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Die Romantik entsteht am Ende des 18. Jahrhunderts als klare Abgrenzung von Aufklärung
und Klassik. Die Sehnsucht als unaufhörliche Suche steht im Mittelpunkt.
Um einer Welt zu entfliehen, die sie als nüchtern, zweckmässig und vernunftlastig empfanden, suchten
die Romantiker ihre Ausdrucksform in der Auflösung von Grenzen: Sie verschmolzen Realität und
Phantasie. Unter dem Dichterpseudonym Novalis forderte Friedrich von Hardenberg (1772-1801), dass
die Welt «romantisiert» werden müsse. Nicht die naturwissenschaftliche Analyse strebten die
Romantiker an, sie nahmen die Welt als zauberhaft und wunderbar wahr: Ihr Ziel ist die Poetisierung der
Welt.
In einem echten Märchen muß alles wunderbar - geheimnisvoll und unzusammenhängend sein - alles
belebt. Jedes auf eine andre Art. Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen
Geisterwelt vermischt sein-. Die Welt des Märchens ist die durchaus entgegengesetzte Welt der
Wahrheit (Geschichte). Das Märchen ist gleichsam der Kanon der Poesie -alles Poetische muß
märchenhaft sein. Der Dichter betet den Zufall an. Poesie ist Darstellung des Gemüts - der innern Welt in
ihrer Gesamtheit.
Novalis setzt der Realität (der «Welt der Wahrheit») eine Gegenwelt gegenüber, die «Welt des
Märchens». Diese Märchenwelt ist zauberhaft, geheimnisvoll, lebendig. Sie ist «Darstellung des
Gemüts», die «innere Welt», die Veranschaulichung der Gefühle im Menschen drin. Die Erforschung der
«Innenwelt» ist das Hauptthema der Romantik. Das Märchen vereint Phantasie, Wünsche, Sehnsüchte,
und zwar «unzusammenhängend», also ohne logische Abfolge und ohne Erklärungen, denn es ist nicht
an die Bedingungen der Wirklichkeit gebunden.
MERKSATZ
Alles Poetische muß märchenhaft sein. (Novalis, Fragmente zur Poetik, 1798-1800)
Das Fragment
Universalpaesie
Die Literatur der Romantik soll die verschiedenen Gattungen vereinen. Friedrich Schlegel (1772-1829)
prägte dafür 1799 den Begriff «Universalpoesie». Das Ziel ist die Aufhebung der Grenzen nicht nur
zwischen den literarischen Gattungen, sondern auch der Grenzen zwischen Leben und Kunst. Die
Ausdrucksform dafür ist das unvollendete und unvollständige Werk. Romantisch ist das Unfertige.
Novalis schuf in seinem fragmentarischen Roman «Heinrich von Ofterdingen» (1802) die «blaue Blume»
als Symbol für die Sehnsucht nach Harmonie und Liebe bzw. für die unablässige Suche danach.
Romantische Ironie
Eine Ausdrucksform des Fragments ist auch die sogenannte «romantische Ironie». Sie bezeichnet ein
künstlerisches Verfahren, bei dem der Autor seine Geschichte während des Erzählens unterbricht und
hinterfragt. Der Erzähler wendet sich etwa direkt an den Leser und fragt ihn, ob er der Handlung folgen
kann. Die romantische Ironie zerstört die Illusionen der Erzählung und löst damit die Grenzen zwischen
Fiktion und Wirklichkeit auf.
Sehnsucht
Das romantischste aller Gefühle ist daher die Sehnsucht. Nicht die Erfüllung ist das romantische Gefühl,
sondern die Erwartung und die Vorfreude. Joseph von Eichendorff (1788-1857) fasste 1834 dieses
Gefühl in sein berühmtes Gedicht «Sehnsucht».
Die Stimmung ist arrangiert: ein schöner, warmer Sommerabend, das Horn der vorüberfahrenden
Post, die lustigen Gesellen, tiefe.Schluchten in rauschenden Wäldern, Paläste in verwitterten Gärten. Das
sind Versatzstücke der eigenen Vorstellungswelt, die in der Realität kaum in dieser Kombination
vorkommen. Die Sehnsucht drückt sich also doppelt aus: einerseits in der Vorstellung einer perfekten
Sommernacht und andererseits im Fernweh nach Reisen in fremde Gegenden; auch die Sehnsucht nach
Liebe, in der Romantik immer präsent, fehlt nicht.
Gefühlslyrik
Die Lyrik der Romantik drückt nicht die wahrnehmbare Landschaft aus. Die Naturdarstellung in roman-
tischen Gedichten entspricht der auszudrückenden Stimmung des lyrischen Ichs: Die «Sommernacht»
macht das Wohlbehagen kund, die «Wälder» mit den tiefen Schluchten deuten Reiselust an, der
«Mondschein» verspricht Vorfreude.
