wichtigste Rolle spielen, damit auch alle darin enthaltenen Substanzen gelangen
sind verschiedene Mechanismen beschrieben. Eine in die Pfortader und durch diese in die Leber. Bevor
kompetitive Enzymhemmung, bei der der Arzneistoff also ein durch die Magen- oder Dünndarmschleimhaut
oder sein Metabolit als Inhibitor das Substrat kompeti- resorbiertes Pharmakon das Herz und von dort aus den
tiv aus der Substratbindestelle verdrängt, wird als häu- Lungen- und Körperkreislauf und schließlich seinen
figster Mechanismus angenommen. Nachgewiesen Wirkort erreicht, muss es die Leber passieren. Für die
wurde er z. B. für die Azol-Antimykotika Itraconazol Wirkung eines Arzneistoffs ist es somit von ausschlag-
und Ketoconazol (CYP3A4) sowie für Ciprofloxacin gebender Bedeutung, ob und in welchem Umfang er bei
(CYP1A2). der ersten Passage durch die Leber extrahiert und/oder
Die kompetitive Hemmung ist reversibel und hält metabolisiert wird (Ⴜ Abb. 1.20).
nur so lange an, wie der Inhibitor vorhanden ist. Die Der First-Pass-Effekt ist definitionsgemäß durch
Dauer der Hemmung nach Absetzen des Inhibitors ist den Anteil eines Stoffs charakterisiert, der bei dieser
also in erster Linie von seiner Halbwertszeit abhängig. ersten Leberpassage metabolisiert und/oder ausge-
Bei der sog. mechanismusbasierten Hemmung, die schieden wird. Ein hoher First-Pass-Effekt vermindert
auch als zeitabhängige Hemmung (time dependent in- somit den Anteil des Arzneistoffs, der die systemische
hibition, TDI) bezeichnet wird, weil die Enzymaktivität Zirkulation erreicht (Bioverfügbarkeit, Ⴉ Kap. 1.7.1) er-
mit der Zeit abnimmt, wird dagegen die Enzymaktivität heblich.
irreversibel gestört und sie kann nur durch Neusyn- Arzneistoffe mit ausgeprägtem hepatischen First-Pass-
these des Enzyms zurückerlangt werden. Die Neusyn- Effekt sind z. B. der Betablocker Propranolol und das Ko-
these von CYP3A4 nimmt beispielsweise ca. 24–48 ronartherapeutikum Glyceroltrinitrat, das nicht nur
Stunden in Anspruch, d. h. man kann 1–2 Tage nach wegen des schnelleren Wirkungseintritts, sondern auch
Absetzen des Inhibitors wieder mit einsetzender En- wegen des ausgeprägten First-Pass-Effekts perlingual (Re-
zymfunktion rechnen, die volle Enzymaktivität ist frü- sorption über die Mundschleimhaut) gegeben wird.
hestens nach 6 Tagen erreicht. Neben dem Abbau durch Leberenzyme kann eine
Bei der mechanismusbasierten Hemmung lassen sich ausgeprägte Metabolisierung auch bereits im Lumen
in vitro zwei Reaktionsmechanismen unterscheiden: oder in der Wand des Gastrointestinaltrakts erfolgen
1. Der reaktive Metabolit (z. B. ein Nitroso-Metabolit, (Ⴉ Kap. 1.6.1). Man spricht dann von einem prähepati-
der aus einem tertiären Amin entstanden ist) bildet schen oder intestinalen First-Pass-Effekt. Im Darm
mit Eisen im Häm von Cytochrom P450 einen stabi- finden hauptsächlich Oxidationsreaktionen durch Cy-
len Komplex (metabolite intermediate complex, tochrom-P450-abhängige Monooxygenasen (z. B. bei
MIC). Man spricht auch von quasi-irreversibler Verapamil oder Ciclosporin), aber auch Konjugations-
Hemmung. Diese wurde beispielsweise für Makro- reaktionen (z. B. Glucuronidierung bei Raloxifen) statt.
1.5 Biotransformation (Metabolisierung) 25

Gastrointestinaltrakt Leber systemische


Zirkulation
Enterozyt Pfortader
Metabolisierung

Arzneistoff

Efflux

Metabolit biliäre Exkretion


intestinale
Metabolisierung

intestinaler First-Pass-Effekt hepatischer First-Pass-Effekt bioverfügbarer Anteil


1
Ⴜ Abb. 1.20 First-Pass-Effekt in schematischer Darstellung

Zur intestinalen Elimination können ferner Efflux- thromycin → Erythromycinethylsuccinat), hohem First-
transporter (z. B. P-gp) in den Enterozyten beitragen, Pass-Effekt, kurzer Wirkdauer oder ungenügender
die den Arzneistoff aus den Zellen herauspumpen und Verteilung in Zielorgane (z. B. Dopamin → Levodopa)
somit an der Resorption hindern. sinnvoll sein. Meist wird bei der Entwicklung von Pro-
Einem ausgeprägten prähepatischen First-Pass-Ef- drugs so vorgegangen, dass eine im Wirkstoff vorhan-
fekt unterliegen z. B. bestimmte Statine (Simvastatin, dene funktionelle Gruppe (z. B. eine OH- oder Amino-
Lovastatin) und PDE-5-Hemmer (z. B. Sildenafil, Var- gruppe) mit einer geeigneten Verbindung (z. B. einer
denafil) sowie einige Calciumkanalblocker (z. B. Ni- Carbonsäure) umgesetzt wird, die dann im Organismus
trendipin, Felodipin). wieder abgespalten werden kann.
Prähepatischer und hepatischer First-Pass-Effekt be- Werden im Rahmen der Biotransformation toxische
stimmen das Ausmaß der präsystemischen Elimina- Metaboliten gebildet, spricht man von Biotoxifizierung
tion eines Arzneistoffs. Arzneistoffe mit ausgeprägter (Ⴜ Abb. 1.21). Toxische Metaboliten von Arzneistoffen
präsystemischer Elimination und dadurch bedingter treten insbesondere dann auf, wenn infolge von (zu)
niedriger oraler Bioverfügbarkeit (Ⴉ Kap. 1.7.1) haben hohen Dosen die Kapazität der Biotransformationsreak-
ein relativ hohes Interaktionsrisiko (Ⴉ Kap. 5.2.2): Eine tionen (Glucuronidierung, Sulfatierung), die in der Regel
Hemmung der CYP-Enzyme des Gastrointestinaltrakts zu untoxischen Abbauprodukten führen, nicht mehr aus-
und/oder der Leber reduziert den First-Pass-Effekt und reicht (vgl. Paracetamol-Intoxikation, Ⴉ Kap. 15.3.5).
erhöht dadurch den bioverfügbaren Anteil des Arznei-
stoffs. Eine Induktion dieser Enzyme kann zu einer 1.5.7 Einfluss von Alter und Geschlecht auf
starken Zunahme des First-Pass-Effekts und damit zu die Biotransformation
einer verminderten systemischen Verfügbarkeit und Alterseinflüsse auf die Biotransformation machen sich
Wirkungsabschwächung (ggf. bis zum Wirkungsver- insbesondere bei Neugeborenen und bei älteren Men-
lust) führen. schen bemerkbar.
Beim Neugeborenen – und in noch stärkerem Maße
1.5.6 Bioaktivierung und Biotoxifizierung beim Frühgeborenen – ist die Ausstattung mit einigen
Die Biotransformation von Arzneistoffen führt in der Enzymen, die an der Biotransformation beteiligt sind,
Regel zu einer Wirkungsabschwächung bzw. vollständi- noch unzureichend. So werden beispielsweise die Glu-
gen Inaktivierung, bei Prodrugs kommt es dagegen zu curonyltransferasen erst um den Zeitpunkt der Geburt
einer Bioaktivierung (Ⴜ Abb. 1.21). gebildet, das Neugeborene ist daher zu Glucuronidie-
Unter Prodrugs versteht man Substanzen, die selbst rungsreaktionen nur bedingt fähig. Bei Kindern im
biologisch weitgehend inaktiv sind, die aber im Orga- Alter von 1–8 Jahren ist dagegen die Biotransforma-
nismus – enzymatisch oder nichtenzymatisch – in eine tionsrate im Vergleich zu Erwachsenen erhöht, woran
aktive Form umgewandelt werden. vermutlich zumindest teilweise das bei Kindern grö-
Die Entwicklung von Prodrugs kann beispielsweise ßere Verhältnis von Leber- zu Körpergewicht beteiligt
bei unzureichender Resorption des Wirkstoffs (z. B. Ce- ist.
furoxim → Cefuroximaxetil, Dabigatran → Dabigatrane- Bisher wurde angenommen, dass CYP-vermittelte
texilat) oder auch bei schlechtem Geschmack (z. B. Ery- Reaktionen im höheren Lebensalter durch eine Ab-
26 1 Pharmakokinetik

H3CO HO

O H Bioaktivierung O H
CH3 CH3
N N

HO HO

Codein Morphin

O O
CH2OH CH2OH
CH3 CH3
O OH HO OH
CH3 H CH3 H
Bioaktivierung
H H H H
O O

Prednison Prednisolon (Glucocorticoid)

OC2H5 OC2H5
O P S O P O
OC2H5 Biotoxifizierung OC2H5
O2N O2N

Parathion (schwacher Acetylcholinesterase-Hemmstoff) Paraoxon (starker Acetylcholinesterase-Hemmstoff)

OH
NH2 NH2
Biotoxifizierung

˟-Naphthylamin (präkarzinogen) ˞-Hydroxy-˟-naphthylamin (karzinogen)

Ⴜ Abb. 1.21 Bioaktivierung und Biotoxifizierung

nahme der Enzymaktivität langsamer ablaufen. Neuere Die klinischen Konsequenzen sind bisher unklar, da es
Untersuchungen konnten diese Befunde jedoch nicht aber aus einer Reihe klinischer Studien Hinweise auf
bestätigen, sondern deuten eher darauf hin, dass die ein geschlechtsabhängiges Ansprechen auf eine Phar-
normale Enzymfunktion im Alter erhalten bleibt. Auch makotherapie gibt, werden diese Fragestellungen zu-
die Induzierbarkeit von Phase-I-Enzymen und Trans- künftig eine wichtige Rolle spielen.
portproteinen (z. B. von CYP3A4 und P-gp) ist bei älte-
ren Patienten nicht eingeschränkt. Es ist vielmehr
davon auszugehen, dass der geringere Leberblutfluss 1.6 Ausscheidung
älterer Menschen (bedingt durch das abnehmende
Herzzeitvolumen) zu einer Abnahme der Clearance Die Ausscheidung (Exkretion) eines Pharmakons bzw.
führt. Diese Annahme wird durch die Beobachtung ge- seiner Metaboliten führt – wie die Biotransformation –
stützt, dass insbesondere Substanzen mit hoher Clea- zur Abnahme der Wirkstoffkonzentration im Körper.
rance (high clearance drugs, Ⴉ Kap. 1.7.3) im Alter ver- Sie hängt zum einen von den physikalisch-chemischen
langsamt ausgeschieden werden. Eigenschaften (z. B. Molekularmasse, pKa-Wert) der
Andererseits ist im Alter oft die Eiweißbindung auszuscheidenden Substanz, zum anderen vom Vor-
wegen einer verringerten Plasmaalbuminkonzentration handensein spezifischer Transportproteine (s. o.) ab
erniedrigt; dadurch steigt der freie Anteil des Arznei- und erfolgt im Wesentlichen:
stoffs, und die Biotransformationsgeschwindigkeit 󠀂 intestinal (mit den Fäzes),
kann zunehmen. 󠀂 hepatisch/biliär (ebenfalls mit den Fäzes) und/oder
Es gibt zunehmend Befunde dafür, dass sich Frauen 󠀂 renal (mit dem Urin).
und Männer hinsichtlich der Expression verstoffwech- Der Ausscheidung von Pharmaka über die Lunge (pul-
selnder Enzyme und Transportproteine unterscheiden. monal) oder durch die Haut kommt eine deutlich gerin-
So konnte gezeigt werden, dass z. B. CYP3A4, das sehr gere Bedeutung zu. Die Ausscheidung in die Mutter-
viele Arzneistoffe metabolisiert, bei Frauen in etwa milch ist vor allem von toxikologischem Interesse, da in
doppelt so großer Menge in der Leber vorhanden ist. die Muttermilch ausgeschiedene Arzneistoffe beim
1.6 Ausscheidung 27

Säugling Nebenwirkungen bzw. Vergiftungserschei- 1.6.2 Hepatische/biliäre Ausscheidung


nungen auslösen können. Nach intestinaler Resorption werden die Arzneistoffe
über die Pfortader zur Leber transportiert und dort mehr
1.6.1 Ausscheidung über den Gastro- oder weniger stark verstoffwechselt. Vor dem Metabolis-
intestinaltrakt mus ist eine Extraktion aus dem Blutstrom durch einen
Arzneistoffe können entweder passiv durch Diffusion Transfer in die Hepatozyten notwendig. Dieser hängt
oder durch Transportproteine vom SLC-Typ aus dem primär von den biophysikalischen Eigenschaften des
Darm oder Blut in die Enterozyten des Gastrointestinal- Arzneistoffs ab. Außerdem spielen blutseitig (basolate-
trakts aufgenommen werden (Ⴜ Abb. 1.22). Dort können ral) vorkommende hepatische Aufnahmetransporter
sie durch CYP3A4 und/oder Phase-II-Enzyme metabo- (Ⴜ Abb. 1.23), die wiederum zur SLC-Familie gehören,
lisiert werden, sofern sie Substrate dieser metabolisie- eine wesentliche Rolle. Mittels einer Vielzahl dort expri-
renden Enzyme sind. Außerdem besteht die Möglich- mierter Transportproteine kann ein breites Sub-
keit, dass ein in die Enterozyten aufgenommener Wirk- stanzspektrum in die Leber aufgenommen werden. Zu
stoff oder sein Metabolit durch ABC-Transporter (z. B. diesen Transportern gehören u. a. organische Anionen-
P-gp, MRP2 oder BCRP) in das Darmlumen transpor- transporter (OATP) und Kationentransporter (OCT).
tiert und mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Am besten untersucht ist die Aufnahme von Arznei- 1
Der Organismus verfügt also bereits im Intestinal- stoffen durch den organischen Anionentransporter
trakt durch die Kombination von Biotransformations- OATP1B1. Genetische Varianten oder gleichzeitig ge-
reaktionen und Transportvorgängen über ein komple- gebene Hemmstoffe dieses Proteins (z. B. Clarithromy-
xes Eliminationssystem, das dafür sorgt, dass bei einer cin, Gemfibrozil) können die hepatische Aufnahme von
Reihe von Arzneistoffen nur ein Teil einer applizierten Substraten in die Hepatozyten deutlich reduzieren und
Dosis in die Pfortader übertritt und damit systemisch damit deren Metabolisierung hemmen. Im Fall der Sta-
verfügbar ist (s. First-Pass-Effekt, Ⴜ Abb. 1.20). tine (z. B. Simvastatin), die alle OATP1B1-Substrate
sind, ist es besonders ungünstig, da die Hepatozyten
den Wirkort darstellen. Wird OATP1B1 gehemmt, er-
reichen Statine in höheren Konzentrationen die syste-
Darm Blut mische Zirkulation und führen dort – bei verringerter
Enterozyt Wirksamkeit – vermehrt zu Nebenwirkungen (z. B.
Myopathie, Rhabdomyolyse).
ABC UGT
Eine Mutation im ABCC2-Gen (MRP2) liegt beim
sehr seltenen Dubin-Johnson-Syndrom vor. Bei diesem
kommt es zu einer Anreicherung von konjugiertem Bili-
ABC
rubin, da das MRP2-Protein, das normalerweise die
P450 Ausscheidung in den Gallengang bewerkstelligt, nicht
SLC funktionsfähig ist. Um dieses trotzdem aus dem Hepa-
ABC
tozyten zu eliminieren, wird ein blutseitig (basolateral)
gelegenes Transportprotein (MRP3) hochreguliert, das
SLC
die Bilirubinkonjugate ins Blut transportiert. Die Folge
ist eine Hyperbilirubinämie mit konjugiertem Bilirubin.
Enterozyt In den Hepatozyten werden dann viele Arzneistoffe
durch die oben beschriebenen Phase-I- und -II-Bio-
transformationssysteme metabolisiert. Die dabei gebil-
Arzneistoff Metaboliten deten hydrophilen Metaboliten werden durch kanaliku-
lär vorkommende Effluxtransporter, die der ABC-Fa-
Ⴜ Abb. 1.22 Enterozytäre Aufnahme und Elimination von milie angehören, in die Galle transportiert (Ⴜ Abb. 1.23).
Arzneistoffen. Substanzen werden passiv oder durch Hierbei sind P-gp (ABCB1) und MRP2 (ABCC2) be-
Transportproteine vom SLC-Typ (z. B. OATP) in die Enterozy- sonders wichtig. Eine eingeschränkte Funktion dieser
ten aufgenommen. Sie werden dann unverändert in das Proteine durch gleichzeitig gegebene Arzneistoffe oder
Blut transportiert (z. B. via MRP2) oder durch CYP- und/ durch genetische Varianten führt dazu, dass die in der
oder Phase-II-Enzyme (z. B. UGT) verstoffwechselt oder
Leber gebildeten Metaboliten nicht in die Galle ausge-
durch ABC-Transporter (P-gp, BCRP, MRP) zurück in das
schieden werden können, somit in den Hepatozyten
Darmlumen gepumpt. Die gebildeten Metaboliten werden
ebenfalls entweder in das Blut transportiert oder durch akkumulieren und dadurch zu einer Leberschädigung
ABC-Transporter in das Darmlumen ausgeschieden. führen können.
Zu den Abkürzungen der Transporter siehe Ⴜ Abb. 1.5 in Hepatisch, d. h. mit der Galle (biliär), werden vor
Ⴉ Kap. 1.1.4 allem solche Stoffe ausgeschieden, die eine Molekular-
28 1 Pharmakokinetik

Tubuläre Sekretion. Der tubulären Sekretion von Phar-


Blutseite maka liegt im Gegensatz zur glomerulären Filtration
ein aktiver Prozess zugrunde. Um in das Lumen des Tu-

SLC

SLC

SLC
bulus sezerniert zu werden, muss eine Substanz zu-
nächst aus dem Blutstrom über einen basolateralen
Transporter aufgenommen werden, um dann auf der

Ph nz
ABC apikalen Seite, wiederum durch ein Transportprotein,
as ym
E
e-
Gallen- in den Urin sezerniert zu werden (Ⴜ Abb. 1.5).
I-
Ph Enz

ABC gang Organische Kationen werden durch SLC-Transpor-


as ym

(apikal)
e-

ter der OCT-Familie aus dem Blut aufgenommen und


II-

C
AB über SLC-Transporter wie OCTN2 (carnitine/organic
Hepatozyt
cation transporter) oder durch P-gp in den Urin ausge-
schieden.
ABC
A BC
BC

Organische Anionen gelangen mittels Anionen-


transportern wie OAT1 und OAT3 aus dem Blut in die
Blutseite
Tubulusepithelien und von dort durch ABC-Transpor-
ter wie MRP2 und MRP4 in den Urin, wobei an dem
Arzneistoff Metaboliten letztgenannten Schritt auch SLC-Proteine mitwirken.
Durch diese im proximalen Tubulus lokalisierten
Ⴜ Abb. 1.23 Hepatozytäre Aufnahme und biliäre Elimina- Transportsysteme werden zahlreiche Substanzen ent-
tion von Arzneistoffen. Die Aufnahme aus dem Blut erfolgt gegen dem Konzentrationsgefälle in den Urin abgege-
durch SLC-Transporter (OATP, OCT), der Auswärtstransport ben. Die einzelnen Substanzen können sich dabei
von Arzneistoff und/oder Metaboliten in die Galle durch gegenseitig in ihrem Transport kompetitiv hemmen.
ABC-Transporter (P-gp, BSEP, BCRP, MATE1 und MRP2). Der
Transport aus den Hepatozyten zurück ins Blut wird durch
Tubuläre Rückresorption. Die tubuläre Rückresorption
andere ABC-Transporter (MRP3, MRP4, MRP6) vermittelt. Zu
den Abkürzungen der Transporter siehe Ⴜ Abb. 1.5 in
kommt durch den Konzentrationsanstieg im Harn in-
Ⴉ Kap. 1.1.4 folge der Rückresorption von Wasser in den Nierentubuli
zustande. Für die meisten Arzneistoffe ist die Rückre-
sorption ein passiver Diffusionsprozess, der von den Lös-
masse über 500 Da besitzen bzw. diese durch Metaboli- lichkeitseigenschaften des Pharmakons, seinem pKa-
sierung erlangen. Stoffe mit einer Molekularmasse Wert und vom pH-Wert des Urins abhängt. Lipidlösliche
unter 300 Da erscheinen dagegen bevorzugt im Harn. Substanzen, die enteral gut resorbiert werden, durchdrin-
Auf die Möglichkeit der Rückresorption biliär sezer- gen auch leicht das Tubulusepithel und werden stark
nierter lipophiler Pharmaka bzw. deren hydrolysierter rückresorbiert. Hydrophile, enteral kaum resorbierbare
Konjugate wurde bereits hingewiesen (enterohepati- Stoffe diffundieren dagegen schlecht transtubulär.
scher Kreislauf, Ⴉ Kap. 1.3.1). Schwache Basen (pKa 6–12) werden bei Erniedri-
gung, schwache Säuren (pKa 3–7,5) bei Erhöhung des
1.6.3 Renale Ausscheidung Urin-pH-Werts stärker ausgeschieden (Überführung in
Die wichtigsten Ausscheidungsorgane sind die Nieren. die wasserlösliche Salzform).
Die Prozesse, die die Schnelligkeit und das Ausmaß der Bei Intoxikationen mit basischen Stoffen (z. B. Alka-
renalen Ausscheidung bestimmen, sind die: loiden) kann daher durch Azidifizierung, bei Intoxika-
󠀂 glomeruläre Filtration, tionen mit sauren Substanzen durch Alkalisierung des
󠀂 tubuläre Sekretion und die Urins die Eliminierung des Giftes beschleunigt werden.
󠀂 tubuläre Rückresorption. Bei starker tubulärer Rückresorption kann diese ferner
durch eine Steigerung des Harnflusses vermindert wer-
Glomeruläre Filtration. Für die glomeruläre Filtration den (forcierte Diurese).
sind die Löslichkeitseigenschaften der Pharmaka ohne Arzneistoffe, die primär unverändert renal ausge-
Einfluss, lipidlösliche Substanzen werden ebenso gut fil- schieden werden, erreichen bei Niereninsuffizienz hö-
triert wie wasserlösliche. Da aber Proteine das glomeru- here Plasmaspiegel, da deren Elimination abnimmt
läre Filter nicht passieren können, werden an Plasma- (႒ Tab. 1.7). In der Regel ist dann eine Dosisreduktion
proteine gebundene Wirkstoffe nicht filtriert. Bei Hypo- bzw. eine Verlängerung des Dosierungsintervalls erfor-
proteinämie kann somit ebenso wie bei der Verdrängung derlich (Ⴉ Kap. 1.10.3), bei stark eingeschränkter Nie-
aus der Proteinbindung durch ein Zweitpharmakon die renfunktion sind primär unverändert renal ausgeschie-
Wirkungsdauer plasmaproteingebundener Pharmaka dene Arzneistoffe meist kontraindiziert.
bei zunächst verstärkter Wirkung verkürzt sein.
1.7 Pharmakokinetische Parameter 29

႒ Tab. 1.7 Primär unverändert renal eliminierte Phar- Harn gewonnen. Beide Flüssigkeiten sind gut zugäng-
maka1 (Beispiele) lich, und die Konzentration im Blut, dem Transport-
Stoffgruppe Arzneistoff
organ, spiegelt die kinetischen Vorgänge im Organismus
wider. Zur Gewinnung der Konzentrations-Zeit-Kurven
ACE-Hemmer Enalapril, Lisinopril, Quinapril als Resultanten der verschiedenen pharmakokinetischen
Teilprozesse sind wiederholte Bestimmungen der Arz-
Antibiotika Penicilline, Cephalosporine,
neistoffkonzentration notwendig.
Glykopeptide, Aminoglykoside
Die verschiedenen Parameter werden, vorrangig
Antidiabetika Metformin, Sitagliptin nach ihrer Bedeutung für die verschiedenen pharmako-
kinetischen Teilprozesse (Resorption, Verteilung, Eli-
Antiepileptika Levetiracetam, Gabapentin,
mination) geordnet, beschrieben.
Pregabalin, Vigabatrin

Antikoagulanzien Dabigatran 1.7.1 AUC, Bioverfügbarkeit und


Bioäquivalenz
Antimykotika Fluconazol AUC. AUC (area under the curve, [μg/ml ∙ h]) bedeutet
Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (syn. Plas- 1
Betablocker Atenolol, Sotalol
maspiegelkurve). Sie ist ein Maß für die insgesamt re-
Digitalisglykoside Digoxin, β-Acetyldigoxin, sorbierte Substanzmenge und kann relativ einfach nach
Metildigoxin der Trapezregel berechnet werden (Ⴜ Abb. 1.24), indem
Psychopharmaka Lithium
aus jeweils zwei Messzeitpunkten und den beiden dazu-
gehörigen Konzentrationen die Fläche des entsprechen-
Virostatika Aciclovir, Ganciclovir, den Trapezes bestimmt wird.
Lamivudin, Tenofovir Die Summe aller Trapezflächen ergibt die Gesamt-
trapezfläche AUCtrap, die der Fläche unter der Kurve bis
Zytostatika Methotrexat, Platinkomplexe
zum letzten Messpunkt, AUCo–t(last), entspricht. Zur Be-
1Elimination der unveränderten Muttersubstanz oder aktiver Metaboliten stimmung von AUCo–∞ kann der nicht durch Mess-
> 60 % punkte belegte Flächenanteil AUCt(last)–∞ durch Extra-
polation errechnet werden.
1.6.4 Pulmonale Ausscheidung
Die Exhalation von Gasen – insbesondere nach einer Bioverfügbarkeit. Unter der Bioverfügbarkeit (F) eines
Narkose – und flüchtigen Substanzen erfolgt proportio- Arzneimittels versteht man das Ausmaß, mit der ein the-
nal zum Konzentrations- bzw. Druckgradienten zwi- rapeutisch wirksamer Bestandteil (im Allgemeinen der
schen Blut und Atemluft. Es handelt sich hierbei um unveränderte Arzneistoff, ggf. bei Prodrugs auch der
einen reinen Diffusionsprozess. Gegenüber der pulmo- wirksame Metabolit) aus der Arzneiform in die systemi-
nalen Aufnahme von Stoffen ist nur die Richtung des sche Zirkulation (Blut) gelangt. Bei intravenöser Applika-
Konzentrationsgradienten entgegengesetzt. Mit abneh- tion beträgt die Bioverfügbarkeit dementsprechend 100 %.
mender Löslichkeit im Blut nimmt die pulmonale Aus- Von Dost, dem Begründer der Pharmakokinetik,
scheidung zu (Ⴉ Kap. 18.3). wurde gezeigt, dass die Fläche unter der Konzentrati-
Ein Diagnoseverfahren, das sich die pulmonale Aus-
scheidung zunutze macht, ist der Atemalkoholtest. Al-
kohol (Ethanol, Ⴉ Kap. 91.2.1) wird zu max. 5 % unver- 2,5
Fläche eines
ändert pulmonal eliminiert. Da die Atemalkoholkon- Trapezsegments:
zentration mit der Blutalkoholkonzentration recht gut 2,0
(C1 + C2 • (t2 - t1
korreliert, ist es möglich, die Blutalkoholspiegel mit 2
Cp (mg/ml)

einem Atemalkoholtestgerät schnell und einigermaßen 1,5


zuverlässig abzuschätzen, wie dies bei Verkehrskontrol-
1,0
len üblich ist.
0,5

1.7 Pharmakokinetische Parameter 0


0 4 8 12 16 20 24
Die nachfolgend beschriebenen pharmakokinetischen t (h)
Parameter werden aus Konzentrations-Zeit-Verläufen
von Arzneistoffen und ggf. deren Metaboliten in der Ⴜ Abb. 1.24 Ermittlungen der Fläche unter der Kurve mit
Kreislaufflüssigkeit (Blut, Plasma, Serum) und dem der Trapezregel. Nach Derendorf
30 1 Pharmakokinetik

ons-Zeit-Kurve (AUC) der aufgenommenen Sub- duktase, befindet sich, wie bereits in Ⴉ Kap. 1.6.2
stanzmenge entspricht. Das bedeutet, dass bei gleicher erwähnt, in den Hepatozyten, also vor der systemischen
Dosis und vollständiger Resorption in das Blut die Flä- Zirkulation, sodass das Ausmaß der Bioverfügbarkeit
chen unter den Kurven bei i. v. Injektion und z. B. oraler keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit zulässt. Aller-
Applikation gleich sind (Prinzip der korrespondieren- dings ist die wichtigste Nebenwirkung der Statine eine
den Flächen). Störung der quergestreiften Muskulatur (Myopathie,
Um die Bioverfügbarkeit einer Substanz nach belie- Rhabdomyolyse), die sie über den Blutweg erreichen.
biger Applikation zu bestimmen, wird der Wirkstoff zu- Bei Statinen ist daher bei höherer Bioverfügbarkeit mit
nächst i. v. injiziert, um eine 100%ige Bioverfügbarkeit verminderter Wirksamkeit und vermehrten Nebenwir-
zu gewährleisten. In einem zweiten Versuch wird die kungen zu rechnen.
gleiche Dosis beispielsweise oral appliziert. Danach
werden die Flächen unter beiden Konzentrations-Zeit- Bioäquivalenz. Zwei Arzneimittel mit identischen
Kurven (AUC) berechnet. Wirkstoffen gelten als bioäquivalent, d. h. wirkungs-
Das Ausmaß der Bioverfügbarkeit erhält man dann gleich, wenn sie sich bezüglich ihrer Bioverfügbarkeit
nach folgender Gleichung: (AUC) und der Geschwindigkeit der Resorption nicht
bzw. nur wenig (≤ 20 %) unterscheiden. Relevante Para-
AUC
F = _ x
AUC i. v.
∙ 100 [%] meter für die Geschwindigkeit der Resorption sind die
maximale Plasmakonzentration (Cmax) und die Zeit
AUCx Fläche unter der Kurve bei beliebiger Applikation zwischen Applikation und Erreichen der maximalen
AUCi. v. Fläche unter der Kurve bei intravenöser Applikation Plasmakonzentration (tmax). Bei Gabe identischer
Dosen ist tmax umso kleiner und Cmax umso größer, je
Der auf diese Weise ermittelte Wert wird als absolute höher die Resorptionsgeschwindigkeit ist.
Bioverfügbarkeit bezeichnet. Untersuchungen zur Bioäquivalenz spielen bei der
Steht keine Arzneiform zur intravenösen Applika- Zulassung von Generika (Nachahmerpräparaten) eine
tion zur Verfügung, kann die relative Bioverfügbarkeit entscheidende Rolle, da ein Generikum nur dann zuge-
Frel eines Präparats dadurch bestimmt werden, dass lassen wird, wenn dieses die Bioäquivalenzkriterien er-
man die Fläche unter der Plasmaspiegel-Zeit-Kurve des füllt.
zu untersuchenden Präparats auf die eines Standardprä-
parats bezieht: 1.7.2 Verteilungsvolumen
Unter dem Verteilungsvolumen (V, [l]) versteht man
AUC
F rel = _ x
AUC Standard
∙ 100 [%] eine fiktive Größe, die die Arzneistoffmenge (X) im
Körper und die Plasmakonzentration (C) in Relation
setzt:
Wichtige Faktoren, die die Bioverfügbarkeit bestim-
X
men, sind neben den Eigenschaften der Arzneiform des V = _
C
l []
betreffenden Präparats die Resorptionseigenschaften
des freigesetzten Arzneistoffs sowie nach oraler Appli-
kation das Ausmaß seiner präsystemischen Elimination Multipliziert man die Plasmakonzentration mit dem
(First-Pass-Effekt, Ⴉ Kap. 1.5.5). Verteilungsvolumen, so erhält man – als reale Größe –
Die Bioverfügbarkeit und damit auch die Wirksam- die Substanzmenge im Organismus.
keit eines Arzneistoffs können bei gleicher Dosierung Ist das Verteilungsvolumen eines Arzneistoffs sehr
in Abhängigkeit von der galenischen Zubereitung z. T. groß, bedeutet es, dass sich ein großer Teil der Substanz
erheblich schwanken. Als Beispiele für Arzneistoffe, bei nicht im Plasma, sondern in peripheren Geweben be-
denen relevante Unterschiede in der Bioverfügbarkeit findet, ist es dagegen sehr klein, hält sich der überwie-
bei verschiedenen Handelspräparaten nachgewiesen gende Teil des Arzneistoffs im Plasma auf (z. B. bei
wurden, seien Acetylsalicylsäure, Allopurinol, Digoxin, hoher Plasmaproteinbindung).
Glibenclamid, Ibuprofen und Tetracyclin genannt. Das Verteilungsvolumen kann identisch sein mit
In der Regel wird eine möglichst hohe Bioverfügbar- dem Plasmavolumen (ca. 3 l), der extrazellulären Flüs-
keit eines Arzneistoffs, z. B. nach oraler Applikation, sigkeit (0,25 l/kg KG) oder dem Gesamtkörperwasser
angestrebt, weil dadurch niedrigere Dosierungen genü- (ca. 0,6 l/kg KG). Es kann aber auch das Gesamtvolu-
gen und auch die AUC-Werte normalerweise weniger men des Körpers weit übersteigen. Dies ist dann ein
inter- und intraindividuell schwanken. Eine Arznei- Hinweis darauf, dass die betreffende (meist lipophile)
stoffgruppe, bei der eine hohe Bioverfügbarkeit da- Substanz in bestimmten Geweben, z. B. durch Bindung
gegen unerwünscht ist, stellen beispielsweise die Sta- an Gewebeproteine, angereichert wird. Als sog. tiefe
tine dar. Das Zielenzym der Statine, die HMG-CoA-Re- Kompartimente werden Gewebe bezeichnet, aus denen
1.7 Pharmakokinetische Parameter 31

႒ Tab. 1.8 Verteilungsvolumina (Beispiele) Die Organclearance erhält man aus dem Produkt der
Organdurchblutung Q und dem Extraktionsquotienten
Verteilungsvolumen1 Arzneistoffe
E:
< 0,5 l/kg KG Aminoglykoside, Cephalospo-
rine, NSAID, Penicilline CL Organ = Q ∙ E

1–10 l/kg KG Diazepam, Digoxin, Methadon,


mit
Morphin, Risperidon
C arteriell − C venös
10–100 l/kg KG Azithromycin, Flunitrazepam, E = ____________
C arteriell
Itraconazol, SSRI, tricyclische
Antidepressiva

1 bezogen auf das Körpergewicht (KG)


Für die hepatische Clearance ergibt sich:

CL H = Q H ∙ E H
der Arzneistoff über lange Zeit nur langsam wieder ins
Plasma abgegeben wird, woraus gegebenenfalls eine
QH
EH
Leberdurchblutung
Extraktionsquotient der Leber
1
Depotfunktion mit verlängerter Wirkung resultiert.
Das Ausmaß der Verteilung eines Arzneistoffs, und Bezüglich der hepatischen Clearance lassen sich zwei
damit die Größe des Verteilungsvolumens ergibt sich Hauptgruppen von Arzneistoffen unterscheiden:
aus dem Zusammenspiel von Hydrophilie bzw. Li- 󠀂 high clearance drugs und
pophilie einerseits und der Bindung an Plasma- oder 󠀂 low clearance drugs.
Gewebeproteine andererseits. Vereinfacht zusammen- Bei der ersten Gruppe, den sog. high clearance drugs,
gefasst ist das Verteilungsvolumen umso kleiner je hy- hängt die Elimination vorwiegend von der Leberdurch-
drophiler die Substanz und je größer die Plasma- blutung ab und ist somit perfusionslimitiert. Der Ex-
proteinbindung ist und umso größer je lipophiler die traktionsquotient liegt hier über 0,8, d. h. nahezu der
Substanz und je größer die Bindung an Gewebepro- gesamte Wirkstoff wird bei einer Leberpassage aus dem
teine ist. Beispiele für Verteilungsvolumina von Arz- Blut extrahiert.
neistoffen sind in ႒ Tab. 1.8 aufgeführt. In der Praxis ist Bei der zweiten Gruppe, den sog. low clearance drugs,
das Verteilungsvolumen für die Berechnung der An- mit einem Extraktionsquotienten < 0,2 ist vor allem die
fangsdosis (z. B. bei einer Infusion, Ⴉ Kap. 1.8.3) wich- Enzymkapazität der Leber der geschwindigkeitsbestim-
tig. mende Schritt (kapazitätslimitierte Clearance).
Beispiele für perfusionslimitiert eliminierte Sub-
1.7.3 Clearance stanzen sind Propranolol und Lidocain, Beispiele für
Die Clearance (CL, [ml/min bzw. l/h]) bezeichnet das kapazitätslimitiert eliminierte Arzneistoffe Diazepam
virtuelle Blutvolumen (Plasmavolumen), das pro Zeit- und Phenprocoumon.
einheit von der betreffenden Substanz befreit (geklärt) Die renale Clearance ist, der allgemeinen Clearance-
wird. Definition entsprechend, das Blutvolumen, das pro
Die Gesamtkörperclearance (CL) wird bestimmt, Zeiteinheit durch die Niere von dem betreffenden Stoff
indem man die Dosis (D) bzw. deren bioverfügbaren völlig befreit wird. Man kann sie nach der folgenden
Anteil (s. o.) durch die Fläche unter der Kurve (AUC) Formel berechnen:
dividiert:
Ae(∞) Ae(∞) ∙ CL
CL R = _
AUC
= _ Dosis
D
CL = _
AUC
Ae(∞) Amount excreted; Menge des im Urin unverändert bis zum Zeit-
punkt unendlich ausgeschiedenen Arzneistoffs

Sofern ein Stoff ausschließlich durch ein Organ elimi- Die Clearance, insbesondere die Gesamtkörperclea-
niert wird, ist die Gesamtkörperclearance gleich der rance, ist deshalb für die praktische Therapie von hoher
Organclearance. In den meisten Fällen setzt sich jedoch Relevanz, weil sie neben der Dosierung die entschei-
die Gesamtkörperclearance aus mehreren Teilclea- dende Determinante für die Höhe des mittleren (ave-
rances zusammen, von denen die wichtigsten die hepa- rage) Plasmaspiegels im Steady-state (Cssav) bei Dauer-
tische (CLH) und die renale (CLR) Clearance sind. medikation ist (Ⴉ Kap. 1.8.2). Eine Erniedrigung der CL
führt unmittelbar zu einer Erhöhung von Cssav und
CL = CL R + CL H + CL x damit bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer
Breite (Ⴉ Kap. 1.8.4) zu einer Erhöhung des Intoxika-
tionsrisikos. Außerdem bestimmt die Clearance die
32 1 Pharmakokinetik

Halbwertszeit (s. u.): Bei einer Erhöhung der Clearance Die Angabe der Halbwertszeit eines Arzneistoffs ist
z. B. im Rahmen einer Enzyminduktion (Ⴉ Kap. 1.5.3) nur dann möglich, wenn eine Kinetik 1. Ordnung vor-
sinkt die Halbwertszeit, während bei reduzierter Clea- liegt und damit der pro Zeiteinheit eliminierte Anteil
rance, z. B. bei einer Enzyminhibition infolge einer Arz- der Substanz (z. B. 50 % nach 1 Halbwertszeit) konstant
neimittelwechselwirkung, mit einer Verlängerung der ist. Da bei der Anwendung von Arzneimitteln norma-
Halbwertszeit zu rechnen ist. lerweise verhältnismäßig niedrige Plasmakonzentratio-
nen erreicht werden, erfolgt die Arzneistoffelimination
1.7.4 Eliminationshalbwertszeit in der Regel nach einer solchen Kinetik 1. Ordnung,
Die Eliminationshalbwertszeit (t½), auch als terminale und es liegt der Normalfall einer linearen Kinetik vor.
Eliminationshalbwertszeit, Plasmahalbwertszeit oder Mithilfe der Halbwertszeit lässt sich abschätzen,
vereinfacht als Halbwertszeit bezeichnet, ist die Zeit, wann eine Substanz den Organismus wieder vollständig
in der die Plasmakonzentration auf die Hälfte des ur- verlassen hat. Das ist in der Regel nach etwa 5 Halb-
sprünglichen Wertes abfällt. Man kann sie entweder aus wertszeiten (HWZ) der Fall. Zur Veranschaulichung:
Plasmaspiegel-Zeit-Kurven (in semilogarithmischer Wird unmittelbar nach i. v. Gabe eine Plasmakonzen-
Darstellung) ablesen (Ⴜ Abb. 1.25) oder nach der folgen- tration von 100 μg/ml gemessen (Verteilungsgleichge-
den Gleichung berechnen: wicht vorausgesetzt), beträgt sie nach 1 HWZ 50 μg/ml,
nach 2 HWZ 25 μg/ml, nach 3 HWZ 12,5 μg/ml, nach 4
ln2 0,693
t½ = _ = _ HWZ 6,25 μg/ml und nach 5 HWZ nur noch etwa
k el k el
3,13 μg/ml.
kel Eliminationsgeschwindigkeitskonstante Umgekehrt kann bei einer Infusion oder bei Mehr-
fachapplikation eines Arzneistoffs anhand der Halb-
Die Eliminationsgeschwindigkeitskonstante kel wird wertszeit vorhergesagt werden, wann ein Fließgleichge-
aus der Steigung der Geraden berechnet (Ⴜ Abb. 1.25). wicht (Steady-state, Ⴉ Kap. 1.8.3) erreicht wird. Auch
Umgekehrt kann anhand obiger Gleichung, wenn die dies ist nach etwa 5 Halbwertszeiten der Fall. Bei der
Halbwertszeit grafisch ermittelt wurde, auch die wiederholten Applikation von Arzneistoffen, also bei
Eliminationsgeschwindigkeitskonstante berechnet wer- jeder längeren Therapie liefert die Halbwertszeit die
den. Grundlage für die Bestimmung von Dosis und Dosie-
rungsintervall.

A B

log C log C
10 10

\2 ದ \1 Nel

[2 ದ [1  ˨1
\2
Plasmakonzentration

Plasmakonzentration

2 2
\1 ˨Z
1 1

t1⁄2
t1⁄2
[1 [2
0,1 0,1
Zeit (t) Zeit (t)

Ⴜ Abb. 1.25 A Grafische Ermittlung von t½. Durch die Auswahl eines Konzentrationswerts auf der Geraden und des hal-
ben Konzentrationswerts auf dieser kann die für den Konzentrationsabfall nötige Zeit (t½) auf der X-Achse abgelesen
werden. Außerdem kann aus der Steigung der Geraden die Eliminationsgeschwindigkeitskonstante kel berechnet wer-
den. B Zeigt der Abfall der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve einen biphasischen Verlauf, ist neben der Eliminations-
phase λz auch eine Verteilungsphase λ1 zu erkennen. Die Halbwertszeit muss dann aus der Eliminationsphase abgelesen
werden, da dann das Verteilungsgleichwicht erreicht ist und die Abnahme der Kurve hauptsächlich durch die Elimina-
tion bestimmt wird.
1.8 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe 33

Die Halbwertszeit eines Arzneistoffs wird durch sein konstant ist und der pro Zeiteinheit ausgeschiedene
Verteilungsvolumen und durch seine Clearance be- Anteil der Substanz abhängig von der Substanzkonzen-
stimmt. So führen ein niedriges Verteilungsvolumen tration. Die Halbwertszeit ist also nicht wie bei einer
und eine hohe Clearance zu einer kurzen Halbwertszeit Kinetik 1. Ordnung konstant, sondern sie ist dosis- bzw.
einer Substanz, während ein Arzneistoff mit dem glei- konzentrationsabhängig.
chen Verteilungsvolumen, aber mit geringerer Clea- Das bekannteste Beispiel für eine solche nichtlineare
rance eine längere Halbwertszeit besitzt. Den Zusam- Eliminationskinetik stellt die Ethanol-Elimination
menhang zwischen Clearance, Verteilungsvolumen (Ⴉ Kap. 91.2.1) dar, die mit konstanter Geschwindigkeit
und Halbwertszeit zeigt Ⴜ Abb. 1.26. abläuft (Abnahme der Blutalkoholkonzentration ca.
Die Halbwertszeit ist für einen Arzneistoff konstant 0,1 ‰/h). Auch bei Phenytoin oder Salicylsäure beob-
(kel, s. o.) und somit unabhängig von der Applikations- achtet man bei Dosiserhöhung überproportional starke
art. Wird die Halbwertszeit allerdings nach Applikation Anstiege der Steady-state-Konzentration infolge Sub-
von Depot- und Retardpräparaten ermittelt, resultie- stratsättigung der abbauenden Enzyme.
ren oft längere Halbwertszeiten als bei schnell freiset-
zenden Präparaten des gleichen Wirkstoffs. Der Grund
dafür liegt in der verzögerten Resorption, die langsamer 1.8 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe 1
abläuft als die Elimination (weshalb die Resorption den
Abfall der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve bestimmt; 1.8.1 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe
Flip-Flop-Kinetik). Die anhand von Depot- und Re- nach Einmalgabe
tardpräparaten ermittelte Halbwertszeit gibt dann also Wird eine Substanz durch intravenöse Injektion direkt in
nicht die Eliminationshalbwertszeit des Arzneistoffs an die Blutbahn gebracht, fallen die Blutspiegelwerte durch
und sie ist auch nicht konstant, sondern abhängig von Verteilungs- und Eliminationsprozesse, die gleichzeitig
der Freisetzungskinetik der jeweiligen Arzneiformulie- stattfinden, zunächst rasch ab. Ist das Verteilungsgleich-
rung. Wie die (Eliminations-)Halbwertszeit bei schnell gewicht (Ⴉ Kap. 1.4) erreicht, liegen die Plasmakonzentra-
freisetzenden Präparaten wird sie für die Ermittlung tionen bei halblogarithmischer Darstellung (Ⴜ Abb. 1.25 B)
von Dosis und Dosierungsintervall von Depot- und Re- auf einer (weniger steil verlaufenden) Geraden, welche die
tardpräparaten herangezogen. Elimination charakterisiert.
Auch bei oraler Gabe laufen ebenso wie bei anderen
Nichtlineare Eliminationskinetik, Kinetik 0. Ordnung. Applikationsarten, bei denen eine Resorption erfolgt,
Bei Applikation hoher Dosen kann es bei einigen Wirk- Resorptions-, Verteilungs- und Eliminationsprozesse
stoffen vorkommen, dass deren Elimination aufgrund nebeneinander (parallel) ab (Ⴜ Abb. 1.28). Der aufstei-
einer Sättigung der metabolisierenden Enzyme nicht gende Ast der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve ist das
mehr einer Kinetik 1. Ordnung entspricht (Ⴉ Kap. 1.10.1). Ergebnis von Resorption, Verteilung und Elimination.
Es liegt dann eine Kinetik 0. Ordnung vor, d. h., dass Der anfängliche Abfall der Kurve in halblogarithmi-
die pro Zeiteinheit ausgeschiedene Substanzmenge

C
100
1h 10 h 100 h 10

Acetylsalicylsäure
Amiodaron
Plasmakonzentration

0
10
Clearance (l/h)

1000 h 5

1,0

Warfarin D
Digitoxin
10000 h 1
0,1
10 100 1000 10000
Verteilungsvolumen (l) Zeit

Ⴜ Abb. 1.26 Verteilungsvolumen und Clearance bestim- Ⴜ Abb. 1.27 Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve nach i. v.
men die Halbwertszeit (gestrichelte Linien). Nach Rowland Injektion (lineare Darstellung)
34 1 Pharmakokinetik

Ist das Dosierungsintervall aber deutlich kleiner als


5 Halbwertszeiten, ist am Ende jedes Dosierungsinter-
log C valls noch eine merkliche Substanzmenge im Körper
1
vorhanden. Eine zweite Dosis führt dann zu einer höhe-
ren Plasmakonzentration als die vorangegangene Dosis.
Bei nachfolgenden Dosen steigen die Plasmakonzentra-
Plasmakonzentration

0,69 tionen weiter an, bis nach etwa 5 Halbwertszeiten ein


Pseudo-Steady-state erreicht wird (Ⴜ Abb. 1.30), bei
dem die Plasmaspiegel dann zwischen nahezu kon-
stanten Maximal- (Cssmax) und Minimalwerten (Cssmin;
Talspiegel) fluktuieren. Die Höhe der Plasmaspiegel ist
von der Dosierung und dem Dosierungsintervall ab-
hängig. Die Fluktuation (Unterschiede zwischen Maxi-
mal- und Minimalwerten) im Steady-state ist umso ge-
ringer je kleiner das Dosierungsintervall ist (bei einer
Zeit Infusion ist der Plasmaspiegel im Steady-state beispiels-
weise konstant, s. u.).
Ⴜ Abb. 1.28 Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve nach p. o. Die durchschnittliche Konzentration Cssav beträgt:
Gabe (halblogarithmische Darstellung)
AUC F∙D
C ssav = _ _
τ = CL ∙ τ
scher Darstellung resultiert aus Verteilungs- und Elimi-
nationsprozessen, die terminale Gerade wird im We- AUC area under the curve
τ Dosierungsintervall
sentlichen durch die Elimination bestimmt.
F Bioverfügbarkeit
D Dosis
1.8.2 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe CL Clearance
bei Mehrfachapplikation
Meist ist für einen therapeutischen Erfolg die wieder- Bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite
holte Applikation eines Arzneimittels erforderlich. Bei kann es erforderlich sein, die Tagesdosis auf mehrere
einer solchen mehrfachen Arzneimittelgabe hängt es Einzeldosen aufzuteilen, sodass die Maximalwerte den
von der Dosis, dem Dosierungsintervall und der Halb- toxischen Konzentrationsbereich nicht über- und die
wertszeit des Arzneistoffs ab, welche Plasmakonzentra-
tionen erreicht werden. Ist die Halbwertszeit kurz im
Verhältnis zum Dosierungsintervall, d. h. wird z. B. in
Abständen von 5 Halbwertszeiten dosiert, wird die Sub- D D D D D D D
stanz im Intervall praktisch vollständig eliminiert. Die
mit einer nachfolgenden Dosis erreichte Plasmakonzen- Cssmax
Cssav
tration ist dann nahezu gleich der durch die vorange-
Plasmakonzentration

Cssmin
gangene Dosis erreichten Konzentration (Ⴜ Abb. 1.29).

