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Akute und chronische 

Pankreatitis
Jan Pfeiffenberger

Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung Innere Medizin IV
Im Neuenheimer Feld  410, 69120 Heidelberg
Lernziele
• Pathophysiologie der akuten und
chronischen Pankreatitis kennen
• Ursachen der akuten und chronischen
Pankreatitis benennen
• Unterschiede zwischen akuter und
chronischer Pankreatitis kennen
• Therapieoptionen bei Pankreatitis kennen
Akute Pankreatitis
Ursachen
- Biliär (ca. 40-55%)  Choledochussteine, Stenose der
Papilla Vateri
- Alkoholabusus (ca. 35%)
- Medikamente (ca. 2-10%)
- Hereditäre Pankreatitis (s.a. chronische Pankreatitis)
- Post-ERC-Pankreatitis
- Ausgeprägte Hypertriglyceridämie
- Virusinfektionen (z. B. Mumps, HIV)
- Hyperkalzämie
- Pancreas divisum
- Obstruktion durch Karzinom
- Trauma
Welche Medikamente können eine
Pankreatitis verursachen?

• Azathioprin, Mercaptopurin
• Mesalazin, Sulfasalazin
• Diuretika (z. B. Furosemid)
• Betablocker
• NSAR
• ACE-Hemmer
• Methyldopa
• Valproat, Carbamazepin u. a.
Akute Pankreatitis
Verlaufsformen:

- Ödematöse Pankreatitis (80-85%)

- Nekrotisierende Pankreatitis (15-20%)


Symptome der akuten Pankreatitis

• Gürtelförmige Bauchschmerzen 90%


• Erbrechen 80%
• Paralytischer (Sub-)Ileus 70%
• Fieber 60%
• „Gummibauch“ 60%
Grey-Turner-Zeichen
Komplikationen der akuten
Pankreatitis
• Lokale Komplikationen
- Pseudozysten
- Abszesse
- Subileus/Ileus
- Pankreatogener Pleuraerguß

• Systemische Komplikationen
- Kreislaufschock
- Sepsis
- Stoffwechselstörungen
- Hyperglykämie
- Enzephalopathie
- Pankreasferne Gewebsnekrosen
- ARDS
Wie wird die Diagnose gestellt?
(1) typische Schmerzen
(2) Lipase > 3 mal obere Normgrenze
(3) Bildgebung mit morphologischen Zeichen
einer Pankreatitis

 2 von 3 Kriterien müssen zutreffen


 Lipase: früher Peak, kann nach 4 Tagen schon
normal sein – KEIN Verlaufsparamter, kein Hinweis
auf Schwere der Pankreatitis
 CRP = geeigneter Verlaufsparameter
Schwere nekrotisierende oder leichte
ödematöse Pankreatitis?

• Differenzierung von entscheidender prognostischer


Bedeutung!
• Verschiedene intensivmedizinische Risikoscores
• Laborchemischer Goldstandard = CRP
• Eine Erhöhung des Wertes für das C-reaktive Protein
über 150 mg/L spricht für eine nekrotisierende
Pankreatitis.
• Prognostisch ungünstig: hoher Hämatokrit, hoher
Blutzucker
Oberbauch-CT: sinnvoll erst ab 4
Tagen nach Schmerzbeginn

Infizierte Nekrose im Corpus- und Caudabereich mit Lufteinschlüssen


Sonografie als erste Bildgebung

• Der Stellenwert der Sonografie liegt hauptsächlich im


Ausschluss einer Cholestase/Choledocholithiasis

• Pankreas selbst aufgrund des Ileus/Meteorismus oft nicht


einzusehen

• Bei biliärer Pankreatitis sollte eine ERC mit Papillotomie


innerhalb von 72 Stunden nach Schmerzbeginn erfolgen, bei
Sepsis bei Cholangitis sofort

• Frühe Cholezystektomie empfohlen!


ERC innerhalb der ersten 72 Stunden
Therapie der akuten Pankreatitis

• (Auslöser erkennen, falls möglich behandeln)


• Volumentherapie
• Schmerztherapie
• Thromboseprophylaxe
• Laxantien
• Ernährung
Therapie der akuten Pankreatitis

Volumentherapie!
• Bei schwerem Volumenmangel initial bis zu 1000
ml/h
• Durch frühe Volumentherapie kann vitales
Pankreasgewebe erhalten werden
• Cave: Überwässerung/Pleuraergüsse!
• ggf. engmaschige Überwachung auf
Intensivstation erforderlich
• Wichtig: Thromboseprophylaxe!
Warum besteht bei akuter Pankreatitis
ein intravaskulärer Volumenmangel?