Die drei Strophen variieren die für die Romantik typische Volksliedstrophe (drei oder vier Hebungen, vier
Verse, Reim). In typisch romantischer Manier wird mit Attributen nicht gespart («golden», «einsam»,
«weit», «still», «heimlich», «prächtig» usw.).
Eichendorffs Gedicht «Sehnsucht» gehört zur «hellen Romantik» : Die Welt ist heil und schön. Doch nicht
alle menschlichen Gefühle sind schön . Die Sehnsucht, die der Protagonist von E. T. A. Hoffmanns (1776-
1822) Märchen «Der goldne Topf» (1814) verspürt, verspricht eine Bewusstseinserweiterung. Gefunden
w ird sie vor allem in der Nacht, denn sie führt aus der Tagwelt (der Realität) hinaus in eine unbekannte
Gegenwelt, dazu gehören auch Rausch und Wahn.
Die «dunkle» bzw. «schwarze» Romantik interessiert sich für die irrationalen Züge des Menschseins, die
zum Bösen oder zum Wahnsinn führen können . Sie schildert abseitige, exzessive Verhaltensweisen,
phantastische Phänomene und unmögliche Liebesbeziehungen .
Bis heute verbindet man mit einer «romantischen» Stimmung Gefühl, Phantasie und Sehnsucht, lauter
Dinge, die es in der materiellen Welt nicht gibt. Von Deutschland aus dehnte sich die Romantik schnell
über ganz Europa aus und erfasste auch die Malerei und die Musik.
Deutsches Nationalbewusstsein
Die Zeit der Romantik war von grossen Veränderungen geprägt. Nach der Französischen Revolution und
der Schreckensherrschaft der Jakobiner übernahm Napoleon die Herrschaft. Die französische Expansion
nach Europa 1806 führte zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Die soge-
nannten Befreiungskriege gegen Napoleon in den Jahren 1813-1815 prägten ein neues deutsches
Nationalbewusstsein.
Mittelalterbegeisterung
Die Romantiker entwarfen ein idealisiertes Bild des christlichen Mittelalters, das für sie das Zeitalter der
Natürlichkeit und Einheit war. In der Volksdichtung sahen sie die Ursprünge der deutschen Dichtung.
Idealismus
Die philosophischen Grundlagen für die Romantik legte in der Nachfolge Immanuel Kants der deutsche
Idealismus mit Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814), Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854)
und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831). Er gilt als die Blütezeit der deutschen Philosophie. Auf
Kant zurückzuführen ist die Erkenntnis, dass die Realität und unsere Wahrnehmung von ihr nicht
identisch sein können . In einem Brief an seine Verlobte beschrieb Heinrich von Kleist die idealistische
Erkenntnistheorie so: Hätten Menschen statt Augen grüne Flaschenböden, so nähmen sie die Welt grün
wahr. Die Romantik gehört wie die Weimarer Klassik geistesgeschichtlich zum Idealismus. Allerdings gibt
es grosse Unterschiede.
Innenwelt - Aussenwelt
Für die Romantiker ist die Erkundung der «Innenwelt», die Novalis in Abgrenzung zur Realität so benannt
hat, das Hauptthema. Sie will jene Bereiche der Seele erfassen, die dem Bewusstsein unzugänglich sind.
Aussenwelt Innenwelt
Ausserhalb von uns selbst Unser Bewusstsein und Unterbewusstsein
Natur, Dinge, andere Menschen u.ä. Gefühle, Wünsche, Ängste
Wahrnehmung (durch die Sinne) Einbildungskraft (Phantasie)
«wahr», weil materiell vorhanden «wahr», weil wir fühlen, denken
Realität Märchenwelt
Volksmärchen
Klare Struktur
Ab 1812 erscheinen die gesammelten «Kinder- und Volksmärchen» der Brüder Jacob (1785-1863) und
Wilhelm (1786-1859) Grimm . Sie werden zum europaweit bedeutendsten Typus der Märchendichtung.
Übersetzungen in mehr als 170 Sprachen aller Erdteile lassen sich nachweisen. Zu ihnen gehören
«Schneewittchen und die sieben Zwerge», «Frau Holle», «Dornröschen», «Rotkäppchen», «Rapunzel»,
«Der Froschkönig» und viele mehr. Volksmärchen wurden über Generationen hauptsächlich mündlich
überliefert. Bedingt durch die mündliche Verbreitung existieren sie in unterschiedlichen Versionen und
regionalen Varianten. Die Grimms sammelten die Volksmärchen systematisch und gaben ihnen einen
einheitl ichen Stil. Die Merkmale des Grimm'schen Märchens sind:
• Klare Trennung von Wirklichkeit und Märchenwelt: «Es war einmal ... »
• Anwesenheit von Märchenhaftem: Zauberer, Hexen, Verwandlungen, Wunder u. a.