AUC
Plasmakonzentration

τ
AUC

Zeit (t)

Ⴜ Abb. 1.30 Zunahme der Plasmakonzentration und Er-


10 20 30 40 50 reichen eines Pseudo-Steady-state nach mehrfacher ora-
Stunden ler Gabe eines Pharmakons (Kumulation). Die AUC (area
under the curve) im Dosierungsintervall τ entspricht der
Ⴜ Abb. 1.29 Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve nach mehr- AUC nach Einmalgabe. Cssmax maximale, Cssmin minimale
facher oraler Gabe eines Pharmakons mit kurzer Halbwerts- und Cssav durchschnittliche Plasmaspiegel im Steady-state,
zeit (t½ = 3 h) und großem Dosierungsintervall (τ = 24 h) D Dosierung. Nach Gugeler
1.8 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe 35

Minimalwerte die minimal wirksame Plasmakonzen-


tration nicht unterschreiten. Css
Die Zunahme der Wirkstoffkonzentration bei wie-

Plasmakonzentration
derholter Gabe wird als Kumulation bezeichnet. Das
Ausmaß der Kumulation hängt vom sog. relativen Do-
sierungsintervall ε ab:
τ
ε = _

τ Dosierungsintervall
t½ Halbwertszeit 0 1 2 3 4 5 6 0 1 2 3 4 5
t1⁄2
Je kleiner ε ist, umso größer ist das Ausmaß der Kumu-
lation bei Mehrfachapplikation, d. h. die Plasmaspiegel
im Steady-state sind dann in der Regel um ein Vielfa- Ⴜ Abb. 1.31 Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf bei einer
ches größer als nach Einmalgabe der gleichen Dosis. Infusion
1
1.8.3 Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf rance von Bedeutung und zwar muss pro Zeiteinheit
bei einer Infusion diejenige Dosis appliziert werden, die im gleichen Zeit-
Einen weitgehend konstanten Blutspiegel kann man raum durch Clearanceprozesse eliminiert wird:
durch eine Dauertropfinfusion erzielen, bei der eine
konstante Arzneistoffmenge pro Zeiteinheit injiziert D M = CL ∙ C ss
wird. Insbesondere bei schnell eliminierten Arzneistof- DM Erhaltungsdosis
fen (z. B. Nitroprussidnatrium) ist eine solche Applika- CL Clearance
tionsform vorteilhaft. Eine Infusion hat den in Css, Konzentration im Steady-state

Ⴜ Abb. 1.31 angegebenen Kurvenverlauf zur Folge.


Mit Beginn der Infusion steigt zunächst der Blutspie-
gel stark an, um dann asymptotisch in die Steady-state- 1.8.4 Therapeutischer Konzentrations-
Konzentration überzugehen. Diese kann nach folgen- bereich
der Gleichung berechnet werden: Die Wirkung eines Arzneistoffs tritt erst dann ein, wenn
eine bestimmte Konzentration im Blut und damit die
Infusionsgeschwindigkeit
C ss = ___________________
CL
für die Wirkungsschwelle erforderliche Konzentration
am Wirkort erreicht ist (Ⴜ Abb. 1.32).
Man bezeichnet diesen Schwellenplasmaspiegel als
Das Anfluten der Substanz im Plasma wird von Vertei- die minimale therapeutische oder minimale effektive
lungs- und Eliminationsprozessen überlagert. Im Steady- Konzentration (MEC). Die aus therapeutischer Sicht
state ist ein Gleichgewicht zwischen der Arzneistoff- obere Grenze des Plasmaspiegels ist durch die maxi-
menge, die pro Zeiteinheit infundiert wird, und der Arz-
neistoffmenge, die pro Zeiteinheit aus dem Plasma elimi-
niert wird, erreicht. Die Zeit bis zum Erreichen der minimale toxische Konzentration
Steady-state-Konzentration beträgt wie bei diskontinu-
ierlicher Applikation ca. 5 Halbwertszeiten. Wird für die
Plasmakonzentration

Dauer einer Halbwertszeit infundiert, werden Plasma- therapeutischer


spiegel erreicht, die der Hälfte der Steady-state-Konzen- Konzentrations-
bereich
tration entsprechen.
Bei Arzneistoffen mit langer Halbwertszeit kann der
minimale
Zeitraum bis zum Erreichen wirksamer Steady-state- therapeutische
Konzentrationen abgekürzt werden, wenn zu In- Konzentration
fusionsbeginn gleichzeitig eine sog. intravenöse Bolus-
injektion als Aufsättigungsdosis (Loading dose, DL)
verabreicht wird. Für die Berechnung der Aufsätti-
gungsdosis ist neben dem angestrebten Plasmaspiegel Zeit (t)
ausschließlich das Verteilungsvolumen ausschlagge-
bend (DL = Css × V). Unmittelbar nach Applikation der Ⴜ Abb. 1.32 Ermittlung des therapeutischen Konzentrati-
Initialdosis wird die Dauerinfusion gestartet. Für die onsbereichs durch Bestimmung der minimalen therapeuti-
Erhaltungsdosis (Maintenance dose, DM) ist die Clea- schen und der minimalen toxischen Wirkstoffkonzentration
36 1 Pharmakokinetik

Plasmakonzentration

minimale
toxische
Konzentration

minimale
wirksame
Konzentration

800 1200 1600 2000 000 400 800 1200 1600 2000 000 400
Uhrzeit

Ⴜ Abb. 1.33 Plasmaspiegelverläufe nach 4-mal täglicher Gabe zweier verschiedener Dosen eines Pharmakons. Nach
Rowland

male therapeutische Konzentration gegeben, die der dem therapeutischen Konzentrationsbereich des indi-
minimalen toxischen Konzentration, d. h. der Konzen- viduellen Patienten (s. o.).
tration, bei der erste toxische Symptome auftreten, ent- Der dosisbezogene Referenzbereich gibt den Kon-
spricht. Der Bereich zwischen minimaler therapeuti- zentrationsbereich an, der für einen Arzneistoff bei
scher und minimaler toxischer Konzentration wird als einer bestimmten Dosis im Blut zu erwarten ist. Abwei-
therapeutischer Konzentrationsbereich (oft nicht ganz chungen können beispielsweise durch mangelnde Pa-
korrekt auch als therapeutische Breite, Ⴉ Kap. 2.4.1) be- tientencompliance, Interaktionen oder auch durch al-
zeichnet. ters- oder krankheitsbedingt veränderte Verteilung,
Das Zeitintervall, in dem der Plasmaspiegel über Metabolisierung oder Ausscheidung begründet sein.
einem vorgegebenen Wert, z. B. der minimalen thera- Ein therapeutisches Drugmonitoring wird in folgenden
peutischen Wirkstoffkonzentration, liegt, wird als Pla- Fällen empfohlen bzw. durchgeführt:
teauzeit bezeichnet. 󠀂 bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer
In Ⴜ Abb. 1.33 sind Plasmaspiegelverläufe nach 4-mal Breite, wenn eine enge Beziehung zwischen Wirk-
täglicher Gabe zweier verschiedener Dosen eines Phar- stoffkonzentration und Effekt, d. h. Wirkung oder
makons mit gleichem Dosierungsintervall dargestellt: unerwünschter Wirkung besteht. Beispiele für Arz-
Während bei der hohen Dosierung die minimale toxi- neistoffe mit geringer therapeutischer Breite sind
sche Konzentration am Abend überschritten wird, wird z. B. Aminoglykosid-Antibiotika (z. B. Gentamicin),
bei beiden Dosierungen die minimale therapeutische Vancomycin, Digoxin, Ciclosporin und Lithium,
Konzentration am Morgen unterschritten. Das Beispiel 󠀂 bei großen inter- und intraindividuellen Plasma-
macht die Schwierigkeiten einer optimalen Dosierung konzentrationsschwankungen, z. B. durch geneti-
bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite sche Polymorphismen metabolisierender Enzyme,
über den gesamten Tagesverlauf deutlich. Enzyminduktion, Enzymsättigung (nichtlineare Ki-
netik, Ⴉ Kap. 1.10.1) sowie aufgrund von pharmako-
1.8.5 Therapeutisches Drugmonitoring kinetischen Interaktionen. Beispiele für Arzneistoffe
Unter therapeutischem Drugmonitoring (TDM) ver- mit großer pharmakokinetischer Variabilität finden
steht man die Bestimmung von Plasmaspiegeln mit sich vor allem in der Gruppe der Antidepressiva,
dem Ziel, zu einem bestimmten Zeitpunkt Informatio- Antipsychotika und Antiepileptika,
nen über die individuelle Pharmakokinetik des betref- 󠀂 wenn der Therapieerfolg aufgrund des Krankheits-
fenden Patienten zu bekommen und dadurch, falls er- verlaufs nur schwer zu beurteilen ist. Dies trifft bei-
forderlich, die Dosierung gezielt anpassen zu können. spielsweise für die Therapie der Epilepsie zu, da epi-
Dabei ist der therapeutische Referenzbereich die leptische Anfälle in unregelmäßigen Abständen auf-
Grundlage für die Bewertung von Wirksamkeit und un- treten und von anfallsfreien Intervallen unter-
erwünschten Wirkungen. Dieser entspricht im Idealfall
1.8 Plasmakonzentrations-Zeit-Verläufe 37

brochen sind, die keinen Rückschluss auf die ႒ Tab. 1.9 Therapeutische Plasmaspiegelbereiche ausge-
Wirksamkeit der Therapie zulassen, wählter Pharmaka1
󠀂 zur Überwachung der Adhärenz (Patientencompli- Wirkstoff Therapeutischer Bereich
ance), wenn der erwünschte pharmakologische Ef-
fekt nicht leicht ermittelt werden kann oder auch Antibiotika
zeitlich verzögert eintritt. Dies ist z. B. bei der The-
Gentamicin 15–25 μg/ml (Cssmax),
rapie mit Psychopharmaka der Fall, bei der schät-
< 1 μg/ml (Cssmin)
zungsweise bis zu zwei Drittel der Patienten eine
mangelnde Compliance aufweisen. Tobramycin 15–25 μg/ml (Cssmax),
Die Blutentnahme zur Bestimmung der Plasmakonzen- < 1 μg/ml (Cssmin)
tration erfolgt meist unmittelbar vor Applikation der
Vancomycin 10–20 μg/ml
nächsten Dosis, d. h., dass die Talspiegel quantifiziert
werden. Sollen Maximalspiegel erfasst werden, ist der Antidepressiva
Zeitpunkt der Blutentnahme u. a. von der Applikations-
art abhängig. Bei intravenöser Gabe z. B. von Gentami- Amitriptylin (+ Nortripty- 80–200 ng/ml

cin erfolgt die Abnahme in der Regel 30 Minuten nach lin) 1


Infusionsende. Bei oraler Applikation richtet sich der Citalopram 50–110 ng/ml
optimale Entnahmezeitpunkt nach der Zeit (tmax), nach
der der Arzneistoff maximale Plasmaspiegel (Cmax) er- Maprotilin 75–130 ng/ml
reicht (Ⴉ Kap. 1.7.1). Diese kann von Arzneistoff zu Arz- Antiepileptika
neistoff stark variieren. Bilden die Arzneistoffe in rele-
vantem Umfang wirksame Metaboliten, wie z. B. Ami- Carbamazepin 4–10 μg/ml
triptylin oder Primidon, dann müssen auch diese
Phenytoin 10–20 μg/ml
quantitativ bestimmt werden.
In ႒ Tab. 1.9 sind therapeutische Plasmaspiegelberei- Valproinsäure 50–100 μg/ml
che ausgewählter Pharmaka zusammengestellt.
Bei der Bewertung der Plasmaspiegel sind neben Antipsychotika

Dosis und Zeitpunkt der letzten Applikation auch die Clozapin 350–600 ng/ml
Behandlungsdauer, Körpergewicht sowie Alter und Be-
gleiterkrankungen des Patienten zu berücksichtigen. Haloperidol 1–10 ng/ml
In ႒ Tab. 1.10 sind darüber hinaus für einige Arznei-
Olanzapin 20–80 ng/ml
stoffe die Faktoren zur Berechnung des dosisbezogenen
Referenzbereichs aufgelistet. Die applizierte Dosis muss Quetiapin 100–500 ng/ml
jeweils mit den angegebenen Quotienten C/Dlow und C/
Bronchospasmolytika
Dhigh multipliziert werden, um den zu erwartenden
Plasmaspiegelbereich zu erhalten. Theophyllin 8–15 μg/ml
Auch Speichelproben können prinzipiell für ein the-
rapeutisches Drugmonitoring verwendet werden. Ein Kardiaka
Vorteil ist, dass deren Gewinnung keinen invasiven Digoxin 0,5–2,5 ng/ml
Eingriff erfordert. Voraussetzung dafür ist allerdings,
dass die Speichelkonzentrationen des Arzneistoffs mit Digitoxin 10–25 ng/ml
den Plasmakonzentrationen korrelieren. Dies ist in der
Amiodaron 0,5–1,5 μg/ml
Regel bei neutralen Arzneistoffen der Fall. Speichel ent-
hält nahezu keine Eiweiße, sein Wirkstoffgehalt ist also Immunsuppressiva
bei neutralen Stoffen gleich der ungebundenen Sub-
stanz im Plasma. Abweichungen ergeben sich aber bei Ciclosporin A 100–250 ng/ml

schwachen Säuren oder Basen, da der Speichel meist Sirolimus 4–20 ng/ml
einen etwas niedrigeren pH-Wert als das Plasma auf-
weist. Nachteile stellen ferner die Variabilität von Spei- Tacrolimus 5–15 ng/ml
chelfluss und Speichel-pH-Wert sowie ggf. Störungen
Stimmungsstabilisierer
durch Speisereste dar, sodass die Messungen aus Spei-
chel im Vergleich zu Plasma ungenauer sind. Speichel- Lithium 4–8 μg/ml
proben werden bislang nur für eine relativ kleine An- 1 nach https://itp.med.uni-rostock.de und Klein
zahl von Arzneistoffen (z. B. für Carbamazepin, Me-
thylphenidat) routinemäßig analysiert, therapeutische
38 1 Pharmakokinetik

႒ Tab. 1.10 Dosisbezogener Referenzbereich ausgewähl-


ter Pharmaka. Nach AGNP-Konsensus-Leitlinien
A
Arzneistoff C/Dlow (ng/ml/mg) C/Dhigh (ng/ml/mg)
i.
i v. C1
Amitriptylin 0,93 1,75 k10

Carbamazepin 9,4 11,93


B
Haloperidol 0,61 0,99 i.
i v. C1
k10
Lithium 17,63 69,44
k21
Valproinsäure 71,23 154,32 k12

C2
und dosisbezogene Referenzbereiche sind in den meis-
ten Fällen nicht etabliert.
Ein therapeutisches Drugmonitoring ist grundsätz- A Einkompartiment-Modell
lich nicht erforderlich, wenn die Pharmakodynamik B Zweikompartiment-Modell
eines Wirkstoffs gut bestimmt werden kann, wie z. B. C1 zentrales Kompartiment
C2 peripheres Kompartiment
die Senkung der Blutglucosekonzentration durch Insu- k10 Eliminationsgeschwindigkeitskonstante
lin oder die Erhöhung des INR-Werts durch Vitamin- (gesprochen k eins-null; syn. kel)
K-Antagonisten wie Phenprocoumon (Marcumar®). k12 Transferkonstante für den Transport von C1 nach C2
k21 Transferkonstante für den Transport von C2 nach C1

Ⴜ Abb. 1.34 Blockdiagramme zur Darstellung pharmako-


1.9 Pharmakokinetische Modelle kinetischer Modelle nach i. v. Injektion

Unter einem pharmakokinetischen Modell versteht Transportorgan Blut verhält, und periphere Komparti-
man eine mathematische Beziehung, die die Konzentra- mente. Geht der Substanzaustausch zwischen einem
tions-Zeit-Verläufe in dem zu untersuchenden System peripheren Kompartiment und dem zentralen Kom-
wiedergibt. Im strengen Sinn stellt daher jede mathe- partiment sehr langsam vor sich, spricht man von
matische Gleichung, die Wirkstoffkonzentrationen im einem tiefen Kompartiment.
Organismus beschreibt und stets eine Vereinfachung
des komplexen Geschehens beinhaltet, ein kinetisches Einkompartiment-Modell nach i. v. Injektion
Modell dar. Üblicherweise versteht man jedoch unter Da durch intravenöse Injektion eine Substanz direkt in
pharmakokinetischen Modellen nur solche mathemati- die Blutbahn eingebracht wird, ist die Pharmakokine-
schen Beziehungen, bei denen der Organismus in ein- tik nach einmaliger i. v. Gabe am einfachsten zu analy-
zelne Verteilungsräume (Kompartimente) unterteilt sieren.
wird. Innerhalb eines Verteilungsraums sind defini- So lange die Konzentration der Substanz, die elimi-
tionsgemäß die jeweiligen proteinungebundenen Wirk- niert wird, gering ist im Verhältnis zu der zur Sättigung
stoffkonzentrationen identisch. Die ablaufenden Trans- des Eliminationssystems erforderlichen Konzentration,
portvorgänge können durch Blockdiagramme anschau- ist die pro Zeiteinheit eliminierte Menge proportional der
lich dargestellt werden. Substanzkonzentration im Plasma und der von der Sub-
stanz pro Zeiteinheit eliminierte Anteil (nicht die Menge!)
1.9.1 Ein- und Zweikompartiment-Modelle konstant (Kinetik 1. Ordnung). Da bei der Anwendung
Ein sog. Einkompartiment-Modell liegt vor, wenn von Arzneimitteln normalerweise verhältnismäßig nied-
sich ein Arzneistoff nach Applikation sofort gleichmä- rige Konzentrationen erreicht werden, erfolgt die Arznei-
ßig in dem ihm zugänglichen Verteilungsraum verteilt stoffelimination somit in der Regel nach einer Kinetik 1.
(Ⴜ Abb. 1.34 A). Das Einkompartiment-Modell wird als Ordnung. Bei Vorliegen eines Einkompartiment-Modells
offen bezeichnet, wenn Eliminationsvorgänge möglich erhält man in diesem Fall für die Abnahmegeschwindig-
sind. keit des Plasmaspiegels folgende Gleichung:
Beim Zwei- oder Mehrkompartiment-Modell
dC
(Ⴜ Abb. 1.34 B) erfolgt die Verteilung des Arzneistoffs in v el = – _ = k el ∙ C
dt
die für ihn zugänglichen Verteilungsräume mit unter-
schiedlicher Geschwindigkeit. Man unterscheidet dabei vel Eliminationsgeschwindigkeit
kel Eliminationsgeschwindigkeitskonstante
das zentrale Kompartiment, das sich kinetisch wie das
C Plasmaspiegel zur Zeit t
1.9 Pharmakokinetische Modelle 39

Integration ergibt die Exponentialfunktion:


C = C 1 ∙ e −λ 1 ∙ t + C z ∙ e −λ z ∙ t
C = C 0 ∙ e −k el ∙ t
C1 und Cz sind Ordinatenabschnitte (Ⴜ Abb. 1.25 B), C1 +
Bei logarithmischer Umformung erhält man eine Ge- Cz ergibt C0. λ1 und λz sind sog. Hybridkonstanten. Man
rade der Gleichung: versteht darunter Geschwindigkeitskonstanten, in die
sowohl – daher die Bezeichnung Hybrid – Verteilungs-
ln C = ln C 0 − k el ∙ t als auch Eliminationsvorgänge eingehen. λ1 charakteri-
siert vorwiegend die Geschwindigkeit der Verteilung, λz
Die Steigung der Geraden ist ein Maß für die Geschwin- vorwiegend die Geschwindigkeit der Elimination.
digkeit der Elimination: Je größer die Steigung, umso
rascher erfolgt die Elimination (Ⴜ Abb. 1.25 A). 1.9.2 Physiologisch basierte
pharmakokinetische Modelle (PBPK)
Einkompartiment-Modell nach p. o. Gabe Die pharmakokinetischen Kompartimente entsprechen
(Bateman-Funktion) in den meisten Fällen keinen anatomisch definierten
Bei oraler Gabe laufen ebenso wie bei anderen Applika- Verteilungsräumen im Organismus. Es handelt sich 1
tionsarten, bei denen eine Resorption erfolgt, Resorpti- somit um operationale Größen. Aus diesem Grund
ons-, Verteilungs- und Eliminationsprozesse nebenein- wurden physiologisch realistischere kinetische Mo-
ander (parallel) ab. delle, sog. physiologisch basierte pharmakokinetische
Für die Geschwindigkeit der Konzentrationszu- Modelle, entwickelt, bei denen anatomische, physiolo-
nahme im Blut gilt unter der Annahme, dass keine Eli- gische und physikochemische Parameter in die Be-
mination erfolgt, die Gleichung: trachtung mit einbezogen werden. Ein solches physio-
logisches pharmakokinetisches Modell besteht aus
dC
vi = −_ = k i (C 0 − C) einer Reihe von hinter- oder nebeneinander geschalte-
dt
ten Kompartimenten (Organen, Körperregionen), die
vi Resorptionsgeschwindigkeit reine Verteilungsräume darstellen oder zusätzlich Eli-
ki Resorptionsgeschwindigkeitskonstante
minationsfunktionen erfüllen können (Ⴜ Abb. 1.35).
Integration dieser Gleichung ergibt unter der Vorausset- Der Konzentrations-Zeit-Verlauf in den einzelnen
zung, dass zur Zeit t = 0 der Blutspiegel ebenfalls 0 ist: Kompartimenten ist u. a. abhängig vom Blutfluss durch
die Organe, vom Organvolumen, von der Plasma-
C = C 0 ( 1 − e −k i ∙ t) konzentration des Arzneistoffs sowie von substanzspe-
zifischen Verteilungskoeffizienten.
In Wirklichkeit ist jedoch die anhand der Plasmaspie- Bei den PBPK-Modellen handelt es sich um komplexe,
gelkurve bestimmbare Gesamtkinetik die Resultante computerbasierte mathematische Modelle (In-silico-Mo-
aus sämtlichen kinetischen Prozessen.
Die sich hieraus ergebende Kurve wird durch die
Lunge
Gleichung:
Fett
C0 ∙ ki
c = _ ∙ (e −k el ∙ t − e −k i ∙ t) Knochen
k i − k el
G hi
Gehirn
arterielles Blut

die sog. Bateman-Funktion, wiedergegeben. H


Herz
venöses Blut

Zweikompartiment-Modell nach i. v. Injektion Muskulatur


Die Verteilung eines Arzneistoffs in nur einem Kom-
Haut
partiment ist relativ selten. Meist verteilt sich der Wirk-
CL
Haut GI-Trakt
stoff auf zwei oder mehrere Kompartimente. Bei einer
i. v. Injektion erkennt man eine Kinetik, die mit einem Leber
Zweikompartiment-Modell beschrieben werden kann,
CL Milz
daran, dass – bei halblogarithmischer Darstellung – die
Blutspiegelwerte zunächst rasch abfallen und erst nach Nieren
einiger Zeit auf einer weniger steil verlaufenden Gera-
den liegen (Ⴜ Abb. 1.25 B). Ⴜ Abb. 1.35 Schematische Darstellung eines physiologisch
Als Gleichung für die Plasmaspiegelkurve erhält basierten pharmakokinetischen Modells (PBPK). CL Clea-
man in diesem Fall: rance. Nach Zhuang
40 1 Pharmakokinetik

delle), deren Grundlage sehr viele einzelne physiologi- makokinetische Parameter zu ermitteln, den weiteren
sche Parameter (Organvolumen, Blutfluss, Verteilungs- Verlauf der Plasmakonzentrationen annähernd vorher-
koeffizienten, etc.) bilden, anhand derer pharmakokine- zusagen sowie die Präzision der Vorhersage zu berech-
tische Kenngrößen simuliert werden können. nen.
Für die Arzneistoffentwicklung sind PBPK-Modelle Wenn die klinische Situation häufige Blutentnah-
besonders wertvoll, da sie bei Kenntnis der entspre- men verbietet (z. B. in der pädiatrischen Onkologie)
chenden physiologischen Grundlagen eine bessere oder im Rahmen eines therapeutischen Drugmonito-
Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf rings Anpassungen an individuelle Konzentrati-
den Menschen sowie auch von Erwachsenen auf Kinder onsverläufe notwendig sind, ist die Methode von gro-
ermöglichen. Darüber hinaus erlauben solche Modelle ßem Wert.
auch den Einfluss einer eingeschränkten Organfunk-
tion genauer vorherzusagen. Selbst Arzneistoffinterak-
tionen können virtuell simuliert werden, vorausgesetzt, 1.10 Besonderheiten der Pharmakokinetik
die entsprechenden Parameter wie Transportmechanis-
men und eliminierende Enzyme sind bekannt. 1.10.1 Nichtlineare Kinetik
Bei den bisher beschriebenen kinetischen Vorgängen
1.9.3 Populationskinetische Modelle wurde davon ausgegangen, dass diese – weitgehend un-
(popPK) abhängig von der applizierten Dosis – nach einer Kine-
In der klassischen Pharmakokinetik werden die Plas- tik 1. Ordnung ablaufen. Trifft dies zu, so liegt der Nor-
makonzentrationen einzelner Probanden zur Berech- malfall einer linearen Kinetik vor.
nung pharmakokinetischer Parameter (z. B. Clearance, Vor allem nach Gabe hoher Dosen einiger Wirk-
Halbwertszeit) herangezogen. Mittelwerte und Stan- stoffe kann es jedoch vorkommen, dass deren kineti-
dardabweichungen dieser Parameter geben Hinweise sches Verhalten nicht mehr einer Kinetik 1. Ordnung
darauf, mit welcher Variabilität in einer relativ homo- (Ⴉ Kap. 1.7.4) entspricht. Gründe für eine solche nicht-
genen Population (z. B. gesunde Probanden oder lineare Kinetik können in nahezu allen Teilprozessen –
Gruppe von Patienten mit einer bestimmten Erkran- also bei der Resorption, Verteilung und Elimination –
kung) zu rechnen ist. Dafür sind viele Blutentnahmen liegen, wobei die hierfür verantwortlichen Mechanis-
über einen längeren Zeitraum (mind. 4–5 Halbwerts- men bei den einzelnen Prozessen meist ähnlich sind
zeiten des Arzneistoffs) erforderlich. (႒ Tab. 1.11).
Die klassischen pharmakokinetischen Berechnun- Im Vordergrund stehen die Sättigung von metaboli-
gen sind somit mit zwei Nachteilen verbunden: 1) Im sierenden Enzymen sowie die begrenzte Bindungskapa-
Praxis- bzw. Klinikalltag ist es in der Regel zu aufwen- zität von Transportproteinen.
dig, für einen individuellen Patienten pharmakokineti- So nimmt bei hohen Dosen die Resorptionsquote
sche Parameter eines Arzneistoffs beispielsweise für ein nicht proportional zu, wenn ein Transportprotein, das an
therapeutisches Drugmonitoring (s. o.) zu bestimmen. der Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt beteiligt ist,
2) Es gibt Patientenpopulationen, z. B. Kinder, bei gesättigt ist. Zu einer überproportionalen Zunahme der
denen die Anzahl der Blutentnahmen aus ethischen Wirkstoffmenge im Organismus kommt es dagegen,
und physiologischen Gründen limitiert ist. wenn die Bioverfügbarkeit durch einen starken First-
Daher nutzt man dafür heute computerbasierte Pass-Effekt limitiert wird und die daran beteiligten En-
populationskinetische Modelle (z. B. NONMEM, zymsysteme nahe dem Sättigungsbereich arbeiten.
non-linear mixed effect modeling), die auf Informatio- Bei limitierter Kapazität der Eiweißbindung bewirkt
nen aus routinemäßig bestimmten pharmakokineti- eine Dosiserhöhung die Zunahme des freien Anteils der
schen Parametern aus sehr heterogenen Kollektiven Wirksubstanz im Plasma. Dadurch verteilt sich die Sub-
(Populationen) basieren (empirische Methode). Dabei stanz stärker in die Gewebe, d. h. das Verteilungsvolu-
werden sämtliche verfügbaren pharmakokinetischen men steigt. Da die Elimination in der Regel auf den
Informationen verwendet und es wird ein mathema- freien Wirkstoff beschränkt ist, nimmt die Halbwerts-
tisch-statistisches Modell gesucht, das zu diesen Daten zeit ab, und die Gesamtkonzentration steigt weniger an,
passt und die Realität möglichst gut beschreibt. Unter als es bei linearer Kinetik zu erwarten wäre.
Berücksichtigung physiologischer Parameter (z. B. Nie- Bei einer Sättigung der metabolisierenden Enzyme
renfunktion, Alter, Geschlecht, Phänotyp) können steigen die Plasmaspiegel mit zunehmender Dosis stär-
dann pharmakokinetische Parameter mithilfe dieses ker an als dies bei einer Kinetik 1. Ordnung der Fall
Modells geschätzt werden. Wie bei der PBPK (s. o.) han- wäre. Überproportional starke Anstiege der Steady-
delt es sich also auch bei der Populationskinetik um ein state-Konzentration infolge Substratsättigung der ab-
In-silico-Modell. Mit dieser Methode ist es möglich, auf bauenden Enzyme beobachtet man beispielsweise bei
Basis weniger Datenpunkte für einen Patienten phar- Phenytoin oder Salicylsäure.
1.10 Besonderheiten der Pharmakokinetik 41

႒ Tab. 1.11 Ursachen nichtlinearer Kinetik den Enantiomere sind mit Ausnahme der Drehung li-
near polarisierten Lichts identisch, unterscheiden sich
Prozess Mechanismus Beispiele
aber in ihrer dreidimensionalen Anordnung. Die Inter-
Resorption Sättigung des Ascorbinsäure, Beta- aktion mit einem ebenfalls chiralen körpereigenen Pro-
Transporters lactam-Antibiotika, tein (z. B. einem Rezeptor) kann daher zu unterschied-
Riboflavin lichen Effekten der beiden Enantiomere führen. In der
Pharmakokinetik sind dementsprechend Unterschiede
First-Pass- Enzymsättigung 5-Fluorouracil, Hy-
Effekt dralazin, Proprano-
zwischen den Enantiomeren bei solchen kinetischen
lol, Verapamil Prozessen zu erwarten, bei denen chirale körpereigene
Makromoleküle beteiligt sind und mit den Enantiome-
Plasma- begrenzte Bin- Ceftriaxon, Disopyr- ren Diastereomere mit unterschiedlichen physikoche-
eiweiß- dungskapazität amid, Prednisolon, mischen Eigenschaften bilden.
bindung von Plasma- Valproinsäure In der Resorption als einem häufig passiven Diffu-
proteinen
sionsvorgang unterscheiden sich Enantiomere nur sel-
Bindung an – Ciclosporin ten. Da l-Dopa und l-Methotrexat aber aktiv transpor-
Erythrozyten tiert werden, ist es verständlich, dass sie rascher und 1
auch zu einem höheren Prozentsatz als die nicht aktiv
Metaboli- Enzymsättigung Ethanol, Phenytoin, aufgenommenen d-Formen resorbiert werden.
sierung Salicylsäure
Etwas häufiger als bei der Resorption treten Unter-
Mangel an Ko- Paracetamol schiede in der Plasmaproteinbindung von Enantiome-
substrat ren auf. So bindet beispielsweise Plasmaalbumin bevor-
zugt (R)-Propranolol, saures α1-Glykoprotein dagegen
Produkthemmung Dicoumarol (S)-Propranolol. Für l-Tryptophan wurde eine etwa
Autoinduktion Carbamazepin, 100-fach stärkere Albuminbindung als für den d-Anti-
Rifampicin poden nachgewiesen. Auch in ihrer Bindung an Gewe-
beproteine können sich Enantiomere unterscheiden.
tubuläre Sättigung des p-Aminohippursäure Die stärksten Unterschiede in der Enantiomeren-
Sekretion Transporters kinetik findet man jedoch bei der Biotransformation.
tubuläre Sättigung des Riboflavin Durch Bindung eines Racemats an die optisch aktiven
Rückresorp- Transporters metabolisierenden Enzyme entstehen diastereomere
tion Enzym-Substrat-Komplexe mit der Folge, dass die bei-
den Enantiomere mit unterschiedlicher Geschwindig-
keit und damit in verschiedenem Ausmaß biotransfor-
Das bekannteste Beispiel für eine nichtlineare Kine- miert werden können. Klinisch aufgefallen sind solche
tik mit Substratsättigung stellt, wie mehrfach erwähnt, Effekte beispielsweise bei als Racemat appliziertem Ve-
die Ethanol-Elimination (Ⴉ Kap. 91.2.1) dar, die mit rapamil, bei dem die intravenöse Gabe von 10 mg zum
konstanter Geschwindigkeit abläuft, da das abbauende gleichen Effekt (Verlängerung der Überleitungszeit im
Enzym, die Alkohol-Dehydrogenase, schon bei niedri- Herzen) führt wie die orale Gabe von 80 mg. Die deut-
gen Blutalkoholkonzentrationen im Sättigungsbereich lich schwächere Wirkung von (racemischem) Verapa-
arbeitet. mil nach oraler Gabe ist dadurch erklärbar, dass das
Als weitere mögliche Ursache von Nichtlinearität wirksamere (S)-Enantiomer einem größeren hepati-
der Pharmakokinetik sei die Sättigung von Transport- schen First-Pass-Effekt unterliegt und deshalb deutlich
proteinen in der Niere genannt, die für die aktive Sekre- niedrigere Plasmakonzentrationen (Ⴜ Abb. 1.36) als
tion von Arzneistoffen in die Nierentubuli bzw. die ak- nach intravenöser Verabreichung erreicht.
tive Rückresorption verantwortlich sind. Eine besondere Form der stereoselektiven Metaboli-
Da sich das Ausmaß der unproportionalen Konzen- sierung stellt die chirale Inversion dar. Darunter ver-
trationsänderungen von Arzneistoffen mit nichtlinea- steht man die metabolische Umwandlung eines Enan-
rer Kinetik nicht genau abschätzen lässt, ist die korrekte tiomers in das andere. Dieser Sonderfall tritt u. a. bei
Dosierung solcher Pharmaka schwieriger als die von einigen nichtsteroidalen Antiphlogistika/Antirheuma-
Substanzen mit linearer Kinetik. tika (Ⴉ Kap. 15.3.2) vom Typ der 2-Arylpropionsäuren
auf. So wird z. B. (R)-Ibuprofen im Organismus weitge-
1.10.2 Kinetik chiraler Substanzen hend in das stärker wirksame (S)-Ibuprofen umgewan-
Eine Vielzahl von klinisch relevanten Arzneistoffen delt (Ⴜ Abb. 1.37).
wird in Form von Racematen, die aus gleichen Teilen Außer den beschriebenen unterschiedlichen phar-
von zwei Enantiomeren bestehen, eingesetzt. Die bei- makodynamischen und pharmakokinetischen Eigen-
42 1 Pharmakokinetik

makokinetik von Patienten wesentlich geringer, obwohl


log C Arzneimittel für die Behandlung von Kranken be-
stimmt sind. Bislang wurde vor allem der Einfluss einer
Herzinsuffizienz sowie von Leber- und Nierenerkran-
kungen auf die Pharmakokinetik untersucht.
Plasmakonzentration

Resorptionsstörungen. Die Resorption von Arznei-


stoffen wird von der gastrointestinalen Durchblutung
beeinflusst. Diese ist bei einer Stauung im großen Kreis-
(R)-(+) lauf, wie sie bei einer Herzinsuffizienz auftreten kann,
vermindert. Eine reduzierte Bioverfügbarkeit bei Pa-
tienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz wurde
u. a. für Procainamid, Chinidin und Hydrochlorothi-
azid beschrieben.
(S)-(–)

Veränderungen in der Verteilung. Die Minderperfu-


sion peripherer Organe infolge einer Herzinsuffizienz
Zeit (t)
kann auch die Verteilung von Arzneistoffen beeinflussen.
In einem solchen Fall ist beispielsweise das Verteilungs-
Ⴜ Abb. 1.36 Plasmaspiegel von (R)-(+)- und (S)-(–)-Vera- volumen von Lidocain, Procainamid und Chinidin ver-
pamil nach oraler Gabe des Racemats. Nach Eichelbaum ringert. Eiweißverluste oder Störungen der Eiweißsyn-
these verändern die Eiweißbindung. So konnte gezeigt
schaften der beiden Enantiomere eines Racemats kön- werden, dass bei Patienten mit nephrotischem Syndrom
nen diese sich hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik der plasmaproteingebundene Anteil von Phenytoin von
gegenseitig beeinflussen. Solche Enantiomer/Enantio- 90 auf 80 % abnimmt. Bei fortgeschrittener Niereninsuffi-
mer-Interaktionen wurden beispielsweise für das Anti- zienz ist eine Verdrängung von Arzneistoffen aus der Pro-
arrhythmikum Propafenon gezeigt. teinbindung durch retinierte (nicht ausgeschiedene)
harnpflichtige Substanzen möglich. Außerdem wurden
1.10.3 Veränderungen der Kinetik bei Plasmaeiweiß-Veränderungen mit geänderter Eiweiß-
pathologischen Zuständen bindungskapazität und -affinität beobachtet. Zusätzlich
Das kinetische Verhalten der meisten Arzneistoffe wird kann die Gewebebindung verringert sein, woraus eine
zunächst an gesunden Probanden untersucht, da sich Abnahme des Verteilungsvolumens resultiert.
solch relativ homogene Kollektive gut zur Bestimmung Bei Lebererkrankungen besteht die Möglichkeit
Substanz- bzw. Formulierungs-spezifischer Parameter ähnlicher Störungen wegen der Beeinträchtigung der
eignen. Verglichen damit sind die Kenntnisse der Phar- Eiweißsynthese.

CH3 CH3 CH3


Acyl-CoA-
CH3 COOH Synthetase CH3 COSCoA Hydrolase CH3 COOH

H3C H3C H3C

(R)-(–)-Ibuprofen (R)-(–)-Ibuprofen-CoA

2-Arylpropionyl-
CoA-Epimerase

CH3 CH3 CH3

CH3 COOH CH3 COSCoA Hydrolase CH3 COOH

H3C H3C H3C


(S)-(+)-Ibuprofen (S)-(+)-Ibuprofen-CoA

Ⴜ Abb. 1.37 Chirale Inversion von (R)-Ibuprofen


1.10 Besonderheiten der Pharmakokinetik 43

Beeinflussung der Metabolisierung. Da, wie beschrie-


ben, die Elimination lipidlöslicher Pharmaka vor- Kreatininwert (mg/100ml)
wiegend durch oxidativen Abbau und anschließende 8 4 3 2 1,5 1 0,75
Konjugation erfolgt, können Lebererkrankungen die 1,0
Eliminationsgeschwindigkeit metabolisch eliminierter 2

extrarenale Elimination (Q0)


Arzneistoffe herabsetzen. So erfolgt beispielsweise die 0,8 3
Metabolisierung von Diazepam, Triamteren und Lido-
Q'
cain bei einer Leberzirrhose wesentlich verzögert.
0,6
xin
go
Renale Ausscheidung in Abhängigkeit von der Nieren- Di
funktion. Sofern ein Arzneistoff vorwiegend oder 0,4 1 2
ausschließlich renal ausgeschieden wird, beeinflusst die Q0
Nierenfunktion die Ausscheidungsgeschwindigkeit: 0,2
Mit abnehmender Kreatinin-Clearance (Ⴉ Kap. 54.2)
sinkt auch die renale Ausscheidungsgeschwindigkeit
von Arzneistoffen. 0 20 40 60 80 100
1
Dabei ist zu beachten, dass neben pathologischen Kreatinin-Clearance (ml/min)
Zuständen das Lebensalter für die Kreatinin-Clearance
bedeutsam ist. Bei Säuglingen hat die Niere noch nicht physiologische Kreatinin-Clearance
ihre volle Funktionsleistung erreicht: Die glomeruläre
Filtrationsrate, die annähernd der Kreatinin-Clearance Ⴜ Abb. 1.38 Diagramm zur Ermittlung des Korrekturfak-
tors Q’, mit dem die der Nierenfunktion individuell ange-
entspricht, beträgt beim Neugeborenen nur ca. 10 ml/
passte Erhaltungsdosis (bzw. das Dosierungsintervall) von
min (Normalwert beim Erwachsenen 120 ml/min). Das
renal eliminierten Arzneistoffen berechnet werden kann.
bedeutet, dass die renale Ausscheidung in den ersten Um Q’ zu erhalten, wird 1. der Q0-Wert – aus ႒ Tab. 1.12
Lebenswochen wesentlich langsamer erfolgt als bei ge- entnommen – auf der linken Ordinate aufgesucht und von
sunden Erwachsenen. Mit höherem Lebensalter nimmt dort eine Gerade zur rechten oberen Ecke des Diagramms
die Kreatinin-Clearance wieder ab, bei über 70-Jähri- gezogen. Beim Kreatinin-Clearance-Wert des Patienten
gen ist sie oft deutlich vermindert. wird 2. auf der Abszisse die Senkrechte errichtet. Man er-
Ist infolge schwerer Niereninsuffizienz die Krea- hält Q’, indem man 3. von dem Schnittpunkt der beiden
tinin-Clearance stark eingeschränkt, muss bei renal eli- Geraden das Lot auf die linke Ordinate fällt. Nach Dettli
minierten Stoffen wegen der verlängerten Halbwerts-
zeit entweder die Dosis reduziert und/oder das Dosie- ändert sein, vor allem die interindividuelle Variabilität
rungsintervall verlängert werden. nimmt zu.
Die Anpassung der Dosierung an die Nierenfunk- Die Resorptionsgeschwindigkeit kann aufgrund
tion wird auch heute noch vielfach nach der jahrzehnte- einer verringerten Magenmotilität und einer vermin-
alten Proportionalitätsregel nach Dettli vorgenom- derten Durchblutung des Gastrointestinaltrakts herab-
men. Mithilfe eines Diagramms wird dabei der Korrek- gesetzt sein.
turfaktor Q' ermittelt, mit dem die normale Dosis Das Verteilungsvolumen liphophiler Arzneistoffe
multipliziert oder durch den das Dosierungsintervall kann erhöht, das von hydrophilen Substanzen vermin-
dividiert wird (Ⴜ Abb. 1.38). Voraussetzung dabei ist, dert sein, da das Gesamtkörperwasser im Alter ab- und
dass man den extrarenal eliminierten Substanzanteil Q0 der (relative) Fettanteil zunimmt.
kennt, der aus entsprechenden Tabellen entnommen Der First-Pass-Effekt ist evtl. aufgrund von vermin-
werden kann (႒ Tab. 1.12). dertem Leberblutfluss und geringerer Lebermasse re-
Bei Nephrosen, die durch einen hohen renalen Ei- duziert und die Bioverfügbarkeit dadurch erhöht. Aus
weißverlust gekennzeichnet sind, kann umgekehrt die gleichem Grund kann die systemische Metabolisierung
Ausscheidungsgeschwindigkeit von renal ausgeschiede- verlangsamt sein, die Halbwertszeit kann infolgedessen
nen Arzneistoffen mit hoher Plasmaproteinbindung, er- zunehmen und schließlich zu höheren Plasmaspiegeln
höht sein. In diesem Fall sind zur Aufrechterhaltung führen.
eines wirksamen Plasmaspiegels die Einzeldosen zu er- Die renale Ausscheidung ist bei etwa zwei Dritteln
höhen oder die Dosierungsintervalle zu verkürzen. der Senioren um ca. 50 % reduziert (s. o.). Ursächlich ist
in erster Linie eine abnehmende Nierenfunktion, aber
1.10.4 Pharmakokinetik im Alter auch Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit tra-
Aufgrund physiologischer Veränderungen im Alter gen zu diesem Effekt bei, der in der Regel eine Dosis-
kann die Pharmakokinetik von Arzneistoffen bei alten anpassung erfordert.
Menschen im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ver-
44 1 Pharmakokinetik

႒ Tab. 1.12 Extrarenal eliminierte Fraktionen (Q0-Werte) verschiedener Arzneistoffe (Beispiele)

Arzneistoff Q0 Arzneistoff Q0

Acetyldigoxin 0,3 Digoxin 0,33

Acetylsalicylsäure 1,0 Doxycyclin 0,9

Aciclovir 0,25 Gentamicin 0,03

Amitriptylin 1,0 Lithium 0,02

Ampicillin 0,12 Metildigoxin 0,5

Bisoprolol 0,48 Metoprolol 1,0

Cefuroxim 0,1 Morphin 0,9

Cimetidin 0,25 Penicillin G 0,05

Clindamycin 0,8 Rifampicin 0,8

Digitoxin 0,9 Streptomycin 0,04

Da nur wenige Arzneimittelstudien Menschen über low, go slow). Erschwerend kommt hinzu, dass alte
65 Jahre einbeziehen, mangelt es oft an evidenzbasier- Menschen aufgrund einer Multimorbidität in der Regel
ten Daten zur Pharmakokinetik in den Fachinformatio- mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, sodass
nen der Arzneimittel. Daher ist insbesondere zu Beginn auch mit pharmakokinetischen Interaktionen gerech-
einer Pharmakotherapie stets Vorsicht geboten (start net werden muss.
45

2 Pharmakodynamik
Die Pharmakodynamik beschreibt die Wirkung und den Wirkungsmechanismus von Arzneistoffen
am tierischen oder menschlichen Organismus sowie an Mikroorganismen und Parasiten. Spezifisch
wirkende Substanzen wie z. B. Neurotransmitter, Mediatoren, Hormone und Zytokine interagieren
mit definierten körpereigenen Zielmolekülen. Diese Interaktion kann mit den Methoden der Phar-
makodynamik exakt beschrieben werden. Die meisten Arzneistoffwirkungen beruhen auf charak-
teristischen Wirkungsmechanismen, die für ein Verständnis der oftmals komplexen Medikamen-
tenwirkungen in der Klinik essenziell sind. Die Grundzüge der Pharmakodynamik bilden daher die
Grundlage für eine rationale Arzneimitteltherapie.