• Übelkeit, mangelnde Flüssigkeitsaufnahme


• Erbrechen
• Paralytischer Ileus
• Entzündliches Ödem
• Kapillarleck bei SIRS
Schmerztherapie

• Peripher wirksame Analgetika (z. B. Metamizol,


CAVE: Agranulozytose) und Opiate (z. B. Piritramid,
Pethidin)
• Procain zeigte keinen eindeutigen Vorteil
gegenüber Opiaten
• Ggf. Periduralanästhesie
• Cave: Verstärkung des paralytischen Ileus unter
Opiaten!
Ernährung bei akuter Pankreatitis

Enterale Ernährung < 48 h Enterale Ernährung > 48 h

Eindeutiger klinischer Benefit für die frühenterale Ernährung


• Infektionen, Multiorganversagen, Sepsis
• Mortalität
Petrov et al., Br J Nutr 2009, Li et al., PLOS ONE 2013, Sun et al., World J Gastroenterol 2013,
Wereszcynska et al., Pancreas 2013

Metaanalyse Infektionen 0,38 (0,21-0,68) p < 0,05


11 Studien Sepsis 0,26 (0,11-0,58) p < 0,05
N = 775 Mortalität 0,31 (0,14-0,71) p < 0,05
Li et al., PLOS ONE 2013
Antibiose: ja oder nein?

• Keine antibiotische Therapie bei ödematöser


Pankreatitis ohne Cholangitis
• Klare Indikation für antibiotische Therapie bei
begleitender Cholangitis, infizierten Pseudozysten,
infizierten Nekrosen und bei Abszessen (unbedingt
Keimgewinnung anstreben, zunächst empirisch
Carbapenem)
• Antibiotische Prophylaxe bei nekrotisierender
Pankreatitis umstritten
Konservativ versus chirurgisch bei
der akuten Pankreatitis

•Paradigmenwechsel der Therapie


•Schrittweises Vorgehen („step-up“)
•Lange konservative Stabilisierung
•Minimal-invasive Eingriffe
•Wenn überhaupt OP, dann so spät wie
möglich!
 sinkende Sterblichkeitsrate
Chronische Pankreatitis
Chronische Pankreatitis

Kalzifikationen
Morphologische Zeichen der CP
• Pankreasverkalkungen (Sonografie,
Endosonografie, CT, MRT)  beweisen
chronische Pankreatitis
• Verkalkungen am häufigsten bei
äthyltoxischer Pankreatitis
• Pankreasgangsteine
• Gangunregelmäßigkeiten
Chronische Pankreatitis
Ätiologie und Pathogenese

• Langjähriger übermäßiger Alkoholkonsum =


häufigster Auslöser in westlichen Industrieländern

• „Nur“ 10% der Alkoholiker entwickeln eine chronische


Pankreatitis  daher Kofaktoren wie genetische
Prädisposition anzunehmen

• Rauchen ist ein unabhängiger Risikofaktor!


Seltenere Ursachen
• Genetische Veränderungen
Keimbahnmutationen im
- kationischen Trypsinogengen
- Chymotrypsinogengen
- Cystic-Fibrosis-Conductance-Regulator-Gen (CFTR)
- im pankreatischen Trypsininhibitorgen (SPINK 1)
• Hypercalcämie bei Hyperparathyreoidismus
• Medikamente
• Anlagestörungen des Pankreas (Pancreas anulare,
divisum)
Pancreas divisum
Autoimmunpankreatitis (AIP)

Periduktale lymphoplasmazelluläre Granulozytäre eosinophile Läsionen


Inflammation

Histopathologie bei autoimmuner Pankreatitis


• Cave: wichtigste Differentialdiagnose
der Autoimmunpankreatitis =
Pankreaskarzinom

• Die Autoimmunpankreatitis ist vom


Pankreaskarzinom schwierig
abzugrenzen!
exokrin endokrin

proteolytische
ß-Zellen: INSULIN
Enzyme

lipolytische Enzyme
α-Zellen: Glukagon

kohlenhydratspaltende
Enzyme
Symptome der chronischen Pankreatitis

• Rezidivierende Oberbauchschmerzen
• Symptome der Maldigestion
• Ggf. Symptome eines Insulinmangel-
diabetes
Symptome der exokrinen
Pankreasinsuffizienz