Die Pharmakodynamik umfasst: 󠀂 nicht spezifisch mit endogenen Verbindungen re-


󠀂 die Art der Wirkung (Wirkprofil, Wirkqualität), agieren und
󠀂 den Wirkungsmechanismus, 󠀂 sich bei nicht zu tiefgreifender chemischer Abwand- 2
󠀂 den Ort der Wirkung, lung in ihrer Wirkung kaum verändern.
󠀂 die Wirkstärke (Potenz; engl. potency) und Allerdings gehören nur sehr wenige Verbindungen zu
󠀂 die Wirksamkeit (Effektivität; engl. efficacy). dieser Art von Pharmaka. Beispiele sind Osmolaxan-
Spezifisch wirkende Substanzen interagieren mit Pro- zien bzw. Osmodiuretika (Ⴉ Kap. 55.4.2) sowie einige
teinen wie Rezeptoren, Transportern und Enzymen, Desinfektionsmittel (Ⴉ Kap. 88).
aber auch mit DNA, RNA oder Lipiden. Sie wirken be-
reits in niedrigen Dosierungen bzw. Konzentrationen Wirkungsmechanismen. Beispiele für charakteristische
(meist im nano- oder mikromolaren Bereich) und ihr Wirkungsmechanismen von Pharmaka sind in ႒ Tab. 2.1
Effekt hängt von der chemischen Struktur und damit zusammengestellt.
von der Form, Größe und stereochemischen Anord- Arzneistoffe wirken insbesondere durch:
nung des Moleküls wie von der Lage funktioneller 󠀂 Interaktion mit membranständigen Rezeptoren (Re-
Gruppen im Molekül und der Elektronenverteilung ab. zeptorstimulation oder -blockade),
Verbindungen mit Angriff an demselben Zielmole- 󠀂 Öffnen oder Blockieren von spannungsabhängigen
kül besitzen vielfach gemeinsame Strukturelemente, oder ligandengesteuerten Ionenkanälen,
sog. pharmakophore Gruppen, in entsprechender 󠀂 Regulation der Gentranskription durch Bindung an
räumlicher Anordnung (vgl. z. B. ACE-Hemmer, intrazelluläre Rezeptoren,
Ⴉ Kap. 28.2.1 und Betablocker, Ⴉ Kap. 24.2, Ⴉ Kap. 33). 󠀂 Beeinflussung von transmembranären oder intra-
Zur spezifischen Wirkung gehört auch, dass ein zellulären Transportern,
Pharmakon möglichst selektiv an den genannten Struk- 󠀂 Hemmung oder Aktivierung von Enzymen sowie
turen angreift. Da bei den meisten Arzneistoffen diese 󠀂 Störung von Biosynthesen in Mikroorganismen.
Forderungen nur unvollständig erfüllt sind oder wenn Auf weitere Wirkungsmechanismen, wie z. B. die von
die gleichen Zielmoleküle an verschiedenen Zelltypen Antimetaboliten, Antikörpern oder mit der DNA bzw.
bzw. Geweben vorkommen, muss neben der erwünsch- RNA reagierenden Wirkstoffen wird in den entspre-
ten Hauptwirkung auch mit unerwünschten Arzneimit- chenden Kapiteln eingegangen.
telwirkungen (UAW, Nebenwirkungen, Ⴉ Kap. 4) ge- Im Folgenden werden körpereigene Liganden vor-
rechnet werden. gestellt, die mit Arzneimittelzielstrukturen wechselwir-
Auf molekularpharmakologischer Ebene gehört zur ken.
Spezifität und Wirksamkeit, dass das Pharmakon mit
ausreichender Affinität an sein Zielmolekül bindet und
darüber hinaus die Fähigkeit besitzt, infolge dieser Bin- 2.1 Endogene Liganden an
dung dessen Funktion zu steigern oder zu hemmen. Pharmakon-Zielstrukturen
Von der amerikanischen Zulassungsbehörde für
Arzneimittel, der Food and Drug Administration 2.1.1 Neurotransmitter – Amine
(FDA), sind Arzneistoffe mit Angriff an mehr als 600 Neurotransmitter sind endogene chemische Sub-
unterschiedlichen Zielstrukturen zugelassen. stanzen im peripheren und zentralen Nervensystem,
Unspezifisch wirkende Substanzen sind dadurch cha- die eine Signalweitergabe über chemische Synapsen er-
rakterisiert, dass sie möglichen. Es handelt sich bei ihnen um extrazelluläre
46 2 Pharmakodynamik

႒ Tab. 2.1 Wirkungsmechanismen von Pharmaka ႒ Tab. 2.1 Wirkungsmechanismen von Pharmaka
Art des Me- Beispiele Art des Me- Beispiele
chanismus chanismus

Interaktion mit membranständigen Rezeptoren Enzymbeeinflussung

Rezeptor- Erregung von Adrenozeptoren durch Enzymhem- Hemmung der Prostaglandinsynthese


stimulation Sympathomimetika (Ⴉ Kap. 23), mung durch nichtsteroidale Antiphlogistika
Erregung von Muscarinrezeptoren durch (Ⴉ Kap. 15.3.2),
direkte Parasympathomimetika Hemmung der Acetylcholinesterase durch
(Ⴉ Kap. 25) indirekte Parasympathomimetika
(Ⴉ Kap. 25.2),
Rezeptor- Hemmung von Adrenozeptoren durch α- Hemmung des Angiotensin-Konversions-
blockade oder β-Adrenozeptor-Antagonisten enzyms durch ACE-Hemmer (Ⴉ Kap. 28.2.1)
(Ⴉ Kap. 24),
Blockade von Histaminrezeptoren durch Beeinflussung von Biosynthesen in Mikroorganismen
H1- und H2-Antihistaminika (Ⴉ Kap. 2.1.7)
Hemmung der bakterizide Wirkung von Betalactam-
Beeinflussung von nukleären Rezeptoren Zellwandsyn- Antibiotika (Ⴉ Kap. 82)
these von
Stimulation Stimulation des Schilddrüsenhormonre- Bakterien
von nukleären zeptors durch Triiodthyronin (Ⴉ Kap. 61.2),
Rezeptoren Stimulation von PPARy durch Glitazone Störung der bakteriostatische Wirkung von Te-
(Ⴉ Kap. 60.6.2) Proteinsyn- tracyclinen (Ⴉ Kap. 82.3.1)
these von
Hemmung Hemmung des Mineralocorticoidrezeptors Bakterien
von nukleären durch Eplerenon (Ⴉ Kap. 55.4.1)
Rezeptoren Störung der bakteriostatische Wirkung von Sulfon-
Folsäuresyn- amiden (Ⴉ Kap. 82.5.2)
Beeinflussung spannungsabhängiger Ionenkanäle these

Öffnung Öffnung von Kaliumkanälen durch Ka-


spannungs- liumkanalöffner (z. B. Minoxidil
abhängiger Ⴉ Kap. 28.2.7) Botenstoffe, sog. first messenger, die die Kommunika-
Ionenkanäle tion zwischen Neuronen oder anderen Zelltypen si-
Blockade Schließen von Natriumkanälen durch Lo- cherstellen und eine Vielzahl biologischer Antworten
spannungs- kalanästhetika (Ⴉ Kap. 17), hervorrufen. Die genaue Zahl endogener Substanzen,
abhängiger Blockade von Calciumkanälen durch Cal- die eine Rolle als Neurotransmitter spielen, ist unbe-
Ionenkanäle ciumkanalblocker (Ⴉ Kap. 28.2.4) kannt. Mehr als 100 verschiedene chemische Boten-
stoffe konnten bisher identifiziert werden.
Interaktion mit Transportern
Die Kriterien für die Identifizierung einer chemischen
Hemmung Hemmung der Wiederaufnahme von Substanz als Neurotransmitter sind die gleichen, die
von aktiven Monoaminen durch Antidepressiva Otto Loewi bei der Entdeckung der chemischen Neuro-
Transportpro- (Ⴉ Kap. 10.4, Ⴉ Kap. 10.5), transmission bereits 1921 prinzipiell zugrunde gelegt
zessen Hemmung der vesikulären Speicherung hat:
von Monoaminen durch Reserpin 󠀂 Der Neurotransmitter muss in präsynaptischen Ter-
(Ⴉ Kap. 24.3.2) minalen vorhanden sein und durch neuronale Akti-
Hemmung Hemmung des Na+/K+/2Cl–-Kotranspor-
vität in ausreichender Menge freigesetzt werden.
von Carriern ters durch Schleifendiuretika vom Furo- 󠀂 Die zelluläre und biologische Wirkung ist durch
semidtyp (Ⴉ Kap. 55.3), exogene Zugabe des Botenstoffs ebenfalls auslösbar
Hemmung des Na+/Cl–-Kotransporters und kann durch spezifische pharmakologische Ago-
durch Thiazide (Ⴉ Kap. 55.2) nisten und Antagonisten initiiert bzw. blockiert
werden.
Enzymbeeinflussung
󠀂 Über einen definierten zellbiologischen Mechanis-
Enzymaktivie- Aktivierung von Plasmin durch Alteplase mus, z. B. Wiederaufnahme oder enzymatischer
rung (Ⴉ Kap. 39.1), Abbau, muss die Wirkung des Transmitters beendet
Stimulation der Guanylylcyclase durch NO werden können.
(Ⴉ Kap. 33.2.1) Aufgrund ihrer chemischen Struktur können Neuro-
transmitter in folgende Gruppen eingeteilt werden:
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 47

󠀂 Amine (z. B. Noradrenalin, Dopamin, Histamin, Se- ႒ Tab. 2.2 Effekte bei Aktivierung des Parasympathikus
rotonin), an verschiedenen Organen
󠀂 Aminosäuren (z. B. Glycin, γ-Aminobuttersäure, Organ oder Organsystem Parasympathikuswirkungen
Glutamat),
󠀂 Peptide (z. B. Endorphine und Enkephaline, Sub- Auge
stanz P, Somatostatin, Calcitonin Gene-Related Pep-
M. sphincter pupillae Miosis
tide) und
󠀂 gasförmige Transmitter (NO, CO, H2S). Ziliarmuskel Kontraktion, Nahakkommo-
Histamin und Serotonin, die auch als Zellmediatoren dation
wirken, werden weiter unten in diesem Kapitel näher
Tränendrüse Sekretion ↑
besprochen.
Herz
Acetylcholin
Durch eine Erregung des Parasympathikus werden vor Sinusknoten Herzfrequenz ↓
allem trophotrope Reaktionen hervorgerufen, die der Vorhofmuskulatur Kontraktilität ↓
Restitution des Organismus dienen. In ႒ Tab. 2.2 sind
die Effekte bei Aktivierung des Parasympathikus an den AV-Knoten Überleitungsgeschwindigkeit
einzelnen Organen zusammengestellt. ↓
2
Gefäße
Parasympathische Erregungsübertragung. Vom Zen-
tralnervensystem ausgehende parasympathische Fasern Genitale Vasodilatation
ziehen zu den parasympathischen Ganglien. Dort wird
Magen-Darm-Trakt
der Nervenimpuls durch Acetylcholin als Neurotrans-
mitter auf das postganglionäre Neuron umgeschaltet, Speicheldrüsen starke seröse Sekretion
dessen Erregung in den parasympathischen Nervenen-
digungen zur Acetylcholinfreisetzung führt (Ⴜ Abb. 2.1). Verdauungsdrüsen Sekretionssteigerung
Nach Diffusion durch den synaptischen Spalt erregt Gallenwege Kontraktion
Acetylcholin die parasympathischen Rezeptoren (Mus-
carinrezeptoren, m-Cholinozeptoren) des Erfolgs- Motilität bzw. Tonus ↑
organs und löst damit den jeweiligen Effekt aus.
Sphinkteren Erschlaffung

Bronchialsystem

Zentralnervensystem Muskulatur Kontraktion

Drüsen Sekretionssteigerung

präganglionäres Niere und Harnwege


Neuron
Blasenwandmuskulatur Kontraktion
Acetylcholin
Innerer Schließmuskel Erschlaffung

parasympathisches Pankreas
Ganglion
Acini Sekretion ↑

postganglionäres
Neuron Acetylcholinfreisetzung, -speicherung und -abbau.
Die Erregung von parasympathischen Nervenfasern
setzt Acetylcholin frei. Nach der Freisetzung wird es
Acetylcholin
rasch durch die (spezifische) Acetylcholinesterase
(Acetylcholinhydrolase), die in der prä- und postsynap-
tischen Membran lokalisiert ist, zu unwirksamem Cho-
glatte Muskelzellen Kontraktion
Drüsen Sekretion
lin und Essigsäure abgebaut. Cholin wird – durch akti-
ven Transport – wieder in das Axon aufgenommen, Es-
Ⴜ Abb. 2.1 Parasympathische Erregungsübertragung in sigsäure mit dem Blut abtransportiert. Aus Cholin und
schematischer Darstellung Acetyl-CoA wird dann durch das Enzym Cholinacetyl-
48 2 Pharmakodynamik

Symporter
Cholin
+
Cholin + Essigsäure
Acetyl-Coenzym A

Cholinacetyltransferase
Na+
ACh Anti-
Ca2+ porter
AChE- Acetylcholin-
Hemmer esterase
ACh

M2, M4
Speicher-
vesikel
Botulinumtoxin A

Gi
Ca2+ Ca2+ Rezeptoren ACh
ACh
Agonisten Antagonisten Agonisten Antagonisten

nicotinische ACh muscarinische


Na+
Acetylcholin- Acetylcholin-
rezeptoren rezeptoren

L postsynaptische Membran M1-M5


Gq Gi

Ⴜ Abb. 2.2 Pharmakologische Intervention an der cholinergen Synapse. ACh Acetylcholin, AChE Acetylcholinesterase,
G G-Protein

transferase wieder Acetylcholin gebildet und aus dem 5-HT3-Rezeptor sowie die GABAA- und Glycinrezepto-
Axoplasma über einen Protonen-Acetylcholin-Anti- ren umfasst. Die Zusammensetzung der n-Cholinozep-
porter in neurosekretorische Speichervesikel aufge- toren unterscheidet sich zelltypspezifisch, was sich in
nommen (Ⴜ Abb. 2.2). unterschiedlichen pharmakologischen Eigenschaften
Neben der Membrangebundenen, spezifischen Ace- wiederspiegelt. Die Hauptform im adulten Muskel be-
tylcholinesterase kommt im Blut und in der Leber eine steht aus (α1)2β1δε-, in Ganglien aus (α3)2(β2)3-, im
unspezifische Cholinesterase (Pseudocholinesterase, zentralen Nervensystem aus (α4)2(β2)3- und (α7)5-
Butyrylcholinesterase) vor, durch die neben Acetylcho- Untereinheiten (Ⴜ Abb. 2.38).
lin auch andere Cholinester, z. B. Suxamethoniumchlo- Die Muscarinrezeptoren (m-Cholinozeptoren) sind
rid (Ⴉ Kap. 19.2.2), hydrolysiert werden. Die Funktion dagegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die neben
der unspezifischen Cholinesterase besteht vor allem Acetylcholin auch durch Muscarin aktiviert werden kön-
darin, eine Acetylcholinwirkung entfernt vom Freiset- nen. Von ihnen existieren 5 Subtypen: M1-Rezeptoren
zungsort zu verhindern. kommen vorrangig in neuronalen Strukturen (ZNS,
Ganglien) vor. Sie sind an Gedächtnis- und Lernvorgän-
Acetylcholinrezeptoren. Acetylcholin wirkt als Neuro- gen sowie an der ganglionären Übertragung beteiligt.
transmitter an Synapsen des Zentralnervensystems, an M2-Rezeptoren sind besonders am Herzen (Erniedri-
den parasympathischen Ganglien und am postganglio- gung der Herzfrequenz), M3-Rezeptoren an der glatten
nären Parasympathikus. Ferner bewirkt es die Erregungs- Muskulatur (Kontraktion) und den exokrinen Drüsen
übertragung an den sympathischen Ganglien und an den (Sekretion) funktionell bedeutsam. M4-Rezeptoren wur-
Endplatten der quergestreiften Muskulatur. Acetylcholin den u. a. im Vorderhirn, Hippocampus und Striatum ge-
stimuliert hierbei Nicotin- oder Muscarinrezeptoren. funden, doch ist ihre physiologische Funktion noch nicht
Bei den Nicotinrezeptoren (syn. n-Cholinozepto- eindeutig geklärt. Nachweislich sind sie am Schmerzge-
ren) handelt es sich um ligandengesteuerte Ionenka- schehen beteiligt. Die vor allem im Zentralnervensystem
näle, die, wie aus dem Namen hervorgeht, außer durch gefundenen M5-Rezeptoren sind möglicherweise für die
Acetylcholin auch durch Nicotin erregt werden kön- Vasodilatation zerebraler Arteriolen und die Dopamin-
nen. Sie kommen in Neuronen von ZNS und Ganglien freisetzung im Striatum von Bedeutung.
sowie an der neuromuskulären Endplatte vor und set-
zen sich aus 5 Untereinheiten zusammen. Sie gehören Prä- und postsynaptische Muscarinrezeptoren. Wie
zur Familie der Cystein-loop-Rezeptoren, die auch den bei anderen Synapsen sind bei der parasympathischen
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 49

Erregungsübertragung neben postsynaptischen auch etabliert sind jedoch Muscarinrezeptor-Agonisten


präsynaptische Rezeptoren beteiligt, deren Erregung zu (m-Cholinozeptor-Agonisten, direkte Parasympatho-
einer Hemmung der Acetylcholinfreisetzung führt. Alle mimetika), die wie Acetylcholin die Muscarinrezep-
Muscarinrezeptor-Subtypen wurden auch präsynap- toren erregen, aber langsamer als dieses inaktiviert
tisch nachgewiesen. werden. Beispielsweise sind Bethanechol bei Harnbla-
senatonie und Pilocarpin, lokal angewendet, als Glau-
Acetylcholinwirkungen. Nach intravenöser Gabe von kommittel indiziert (Ⴉ Kap. 25).
Acetylcholin treten folgende, sehr kurz dauernde Wir- Einen anderen Wirkungsmechanismus haben indi-
kungen auf (႒ Tab. 2.2): rekte Parasympathomimetika wie die Carbaminsäure-
󠀂 die Herzfrequenz nimmt ab, Derivate Physostigmin, Neostigmin, Pyridostigminbro-
󠀂 der periphere Gefäßwiderstand sinkt, mid und Distigminbromid, die die Acetylcholinesterase
󠀂 die Speichel-, Magensaft-, Bronchial- und Schweiß- reversibel hemmen. Physostigmin als gehirngängiger
sekretion werden gesteigert, Cholinesterasehemmer wird intravenös bei postopera-
󠀂 der Tonus der glatten Muskulatur des Ma- tiv auftretenden Störungen (z. B. bei zentralem anticho-
gen-Darm-Kanals, der ableitenden Harnwege und linergem Syndrom und verzögertem postoperativem
der Bronchialmuskulatur nimmt zu, Erwachen) sowie als Antidot bei Vergiftungen mit para-
󠀂 die Pupille wird verengt und sympatholytisch wirkenden Verbindungen angewendet.
󠀂 das Auge auf den Nahpunkt akkommodiert. Anwendungsgebiete der anderen Substanzen, die auf- 2
Die Wirkung von Acetylcholin kommt dadurch zu- grund ihrer chemischen Struktur die Blut-Hirn-
stande, dass dieses nach der Bindung an seine Rezepto- Schranke nicht überwinden können, sind Myasthenia
ren die Membranpermeabilität für Natrium-, Kalium- gravis, Antagonisierung der muskelrelaxierenden Wir-
und Calciumionen beeinflusst. An Ganglienzellen und kung nichtdepolarisierender Muskelrelaxanzien, Lam-
an der motorischen Endplatte erhöht Acetylcholin vor bert-Eaton-Syndrom, neurogene Blasenentleerungsstö-
allem die Na+-Permeabilität wesentlich stärker als die rungen und postoperative Darmatonie (Ⴉ Kap. 25).
der Kaliumionen. Die Folge ist eine Depolarisation. An Cholinerge Neurone im Gehirn beeinflussen den
den Schrittmacherzellen des Herzens steigert es da- Wachheitsgrad, das Belohnungssystem, Lernen und Er-
gegen vorwiegend die K+-Permeabilität und führt innern sowie die motorische Kontrolle. Da cholinerge
damit zu einer Hyperpolarisation, als deren Konse- Neurone im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung be-
quenz die Herzfrequenz abnimmt. Bei verschiedenen sonders stark geschädigt werden, besteht ein therapeu-
Drüsenzellen (z. B. Speicheldrüsen, Nebennierenmark) tischer Ansatz darin, ihre Funktion gezielt zu unterstüt-
und in verschiedenen Geweben der glatten Muskulatur zen, wie im Fall dopaminerger Neurone im Rahmen der
(z. B. Blase, Bronchialmuskulatur) fördert Acetylcholin Therapie des Morbus Parkinson (Ⴉ Kap. 21). Realisiert
besonders den Einstrom von Calciumionen, die ihrer- werden kann dies u. a. durch Hemmung des Abbaus
seits die Sekretion aktivieren bzw. eine Kontraktion er- von Acetylcholin. Therapeutisch verwendete Cholines-
möglichen. Am intakten Gefäßendothel bewirkt Ace- terasehemmer sind die Antidementiva Donepezil, Ga-
tylcholin eine Freisetzung von NO und damit eine Ge- lantamin und Rivastigmin (Ⴉ Kap. 22.2.1).
fäßerschlaffung. Durch Stimulation präsynaptischer Muscarinrezeptor-Antagonisten (Parasympatholy-
Heterorezeptoren reduziert Acetylcholin außerdem die tika, Anticholinergika, m-Cholinozeptor-Antago-
Noradrenalinfreisetzung. nisten) blockieren durch kompetitiven Antagonismus
Im ZNS sind cholinerge Neurone weit verbreitet. die Acetylcholin-vermittelte Erregungsübertragung an
Cholinerge Neurone im Vorderhirn sind in den magno- Muscarinrezeptoren. Während die Wirkungen und
zellulären Vorderhirnkernen lokalisiert. Die Degenera- Nebenwirkungen der Parasympatholytika grundsätz-
tion einer dieser Kernbereiche, des Nucleus basalis lich ähnlich sind, ergeben sich Unterschiede insbeson-
Meynert, der hauptsächlich in den Cortex projiziert, ist dere bzgl. der Resorption und ZNS-Gängigkeit
mit der Alzheimer-Erkrankung (Ⴉ Kap. 22) assoziiert. (Ⴉ Kap. 26). Leitsubstanz der Parasympatholytika ist das
Neurone des Nucleus septohippocampalis sind an der tertiäre Amin Atropin, das zur Narkoseprämedikation
cholinergen Stimulation des Hippocampus beteiligt und Kurzzeittherapie akuter bradykarder Rhythmusstö-
und tragen zur Gedächtnisbildung bei. Ferner gibt es rungen sowie als Antidot bei Vergiftungen mit Para-
zahlreiche lokale cholinerge Interneurone, vor allem im sympathomimetika (z. B. Phosphorsäureester als Insek-
Striatum. Dies hat direkte Implikationen für die Thera- tizide und chemische Nervenkampfstoffe) verwendet
pie des Morbus Parkinson (Ⴉ Kap. 21). wird. Ferner wird es gegen Koliken im Magen-Darm-Be-
reich und der Gallen- und Harnwege angewendet und
Am Parasympathikus angreifende Wirkstoffe dient in Form von Augentropfen als Mydriatikum.
Aufgrund des raschen Abbaus spielt Acetylcholin in der Weitere Parasympatholytika sind Scopolamin und
Arzneimitteltherapie kaum eine Rolle. In der Therapie Tropicamid, die als Augentropfen zur Pupillenerweite-
50 2 Pharmakodynamik

rung eingesetzt werden. Andere Parasympatholytika über das ergotrope (d. h. die Leistung steigernde) Reak-
werden zur Therapie der Harninkontinenz angewendet tionen ausgelöst werden. Der Sympathikus, der in das
(z. B. Oxybutynin, Darifenacin). Die quartäre Ammo- sympatho-nervale und das sympatho-adrenale System
niumverbindung Butylscopolaminiumbromid dient unterteilt werden kann, befähigt den Organismus zur
zur Behandlung von Spasmen der glatten Muskulatur Auseinandersetzung mit der Umwelt.
vor allem des Gastrointestinaltrakts. Eine systematische Von verschiedenen Kernen im Hirnstamm, insbe-
Darstellung der Parasympatholytika findet sich in sondere vom Locus coeruleus in der Brücke ausgehende
Ⴉ Kap. 26. sympathische Fasern ziehen zu den sympathischen
Eine Lebensmittelvergiftung mit den von Clostri- Ganglien bzw. zum Nebennierenmark (Ⴜ Abb. 2.3). In
dium botulinum gebildeten Neurotoxinen, den Botuli- den Ganglien wird durch den Neurotransmitter Acetyl-
numtoxinen, ist stets lebensbedrohlich (Ⴉ Kap. 91.5.2). cholin der Nervenimpuls auf das postganglionäre
Allerdings werden die rekombinanten Toxine auch the- Neuron umgeschaltet, dessen Erregung in den sympa-
rapeutisch eingesetzt. Clostridium botulinum (Ona- thischen Varikositäten zur Depolarisation der
botulinum) Toxin Typ A hemmt die Ca2+-abhängige Axoplasmamembran führt. Die dadurch hervorgeru-
Acetylcholinfreisetzung an der cholinergen Synapse fene Öffnung von spannungsabhängigen N-Typ-Ca2+
(Ⴜ Abb. 2.2) und führt dadurch zu einer irreversiblen -Kanälen und der damit verbundene Einstrom von Cal-
Hemmung der neuromuskulären Übertragung. Lokal cium bewirkt die Verschmelzung von Vesikeln mit der
appliziert, kann es zur Blepharospasmus-(Lidkrampf-) Axoplasmamembran und die Freisetzung des Neuro-
Behandlung, zur Therapie der dystonen Kontraktionen transmitters Noradrenalin in den synaptischen Spalt.
der periorbitalen Muskulatur sowie bei anderen spasti- In Stress- und Notfallsituationen werden – wiederum
schen Zuständen der quergestreiften Muskulatur einge- unter Vermittlung von Acetylcholin als Neurotransmit-
setzt werden. Clostridium-botulinum-Toxin wird außer- ter – aus dem Nebennierenmark Adrenalin und unter-
dem als sog. Anti-Aging-Spritze zur vorübergehenden geordnet auch Noradrenalin in die Blutbahn freigesetzt
Faltenglättung im Gesichtsbereich eingesetzt, wenn und gelangen auf dem Blutweg zu den Erfolgsorganen.
diese Falten eine erhebliche psychologische Belastung
für die Personen darstellen (Ⴉ Kap. 19.2.4). Synthese, Speicherung und Freisetzung der Catechol-
amine. Die Catecholamine Dopamin, Noradrenalin
Adrenalin und Noradrenalin und Adrenalin werden im Organismus auf folgende
Adrenalin und Noradrenalin sind zentrale Neurotrans- Weise synthetisiert (Ⴜ Abb. 2.4): Tyrosin wird in das Axo-
mitter des vegetativen sympathischen Nervensystems, plasma aufgenommen, dort mittels Tyrosin-Hydroxylase
am aromatischen Kern zu Dihydroxyphenylalanin
(Dopa) hydroxyliert und dieses anschließend durch die
Zentralnervensystem Dopa-Decarboxylase zu Dopamin decarboxyliert. Do-
pamin gelangt nunmehr durch aktiven Transport in
Speichervesikel, wo es die Dopamin-β-Hydroxylase in
der Seitenkette zu Noradrenalin hydroxyliert. Eine wei-
präganglionäres tere Umwandlung zu Adrenalin ist – außer im Gehirn –
Neuron in den sympathischen Nervenendigungen nicht mög-
lich, da diesen die N-Methyltransferase fehlt, die Nor-
Acetylcholin adrenalin in Adrenalin überführt.
In den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks
sympathisches Neben- dagegen, in denen die N-Methyltransferase vorhanden
Ganglion nierenmark ist, wird aus Noradrenalin durch Methylierung am
Stickstoff Adrenalin gebildet.
postganglionäres Ausschüttung von Adrenalin Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in der
Neuron und Noradrenalin in die Blutbahn Synthesekette ist die Aktivität der Tyrosin-Hydroxylase.
Wird vermehrt Noradrenalin freigesetzt, steigt auch die
Aktivität dieses Enzyms, sinkt dagegen die Noradrena-
Noradrenalin
linfreisetzung, nimmt die Enzymaktivität ab.
Die neuronale Speicherung von Noradrenalin in Vesi-
keln des Axoplasmas erfolgt mittels eines vesikulären
glatte Muskelzellen Monoamintransporters (VMAT), der in zwei Isoformen,
VMAT1 und VMAT2, vorkommt. VMAT1 wird vor
Ⴜ Abb. 2.3 Erregungsübertragung im sympathischen Ner- allem im peripheren Nervensystem exprimiert sowie in
vensystem neuroendokrinen Zellen des Nebennierenmarks.
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 51

NH2 HO NH2 HO NH2


Tyrosin- Dopa-
COOH Hydroxylase COOH Decarboxylase
HO HO HO
Tyrosin Dopa Dopamin

Dopamin-˟-
Hydroxylase

OH OH
H N-Methyl-
HO N Transferase HO NH2
CH3

HO HO
Adrenalin Noradrenalin

Ⴜ Abb. 2.4 Biosynthese von Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin

VMAT2 wird von monoaminergen Zellen im zentralen elektrochemische Na+-Gradient als Triebkraft genutzt 2
Nervensystem sowie in Nervenzellen des Sympathikus wird. Etwa 20 % des Transmitters werden durch den ex-
exprimiert, hat eine deutlich höhere Affinität zu Dopa- traneuralen Monoamintransporter (EMT) in nicht
min, Noradrenalin und Adrenalin als VMAT1 und wird neurale Zellen aufgenommen. Der Transporter gehört
reversibel durch Tetrabenazin gehemmt. Es kommt zu zur großen Familie der organischen Kationentranspor-
einer Entleerung der Speicher von Monoaminen im zen- ter (OCT). Die Wiederaufnahme des Transmitters in
tralen Nervensystem. Tetrabenazin wird bei hyperkineti- das Axoplasma ist nicht nur für die schnelle Beendi-
schen Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington ein- gung der Wirkung von Bedeutung, sondern verhindert
gesetzt (Ⴉ Kap. 21.4.1). An der Transmitterspeicherung ist auch eine zu starke Entleerung der Speicher. Polymor-
ferner eine Mg2+-abhängige Protonenpumpe (V-ATPase) phismen im Gen von NAT, die zu verminderter Expres-
beteiligt, die unter ATP-Verbrauch eine hohe intravesiku- sion oder Aktivität dieses Transporters führen, wurden
läre Protonenkonzentration aufrechterhält und dadurch mit ADHS (Ⴉ Kap. 14.3), psychiatrischen Störungen
im Speichergranulum zu einer Protonierung von Norad- und orthostatischer Dysregulation assoziiert. Der Nor-
renalin führt. Reserpin blockiert die Protonenpumpe adrenalintransporter ist eine wichtige pharmakologi-
und hebt das Speichervermögen der Granula für Cate- sche Zielstruktur für nichtselektive Monoamin-Wie-
cholamine auf. Reserpin wurde zur Behandlung der es- deraufnahmehemmer (z. B. Amitriptylin, Imipramin)
senziellen Hypertonie eingesetzt und hat erhebliche zen- und für selektive Serotonin/Noradrenalin-Wiederauf-
tralnervöse Nebenwirkungen (Ⴉ Kap. 24.3.2). nahmehemmer (Venlafaxin, Duloxetin), die bei der Be-
Kommt es zu einer Depolarisation der Axoplasma- handlung der Depression (Ⴉ Kap. 10) und des neuropa-
membran, wird Noradrenalin – in der Regel mit einem thischen Schmerzes (Ⴉ Kap. 15.7) eingesetzt werden.
Kotransmitter (z. B. ATP, Neuropeptid Y) – exozyto- Der Abbau erfolgt durch Methylierung der m-stän-
tisch in den synaptischen Spalt abgegeben. Ein Teil digen phenolischen OH-Gruppe mittels Catechol-O-
davon löst eine Erregung postsynaptischer Rezeptoren Methyltransferase (COMT) sowie durch oxidative
im Erfolgsorgan – und damit die eigentliche Wirkung Desaminierung über Monoaminoxidasen (MAO,
– aus. Ein anderer Teil erregt präsynaptische sympathi- Ⴜ Abb. 2.5). Monoaminoxidasehemmer kommen bei
sche Rezeptoren und beeinflusst damit im Sinne eines der Behandlung der Depression (Tranylcypromin,
Feedback-Mechanismus die Neurotransmitterfreiset- Moclobemid, Ⴉ Kap. 10.7) und des Morbus Parkinson
zung (s. u.). (z. B. Selegilin, Ⴉ Kap. 21.2.3) zum Einsatz.
Der Abbau durch COMT zu dem bereits pharmako-
Wiederaufnahme und Abbau von Noradrenalin. Die logisch unwirksamen Normetanephrin findet extra-
sehr rasche Inaktivierung der freigesetzten Über- neuronal im Synapsenbereich, ferner in der Leber statt.
trägersubstanz erfolgt vorwiegend (zu ca. 80 %) durch Normetanephrin wird dann – über den Aldehyd – in
Wiederaufnahme in das Axoplasma durch den Norad- der Peripherie weiter zu Vanillinmandelsäure und im
renalintransporter (NAT; s. auch unter Antidepressiva ZNS zu 3-Methoxy-4-hydroxy-phenylethylenglycol
Ⴉ Kap. 10). NAT gehört zu einer Familie von Neuro- metabolisiert.
transmittertransportern (NAT, DAT, SERT etc.) die ver- Die oxidative Desaminierung durch die MAO läuft
schiedene Amin-Neurotransmitter im Kotransport mit dagegen in den Mitochondrien ab, und zwar vor allem in
NaCl spezifisch in das Neuron befördern, wobei der den Mitochondrien der Nervenendigungen, daneben in
52 2 Pharmakodynamik

OH Noradrenalin Normetanephrin OH
COMT
HO NH2 H3CO NH2

HO HO

MA
MA

O
OH OH
3,4-Dihydroxy- 3-Methoxy-
HO O phenylglycolaldehyd 4-hydroxy- H3CO O
phenylglycol-
H aldehyd H
HO HO

Ox . Re
d. . Ox d.
Re

OH OH OH OH
HO OH HO O H3CO O H3CO OH
COMT
OH OH
HO HO HO HO
3,4-Dihydroxy- 3,4-Dihydroxy- Vanillinmandelsäure 3-Methoxy-4-hydroxy-
phenylethylenglycol mandelsäure (DOMA) (VMS) phenylethylenglycol (MOPEG)
(DOPEG)
COMT

Ⴜ Abb. 2.5 Abbau von Noradrenalin

denen der Zellen im Synapsenbereich und der Leber. Da an ihrer Zelloberfläche. In ႒ Tab. 2.3 sind wichtige über
die Substanzen dabei aber zuerst die Mitochondrien- Adrenozeptoren ausgelöste Sympathikuswirkungen zu-
membran überwinden müssen, erfolgen diese Reaktio- sammengestellt. Die unterschiedliche Signaltransduk-
nen langsamer als die O-Methylierung. tion nach Stimulation dieser Rezeptoren und damit ihr
Nur sehr kleine Mengen des in den synaptischen Wirkungsmechanismus sind nachstehend beschrieben
Spalt abgegebenen Noradrenalins gelangen in die Blut- (Ⴜ Abb. 2.6).
bahn, wodurch die Wirkung lokal begrenzt bleibt. Die Adrenozeptoren sind G-Protein-gekoppelte Rezep-
Metaboliten werden dagegen ins Blut abgegeben und toren, deren Signaltransduktion je nach Rezeptortyp
vorwiegend renal ausgeschieden. Die Menge der im unterschiedlich ist (Ⴜ Abb. 2.6). Die Erregung von
Urin ausgeschiedenen Catecholamine und ihrer Meta- β-Rezeptoren bewirkt – vermittelt über ein stimulieren-
boliten lässt daher Aussagen über die Aktivität des sym- des G-Protein – eine Aktivierung der Adenylylcyclase
pathischen Systems sowie diagnostische Rückschlüsse und damit die vermehrte Bildung von cAMP. Dieses ak-
auf bestimmte Erkrankungen zu, die mit einer erhöhten tiviert die cAMP-abhängige Proteinkinase, die am Her-
oder erniedrigten sympathischen Aktivität einhergehen. zen spannungsabhängige Ca2+-Kanäle phosphoryliert.
Dadurch kommt es – β1-Rezeptor-vermittelt – zu einem
Adrenozeptoren. An den sympathischen Synapsen verstärkten Einstrom von Ca2+-Ionen in die Zelle.
kommen zwei Hauptgruppen von Adrenozeptoren, die Außerdem nimmt die Ca2+-Aufnahme in das sarkoplas-
α- und β-Rezeptoren, vor, die nochmals in α1- und α2- matische Retikulum und damit der Füllungsgrad der
sowie β1-, β2- und β3-Rezeptoren unterteilt werden. Ca2+-Speicher zu. Die cAMP-abhängige Proteinkinase
Molekularbiologische Untersuchungen ergaben darü- phosphoryliert in Herzmuskelzellen Phospholamban
ber hinaus, dass von den α1- und α2-Rezeptoren noch- und hebt damit dessen hemmende Wirkung auf die in
mals Subtypen existieren: die Membran des sarkoplasmatischen Retikulums inte-
󠀂 α1-Rezeptoren mit den Subtypen α1A, α1B und α1D, grierte Ca2+-Pumpe SERCA (sarcoplasmic/endoplas-
󠀂 α2-Rezeptoren mit den Subtypen α2A, α2B und α2C mic reticulum calcium ATPase) auf.
und In vielen Geweben der glatten Muskulatur wird da-
󠀂 β-Rezeptoren mit den Subtypen β1, β2 und β3. gegen über β2-Rezeptoren cAMP-Kinase vermittelt,
Die meisten Zellen des menschlichen Körpers expri- durch Phosphorylierung des kleinen GTP-bindenden
mieren mindestens einen der 9 Adrenozeptor-Subtypen Proteins Rho das Zytoskelett reorganisiert, die Phos-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 53

႒ Tab. 2.3 Effekte bei Aktivierung des Sympathikus an verschiedenen Organen

Organ, Sympathikus- Beteiligter Organ, Sympathikus- Beteiligter


Organsystem wirkungen Rezeptor Organsystem wirkungen Rezeptor

Auge Magen-Darm-Trakt

M. dilatator pu- Mydriasis α1 Motilität/Tonus Abnahme α 2, β 2


pillae
Sphinkteren Kontraktion α1
Herz
Pankreas
Sinusknoten Herzfrequenz ↑ β1
Endokrin Insulinsekretion ↓ α2
Kardiomyozyten Kontraktilität ↑ β1
Bronchialsystem
Kontraktilität ↓ β3
Muskulatur Erschlaffung β2
AV-Knoten Überleitungsge- β1
schwindigkeit ↑ Drüsen Hemmung α1

Gefäße Haut 2
Haut, Schleimhaut Vasokonstriktion α1 Schweißdrüsen Sekretion cholinerg

Skelettmuskel Vasokonstriktion α1 Niere und Harnwege

Vasodilatation β 2, β 3 Reninsekretion Steigerung β1

Abdominalbereich Vasokonstriktion α1 Blasenwand- Erschlaffung β 2, β 3


muskulatur
Herzkranzgefäße Vasokonstriktion α1
Innerer Schließ- Kontraktion α1
Vasodilatation β2 muskel

Gehirn Vasokonstriktion α1 Genitalorgane

Genitale Ejakulation (Vas α1 Uterus Kontraktion α1


deferens)
Erschlaffung β 2, β 3
Niere Vasokonstriktion α1
Stoffwechsel
Venen Vasokonstriktion α1
Leber Glykogenolyse ↑ β2
Magen-Darm-Trakt
Gluconeogenese ↑ β2
Speicheldrüsen schwache muköse Se- α 1, β 3
kretion Fettzellen Lipolyse ↑ β 2, β 3

Verdauungsdrüsen Amylaseaktivierung β1 Thermogenese ↑ β3

Gallenwege Erschlaffung β2 Skelettmuskel Glykogenolyse ↑ β2

phorylierung der Myosin-Leichtketten gehemmt und und nachfolgender Phosphorylierung der Hormon-
die Konzentration der zytosolischen Ca2+-Ionen herab- sensitiven Lipase hervorgerufen wird.
gesetzt, was zu einer Relaxation führt. Über β2-Rezep- Die Stimulation von α1-Rezeptoren an Arterien und
toren werden auch Stoffwechseleffekte hervorgerufen, Arteriolen viszeraler Organe führt hingegen zur Erhö-
die u. a. eine Erhöhung der Serumkonzentrationen von hung der intrazellulären Ca2+-Konzentration. Und zwar
Glucose, Lactat und Fettsäuren zur Folge haben. Eine werden in diesem Fall infolge einer G-Protein-vermit-
Stimulation von β3-Rezeptoren bewirkt u. a. eine Lipo- telten Aktivierung von Phospholipase C vermehrt Ino-
lyse in Adipozyten, die über eine Gs-Protein-vermittelte sitoltrisphosphat (IP3) und Diacylglycerol (DAG) gebil-
Aktivierung der PKA und eine Gi-Protein-vermittelte det, die Ca2+-Ionen aus dem sarkoplasmatischen Reti-
Aktivierung der extrazellulär regulierten Kinase (ERK) kulum freisetzen.
54 2 Pharmakodynamik

Ca2+
EER Änderung der
P L-Typ-
Relaxation AT RhoA Zytoskelett-
Organisation Ca2+-Kanal
G
s RyR
cAMP PKA SR
˟2 Ca2+
L
PKA
˟2-Agonisten
Noradrenalin
Kontraktion Ca2+
cAMP
Gs
˞2 Gi
˟1
˟1-Blocker
2+ Bronchialbaum Herz
Ca
Noradrenalin, Adrenalin

Blutweg
Sympathikus-
Axonterminale
Sympathikus-
Axonterminale
N-Typ-
Ca2+-Kanal Koronarien

Ca2+ Arterien,
Arteriolen Noradrenalin, Adrenalin
˟2
˞2 G
s
Gi
Ca2+
ER Relaxation cA
cAMP
Noradrenalin ATP

PKA
˞1-Blocker ˞1 Änderung
Gq IP3 der Zytoskelett-
Organisation RhoA
Ca2+
IP3R
CaM L
Kontraktion ER

MLCK

Ⴜ Abb. 2.6 Beispiele physiologischer Wirkungen, die über α- und β-Adrenozeptoren vermittelt werden. Noradrenalin
und Adrenalin aus dem Nebennierenmark und Noradrenalin aus Nervenendigungen sympathischer Neurone führen
über Stimulation von β2-Rezeptoren zur Relaxation der Bronchialmuskulatur und der Koronargefäße. Die Stimulation
von β1-Rezeptoren der Herzmuskulatur erhöht die Kontraktionskraft des Herzens. Die Arterien und Arteriolen viszeraler
Organe werden durch Stimulation von α1-Rezeptoren mit Noradrenalin und Adrenalin kontrahiert. Die Stimulation von
α2-Rezeptoren an den Axonterminalen der Sympathikusneurone hemmt N-Typ-Ca2+-Kanäle und die Noradrenalinfrei-
setzung. CaM Calmodulin, ER endoplasmatisches Retikulum, IP3R Inositoltrisphosphatrezeptor, MLCK Myosin-Leichtket-
tenkinase, PKA Proteinkinase A, Rho A kleines G-Protein Rho A, RyR Ryanodinrezeptor, SR sarkoplasmatisches Retikulum
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 55

Tyrosin
+
Na
Dopamin
Ca2+

indirekte Sympathomimetika NA Ca2+

Hyperpolarisation
VMAT2
NA
Monoaminoxidasehemmer MAO
nicht selektive Monoamin- NA
Wiederaufnahmehemmer K+ α2-adrenerge Rezeptoren
NA
NAT
selektive Serotonin/

Gi
Noradrenalin-Wieder- negatives
Abbau- Ca2+ Feedback
aufnahmehemmer
produkte
NA
Agonisten Antagonisten
Agonisten Antagonisten
NA
α1-adrenerge β-adrenerge 2
Rezeptoren Rezeptoren

postsynaptische Membran
Gq Gs
PLC ൹ Ca2+൹ AC൹ cAMP ൹

Ⴜ Abb. 2.7 Medikamentöse Beeinflussung der noradrenergen Synapse. AC Adenylylcyclase, cAMP cyclisches Adenosin-
monophosphat, MAO Monaminoxidase, NA Noradrenalin, NAT Noradrenalin-Transporter, VMAT vesikularer Monoamin-
transporter, PLC Phospholipase C

Präsynaptische Adrenozeptoren. An den Synapsen Indirekte Sympathomimetika setzen Noradrenalin aus


existieren neben postsynaptischen auch präsynaptische den Speichern frei und/oder hemmen kompetitiv die
Rezeptoren, deren Erregung die Neurotransmitterfrei- Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synap-
setzung beeinflusst. Die Aktivierung dieser autoinhi- tischen Spalt ins Axoplasma.
bitorischen α2-Rezeptoren bewirkt – über ein inhibi- Adrenozeptor-Antagonisten (Adrenozeptorblocker,
torisches G-Protein vermittelt – eine Hemmung der Sympatholytika) blockieren adrenerge Rezeptoren:
Adenylylcyclase sowie von Ca2+-Kanälen und eine Ak- 󠀂 α-Adrenozeptor-Antagonisten (α-Adrenozeptor-
tivierung von K+-Kanälen an Axonterminalen der Sym- blocker, α-Rezeptorenblocker, Alphablocker, α-Sym-
pathikusneurone. Dadurch wird die Noradrenalinfrei- patholytika),
setzung an sympathischen Nerven gehemmt. Dieser die α-Adrenozeptoren,
Mechanismus dient der Feinregulierung bei der Über- 󠀂 β-Adrenozeptor-Antagonisten (β-Adrenozeptor-
tragung sympathischer Impulse und der Verhinderung blocker, β-Rezeptorenblocker, Betablocker, β-Sym-
einer Überstimulation. patholytika),
die β-Adrenozeptoren.
Am Sympathikus angreifende Wirkstoffe Unter dem Begriff Antisympathotonika werden unter-
Dem morphologischen Aufbau und der sympathischen schiedliche, den Sympathikus hemmende Stoffe bzw.
Erregungsübertragung entsprechend ist eine medika- Stoffgruppen mit verschiedenen Angriffsorten zusam-
mentöse Beeinflussung des sympathischen Nervensys- mengefasst. Antisympathotonika verringern die Sym-
tems an verschiedenen Stellen möglich (Ⴜ Abb. 2.7). pathikusaktivität durch:
Adrenozeptor-Agonisten (direkte Sympathomime- 󠀂 Erregung zentraler und – untergeordnet – periphe-
tika) erregen wie Noradrenalin und Adrenalin adre- rer α2-Rezeptoren (Clonidin, Methyldopa) oder
nerge Rezeptoren (Adrenozeptoren). Je nachdem, an 󠀂 Blockade des aktiven Transports aus dem Axo-
welchen Rezeptoren die Substanzen angreifen, unter- plasma in die vesikulären Speicher (Reserpin).
scheidet man zwischen: Die pharmakologischen Wirkungen von Noradrenalin
󠀂 α-Adrenozeptor-Agonisten (α-Agonisten, α-Sympa- und Adrenalin sind ähnlich, aber nicht identisch. Die
thomimetika) und Unterschiede ergeben sich daraus, dass die Wirkstärke
󠀂 β-Adrenozeptor-Agonisten (β-Agonisten, β-Sympa- der beiden Substanzen an den Adrenozeptor-Subtypen
thomimetika). verschieden ist (႒ Tab. 2.4).
56 2 Pharmakodynamik

႒ Tab. 2.4 Relative Wirkstärken von Adrenalin (A) und der Koronararterien einen Angina-pectoris-Anfall her-
Noradrenalin (NA) an verschiedenen Adrenozeptoren vorrufen kann. Aufgrund der β2-agonistischen Wir-
Rezeptorsubtyp Wirkstärke
kung (insbesondere an den Gefäßen der Skelettmusku-
latur) kommt es zur Abnahme des peripheren Gefäß-
α1 A ≈ NA widerstands und des diastolischen Blutdrucks. Der
mittlere arterielle Blutdruck bleibt dabei meist unver-
α2 A ≥ NA
ändert. An den Bronchien wird β2-vermittelt eine Bron-
β1 NA ≥ A chodilatation hervorgerufen. Adrenalin kann die Blut-
Hirn-Schranke nicht passieren. Die nach Adrenalin-
β2 A > NA gaben beobachteten zentralen Wirkungen (z. B.
β3 NA > A Angstzustände) sind somit rein reflektorisch.
Mit ansteigender Adrenalin-Dosierung treten zu-
nehmend α-adrenerge Wirkungen auf. Hohe Dosen
Adrenozeptor-Agonisten (> 10 μg pro Minute beim Erwachsenen) führen zur
Als natürlich im Organismus vorkommendes direktes ausgeprägten peripheren Vasokonstriktion und kardia-
Sympathomimetikum und Adrenozeptor-Agonist wirkt len Stimulation, was mit Zunahme des peripheren Wi-
Noradrenalin (Norepinephrin; Arterenol®) bevorzugt derstands, Blutdrucksteigerung, Tachykardie und Ar-
auf α1-, α2- und β1-Rezeptoren und hat nur eine geringe rhythmie verbunden ist.
Affinität zu β2- und β3-Rezeptoren. Die Applikation be- In den Stoffwechsel greift Adrenalin durch Erregung
wirkt eine allgemeine Vasokonstriktion – mit Ausnahme von β-Adrenozeptoren und damit, wie oben beschrie-
der Koronararterien – und erhöht den systolischen und ben, durch Aktivierung der Adenylylcyclase ein. Das
diastolischen Blutdruck. Während am isolierten Organ unter der Einwirkung dieses Enzyms aus ATP gebildete
die Herzfrequenz und das Herzminutenvolumen durch cAMP aktiviert seinerseits die Proteinkinase A, welche
Noradrenalin ebenfalls zunehmen, tritt in vivo Brady- die Bildung einer aktiven Leber- und Muskelphosphor-
kardie auf. Dieser zunächst überraschende Befund ist ylase aus inaktiven Vorstufen auslöst. Durch die Phos-
dadurch zu erklären, dass die Blutdruckerhöhung reflek- phorylasen wird der Abbau von Glykogen zu Glucose-
torisch über Pressorezeptoren zu einer parasympathi- 1-phosphat und Isomerisierung zu Glucose-6-phosphat
schen Gegenregulation über den Nervus vagus am Her- in der Leber und der Skelettmuskulatur katalysiert. In
zen führt. Schaltet man durch Gabe eines Parasympatho- der Leber entsteht durch Dephosphorylierung Glucose,
lytikums, z. B. Atropin, diese Gegenregulation aus, die an das Blut abgegeben wird: Der Blutzuckerspiegel
werden auch in vivo die Herzfrequenz und das Herzzeit- steigt. Im Skelettmuskel, dem die Glucose-6-phospha-
volumen durch Noradrenalin gesteigert. Da Noradrena- tase fehlt, wird Glucose-6-phosphat glykolytisch abge-
lin nur eine schwache agonistische Wirkung an den baut. Als Endprodukt der Glykolyse erscheint vermehrt
β2-Rezeptoren der glatten Muskulatur besitzt, ist seine Milchsäure im Blut.
erschlaffende Wirkung auf die Darm- und Bronchial- Die lipolytische Wirkung von Adrenalin beruht
muskulatur nur wenig ausgeprägt. Auch die Erhöhung ebenfalls auf der Aktivierung der Adenylylcyclase und
des Blutzuckerspiegels ist gering. damit der Bildung von cAMP. Dieses aktiviert eine Li-
Adrenalin (Epinephrin, z. B. Suprarenin®) stimuliert pase des Fettgewebes, wodurch der Gehalt des Blutes an
alle α- und β-Rezeptor-Typen. Nach Applikation von freien Fettsäuren zunimmt.
Adrenalin überwiegen in Abhängigkeit von der ver-
wendeten Dosis α- oder β-adrenerge Effekte. Indikationen. Noradrenalin ist aufgrund seiner vaso-
In niedriger Adrenalin-Dosis (< 2 μg pro Minute konstriktorischen Wirkung beim neurogenen und
beim Erwachsenen) stehen über β1- und β2-Rezeptoren septischen Schock (Ⴉ Kap. 29.1) sowie als Zusatz zu Lo-
vermittelte Wirkungen im Vordergrund, da β-Rezep- kalanästhetika (Ⴉ Kap. 17.1) indiziert. Bei der erstge-
toren auf geringere Adrenalin-Dosen ansprechen als nannten Indikation ist eine Dauertropfinfusion am ge-
α-Rezeptoren. Am Herzen werden durch Stimulation eignetsten, da nach einer Injektion die Blutdruckerhö-
von β1-Rezeptoren Herzkraft und Herzfrequenz gestei- hung nur wenige Minuten anhält. Oral appliziert ist
gert (positiv inotrope und chronotrope Wirkung), wo- Noradrenalin wegen eines hohen First-Pass-Effekts na-
durch das Herzzeitvolumen und der systolische Blut- hezu unwirksam.
druck ansteigen. Größere Adrenalin-Dosen fördern Adrenalin wird bei anaphylaktischem und septi-
außerdem die heterotope Reizbildung. Als Folge davon schem Schock sowie lokal zur Gefäßverengung verwen-
können Extrasystolen und sogar Kammerflimmern det. Bei Herz-Kreislauf-Stillstand erfolgt die Injektion
auftreten. Bei der Anwendung von Adrenalin ist ferner von Adrenalin intravenös (allenfalls in Ausnahmefällen
zu berücksichtigen, dass es den myokardialen Sauer- intrakardial!) stets nach den primären Maßnahmen der
stoffverbrauch erhöht und daher trotz der Erweiterung assistierten Beatmung und der Herzmassage sowie
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 57

ohne deren Unterbrechung. Intratracheal wird es als adrenalin nicht ausreichend nachgebildet werden kann
Zusatztherapeutikum bei akuter Atemnot (z. B. infolge und somit immer weniger Überträgersubstanz frei-
einer Laryngotracheitis) und bei allergischen Reaktio- gesetzt wird (Tachyphylaxie). Zu den indirekten
nen angewendet. Sympathomimetika zählen u. a. die Amphetamine
(Ⴉ Kap. 14.1.2) als Psychostimulans und Cocain als äl-
Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Als Neben- testes Lokalanästhetikum (Ⴉ Kap. 17.1.2), das jedoch als
wirkungen können insbesondere kardiovaskuläre (z. B. Suchtdroge von größerer Bedeutung ist.
pektanginöse Beschwerden, Myokardschädigung, Tachy-
kardie, Arrhythmie, Blutdruckanstieg), metabolische Sympatholytika
(Hyperglykämie, metabolische Azidose), renale (Oligu- Es handelt sich um Antagonisten an adrenergen Rezep-
rie, Anurie) und lokale (ischämische Nekrosen im An- toren. Je nach Rezeptorselektivität unterscheidet man
wendungsgebiet) Störungen auftreten. Obwohl Noradre- zwischen α1- und β-Adrenozeptor-Antagonisten.
nalin und Adrenalin die Blut-Hirn-Schranke nicht über- α1-Adrenozeptor-Antagonisten (Doxazosin, Tera-
winden, können reflektorisch ZNS-Störungen (Unruhe, zosin) werden aufgrund ihrer peripheren vasodilatie-
Angst, psychotische Zustände) ausgelöst werden. renden Eigenschaften seit Langem zur Therapie der
Noradrenalin und Adrenalin sind kontraindiziert Hypertonie eingesetzt. Urapidil, das intravenös zur
bei Hypertonie, paroxysmaler Tachykardie, hochfre- Therapie von hypertensiven Notfällen verabreicht wird,
quenter Arrhythmie, Koronar- und Herzmuskelerkran- weist neben der peripheren α1-antagonistischen Wir- 2
kungen, Cor pulmonale, sklerotischen Gefäßverände- kung eine zentrale Wirkkomponente auf, die auf eine
rungen, Engwinkelglaukom, Hyperthyreose, Phäo- Stimulation von 5-HT1A-Rezeptoren zurückgeführt
chromozytom, Prostataadenom mit Restharnbildung wird. Neben der Hypertonie sind Blasenentleerungsstö-
und schweren Nierenfunktionsstörungen. In Notfallsi- rungen im Rahmen eines benignen Prostatasyndroms
tuationen kann jedoch die Applikation auch bei Vorlie- (BPS) ein weiteres Indikationsgebiet von α1-Adreno-
gen von Kontraindikationen gerechtfertigt sein. zeptor-Antagonisten. Zu diesem Zweck wird Tamsulo-
sin oder Silodosin verwendet, die eine besonders hohe
Synthetische direkte Sympathomimetika Affinität zu den in der Prostata bevorzugt vorkommen-
Direkte Sympathomimetika (Ⴉ Kap. 23.2) erregen wie den α1A-Rezeptoren besitzen und daher nur unterge-
Noradrenalin und Adrenalin Adrenozeptoren. Je nach ordnet blutdrucksenkend wirken.
Rezeptorselektivität unterscheidet man zwischen α- und/ β-Adrenozeptor-Antagonisten (Betablocker, β-Adre-
oder β-Adrenozeptor-Agonisten. Die lokal angewende- nozeptorblocker, β-Rezeptorenblocker) hemmen kom-
ten α1/α2-Adrenozeptor-Agonisten Oxymetazolin, Tra- petitiv β-Adrenozeptoren. Prinzipiell wird zwischen
mazolin und Xylometazolin werden insbesondere auf- nichtselektiven (Propranolol, Penbutolol), β1-selektiven
grund ihrer vasokonstriktorischen Wirkung eingesetzt, (z. B. Metoprolol, Bisoprolol) und β-Adrenozeptor-Ant-
z. B. zur Schleimhautabschwellung bei Schnupfen, aller- agonisten mit vasodilatierender Komponente (z. B. Car-
gischer oder vasomotorischer Rhinitis. Der α1-Agonist vedilol, Nebivolol) unterschieden (Ⴉ Kap. 24.2). Thera-
Midodrin wird systemisch zur Behandlung neurogener peutisch erwünscht ist bei den meisten Indikationen vor
hypotoner Blutdruckstörungen eingesetzt, wenn alle ver- allem die β1-Blockade. Durch Blockade von β1-Rezepto-
fügbaren sonstigen Maßnahmen ausgeschöpft sind. Der ren wird die positiv inotrope und chronotrope Wirkung
α1-Agonist Phenylephrin ist in niedriger Dosierung in der Catecholamine am Herzen aufgehoben. Wichtige In-
einigen Paracetamol-Kombinationspräparaten enthalten, dikationen von Betablockern sind essenzielle Hyperto-
die zur systemischen Anwendung bei Erkältungen und nie, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris, akuter
grippalen Infekten vermarktet werden. Herzinfarkt, Reinfarktprophylaxe, tachykarde Herz-
β2-Sympathomimetika (z. B. Fenoterol, Salbutamol, rhythmusstörungen (z. B. supraventrikuläre Extrasysto-
Terbutalin, Formoterol, Salmeterol, Bambuterol) die- lie und Tachykardie), funktionelle Herz-Kreislauf-Be-
nen vor allem der Therapie des Asthma bronchiale schwerden sowie mittelgradige bis schwere chronische
(Ⴉ Kap. 42.3.1) und der COPD (Ⴉ Kap. 43.2.1). Herzinsuffizienz. Einige ZNS-gängige Betablocker (v. a.
Propranolol und Metoprolol) kommen bei der Migrä-
Indirekte Sympathomimetika neprophylaxe zur Anwendung. Gut wasserlösliche Beta-
Diese Substanzen setzen Noradrenalin aus den Spei- blocker (z. B. Timolol, Metipranolol, Levobunolol) wer-
chergranula der sympathischen Nervenendigungen frei den als Augentropfen bei Glaukom und anderen Augen-
und/oder hemmen die Wiederaufnahme von Noradre- krankheiten eingesetzt.
nalin aus dem synaptischen Spalt in das Axoplasma.
Durch die gesteigerte Noradrenalinkonzentration an Antisympathotonika
den Rezeptoren wird der Sympathikustonus erhöht. Bei Antisympathotonika (Ⴉ Kap. 24.3) verringern die Sym-
wiederholten Gaben nimmt die Wirkung ab, da Nor- pathikusaktivität durch Erregung von α2-Rezeptoren
58 2 Pharmakodynamik

oder Blockade des aktiven Transports aus dem Axo- Dopaminrezeptoren. Dopamin übt seine Wirkung
plasma in die synaptischen Vesikel. Die Imidazol-Deri- über 5 Dopaminrezeptoren, D1 bis D5, aus, die allesamt
vate Clonidin und Moxonidin gelangen aufgrund ihrer G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind. Die ursprüng-
Lipophilie rasch ins ZNS und stimulieren postsynap- liche D1-Familie besteht aus D1- und D5-Rezeptoren,
tische α2A-Adrenozeptoren. Dadurch kommt es zu einer während D2-, D3- und D4-Rezeptoren die D2-Familie
Verminderung der Sympathikusaktivität und einer bilden. Darüber hinaus sind Spleißvarianten, die zu
Steigerung des Vagustonus mit einer erwünschten Blut- kurzen und langen D2-Isoformen führen, und geneti-
drucksenkung. Moxonidin wirkt darüber hinaus als sche Polymorphismen des D4-Rezeptors beschrieben.
Agonist an sog. Imidazolinrezeptoren (Typ I1) in der Die D1- und D5-Rezeptoren koppeln an das stimula-
Medulla oblongata, einer wichtigen Schaltstelle für torische G-Protein Gs und aktivieren die Adenylylcyclase
sympathische Impulse. Die Bindung an diese Rezepto- und damit die vermehrte Bildung von cAMP, das als
ren bewirkt ebenfalls eine Hemmung der peripheren second messenger z. B. über die cAMP-abhängige Prote-
Sympathikusaktivität. α-Methyldopa wird durch akti- inkinase zahlreiche Zellfunktionen steuert. D2-, D3- und
ven Transport in das Zentralnervensystem aufgenom- D4-Rezeptoren sind Gi/o-gekoppelt, aktivieren in Neuro-
men und dort in α-Methylnoradrenalin umgewandelt, nen Kaliumkanäle und hemmen neuronale spannungs-
das eine hohe Affinität zu α2-Adrenozeptoren besitzt. abhängige Ca2+-Kanäle sowie Adenylylcyclasen. Abhän-
Methyldopa dient vor allem als Antihypertonikum in gig vom Zellkontext können die Mitglieder der D2-Fami-
der Schwangerschaft. Reserpin blockiert die Protonen- lie auch Phospholipase C aktivieren und einen
pumpe der Monoamin-Speichervesikel in den sympa- intrazellulären Ca2+-Transienten auslösen (႒ Tab. 2.5).
thischen Nervenendigungen und führt zu einer Trans- Im Gehirn sind die Dopaminrezeptoren in unter-
mitterverarmung der Granula. Die Substanz wurde zur schiedlichen Regionen exprimiert, wobei die Expres-
Behandlung der essenziellen Hypertonie eingesetzt und sion oft überlappend ist. D1-Rezeptoren sind vornehm-
hat erhebliche zentralnervöse Nebenwirkungen. lich in Neuronen exprimiert, die dopaminerg innerviert
sind, d. h. in Striatum, limbischem System, Thalamus
Dopamin und Hypothalamus. D2-Rezeptoren haben ein ähnli-
Der Neurotransmitter Dopamin nimmt in der Pharma- ches Verteilungsmuster und sind in dopaminergen
kologie eine wichtige Stellung ein, da er in der Patho- Neuronen auch präsynaptisch anzutreffen, wo sie auf
physiologie einer Reihe von Erkrankungen wie Morbus den Axonterminalen als inhibitorische Autorezeptoren
Parkinson, Schizophrenie sowie bei endokrinen fungieren. D3-, D4- und D5-Rezeptoren finden sich im
Erkrankungen mit Hyperprolactinämie als Symptom Striatum und im limbischen System, wobei D4-Rezep-
eine zentrale Rolle spielt. Im Gehirn können vier dop- toren weniger hoch exprimiert sind und auch im Cor-
aminerge Systeme identifiziert werden: tex vorkommen.
󠀂 Das nigrostriatale System enthält etwa 75 % des Dop- Dopaminrezeptoren kommen auch in der Körperpe-
amins im Gehirn und besteht aus dopaminergen ripherie vor. Der D1-Rezeptor ist für die dopaminabhän-
Neuronen, die von der Substantia nigra ins Striatum gige Vasodilatation vor allem in der Niere verantwortlich
ziehen und die extrapyramidale Motorik steuern. und steigert die Nierenperfusion. In höherer Dosierung
󠀂 Das mesolimbische System umfasst dopaminerge wird die myokardiale Kontraktilität gesteigert.
Neurone, die von der Area tegmentalis ventralis des
Mittelhirns in das limbische System, insbesondere den Dopaminwirkungen. In der Körperperipherie dilatiert
Nucleus accumbens und die Amygdala, projizieren. Dopamin (Generika) in Dosierungen von 1–2 μg/kg KG/
󠀂 Das mesokortikale System projiziert von der Area min die Mesenterial- und Nierengefäße durch Stimulation
tegmentalis ventralis in den frontalen Cortex. von D1-Rezeptoren, woraus eine vermehrte Nierendurch-
󠀂 Das tuberoinfundibuläre System besteht aus blutung und gesteigerte Diurese resultieren. Bei Dosie-
Neuronen, die aus dem ventralen Hypothalamus in rungen von 2–10 μg/kg KG/min kommt es zusätzlich zu
die Eminentia mediana und die Hypophyse ziehen, einer Erregung von β-Rezeptoren mit Zunahme des Herz-
um dort die Hormonfreisetzung zu regulieren. minutenvolumens. Bei Dosierungen von mehr als 10 μg/
Die Synthese von Dopamin aus der Aminosäure Tyro- kg KG/min tritt durch Stimulation von α-Adrenozeptoren
sin ist in Ⴜ Abb. 2.4 dargestellt. In dopaminergen Neuro- zusätzlich eine periphere Vasokonstriktion auf, die in
nen fehlt das Enzym Dopamin-β-Hydroxylase, sodass Kombination mit dem erhöhten Herzminutenvolumen zu
der Transmitter Dopamin in den Speichervesikeln einem Anstieg des Blutdrucks führt.
akkumuliert. Dopamin ist die unmittelbare Vorstufe Bei längerer Anwendung nimmt die Wirkung wegen
der anderen Catecholamine Noradrenalin und Adrena- Desensibilisierung ab. Während Dopamin früher häu-
lin. Die Freisetzung und Speicherung des Dopamins fig bei Schockpatienten in der Intensivmedizin ange-
sind bei Adrenalin und Noradrenalin (s. o.) näher be- wendet wurde, hat es bei dieser Indikation wegen der
schrieben. Auslösung von Herzrhythmusstörungen sowie von im-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 59

႒ Tab. 2.5 Dopaminrezeptor-Subtypen und -Wirkungen


Rezeptor (Transduktion) Subtyp Vorkommen Effekte bei Stimulation

D1 D1 ZNS, Peripherie Gefäßdilatation, Nierenperfusion ↑,


Gs-gekoppelt, Adenylylcyclase ↑: cAMP ↑ postsynaptische Stimulation
D5 ZNS

D2 D2 ZNS prä- und postsynaptische Inhibition,


Gi/o-gekoppelt, K+-Kanäle ↑: Hyperpolarisation, Regulation der Hormonsekretion
Ca2+-Kanäle ↓: intrazelluläres Ca2+↓, D3 ZNS
Adenylylcyclase ↓: cAMP ↓,
D4 ZNS
PLC ↑ (Kontext-abh.): IP3/DAG/Ca2+ ↑

munsuppressiven Wirkungen zunehmend an Bedeu- gie des Morbus Parkinson bedeutsam ist (Ⴉ Kap. 21).
tung in der Schocktherapie verloren. Durch den Niedergang dopaminerger Neurone in der
Das strukturverwandte Dobutamin (Generika, Substantia nigra bleibt die Dopaminwirkung im Stria-
Ⴜ Abb. 2.8) vermittelt seine Wirkungen nicht über Do- tum aus, sodass die klassischen motorischen Symptome
paminrezeptoren. Die positive Inotropie erklärt sich resultieren. Dies erklärt auch die häufigste Nebenwir-
durch die agonistische Wirkung an kardialen β1-Rezep- kung zahlreicher Antipsychotika, die neben dem D2-Re- 2
toren, wodurch es zu positiver Chronotropie und Kon- zeptor-Antagonismus im mesolimbischen System auch
traktilitätssteigerung mit Anstieg des Herzminuten- D2-Rezeptoren im nigrostriatalen System blockieren.
volumens kommt. Dobutamin besitzt ferner eine ago- Im ZNS aktiviert Dopamin das Belohnungssystem
nistische Wirkung an β2- und – in geringerem Maß und kann beim Menschen euphorische Gefühle hervor-
– α1-Rezeptoren in der Peripherie. Der systemische rufen. Daher spielt Dopamin beim Suchtverhalten eine
Gefäßwiderstand, bei höheren Dosen auch der pulmo- wichtige Rolle. Die Dopaminwirkungen in den meso-
nale Gefäßwiderstand, nehmen ab. Bei kardiogenem limbischen und mesokortikalen Systemen beeinflussen
Schock (Ⴉ Kap. 29.1.3) ist das Mittel der 1. Wahl Dobut- direkt Denken, Emotionen und Verhalten. Gesteigerte
amin. Bei kontinuierlicher Gabe kommt es nach etwa 2 Aktivität in diesen Systemen ist charakteristisch für die
Tagen wie bei Dopamin durch Desensibilisierung zu Schizophrenie und äußert sich in Affekt- und Denkstö-
einer Wirkungsabschwächung. rungen sowie Halluzinationen. Somit lässt sich zumin-
Im ZNS lassen sich die vielfältigen Effekte im Großen dest teilweise die therapeutische Wirkung von Antipsy-
und Ganzen den verschiedenen dopaminergen Syste- chotika durch Antagonismus an Dopaminrezeptoren
men zuordnen. der D2-Familie erklären.
󠀂 Das nigrostriatale System ist für die motorische Im tuberohypophysären System steuert Dopamin,
Kontrolle verantwortlich. das aus dem Thalamus freigesetzt wird, die Hormonse-
󠀂 Die mesolimbischen und mesokortikalen Systeme kretion der Hypophyse, vor allem des Prolactins, da es
beeinflussen Verhalten und Empfinden. als „Prolactin-Inhibiting-Hormon“ wirkt. Diese Regu-
󠀂 Das tuberohypophysäre System ist an der endokri- lation ist klinisch relevant, da die Therapie mit vielen
nen Kontrolle beteiligt. Antipsychotika durch Hemmung von D2-Rezeptoren
Dopamin spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung der zu einer Hyperprolactinämie mit nachfolgender Galak-
extrapyramidalen Motorik, was für die Pathophysiolo- torrhö auch beim Mann führen kann. Da Prolactin
auch die Freisetzung der Gonadotropine LH und FSH
aus der Hypophyse hemmt, geht eine Hyperprolactin-
HO NH2 ämie bei der Frau mit Ovulationsstörungen, Amenor-
rhö und Infertilität einher.
HO
O D2-Rezeptoren werden auch in der Chemorezeptor-
Dopamin Triggerzone in der Medulla oblongata exprimiert und
sind an der Initiierung des Brechreizes beteiligt. Des-
OH halb haben nahezu alle Dopaminrezeptor-Agonisten
H und Dopamin selbst eine emetische Wirkung, während
HO N
Dopaminrezeptor-Antagonisten antiemetisch wirken.
CH3
HO
An Dopaminrezeptoren angreifende Wirkstoffe
Dobutamin Eine zentrale Komponente der Pharmakotherapie des
Morbus Parkinson sind dopaminerge Agonisten. Es wird
Ⴜ Abb. 2.8 Strukturformeln: Dopamin und Dobutamin zwischen Ergot-Derivaten wie z. B. Bromocriptin, Caber-
60 2 Pharmakodynamik

golin, Lisurid und Non-Ergot-Derivaten wie Pramipexol, GABA-Rezeptoren. GABA übt seine Wirkung an zwei
Ropinirol, Piribedil unterschieden (Ⴉ Kap. 21.2.4). Ferner unterschiedlichen Rezeptortypen aus:
kommen Dopamin-Agonisten im Rahmen der Therapie 󠀂 GABAA-Rezeptoren sind ligandengesteuerte Ionen-
der Hyperprolactinämie und des Restless-Legs-Syndroms kanäle der Cys-loop-Familie (Ⴜ Abb. 2.38),
zum Einsatz. 󠀂 GABAB-Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelte Re-
Dopaminerge Antagonisten werden als klassische zeptoren der Klasse C (Ⴉ Kap. 2.2.1).
Antipsychotika (z. B. Fluphenazin, Haloperidol, Perphe- GABAA-Rezeptoren sind Proteinkomplexe, die sich aus
nazin) eingesetzt. Allerdings blockieren die Antipsycho- 5 Untereinheiten zusammensetzen, die die Plasmamem-
tika (Ⴉ Kap. 9) nicht ausschließlich Dopaminrezeptoren, bran jeweils 4-mal durchspannen. Insgesamt wurden 19
vor allem D2- und D3-Rezeptoren, sondern je nach Prä- verschiedene Untereinheiten identifiziert (6α, 3β, 3γ,
parat viele weitere Neurotransmitterrezeptoren wie 1δ, 1ε, 1π, 1θ und 3ρ), aus denen sich eine große Zahl
Serotonin-, H1-Histamin-, muscarine und α1-adrenerge möglicher Kombinationen theoretisch ableiten lässt,
Rezeptoren. Allerdings besteht ein direkter Zusammen- die im nativen Gewebe aber nicht alle nachweisbar sind.
hang zwischen der antipsychotischen Wirkung und der Ein Pentamer setzt sich in der Regel aus zwei α-, zwei
Potenz an D2-Rezeptoren. Diese Beobachtung unter- β- und einer γ-Untereinheit zusammen und die häu-
stützt die Hypothese, dass bei Schizophrenie eine Über- figste Kombination besteht aus α1β2γ2. Die verschiede-
aktivität im mesolimbischen und mesokortikalen System nen Untereinheiten sind kreisförmig mit der Sequenz
vorherrscht. Allerdings werden auch wichtige Neben- α-β-α-β-γ (von außerhalb der Zelle betrachtet) um eine
wirkungen wie die extrapyramidal-motorischen Symp- zentrale Kanalpore angeordnet. Die GABA-Bindestelle
tome (EPS) über D2-Rezeptoren vermittelt. Bei den liegt jeweils zwischen der α- und β-Untereinheit,
hochpotenten klassischen Antipsychotika ist daher das während die Benzodiazepin-Bindungstasche von den
Risiko für EPS und Hyperprolactinämie besonders hoch. α- und γ-Untereinheiten gebildet wird, sodass Benzo-
Eine weitere Indikation für den Einsatz dopaminerger diazepine als allosterische Modulatoren des GABAA-
Antagonisten ist Übelkeit und Erbrechen. Durch den Ant- Rezeptor-Komplexes wirken. Die verschiedenen α-Un-
agonismus am D2-Rezeptor haben klassische Antipsycho- tereinheiten bestimmen differenziell das Wirkprofil
tika wie z. B. Haloperidol und Droperidol, aber auch Pro- von Benzodiazepinen (Ⴉ Kap. 12.2.1). Daraus ergibt
kinetika wie Metoclopramid und Domperidon eine anti- sich die Möglichkeit, neuartige Substanzen mit selekti-
emetische Wirkung. Wie zu erwarten, kann auch bei ven Benzodiazepinwirkungen und weniger un-
dieser Indikation EPS auftreten (Ⴉ Kap. 52). erwünschten Wirkungen zu entwickeln.
GABAA-Rezeptoren sind primär postsynaptisch lo-
2.1.2 Neurotransmitter – Aminosäuren kalisiert und zwar sowohl direkt in der postsynap-
Gamma-Aminobuttersäure tischen Membran als auch außerhalb der Synapse. Sie
Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist der wichtigste vermitteln schnelle (Lokalisation innerhalb der Sy-
inhibitorische Neurotransmitter im Gehirn. Im Hirn- napse) und tonische (Lokalisation außerhalb der
stamm und im Rückenmark kommt Glycin ebenfalls Synapse) postsynaptische Inhibition. Extrasynaptische
eine wichtige inhibitorische Rolle zu. GABA kommt vor GABAA-Rezeptoren enthalten α4/6- und δ-Unterein-
allem im Gehirn und dort in höchster Konzentration heiten und reagieren sensitiv auf Allgemeinanästhetika
im nigrostriatalen System vor. Es wird aus der Amino- (Ⴉ Kap. 18) und Alkohol.
säure Glutamat durch das Enzym Glutamat-Decarb- Der GABAA-Rezeptor funktioniert als Chloridkanal.
oxylase (GAD) gebildet, das einen Marker GABAerger Da das Cl–-Gleichgewichtspotenzial in Neuronen nega-
Neurone im Gehirn darstellt. Etwa 20 % aller ZNS- tiver als das Ruhemembranpotenzial ist, führt eine Li-
Neurone sind GABAerg, die meisten von ihnen inhibi- ganden-induzierte Erhöhung der Cl–-Leitfähigkeit zu
torische Interneurone. GABA fungiert in etwa 30 % einem Einstrom von Cl–-Ionen und zur Hyperpolarisa-
aller Synapsen des ZNS als Neurotransmitter und na- tion des Neurons, wodurch seine Erregbarkeit herabge-
hezu alle Neurone reagieren auf seinen inhibitorischen setzt wird.
Effekt. GABAB-Rezeptoren gehören zu den metabotropen
Neurotransmitterrezeptoren und sind prä-, postsynap-
tisch lokalisiert, koppeln Gi/o-Proteine, aktivieren Ka-
O
liumkanäle und hemmen neuronale spannungsabhän-
NH2
O
HO gige Ca2+-Kanäle sowie Adenylylcyclasen. Sie sind also
klassische inhibitorische G-Protein-gekoppelte Rezep-
GABA toren mit gleichem Wirkungsmechanismus wie M2-
muscarine und D2-Dopaminrezeptoren.
Ⴜ Abb. 2.9 Strukturformel: γ-Aminobuttersäure (gamma- Ein funktioneller GABAB-Rezeptor ist ein Dimer aus
aminobytyric acid, GABA) zwei Untereinheiten, GABAB1 und GABAB2. Vier Iso-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 61

die bei vielen Indikationen eingesetzt werden. Ihr Wir-


extrazellulär kungsmechanismus ist der von positiven allosterischen
Modulatoren (PAM), die die Bindung und Wirkung des
GABAB1 GABAB2 endogenen Neurotransmitters GABA am Rezeptor ver-
stärken. Weitere allosterische Modulatoren sind Allge-
GABA, Agonisten, meinanästhetika wie Propofol und Barbiturate (z. B.
Antagonisten
Thiopental, Ⴉ Kap. 18.2.1) sowie Alkohol. Barbiturate
allosterische
N Modulatoren haben ihre frühere Bedeutung als Schlaf- und Beruhi-
Ca2+ + N
AC gungsmittel verloren und dürfen bei Schlafstörungen
und zur Sedierung nicht mehr eingesetzt werden. Sie
αβ α haben eine geringe therapeutische Breite und die
γβ γβ K+ γ Gi/o Nebenwirkungen sind vielfältig: rasche Toleranzent-
cAMP
C C wicklung, hohes Abhängigkeitspotenzial, zentrale
Atemlähmung. Auch Neurosteroide können die
GABAA-Rezeptorfunktion positiv beeinflussen. δ-Un-
intrazellulär tereinheiten enthaltende Rezeptorkomplexe scheinen
besonders sensitiv gegenüber Steroiden zu sein. Als
Ⴜ Abb. 2.10 Aktivierungsmechanismus und Signalüber- synthetisches Neurosteroid wurde Alphaxalon als An-
tragung des GABAB-Rezeptors
2
ästhetikum entwickelt und wird in der Veterinärmedi-
zin als solches eingesetzt.
formen der GABAB1-Untereinheit wurden molekular Darüber hinaus gibt es noch einige experimentelle
kloniert. Die beiden am häufigsten vorkommenden Substanzen wie Muscimol (GABAA-Rezeptor-Agonist),
Formen sind GABAB1a und GABAB1b. Sie unterscheiden Gaboxadol (Partialagonist) und Bicucculin (spezifi-
sich in ihrer Extrazellulärdomäne und entstehen durch scher GABAA-Rezeptor-Antagonist). Picrotoxin blo-
Nutzung alternativer Transkriptions-Initiationsstellen. ckiert den Cl–-Kanal des GABAA-Rezeptors.
Die durch den intrazellulären C-Terminus vermittelte Am GABAB-Rezeptor ist Baclofen ein Agonist und
GABAB1/GABAB2-Interaktion maskiert ein GABAB1- wird ausschließlich als zentrales Muskelrelaxans einge-
Retentionsmotif für den Verbleib im endoplasmati- setzt. Einige experimentelle Substanzen (z. B. 2-Hy-
schen Retikulum und erlaubt damit die Expression des droxybaclofen) verhalten sich als GABAB-Rezeptor-
dimeren Rezeptorkomplexes in der Plasmamembran. Antagonisten.
Auch die Aktivierung und Signalgebung der GABAB- 4-Hydroxybuttersäure (auch 4-Hydroxybutansäure,
Rezeptoren setzt ein enges Zusammenspiel der Unter- Ⴉ Kap. 18.2.5) kommt natürlicherweise als Seitenprodukt
einheiten voraus. Die Ligandenbindung erfolgt im ex- der GABA-Synthese im Gehirn vor. Es wird zur Narko-
trazellulären N-Terminus der GABAB1-Untereinheit lepsietherapie und zur Erzeugung eines Schlafzustands
mittels einer Venusfliegenfallen-Domäne, die man auch während und nach Operationen eingesetzt. Seit einigen
z. B. in metabotropen Glutamatrezeptoren oder im Jahren wird 4-Hydroxybuttersäure (γ-Hydroxybutter-
Ca2+-sensitiven Rezeptor wiederfindet, und bewirkt säure, GHB) auch illegal (missbräuchlich) als sog. K.-o.-
durch eine Konformationsänderung die Aktivierung Tropfen und Liquid Ecstasy (chemisch und pharmako-
des GABAB2-Partnerproteins, das nachfolgend G-Pro- logisch hat sie allerdings nichts mit Ecstasy gemeinsam)
teine aktiviert und das Signal in die Zelle weiterleitet verwendet. Die orale Lösung unterliegt deshalb dem Be-
(Ⴜ Abb. 2.10). Die Signalgebung kann durch allosteri- täubungsmittelgesetz, das parenteral applizierte Han-
sche Modulatoren beeinflusst werden, die wie im Fall delspräparat ist dagegen nur verschreibungspflichtig.
des GABAA-Rezeptors mit einer anderen Bindestelle als
GABA im Rezeptorkomplex interagieren. Die Komple- Glutaminsäure
xität der GABAB-Rezeptoren wird durch interagierende L -Glutaminsäure ist der wichtigste exzitatorische
intrazelluläre Transport- und Effektorproteine weiter Neurotransmitter im ZNS und beeinflusst Sinneswahr-
gesteigert, die die Signalkinetik und die Potenz von nehmungen und Motorik ebenso wie Lernvorgänge und
Agonisten modulieren. Gedächtnis (Ⴜ Abb. 2.11). Als zentraler Baustein des
Proteinstoffwechsels, kann Glutamat aus verschiedenen
An GABA-Rezeptoren angreifende Wirkstoffe. GABAA- Stoffwechselwegen bereitgestellt werden. In glutamater-
Rezeptoren sind wichtige Zielstrukturen für eine Reihe gen Nervenendigungen wird der Aminosäure-Trans-
zentral wirkender Substanzen. Benzodiazepine mitter mithilfe des vesikulären Glutamattransporters
(Ⴉ Kap. 12.2.1) wie z. B. Diazepam, Oxazepam oder Mi- (VGluT) mit der Triebkraft des Protonengradienten
dazolam sind wirksame Sedativa/Hypnotika, Anxioly- über die Vesikelmembran in synaptische Vesikel aufge-
tika, Antikonvulsiva und zentrale Muskelrelaxanzien, nommen und durch Ca2+-abhängige Exozytose auf
62 2 Pharmakodynamik

sammen im selben Neuron exprimiert, während Kai-


O O
natrezeptoren ein engeres Expressionsprofil haben.
HO OH NMDA-Rezeptoren weisen eine Reihe von Besonder-
NH2 heiten auf:
Glutaminsäure 󠀂 Am Ruhemembranpotenzial sind sie durch einen
spannungsabhängigen Block durch intrazelluläres
Mg2+ charakterisiert. Durch Depolarisation wird
Ⴜ Abb. 2.11 Strukturformel: Glutaminsäure
diese Blockade aufgehoben. Der NMDA-Rezeptor
einen elektrischen Stimulus hin in den synaptischen ist daher der Prototyp eines Koinzidenz-Detektors,
Spalt freigesetzt. Zur Beendigung seiner Wirkung wird der zwei Stimuli (Glutamat und Depolarisation) für
der Transmitter durch einen Na+/H+/K+-abhängigen seine volle Aktivierung benötigt.
Transporter in die Nervenendigung und in benachbarte 󠀂 Sie sind hochpermeabel für Ca2+-Ionen und vermit-
Astrozyten aufgenommen. teln nach Aktivierung einen deutlichen Ca2+-Ein-
strom.
Glutamatrezeptoren. Glutamat aktiviert sowohl iono- 󠀂 NMDA-Rezeptoren besitzen eine Strychnin-insen-
trope als auch metabotrope Rezeptoren. sitive allosterische Bindungsstelle für Glycin, das die
󠀂 Auf pharmakologischer Grundlage können drei Wirkung von NMDA und Glutamat potenziert.
Subtypen ionotroper Glutamatrezeptoren unter- d-Serin, das aus Astrozyten freigesetzt wird, vermag
schieden werden: NMDA-, AMPA- und Kainat-Re- den NMDA-Rezeptor über die Glycin-Bindungs-
zeptoren. Die Nomenklatur beruht auf den prototy- stelle zu aktivieren.
pischen Agonisten N-Methyl-d-Aspartat, α-Amino- 󠀂 Endogene Polyamine wie Spermin und Spermidin
3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionic acid und kontaktieren eine weitere, von der des Glycins ver-
Kainsäure (Kainat). schiedene allosterische Bindungsstelle, um den
󠀂 Metabotrope Glutamatrezeptoren umfassen 8 Re- Kanal zu aktivieren.
zeptorproteine, die aufgrund ihrer Primärsequenz, 󠀂 Der Rezeptor besitzt Bindungsstellen für Sub-
pharmakologischer Eigenschaften und ihrer Signal- stanzen wie das Kurznarkotikum Ketamin
transduktion drei Gruppen zugeordnet werden. (Ⴉ Kap. 18.2.4) oder das Rauschmittel Phencyclidin,
Insgesamt sind 16 verschiedene Untereinheiten iono- die selektive Blocker des NMDA-Kanals sind. Ähn-
troper Glutamatrezeptoren identifiziert. NMDA-Re- liche Eigenschaften haben auch Amantadin und Bu-
zeptoren umfassen 7 Subtypen: GluN1, GluN2A, dipin, die bei der Behandlung des Morbus Parkin-
GluN2B, GluN2C, GluN2D, GluN3A, GluN3B. Die son eingesetzt werden (Ⴉ Kap. 21.2.6, Ⴉ Kap. 21.2.7).
AMPA-Rezeptor-Familie besteht aus 4 (GluA1–4), die Die 8 metabotropen Glutamatrezeptoren gehören zur
Kainat-Familie aus 5 Untereinheiten (GluK1–5). Die Klasse C der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und
Glutamatrezeptoren unterscheiden sich von der Familie funktionieren als Homo- oder Heterodimere, da eine
der pentameren Cys-loop-Proteine, zu denen nicotini- Disulfidbrücke jeweils zwei Extrazellulärdomänen mit-
sche Acetylcholin-, 5-HT3- sowie GABAA- und Glycin- einander verknüpft. Ähnlich wie im Fall der metabotro-
rezeptoren gehören, durch ihre Membrantopologie und pen GABA-Rezeptoren erfolgt die Ligandenbindung im
die Zusammensetzung funktioneller Kanalkomplexe. extrazellulären N-Terminus mittels einer Venusfliegen-
Die Peptidkette jeder Untereinheit ionotroper Gluta- fallen-Domäne. Die drei Gruppen setzen sich folgen-
matrezeptoren durchzieht die Plasmamembran 3-mal dermaßen zusammen:
– und nicht 4-mal wie im Fall der Cys-loop-Proteine – 󠀂 Gruppe 1 besteht aus mGlu1 und mGlu5, die an Gq-
und hat eine Porenschlaufe (pore loop) zwischen den Proteine koppeln und über PLC-Aktivierung einen
Transmembranregionen 1 und 2. Im Kanalkomplex bil- intrazellulären Ca2+-Transienten auslösen.
den die Glutamatrezeptor-Untereinheiten ein Tetramer 󠀂 Gruppe 2 setzt sich aus mGlu2 und mGlu3 zusam-
(und nicht ein Pentamer) in homo- oder heteromerer men, die an Gi/o-Proteine koppeln und Kaliumka-
Zusammensetzung, die die physiologischen und phar- näle aktivieren sowie neuronale spannungsabhän-
makologischen Eigenschaften bestimmt. gige Ca2+-Kanäle und Adenylylcyclasen hemmen.
AMPA-Rezeptoren und in einigen Hirngebieten Sie sind also klassische inhibitorische G-Protein-ge-
Kainatrezeptoren sind für die rasche exzitatorische sy- koppelte Rezeptoren.
naptische Übertragung verantwortlich. NMDA-Rezep- 󠀂 mGlu4, mGlu6, mGlu7 und mGlu8 bilden Gruppe 3
toren steuern eine langsame Komponente zum postsy- und koppeln ebenfalls an Gi/o-Proteine. mGlu6
naptischen Potenzial bei. AMPA-Rezeptoren sind so- wurde bisher lediglich in der Retina gefunden.
wohl auf Neuronen als auch auf Astrozyten exprimiert. Die metabotropen Glutamatrezeptoren sind im Gehirn
NMDA- und AMPA-Rezeptoren sind in der Hirnrinde, weit verbreitet. Gruppe-1-Rezeptoren sind im Wesent-
den Basalganglien und in sensorischen Systemen oft zu- lichen postsynaptisch lokalisiert und haben eine exzita-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 63

torische Wirkung, in dem sie die intrazelluläre Ca2+- Der Glycinrezeptor ist ein ligandengesteuerter Ionen-
Konzentration erhöhen. Die metabotropen Rezeptoren kanal, der dem GABAA-Rezeptor ähnelt und als Cl–-Ka-
der Gruppen 2 und 3 sind präsynaptisch lokalisiert und nal zur Familie der pentameren Cys-loop-Proteine ge-
reduzieren als inhibitorische Rezeptoren die neuronale hört. Metabotrope Glycinrezeptoren gibt es nicht. Fünf
Erregbarkeit. Als Autorezeptoren auf glutamatergen α- und eine β-Untereinheit sind bekannt und die Rezep-
Nervenendigungen inhibieren sie die Transmitterfrei- torkomplexe setzen sich aus fünf homomeren α-Unter-
setzung. einheiten oder aus α/β-Heteromeren zusammen. Die
Bindestelle für Glycin und Strychnin befindet sich auf der
An Glutamatrezeptoren angreifende Wirkstoffe. Wie α-Untereinheit. Glycinrezeptoren sind an der Regulation
bereits erwähnt, weist der NMDA-Rezeptor Bindungs- des Atemrhythmus, an der motorischen Kontrolle und
stellen für das Kurznarkotikum Ketamin auf, das gut der Regulation des Muskeltonus sowie an der Verarbei-
analgetisch wirkt und zur Narkoseeinleitung, bei kurz- tung von Schmerzsignalen beteiligt. Spezifisch wirkende
dauernden und hier vor allem bei sehr schmerzhaften Pharmaka am Glycinrezeptor gibt es bisher nicht.
Eingriffen (z. B. bei Verbrennungen) sowie in der Not- Tetanustoxin ist wie die Botulinumtoxine ein clos-
fall- und Katastrophenmedizin bei Massenverletzungen tridiales Neurotoxin, das als Zink-Endopeptidase be-
indiziert ist (Ⴉ Kap. 18.2.4). stimmte Exozytoseproteine (sog. SNARE-Proteine,
Memantin ist ein unkompetitiver Antagonist an Ⴜ Abb. 91.11) spaltet und damit die Neurotransmission
NMDA-Rezeptoren, der zur Behandlung der modera- unterbindet. Tetanustoxin hemmt im Rückenmark die 2
ten bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen ist Glycinfreisetzung aus inhibitorischen Interneuronen.
(Ⴉ Kap. 22.2.2). Dies führt zu einer Übererregbarkeit der Motoneurone
Als nichtkompetitiver AMPA-Rezeptor-Antagonist und dem klinischen Bild des Wundstarrkrampfs.
wurde Perampanel zugelassen, das als Antiepileptikum Glycin wird mithilfe zweier Transporter, GlyT1 und
zum Einsatz kommt (Ⴉ Kap. 20.2.4). GlyT2, aus dem synaptischen Spalt entfernt. Während
Die Entwicklung selektiver Antagonisten an meta- GlyT2 auf Glycin-Neuronen lokalisiert ist, befindet sich
botropen Glutamatrezeptoren hat sich als schwierig er- GlyT1 vornehmlich auf Astrozyten.
wiesen und bisher noch nicht zur Zulassung von Medi-
kamenten geführt. Auch die Entwicklung von Agonis- β-Alanin, Asparaginsäure, Cystein, Taurin
ten und positiven allosterischen Modulatoren von Weitere Aminosäuren, die als Neurotransmitter fungie-
Glutamatrezeptoren befindet sich trotz vielverspre- ren, sind β-Alanin, Asparaginsäure, Cystein und Taurin.
chender Indikationen zurzeit noch im experimentellen
Stadium. Zahlreiche experimentelle Antagonisten, β-Alanin. β-Alanin (Ⴜ Abb. 2.13) kommt natürlicher-
Agonisten sowie positive und negative allosterische weise im ZNS vor und erfüllt die klassischen Kriterien
Modulatoren stehen zur Verfügung. eines Neurotransmitters. Die Aminosäure wird nach
elektrischer Stimulation in einem Ca2+-abhängigen
Glycin Prozess synaptisch freigesetzt und inhibiert die neuro-
Die Aminosäure Glycin (Ⴜ Abb. 2.12) ist ein wichtiger nale Erregbarkeit. Die pharmakologischen Effekte und
inhibitorischer Neurotransmitter im Hirnstamm und das Verteilungsmuster des β-Alanins in Gehirn und Rü-
im Rückenmark, wo er vor allem die Motoneurone des ckenmark entsprechen den Eigenschaften des Glycins.
Vorderhorns hemmt. Strychnin hemmt als kompetiti- Die Effekte werden aber nicht primär über Glycinrezep-
ver Antagonist die Glycinwirkung an seinem Rezeptor. toren vermittelt und es werden weitere Angriffspunkte
Es kommt zu einer verstärkten Exzitation von Rücken- an GABA- und NMDA-Rezeptoren diskutiert.
marksneuronen mit Muskelzittern, schweren Krämpfen In den letzten Jahren hat β-Alanin vor allem als Nah-
und Atemnot bei Vergiftung (Ⴉ Kap. 91.7.1). Am rungsergänzungsmittel zur Stimulation des Muskelauf-
NMDA-Rezeptor wirkt Glycin neben dem eigentlichen baus und zur Verhinderung des Muskelabbaus im Alter
Agonisten Glutaminsäure durch Andocken an eine spe- Verbreitung gefunden. Erwünschte und unerwünschte
zielle Glycin-Bindestelle stimulierend. Wirkungen dieser Supplementation sind noch nicht ab-
schließend beurteilbar.