• Meteorismus
• Diarrhoe
• Steatorrhoe
• Gewichtsverlust
Komplikationen der chronischen
Pankreatitis
• Pankreaspseudozysten
• Stenosen des Pankreasgangsystems
• Milz- und Pfortaderthrombose
• Ausbildung multipler intraduktaler Konkremente
• Pankreasgangfisteln
• Stenose des distalen DHC
• Duodenalstenose
• Pankreas-Ca (v. a. bei hereditärer Pankreatitis!)
Pankreaspseudozyste
Diagnostik bei chronischer
Pankreatitis
• Bildgebende Verfahren
• Bestimmung der Pankreasenzyme im Blut bei
chronischer Pankreatitis wenig relevant!
• Sekretin-Cholezystokinintest  Goldstandard, hat
sich jedoch nicht durchgesetzt
• Elastase 1 im Stuhl  nur dann verwertbar, wenn
mehr als 50% des Pankreasparenchyms befallen
sind (exokrine Pankreasfunktion)
• Blutzucker! (endokrine Pankreasfunktion)
Diagnostik bei AIP

Diagnosekriterien für die Autoimmunpankreatitis der Japan Pancreas Society (2006)


Therapie der chronischen
Pankreatitis
• Alkoholabstinenz! Nikotinabstinenz
• Schmerztherapie
• Therapie der exokrinen und endokrinen
Pankreasinsuffizienz
• Parenterale Substitution fettlöslicher Vitamine
• Ggf. Insulin notwendig bei endokriner Insuffizienz
• Ggf. Drainage von Pseudozysten, endoskopische
Entfernung von Pankreasgangsteinen,
Pankreasteilresektion
Pankreasenzymsubstitution
• Orientierung an Steatorrhoe und
Gewichtszunahme

• Gabe von säuregeschütztem Pankreatin jeweils 1–


2 × 25 000–40 000 E/Hauptmahlzeit, bei
Zwischenmahlzeiten 1 x 10 000 E
Therapie der AIP
• Therapie mit Kortikosteroiden
• Initialdosis: 40 mg/Tag über 4 Wochen, dann
schrittweise Reduktion um 5 mg/Tag jede Woche
• Hohe Rezidivquote nach Ausschleichen, daher oft
Erhaltungstherapie mit Steroiden erforderlich (5
bis 10 mg/Tag)
Therapie der AIP
Take home

• Die akute Pankreatitis ist in den meisten Fällen durch


Gallensteine bedingt, daher immer Sonografie zum
Cholestaseausschluss!
• Die chronische Pankreatitis ist meistens
alkoholbedingt.
• Bei der akuten Pankreatitis spielt eine frühzeitige
aggressive Volumentherapie die wichtigste Rolle!
• Chirurgische Therapien sind bei der akuten
Pankreatitis zurückhaltend einzusetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Ein Fall aus der Klinik
• Patient, m, 66 Jahre, guter AEZ
• geplante Aufnahme auf die
gastroenterologische Normalstation zur ERC
(endoskopischen retrograden
Cholangiografie)
Diagnosen
• Z. n. Lebertransplantation bei HCC bei C2-
Leberzirrhose am Mai 2012
• End-zu-End-Gallengangsanastomose

• KHK ohne höhergradige Stenosen


• Arterielle Hypertonie
• COPD
• Osteopenie
Aktuelles Problem bei Aufnahme
• Verdacht auf hochgradige
Gallengangsanastomosenstenose
• Basierend auf der MRT/MRCP
Schriftlicher Befund
• Intrahepatische Cholestase mit
hochgradiger Stenose im Verlauf des DHC,
möglicherweise an der Anastomose
• PTCD oder ERC empfohlen
• Laborwerte: AP 165 (130), GGT 51, GOT 23,
GPT 38, Bilirubin 0,6
ERC
• Hochgradige Anastomosenstenose,
endoskopisch nicht sondierbar
• PTCD und Rendez-vous-Verfahren
empfohlen
Weiterer Verlauf
• Ein Tag nach ERC: starke Bauch-schmerzen
• Labor: Lipase 1114 U/L, CrP 63 (Vortag: 7),
AP und GGT normwertig, Leukozyten 10,9
CT 21 Tage nach ERC
Weiterer Verlauf…
• Im Rahmen der post-ERC Pankreatitis Ausbildung
eines großen retroperitonealen Abszesses mit
sekundärer Kolonperforation
• Erweiterte Hemikolektomie rechts,
Hartmannstumpf, terminale Ileostomie,
Pankreasnekrosektomie, Spüldrainagen
• Persistierende Pankreasfistel mit weiterhin
einliegender Drainage
• Isolationspflicht bei 4-MRGN
Post-ERC-Pankreatitis
• Risikofaktoren: junges Alter, weibliches
Geschlecht, Pankreas divisum, vorangegangene
oder bestehende Pankreatitis, enger Gallengang,
Zahl der Kanülierungsversuche, intrapankreatische
KM-Gabe
• Pathogenese: a. e. Spastik und Ödem der Papilla
Vateri durch Manipulation
• Daher: immer strenge Indikation!
• Ggf. Indomethacinprophylaxe

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