O O
H2N
OH H2N OH

Glycin β-Alanin

Ⴜ Abb. 2.12 Strukturformel: Glycin Ⴜ Abb. 2.13 Strukturformel: β-Alanin


64 2 Pharmakodynamik

O
In Kombination mit Coffein ist Taurin in hoher Kon-
zentration in Energydrinks vorhanden. Da Taurin im
O
OH Gehirn eher dämpfend wirkt, könnte es für die beruhi-
OH NH2 gende Wirkung nach dem Abklingen der erregenden
Coffein-Effekte verantwortlich sein.
Asparaginsäure
2.1.3 Neurotransmitter – Purine
Ⴜ Abb. 2.14 Strukturformel: Asparaginsäure Purin-Nucleoside und -Nucleotide (Ⴜ Abb. 2.17) spielen
eine entscheidende Rolle in der DNA- und RNA-Syn-
O
these und im Energiestoffwechsel der Zelle. ATP ist
nicht nur zentraler Energieträger, sondern im zentralen
HO SH und peripheren Nervensystem auch Neurotransmitter.
NH2 In der Körperperipherie sind purinerge Signalmecha-
Cystein nismen an vielen Regulationsprozessen, wie der Kon-
trolle des koronaren Blutflusses und der Myokardfunk-
tion sowie der Thrombozytenaggregation und der Im-
Ⴜ Abb. 2.15 Strukturformel: Cystein
munantwort, beteiligt.
O O
Purinerge Rezeptoren. Die biologischen Wirkungen
S
HO
O NH2 der Purine werden durch drei Klassen von Rezeptoren
vermittelt (႒ Tab. 2.6):
Taurin
󠀂 Adenosinrezeptoren (auch P1-Rezeptoren genannt)
sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren,
Ⴜ Abb. 2.16 Strukturformel: Taurin

Asparaginsäure. In bestimmten Regionen des Gehirns NH2


scheint Asparaginsäure (Ⴜ Abb. 2.14) eine ähnliche Rolle N N
als exzitatorischer Neurotransmitter zu spielen wie Glu- O O O
tamat. Obwohl Aspartat agonistische Wirkungen am N N
HO P O P O P O O
NMDA-Rezeptor hat, reicht für die Aktivierung von
OH OH OH
NMDA-Rezeptoren an hippocampalen Synapsen Gluta-
mat allein aus. Insgesamt ist die Rolle von Aspartat als HO OH
Neurotransmitter noch weitgehend unverstanden. Adenosintriphosphat

Cystein. Eine Rolle als exzitatorischer Neurotransmit- NH2


ter wurde auch für Cystein (Ⴜ Abb. 2.15), Homocystein N N
und Homocysteinsäure postuliert. Homocystein wurde O O
zudem u. a. mit Arteriosklerose, Depressionen und an- N N
HO P O P O O
deren Erkrankungen (z. B. Makuladegeneration) in
OH OH
Verbindung gebracht. Die Wirkung einer Senkung des
Homocystein-Plasmaspiegels durch Gabe eines Vita- HO OH
min-B-Komplexes (Ⴉ Kap. 90.2.5) wird derzeit klinisch Adenosindiphosphat
untersucht.
NH
N 2

Taurin. Taurin (2-Aminoethansulfonsäure) entsteht im N N


O
Stoffwechsel als Abbauprodukt der Aminosäure Cystein
N N
und ist im Gastrointestinaltrakt an der Bildung von Gal- HO P O O
lensäurenkonjugaten beteiligt (Ⴜ Abb. 2.16). Ferner wird OH
eine Rolle als Neurotransmitter sowie als trophischer und
HO OH
neuroprotektiver Faktor im ZNS diskutiert. Taurin kann
zur Hyperpolarisation und reduzierter Erregbarkeit von Adenosinmonophosphat
Neuronen beitragen. Dieser Effekt wird durch eine ago-
nistische Wirkung an Glycin- und extrasynaptischen Ⴜ Abb. 2.17 Strukturformeln: Adenosintriphosphat (ATP),
GABAA-Rezeptoren vermittelt. Die Hauptwirkung von Adenosindiphosphat (ADP) und Adenosinmonophosphat
Taurin im Gehirn ist daher inhibitorisch und dämpfend. (AMP)
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 65

󠀂 metabotrope P2Y-Rezeptoren sind ebenfalls G-Pro- von Na+ und Ca2+ in die Zelle mit nachfolgender
tein-gekoppelt, Depolarisation und Aktivierung Ca2+-abhängiger
󠀂 ionotrope P2X-Rezeptoren sind trimere (auch hete- Signalwege.
rotrimere) liganden-(ATP-)gesteuerte Kationenka-
näle; nach ATP-Bindung kommt es zum Einstrom

႒ Tab. 2.6 Purinerge Rezeptoren


Rezeptor- Signalweg Liganden Expression Funktion
Subtyp

Adenosinrezeptoren (P1)

A1 Gi/o Ag: Adenosin, Nervensystem, Herz, Ge- Sedation, Schmerzempfindung


Ant: Coffein, Theophyllin fäße, Thrombozyten
(Methylxanthine)
A2A Gs ZNS, Lunge, Immunzellen Entzündung, extrapyramidale
Motorik
A2B Gs

A3 Gi/o, Gq ZNS, Herz, Immunzellen Entzündung, Immunabwehr 2


Metabotrope P2Y-Rezeptoren

P2Y1 Gq Ag: ADP > ATP, Nervensystem, Herz, Ge- Vasokonstriktion, Thrombozyten-
Ant: Suramin fäße, Thrombozyten aggregation

P2Y2 Gq Ag: UTP > ATP, ZNS, Epithelien, Endothe- Cl–- und Schleimsekretion, Vaso-
Ant: Suramin lien dilatation

P2Y4 Gq Ag: UTP > ATP (Partial- ZNS, Epithelien, Endothe- Cl–- und Schleimsekretion, Vaso-
agonist), lien dilatation
Ant: ATP

P2Y6 Gq Ag: UDP >> UTP > ADP, Niere, Epithelzellen, Im- Natriurese
Ant: Suramin munzellen

P2Y11 G s , Gq Ag: ATP, ZNS, Milz, Darm Immunabwehr


Ant: Suramin

P2Y12 Gi/o Ag: ADP, Nervensystem, Herz, Ge- Vasokonstriktion, Thrombozyten-


Ant: Cangrelor, Ticagrelor fäße, Thrombozyten aggregation

P2Y13 Gi/o Ag: ADP >> ATP, Nervensystem, Herz, Ge- Vasokonstriktion, Thrombozyten-
Ant: 2MeSAMP fäße, Thrombozyten aggregation

P2Y14 Gi/o Ag: UDP, Immunzellen, Knochen- Immunabwehr


Ant: 2-Thio-UDP mark, Plazenta

Ionotrope P2X-Rezeptoren

P2X1 liganden- Ag: ATP, ZNS, peripheres Nerven- Neurotransmission, Schmerzper-


gesteuerte Ant: Suramin system, glatte Muskulatur zeption
P2X2 Kationen-
kanäle
P2X3

P2X4

P2X5

P2X6

P2X7

Ag Agonisten, Ant Antagonisten


66 2 Pharmakodynamik

Adenosin. Extrazelluläres Adenosin stammt zum einen Der selektive A2A-Rezeptor-Agonist Regadenoson
direkt aus intrazellulären Quellen, zum anderen durch ist als Diagnostikum zum pharmakologischen Stresstest
Hydrolyse aus freigesetztem ATP oder ADP durch Nu- bei Untersuchungen der Myokardperfusion bei Er-
cleotidasen. Extrazelluläres Adenosin kann durch equi- wachsenen zugelassen. Die Substanz ist ein koronarer
librierende Nukleosidtransporter, z. B. ENT1, in die Vasodilatator und simuliert so die Auswirkungen kör-
Zelle aufgenommen werden. Die Inaktivierung von perlicher Anstrengung.
Adenosin zu Inosin erfolgt durch das Enzym Adeno- Dipyridamol blockiert die Adenosin-Aufnahme in
sin-Desaminase. die Zelle, erhöht damit seine extrazelluläre Konzentra-
Im Herz inhibiert Adenosin die Schrittmacherakti- tion und kommt als vasodilatierendes Medikament
vität des Herzens und die AV-Überleitung. In der Lunge zum Einsatz (Ⴉ Kap. 37.3).
hat Adenosin über den A2A-Rezeptor einen protektiven Das Methylxanthin Theophyllin wird als Broncho-
und antiinflammatorischen Effekt. Vermittelt durch spasmolytikum beim Asthma bronchiale eingesetzt
den A1-Rezeptor bewirkt Adenosin beim Asthma bron- (Ⴉ Kap. 42.3.1). In hohen Konzentrationen hemmt es
chiale eine vermehrte Mukusproduktion, Bronchokon- Phosphodiesterasen, welche cyclische Nucleotide spal-
striktion, Leukozytenaktivierung und Mastzell-Degra- ten, und führt so zu erhöhten intrazellulären Konzen-
nulation, zu der auch der A2B-Rezeptor beiträgt. Im trationen von cAMP und cGMP. Darüber hinaus wirkt
ZNS haben der A1- und der A2A-Rezeptor einen hem- Theophyllin als Antagonist an Adenosinrezeptoren,
menden Effekt auf Neurone. deren Stimulation zu Bronchokonstriktion und Hist-
aminfreisetzung führt. Wegen ausgeprägten kardialen
ADP. In Thrombozyten wird ADP und ATP in hohen Nebenwirkungen (Herzrhythmusstörungen) findet
Konzentrationen in Vesikeln gespeichert. Freigesetztes Theophyllin in den neuesten Leitlinien zur Asthmathe-
ADP bewirkt die Aggregation der Blutplättchen durch rapie keine Berücksichtigung mehr.
Aktivierung der P2Y1- und P2Y12-Rezeptoren. Die stimulierende Wirkung von Coffein und Theo-
phyllin im ZNS wird durch Antagonisierung zentral
ATP. Die wichtigsten Rezeptoren für ATP gehören zur dämpfender A1- und A2A-Rezeptoren vermittelt.
P2X-Familie. Die Bindung von zwei oder drei ATP-Mo- Da freigesetztes ADP die Thrombozytenaggregation
lekülen aktiviert die P2X-Kationenkanäle. ATP wird in fördert und dieser Effekt vor allem durch den P2Y12-Re-
allen Zellen in millimolaren Konzentrationen gespei- zeptor vermittelt wird, wurden Antagonisten am
chert und kann bei Schädigung freigesetzt werden: P2Y12-Rezeptor als Thrombozytenaggregationshem-
durch vesikuläre Freisetzung, durch ATP-Transporter mer entwickelt (Ⴉ Kap. 37.2). Clopidogrel, Prasugrel,
oder durch Pannexin- oder Connexin-Kanäle in der Ticlopidin und Ticagrelor sind Beispiele für klinisch
Plasmamembran. eingesetzte ADP-Hemmstoffe.
Im peripheren Nervensystem ist ATP sowohl ein
primärer eigener Neurotransmitter, wird aber auch als 2.1.4 Neurotransmitter – Peptide
Kotransmitter z. B. zusammen mit Noradrenalin freige- Neuropeptide funktionieren im ZNS eher als Modulato-
setzt. Zu einigen physiologischen Effekte, die adrener- ren, denn als rasche Neurotransmitter. Eine Vielzahl ver-
gen Neuronen zugeschrieben werden (Ⴉ Kap. 2.1.1), schiedener Neuropeptide wurde im ZNS nachgewiesen
trägt ATP als Kotransmitter bei. Sowohl P2X- als auch und mit vielfältigen Funktionen wie der Analgesie, Ler-
P2Y-Rezeptoren werden mit der Schmerzwahrneh- nen und Gedächtnis, Regulation der Hirndurchblutung
mung und der Entwicklung neuropathischer Schmer- sowie Sozialverhalten in Verbindung gebracht. Einige we-
zen in Verbindung gebracht. nige Neuropeptide werden an dieser Stelle besprochen.
Auf Zellen des Immunsystems sind vor allem
P2X-Rezeptoren weit verbreitet und beeinflussen Che- Endorphine und Enkephaline
motaxis, Freisetzung von Entzündungsmediatoren und Endorphine und Enkephaline sind endogene Opioid-
T-Zell-Funktion. Möglicherweise ist der P2X7-Rezep- peptide und körpereigene Agonisten an Rezeptoren des
tor eine neue therapeutische Zielstruktur in der Be- schmerzhemmenden Systems, den Opioidrezeptoren.
handlung chronischer Entzündungsprozesse. Zu diesen Poly- und Oligopeptiden gehören:
󠀂 β-Endorphin mit 31 Aminosäuren,
An purinergen Rezeptoren angreifende Wirkstoffe. Zur 󠀂 Dynorphine mit 17 bzw. 13 Aminosäuren sowie
Terminierung supraventrikulärer Tachykardien wird 󠀂 die Pentapeptide Methionin- und Leucin-Enkephalin
Adenosin als Agonist aller 4 Adenosinrezeptoren als (Met- und Leu-Enkephalin), die den 5 N-terminalen
Bolus injiziert (Ⴉ Kap. 35.2.5). Aufgrund seiner kurzen Aminosäuren der Endorphine (Met-Enkephalin)
Halbwertszeit von nur wenigen Sekunden wird diese bzw. der Dynorphine (Leu-Enkephalin) entsprechen.
therapeutische Maßnahme als äußerst sicher einge- Endogene Opioidpeptide entstehen im Gehirn, der
schätzt. Hypophyse sowie dem Nebennierenmark durch pro-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 67

β-LPH

JP ACTH γ-LPH
Prä- POMC

Signal- γ-MSH α-MSH CLIP β-MSH β-END


peptid

Prä- Pro ENK

Signal-
M-

M-

M-

M-

M-

L-E

M-
peptid
EN

EN

EN

EN

EN

EN
NK
K

K-

K-
RG

RF
L
Neo END DYN A DYN B
Prä- Pro DYN 2
Signal-

L-E

L-E

L-E
peptid

NK

NK

NK
Ⴜ Abb. 2.18 Vorläuferproteine endogener Opioide. ACTH adrenocorticotropes Hormon, CLIP corticotropin-like interme-
diate peptide, DYN A Dynorphin A, DYN B Dynorphin B, β-END β-Endorphin, ENK Enkephalin, JP joining peptide, L-ENK
Leu-Enkephalin, γ-LPH γ-Lipotropin, M-ENK Met-Enkephalin, M-ENK-RGL Met-Enkephalin-Arg-Gly-Leu, M-ENK-RF
Met-Enkephalin-Arg-Phe, MSH α-, β-, γ-Melanozyten-stimulierende Hormone, Neo-END Neo-Endorphin

teolytische Prozessierung von drei Vorläuferproteinen, durch Proteasen hydrolysiert und sind deshalb nur bei in-
dem Proopiomelanocortin (POMC), dem Proenkepha- traventrikulärer Injektion analgetisch wirksam.
lin und dem Prodynorphin (Ⴜ Abb. 2.18).
Endogene Opioidpeptide und Opioide greifen an den- Substanz P
selben Rezeptoren, den Opioidrezeptoren, an (Ⴉ Kap. 15.4). Substanz P ist ein Peptid und gehört zur Familie der Ta-
Diese Substanzen besitzen daher gleiche pharmakodyna- chykinine, die Funktionen als Neurotransmitter und
mische Eigenschaften. Sie unterscheiden sich lediglich in Gewebshormone haben (Ⴜ Abb. 2.19). Zu den Tachyki-
ihrem pharmakokinetischen Verhalten. Die Enkephaline ninen werden u. a. Substanz P, Neurokinin A, Neuroki-
werden beispielsweise als Peptide im Plasma sehr rasch nin B, Neuropepid K und Neuropeptid Y gezählt. Die

H2N O

O
H H
H2N N N
N N
H O
O NH
O
O O H
NH N
O H2N O
O NH
N O O
H
N
H2N NH2
O
NH H3C CH3
SCH3
HN NH2
Substanz P

Ⴜ Abb. 2.19 Strukturformel: Substanz P


68 2 Pharmakodynamik

Namensgebung beruht auf der Fähigkeit dieser Peptide,


eine schnelle Kontraktion der glatten Muskulatur zu be- H2N H
wirken, während Bradykinin eine langsame Kon- N
O
traktion veranlasst. Da Substanz P und Neurokinin A H
N
H
N
HN N
auf dem gleichen Gen kodiert sind, werden sie oft zu- O
H
N O
H
O
H
N
O CONH2 O N
sammen exprimiert. H
S S H3C OH O NH2
Substanz P ist ein wichtiger Transmitter im ente- NH O
H
O O
H
NH
H3C N N OH
rischen Nervensystem und initiiert durch Freisetzung O HOOC N
H
N
H
NH2
von Acetylcholin die Kontraktion der glatten Muskula- HO
O O CH3

tur. In afferenten Neuronen, vor allem in dünnen Aδ-


und C-Fasern ist Substanz P neben Glutamat ein zen- Somatostatin
traler Neurotransmitter, der im Hinterhorn des Rü-
ckenmarks den Schmerzimpuls an das zweite Neuron
der Schmerzbahn weitergibt. Ⴜ Abb. 2.20 Strukturformel: Somatostatin

Tachykininrezeptoren. Substanz P und die anderen die Ausschüttung von Wachstumshormon (growth hor-
Peptide der Familie interagieren mit drei G-Protein-ge- mone, GH) und Thyreoidea-stimulierendem Hormon
koppelten Rezeptoren, NK1, NK2 und NK3, die allesamt (TSH). Somatostatin wird in den δ-Zellen der Bauch-
an Gq-Proteine koppeln und über den Effektor PLC in- speicheldrüse und in anderen Zellen des Magen-Darm-
trazelluläre Ca2+-Transiente auslösen. NK1-Rezeptoren Trakts gebildet und hemmt im Pankreas die Sekretion
nehmen im zweiten Neuron der Schmerzbahn im Hin- von Insulin, Glucagon und weiteren gastrointestinalen
terhorn des Rückenmarks den Schmerzimpuls aus den Hormonen. Zudem wird die Magensäuresekretion und
afferenten Nozizeptoren auf. NK1-Rezeptoren findet die Sekretion des exokrinen Pankreas unterdrückt.
man ferner in der Chemorezeptor-Triggerzone der
Area postrema und auf sensorischen Vagusfasern im Somatostatinrezeptoren. Somatostatin übt seine Wir-
Gastrointestinaltrakt. Ihre Aktivierung stimuliert den kung über 5 Somatostatinrezeptoren aus (SST1–5-Re-
Brechreiz. Die Stimulation von NK1-Rezeptoren auf zeptoren), bei denen es sich um inhibitorische Gi/o-ge-
dem Endothel führt zur NO-Bildung, Vasodilatation koppelte Rezeptoren handelt. Endogene Liganden die-
und Erhöhung der Gefäßpermeabilität. ser Rezeptoren sind Somatostatin-14 und -28.
Die Stimulation von NK2-Rezeptoren auf der glatten Möglicherweise ist Cortistatin-14 ebenfalls ein endoge-
Darmmuskulatur führt direkt zur Kontraktion, wäh- ner Ligand der Somatostatinrezeptoren.
rend NK3-Rezeptoren auf den cholinergen Neuronen
des enterischen Nervensystems lokalisiert sind und An Somatostatinrezeptoren angreifende Wirkstoffe.
über eine Freisetzung von Acetylcholin indirekt eine Somatostatin hemmt nicht nur die Freisetzung von
Kontraktion auslösen. Wachstumshormon, sondern auch die Sekretion von
Peptidhormonen des Gastrointestinaltrakts, z. B. die
An Tachykininrezeptoren angreifende Wirkstoffe. The- von Gastrin, Insulin und Glucagon (Ⴉ Kap. 60.1.2). Bei
rapeutisch werden NK1-Rezeptor-Antagonisten wie der Therapie von Ulkusblutungen und Blutungen in-
Aprepitant, Fosaprepitant und Netupitant aufgrund folge einer erosiven Gastritis hat es sich dementspre-
ihrer starken antiemetischen Wirkung bei der Behand- chend als wirksam erwiesen. Außerdem wird Somato-
lung von Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer zy- statin zur Prophylaxe von postoperativen Komplikatio-
tostatischen Chemotherapie eingesetzt. NK1-Rezeptor- nen nach chirurgischen Eingriffen am Pankreas sowie
Antagonisten unterdrücken wirksam das verzögerte zur Sekretionshemmung bei Pankreas- und oberen
Zytostatika-induzierte Erbrechen, während 5-HT3- Darmfisteln eingesetzt.
Rezeptor-Antagonisten beim frühen Zytostatika-indu- Synthetische Somatostatin-Analoga mit höherer Ak-
zierten Erbrechen effektiver sind. tivität und einer wesentlich längeren Halbwertszeit als
Somatostatin, z. B. Lanreotid und Octreotid, dienen
Somatostatin außer zur Akromegalie-Therapie der Behandlung von
Somatostatin ist ein Neurotransmitter und Neuropep- endokrin aktiven gastrointestinalen Tumoren (Karzi-
tid, das in der Regio intermedia des Hypothalamus ge- noiden, VIPomen, Glucagonomen). Da Octreotid, das
bildet wird und zu den Release-Inhibiting-Hormonen vor allem durch Bindung an den SST2-Rezeptor wirkt,
(Hemmhormone) gezählt wird, die die Ausschüttung auch die exokrine Pankreassekretion hemmt, wird es
von Hypophysenhormonen blockieren (Ⴜ Abb. 2.20). So ferner prä- und perioperativ zur Pankreatitisprophy-
unterdrückt Somatostatin im Hypophsenvorderlappen laxe bei Pankreasoperationen eingesetzt.
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 69

2.1.5 Endocannabinoide säure-Derivate, die wie Eicosanoide auf einen Stimulus


Die am häufigsten vorkommenden Cannabinoide sind hin bei Bedarf synthetisiert und nicht wie die klassi-
Cannabidiol, Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und schen Transmitter gespeichert und freigesetzt werden.
das spontane THC-Abbauprodukt Cannabinol. THC Anandamid wird aus dem Phospholipid N-Acyl-
hat Effekte auf das ZNS, die sich als Entspannung und phosphaditylethanolamin (NAPE) durch eine spezifi-
Wohlgefühl, Konzentrationssteigerung, Sinnesschär- sche Ca2+-stimulierbare Phospholipase D im postsy-
fung und intensivierte Wahrnehmung von Umweltrei- naptischen Neuron gebildet. 2-AG wird aus den Glyce-
zen äußern. Paranoide Wahnvorstellungen sind abgese- rophospholipid-Vorläufern unter Vermittlung einer
hen von hohen THC-Dosierungen selten. Allerdings Phospholipase C und von Diacylglycerol-Lipasen, die
weisen epidemiologische Untersuchungen auf einen Ca2+-abhängig sind, freigesetzt. In beiden Fällen scheint
Zusammenhang zwischen hohem Cannabiskonsum eine Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration
von Jugendlichen und psychiatrischen Erkrankungen der initiale Stimulus zu sein. Als lipophile Substanzen
im späteren Lebensalter hin. überwinden Endocannabinoide die Zellmembran.
Die motorische Koordination ist beeinträchtigt, die Wenn Endocannabinoide auf einen Ca2+-Stimulus
Körpertemperatur sinkt (Hypothermie) und das Hun- hin im postsynaptischen Neuron gebildet und entlassen
gergefühl steigt. Ferner ist eine antiemetische und an- werden, können sie über Cannabinoidrezeptoren auf
algetische Wirkung zu beobachten. Periphere Canna- inhibitorischen GABAergen Interneuronen die Freiset-
biswirkungen sind Tachykardie und Relaxation der zung des inhibitorischen Transmitters unterdrücken. Es 2
glatten Muskulatur der Gefäße (Vasodilatation mit handelt sich also um einen retrograden Informations-
Flush-Symptomatik) und des Bronchialbaums. Ein fluss von einem depolarisierten postsynaptischen
kleiner Anteil des THC wird beim Rauchen von Canna- Neuron hin zu einem präsynaptischen inhibitorischen
bis zu 11-Hydroxy-THC umgewandelt, das wirksamer Neuron. Diese Form der synaptischen Plastizität wird
als die Muttersubstanz ist und u. a. die Vorliebe zum Depolarisations-induzierte Suppression der Inhibition
Joint-Rauchen erklären kann. (DISI) genannt und kommt z. B. im Hippocampus und
Die Entdeckung spezifischer Cannabinoidrezeptoren in den Schmerzbahnen vor.
(s. u.) erleichterte die Suche nach endogenen Liganden. Anandamid wird intrazellulär durch die mikroso-
Zwei Endocannabinoide sind etabliert (Ⴜ Abb. 2.21): male Fettsäureamidhydrolase (fatty acid amide hy-
󠀂 N-Arachidonoylethanolamid (Anandamid) und drolase, FAAH) zu Arachidonsäure und Ethanolamin
󠀂 2-Arachidonoylglycerin (2-AG). hydrolysiert. Das gleiche Enzym baut auch 2-AG zu
Diskutiert werden darüber hinaus noch einige weniger Arachidonsäure und Glycerin ab. Alternativ kann 2-AG
gut charakterisierte Endocannabinoid-Kandidaten (z. B. durch eine Monoacylglycerin-Lipase (MGL) hy-
N-Arachidonoyl-Dopamin). Es handelt sich bei den En- drolysiert werden.
docannabinoiden um Signalmoleküle und Arachidon-
Cannabinoidrezeptoren. Cannabinoide üben ihre Wir-
kung nach Bindung an zwei Cannabinoidrezeptoren,
O
CB1- und CB2-Rezeptoren, aus. Cannabinoidrezepto-
OH
N ren werden sowohl im zentralen Nervensystem als auch
H
in der Peripherie exprimiert.
Da CB-Rezeptoren in vielen Hirnregionen expri-
CH3 miert werden, sind die vermittelten Wirkungen vielfäl-
tig. Sowohl Gedächtnis, Emotionen und Motorik als
auch die Nozizeption können durch Cannabinoide be-
N-Arachidonoylethanolamid (Anandamid) einflusst werden. Der CB1-Rezeptor wird überwiegend
im Hippocampus (Effekt von Cannabinoiden auf die
OH Gedächtnisfunktion), Cerebellum (Beeinträchtigung
O
OH
der motorischen Koordination), Hypothalamus (Appe-
O titsteigerung und Hypothermie), im mesolimbischen
Dopaminsystem (Belohnungsempfinden) und in eini-
gen Bereichen des Cortex gefunden. Beide CB-Rezep-
CH3 toren sind metabotrope Rezeptoren und hemmen bei
Stimulation – G-Protein-(Gi/o-)gekoppelt – neuronale
spannungsabhängige Ca2+-Kanäle und Adenylylcycla-
2-Arachidonoylglycerin sen und aktivieren durch die freigesetzten βγ-Unter-
einheiten einwärts gleichrichtende K+-Kanäle, was zu
Ⴜ Abb. 2.21 Strukturformel: Endocannabinoide einer Hyperpolarisation der entsprechenden Zellen
70 2 Pharmakodynamik

führt. Da CB1-Rezeptoren vor allem präsynaptisch lo- atrischer Nebenwirkungen wie Depression wurde die
kalisiert sind, bewirken sie – ähnlich wie Opioidrezep- Substanz vom Markt genommen.
toren – eine Hemmung der Transmitterfreisetzung. Al-
lerdings können Cannabinoide über CB1-Rezeptoren 2.1.6 Stickstoffmonoxid (NO), Kohlenstoff-
durch Hemmung inhibitorischer Neurone (Disinhibi- monoxid (CO), Schwefelwasserstoff
tion), z. B. GABAerger Interneurone im Hippocampus (H2S)
und der Amygdala, ähnlich wie Opioide an ihren Re- Neben Aminen, Aminosäuren und Peptiden sind auch
zeptoren auch verschiedene neuronale Netze aktiveren. gasförmige Substanzen wichtige Botenstoffe Im Orga-
In der Peripherie wurde der CB1-Rezeptor auf Endo- nismus.
thelzellen, Adipozyten und peripheren Nerven gefun-
den. Stickstoffmonoxid (NO). Als lokal gebildeter Mediator
Der CB2-Rezeptor ist hauptsächlich auf immunkom- reguliert NO zahlreiche Körperfunktionen. NO wird
petenten Zellen des hämatopoetischen Systems (Lym- durch drei NO-Synthasen (NOS) hergestellt:
phozyten, Monozyten und Gewebsmastzellen), in den 󠀂 Eine induzierte Form (iNOS oder NOS2) wird in
Tonsillen, dem Thymus und der Milz nachweisbar. Makrophagen, Neutrophilen, Gefäßmuskel- und
CB2-Rezeptoren finden sich im ZNS auch in der Mikro- Endothelzellen durch Entzündungsstimuli, z. B.
glia, deren Aktivierung zu chronischen Schmerzen bei- durch Zytokinfreisetzung, exprimiert. NOS2 kann
tragen kann. große Mengen von NO produzieren.
Neben G-Protein-gekoppelten Rezeptoren binden ei- 󠀂 Daneben gibt es zwei konstitutiv exprimierte Iso-
nige Endocannabinoide auch an ionotrope Cannabi- formen, die unter physiologischen Bedingungen in
noidrezeptoren, z. B. an intrazelluläre Domänen einiger Neuronen (nNOS oder NOS1) und im Endothel
Ionenkanäle der TRP-(transient-receptor-potential)- (eNOS oder NOS3) zu finden sind. Ihre Aufgabe ist
Familie (TRPV1–4, TRPA1, TRPM8), aktivieren diese die physiologische Feinregulation durch niedrige
Ionenkanäle und üben ihre Wirkung unabhängig von NO-Produktion.
CB1- und CB2-Rezeptoren aus. Weiterhin wurden modu- Die Aktivität der konstitutiven Isoformen wird durch
latorische Effekte auf weitere spannungs- (z. B. L-Typ Ca2+/Calmodulin reguliert. Aus dem Substrat Arginin,
Ca2+-Kanäle) und ligandengesteuerte Ionenkanäle (wie das in Endothelzellen als Aminosäure unter physiologi-
z. B. 5-HT3-Serotonin-, GABA-, Glycinrezeptoren) be- schen Bedingungen in hoher Konzentration vorkommt,
schrieben. werden durch die NOS Citrullin und NO gebildet,
wobei der Stickstoff im NO aus der terminalen Gua-
An Cannabinoidrezeptoren angreifende Wirkstoffe. nidino-Gruppe des Arginins stammt. Die Kontrolle der
Dronabinol, ein Stereoisomer von Δ9-Tetrahydrocanna- konstitutiven NOS-Aktivität erfolgt zum einen durch
binol (THC), wird als Cannabinoidrezeptor-Agonist ad- unterschiedliche Stimuli von Endothelzellen wie Re-
ditiv in der Schmerztherapie von einigen Schmerzthera- zeptoragonisten, z. B. Acetylcholin, Bradykinin, ATP,
peuten eingesetzt. Es bindet unselektiv an die Cannabi- aber auch mechanische Stimuli wie blutflussbedingte
noidrezeptoren und beeinflusst dadurch die Freisetzung Scherkräfte, die rezeptorvermittelt die intrazelluläre
von Neurotransmittern. Bisher ist in Deutschland noch Ca2+-Konzentration erhöhen. Zum anderen wird in En-
kein Dronabinol-Fertigarzneimittel im Handel, doch dothelzellen u. a. durch mechanische Stimulation eine
steht es als verschreibungsfähige Rezeptursubstanz (auf Serin/Threonin-Proteinkinase (Proteinkinase B, Akt)
Betäubungsmittelrezept!) zur Verfügung. aktiviert, die NOS phosphoryliert und die Sensitivität
Ein aus dem Dickextrakt von Cannabis sativa herge- gegenüber Ca2+/Calmodulin deutlich erhöht. Auch
stelltes Spray zur bukkalen Anwendung steht Multiple- Phosphorylierung durch die cAMP-abhängige Protein-
Sklerose-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer kinase und verschiedene Tyrosinkinasen wurde mit ge-
Spastik zur Symptomverbesserung zur Verfügung. Die steigerter NOS-Aktivität in Verbindung gebracht. Pro-
Hauptbestandteile dieses Fertigpräparats sind THC teinkinase C inhibiert die endotheliale NOS.
und Cannabidiol. Die NOS2 (iNOS) wird durch Entzündungsmediato-
Nabilon ist ein vollsynthetisches THC-Derivat und ren wie LPS und inflammatorische Zytokine sowie durch
ist zur Therapie von Chemotherapie-induzierter Übel- Interferon-γ induziert und ist Ca2+-unabhängig. Die In-
keit und Erbrechen bei erwachsenen Patienten zugelas- duktion von NOS2 kann durch Glucocorticoide und
sen, die nicht adäquat auf andere antiemetische Präpa- durch einige Zytokine wie TGF-β unterdrückt werden.
rate ansprechen. Auch dieser Wirkstoff fällt unter das Gebildetes NO reagiert mit molekularem Sauerstoff
Betäubungsmittelgesetz. und Wasser, wodurch Verbindungen mit Nitrit (NO2–)
Rimonabant ist ein selektiver CB1-Rezeptor-Ant- und Nitrat (NO3–) entstehen. Niedrige NO-Konzentrati-
agonist, der in Europa für die Behandlung der Adiposi- onen sind relativ stabil und können daher als fraktionier-
tas zugelassen war. Aufgrund schwerwiegender psychi- tes exhaliertes Stickstoffmonoxid (FeNO) als Entzün-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 71

dungsmarker zur Therapieplanung bei Lungenerkran- siten und auch von Tumorzellen. Zu den molekularen
kungen, z. B. Asthma, gemessen werden. Strukturelle NO-Mechanismen gehört die Nitrosylierung von Nuc-
Veränderungen in den NOS in pathologischen Situatio- leinsäuren und Proteinen und die Reaktion mit
nen können zur Entkopplung des Enzyms mit der Über- Häm-Enzymen, z. B. der Cytochrom c-Oxidase. Im
tragung von Elektronen auf molekularen Sauerstoff füh- letztgenannten Fall konkurriert NO mit Sauerstoff und
ren, sodass Superoxid-Anionen (O2–) anstelle des NO beeinflusst damit die Zellatmung.
gebildet werden. Superoxid-Anionen und NO bilden das NO kann im Sinne eines autokrinen Mechanismus als
toxische Peroxynitrit-Anion (ONOO–), das zusammen lokaler Mediator auf die NO produzierende Zelle zu-
mit reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) als nitrosativer rückwirken oder in benachbarte Zellen gelangen, z. B.
Stress erhebliche Zellschäden verursachen kann. von der Endothelzelle in die darunter liegende Gefäß-
Wie zuvor erläutert, reagiert NO mit Metallen (z. B. muskelzelle. Zu den relevantesten zellulären Effekten
Eisen in Häm enthaltenden Proteinen wie Hämoglo- von NO als Botenstoff gehört die Aktivierung der lösli-
bin), Thiolen und verschiedenen Sauerstoffspezies und chen Guanylylcyclase (sGC), die den second messenger
kann Proteine, Lipide und DNA modifizieren. Die zyto- cGMP synthetisiert. Es handelt sich um ein heterodime-
toxischen NO-Effekte beruhen auf den chemischen res Protein, das eine Hämgruppe enthält, mit der NO
Eigenschaften von NO als freiem Radikal und sind von reagiert. Viele physiologische NO-Effekte in den Blut-
zentraler Bedeutung für die unspezifische Pathogenab- gefäßen und im Gehirn sind durch cGMP vermittelt.
wehr durch Zellen des angeborenen Immunsystems, cGMP hat im Wesentlichen drei zelluläre Effektoren: 2
z. B. für die Abwehr von Viren, Bakterien, Pilzen, Para- 󠀂 cGMP-abhängige Proteinkinase G,

ANP
Stickstoffmonoxid
GCA

sGC

cGMP
GTP
GTP

o-
sph
Pho erase 5
t
dies Ca2+
GMP
PKG IP3-Rezeptor
P IRAG L

PK
G
2+ M
ph yo Ca2+
Ca Myosin os sin ER
ph - P
P ata
se
PK P
G Aktin

P K+-Kanal

K+
Relaxation der glatten
Muskelzelle

Ⴜ Abb. 2.22 Die membranständige Guanylylcyclase (GCA) als Rezeptor für das atriale natriuretische Peptid (ANP) und
lösliche (sGC) Guanylylcyclase als Rezeptor für NO regulieren die zytosolische cGMP-Konzentration. Die Aktivierung von
Proteinkinase G (PKG) durch cGMP führt über drei Hauptwege zur Relaxation glatter Muskeln, z. B. von Gefäßen: Phos-
phorylierung von IRAG (IP3-Rezeptor assoziiertem PKG-Substrat) hemmt die Ca2+-Freisetzung aus dem Endoplasmati-
schen Retikulum (ER), Aktivierung der Myosinphosphatase durch PKG bewirkt eine Dephosphorylierung der Myosinköpfe
und Stimulation Ca2+-aktivierter K+-Kanäle, hyperpolarisiert dadurch die Zelle und senkt die Öffnungswahrscheinlich-
keit spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle.
72 2 Pharmakodynamik

󠀂 cGMP-gesteuerte Ionenkanäle, die in Photorezep- die neuronale Entwicklung und die synaptische Plasti-
torzellen der Retina, in einzelnen olfaktorischen zität im ZNS postuliert.
Neuronen und im Epithel der renalen Sammelrohre
vorkommen, NO-Pharmaka. Das Gas NO selbst ist zusammen mit an-
󠀂 cGMP-gesteuerte Phosphodiesterasen (z. B. PDE-2 deren geeigneten Wirkstoffen im Rahmen der künstli-
und PDE-3). chen Beatmung zur Behandlung von Neugeborenen mit
Auch Membranrezeptoren mit Guanylylcyclase- hypoxischer respiratorischer Insuffizienz indiziert, die
Aktivität, z. B. die Rezeptoren für natriuretische Pep- mit Anzeichen einer pulmonalen Hypertonie einhergeht.
tide (ANP, BNP und CNP), einer Familie von Peptid- Inhaliertes NO dilatiert die Blutgefäße in den ventilierten
hormonen mit harntreibender, natriuretischer und Alveolen und reduziert das Shunting, d. h. den Fluss von
blutdrucksenkender Wirkung, können aus GTP cGMP pulmonal arteriellem Blut durch nicht-ventilierte Alveo-
bilden. Man unterscheidet drei Rezeptorsubtypen: len, in denen keine Oxygenierung des Blutes stattfinden
GC-A (Typ A/R1), GC-B (Typ B/R1) und GC-C (Typ kann. Auch wird es bei der Behandlung einer pulmona-
C/R2). ANP und BNP stimulieren GC-A, BNP ist der len Hypertonie bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt,
primäre Ligand für GC-B. Die intestinalen Hormone um selektiv den pulmonal-arteriellen Druck zu senken.
Guanylin und Uroguanylin haben GC-C als Rezeptor Als Koronartherapeutika werden Nitrate als NO-Do-
und modulieren die Sekretion von Wasser und Elektro- natoren wie (z. B. Glyceroltrinitrat, Isosorbitdinitrat,
lyten in der Niere. BNP und sein biologisch inaktives Isosorbitmononitrat, Pentaerythyltetranitrat) eingesetzt,
Signalpeptid NT-proBNP werden aus den Herzmuskel- um durch venöses Pooling eine Vorlastsenkung des Her-
zellen in das Blut sezerniert. Die größte Bedeutung be- zens zu erreichen. Gleichzeitig wird durch Dilatation der
sitzen die Marker zur Diagnose einer akuten Herzinsuf- großen Arterienstämme der Aortendruck erniedrigt,
fizienz. der periphere Widerstand und die systolische Wand-
Die cGMP-Wirkung wird in der glatten Muskulatur spannung nehmen ab (Afterload-Reduktion = Nachlast-
durch die cGMP-spezifische PDE-5 beendet, die cGMP senkung). Außerdem dilatieren Nitrate die epikardialen
zu GMP abbaut. Die Mechanismen, die zur NO/ Koronararterien und heben Koronarspasmen auf.
cGMP-vermittelten Relaxation der glatten Muskulatur Den NO/cGMP-Signalweg stimuliert auch Rioci-
führen, sind in Ⴜ Abb. 2.22 dargestellt und beruhen auf guat, ein Aktivator der löslichen Guanylylcyclase, der
einer: zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie eingesetzt
󠀂 PKG-vermittelten Reduktion der Ca2+-Freisetzung wird. Riociguat verfügt über einen dualen Wirkungs-
aus dem endoplasmatischen/sarkoplasmatischen mechanismus. Durch Stabilisierung der NO-sGC-Bin-
Retikulum, dung erhöht es die Empfindlichkeit von sGC gegen en-
󠀂 der Aktivierung der Myosinphosphatase durch dogenes NO. Außerdem stimuliert es sGC auch direkt
PKG-Phosphorylierung und und unabhängig von NO. Riociguat führt so zu einer
󠀂 der PKG-vermittelten Stimulation Ca2+-abhängiger erhöhten cGMP-Produktion und damit zur Vasodilata-
K+-Kanäle mit nachfolgender Hyperpolarisation der tion pulmonaler Gefäße. An weiteren direkten Aktiva-
glatten Muskelzelle, verringerter Offenwahrschein- toren der Guanylylcyclase wird intensiv gearbeitet.
lichkeit spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle und ver- Auch das Therapieprinzip der cGMP-vermittelten
mindertem Einstrom von kontraktilem Ca2+. Vasodilatation durch PDE-5-Hemmer hat Eingang in
Spezifische kardiovaskuläre Effekte von NO werden in die Behandlung der pulmonalen Hypertonie gefunden.
Ⴉ Kap. 33.2.1 beschrieben. Für das ursprünglich zur Behandlung der erektilen
In Widerstandsgefäßen kommt es zur kontinuierli- Dysfunktion zugelassene Sildenafil und Tadalafil be-
chen, basalen Aktivierung des NO/cGMP-Signalwegs, steht auch eine Zulassung bei pulmonaler arterieller
was zum Absenken des peripheren Widerstands und Hypertonie.
des Blutdrucks führt. Die Störung der Endothelfunk-
tion, z. B. im Rahmen der Atherosklerose oder bei Dia- Schwefelwasserstoff. H2S wird aus Cystein gebildet.
betes mellitus, beeinträchtigt die NO-Bildung, den Das beteiligte Enzym, Cystathion-γ-Lyase, ist im Ge-
cGMP-Anstieg in der glatten Gefäßmuskulatur und hirn (Hippocampus und Cerebellum) hoch exprimiert
damit die Fluss- oder Agonist-induzierte Vasodilata- und darüber hinaus in der Peripherie in Leber, Niere
tion, sodass ein erhöhter peripherer Gefäßwiderstand und Blutgefäßen. Das Enzym wird durch Entzündungs-
und möglicherweise eine arterielle Hypertonie entsteht. mediatoren wie LPS und TNF-α reguliert.
Hinsichtlich neuronaler Effekte ist NO in zahlrei- Im kardiovaskulären System hat H2S eine ähnliche
chen Geweben ein non-adrenerger, non-cholinerger Funktion wie NO und führt zur Vasodilatation durch
(NANC) Neurotransmitter, z. B. in den oberen Atem- Aktivierung des KATP-Kanals in der glatten Muskulatur.
wegen, dem Gastrointestinaltrakt und dem Corpus ca- Im Nervensystem beeinflusst H2S die Schmerzwahr-
vernosum des Penis. Ferner wird eine Rolle von NO für nehmung, indem spannungsabhängige T-Typ-Ca2+-
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 73

Kanäle moduliert werden. In der Körperperipherie sind den Lungen, der Haut und im Magen-Darm-Kanal. In
möglicherweise TRP-Kanäle (TRPA1, TRPV1, TRPC6), den Mastzellen und basophilen Granulozyten wird
die durch H2S aktiviert werden, an der Entwicklung Histamin in protonierter Form, an Anionen – z. B. an
einer Hyperalgesie beteiligt. Heparin oder Proteoglykane – gebunden gespeichert.
Eine Reihe zytotoxischer (hohe H2S-Konzentrati- Seine Freisetzung aus dieser Speicherform erfolgt bei
onen) und auch zytoprotektiver Effekte (niedrige H2S- Zerstörung von Zellen (z. B. bei Verletzungen), IgE-ver-
Konzentration) wurden in verschiedenen Zelltypen mittelt bei Überempfindlichkeitsreaktionen sowie IgE-
und Geweben beschrieben. In vielerlei Hinsicht sind unabhängig durch verschiedene chemische Substanzen,
die H2S-Effekte denen des NO ähnlich. Eine klinisch sog. Histaminliberatoren (s. u.). Freies Histamin wird
verwertbare Pharmakologie ist noch nicht entwickelt. dann sehr rasch durch oxidative Desaminierung mittels
Histaminase, ferner durch Methylierung der NH-
Kohlenstoffmonoxid. CO wird zusammen mit Biliver- Gruppe und Oxidation der gebildeten Metaboliten mit-
din durch die Häm-Oxygenase synthetisiert. Es gibt tels Monoaminoxidase abgebaut.
Hinweise darauf, dass es sich bei CO um ein Signalmo-
lekül im kardiovaskulären System und im Nervensys- Histaminliberatoren. Einige Arzneistoffe sind in der
tem handelt. Der vaskuläre Tonus von Gehirngefäßen Lage, Histamin freizusetzen. Hierzu gehören Morphin,
soll von CO zusammen mit NO reguliert werden. Die iodhaltige Röntgenkontrastmittel und Plasmaersatz-
physiologische und pathophysiologische Rolle von CO mittel (z. B. Hydroxyethylstärke). Ein weiterer Hist- 2
bedarf weiterer gründlicher Aufklärung, bevor spezifi- aminliberator ist Mastoparan, ein Bestandteil des Wes-
sche pharmakologische Zielstrukturen identifiziert pengifts (Ⴉ Kap. 91.8.2), das G-Proteine aktiviert und
werden können. dadurch ebenfalls zu einer IgE-unabhängigen Hist-
aminfreisetzung führt.
2.1.7 Mediatoren
Mediatoren (Autakoide) sind aus bestimmten Zellen Histaminrezeptoren und -wirkungen. Histamin greift
bzw. Zellverbänden freigesetzte Substanzen (Gewebs- an 4 verschiedenen, G-Protein-gekoppelten Rezeptoren
hormone), die vorwiegend auf benachbarte Zellen ein- an, die als H1-, H2-, H3- und H4-Rezeptoren bezeichnet
wirken, d. h. insbesondere parakrine Effekte hervorru- werden (Ⴜ Abb. 2.24).
fen. Zu ihnen werden gerechnet: Die Stimulation von H1-Rezeptoren bewirkt durch
󠀂 Histamin, Aktivierung der Phospholipase C einen Blutdruckabfall
󠀂 Serotonin, infolge der Vasodilatation von Arteriolen. Zudem erhöht
󠀂 die Stoffe der Arachidonsäurekaskade (Prostaglan- Histamin über denselben Transduktionsweg die „Kapil-
dine, Thromboxan A2, Prostacyclin, Leukotriene, larpermeabilität“ und damit den Übertritt von Plasma-
Epoxyeicosatriensäuren), proteinen, Plasmawasser und zellulären Blutbestandtei-
󠀂 der Plättchen-aktivierende Faktor (PAF) und len in das Gewebe durch Kontraktion von Endothelzel-
󠀂 die Kinine. len der Venolen. Die Vasodilatation und die erhöhte
Histamin und Serotonin wirken, außer als Mediato- Kapillarpermeabilität tragen zur Entwicklung eines ana-
ren, auch als Neurotransmitter. Zytokine, Chemokine phylaktischen Schocks bei. Weiterhin erleichtert Hist-
und Interferone (s. u.) zählen nicht zu den Mediatoren, amin die Leukozytenmigration durch Bildung von Ad-
obwohl sie ebenfalls parakrin wirken. häsionsproteinen an der Oberfläche der Endothelzellen,
wodurch Pathogene in infiziertem Gewebe angegriffen
Histamin und entzündliche Reaktionen begünstigt werden. Durch
Vorkommen, Freisetzung und Abbau. Histamin ist ein Stimulation afferenter Neurone löst Histamin ferner
biogenes Amin, das die Funktion eines lokalen Media- Juckreiz aus. Außerdem kontrahiert es die glatte Musku-
tors und eines Neurotransmitters hat (Ⴜ Abb. 2.23). Es latur von Bronchien und Darm. Im ZNS sind H1-Rezep-
kommt als Decarboxylierungsprodukt der Aminosäure toren an gesteigerter Aufmerksamkeit und am Erhalt des
Histidin im menschlichen Organismus in allen Gewe- Wachzustands sowie an der Regulation der Nahrungs-
ben vor. Die höchsten Konzentrationen findet man in aufnahme (Appetithemmung) beteiligt.
Die Erregung von H2-Rezeptoren führt durch Akti-
vierung der Adenylylcyclase zur Erhöhung der Herzfre-
N quenz und zur Zunahme der Kontraktilität des Herzens
HN
NH2 sowie zur Steigerung der Drüsensekretion, insbeson-
dere in der Magenschleimhaut. H2-Rezeptoren regulie-
Histamin ren ferner die Zellproliferation und -differenzierung.
Im Immunsystem verschiebt Histamin, vorwiegend
Ⴜ Abb. 2.23 Strukturformel: Histamin durch eine Stimulation von H2-Rezeptoren, die TH1/
74 2 Pharmakodynamik

A Allergen NO
Histamin Gefäßlumen
H1
Gq Ca2+൹ CaM eNOS
IP3 L
ER
IP3R
Mastzelle
Endothelzelle
NO

sGC cGMP൹ PKG Vasodilatation


Gefäßmuskelzelle
(glatte Muskulatur)

B
Allergen Histamin
H1
Gq
Ca2+൹ CaM MLCK

IP3 L
ER Kontraktion
IP3R
Mastzelle Bronchialmuskelzelle
(glatte Muskulatur)

C
Gs

K+
H2

AC

PKAൻ cAMP tion


Exzita
PKA
Gq

histaminerges Neuron Histamin


H1

DAG
H3

cAMPൻ PKC
Gi

Adenylyl- K+
K+
cyclase
AT
P postsynaptische Neurone

Na+

Glutamat
PKAൻ
NMDA-
Rezeptor
L

glutamaterges Neuron
H3

cAMPൻ Na+, Ca2+


Exzitati
Gi

on

Adenylyl-
cyclase

Ⴜ Abb. 2.24 Beispiele für die Wirkungen von Histamin. A Aus Mastzellen freigesetztes Histamin relaxiert Gefäße über
die Bildung von NO. Die histaminerge Stimulation des Endothels bewirkt über eine Änderung der Kapillarpermeabilität
ferner eine Exsudatbildung. B In der Bronchialmuskulatur führt im Gegensatz zur Gefäßmuskulatur die Stimulation von
H1-Rezeptoren zur Kontraktion. C Im ZNS kommen H1-, H2-, H3-Rezeptoren vor. Die Signalwege nach der Aktivierung
von H1-Rezeptoren bewirken eine Stimulation der Na+/K+-ATPase und die Hemmung eines K+-Kanals. Beide Effekte
üben exzitatorische Wirkungen auf das betreffende Neuron aus, ähnlich wie die Aktivierung von H2-Rezeptoren, die
durch Stimulation der Adenylylcyclase (AC) zu einer Erhöhung des intrazellulären cAMP führt. H3-Rezeptoren hemmen
als auto- und hetero-inhibitorische Rezeptoren die Freisetzung von Histamin und anderen Neurotransmittern. CaM Cal-
modulin, DAG Diacylglycerol, IP3R IP3-Rezeptor, MLCK Myosin-Leichtkettenkinase, PKA Proteinkinase A, PKC Proteinkinase
C, PKG Proteinkinase G, sGC lösliche Guanylylcyclase
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 75

TH2-Balance zugunsten einer TH2-Antwort. Zudem Während die sog. 1. Generation der H1-Antihista-
wird durch H2-Rezeptoren die Suppressoraktivität re- minika (z. B. Diphenhydramin, Dimenhydrinat, Cle-
gulatorischer T-Zellen angeregt, wodurch die immuno- mastin) nicht nur periphere, sondern auch zentrale
logische Toleranz aufrechterhalten wird. H1-Rezeptoren blockiert, wirken die Antihistaminika
Bei den H3-Rezeptoren handelt es sich um präsy- der 2. Generation (z. B. Cetiricin, Desloratadin, Fexofe-
naptische Histaminrezeptoren verschiedener ZNS- nadin) aufgrund geringerer Lipophilie nahezu selektiv
Neurone, deren Erregung die Histamin-, Noradrena- an peripheren H1-Rezeptoren. H1-Antihistaminika
lin-, Serotonin-, und Acetylcholinfreisetzung hemmt. heben kompetitiv die Wirkungen von Histamin an
H3-Rezeptoren sind ferner an zahlreichen nervalen H1-Rezeptoren auf und wirken juckreizlindernd, anti-
Funktionen wie Kognition, Schlaf-Wach-Status und ödematös und antierythematös. Wirkstoffe der 1. Ge-
Regulation der Energiehomöostase beteiligt. neration, deutlich weniger dagegen die der 2. Genera-
Der H4-Rezeptor wird vornehmlich in T-Lympho- tion, wirken infolge der Blockade zentraler H1-Rezep-
zyten, eosinophilen Granulozyten und Mastzellen ex- toren sedierend. Reaktionsvermögen, Psychomotorik
primiert, woraus sich seine pro-inflammatorische Rolle und Kognition sind beeinträchtigt. Einige Substanzen
ableiten lässt. Auch gibt es Hinweise darauf, dass er eine mit stärker sedierender Wirkung, z. B. Promethazin,
Rolle bei der Differenzierung myeloischer Stammzellen Diphenhydramin, Doxylamin oder Hydroxyzin sind
spielt. Dementsprechend könnten H4-Rezeptor-Ant- bei Schlafstörungen indiziert (Ⴉ Kap. 13.3.3). Diphenhy-
agonisten als eine neue Klasse von Arzneistoffen zur dramin und insbesondere Dimenhydrinat eignen sich 2
Behandlung der rheumatoiden Arthritis, der Colitis ul- zur Prophylaxe und Behandlung von Übelkeit und Er-
cerosa, des Asthma bronchiale und des chronischen brechen (Ⴉ Kap. 52.2.1), letzteres auch bei Kinetosen.
Juckreizes von Bedeutung sein. Über eine Kopplung an H2-Antihistaminika (Cimetidin, Ranitidin, Famoti-
Gi-Proteine vermittelt der H4-Rezeptor eine Hemmung din) blockieren kompetitiv die H2-Rezeptoren von Hist-
der Adenylylcyclase sowie über Gβγ-Untereinheiten amin an den Belegzellen der Magenschleimhaut. Sie
eine Stimulation der Phospholipase C. hemmen sowohl die basale als auch die Histamin-
stimulierte Säuresekretion. Darüber hinaus unterdrücken
Pathophysiologische Bedeutung von Histamin. Gelangt sie nichtkompetitiv die Vagus- und Gastrin-induzierte
Histamin in die Haut, z. B. bei Insektenstichen oder Kon- Säurefreisetzung. H2-Antihistaminika sind zur Ulkusthe-
takt mit Brennnesselhaaren, entsteht infolge Vasodilata- rapie und -rezidivprophylaxe indiziert (Ⴉ Kap. 49.2.2).
tion eine schmerzhafte Rötung und wegen gesteigerter Der H3-Antagonist (Ⴉ Kap. 14.4.4) Pitolisant ist zur
Kapillarpermeabilität eine juckende Quaddel. Behandlung von Erwachsenen mit Narkolepsie und
Besondere Bedeutung kommt Histamin bei aller- Schlafapnoe indiziert. Der Wirkstoff erhöht die Aktivi-
gischen Reaktionen vom Soforttyp zu. Durch die Hist- tät von Histamin-Neuronen, die im ZNS für die Erhal-
aminfreisetzung kann eine allergische Urtikaria (Nes- tung des Wachzustands verantwortlich sind.
selsucht) oder ein Quincke-Ödem (Ⴉ Kap. 75.2), in
schweren Fällen ein anaphylaktischer Schock auftreten. Serotonin
Auch beim Endotoxinschock, bei Entzündungen und Biosynthese, Abbau und Vorkommen. Serotonin (5-Hy-
Verbrennungen findet man eine Degranulierung der droxytryptamin, 5-HT) kommt in zahlreichen pflanzli-
Mastzellen und eine erhöhte Histaminkonzentration chen und tierischen Geweben vor. Es entsteht im Orga-
im Blut. Personen mit einer genetischen Disposition nismus aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan
zur Bildung von IgE-Antikörpern (Atopiker) gegen durch Hydroxylierung zu 5-Hydroxytryptophan und an-
häufige und daher normalerweise tolerierte Antigene schließende Decarboxylierung (Ⴜ Abb. 2.25). Der letzte
können – zeitgleich oder nacheinander – an einem ato- Biosyntheseschritt erfolgt unter dem Einfluss der Do-
pischen Ekzem, einer saisonalen (Heuschnupfen) oder pa-Decarboxylase, d. h. des Enzyms, das auch für die
andauernden (perennialen) allergischen Rhinitis Umwandlung von l-Dopa zu Dopamin verantwortlich
(Ⴉ Kap. 45) oder einem Asthma bronchiale erkranken. ist. Am Beginn des Hauptabbauwegs steht die Umwand-
Größere Mengen von exogen zugeführtem Hist- lung von 5-HT zu 5-Hydroxyindolylacetaldehyd durch
amin, wie sie beispielsweise in verdorbenem Fisch vor- Monoaminoxidase A. Dieser Aldehyd wird durch Alde-
kommen, führen zu Atemnot, Blutdruckabfall, Rötung hydoxidase vorwiegend zu 5-Hydroxyindolylessigsäure
der Haut, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder oxidiert und in dieser Form renal eliminiert.
Durchfall. Im Organismus von Säugetieren liegt 5-HT sowohl
neuronal als auch extraneuronal vor. Das neuronal ge-
An Histaminrezeptoren angreifende Wirkstoffe. Eine speicherte Serotonin, das in weiten Teilen des Gehirns,
therapeutische Bedeutung besitzt Histamin nicht. Es vor allem in den Raphe-Kernen sowie im gesamten
dient jedoch als Positivkontrolle bei Allergietests an der Gastrointestinaltrakt vorkommt, wirkt dort als Neuro-
Haut. transmitter.
76 2 Pharmakodynamik

COOH COOH

NH2 HO NH2 HO NH2


Trp-H OH-Trp-DC
N N N
H H H
Tryptophan 5-Hydroxytryptophan Serotonin (5-HT)

COOH MAO
HO ADH
CHO
N
H HO
5-Hydroxyindolyl-
N
essigsäure H
OH
-DH 5-Hydroxyindolyl-
Alk acetaldehyd
HO

N
H
5-Hydroxytryptophol

Ⴜ Abb. 2.25 Biosynthese und Biotransformation von Serotonin. ADH Aldehyd-Dehydrogenase, Alk-DH Alkohol-Dehy-
drogenase, MAO Monoaminoxidase, OH-Trp-DC 5-Hydroxytryptophan-Decarboxylase, Trp-H Tryptophan-Hydroxylase

Extraneuronal wird Serotonin in großen Mengen in keinen anderen Neurotransmitter konnten bislang so
den enterochromaffinen Zellen des Dünndarms syn- viele unterschiedliche Rezeptoren nachgewiesen wer-
thetisiert und gespeichert. Eine Dehnung der Darm- den wie für Serotonin. Diese können in 5-HT1- bis
wand infolge eines Druckanstiegs im Lumen setzt dar- 5-HT7-Rezeptoren unterteilt werden, von denen noch-
aus 5-HT frei. Daneben geben die enterochromaffinen mals Subtypen existieren.
Zellen Serotonin an Thrombozyten ab, wenn diese die Mit Ausnahme der 5-HT3-Rezeptoren, bei denen es
Darmgefäße passieren. Bei der primären Hämostase sich um ligandengesteuerte Ionenkanäle handelt, gehö-
bewirkt aus Blutplättchen freigesetztes Serotonin eine ren alle anderen Serotoninrezeptoren zur Gruppe der
lokale Vasokonstriktion. G-Protein-gekoppelten Rezeptoren.
Die Stimulation von 5-HT1-Rezeptoren, die als in-
Physiologische Serotoninwirkungen und Serotoninre- hibitorische Rezeptoren im Zentralnervensystem weit
zeptoren. Serotonin ruft eine Vielzahl unterschiedli- verbreitet sind, hemmt die Adenylylcyclase und damit
cher Wirkungen hervor. Es erhöht die Kontraktilität der die cAMP-Bildung, kann aber auch zellkontextabhän-
Darmmuskulatur, löst durch die Erregung von Nozi- gig zu einer Aktivierung der Phospholipase C und
zeptoren Schmerz aus und greift in wichtige Funktio- damit über die Bildung von Inositoltrisphosphat und
nen des Zentralnervensystems ein. Die in Tierversu- Diacylglycerol zur Freisetzung von Ca2+-Ionen aus int-
chen beobachteten bronchokonstriktorischen und razellulären Speichern führen.
uteruskontrahierenden Wirkungen von Serotonin sind Neuronale 5-HT1A-Rezeptoren, die prä- und postsy-
beim Menschen nur sehr schwach ausgeprägt. naptisch an Somata, Dendriten, Axonen und Nervenen-
Am kardiovaskulären System wirkt Serotonin so- digungen vorkommen, sind inhibitorische Autorezep-
wohl vasokonstriktorisch als auch vasodilatierend. toren bzw. erhöhen nach Aktivierung möglicherweise
Während in Lunge und Nieren die gefäßkontrahierende durch Disinhibition die Dopaminfreisetzung im prä-
Wirkung im Vordergrund steht, dominiert in der Ske- frontalen Cortex, Striatum und Hippocampus, worauf
lettmuskulatur die blutgefäßerweiternde Wirkung. zumindest teilweise die Verbesserung der Negativsymp-
Neben seinen direkten Gefäßeffekten vermag Serotonin tome von Schizophrenen durch Aripiprazol beruht.
durch Angriff am autonomen Nervensystem, den Blut- Durch Erregung von 5-HT1B-Rezeptoren werden
druck zu senken. Meningealgefäße und Koronarien kontrahiert. Auch die
Ursache für die Vielfalt der Effekte ist die große Zahl Erregung der an den Meningealgefäßen vorkommenden
unterschiedlicher Serotoninrezeptoren (႒ Tab. 2.7). Für 5-HT1D-Rezeptoren führt zur Vasokonstriktion. Ferner
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 77

hemmt die Erregung dieser Rezeptoren die Freisetzung Beim Karzinoid handelt es sich um eine vorwiegend
entzündungsfördernder Peptide. 5-HT1D-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt auftretende, relativ seltene
sind als präsynaptische inhibitorische Rezeptoren in (semi-)maligne Entartung enterochromaffiner Zellen,
Neuronen exprimiert, die den Tonus der Meningealarte- die u. a. zu einer vermehrten Serotoninfreisetzung und
rien steuern. Durch Aktivierung von K+-Kanälen, Inhi- einem charakteristischen Krankheitsbild (Karzinoid-
bition neuronaler spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle syndrom oder Serotoninsyndrom) führt. Insbesondere
und der Adenylylcyclase wird die Ausschüttung des Pep- kommt es zu Diarrhöen mit kolikartigen Leibschmer-
tidtransmitters CGRP (calcitonin gene related peptide) zen, Bronchospasmus, Oligurie, Ödemen und Endo-
gehemmt. CGRP bindet auf der glatten Gefäßmuskulatur kardfibrose mit Klappenverdickung sowie einer anfalls-
an seinen Gs-gekoppelten CGRP-Rezeptor, bestehend weise auftretenden Rötung (Flush) von Gesicht, Hals
aus dem Komplex des calcitonin receptor-like receptor und Oberkörper.
(CRLR) und dem Rezeptoraktivitäts-modifizierenden
Protein RAMP1, und dilatiert als eine der potentesten ge- Therapeutischer Einsatz von Serotoninagonisten und
fäßerweiternden Substanzen die Meningealarterien. -antagonisten. Der Agonismus an 5-HT1A-Rezepto-
Indem die Ausschüttung von CGRP durch Aktivierung ren wird als Teilwirkung der Blutdrucksenkung durch
des präsynaptischen 5-HT1D-Rezeptors verringert wird, Urapidil (Ⴉ Kap. 28.2.6) sowie der anxiolytischen Wir-
trägt er indirekt zur Gefäßkontraktion bei. kung von Buspiron (Ⴉ Kap. 12.2.2) angesehen.
In ihrer Mehrzahl werden die vasokonstriktorischen 5-HT1B/5-HT1D-Agonisten (Triptane, z. B. Sumatrip- 2
Effekte jedoch über den peripher lokalisierten 5-HT2A- tan, Naratriptan) eignen sich besonders zur Therapie
Rezeptor vermittelt. Auch Thrombozyten exprimieren des akuten Migräneanfalls (Ⴉ Kap. 16.2.1). Bei der Mi-
diese Rezeptoren, deren Stimulation die Thrombozy- gräneprophylaxe durch Dihydroergotamin sind Seroto-
tenaggregation fördert. Im ZNS ist der 5-HT2A-Rezep- nin-agonistische und -antagonistische Effekte an
tor an der korrekten Perzeption von Umweltreizen be- 5-HT2-Rezeptorsubtypen von Bedeutung. Bei Appetit-
teiligt. Bei Überaktivität, z. B. bei Schizophrenie, oder mangel kann der 5-HT2-Antagonist Cyproheptadin
Stimulation durch den 5-HT2A-Rezeptor-Agonisten eingesetzt werden. Im Rahmen der Behandlung der De-
Lysergsäurediethylamid (LSD) kommt es zu Halluzina- pression wird die agonistische Wirkung von 5-HT
tionen und Wahnvorstellungen. selbst ausgenutzt, indem die Konzentration im Gehirn
Die Erregung neuronaler 5-HT3-Rezeptoren be- durch selektive 5-HT-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
wirkt eine Ausschüttung verschiedener Neurotransmit- wie Sertralin und Citalopram gehemmt wird. Ein weite-
ter (z. B. Noradrenalin oder Substanz P). 5-HT3-Rezep- rer therapeutischer Ansatz besteht in der Hemmung
toren sind auf diese Weise an der Auslösung einer Reihe des Serotoninabbaus durch reversible selektive Blo-
von reflektorischen Vorgängen beteiligt. Sie kommen ckade der Monoaminoxidase A (MAO-A) durch Mo-
u. a. in der Area postrema der Medulla oblongata clobemid. Durch eine Überdosierung oder die Kombi-
(Brechzentrum) sowie an afferenten Vagusfasern und nation von MAO-A-Hemmern mit anderen Medika-
damit in Nachbarschaft der enterochromaffinen Zellen menten, die die Serotonin-Wiederaufnahme hemmen,
(ECL-Zellen) des Darms vor. Durch Stimulation dieser z. B. Tramadol (Ⴉ Kap. 15.4.4), kann ein Serotoninsyn-
Rezeptoren ruft Serotonin, wenn es im Rahmen einer drom (s. o.) ausgelöst werden. Der 5-HT4-Agonist Pru-
Chemotherapie mit Zytostatika oder infolge einer Be- caloprid (Ⴉ Kap. 51.1.5) ist zur Behandlung der chroni-
strahlung durch Untergang von ECL-Zellen in großen schen Verstopfung bei Frauen indiziert, die mit Laxan-
Mengen freigesetzt wird, starke Übelkeit und z. T. sehr zien keine ausreichende Wirkung erzielen.
schweres Erbrechen hervor. Auch die freien Nervenen- Eine massive Freisetzung von gespeichertem Seroto-
digungen der Schmerzfasern tragen 5-HT3-Rezeptoren. nin mit unvermeidlicher Tachyphylaxie und Erschöp-
Serotonin löst daher durch Nozizeptorstimulation auch fung wird durch 3,4-Methylendioxy-N-methylamphe-
Schmerzen aus. tamin (MDMA, Ecstasy) erreicht, das als Partydroge
5-HT4-Rezeptoren kommen im ZNS und Gastroin- zur Stimmungsverbesserung weltweit verbreitet ist. Der
testinaltrakt vor. Ihre Stimulation erhöht direkt sowie Wirkungsmechanismus ist analog dem der indirekten
über eine verstärkte Acetylcholinfreisetzung die Darm- Sympathomimetika (Ⴉ Kap. 23). MDMA hat ein gewis-
motilität. ses psychisches Abhängigkeitspotenzial.
Der gemischte 5-HT1A-Rezeptor-Agonist/5-HT2A-
Pathophysiologische Aspekte. Eine pathophysiologi- Rezeptor-Antagonist Flibanserin aktiviert neuronale
sche Bedeutung besitzt Serotonin insbesondere bei der Schaltkreise, die das sexuelle Interesse von Frauen posi-
Migräne (Ⴉ Kap. 16). Daneben wird seine Beteiligung tiv verstärken sollen. Die Substanz ist in den USA zur
bei bestimmten Arrhythmieformen, beim plötzlichen Behandlung der hypoactive sexual desire disorder
Herz- und Kindstod, bei Angst und Depressionen sowie (HSDD) der Frau zugelassen, nicht aber in Deutsch-
bei der Regulation des Appetits diskutiert. land. Als häufige Nebenwirkungen der „Pink Viagra“
78 2 Pharmakodynamik

႒ Tab. 2.7 Serotoninrezeptor-Subtypen und -Wirkungen


Rezeptor Subtyp Vorkommen Effekte bei Stimulation
(Transduktion)

5-HT1 5-HT1A ZNS Angstreaktionen, Blutdrucksenkung, Regulation


(Gi/o-gekoppelt; von Schlaf und Nahrungsaufnahme; Autorezeptor
cAMP ↓)
5-HT1B ZNS Hemmung der GABA-, Glutamat- und CGRP-Frei-
setzung (Heterorezeptor), indirekte Vasokonstrik-
tion (z. B. von Meningealarterien)

5-HT1D Meningealgefäße Konstriktion (s. o.)

ZNS motorische Aktivität, Verhaltenssteuerung, Verhal-


tensstörung; Autorezeptor

5-HT1E dendritische Zellen, Monozyten Chemotaxis

ZNS motorische Aktivität, Verhaltenssteuerung, Verhal-


tensstörung

5-HT1F ZNS motorische Aktivität, Verhaltenssteuerung

Lymphozyten Immunmodulation

5-HT2 5-HT2A ZNS neuronale Erregung, kognitive Funktionen, Ver-


(Gq-gekoppelt; arbeitung von Sinneseindrücken
IP3/DAG↑)
glatte Muskulatur Endothelinfreisetzung, Kontraktion großer Gefäße

Thrombozyten Aggregation

5-HT2B Gefäße Vasodilatation infolge NO-Freisetzung

5-HT2C ZNS Regulation von Nahrungsaufnahme, Schlaf-,


Angst- und Stressverhalten

5-HT3 – ZNS Verhaltenssteuerung, Angst


(ligandengesteu-
erter Ionenkanal) afferente Vagusneurone, Übelkeit, Erbrechen, Stimulation neuronaler Akti-
Darmnervensystem vität

Area postrema Übelkeit, Erbrechen

Schmerzfasern Schmerz

5-HT4 – Kolon (Muskulatur, Neurone) Motilitätszunahme, Acetylcholinfreisetzung


(Gs-gekoppelt;
cAMP ↑) Herz Tachykardie

ZNS Dopaminfreisetzung

5-HT5 5-HT5A ZNS zirkadiane Rhythmik, Verhaltens- und Stim-


(Gi/o-gekoppelt; mungssteuerung, kognitive Funktionen
cAMP ↓)
5-HT5b ZNS beim Menschen ein Pseudogen

5-HT6 (Gs-gekop- – ZNS motorische Kontrolle, Stimmung, kognitive Funk-


pelt; cAMP ↑) tionen, Erinnerungsvermögen

5-HT7 C-terminale Gefäßmuskulatur Relaxation der glatten Muskulatur


(Gs-gekoppelt; Spleißvarianten:
cAMP ↑) 5-HT7A, Gastrointestinaltrakt Relaxation der glatten Muskulatur
5-HT7B,
ZNS Thermoregulation, zirkadiane Rhythmik, Stim-
5-HT7D
mung
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 79

genannten Pille werden Schwindel, Schläfrigkeit, Übel- dere an entzündlichen Reaktionen, beteiligt. Anders als
keit und Erschöpfung verzeichnet. Histamin und Serotonin werden Eicosanoide nicht ve-
5-HT2A- und 5-HT2C-antagonistische Wirkungen sikulär gespeichert. Sie entstehen vielmehr erst bei Be-
sind sehr wahrscheinlich an der antipsychotischen darf aus ihrer Vorstufe, der Arachidonsäure (all-cis-
Wirkung atypischer Antipsychotika wie Clozapin 5,8,11,14-Eicosatetraensäure). Diese kommt nur in ge-
(Ⴉ Kap. 9.5) beteiligt. 5-HT3-Antagonisten (Setrone, ringer Menge frei vor, der größte Teil ist in die
Ⴉ Kap. 52.2.4) erlangten große Bedeutung beim Zytosta- Phospholipide der Zellmembranen eingebaut. Auf
tika- und Strahlen-induzierten Erbrechen. Reize der verschiedensten Art, insbesondere nach zell-
schädigenden Noxen, wird Arachidonsäure durch Akti-
Eicosanoide vierung von Phospholipase A2 freigesetzt und anschlie-
Eine weitere wichtige Gruppe von Mediatoren bilden ßend oxidativ biotransformiert, wobei folgende Pro-
die Eicosanoide. Sie sind an zahlreichen physiologi- dukte entstehen:
schen und pathophysiologischen Prozessen, insbeson-

Membranphospholipide

PLA2 2
Arachidonsäure

COX-1 COX-2

PGG2

COX-1 COX-2

PGH2

PGI2 TXA2 PGF2˞ PGD2 PGE2

IP-R TP-R FP-R DP-R EP1-R EP2-R EP3-R EP4-R


Gs Gq Gq Gs Gq Gs Gi Gs

cAMP IP3/Ca2+ IP3/Ca2+ cAMP IP3/Ca2+ cAMP cAMP cAMP

Vasodilatation, Thrombo- Uteruskon- Vasodilatation, Kontraktion Relaxation Hemmung Vermehrte


Hemmung der zytenag- traktion Hemmung der von Bronchien von Bronchien, der Säure- Schleim-
Thrombozyten- gregation, Thrombozyten- und Gastro- Gastro- sekretion sekretion
aggregation, Vasokon- aggregation, intestinaltrakt intestinaltrakt des Magens, des Ma-
Hemmung striktion, Relaxation der und Gefäßen verstärkte gens,
der Renin- Broncho- Muskulatur des Uterus- Offenhalten
freisetzung konstriktion Gastrointesti- kontraktion des Ductus
naltrakts und in der Botalli
des Uterus Schwan-
gerschaft

Ⴜ Abb. 2.26 Bildungswege, Rezeptoren und physiologische Effekte von Prostaglandinen. Membranphospholipide wer-
den über Phospholipase A2 zu Arachidonsäure umgesetzt, die Substrat für die Cyclooxygenasen 1 und 2 ist. Diese gene-
rieren die Prostaglandinvorstufen PGG2 und PGH2, aus denen sich enzymatisch (mittels Synthasen) die physiologisch
wirksamen Prostaglandine bilden. PLA2 Phospholipase A2, IP-R, TP-R, FP-R, DP-R, EP-R Prostanoidrezeptoren
80 2 Pharmakodynamik

󠀂 Prostaglandine (PGD, PGE, PGF), Prostacyclin im Magen, die antiaggregatorische und vasodilatie-
(PGI) und Thromboxan A2 (TXA2) auf dem Cyclo- rende Wirkung von PGI2 und PGE2, die Nieren-
oxygenase-Weg und durchblutung fördernde und tubuläre Na+-Resorption
󠀂 Leukotriene (LTB, LTC und LTD) auf dem Lipoxy- hemmende Wirkung von PGE2 sowie die uteruskon-
genase-Weg (s. u.). trahierende Wirkung von PGE2 und PGF2α von thera-
peutischer Relevanz.
Substanzen des Cyclooxygenase-Wegs
Katalysiert durch die Cyclooxygenase (COX; mit den Metabolisierung. Die Inaktivierung von Prostaglan-
beiden Isoformen COX-1 und COX-2, Ⴉ Kap. 15.3.2) dinen erfolgt sehr rasch durch verschiedene intrazel-
entsteht aus Arachidonsäure zunächst Prostaglan- luläre Enzyme, insbesondere durch die 15-Hy-
dinendoperoxid PGG2, das in PGH2 überführt wird. droxyprostaglandin-Dehydrogenase und die Δ13-
Aus PGH2 können dann Prostaglandine (PG) in zahl- Reduktase. Die höchste PG-Dehydrogenase-Aktivität
reichen Geweben, Thromboxan A2 (TXA2) in Throm- findet man in der Lunge, der Milz und den Nieren, die
bozyten und Prostacyclin (PGI2) im Gefäßendothel ge- höchste Reduktaseaktivität im Fettgewebe. Bereits nach
bildet werden (Ⴜ Abb. 2.26). Durch Prostaglandintrans- einer einzigen Lungenpassage sind Prostaglandine
porter werden die synthetisierten Prostaglandine aus nicht mehr im Blut nachweisbar. Die Plasmahalbwerts-
den Zellen freigesetzt. zeit übersteigt meist 1 Minute nicht. Die bereits nicht
mehr aktiven Primärmetaboliten werden wie andere
Prostanoidrezeptoren. Die genannten Substanzen des Fettsäuren durch β-Oxidation weiter abgebaut.
Cyclooxygenase-Wegs, die Prostanoide, greifen an spe-
zifischen G-Protein-gekoppelten Rezeptoren an. Eine Therapeutische Anwendung. Wegen ihrer Wirkung auf
Stimulation der Rezeptoren von PGD2 und PGI2 akti- die Uterus- und Gefäßmuskulatur werden natürliche
viert die Adenylylcyclase, während nach Erregung der und synthetische Vertreter der Gruppen PGE und PGF
EP-Rezeptoren – in Abhängigkeit vom jeweiligen Sub- als Arzneistoffe eingesetzt (႒ Tab. 2.8).
typ – die cAMP-Bildung sowohl zu- als auch abnehmen Alprostadil ist aufgrund seiner vasodilatierenden
kann. Eine Aktivierung der Rezeptoren von TXA2 und Wirkung bei erektiler Dysfunktion und bei schweren
PGF2α führt über die Bildung von Inositoltrisphosphat Formen der arteriellen Verschlusskrankheit indiziert
(IP3) und Diacylglycerol zu einem Anstieg der intrazel- (Ⴉ Kap. 31.1.1). Die Anwendung erfolgt lokal durch In-
lulären Ca2+-Konzentration. Das komplexe Bild der jektion in den Schwellkörper bzw. systemisch durch in-
Prostaglandineffekte – die verschiedenen Substanzen travenöse Infusion. Eine weitere Indikation ist die vorü-
wirken teilweise synergistisch, teilweise antagonistisch bergehende Offenhaltung des Ductus arteriosus Botalli
(Ⴜ Abb. 2.26) – beruht auf dem Vorkommen mehrerer zur Steigerung der pulmonalen Durchblutung bei Neu-
Prostaglandinrezeptortypen im selben Organ, der geborenen mit angeborenen Herzfehlern bis eine korri-
gleichzeitigen Bildung verschiedener Prostanoide und gierende Operation durchgeführt werden kann.
oft auch einer nur begrenzten Rezeptorselektivität. Dinoproston, Sulproston und Misoprostol dienen
aufgrund ihrer uteruskontrahierenden Wirkung zur
Prostaglandine Auslösung eines Aborts in der Frühschwangerschaft.
Der Name Prostaglandine (PG) beruht darauf, dass Während der Geburt beschleunigen sie die Öffnung des
diese Substanzen zunächst im Sekret der Prostata ge- Muttermunds. Im Anschluss an die Geburt dienen sie
funden wurden. Sie kommen aber nicht nur dort, son- der Behandlung atonischer Uterusblutungen. Die Ap-
dern in allen Organen vor. Physiologisch bzw. patho- plikation erfolgt intravenös oder vaginal/intrazervikal.
physiologisch bedeutsam sind PGD2, PGE2 und PGF2α. Misoprostol wird eingesetzt zur Geburtseinleitung
Die Freisetzung der Prostaglandine wird neuronal, bei Frauen ab der vollendeten 36. Schwangerschaftswo-
durch verschiedene Mediatorstoffe (z. B. Histamin) che, bei denen eine möglichst rasche Entbindung ange-
oder durch gastrointestinale Hormone (z. B. Gastrin) strebt werden muss. Allerdings kann Misoprostol eine
ausgelöst. Auch Noradrenalin setzt Prostaglandine frei, exzessive uterine Tachysystolie auslösen, die möglicher-
die ihrerseits die Noradrenalinliberation aus adrener- weise nicht auf eine tokolytische Behandlung anspricht.
gen Neuronen hemmen. Es muss in diesem Fall die Behandlung mit Misoprostol
unverzüglich beendet und eine Tokolyse begonnen
Wirkungen. Die vielfältigen physiologischen und pa- werden.
thophysiologischen Wirkungen der Prostaglandine Darüber hinaus wird Misoprostol zur Ulkusprophy-
beim Menschen sind in Ⴜ Abb. 2.26 zusammengefasst. laxe bei Therapien mit NSAID (Ⴉ Kap. 15.3.2) infolge
Neben der in Ⴉ Kap. 15 beschriebenen Beteiligung der seiner Wirkungen auf die Säure- und Schleimsekretion
Prostaglandine an Schmerz und Entzündung sind die im Magen in fixer Kombination mit Diclofenac einge-
Effekte von PGE2 auf die Säure- und Schleimsekretion setzt.
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 81

႒ Tab. 2.8 Prostaglandine und Prostaglandin-Derivate (außer Ophthalmika)

Strukturformel Handelspräparat Strukturformel Handelspräparat

Indikation Dosierung Indikation Dosierung

INN HWZ INN HWZ

O a) z. B. CAVER- Nalador®
COOH JECT®, O
b) MUSE®, NHSO 2CH3
CH3
c) Minprog®, O
HO OH d) prostavasin® O
HO OH
a, b) erektile Dysfunktion a) 10–40 μg in
c) Offenhaltung des Ductus arteriosus den Schwell-
Botalli körper, Aborteinleitung, atonische Nachblu- bis zu 1 mg
d) periphere arterielle Verschluss- b) initial 3–6 μg/ tungen nach Geburt und Abort
krankheit kg KG/h,
c) 250–1000 μg Sulproston 2h
intraurethral,
2
d) 20–40 (–80) a) in Arthrotec®
μg als Infu- O forte,
COOCH3 b) MISODEL®
sion/Tag
HO CH3
CH3
Alprostadil 0,1–0,2 h
HO
O z. B. PROPRESS®
COOH
CH3 a) Ulkusprophylaxe bei Gabe von a) 0,2–0,6 mg/
Diclofenac Tag,
HO OH b) Geburtseinleitung; Aborteinlei- b) 200 μg
tung, atonische Nachblutungen nach
Geburtseinleitung 3–10 mg Geburt und Abort

Dinoproston 0,02–0,05 h Misoprostol 0,5 h

Latanoprost (Xalatan®), Travoprost (Travatan®) Prostacyclin und Derivate


und Bimatoprost (Lumigan®) senken bei lokaler An- Das (körpereigene) Prostacyclin (PGI2) wirkt stark vaso-
wendung am Auge den Augeninnendruck und dienen dilatierend und thrombozytenaggregationshemmend
daher zur Glaukombehandlung (Ⴉ Kap. 80.1.3). und wird im Gefäßendothel durch Prostacyclin-Synthase
gebildet. Die Wirkungen kommen durch Stimulation von
Nebenwirkungen. Als Nebenwirkungen können Übel- IP-Rezeptoren und Aktivierung der Adenylylcyclase
keit, Diarrhö, Flush, Kopfschmerzen und heftige (Ⴜ Abb. 2.26) zustande. Prostacyclin wird rasch – Halb-
Schmerzen im Unterbauch auftreten. Diese sind bei sys- wertszeit 3 Minuten – biotransformiert.
temischer Gabe stärker ausgeprägt als bei lokaler An- Epoprostenol ist ein synthetisiertes Prostacyclin
wendung. Am Applikationsort können Prostaglandine (z. B. VELETRI®), das wegen seiner kurzen Halbwerts-
zudem Schmerzen auslösen. Eine Impotenzbehandlung zeit kontinuierlich i. v. bei der Behandlung der pulmo-
mit Alprostadil kann zu Priapismus führen. In der Ge- nalen Hypertonie eingesetzt wird. Ein stabileres synthe-
burtshilfe kann Misoprostol eine exzessive uterine Ta- tisches Prostacyclin-Analogon ist Iloprost (z. B. Ilome-
chysystolie auslösen, die möglicherweise nicht auf eine din®, Ventavis®). Es ist – parenteral appliziert – zur
tokolytische Behandlung anspricht. Es muss in diesem Behandlung der Thrombangiitis obliterans indiziert.
Fall die Behandlung mit Misoprostol unverzüglich be- Eine inhalative Applikation erfolgt bei primärer pulmo-
endet und eine Tokolyse begonnen werden. naler Hypertonie (Ⴉ Kap. 28.4.1). Ein weiteres Präparat,
das bei pulmonaler Hypertonie als Infusionslösung ein-
Interaktionen. Die abortive Wirkung der Prostaglan- gesetzt wird, ist Treprostinil (Remodulin®). Die Neben-
dine wird durch den selektiven Progesteronrezep- wirkungen sind ähnlich wie bei Prostaglandin-E-Deri-
tor-Modulator Mifepriston erhöht. vaten.
82 2 Pharmakodynamik

Thromboxan A2 Glutathion-S-Transferase zu LTC4 (in eosinophilen und


Das mittels Thromboxansynthase in Blutplättchen ge- basophilen Granulozyten) umgewandelt wird. Aus
bildete Thromboxan A2 (TXA2) fördert durch Stimula- LTC4, das zur Gruppe der Cystein-konjugierten Pepti-
tion des TP-Rezeptors die Thrombozytenaggregation do-Leukotriene (Cysteinyl-Leukotriene) gehört, ent-
und damit die Bildung von Plättchenthromben. Außer- steht durch Abspaltung von Glutaminsäure LTD4 und
dem besitzt es eine vasokonstriktorische Wirkung. Es aus diesem durch Abspaltung von Glycin LTE4.
ist damit der Gegenspieler von Prostacyclin. Es wird vor Die Cysteinyl-Leukotriene (LTC4, LTD4, LTE4) bil-
allem bei der Adhäsion von Thrombozyten an geschä- den gemeinsam die sog. slow-reacting substance of
digtes Gefäßendothel freigesetzt. anaphylaxis (SRS-A, s. u.).
Thrombozytenaggregationshemmer sind in Ⴉ Kap. 37 In analoger Weise entstehen in Thrombozyten mit-
beschrieben. tels 12-Lipoxygenase 12-HPETE und in Granulozyten
durch 15-Lipoxygenase 15-HPETE, die beide in die
Cyclooxygenasehemmer korrespondierenden HETEs umgewandelt werden. 15-
Die oben genannten verschiedenen Umwandlungsreak- HETE wird anschließend zu sog. Lipoxinen weiter bio-
tionen der Arachidonsäure machen es verständlich, transformiert.
dass deren medikamentöse Beeinflussung einen hohen
therapeutischen Stellenwert besitzt. Wie in Ⴉ Kap. 15.3 Leukotrienrezeptoren. Wie bei den Prostaglandinen
beschrieben, beruht die Wirkung der nichtsteroidalen sind auch bei den Leukotrienen mehrere Rezeptoren
Antirheumatika/Antiphlogistika (NSAID) großenteils bekannt. Es handelt sich bei ihnen um G-Protein-ge-
auf einem Eingriff in die Arachidonsäurekaskade durch koppelte Rezeptoren: BLT1- und BLT2-Rezeptoren
Hemmung der Cyclooxygenasen. Es wird hierdurch haben LTB4 als Liganden, CysLT1 und CysLT2 sind Re-
ferner deutlich, dass die Blockade des Cyclooxygenase- zeptoren für die Cysteinyl-Leukotriene. Man geht von
Wegs zu einer verstärkten Bildung anderer Arachidon- der Existenz weiterer, bisher weniger charakterisierter
säure-Derivate (s. u.) und damit zu unerwünschten Rezeptoren für die potenten Mediatoren aus.
Wirkungen führen kann (z. B. Auslösung von sog. An- Die BLT-Rezeptoren sind in Leukozyten, Endothel-
algetika-Asthma durch NSAID). zellen und auch im Magen-Darm-Trakt exprimiert und
aktivieren durch Kopplung an Gq- und Gi/o-Proteine
Substanzen des Lipoxygenase-Wegs Phospholipasen C (im Fall der Gi/o-Proteine Gβγ-
Außer durch Cyclooxygenasen kann Arachidonsäure vermittelt) und erhöhen die intrazelluläre Ca2+-Kon-
durch Lipoxygenasen (LOX) zu Hydroperoxiden oxi- zentration. Als Folge kommt es zu einer ausgeprägten
diert werden. Bei den Lipoxygenasen handelt es sich Chemotaxis von neutrophilen Granulozyten und Ma-
um zytosolische Enzyme von Leukozyten, Thrombozy- krophagen. Ferner nehmen die Synthese von Adhä-
ten, Mastzellen und der Lunge. Die in den verschiede- sionsproteinen und reaktiven Sauerstoffspezies sowie
nen Geweben exprimierten Isoformen unterscheiden die Freisetzung lysosomaler Enzyme zu.
sich in ihren Angriffspunkten an der Arachidonsäure, Die CysLT-Rezeptoren finden sich in Leukozyten,
wobei durch Einführen einer Hydroperoxygruppe ver- Mastzellen, in der Lunge, im Gastrointestinaltrakt und
schiedene Hydroperoxy-Eicosatetraensäuren (HPETE) in der Gefäßmuskulatur. Sie aktivieren Gq-Proteine und
entstehen, die anschließend mittels Peroxidase zu Hy- PLC als Effektorenzym. In der Folge kommt es durch
droxy-Eicosatetraensäuren (HETE) und zu Leukotrie- Cysteinyl-Leukotriene im Bronchialsystem zur Bron-
nen (LT) umgewandelt werden (Ⴜ Abb. 2.27). chokonstriktion und zur vermehrten Schleimsekretion.
Der Name Leukotriene rührt daher, dass diese Stoffe Auch die Verengung der Koronarien wird auf diesem
mit drei konjugierten Doppelbindungen erstmals aus Weg ausgelöst.
Leukozyten isoliert wurden. Wie bei den Prostaglan-
dinen dominieren beim Menschen jedoch Oxidations- Physiologische und pathophysiologische Bedeutung.
produkte der Arachidonsäure, die eine zusätzliche 5-HETE, 12-HETE und insbesondere LTB4 wirken che-
(vierte) Doppelbindung aufweisen, was durch den motaktisch auf Leukozyten, Fibroblasten und Keratino-
Index 4 in der Kurzbezeichnung ausgedrückt wird. zyten. Sie sind daher für die Wundheilung wichtig. Pa-
Besondere Bedeutung besitzt die in Leukozyten vor- thophysiologisch ist darüber hinaus die entzündliche
kommende 5-Lipoxygenase, die bei Zellaktivierung an Wirkung durch Bildung von reaktiven Sauerstoffspe-
ein Membranprotein, das 5-Lipoxygenase-aktivierende zies und Freisetzung lysosomaler Enzyme bedeutsam.
Protein (FLAP), bindet, wodurch die Leukotriensyn- Diese depolymerisieren Bindegewebssubstanzen (z. B.
these über 5-HPETE als Zwischenstufe ausgelöst wird. Kollagen, Hyaluronsäure) denaturieren Enzyme, schä-
5-HPETE bildet nämlich nicht nur 5-HETE, sondern digen Zellmembranen und erhöhen die Gefäßpermea-
auch ein 5,6-Epoxid (LTA4), das enzymatisch zu LTB4 bilität. Eine Beteiligung von LTB4 an der Entstehung
(vorzugsweise in Leukozyten) hydrolysiert bzw. mittels entzündlicher Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa,
2.1 Endogene Liganden an Pharmakon-Zielstrukturen 83

FLAP

5-LOX
PLA2
Arachidonsäure

Leukozyt, 5-HPETE
Mastzelle,
Thrombozyt
Leukotrien A4

Leukotrien B4 Leukotrien C4

2
Leukotrien C4 Leukotrien D4 Leukotrien E4
Leukotrien B4

BL
T
Montelukast CysLT
Leukozyt Gq
Gq

IP3/Ca2+ IP3/Ca2+

Chemotaxis Bronchialmuskulatur: Kontraktion


Eosinophile: Migration
Drüsenzellen: Mukus-Sekretion

Ⴜ Abb. 2.27 Leukozyten, Mastzellen, Thrombozyten und Tumorzellen sind in der Lage, Leukotriene zu bilden. Aus Phos-
pholipiden der Zellmembran wird mittels Phospholipase A2 (PLA2) Arachidonsäure gebildet, die durch 5-Lipoxygenase
(5-LOX) weiter zu 5-Hydroperoxy-Eicosatetraensäure (5-HPETE) umgesetzt wird. Die Aktivität der 5-LOX wird durch FLAP
(5-Lipoxygenase-aktivierendes Protein) reguliert. 5-HPETE wird in Leukotrien A4 umgewandelt, aus dem wiederum
Leukotrien B4 und C4 entstehen. Mittels eines spezifischen Transporters gelangen die Leukotriene aus der Zelle heraus.
Leukotrien B4 bewirkt über die Aktivierung des BLT-Rezeptors eine Chemotaxis von Entzündungszellen, während Leuko-
trien C4 zu Leukotrien D4 und E4 umgewandelt werden kann. Die drei letzteren Leukotriene enthalten Cystein (= Cysteinyl-
Leukotriene) und binden an den CysLT1-Rezeptor, wodurch die Kontraktion der Bronchialmuskulatur, die Mukusproduk-
tion in Drüsenzellen und die Migration von Eosinophilen stimuliert werden. BLT-Rezeptor Leukotrien-B4-Rezeptor

Morbus Crohn), der rheumatoiden Arthritis und der Leukotrienrezeptor-Antagonisten und


Psoriasis wird angenommen. Lipoxygenasehemmer
LTC4, LTD4 und LTE4 sind an der Auslösung von In der Asthmatherapie eingesetzte Leukotrienrezeptor-
Asthma beteiligt. Sie wirken außerordentlich stark Antagonisten wie Montelukast (Singulair®) werden in
bronchokonstriktorisch (etwa 1000-mal stärker als Ⴉ Kap. 42.3.2 beschrieben.
Histamin!), allerdings tritt die Wirkung langsamer ein Für das bei der Behandlung der Colitis ulcerosa be-
als bei anderen Mediatoren. (Darauf beruht die Be- währte Mesalazin (Ⴉ Kap. 50.2) konnte eine Lipoxyge-
zeichnung slow-reacting substance of anaphylaxis.) nasehemmung nachgewiesen werden, auf der zumin-
Ferner sind vasokonstriktorische Effekte von Leuko- dest ein Teil seiner Wirkung und der seiner Vorstufen
trienen beschrieben worden. Olsalazin und Sulfasalazin beruhen könnte. Auch die
Erfolge mit Sulfasalazin bei der Basistherapie der rheu-
matoiden Arthritis sind mit diesem Angriffspunkt ver-
einbar. In der Asthmatherapie haben 5-Lipoxygenase-
84 2 Pharmakodynamik

hemmer (z. B. das in Deutschland nicht zugelassene Zi- Ihre Wirkung kommt durch Stimulation von Brady-
leuton) allerdings bislang enttäuscht. kininrezeptoren zustande, von denen zwei Subtypen –
B1 und B2 – bekannt sind. Für die oben genannten Ef-
Substanzen des Cytochrom-P450-Wegs fekte ist der B2-Rezeptor verantwortlich. Beide Rezep-
Epoxyeicosatriensäuren (EETs) sind kurzlebige Media- toren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten
toren, die in verschiedenen Zellen durch spezifische Rezeptoren. Inositoltrisphosphat und Diacylglycerol
Cytochrom P450-Enzyme, den Cytochrom P450-Ep- sind second messenger. Eine Aktivierung der Phospho-
oxygenasen, aus der Arachidonsäure gebildet werden. lipase A2 und damit die vermehrte Bildung von Prosta-
EETs werden rasch durch ein weit verbreitetes Enzym, glandin E2 bzw. Prostacyclin trägt zur Vasodilatation
die lösliche Epoxidhydrolase (sEH), zu inaktiven Meta- sowie zur Kontraktion der Darmmuskulatur bei.
boliten abgebaut.
In der systemischen Zirkulation ist eine Rolle der Physiologische und pathophysiologische Bedeutung.
EETs für die endothelabhängige Vasodilatation be- Der B2-Rezeptor und damit wahrscheinlich auch Bra-
schrieben, während sie im Lungenkreislauf durch ihre dykinin sind für die funktionsgerechte Entwicklung der
Expression in Gefäßmuskelzellen vasokonstriktorisch Niere verantwortlich, während der B1-Rezeptor eine es-
wirken können. Weitere Bedeutung könnten EETs für senzielle physiologische Rolle bei der Auslösung einer
die Pathogenese des Herzinfarkts, des Schlaganfalls, inflammatorischen Antwort auf chemische und ther-
chronischer Entzündungsprozesse und neuropathi- mische nozizeptorische Reize spielt. Kinine können so
scher Schmerzen haben. als Mediatoren für die Erregung von Schmerzrezepto-
Aufgrund der großen Zahl verschiedener Epoxyge- ren und damit als Schmerzauslöser wirken sowie bei
nasen und Substrate neben der Arachidonsäure ist das lokalen Entzündungsvorgängen an den charakteristi-
pharmakologische Potenzial der Substanzen des Cyto- schen Symptomen (Mehrdurchblutung, Ödembildung
chrom-P450-Wegs zurzeit schwer einzuschätzen. und Schmerz) mitwirken. Ferner nimmt man an, dass
der Schock bei schwerer Pankreatitis durch Kallikrein-
Kinine (Bradykinin, Kallidin) freisetzung aus dem zerstörten Pankreasgewebe mitver-
Zu den Kininen, biologisch aktiven Peptiden, gehören ursacht wird. Relevant ist unter pharmakotherapeuti-
das Nonapeptid Bradykinin sowie das Dekapeptid Kal- schen Gesichtspunkten die Auslösung von Reizhusten
lidin. Kinine werden im Blutplasma aus einem α2- unter einer Behandlung mit ACE-Hemmern durch Bra-
Globulin, dem Kininogen, durch Serin-Proteasen, den dykinin (Ⴉ Kap. 28.2.1).
sog. Kallikreinen, abgespalten. Die inaktiven Vorstufen
der Kallikreine, die Präkallikreine (Kallikreinogene), Aprotinin. Das Polypeptid ist ein aus 58 Aminosäuren
kommen in verschiedenen Organen und Geweben, z. B. bestehender Inhibitor von Kallikrein und anderer Pro-
im Pankreas und Blutplasma, vor. Die Aktivierung von teasen (z. B. Trypsin, Chymotrypsin, Plasmin). Es wird
Plasma-Präkallikrein bewirkt der Hageman-Faktor in der Chirurgie als Bestandteil von Gewebeklebern
(Faktor XII des Blutgerinnungssystems, Ⴉ Kap. 36.3.1). eingesetzt. Dabei verhindert es aufgrund seiner antifi-
Bei der enzymatischen Spaltung von Kininogen durch brinolytischen Eigenschaften einen zu raschen Abbau
Plasmakallikrein entsteht Bradykinin, durch das ent- von Fibringerinnseln durch Plasmin (Ⴉ Kap. 39.2.1).
sprechende Pankreasenzym dagegen Kallidin. Der
Abbau der biologisch wirksamen Kinine erfolgt in den Plättchen-aktivierender Faktor (PAF)
Geweben und im Blut innerhalb von Minuten durch Der Name Plättchen-aktivierender Faktor geht auf den
spezifische Peptidasen (Kininasen). Kininase I spaltet erstmaligen Nachweis dieser Substanz in Thrombozy-
eine, Kininase II (identisch mit dem Angiotensin-Kon- ten zurück.
versionsenzym, ACE) zwei Aminosäuren vom C-termi- Zur Bildung von PAF bedarf es der Aktivierung der
nalen Ende des Peptids ab. Insgesamt betrachtet hat das Phospholipase A2, z. B. durch Thrombin bzw. Fibrino-
Kallikrein-Kinin-System Ähnlichkeit mit dem Renin- gen und Calciumionen. PAF ist nicht nur an der Throm-
Angiotensin-Aldosteron-System. bozytenaggregation beteiligt, sondern führt auch zu
Bronchokonstriktion, Blutdruckabfall und erhöhter
Wirkungen. Die Kinine sind außerordentlich wirksame Gefäßpermeabilität sowie zu Thrombo- und Leukope-
Verbindungen. Sie erhöhen das Herzzeitvolumen, be- nie. Seine Wirkung kommt nach Bindung an einen
wirken eine periphere Vasodilatation und senken da- membranständigen Rezeptor, der an Gq- sowie an Gi/o-
durch den Blutdruck. Ferner steigern sie die Kapillar- Proteine koppelt, durch Aktivierung der Phospholipase
permeabilität und können so zu Ödemen führen, haben C zustande. Im Plasma bzw. in nichtaktivierten Zellen
eine starke bronchokonstriktorische Wirkung und sind wird PAF durch PAF-Acetylhydrolase deacetyliert und
in der Lage, die glatte Muskulatur des Darms sowohl zu nach erneuter Acylierung mit Arachidonsäure als
kontrahieren als auch zu relaxieren. PAF-Präkursor gespeichert. Zur PAF-Bildung sind
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 85

neben Thrombozyten aktivierte Entzündungszellen be- den an eine spezifische Bindungsstelle entweder direkt
fähigt. (z. B. durch Öffnung eines Ionenkanals oder Stimula-
tion einer Rezeptor-Tyrosinkinase) oder auch über eine
Physiologische und pathophysiologische Bedeutung. Rezeptor-vermittelte Signaltransduktion (Rezeptor-
Physiologisch bedeutsam ist die Beteiligung von PAF an Effektor-Kopplung) einen Effekt (E) hervorzurufen
der Hämostase. Pathophysiologisch wird eine Beteili- vermögen.
gung bei der Entstehung einer Thrombose angenom- Entsprechend dieser Definition lautet die Grund-
men. Ferner trägt PAF durch seine bronchokonstrikto- gleichung einer Ligand-(L-)Rezeptor-(R-)Interaktion:
rischen und chemotaktischen Wirkungen zum Bron-
chialasthma bei. Auch eine Beteiligung an entzündlichen L + R ⇆ [LR] → → E
und allergischen Hauterkrankungen ist wahrscheinlich.
Bei Patienten mit Anaphylaxie ist PAF erhöht und kor- Einem (pharmakologischen) Rezeptor kommt somit
reliert mit der Schwere der Reaktion. PAF-Acetylhy- eine duale Funktion zu:
drolase ist dagegen, insbesondere bei tödlich verlaufen- 󠀂 die Signalerkennung durch Wechselwirkung mit
der Erdnuss-Allergie, vermindert. dem Liganden und Bildung des Ligand-Rezeptor-
Komplexes und
2.1.8 Hormone 󠀂 die direkte oder indirekte Auslösung eines Effekts.
Neben dem vegetativen Nervensystem verfügt der tieri- Die Zahl pharmakologischer Rezeptoren ist, wie die an- 2
sche und menschliche Organismus über eine weitere derer körpereigener, funktionaler Moleküle, begrenzt,
Regulationsmöglichkeit, die hormonelle Steuerung. die Ligandenbindung daher sättigbar. Letztere ist ferner
Während im Nervensystem die Informationsübertra- stereoselektiv und im Gegensatz zu enzymatischen Re-
gung lokal begrenzt chemisch und elektrisch erfolgt aktionen ohne chemische Veränderung des Liganden
(Ⴉ Kap. 8), werden die Hormone von spezialisierten (in- reversibel.
kretorischen) Drüsenzellen gebildet, auf einen Stimulus Rezeptoren besitzen für den Pharmakologen wie die
hin freigesetzt, um in oftmals weit entfernten Organen Enzyme für den Biochemiker besondere Bedeutung.
und Geweben spezifische Wirkungen hervorzurufen. Auch gibt es zahlreiche Parallelen zwischen Rezeptoren
Hormone und im endokrinen System angreifende und Enzymen. In der Enzymologie unterscheidet man
Pharmaka werden in Ⴉ Kap. 59. behandelt. zwischen dem gesamten Enzymmolekül und seinem
aktiven Zentrum, d. h. jenem Molekülteil, der an der
2.1.9 Immunmediatoren (Zytokine) Reaktion mit dem Substrat beteiligt ist. Analog dazu
Immunmodulatoren sind Stoffe, welche die Aktivität kann zwischen dem Rezeptormolekül als Ganzem und
des Immunsystems beeinflussen. seinen Bindungsstellen differenziert werden.
Zytokine sind körpereigene regulatorisch wirkende Aufgrund dieser ähnlichen Eigenschaften werden
Proteine oder Glykoproteine. Ihre Wirkung wird über von einigen pharmakologischen Autoren auch Enzyme
membranständige Rezeptoren (Zytokinrezeptoren; zu den Rezeptoren gerechnet. Hier wird an der klassi-
s. u.) parakrin und autokrin, teilweise auch endokrin schen Rezeptordefinition und damit der Trennung von
vermittelt. Rezeptoren und Enzymen festgehalten.
Im Wesentlichen lassen sich 5 Gruppen immunmodu-
lierender Zytokine unterscheiden: Rezeptorisolierung, -strukturaufklärung, -transfektion
󠀂 Interleukine (IL), und -expression. Wegen der meist sehr geringen Re-
󠀂 Interferone (IFN), zeptordichte im Gewebe schien die Isolierung reiner
󠀂 Tumornekrosefaktoren (TNF), Rezeptormoleküle lange Zeit utopisch. Durch gentech-
󠀂 koloniestimulierende Faktoren und die nologische Verfahren sowie mit aufwendigen Iso-
󠀂 Chemokine. lierungsmethoden (u. a. Solubilisierung der Rezeptor-
Zytokine werden ausführlich in Ⴉ Kap. 68.1 dargestellt. proteine mit nichtionischen Detergenzien, Affinitäts-
chromatographie, Ionenaustauschchromatographie)
konnten nunmehr jedoch zahlreiche Rezeptorgene klo-
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakon- niert, Rezeptoren isoliert und ihre Aminosäuresequenz
wirkungen aufgeklärt werden. Außerdem konnte durch Einbrin-
gen von Rezeptorgenen in Zellen, die ursprünglich
2.2.1 Rezeptoren nicht über diese Art von Rezeptoren verfügten (z. B. Fi-
Unter pharmakologischen Rezeptoren versteht man broblasten), eine entsprechende Rezeptorexpression er-
intrazelluläre oder membranständige Proteine bzw. aus reicht werden. Schließlich führte die Sequenzierung
mehreren Proteinen zusammengesetzte Komplexe, die ganzer Genome dazu, dass aufgrund von Homologien
nach Bindung eines (endogenen oder exogenen) Ligan- viele neue Rezeptoren identifiziert werden konnten,
86 2 Pharmakodynamik

deren biologische Funktion allerdings teilweise noch tritt mit Nicotin- und Muscarinrezeptoren, von denen
nicht aufgeklärt ist und für die noch keine physiologi- ebenfalls wieder Subtypen existieren, in Wechselwirkung.
schen oder pharmakologischen Liganden bekannt sind Besonders zahlreiche Subtypen wurden bei den Seroto-
(sog. Orphanrezeptoren). ninrezeptoren (႒ Tab. 2.7) gefunden. Von den intrazellulä-
Wichtige methodische Fortschritte der letzten Jahre ren Estrogen- und Progesteronrezeptoren existieren je-
bestanden in der Optimierung und Weiterentwicklung weils (mindestens) zwei Subtypen (α und β).
von Verfahren zur Aufklärung der Proteinstruktur Die Natur arbeitet somit gleichsam mit Hauptschlüs-
pharmakologischer Rezeptoren. Mit Kristallstrukturana- seln, den physiologischen Liganden, an Einzelschlös-
lyse, hochauflösender NMR-Spektroskopie und der sern, den Rezeptorsubtypen.
Kryoelektronenmikroskopie konnte die Tertiärstruktur
vieler Rezeptorproteine aufgeklärt werden. Jede der er- Rezeptorreserve. Zur Signalweiterleitung benötigt der
wähnten Techniken hat intrinsische Vor- und Nachteile. aktive Rezeptor einen Effektor mit hoher Affinität zur
Während mit der Röntgenkristallographie Proteinstruk- aktiven und geringer Affinität zur inaktiven Rezeptor-
turen mit besonders hoher Auflösung (etwa 2 Å) auf ato- konformation. Stehen weniger Effektoren als Rezepto-
marer Ebene aufgeklärt werden können, sind die Struk- ren zur Verfügung, kann vielfach die maximale Wir-
turen jedoch statisch und zeigen keine Konforma- kung durch Kopplung nur eines Teils von aktiven
tionsänderungen, z. B. nach Ligandenbindung, wenn Rezeptoren an deren Effektoren erzielt werden. Experi-
nicht separate Kristallstrukturen, z. B. Agonist-versus- mentell äußert sich die Rezeptorreserve in einer Links-
Antagonist-gebundene Rezeptoren, miteinander vergli- verschiebung (in Richtung geringerer Ligandenkonzen-
chen werden. trationen) der Konzentrations-Wirkungs- gegenüber
Die Strukturaufklärung mit NMR-Spektroskopie in der Liganden-Bindungskurve. Die Rezeptoren, die
Lösung ist auf kleinere Proteine (bis etwa 30 kDa) be- nicht an der Kopplung beteiligt sind, werden als Rezep-
schränkt, erlaubt aber Aussagen über dynamische Ände- torreserve bezeichnet. Durch Variation der Rezeptorre-
rungen im Protein. Mit Festkörper-NMR-Spektroskopie serve kann die Empfindlichkeit einer Zelle gegenüber
lassen sich Proteine untersuchen, die weder eine hohe einem Pharmakon erhöht oder erniedrigt werden.
Ordnung wie in einem Kristall aufweisen noch löslich
sind. So können Proteine in einer physiologischen Lipid- Desensibilisierung, Rezeptor-Down- und -Up-Regula-
umgebung bei Raumtemperatur studiert werden. Mit tion. Die Intensität des durch eine bestimmte
diesem Ansatz gelang es, eine Reihe von Mem- Ligandenkonzentration ausgelösten Signals ist nicht
branproteinen u. a. auch Ionenkanäle zu untersuchen. konstant, sondern sie kann – bei verschiedenen Rezep-
Eine Revolution in der Strukturaufklärung von toren unterschiedlich stark ausgeprägt – bei anhalten-
Membranproteinen wurde durch methodische Fort- der Rezeptorstimulation abnehmen: In diesem Fall
schritte bei der Entwicklung neuer Detektoren und op- kommt es zur Desensibilisierung, d. h. zur Abnahme
timierter Datenanalyse in der Kryoelektronenmikro- der Empfindlichkeit des Systems.
skopie erreicht. In wenigen Jahren konnte die hochauf- Der Desensibilisierung liegen mehrere Mechanis-
gelöste dreidimensionale Struktur von einer Vielzahl men zugrunde. So bewirkt beispielsweise die Aktivie-
von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und Ionenka- rung membranständiger G-Protein-gekoppelter Rezep-
nälen gelöst werden. Die Strukturinformationen haben toren nach Rezeptorstimulation außer dem eigentli-
die Möglichkeiten eines computerbasierten in silico- chen Effekt auch eine Rezeptor-Phosphorylierung.
Screening nach neuen Liganden deutlich erweitert. Dadurch steigt die Affinität dieser Rezeptoren zu intra-
zellulären Proteinen (Arrestinen). Die Arrestin-Bin-
Rezeptorsubtypen. In der Enzymologie werden Enzyme, dung blockiert die weitere Signalübermittlung durch
die dieselben Substrate umsetzen, sich aber in ihren Km- G-Protein-vermittelte Rezeptoren und leitet die Inter-
und Vmax-Werten unterscheiden, als Isoenzyme bezeich- nalisierung der gebundenen Rezeptoren durch Endozy-
net. In analoger Weise können auch bei den Rezeptoren tose ein. Zudem kann die Signalweitergabe auf neue ar-
verschiedene Typen und Subtypen unterschieden werden: restinabhängige Signalwege, z. B. die MAP-Kinasekas-
Für praktisch jeden Neurotransmitter, aber auch für Hor- kade (Ⴜ Abb. 2.41), umgeleitet werden. Liganden an
mone, Vitamine, Wachstumsfaktoren u. a. wurden in ihrer G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, die vornehmlich
Struktur zwar ähnliche, aber sowohl mit klassischen phar- arrestinabhängige Signalwege aktivieren, werden als
makologischen als auch mit molekularbiologischen Me- funktional selektive (biased) Agonisten bezeichnet.
thoden eindeutig unterscheidbare Rezeptoren, d. h. Re- Arrestine binden auch an andere Klassen von Mem-
zeptoren mit unterschiedlicher Aminosäuresequenz, branrezeptoren und zahlreiche andere Signalproteine.
nachgewiesen. Beispielsweise interagiert Noradrenalin Außerdem ändert sich die Zahl der Rezeptoren in
mit α- und β-Adrenozeptoren, die nochmals in verschie- Abhängigkeit vom Funktionszustand des Organismus
dene Subtypen unterteilt werden können. Acetylcholin bzw. des betreffenden Organs. In Gegenwart anhaltend
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 87

hoher Konzentrationen stimulierender Liganden findet Ferner kann in diesem Zusammenhang die gestörte
man eine Erniedrigung der Zahl aktiver Rezeptoren Bildung von LDL-Rezeptoren als Ursache der familiär
durch Internalisierung und verstärkten Abbau (Rezep- bedingten Hypercholesterolämie (Ⴉ Kap. 30) und der
tor-Down-Regulation). Prinzipiell ist es jedoch für ei- Adiuretinrezeptor-Defekt beim renalen Diabetes insi-
nige Rezeptoren, vor allem für Peptidhormonrezepto- pidus (Ⴉ Kap. 55.6.2) genannt werden.
ren, möglich, auch nach erfolgter Internalisierung für Der zu der Familie der epidermalen Wachstumsfak-
eine gewisse Zeit ein G-Protein-Signal in der Zelle wei- torrezeptoren gehörende HER2/neu-Rezeptor spielt eine
terzuleiten. Ein relevantes Beispiel einer Rezeptor- wichtige Rolle in der Diagnostik und Behandlung des
Down-Regulation ist die Abnahme der β-Adrenozep- Mammakarzinoms. Bei etwa 20 % aller Mammakarzi-
torzahl bei Herzinsuffizienz aufgrund einer Erhöhung nome ist er stark überexprimiert und in seiner Wirkung
der Catecholaminkonzentration im Blut (Hypercate- verstärkt, was sich in rascherem Tumorwachstum und
cholaminämie). Zur Desensibilisierung tragen ferner einer ungünstigeren Prognose äußert (Ⴉ Kap. 73.5.2).
eine verringerte Expression der Rezeptorgene und ein
beschleunigter Abbau von Rezeptor-mRNA bei. 2.2.2 Agonisten, Antagonisten
Ein Schutz der Rezeptoren gegen Aktivierung und In gleicher Weise wie physiologische Liganden können
damit eine Senkung des Rezeptorverbrauchs, z. B. durch auch Pharmaka als exogene Liganden mit Rezeptoren
Gabe von Rezeptorenblockern (kompetitiven Antago- interagieren. Die Voraussetzung für eine solche Phar-
nisten), Denervierung oder einen Mangel an Neuro- makon-Rezeptor-Wechselwirkung ist die Bildung eines 2
transmittern, vergrößert dagegen die Rezeptorzahl (Re- Pharmakon-(P)-Rezeptor-(R)-Komplexes:
zeptor-Up-Regulation). Wirkstoffe, die indirekt auf ein
bestimmtes System einwirken, können ebenfalls dessen P + R ⇆ [PR]
Rezeptorendichte verändern (heterologe Up- bzw.
Down-Regulation). Als Beispiele seien die Zunahme Ob und in welchem Ausmaß dieser Komplex gebildet
der Oxytocinrezeptoren unter Estrogen-Gabe und wird, hängt von der Affinität des Pharmakons zum Re-
deren Abnahme unter Progesteroneinwirkung sowie zeptor ab: Je höher die Affinität, desto größer ist die
die Zunahme der Zahl von β-Rezeptoren, beispiels- Tendenz des Pharmakons zur Bildung eines Komplexes
weise im Herzmuskel, bei Gabe von Schilddrüsenhor- mit dem Rezeptor. Ein Parameter für die Affinität ist die
monen genannt. Diesen Befunden entspricht dann eine Affinitätskonstante KD, die auch als Dissoziationskon-
veränderte Gewebeempfindlichkeit gegen Oxytocin stante bezeichnet wird. Nach dem Massenwirkungsge-
bzw. Adrenalin/Noradrenalin. setz ist:
Rezeptorsysteme erweisen sich somit hinsichtlich
[P] ∙ [R] k
ihrer Anpassungsfähigkeit an verschiedene Bedingun- KD = _ [PR]
= _2
k1
gen als ebenso flexibel wie die Enzymsysteme (vgl. En-
zyminduktion oder Enzymhemmung bei Biotransfor-
mationsreaktionen). wobei [P] die freie Pharmakonkonzentration, [R] die
freie Rezeptorkonzentration, [PR] die Pharmakon-
Krankheitsbedingte Veränderungen der Rezeptorfunk- Rezeptor-Komplex-Konzentration, k1 die Assoziations-
tion. Abweichungen von der normalen Rezeptorfunk- geschwindigkeitskonstante und k2 die Dissoziations-
tion kommen bei pathologischen Zuständen vor. Ein geschwindigkeitskonstante bedeuten.
typisches Beispiel einer Rezeptor-Autoimmunkrank- Wesentlich ist ferner die Unterscheidung zwischen:
heit ist die Myasthenia gravis, bei der Autoantikörper 󠀂 Substanzen, die sowohl an den Rezeptor binden als
gegen die cholinergen Rezeptoren (n-Cholinozeptoren, auch ihn stimulieren, den Agonisten,
Ⴉ Kap. 2.1.1) der motorischen Endplatte gebildet wer-
den. Durch die Bindung der Antikörper an die Rezepto- P + R → [PR] → → E
ren sind diese zu einer Wechselwirkung mit dem
Neurotransmitter nicht mehr befähigt. Die Folge ist und
eine Muskelschwäche. 󠀂 Stoffen, die einen Rezeptor-vermittelten Effekt ab-
Auch dem Morbus Basedow (Ⴉ Kap. 61.3.3) liegt schwächen oder ganz verhindern, den Antagonisten.
eine Rezeptor-Autoimmunkrankheit zugrunde, und
zwar werden hierbei Antikörper gegen Thyrotropinre- Pharmakon-Rezeptor-Bindung. Für die Bindung eines
zeptoren gebildet, die – anders als die oben beschriebe- Wirkstoffs an einen Rezeptor kommen alle Bindungsar-
nen Antikörper – stimulierende Eigenschaften besitzen ten (z. B. Ionenbindungen, Wasserstoffbrückenbindun-
und somit nach Bindung an die Rezeptoren die Schild- gen, hydrophobe Bindungen durch van-der-Waals-
drüse zu verstärkter Hormonproduktion anregen. Kräfte) in Betracht. Fast immer sind verschiedene Bin-
dungsarten gleichzeitig an der Interaktion beteiligt. Für
88 2 Pharmakodynamik

die primäre Phase des Zusammentretens von Pharma- sen, wird intrinsische Aktivität (intrinsic activity, i. a.)
kon und Rezeptor sind bei ionisierbaren Verbindungen genannt. Diese ist ein Maß für die maximale Wirkung,
(Basen, Säuren) Ionenbindungen von entscheidender die mit einer Substanz in dem jeweiligen biologischen
Bedeutung, da deren Bindungskräfte – verglichen mit System erreichbar ist.
anderen Bindungsarten – die größte Reichweite besitzen. Ein Agonist ist ein Pharmakon, das sowohl Affinität
Für die sich daran anschließende (reversible) Fixierung als auch intrinsische Aktivität besitzt. Meist wird dabei
sind dagegen vorwiegend Dipol-Dipol-, Wasserstoffbrü- die intrinsische Aktivität als relative intrinsische Akti-
cken- und hydrophobe Bindungen verantwortlich. vität α angegeben. Diese ist dem Quotienten aus dem
von dem Agonisten ausgelösten Effekt EA und dem in
Zwei-Zustände-Modell. Bei der bisherigen Beschrei-
bung der Ligand-Rezeptor-Wechselwirkung wurde
nichts darüber ausgesagt, welche physikochemischen Ruhezustand (R) aktiver Zustand (R*)
Veränderungen dabei auftreten. Vorstellungen hierzu,
die insbesondere für G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
A
(Ⴉ Kap. 2.2.4) als gültig angesehen werden, wurden im
stark vereinfachenden Zwei-Zustände-Modell zusam-
mengefasst (Ⴜ Abb. 2.28). Danach liegt ein Rezeptor in
mindestens zwei Zuständen (Konformationen), im in-
aktiven Ruhezustand (R) und aktiven Zustand (R*) vor.
Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es ein Kontinuum
von Rezeptorkonformationen mit mehreren aktiven
Zuständen. Die Konformationen stehen im dynami-
schen Gleichgewicht, d. h. zu einem gegebenen Zeit- B
punkt wird es immer eine bestimmte Fraktion aktiver
(R*) und inaktiver (R) Rezeptoren zugleich in der Zelle
geben. In Abwesenheit eines (endogenen oder exoge-
nen) Liganden ist das Gleichgewicht meist weitgehend
zur inaktiven Seite verschoben. Die Rezeptoren, die sich
auch ohne Ligand im aktiven Zustand befinden, werden
als konstitutiv aktive Rezeptoren bezeichnet. Diese
kommen physiologisch vor, können aber auch durch C
Mutationen entstehen.
Diesem Modell entsprechend sind:
󠀂 Agonisten Substanzen, die bevorzugt an den Rezep-
tor im aktiven Zustand binden und das Gleichge-
wicht weitgehend zu dieser Seite verschieben,
󠀂 (kompetitive, s. u.) Antagonisten Verbindungen,
die durch vorrangige Interaktion mit dem inaktiven
D
Rezeptor dessen Aktivierung verhindern und damit
das in der ruhenden Zelle vorherrschende Gleichge-
wicht stabilisieren, und
󠀂 inverse Agonisten Wirkstoffe, die an konstitutiv ak-
tive Rezeptoren binden, das Gleichgewicht in Rich-
tung inaktiver Zustand verschieben und den Anteil
konstitutiv aktiver Rezeptoren noch stärker als im
Ruhezustand erniedrigen. In der Regel wirken in-
verse Agonisten wie Antagonisten.
Harmalin, ein psychoaktives Indolalkaloid, bindet bei-
spielsweise als inverser Agonist an GABAA-Rezeptoren Ⴜ Abb. 2.28 Zwei-Zustände-Modell. A Kein Ligand vor-
handen, Rezeptoren annähernd vollständig im Ruhezu-
und stabilisiert dadurch die inaktive Konformation die-
stand; B bei Anwesenheit eines vollen Agonisten Gleich-
ses Rezeptors. Die Folge ist ein angstauslösender Effekt. gewicht weitgehend zum aktiven Zustand verschoben;
C bei Anwesenheit eines partiellen Agonisten/Antago-
Volle und partielle Agonisten nisten Gleichgewicht weniger stark zum aktiven Zustand
Die Fähigkeit eines Pharmakons, nach der Bildung des verschoben; D bei Anwesenheit eines (vollen) Antago-
Komplexes mit einem Rezeptor eine Wirkung auszulö- nisten Verschiebung des Gleichgewichts zum Ruhezustand
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 89

dem biologischen System maximal möglichen Effekt Em schaften besitzen: Bei Anwesenheit von Konzentrationen
proportional: eines vollen Agonisten, die einen größeren Effekt hervor-
rufen, als es der i. a. des partiellen Agonisten entspricht,
E
∝=_
E
A schwächt dieser die Wirkung des vollen Agonisten ab
m
(partielle antagonistische Wirkung). Bei niedrigen Kon-
zentrationen oder Abwesenheit eines vollen Agonisten
Die maximale relative intrinsische Aktivität ergibt sich aus: wirkt ein partieller Agonist dagegen agonistisch.

EA
_ Antagonisten
Em
= 1
Antagonisten lassen sich in folgende Typen unterteilen:
󠀂 kompetitive (Ⴜ Abb. 2.29 B),
Agonisten mit einer i. a. von 1 werden volle Agonisten, 󠀂 nichtkompetitive (Ⴜ Abb. 2.29 C),
Wirkstoffe mit einer i. a. größer 0 kleiner 1 partielle Ago- 󠀂 funktionelle (Ⴜ Abb. 2.32) und
nisten genannt. Letztere nehmen eine Mittelstellung zwi- 󠀂 chemische (Ⴜ Abb. 2.33).
schen vollen Agonisten und Antagonisten ein, da sie wie
volle Agonisten, jedoch weniger stark als diese, das Kompetitive Antagonisten. Diese sind in gleicher Weise
Gleichgewicht von inaktivem zu aktivem Rezeptor nach wie Agonisten in der Lage, sich an Rezeptoren anzula-
rechts verlagern (Ⴜ Abb. 2.28 C). Dieses Verhalten ist der gern, zu denen sie Affinität besitzen. Im Gegensatz zu 2
Grund dafür, dass partielle Agonisten dualistisch wirken, Agonisten sind sie aber nicht befähigt, einen Effekt aus-
d. h. sowohl agonistische als auch antagonistische Eigen- zulösen. Sie weisen keine intrinsische Aktivität auf:

A Wirkung eines Agonisten

Signal-
+ Effekt
transduktion

Rezeptor Agonist

B kompetitive Hemmung

keine Signal-
+ kein Effekt
transduktion

Rezeptor kompetitiver
Antagonist

C nichtkompetitive Hemmung

verminderte
verminderter
+ + Signal-
Effekt
transduktion
Rezeptor Agonist nicht-
kompetitiver
Antagonist

nichtkompetitiver
Antagonist

verminderte
verminderter
+ Signal-
Effekt
transduktion
Rezeptor Agonist

Ⴜ Abb. 2.29 Schematische Darstellung von Pharmakon-Rezeptor-Wechselwirkungen


90 2 Pharmakodynamik

P + R ⇆ [PR] ⇞ E also solche mit hoher Affinität, eine erhebliche, schwach


wirksame Stoffe nur eine geringe Parallelverschiebung.
Typische Beispiele für kompetitive Antagonisten
Da Agonist und kompetitiver Antagonist um denselben sind α- und β-Adrenozeptor-Antagonisten (Ⴉ Kap. 24),
Rezeptor konkurrieren, kann – dem Massenwirkungs- AT1-Antagonisten (Ⴉ Kap. 28.2.2) und Antiandrogene
gesetz entsprechend – jeweils durch die Erhöhung der (Ⴉ Kap. 64.3).
Konzentration des einen Stoffs der andere vom Rezep-
tor verdrängt werden. Nichtkompetitive Antagonisten. Wie aus Ⴜ Abb. 2.29
In Ⴜ Abb. 2.30 sind Konzentrations-Wirkungs-Kur- ersichtlich, vermögen nichtkompetitive Antagonisten
ven eines Agonisten aufgetragen, bei 0 ohne Zusatz die Wirkung eines Agonisten auf verschiedene Weise
eines kompetitiven Antagonisten, bei 1 und 2 mit Zu- abzuschwächen. Beispielsweise kann das Pharmakon
satz einer bestimmten Menge eines kompetitiven Ant- nicht an dem Rezeptorareal, mit dem der Agonist inter-
agonisten. Ehe der Agonist bei 1 und 2 einen Effekt aus- agiert, sondern an einer anderen Stelle des Rezeptor-
lösen kann, muss er den Antagonisten vom Rezeptor proteins, allosterisch, angreifen (Ⴜ Abb. 2.29 C oben).
verdrängen. Der Agonist muss in höheren Konzentrati- Seine Hemmwirkung kommt dadurch zustande, dass es
onen als bei 0 gegeben werden, bis es zum ersten wahr- die Bedingungen für die Bindung des Agonisten an des-
nehmbaren Effekt kommt. Ebenso sind für die Errei- sen Bindungsstelle negativ verändert. Weitere Möglich-
chung des Maximaleffekts höhere Konzentrationen des keiten einer nichtkompetitiven Hemmung bestehen
Agonisten erforderlich. darin, dass die nach der Bildung des Agonist-Rezeptor-
Ein wesentliches Merkmal für den kompetitiven Komplexes ablaufenden Vorgänge beeinflusst werden
Antagonisten ist die Parallelverschiebung der Do- (Ⴜ Abb. 2.29 C unten). In allen Fällen wird die Konzen-
sis-Wirkungs-Kurve des Agonisten nach rechts. Der trations-Wirkungs-Kurve des Agonisten durch den
Grad der Parallelverschiebung der agonistischen Kurve nichtkompetitiven Antagonisten folgendermaßen ver-
auf der Abszisse ist ein Maß für die Affinität des Ant- ändert (Ⴜ Abb. 2.31): Die jeweiligen, durch den Agonis-
agonisten zum Rezeptor: In entsprechend gleicher Kon- ten induzierten Effekte werden in Abhängigkeit von der
zentration verursachen stark wirksame Antagonisten, Konzentration des Antagonisten abgeschwächt, d. h. die
Steigung der Kurve und der Maximaleffekt nehmen ab.
Bei hohen Konzentrationen eines nichtkompetitiven
0 1 2 Antagonisten ist schließlich der Effekt des Agonisten
1,0
ganz blockiert. Obwohl eine Rezeptorbesetzung durch
den Agonisten in vollem Umfang erfolgen kann, ist der
Einfluss des nichtkompetitiven Antagonisten – im
Gegensatz zu den kompetitiven Antagonisten – auch
durch höchste Konzentrationen des Agonisten nicht
aufzuheben. Das Massenwirkungsgesetz gilt hier also
EAB/Em

0,5
nicht!
Typische nichtkompetitive Antagonisten sind Ket-
amin (Ⴉ Kap. 18.2.4) am NMDA-Rezeptor und Palono-
setron (Ⴉ Kap. 52.2.4) am 5-HT3-Rezeptor.
Eine Unterform des nichtkompetitiven ist der un-
0
10-8 10-7 10-6 10-5
kompetitive Antagonismus. Unkompetitve Antago-
nisten unterscheiden sich von nichtkompetitiven Ant-
M (A)
agonisten darin, dass sie eine Rezeptoraktivierung
durch einen Agonisten erfordern, bevor sie durch allos-
0: Konzentrations-Wirkungs-Kurve von A in terische Bindung hemmend wirken können. Die
Abwesenheit von B
Hemmwirkung des unkompetitiven Antagonisten
1 und 2: Konzentrations-Wirkungs-Kurve von A in hängt dabei wesentlich von der Konzentration des be-
Gegenwart von B; bei 2 die dreifache treffenden Agonisten ab: je höher der agonistische Ef-
Konzentration von B wie bei 1
fekt, umso größer ist auch die antagonistische Wirkung.
Beispiele für unkompetitive Antagonisten am
Ⴜ Abb. 2.30 Einfluss steigender Konzentrationen eines
NMDA-Rezeptor sind Amantadin (Ⴉ Kap. 21.2.6,
kompetitiven Antagonisten B auf die Konzentrations-
Wirkungs-Kurve eines Agonisten A. Auf der Ordinate der Ⴉ Kap. 84.2.2) und Memantin (Ⴉ Kap. 22.2.2).
durch A + B hervorgerufene Effekt EAB im Verhältnis zum
maximal erreichbaren Effekt Em, auf der Abszisse die mo- Funktionelle Antagonisten. Von einem funktionellen
lare Konzentration von A Antagonisten spricht man dann, wenn dieser als Ago-
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 91

funktioneller (physiologischer) Antagonismus


1,0 0

Agonist +
(A)
1
Effekt


EAB/Em

0,5 Agonist
2 (B)

Ⴜ Abb. 2.32 Funktioneller (physiologischer) Antagonismus

0
10-8 10-7 10-6 10-5
Agonist kein
M (A) (z. B. Heparin) Effekt

0: Konzentrations-Wirkungs-Kurve von A in + 2
Abwesenheit von B'
chemischer Antagonist
1 und 2: Konzentrations-Wirkungs-Kurve von A in (Protamin u. a.)
Gegenwart von B'; bei 2 die dreifache
Konzentration von B' wie bei 1

Ⴜ Abb. 2.31 Einfluss steigender Konzentrationen eines inaktives Reaktionsprodukt


nichtkompetitiven Antagonisten B‘ auf die Konzentrati- (Heparin-Protamin-Komplex)
ons-Wirkungs-Kurve eines Agonisten A. Auf der Ordinate
der durch A + B‘ hervorgerufene Effekt EAB, im Verhältnis Ⴜ Abb. 2.33 Chemischer Antagonismus
zum maximal erreichbaren Effekt Em, auf der Abszisse die
󠀂 Steroidhormone (Glucocorticoide, Mineralocorti-
molare Konzentration von A
coide, Androgene, Estrogene, Gestagene, Vitamin-
D-Hormon),
nist durch einen entgegengesetzten Effekt die Wirkung 󠀂 Retinoide und
eines zweiten Agonisten, der an anderen Rezeptoren 󠀂 Schilddrüsenhormone.
angreift, abschwächt. Außerdem werden zu dieser Rezeptorgruppe auch die
Ein Beispiel hierfür ist der Antagonismus zwischen Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR)
cholinergen oder histaminergen Substanzen und β-adre- gerechnet, die Zielmoleküle von Fibraten (Ⴉ Kap. 30.2.5)
nergen Stoffen an der Bronchialmuskulatur (Ⴜ Abb. 2.32). und Glitazonen (Ⴉ Kap. 60.6.2) sind. Die Familie dieser
strukturell verwandten Rezeptoren umfasst beim Men-
Chemische Antagonisten. Unter chemischen Antago- schen etwa 50 Mitglieder.
nisten versteht man Substanzen, die chemisch mit Intrazelluläre Rezeptoren kommen im Zytoplasma
einem Wirkstoff reagieren und diesen dabei – unabhän- (z. B. Glucocorticoidrezeptoren) oder im Zellkern (z. B.
gig von Rezeptoren – inaktivieren (Ⴜ Abb. 2.33). Diese Schilddrüsenhormonrezeptoren) vor. Im Zytoplasma
Art von Antagonismus ist vor allem bei der Behandlung sind sie mit Hitzeschockproteinen assoziiert, die für die
von Überdosierungen und Vergiftungen bedeutungs- korrekte Faltung der Rezeptorproteine verantwortlich
voll (Beispiele: Aufhebung der Heparinwirkung durch sind. Strukturell betrachtet können bei diesen insbe-
Protaminsulfat, Ⴉ Kap. 38.2.1; Verhinderung der Vergif- sondere drei Domänen unterschieden werden
tung mit Bariumchlorid durch Gabe von Natriumsulfat; (Ⴜ Abb. 2.34):
entgiftende Wirkung verschiedener Chelatbildner bei 󠀂 die DNA-Bindungsdomäne, die für die Bindung an
Schwermetallvergiftungen, Ⴉ Kap. 91.9.1). Das wesentli- spezifische Nucleotidsequenzen in Promotorregio-
che Ergebnis eines chemischen Antagonismus ist die Er- nen der DNA verantwortlich ist,
niedrigung der Wirkstoffkonzentration in der Biophase. 󠀂 der Aminoterminus, der die Genexpression regu-
liert (sog. transaktivierende Domäne), und
2.2.3 Intrazelluläre Rezeptoren 󠀂 der Carboxylterminus, der die Ligandenbindungs-
Zu den intrazellulären Rezeptoren, bei denen es sich stelle darstellt.
um Transkriptionsfaktoren handelt, gehören die Re- Zusätzlich zu diesen drei wichtigsten Domänen weisen
zeptoren der: die intrazellulären Rezeptorproteine noch zwei weitere
92 2 Pharmakodynamik

Dimerisierungsdomäne ren und dadurch die Fähigkeit erlangen, an DNA-Er-


Interaktions- kennungssequenzen zu binden.
domäne
für Kofaktoren Interaktions- Die einzelnen Rezeptorproteine unterscheiden sich
domäne
für Kofaktoren hinsichtlich ihrer Funktion und der Konservierung
der Aminosäuresequenz. Die höchste Übereinstim-
LBD LBD
L L mung (Strukturhomologie) findet man in der
DNA- DNA- DNA-bindenden, die geringste in der transaktivieren-
BD BD den Domäne.
Die erheblichen Unterschiede bei den transaktivie-
DNA
AC T T CCGGT AC T T CCGGT renden Domänen ermöglichten die Gewinnung selekti-
TGAA GGCCA TGAA GGCCA ver Antikörper gegen die verschiedenen intrazellulären
Rezeptoren, weshalb dieses Segment, bevor man seine
DNA-Response-Element
eigentliche Funktion erkannte, als immunogene Do-
Ⴜ Abb. 2.34 Dimer eines intrazellulären Rezeptors mit Ami- mäne bezeichnet wurde.
noterminus (grün), DNA-Bindungsdomäne (orange) und Aufgrund ihrer lipophilen Eigenschaften permeie-
Carboxylterminus (gelb). Bestimmte Aminosäuresequenzen ren Steroide und Retinoide durch einfache Diffusion,
in der DNA- und Ligandenbindungsdomäne sind für die nu- Schilddrüsenhormone durch erleichterte Diffusion die
kleäre Translokation verantwortlich. DNA-BD DNA-Bin- Zellmembran.
dungsdomäne, L Ligand, LBD Ligandenbindungsdomäne
Signaltransduktion. Mittels intrazellulärer Rezeptoren
vermittelte Effekte kommen dadurch zustande
bedeutsame Regionen auf: eine für die Translokation (Ⴜ Abb. 2.35), dass sich zunächst ein Ligand-Rezeptor-
des Proteins in den Zellkern verantwortliche Domäne Komplex durch Andocken des Liganden an die ligan-
sowie eine Dimerisierungsdomäne, mittels derer zwei denbindende Domäne des Rezeptors bildet. Danach
Rezeptorproteine zu einem Holoprotein (s. u.) assoziie- dissoziieren die Hitzeschockproteine ab, und – häufig

Ligand

HSP 90 HSP 90 2 HSP 90


Hormon-
rezeptor

Transkriptions-
Ligand-Hormon-
faktor
Rezeptor-Komplex

Zellkern

Transkription
keine
Transkription Bindung

mRNA
mRNA keine Transkription

Proteine
Ribosom Ribosom

Zellantwort

Ⴜ Abb. 2.35 Signaltransduktion bei intrazellulären Rezeptoren. Näheres s. Text. HSP Hitzeschockprotein
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 93

nach Dimerisierung von zwei gleichen oder zwei ver- gruppe gehören zahlreiche, für die medikamentöse
schiedenen Rezeptoren (Bildung von Homo- oder Hete- Therapie besonders wichtige Neurotransmitterrezep-
rodimeren) – bindet nun die DNA-bindende Domäne toren, u. a.:
des Rezeptors über sog. Zinkfinger an die Promotorre- 󠀂 Adenosin-,
gion der DNA. Vier Cysteine im Rezeptorprotein bilden 󠀂 adrenerge,
nämlich durch Komplexierung von Zinkionen eine fin- 󠀂 ATP- (P2Y-),
gerförmige Struktur aus, die für die Bindung an spezifi- 󠀂 Dopamin-,
sche DNA-Sequenzen, z. B. Estrogen- (ERE) oder Glu- 󠀂 GABAB-,
cocorticoid-Response-Elemente (GRE), und damit für 󠀂 metabotrope Glutamat-,
die Aktivierung der Genexpression verantwortlich sind. 󠀂 Histamin-,
Verbindet sich dagegen der Hormon-Rezeptor-Kom- 󠀂 Muscarin- (m-Cholinozeptoren),
plex mit einem anderen Transkriptionsfaktor, so wird 󠀂 Opioid- und
dieser inaktiviert. Als Folge davon unterbleibt die ent- 󠀂 Serotoninrezeptoren (mit Ausnahme von
sprechende Transkription, d. h. der Wirkstoff hemmt in 5-HT3-Rezeptoren, s. u.).
diesem Fall die Genexpression. Auch eine Reihe von Hormon- und Mediatorrezepto-
Die beschriebene Genregulation durch intrazelluläre ren (z. B. von Adiuretin-, Angiotensin-II-, Glucagon-,
Rezeptoren lässt sich am Beispiel der Glucocorticoide Somatostatin-, Prostaglandin-, Gonadoliberin- und
verdeutlichen. Deren antientzündliche Wirkung kommt Gonadotropinrezeptoren) zählt hierzu. 2
zumindest teilweise durch verminderte Expression pro- Ⴜ Abb. 2.36 ist zu entnehmen, dass G-Protein-gekop-
inflammatorischer Genprodukte, z. B. Interleukin-2 pelte Rezeptoren 7 helikale transmembranäre Domä-
und Cyclooxygenase-2, zustande. nen sowie je 3 extra- und intrazelluläre Schleifen auf-
weisen. Sie werden deshalb auch heptahelikale Rezep-
2.2.4 Membranständige Rezeptoren toren genannt.
Die membranständigen Rezeptoren können unterteilt
werden in:
󠀂 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, β2-Rezeptor Ligand
󠀂 Ionenkanäle (spannungs-, ligandengesteuerte) und
󠀂 Rezeptorproteinkinasen (Enzym-assoziierte Rezep-
toren).

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) sind im
menschlichen Genom mit etwa 800 Genen nicht nur die
größte Gruppe innerhalb der Familie der Mem-
branrezeptoren, sondern auch die Gruppe mit der
höchsten Vielfalt (Diversität). Sie vermitteln dem Zell-
inneren Informationen über verschiedene extrazelluläre
Stimuli. Aufgrund ihrer Primärsequenzhomologie kön-
nen sie verschiedenen Subfamilien zugeordnet werden,
unter denen die Rhodopsin-Familie, zu der z. B. die α-

und β-Adrenozeptoren gezählt werden, mit Abstand die
größte ist (etwa 85 % aller Rezeptorgene). Man geht
davon aus, dass etwa 35 % aller zugelassenen Pharmaka
ihre Wirkung über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren Gγ
entfalten, womit sie die größte pharmakologisch rele- Gαs
vante Rezeptorfamilie darstellen. Zieht man Seh-, Ge-
ruchs- und Geschmacksrezeptoren ab, dann sind
für etwa 100 der verbleibenden 360 Rezeptoren die phy- Ⴜ Abb. 2.36 Kristallografisch analysierte Struktur des β2-
siologischen endogenen Liganden unbekannt. Diese adrenergen Rezeptors im aktivierten Zustand und in ge-
rade eingetretener Interaktion mit dem heterotrimeren
Orphanrezeptoren stellen potenzielle neue pharmako-
G-Protein. Die Bindung eines Liganden unterbricht eine
logische Zielstrukturen dar.
ionische Interaktion zwischen Transmembrandomäne 3
Die Bezeichnung G-Protein-gekoppelte Rezeptoren und 6. Als Folge reorganisiert sich der β2-Rezeptor und er-
rührt daher, dass sie, wie nachstehend beschrieben, mit möglicht die Aktivierung des G-Proteins durch Bindung
einem Guanin-Nucleotid bindenden Kopplungspro- von dessen α-Untereinheit in dem zwischenhelikalen
tein (G-Protein) interagieren. Zu dieser Rezeptor- Raum. Nach Chung
94 2 Pharmakodynamik

Die Signalübertragung erfolgt bei den G-Protein-ge- der RGS-Proteine (Regulatoren der G-Protein-Signal-
koppelten Rezeptoren in der Weise, dass, wie erwähnt, gebung) gehörenden Gruppe von Enzymen, erheblich
ein G-Protein (Guanin-Nucleotid bindendes Protein) beschleunigt. Mit der GTP-Spaltung kehrt das System
nach Andocken des Liganden an den Rezeptor und der in den Ruhezustand zurück.
dadurch bewirkten Konformationsänderung des Rezep- Wichtige, durch G-Proteine beeinflussbare Effektor-
tors (Ⴜ Abb. 2.36) die weitere Reaktionskaskade auslöst. proteine sind die:
Dabei funktioniert der Rezeptor als Guaninnucleotid- 󠀂 Adenylylcyclasen, deren Stimulation die Bildung
Austauschfaktor, d. h. er bewirkt den Austausch von ge- von cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP)
bundenem GDP zu GTP, wodurch das G-Protein akti- bewirkt,
viert wird. Sowohl die GTP-beladene α-Untereinheit als 󠀂 Phospholipasen C, die durch Spaltung von Phos-
auch die aus dem Heterotrimer freigesetzten βγ- phatidyl-inositol-4,5-diphosphat die beiden second
Untereinheiten sind eigenständige Signalproteine und messenger Inositol-1,4,5-triphosphat (IP3) und Di-
können zelluläre Effektoren aktivieren. Dabei kann das acylglycerol (DAG) bildet,
G-Protein einen Ionenkanal direkt beeinflussen oder 󠀂 Phosphodiesterase VI, die das für den Sehvorgang
durch Interaktion mit einem Enzym die Bildung eines essenzielle cGMP spaltet,
sekundären Botenstoffs (s. u.) induzieren oder hemmen 󠀂 Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3-Kinase), die
und dadurch weitere Reaktionen hervorrufen über die Proteinkinase B (PKB) zahlreiche zelluläre
(Ⴜ Abb. 2.37). Diesen vielfältigen Funktionen entspre- Funktionen reguliert, und
chend, gibt es eine Vielzahl verschiedener G-Proteine, 󠀂 Kalium- und neuronale Calciumkanäle, deren Akti-
z. B. Cyclasen-stimulierende (Gs-Proteine), Cyclasen- vität durch βγ-Untereinheiten stimuliert bzw. ge-
inhibierende (Gi/o-Proteine) oder Phospholipase-C- hemmt wird.
aktivierende G-Proteine (Gq-Proteine). G-Proteine der Die durch die Enzymreaktionen gebildeten sekundären
vierten Familie, die G12/13-Proteine, beeinflussen durch Botenstoffe wie z. B. cAMP, IP3 und DAG lösen dann
Aktivierung der monomeren GTPase Rho das Zytoske- Folgereaktionen aus, u. a. die Aktivierung von Protein-
lett. In vielen Fällen sind für die Bindung des Rezeptors kinasen und damit die Phosphorylierung von Proteinen
an das jeweilige G-Protein insbesondere die dritte intra- sowie die Freisetzung von Calciumionen.
zelluläre Schleife und der intrazelluläre C-Terminus des Die Einschaltung eines sekundären Botenstoffs er-
Rezeptors verantwortlich. Die G-Protein-Bindungsstel- möglicht eine effektive Signalverstärkung. Außerdem
len im Rezeptor entscheiden auch darüber, an welches können verschiedene Zielzellen, je nach ihrer Ausstat-
der in der Zelle vorhandenen verschiedenen G-Proteine tung mit Rezeptoren und (sekundären) botenstoffab-
die Bindung erfolgt. hängigen Enzymen, unterschiedlich auf ein Hormon
Die G-Proteine stellen eine Familie heterotrimerer oder einen Transmitter reagieren.
Proteine dar, die aus einer α- und einer βγ-Untereinheit Die beiden am häufigsten vorkommenden und am
bestehen (Ⴜ Abb. 2.37). Die α-Untereinheit besitzt die längsten bekannten sekundären Botenstoffe sind cAMP
Bindungsstelle für Guanin-Nucleotide Guanosindi- und Inositoltrisphosphat (IP3).
phosphat (GDP) bzw. Guanosintriphosphat (GTP), die cAMP wirkt als Aktivator der Proteinkinase A
hydrophobe βγ-Untereinheit verankert das G-Protein (PKA), die zahlreiche Wirkungen im Stoffwechsel und
in der Membran. Im Ruhezustand bilden die Unterein- bei der Genexpression hervorruft.
heiten einen gemeinsamen, nicht mit dem Rezeptor IP3 bewirkt über die Aktivierung von IP3-Rezeptor-
verbundenen Proteinkomplex, in dem GDP an die kanälen im endoplasmatischen Retikulum die Freiset-
α-Untereinheit gebunden ist. Bei Stimulation des be- zung von Ca2+ aus intrazellulären Ca2+-Speichern. Di-
treffenden membranständigen Rezeptors verbindet sich acylglycerol ist ein Aktivator der Ca2+-abhängigen Pro-
zunächst das G-Protein mit dem Rezeptor und GDP teinkinase C (PKC) und bestimmter TRPC-Kanäle,
wird gegen GTP ausgetauscht. Dann trennen sich die deren Aktivierung den Einstrom von Na+ und Ca2+ in
α- und die βγ-Untereinheit, und die noch immer die Zelle bewirkt.
GTP-enthaltende α-Untereinheit sowie die davon dis-
soziierte βγ-Untereinheit aktivieren (im Falle eines Ionenkanäle
Gs-Proteins) oder blockieren (im Falle eines Gi-Pro- Ionenkanäle, an deren Bildung insgesamt etwa 300
teins) ihre Effektor-(Ziel-)Proteine. Die Signalübertra- Gene beteiligt sind, gehören zu den großen Familien
gung wird dadurch beendet, dass die α-Untereinheit der Signaltransduktionsproteine. Zahlenmäßig stehen
nach der Bindung von GTP die Eigenschaften einer sie nach den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und
GTPase erlangt und dadurch das angelagerte GTP in den Proteinkinasen (> 500 Proteinkinasen im mensch-
GDP und anorganisches Phosphat gespalten wird. Die- lichen Genom) an dritter Stelle. Bei einer Vielzahl bio-
ser Hydrolyseprozess wird durch sog. GAP-Proteine logischer Prozesse spielen sie eine wichtige Rolle, z. B.
(GTPase aktivierende Proteine), einer zur Superfamilie bei der Bildung von Aktionspotenzialen, Kontraktionen
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 95

A Agonist
A

Rezeptor
tor-
Effekteine ˠ pEffektor-
roteine
pro G˞
˟ Ionenkanäle,
GTP PI3-Kinasen,
Phospholipasen,
Adenylylcyclasen,
Rezeptorkinasen,
MAP-Kinasen
GTP GTP GTP GTP
G˞i G˞s G˞q G˞12,13
Ionenkanäle, Adenylyl- Phospho- Rho
Adenylylcyclasen, cyclasen lipasen (Zytoskelett)
Phospholipasen
A
B 1
2
Rezeptor ˠ
˞
- ˟
or
e kt ine GDP
Eff rote
p
2
ˠ

4
˟

Rezeptor
GTP
˞
GDP

+ P
Rezeptor

A
P
GD

A ˞
Eff rot
p
ek ein

˟
to e

ˠ
r-

˟ GTP
Effek ˞ or-
prot tor- ˠ
eine Effeket ine
prot
Rezeptor

3 A

Ⴜ Abb. 2.37 A Diversität der Signaltransduktionswege G-Protein-gekoppelter Rezeptoren. Aktivierung eines G-Protein-
gekoppelten Rezeptors durch einen Agonisten resultiert in der Dissoziation des heterotrimeren G-Proteins in die Gα-
und die βγ-Untereinheit, nachdem an der α-Untereinheit gebundenes GDP gegen GTP ausgetauscht wurde. G-Protein-
gekoppelte Rezeptoren assoziieren in der Regel mit einer bestimmten Gα-Untereinheit, von denen die vier wichtigsten
dargestellt sind. Distinkte Gα-Untereinheiten aktivieren oder hemmen unterschiedliche Effektorsysteme, u. a. Ionen-
kanäle, Phospholipasen, Adenylylcyclasen und GTP-bindende Proteine wie Rho, welches die Struktur des Zytoskeletts
reguliert. PI3-Kinasen Phosphatidylinositoltriphosphat-Kinasen. B Zyklus der Aktivierung und Inaktivierung eines
heterotrimeren G-Proteins. Nach Bindung des Agonisten an den 7-Transmembranrezeptor (1) kommt es durch Austausch
von GDP gegen GTP (2) zur Dissoziation des G-Proteins (3) und nachfolgend zur Aktivierung von Effektorproteinen, die
letztlich die zelluläre Antwort (Vasokonstriktion, Sekretion, Zellproliferation) vermitteln. Durch die intrinsische GTPase-
Aktivität der Gα-Untereinheit wird GTP zu GDP gespalten (4). Das G-Protein assoziiert wieder zum Heterotrimer, der
Agonist diffundiert vom Rezeptor ab und ist wieder im inaktiven Zustand. P anorganisches Phosphat

der Herz-, Skelett- und glatten Muskulatur, epithelia- zystische Fibrose, Migräne, kongenitalen Hyperinsu-
lem Transport, T-Zell-Aktivierung oder Insulinsekre- linismus oder bestimmte Epilepsieformen verantwort-
tion. Ihre Gene sind in Säugerorganismen hochkonser- lich.
viert. Andererseits sind Mutationen dieser Gene für Die Ionenkanäle sind integrale, aus mehreren Unter-
zahlreiche Erkrankungen wie z. B. Long-QT-Syndrom, einheiten zusammengesetzte Zellmembranproteine, die
96 2 Pharmakodynamik

erte Ionenkanäle oder ionotrope Rezeptoren. Erfolgt die


Ionenkanalrezeptoren, Öffnung oder Schließung der Kanäle dagegen durch
z. B. nicotinischer Acetylcholinrezeptor
eine Membran-Depolarisation oder -Hyperpolarisation,
Acetylcholin- Acetylcholin spricht man von spannungsabhängigen Ionenkanälen.
Bindungsstelle gebunden
Acetylcholin Na+ Ligandengesteuerte Ionenkanäle
Hierzu gehören:
󠀂 ATP- (P2X-),
󠀂 GABAA-,
󠀂 Glutamat- (NMDA- und AMPA-),
– – – –
󠀂 Glycin-,
Pentamerstruktur geschlossene offene 󠀂 5-HT3- und
Konformation Konformation 󠀂 Nicotinrezeptoren (n-Cholinozeptoren) sowie
󠀂 K+-(ATP-sensitive, Ca2+/Calmodulin-aktivierte, Gi-
Ⴜ Abb. 2.38 Aktivierung des nicotinischen Acetylcholinre-
zeptors. Dieser ligandengesteuerte Ionenkanal ist ein
Protein-regulierte GIRK-)Kanäle.
Pentamer, das z. B. aus zwei α- und je einer β-, γ- und Die Ligand-Rezeptor-Interaktion führt bei den ligan-
δ-Untereinheit besteht. Nach Bindung von zwei Molekü- dengesteuerten Ionenkanälen zu einer Erhöhung oder
len Acetylcholin an die α-Untereinheiten und der dadurch Erniedrigung der Öffnungswahrscheinlichkeit des Ka-
bedingten Konformationsänderung kommt es zur Öffnung nals und als Folge davon zu einem verstärkten oder ver-
des Kanals. Der entlang des Diffusionsgradienten nun ringerten Austausch der entsprechenden Ionen. So bin-
stattfindende Na+-Einstrom wird durch negativ geladene den z. B. Acetylcholin oder Nicotin an die α-Unter-
Aminosäuren an der Innenseite der Kanalöffnung erleich- einheiten des Nicotinrezeptors, öffnen dadurch den
tert. Der präferenzielle Einstrom von Na+-Ionen wird Kanal und lösen so durch den Einstrom von Natri-
durch ein Selektivitätsfilter in der Mitte der Kanalpore er-
umionen ein Aktionspotenzial aus.
möglicht.
In Ⴜ Abb. 2.38 ist als Beispiel für diese Rezeptoren der
eine Kanalpore bilden, welche durch Konformationsän- Aufbau eines (muskulären) Nicotinrezeptors schema-
derung geöffnet oder geschlossen werden kann. Auf- tisch dargestellt. Er besteht aus zwei α-Untereinheiten
grund ihrer guten Zugänglichkeit von der extrazellulä- und je einer β-, γ- und δ-Untereinheit, die gemeinsam
ren Seite stellen sie eine bevorzugte Zielstruktur für einen Ionenkanal in der Lipidmembran bilden.
Pharmaka dar. Die porenbildende Untereinheit, die an Die an den Ionenkanalrezeptoren angreifenden phy-
ihrer engsten Stelle nur den 1–2-fachen Durchmesser siologischen Liganden bezeichnet man wegen des ra-
eines Ions aufweist, wird als α-Untereinheit bezeichnet, schen Wirkungseintritts nach dem Andocken an den
während Hilfsuntereinheiten die Bezeichnung β, γ usw. Ionenkanal als schnelle Neurotransmitter.
tragen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Geometrie
und Ladungsverteilung lassen die Ionenkanäle – bei Spannungsgesteuerte Ionenkanäle
Öffnung – meist nur bestimmte Ionen hindurchtreten. Auch spannungsgesteuerte (spannungsabhängige) Io-
Diesen Ionen entsprechend, für die sie (mehr oder we- nenkanäle können (Ⴜ Abb. 2.39) Rezeptoren für Phar-
niger) selektiv permeabel sind, unterscheidet man Na- maka sein, z. B. für Nifedipin und Verapamil als Ca2+-Ka-
trium-, Kalium-, Calcium- und Chloridkanäle. Trei- nalblocker (Ⴉ Kap. 28.2.4) und für Lidocain als Na+-Ka-
bende Kraft für die jeweiligen Ionenbewegungen (Ein- nalblocker (Ⴉ Kap. 17.1.1). Im Unterschied zu den
oder Ausstrom) ist der Konzentrationsgradient ligandengesteuerten Ionenkanälen erfolgt das Öffnen
zwischen Extra- und Intrazellularraum sowie das Mem- und Schließen von spannungsabhängigen Ionenkanälen,
branpotenzial. Die Ionenbewegungen durch die geöff- wie erwähnt, durch Änderung des Membranpotenzials.
nete Kanalpore erfolgen ähnlich schnell wie die Diffu- Spannungsabhängige Ionenkanäle sind in erregbaren
sion von Ionen in wässriger Lösung. Das Ausmaß des Zellen, z. B. in Neuronen und Herzmuskulatur, von es-
Ionenflusses hängt von der Zahl der geöffneten Kanäle, senzieller Bedeutung für die Entstehung, Weiterleitung
der Öffnungsdauer sowie der Permeabilität der entspre- und Beendigung einer Erregung. In den meisten Fällen
chenden Ionen, der sog. Leitfähigkeit, ab. Sehr häufig werden sie durch Depolarisation geöffnet, wodurch es zu
wird die Ionen-Passage durch einen von elektrischen einem transienten, selektiven Einstrom von Ionen
oder chemischen Signalen, Temperatur oder mechani- kommt. Während die Aktivierung von Na+- und
schen Reizen abhängigen „gate“-Mechanismus kontrol- Ca2+-Kanälen zu einer Erregung (Exzitation) führt,
liert. hyperpolarisiert das Öffnen von K+- und Cl–-Kanälen die
Werden die Kanäle durch Bindung von Liganden an Zellmembran, wodurch die Erregbarkeit abnimmt, da die
die extrazelluläre Domäne eines Rezeptorkanals geöffnet Öffnungswahrscheinlichkeit von Na+- und Ca2+-Kanälen
oder geschlossen, bezeichnet man sie als ligandengesteu- vermindert wird. Der raschen initialen Aktivierung des
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 97

Ionenkanals folgt dann eine langsamere Inaktivierungs- Diese haben eine wichtige Schrittmacherfunktion in
phase, die meist noch während der Depolarisations- bzw. Zellen mit rhythmischer Aktivität, z. B. im Sinusknoten
Repolarisationsphase abgeschlossen ist. und in bestimmten Neuronen.
Neben den durch Depolarisation geöffneten Kanä- Beispiele für spannungsgesteuerte Ionenkanäle sind:
len existieren spannungsabhängige Ionenkanäle, die 󠀂 Na+-,
durch Hyperpolarisation der Zellmembran und durch 󠀂 Ca2+-(L-Typ-, N-Typ-, T-Typ-, P/Q-Typ-) und
cyclische Nucleotide (HCN-Kanäle) aktiviert werden. 󠀂 K+-(Kv-, hERG-, KCNQ-, Kir-)Kanäle.

A spannungsgesteuerte Ionenkanäle (z. B. Na+-Kanal)

I II III IV

Pore Pore Pore Pore extrazellulär


+ + + +
+ + + +
H2N P P intrazellulär
P P COOH 2

B Kristallstruktur eines spannungsgesteuerten C Zustände eines spannungsgesteuerten


Na+-Kanals (Aufsicht von oben) Ionenkanals (z. B. Na+-Kanal)

Na+
geschlossener
Na+-Kanal
Membran-
Repolarisation Membran-
oder -Hyper- Depolarisation
polarisation

Na+
Na+

inaktivierter offener
Na+-Kanal Na+-Kanal

Ⴜ Abb. 2.39 A Struktur eines spannungsabhängigen Na+-Kanals. Das Proteinmolekül besteht aus etwa 2000 Aminosäu-
ren mit 4 repetitiven Domänen, die jeweils 6 Transmembransegmente enthalten. Das jeweils 4. Segment dieser Domä-
nen weist einen hohen Anteil positiv geladener Aminosäuren wie Arginin und Lysin auf. Diese Segmente verändern die
Konformation des Na+-Kanals, wenn ein Aktionspotenzial an der Stelle der Zellmembran eintrifft, wo sich der Na+-Ka-
nal befindet. Die Schleifen zwischen den Transmembransegmenten 5 und 6 repräsentieren die Innenauskleidung der
Kanalpore in der Zellmembran. Auf der zytosolischen Seite liegende Abschnitte des Kanalproteins können durch intra-
zelluläre Proteinkinasen phosphoryliert werden, was die Regulation der Aktivität des Kanals ermöglicht. B Tetramere
Kristallstruktur eines spannungsabhängigen Na+-Kanals in Aufsicht von oben, die Achse des Kanalproteins ist senkrecht
zur Ansichtsebene. Die 4 Domänen sind in unterschiedlichen Farben dargestellt. Die Spannungssensoren der 4 Domä-
nen umrahmen das Zentrum des Ionenkanals. Sie dilatieren die zentrale Pore durch Schwenkbewegungen um ein
Scharnier an der Basis der Ionenkanalpore. C Grundsätzlich werden drei verschiedene Zustände eines spannungsab-
hängigen Na+-Kanals unterschieden. Nach Eintreffen eines Aktionspotenzials öffnet sich der Na+-Kanal aus dem Ruhe-
zustand (geschlossen), wird jedoch nach wenigen Millisekunden inaktiviert. Erst bei der Repolarisation der Zellmem-
bran durch die Aktivierung von K+-Kanälen erfolgt eine Konformationsänderung, die das Kanalprotein wieder in den
aktivierbaren Ausgangszustand (geschlossen) zurückbringt.
98 2 Pharmakodynamik

Am Beispiel der Herzmuskelzelle lässt sich die Bedeu- ration, Genexpression und Apoptose. Das STIM1/
tung solcher Kanäle verdeutlichen. Der Einstrom von Orai-System könnte zukünftig zahlreiche neue thera-
Na+-Ionen in eine Herzmuskelzelle ermöglicht die ra- peutische Angriffspunkte bieten.
sche Depolarisation der Membran, die notwendig ist,
damit sich spannungsabhängige L-Typ-Ca2+-Kanäle Transient-Receptor-Potential-(TRP)-Ionenkanäle
öffnen. Die dadurch in die Zelle einfließenden Calci- Initial wurden auch TRP-Ionenkanäle als mögliche
umionen führen nun zur Ca2+-Freisetzung aus dem sar- Speicher-gesteuerte Kanäle diskutiert (Ⴜ Abb. 2.40). Bei
koplasmatischen Retikulum und ermöglichen die Ini- ihnen handelt es sich um für Kationen (Ca2+, Na+, K+)
tiation der Kontraktion von Kardiomyozyten. Durch permeable Kanäle, die mit 27 Mitgliedern beim Men-
die Depolarisation ebenfalls aktivierte K+-Kanäle re- schen eine der größten Ionenkanalfamilien im mensch-
polarisieren die Zellmembran und ermöglichen, dass lichen Genom bilden. Strukturell haben alle TRP-Ka-
zuvor inaktivierte Na+- und Ca2+-Kanäle durch Konfor- näle einen ähnlichen Aufbau aus sechs Transmem-
mationsänderung wieder in den aktivierbaren Zustand branregionen. Vier solcher Untereinheiten lagern sich
übergehen und damit für eine nachfolgende Erregung zu einem Kanalkomplex zusammen.
wieder verfügbar sind. Viele TRP-Kanäle sind auf sensorischen Neuronen
Der Durchtritt von Natriumionen durch spannungs- exprimiert und wurden daher primär mit sensorischen
abhängige Natriumkanäle lässt sich mit Tetrodotoxin Prozessen, wie der Schmerz- und Temperaturwahrneh-
bereits in einer Konzentration von 10–9–10–8 mol/l se- mung, in Verbindung gebracht. Sie sind vielseitige zel-
lektiv aufheben. Das Gift wird von Bakterien, u. a. von luläre Sensoren, die durch physikalische (Temperatur)
Pseudomonas-Arten, gebildet und von einer Reihe von
Tieren, z. B. dem japanischen Kugelfisch Fugu, einigen
anderen Kugel- und Kofferfischen, australischen Tin-
tenfischen sowie verschiedenen Froscharten über die
Nahrungskette oder von den Symbionten aufgenom- Ca2+
men und in verschiedenen Organen, vor allem in Ova- Ca2+
Ag
rien und der Leber, gespeichert.
TRPC

Orai

TRPC
PLC G R
Ca2+-Speicher-regulierte Ionenkanäle
Die Aktivierung der Phospholipase C führt zur Produk- DAG Arachidon-
tion des second messenger IP3 und zum Ca2+-Ausstrom säure
STIM1
aus dem endoplasmatischen Retikulum. Die transiente
Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration wird –
IP3 Ca2+
in nicht-erregbaren Zellen verstärkt durch Ca2+-Ein- Ca2+ R Ca2+
IP 3
strom aus dem Extrazellulärraum. Die Identität der Io-
nenkanäle, die für diesen Speicher-gesteuerten
zelluläre
Ca2+-Einstrom verantwortlich sind, war lange Zeit un- Effekte
bekannt. Seit Kurzem weiß man, dass im Wesentlichen
Orai-Kanäle in der Plasmamembran für den Spei- Ⴜ Abb. 2.40 Speicher-gesteuerter Ca2+-Einstrom. Aktivie-
cher-gesteuerten Ca2+-Einstrom (store-operated Ca2+ rung eines Gq-gekoppelten Rezeptors führt zur Stimula-
tion der PLC und Bildung der second messenger IP3 und
entry, SOCE) verantwortlich sind (Ⴜ Abb. 2.40).
DAG. IP3 bindet an den IP3R, der Ca2+ aus dem ER entlässt.
Die Abnahme der Ca2+-Konzentration im endoplas-
DAG aktiviert TRPC-Kanäle, die von außen Ca2+ in die Zelle
matischen Retikulum führt in der ER-Membran zur As- leiten. Über beide Mechanismen kommt es zu einer tran-
soziierung von Ca2+-Sensor-Proteinen, STIM1 und sienten Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration.
STIM2, die daraufhin in der Plasmamembran direkt Die Erniedrigung der intraluminalen Ca2+-Konzentration
mit Orai-Kanälen interagieren und diese aktivieren. im ER führt zur Zusammenlagerung von STIM-Proteinen,
Jede Orai-Kanal-Untereinheit in der Plasmamembran die durch direkte Protein-Protein-Interaktion mit
hat 4 Transmembranregionen und intrazelluläre N- Orai-Kanälen in der Plasmamembran diese Kanäle akti-
und C-Termini. Ein funktioneller Orai-Kanalkomplex vieren, wodurch es zu einem lang anhaltenden Ca2+-
setzt sich aus 6 Orai-Untereinheiten zusammen. Es sind Einstrom kommt. Möglicherweise können bestimmte
3 Orai-Isoformen, Orai 1–3, bekannt, die expressions- Orai-Kanäle auch durch Arachidonsäure aktiviert werden.
Auch eine direkte STIM-TRPC-Interaktion wurde beschrie-
und zelltypabhängig zusammen mit den STIM-Pro-
ben, sodass auch TRPC-Kanäle unter bestimmten Bedin-
teinen die Eigenschaften des Speicher-gesteuerten
gungen zum Speicher-gesteuerten Ca2+-Influx beitragen
Ca2+-Einstroms bestimmen. könnten. Ag Agonist, DAG Diacylglycerin, ER endoplasma-
Der Speicher-gesteuerte Ca2+-Einstrom reguliert tisches Retikulum, IP3 Inositoltrisphosphat, IP3R Inositol-
zahlreiche zelluläre Funktionen wie Migration, Prolife- trisphosphatrezeptor
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 99

und viele chemische Stimuli, z. B. Capsaicin (den schar- Enzym-assoziierte Rezeptoren


fen Inhaltsstoff von Chili), aktiviert werden. Zu dieser Gruppe von Rezeptoren zählen die:
Diese Eigenschaft macht man sich bei der Behand- 󠀂 Rezeptoren mit Tyrosinkinase-Aktivität,
lung des neuropathischen Schmerzes zunutze. Capsai- 󠀂 Rezeptoren mit assoziierten Tyrosinkinasen,
cin als Pflaster (Qutenza®) ist zur Behandlung periphe- 󠀂 Rezeptoren mit Guanylylcyclase-Aktivität,
rer neuropathischer Schmerzen zugelassen. Capsaicin 󠀂 Rezeptor-Serin-/Threoninkinasen sowie
aktiviert TRPV1-Kanäle und führt somit akut zu loka- 󠀂 Tumornekrosefaktorrezeptoren (Todesrezeptoren),
ler Hyperthermie und Schmerzhaftigkeit. Nach etwa die programmierten Zelltod (Apoptose) auslösen.
einer Woche werden die Nozizeptoren allerdings weni-
ger empfindlich für Schmerzreize. Mechanistisch lässt Rezeptor-Tyrosinkinasen
sich dieser paradoxe Effekt mit einer TRPV1-vermittel- Rezeptoren mit Tyrosinkinase-Aktivität (Tyrosinkina-
ten Desensibilisierung und Apoptose der betroffenen serezeptoren, Ⴜ Abb. 2.41) sind dadurch gekennzeich-
Nozizeptoren erklären. net, dass sie extrazellulär eine Ligandenbindungsstelle

Rezeptor mit Tyrosinkinase-Aktivität

B 2

A C
EGF EGF EGF
EGF

Membrananker von RAS

P P
P P GRB RAS
SOS RAF
aktiv
v P
kti MAPKK
ina MAPKK

P Thr
MAPK
MAPK
P Tyr

Transkriptionsfaktor-
Phosphorylierung Wachstum
Differenzierung
Gentran- Proteine
ELK skription Entwicklung
P

Zellkern

Ⴜ Abb. 2.41 Signaltransduktion des epidermalen Wachstumsfaktors (EGF) über den EGF-Rezeptor. A Nach Stimulation
des Rezeptors kommt es B zur Dimerisierung und Autophosphorylierung von Tyrosinresten an zytosolischen Domänen
des Rezeptors. Adapterproteine wie GRB und SOS werden nun rekrutiert und binden C an die phosphorylierten Tyrosin-
reste des EGF-Rezeptors. Aktiviertes SOS-Protein stimuliert das kleine GTP-bindende Protein RAS, welches wiederum die
Serin-Threonin-Kinase RAF aktiviert. Dadurch wird die Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Kinase (MAPKK) stimuliert,
welche nachfolgend die MAP-Kinase an Tyrosin- und Threoninresten phosphoryliert. Die aktivierte MAPK wird in den
Zellkern transloziert und phosphoryliert unterschiedliche Transkriptionsfaktoren (ELK u. a.). Dadurch wird die Transkrip-
tion Wachstumsfaktor-stimulierter Gene ermöglicht. Deren Translation in Proteine führt zur Proliferation der Zelle.
100 2 Pharmakodynamik

und am zytosolischen Proteinteil eine Domäne mit der toren (z. B. vaskulärem endothelialem Wachstumsfaktor,
Eigenschaft einer Tyrosinkinase besitzen und somit so- epidermalem Wachstumsfaktor, Fibroblastenwachstums-
wohl die Funktion eines Rezeptors als auch die eines faktor, Plättchen-abstammendem Wachstumsfaktor).
Enzyms ausüben. Insulin- und IGF-1-Rezeptoren sind sehr ähnlich:
An der weiteren Signaltransduktion sind Mitogen-ak- Sie bestehen aus je zwei α- und β-Untereinheiten, die
tivierte-Proteinkinasen (MAP-Kinasen) beteiligt. Da sie über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Re-
eine Vielzahl zellulärer Aktivitäten wie Genexpression, zeptoren von anderen Wachstumsfaktoren sind da-
Mitose, Differenzierung und Apoptose/Non-Apoptose gegen monomere Proteine. Nach Ligandenbindung
regulieren, sind sie für den Gesamtorganismus von gro- kommt es dann aber auch bei diesen zur Dimerisierung
ßer Bedeutung. So ist beispielsweise ihre proliferations- und anschließend wie beim Insulin- und IGF-1-Rezep-
fördernde Wirkung für die Signaltransduktion der meis- tor zur Autophosphorylierung von Tyrosinresten im
ten Onkogene (Ⴉ Kap. 72) entscheidend. zytosolischen Abschnitt des Rezeptors. Dadurch wer-
MAP-Kinasen werden in 4 Gruppen unterteilt: in den Andockstellen für Signalproteine generiert, die an
extrazelluläre Signal-regulierte Kinasen (ERK), c-Jun- die phosphorylierten Tyrosinreste des Rezeptors bin-
N-terminale Kinasen (JNK), p38-Kinasen und als be- den. Auf diese Weise sind Rezeptor-Tyrosinkinasen an
sondere ERK-Form ERK5. Die Signalkaskade von ERK die RAS-Signalkaskade gekoppelt, die Zellwachstum
wird hauptsächlich von Wachstumsfaktoren stimuliert. und -proliferation steuert.
JNK und p38-Kinasen sind aktiv in Anwesenheit von
Stress-Stimuli wie Zytokinfreisetzung, UV-Strahlung, Rezeptoren mit assoziierten Tyrosinkinasen
Hitze- oder osmotischem Schock. ERK5 wird dagegen Bei den Rezeptoren mit assoziierten Tyrosinkinasen
sowohl durch Wachstumsfaktoren als auch durch (Ⴜ Abb. 2.42) handelt es sich wie bei den Wachstumsfak-
Stress-Stimuli aktiviert. torrezeptoren um monomere Membranproteine mit
Zu den Rezeptoren mit Tyrosinkinase-Aktivität ge- einer transmembranären Region, die wiederum nach
hören die Rezeptoren von Insulin (Ⴉ Kap. 60.1.2), von Ligandenbindung dimerisieren, doch weist diese Re-
IGF-1 sowie von verschiedenen anderen Wachstumsfak- zeptorgruppe keine eigene Tyrosinkinasedomäne auf.

Rezeptor mit assoziierter Tyrosinkinase

Erythropoetin-
A rezeptor

Erythropoetin

P P JAK
JAK JAK Tyr
r STAT
-Ty
JAK Tyr
-
Tyr ADP Tyr P
ATP
STAT
ATP Tyr P
JAK

Proliferation und
Regulation der Differenzierung
Gentranskription von Erythrozyten-
Zellkern Vorläuferzellen
ADP

Ⴜ Abb. 2.42 Schema eines Rezeptors mit assoziierter Tyrosinkinase (z. B. des Erythropoetinrezeptors). A Nach Aktivie-
rung des Rezeptors durch Erythropoetin wird der Rezeptor an zytosolischen Abschnitten durch die Tyrosinkinase JAK
phosphoryliert. B JAK bindet an die phosphorylierten Domänen des Rezeptors und ist nun in der Lage, Signalproteine
wie STAT zu phosphorylieren. Aktivierte STAT-Proteine permeieren die Kernmembran und regulieren die Gentranskrip-
tion, was in diesem Fall die Proliferation und Differenzierung von Erythrozyten aus Vorläuferzellen ermöglicht.
2.2 Rezeptor-vermittelte Pharmakonwirkungen 101

Über diesen Rezeptortyp vermitteln viele Interleukine Rezeptor-Guanylylcyclasen


und Interferone aber auch Wachstumshormon, Prolac- Zu den Rezeptoren mit Guanylylcyclase-Aktivität
tin, Erythropoetin oder Thrombopoetin ihre zellulären (membrangebundener Guanylylcyclase, Ⴜ Abb. 2.22)
Wirkungen. Nach Aktivierung und Dimerisierung do- werden insbesondere die Rezeptoren natriuretischer
cken JAK-(just another kinase-)Proteine an und phos- Peptide und die des intestinalen Hormons Guanylin ge-
phorylieren Tyrosinreste des Rezeptors. Die JAK-Fami- rechnet. Diese monomeren Transmembranproteine be-
lie umfasst 4 verschiedene Proteine, JAK1, JAK2, JAK3 sitzen wie die Rezeptoren mit Tyrosinkinase-Aktivität
und TYK2 (Tyrosinkinase 2) die unterschiedliche zel- eine extrazelluläre Bindungsstelle für den aktivierenden
luläre Funktionen bei hämatologischen, immunologi- Liganden und eine intrazelluläre Enzymdomäne. Bin-
schen und chronisch-inflammatorischen Erkrankun- det ein Ligand an Rezeptoren mit Guanylylcycla-
gen vermitteln (Ⴜ Abb. 68.1) und somit wichtige An- seaktivität, wird deren Guanylylcyclasedomäne akti-
griffspunkte für eine Gruppe von Pharmaka, den sog. viert. Als Folge davon wird aus Guanosintriphosphat
JAKiniben geworden sind. Als Folge kommt es zur As- (GTP) cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) ge-
soziation von STAT-(signal transducer and activator of bildet, das als second messenger (s. o.) weitere Reaktio-
transcription-)Proteinen mit den phosphorylierten Re- nen, z. B. die Erschlaffung glatter Muskelzellen oder die
zeptordomänen. Beim Menschen sind 7 verschiedene Sekretion von Chlorid in das Darmlumen, auslöst. Wei-
STAT-Proteine bekannt. Die assoziierten STAT-Pro- tere Details sind in Ⴉ Kap. 2.1.6 dargestellt.
teine werden anschließend durch Januskinasen eben- 2
falls phosphoryliert. Schließlich dimerisieren die phos- Rezeptor-Serin-/Threoninkinasen
phorylierten STAT-Proteine, werden in den Zellkern Bei den Rezeptor-Serin/Threoninkinasen (Ⴜ Abb. 2.43)
transloziert und aktivieren dort spezifische Gene. handelt es sich u. a. um die Rezeptoren des transformie-
renden Wachstumsfaktors β (transforming growth factor

Rezeptor-Serin/Threoninkinase

A
TGF-˟
R-I R-II
˟
TG
F- R-II
I
R-
P

ATP
P P
ATP
ADP P smad2 smad4
ADP P

Protein smad2 P
Proliferation P
P
Protein
Differenzierung
Transkription
Apoptose

Zellkern TGF-˟-regulierte Gene

Ⴜ Abb. 2.43 Modell des Liganden-induzierten TGF-β-Rezeptor-Komplexes. Rezeptoren dieser Familie spielen eine
wichtige Rolle für Zellwachstum und Differenzierung. A Eine TGF-β-abhängige Aktivierung des TGF-β-Rezeptors I (R-I)
über Phosphorylierung durch TGF-β-Rezeptor II (R-II) führt zu einer schnellen Phosphorylierung von Smad2. Der Name
der Smad-Proteine leitet sich von den sie kodierenden Genen ab, die in genetischen Studien an Drosophila und C. ele-
gans erstmals identifiziert wurden. Das Drosophila-Gen wird als mad (mother against decapentaplegic), das Gen in C.
elegans als sma (small body size) bezeichnet. Die Kombination dieser beiden Bezeichnungen kreiert den Namen Smad.
B Die Phosphorylierung von Smad2 bewirkt nach Heterooligodimerisierung mit Smad4 eine Translokation dieses Kom-
plexes in den Zellkern, wo dieser nach Interaktion mit weiteren nukleären Faktoren als Transkriptionsfaktor wirkt.
102 2 Pharmakodynamik

β, TGF-β), von denen 2 Typen, TGF-β-R-I und TGF-β-


R-II, existieren. Auch das Zytokin BMP2 (bone morpho-
extrazellulär
genetic protein 2) entfaltet seine Wirkung mittels eines
solchen Rezeptortyps. Bei TGF-β handelt es sich um
ein lokales Zytokin, dessen Signalweg über TGF-β-
Rezeptoren bei Heilungsprozessen und Fibrosierung von
Gewebe, z. B. diabetischer Nephropathie, renaler und
Lungenfibrose sowie beim kardialen Remodeling nach
HOOC
Myokardinfarkt eine wichtige Rolle spielt. ACE-Hemmer H2N
(Ⴉ Kap. 28.2.1) reduzieren die Freisetzung von TGF-β. intrazellulär
Bei den Rezeptoren des transformierenden Wachs-
tumsfaktors β gilt folgender Transduktionsmechanis-
präsynaptisches Neuron
mus als gesichert: Zunächst bindet das Zytokin TGF-β
an TGF-β-R-II, danach bildet sich zusammen mit TGF-
β-R-I ein Heterodimer. Im nächsten Schritt erfolgt eine
Transphosphorylierung von TGF-β-R-II auf TGF-β-R-I,
wodurch die eigentliche Signalübertragung ausgelöst
wird. Der aktivierte Rezeptorkomplex löst dann über 5-HT
sog. Smad-Proteine (Ⴜ Abb. 2.43), die in aktiver Form in
5-HT-
den Zellkern wandern, eine Genexpression aus. Transporter
D
Zu den Tumornekrosefaktor-(TNF-)Rezeptoren, Gi HT 1
5-
auch Todesrezeptoren genannt, zählen mindestens 20
verschiedene Rezeptorsubtypen. Sie sind in die Membran
der meisten Zellen integriert. Wichtige Vertreter sind der
TNF-Rezeptor 1 und FAS. Die Bindung von z. B. TNF an
5-HT2A,2C
seinen Rezeptor führt zur Homotrimerisierung und zur Gq
Rekrutierung eines Adapterproteins (z. B. TRADD,
TRAF, RIP), das mit den sog. Todesdomänen der drei Regulation neuronaler
Untereinheiten assoziiert. Die Art des assoziierten Adap- Aktivität
terproteins entscheidet mit darüber, welche Signalwege
(z. B. Apoptose, Inflammation) die Stimulation des
TNF-Rezeptors auslöst. Im Fall des programmierten
Zelltods, der Apoptose, aktiviert der resultierende Kom- postynaptische Neurone
plex die Caspasen-Kaskade, die zu Inaktivierung von En-
zymen und zum Abbau von Strukturproteinen sowie zur Ⴜ Abb. 2.44 Funktion eines Serotonin-(5-HT-)Transporters
Fragmentierung der genomischen DNA führt. sowie von prä- und postsynaptischen 5-HT-Rezeptoren.
Die IL-1-Rezeptor-Familie vermittelt ihre Wirkung 5-HT-Transporter kommen in der Membran der Axontermi-
über IRAK (interleukin-1 receptor-associated kinase) nalen eines serotonergen Neurons vor und sind für die Rück-
und die IL-17-Rezeptor-Familie über ACT-1 (NF-κB aufnahme des Neurotransmitters Serotonin in das präsynap-
tische Neuron nach exozytotischer Freisetzung verantwort-
activator) und TRAF (tumor necrosis factor receptor-
lich. Der 5-HT-Transporter weist 12 Transmembransegmente
associated factor, Ⴉ Kap. 68.1).
auf. Ebenfalls gezeigt sind G-Protein-gekoppelte 5-HT-Re-
zeptoren, denen an der postsynaptischen Membran die Auf-
gabe der Signalweiterleitung zukommt, während sie an den
2.3 Transportproteine und Enzyme Axonterminalen des präsynaptischen Neurons die weitere
Exozytose von Neurotransmittern hemmen.
2.3.1 Pharmakonwirkungen an Trans-
portern Wiederaufnahme des ausgeschütteten Transmitters in
Der Transport von kleinen organischen Molekülen das präsynaptische Neuron dienen, und den Transpor-
oder Ionen durch die Zellmembran erfolgt häufig dann tern für Elektrolyte (z. B. Na+/K+/2 Cl–- und Na+/
mithilfe von Transportmolekülen, wenn die zu trans- Cl–-Symporter), die vorwiegend in Epithelien mit se-
portierenden Moleküle zu polar sind, um allein die kretorischer Funktion (u. a. in Nierentubuli, Bronchial-
Membran zu überwinden. Neben den Transportern für epithel und Intestinalschleimhaut) vorkommen, gibt es
Neurotransmitter in terminalen Nervenendigungen auch solche für z. B. Glucose und Aminosäuren.
(Neurotransmitter-spezifische Transporter, Ⴜ Abb. 2.44, Insbesondere die Transporter für Neurotransmitter
z. B. für Noradrenalin, Serotonin oder GABA), die zur und Elektrolyte stellen Targets für wichtige Pharmaka wie
2.4 Dosis- bzw. Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen 103

Antidepressiva (Ⴉ Kap. 10), Diuretika (Ⴉ Kap. 55), herz- zelluläre Schlüsselfunktionen wie Proliferation, Diffe-
wirksame Glykoside (Ⴉ Kap. 34.3.8) und Protonenpum- renzierung, Apoptose und Anti-Apoptose sowie Neuri-
penhemmer (Ⴉ Kap. 49.2.1) dar. Antidepressiva hemmen tenwachstum. Mutationen mit erhöhter Enzymaktivität
den aktiven (Rück-)Transport von Noradrenalin und/ oder Überexpression dieser Enzyme werden als Ursa-
oder Serotonin. Diuretika sind als selektive Elektrolyt- che verschiedener Tumorerkrankungen und benigner
transport-Inhibitoren zu charakterisieren: Schleifendiu- Hyperplasien angesehen. So sind zahlreiche Onkogene
retika vom Furosemid-Typ blockieren den Na+/K+/2Cl–-, (Ⴉ Kap. 72.2.1) mutierte Tyrosinkinasen. Die Bedeu-
Thiazide den Na+/Cl–-Symporter. Herzwirksame Glyko- tung von Tyrosinkinasen bei anderen Erkrankungen
side hemmen den Auswärtstransport von Natriumionen zeigt sich ferner z. B. bei entzündlichen Prozessen und
vom Intrazellularraum in den Extrazellularraum sowie Diabetes mellitus. Ihre Zahl wird auf mehr als 500 Ver-
den Einwärtstransport (extrazellulär/intrazellulär) von treter geschätzt.
Kaliumionen durch Blockade der Natrium-Kalium- Auch zahlreiche Antiinfektiva entfalten ihre Wirkung
Pumpe (Na+/K+-ATPase). Die als Ulkustherapeutika ver- durch selektive Enzymhemmung bei Mikroorganismen,
wendeten Protonenpumpenhemmer unterdrücken die z. B. Penicilline und andere Betalactam-Antibiotika
Salzsäureproduktion im Magen durch die Hemmung der durch die Hemmung von Transpeptidasen (Ⴉ Kap. 82.3.1),
Protonen-Kalium-Pumpe (H+/K+-ATPase). Gyrasehemmer durch Wechselwirkung mit der DNA-Gy-
rase (Ⴉ Kap. 82), Azol-Antimykotika durch eine Blockade
2.3.2 Pharmakonwirkungen an Enzymen der Lanosteroldemethylase (Ⴉ Kap. 85.1) oder Virostatika 2
Zahlreiche Wirkungen von Arzneistoffen beruhen auf gegen HIV durch Interaktion mit viralen Polymerasen
der Hemmung oder (seltener) der Aktivierung von En- oder Proteasen (Ⴉ Kap. 84.5).
zymen. Ähnlich wie bei der Pharmakon-Rezeptor-
Interaktion kommt es dabei zunächst zur Bildung eines Enzymaktivierung. Eine Enzymaktivierung wird meist
Pharmakon-Enzym-Komplexes und dadurch, je nach durch die oben genannten 2. (sekundären) Botenstoffe
Art des Arzneistoffs, zur Enzymblockade oder Enzym- wie cAMP, cGMP oder Ca2+ bewirkt. Nitrate bzw.
aktivierung. NO-Donatoren (Ⴉ Kap. 33.2.1) aktivieren über Stick-
stoffmonoxid (NO) die lösliche Guanylylcyclase
Enzymhemmung. Eine durch Pharmaka ausgelöste En- (Ⴜ Abb. 2.22). Die Wirkung einer Reihe von Gerin-
zymhemmung kann kompetitiv oder nichtkompetitiv nungsfaktoren (Ⴉ Kap. 36.3.1) bei der Blutgerinnung
sein. Eine kompetitive Hemmung liegt vor, wenn der beruht darauf, dass sie inaktive in aktive Proteasen
Arzneistoff mit dem Substrat um dessen Bindungsstelle überführen. Fibrinolytika (Ⴉ Kap. 39.1) wandeln Plas-
reversibel konkurriert. Bei der nichtkompetitiven Hem- minogen in Plasmin, ebenfalls eine Protease, um.
mung reagiert der Arzneistoff irreversibel mit dem akti-
ven Zentrum oder es wird die auf die Bildung des Sub-
strat-Enzym-Komplexes folgende Reaktion und nicht 2.4 Dosis- bzw. Konzentrations-
die Bindung des Substrats an das Enzym unterdrückt. Wirkungs-Beziehungen
Wichtige Beispiele enzymblockierender Pharmaka
sind die: Untersuchungen über die Beziehung zwischen der
󠀂 Monoaminoxidasehemmer (Ⴉ Kap. 10.7), Dosis bzw. der Konzentration können auf zwei Arten
󠀂 nichtsteroidalen Antiphlogistika als Hemmstoffe erfolgen: In Abhängigkeit von der Dosis wird entweder
der Cyclooxygenasen (Ⴉ Kap. 15.3), die Häufigkeit eines Effekts an einem Kollektiv (sog.
󠀂 Urikostatika als Xanthinoxidase-Inhibitoren Dosis-Häufigkeits-Beziehung) oder die Wirkstärke
(Ⴉ Kap. 70.9.3), eines Effekts an einem Versuchsobjekt (Dosis- bzw.
󠀂 indirekten Parasympathomimetika als Cholinestera- Konzentrations-Wirkungs-Beziehung im engeren
sehemmer (Ⴉ Kap. 25.2), Sinn) geprüft. Im ersten Fall nimmt die Zahl der Ver-
󠀂 Hydroxy-Methyl-Glutaryl-Coenzym-A-Reduktase- suchsobjekte, die den erwarteten Effekt zeigen, im zwei-
Inhibitoren (HMG-CoA-Reduktase-lnhibitoren, ten Fall die Wirkstärke bis zu einem Maximum zu.
CSE-Hemmer, Statine, Ⴉ Kap. 30.2.1), Stellt man die bei solchen Untersuchungen gewonne-
󠀂 Phosphodiesterasehemmer (Ⴉ Kap. 31.3.1), nen Ergebnisse in einem Koordinatensystem (Abszisse:
󠀂 Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer Dosis bzw. Konzentration, Ordinate: Effekt) grafisch
(ACE-Hemmer, Ⴉ Kap. 28.2.1) und dar, erhält man Dosis- bzw. Konzentrations-Wirkungs-
󠀂 Tyrosinkinase-Inhibitoren (Ⴉ Kap. 73.3). Kurven. Bei der Auswertung dieser Kurven interessiert
Intrazellulär lokalisierte Tyrosinkinasen ohne eigene vor allem:
Rezeptordomäne (Non-Rezeptor-Tyrosinkinasen) sind 󠀂 die Schwellendosis, d. h. die kleinste Dosis, bei der
an zahlreichen Signaltransduktionsprozessen beteiligt ein Effekt sichtbar wird,
und regulieren ähnlich wie Rezeptor-Tyrosinkinasen 󠀂 der erreichbare Maximaleffekt,
104 2 Pharmakodynamik

󠀂 die zum Erreichen des Maximaleffekts erforderliche In einigen Fällen weist das Dosis-Wirkungs-Dia-
(minimale) Dosis und gramm zwei Peaks auf. Man spricht dann von einer bi-
󠀂 die Steigung der Kurve, die ein Maß für den Dosis- modalen Kurve. Aus einer solchen Kurve geht hervor,
bereich zwischen Wirkungseintritt und maximaler dass kein homogenes Kollektiv vorliegt, sondern zwei
Wirkung ist: bei geringer Steigung ist dieser groß, abgrenzbare Gruppen existieren, die verschieden emp-
bei großer Steigung klein. findlich gegenüber der Prüfsubstanz sind und für die
jeweils die ED50 bestimmt werden kann.
Dosis-Wirkungs-Beziehungen am Kollektiv. Untersu-
chungen zur Ermittlung von Dosis-Wirkungs-Bezie- Dosis-Wirkungs-Beziehungen am Individuum. Die
hungen werden bei der Arzneimittelentwicklung sowohl Charakteristika der Dosis-Wirkungs-Kurve bei Unter-
in der präklinischen als auch in der klinischen Phase suchungen am Individuum können in der Regel auf der
(Ⴉ Kap. 7) durchgeführt. Auch bei allgemeinen toxikolo- Basis des Massenwirkungsgesetzes erklärt werden.
gischen oder gewerbetoxikologischen Untersuchungen Trägt man die Dosis logarithmisch auf der Abszisse und
ist dieses Vorgehen üblich. Die Untersuchungsergebnisse die Stärke des Effekts linear auf der Ordinate auf, erhält
können in einer sog. Häufigkeitsverteilungskurve dar- man meist eine S-förmige Kurve.
gestellt werden. In einer solchen Kurve wird die Dosis, Bei Agonisten ermöglicht die Kurve sowohl die Be-
bei der 50 % der Individuen reagieren, als Maß für die stimmung der Wirkstärke als auch die der intrinsischen
Aktivität (ED50) der untersuchten Substanzen benutzt. Aktivität: Die Lage der Kurve auf der x-Achse ist ein
Die in Ⴜ Abb. 2.45 vorliegende symmetrische Vertei- Maß für die Wirkstärke, die Größe des Maximaleffekts
lung ist bei biologischen Vorgängen eher die Ausnahme ein Maß für die intrinsische Aktivität.
als die Regel. In der Praxis wird gewöhnlich eine asym- In Ⴜ Abb. 2.47 sind die Konzentrations-Wirkungs-
metrische Verteilung gefunden. Trägt man in einem Kurven von verschiedenen Parasympathomimetika
solchen Fall die Dosis in logarithmischem Maßstab auf, (Ⴉ Kap. 25) am isolierten Ileum des Meerschweinchens
erhält man häufig wieder eine symmetrische Kurve. dargestellt. Den Kurven ist zu entnehmen, dass:
Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streu- 󠀂 Acetylcholin eine größere Wirkstärke besitzt, d. h. in
ung der Werte um die ED50, den Mittelwert, und ist so niedrigeren Dosen wirkt als Carbachol und Pilocar-
definiert, dass der Teil der Kurve von ED50 – σ bis ED50 pin (höhere Potenz),
+ σ 68 % aller Einzelwerte umschließt. Der entspre- 󠀂 mit Carbachol derselbe Maximaleffekt wie mit Ace-
chende Teil von ED50 – 2σ bis ED50 + 2σ umfasst 95,4 % tylcholin, allerdings erst durch höhere Dosen, er-
der Einzelwerte (Ⴜ Abb. 2.46). reicht werden kann (gleiche Effektivität) und
󠀂 die Pilocarpin-Kurve ein geringeres Maximum auf-
weist, was bedeutet, dass auch mit höchsten
140 Pilocarpinkonzentrationen nicht dieselbe maximale
1000 Individuen
Anzahl der reagierenden Individuen

Wirkung wie mit Acetylcholin zu erzielen ist, Pilo-


120
carpin somit keine volle intrinsische Aktivität be-
100 sitzt.

80
Anzahl der reagierenden Individuen (%)

60

40 100

80
20
60

10 40 70 100
0 130 160 190 40

ED50 20
-3˰ -2˰ -1˰ +1˰ +2˰ +3˰
Dosis (mg) 0
33,3 100 300

Ⴜ Abb. 2.45 Darstellung der Beziehung zwischen Dosis ED50


und Zahl der mit einem spezifischen Effekt reagierenden
Individuen. Es liegt eine symmetrische Verteilung um die Dosis (mg)
Mittellinie vor, die das Diagramm in zwei gleiche Teile teilt
und der ED50 entspricht. Man spricht in diesem Fall von Ⴜ Abb. 2.46 Dosis-Wirkungs-Kurve am Kollektiv (Summa-
einer statistischen Normalverteilung. tionskurve)
2.4 Dosis- bzw. Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen 105

Therapeutische Breite. Die therapeutische Breite einer


Substanz ist ein Maß für die Sicherheit zwischen thera-
1,0 Acetylcholin Carbachol peutischer und toxischer Wirkung: Ein Pharmakon ist
umso ungefährlicher, je größer seine therapeutische
Breite ist. Üblicherweise wird diese in Form des thera-
Pilocarpin peutischen Quotienten (oder Index) als Verhältnis von
LD50 zu ED50 angegeben:
0,5
EA/Em

LD
therapeutischer Quotient = _ 50
ED 50

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Angabe der


therapeutischen Breite zu schweren Fehlschlüssen füh-
0
ren kann. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: In
10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3 Ⴜ Abb. 2.48 sind zwei Dosis-Wirkungs-Kurven (Kurven
M A und B) und zwei Dosis-Letalitäts-Kurven (Kurven C
und D) für zwei Pharmaka Ph1 und Ph2 dargestellt.
Ⴜ Abb. 2.47 Konzentrations-Wirkungs-Kurven verschie- Für die folgende Betrachtung soll angenommen wer- 2
dener Parasympathomimetika am isolierten Ileum des den, dass
Meerschweinchens. Auf der Abszisse ist die molare Kon- 󠀂 im ersten Fall die Kurven A und C zu Ph1 und die
zentration, auf der Ordinate der durch das Pharmakon Kurven B und D zu Ph2,
ausgelöste Effekt EA im Verhältnis zum maximal möglichen 󠀂 im zweiten Fall die Kurven A und D zu Ph1 und die
Effekt Em aufgetragen. Man beachte den geringeren Maxi- Kurven B und C zu Ph2
maleffekt von Pilocarpin. Näheres s. Text
gehören. Welche Kombination man auch wählt, man
findet stets für beide Pharmaka den gleichen therapeu-
2.4.1 Pharmakologische Kenngrößen tischen Quotienten LD50/ED50 = 1000.
Aus den Dosis-Wirkungs- bzw. Konzentrations-Wir- Anhand der Kurven kann man sich jedoch leicht
kungs-Kurven lassen sich wichtige Pharmakakon- überzeugen, dass die therapeutische Sicherheit der bei-
stanten ermitteln, von denen nachstehend einige be- den Stoffe Ph1 und Ph2 durchaus nicht die gleiche ist.
schrieben sind. Greift man z. B. Fall 1 heraus, dann wird bei Ph1 die ma-
ximale therapeutische Wirkung lange vor der minima-
ED50. Die schon mehrfach erwähnte ED50 (Dosis effec- len letalen Dosis erreicht: Es liegt ein Sicherheitsab-
tiva 50, Effektdosis 50) ist die Dosis, bei der die Hälfte stand von mehr als zwei Zehnerpotenzen vor. Bei der
(50 %) des Maximaleffekts erreicht wird bzw. bei der für den Maximalwert von Ph2 erforderlichen Dosis da-
50 % der Versuchsobjekte die erwartete Wirkung zei- gegen würden bereits 20 % der Tiere sterben: Es ist kein
gen. (Entsprechend ist die ED95 die Dosis, bei der es zu Sicherheitsabstand vorhanden.
95 % der Wirkung kommt.) Aufgrund dieser Fehlermöglichkeit wurde verschie-
dentlich vorgeschlagen, anstelle des Quotienten LD50/
LD50. Die LD50 (Dosis letalis 50, Letaldosis 50), ein ED50 andere Quotienten, z. B. LD5/ED95 oder LD25/
Sonderfall der ED50, gibt an, bei welcher Dosis 50 % der ED75 zu bestimmen. Sofern die Dosis-Wirkungs-Kurve
Versuchstiere sterben. und die Dosis-Letalitäts-Kurve einer Substanz parallel
(wie im Fall 1) verlaufen, erhält man auf diese Weise tat-
pD2-Wert. Der pD2-Wert, eine Kenngröße für die sächlich eine wesentlich bessere Aussage über die thera-
Wirkstärke eines Agonisten, ist der negative dekadische peutische Breite. Im Fall 1 findet man beispielsweise
Logarithmus der Wirkstoffkonzentration, mit der der folgende Werte: LD25/ED75 von Ph1 ≈ 500, von Ph2 ≈ 50.
halbe Maximaleffekt erreicht wird. Die sehr unterschiedliche therapeutische Breite beider
Stoffe wird nunmehr deutlich.
pA2-Wert. Der pA2-Wert, ein Parameter für die Affini- Verlaufen aber die Dosis-Wirkungs-Kurve und die Do-
tät eines Antagonisten, gibt den negativen dekadischen sis-Letalitäts-Kurve nicht parallel (wie im Fall 2), sind auch
Logarithmus der Antagonistenkonzentration an, wel- die Quotienten LD25/ED75 oder LD5/ED95 nur mit Ein-
che die Konzentrations-Wirkungs-Kurve des (bei der schränkung brauchbar. Man erhält im Fall 2 LD25/ED75 für
Untersuchung verwendeten) Agonisten um den Faktor Ph1 ≈ 100, für Ph2 ≈ 50. Obwohl die therapeutischen Quo-
2 nach rechts verschiebt. tienten von Ph1 und Ph2 hierbei nur um den Faktor 2 diffe-
rieren, ergibt sich deutlich aus dem Kurvenverlauf, dass in
106 2 Pharmakodynamik

100 A B C D 100

+ +

Todesrate in%
Wirkung in %

50 50

+ +

10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3


g/g Tier

Ⴜ Abb. 2.48 Grafische Darstellung der unterschiedlichen therapeutischen Breite zweier Pharmaka mit gleichen thera-
peutischen Quotienten LD50/ED50. Auf der Ordinate die Wirkung bzw. die Todesrate in %, auf der Abszisse die Dosis in g/g
Tier. Die ED75 und LD25 sind durch + markiert.

Wirklichkeit ganz erhebliche Unterschiede in der thera- ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Effekte im linearen
peutischen Sicherheit der beiden Pharmaka trotz schein- Bereich der Kurve liegen. Um zu einer zuverlässigen
bar gleicher „therapeutischer Breite“ vorliegen. Aussage zu kommen, muss somit die Wirkungssteige-
Eine absolut zuverlässige Aussage über die therapeu- rung mithilfe der zugehörigen Dosis-Wirkungs- bzw.
tische Sicherheit ist somit nur aus dem gesamten Ver- Konzentrations-Wirkungs-Kurve beurteilt werden.
lauf der Dosis-Wirkungs- und der Dosis-Letalitäts- Erst danach lässt sich sicher entscheiden, ob eine Kom-
Kurve und nicht durch Ermittlung eines bestimmten bination additiv, überadditiv oder subadditiv wirkt,
Quotienten möglich. d. h., dass im letztgenannten Fall die Kombination
schwächer wirkt als die Einzelsubstanzen.
2.4.2 Synergismus Überadditiven Synergismus beobachtet man bei-
Ein Synergismus liegt vor, wenn bei der gleichzeitigen spielsweise bei der gleichzeitigen Gabe eines Schleifen-
Anwendung von zwei oder mehr Wirkstoffen der ge- und eines Thiazid-Diuretikums (vgl. konsekutive Ne-
messene Effekt der Kombination größer ist als die Wir- phronblockade, Ⴉ Kap. 55) oder bei der allerdings kon-
kung der jeweiligen Einzelsubstanz. Addieren sich die traindizierten Kombination eines MAO-Hemmers und
Einzeleffekte, d. h. entspricht die Gesamtwirkung der eines Sympathomimetikums (vgl. Blutdruckkrisen,
Summe der Einzelwirkungen, so spricht man von einem Ⴉ Kap. 28.3.3).
additiven Effekt.
Ist der Gesamteffekt geringer als die Summe der Ein- 2.4.3 Gewöhnung (Toleranzentwicklung)
zeleffekte, so spricht man von subadditivem oder nega- und Tachyphylaxie
tivem Synergismus. In der Toxikologie versteht man Von Gewöhnung oder Toleranzentwicklung spricht
unter einer Potenzierung, dass eine Substanz, die selbst man, wenn nach wiederholter Zufuhr eines Arznei-
keine toxische Wirkung hat, die Toxizität einer anderen stoffs die Dosis erhöht werden muss, um die gleiche
Substanz verstärkt. Wirkung wie bei der ersten Applikation zu erreichen.
Voraussetzung für den Synergismus kann ein An- Dabei wird zwischen pharmakokinetischer und phar-
griff der Wirkstoffe an unterschiedlichen Rezeptor- makodynamischer Toleranzentwicklung unterschie-
bzw. Effektorsystemen sein. Bei der Beurteilung eines den.
solchen Effekts muss jedoch berücksichtigt werden, Bei der pharmakokinetischen Toleranzentwicklung
dass, wie beschrieben, die Dosis-Wirkungs- bzw. Kon- beruht die Wirkungsabnahme vorwiegend auf einer
zentrations-Wirkungs-Kurven meist nichtlinear, son- Enzyminduktion (bei Prodrugs u. U. aber auch auf einer
dern sigmoid verlaufen. Es ist daher unzulässig, ohne verringerten Biotransformation), bei der pharmakody-
weiteres zu folgern, dass eine Potenzierung vorliegt, namischen Toleranzentwicklung auf einer Änderung
wenn die beobachtete Wirkung nichtlinear mit der Ad- der Rezeptorendichte (Rezeptorzahl) und/oder einer
dition der Einzeldosen korreliert ist. Ein solcher Schluss Veränderung der Rezeptorempfindlichkeit bzw. der

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