• In sich abgeschlossene Figuren : Die gute Figur ist immer auch hübsch, fleissig, gehorsam und arm, die
böse Figur hingegen hässlich, faul, frech und reich.
• Brachiale Gewalt: Kinder werden gegessen, Bäuche aufgeschnitten usw.
• Prinzip Erbauung: Auch wenn es dir im Moment schlecht geht, bleib gewissenhaft, fleissig und brav,
am Ende wirst du für all deine Mühen belohnt.
Kunstmärchen
Kunstmärchen haben im Gegensatz zu den Volksmärchen einen eindeutigen Verfasser. Elemente des
wunderbaren sind wie bei den Volksmärchen stilprägend . Sie sind weniger für die Kindererziehung
gedacht, sie verweisen vielmehr auf die fatalen Folgen der Ununterscheidbarkeit von Einbildungskraft
und Wahrnehmung.
Bedrohung
Die Protagonisten der Kunstmärchen leben nicht in einer eindeutigen Märchenwelt. Die Phantasie dringt
in ihre Wirklichkeit ein, bis die Protagonisten nicht mehr in der Lage sind, zwischen Wahrnehmung und
Einbildung zu unterscheiden, die Grenzen zwischen Aussenwelt und Innenwelt lösen sich auf.
Kunstmärchen loten die Abgründe der menschlichen Seele aus. Was hervorkommt, kann zu Wahnsinn
führen.
Volksmärchen Kunstmärchen
Meist mündlich überliefert Eindeutiger Verfasser
Einfache, typisierte Figuren
..
Mehrschichtige Charaktere
..
. Klare Trennung von Realität und .Verschmelzung von Wahrnehmung und
Märchenwelt Einbildung
Schnell durchdrang die Romantik auch andere Künste. Phantasievolle Landschaften, Ruinen, Einsamkeit,
der Blick in die Ferne: Sie alle veranschaulichen die Sehnsucht wie die Gemälde von Caspar David
Friedrich (1774-1840) .
Auch die romantische Musik zeichnet sich durch die Betonung des gefühlvollen Ausdrucks aus. Zur
musikalischen Romantik gehörten in Deutschland u. a. Ludwig van Beethoven (1770-1827), Franz
Schubert (1797-1828), Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847). Robert Schumann (1810-1856) .
Schubert vertonte zahlreiche klassische und romantische deutsche Gedichte, etwa «Die Forelle», «Am
Brunnen vor dem Tore » oder den «Erlkönig».
Die Lyrik und das Märchen sind die wichtigsten Ausdrucksformen der Romantik. Die romantische
Dichtung zeichnete sich dabei durch eine einfache Wortwahl aus. Wesentliche Bestandteile romantischer
Dichtung sind Naturidyllen, die bewusst gestaltet waren und Symbole und Metaphern verwendeten, um
eine gefühlvolle Wirkung zu erzielen.
Frühromantik
Die Romantik entstand in der philosophischen Auseinandersetzung mit den Ideen der Aufklärung und der
Weimarer Klassik. Der Kant-Schüler Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) lehrte seit 1794 an der
Universität Jena . Zu seinem Umfeld gehörten der Theologe Friedrich Schleiermacher (1768-1834). der
Philosoph Friedrich Schelling (1775-1854) und die Dichter Novalis, Ludwig Tieck und die beiden Brüder
August Wilhelm (1767 -1845) und Friedrich Schlegel. Die Romantik erwuchs gleichsam aus der Weimarer
Klassik.
«Progressive Universalpoesie»
Schlegel und Novalis entwickelten die sogenannte «progressive Universalpoesie», die sämtliche
literarischen Gattungen zusammenführen und die Literatur mit Philosophie, Kunst und Wissenschaft
verbinden soll.
Hochromantik
Volksmärchen, Lyrik
Die Heidelberger Richtung der Romantik war weniger philosophisch ausgerichtet als die Frühromantik,
sie rückte das Volkstümliche in den Vordergrund: 1805 veröffentlichten Achim von Arnim (1781-1831)
und Clemens Brentano die berühmteste Gedichtsammlung der Romantik: «Des Knaben Wunderhorn»,
mit älteren und neueren Volkliedern. Ab 1812 erschienen die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Jacob
und Wilhelm Grimm.
Auch Brentanos Schwester Bettina Brentano (1785-1859), die später Achim von Arnim heiratete, war
eine erfolgreiche Schriftstellerin. Mit ihr befreundet war Karoline von Günderrode. Sie veröffentlichte
schwermütige, intensive Gedichte. Früh endete ihr Lebensweg im Selbstmord.
In Heidelberg hielt sich 1807 auch Joseph von Eichendorff auf; der in ganz Europa herumgekommene
Freiherr gilt als der bedeutendste Lyriker der deutschen Romantik.
Spätromantik
Kunstmärchen
Ein weiteres Zentrum der Romantik bildete Berlin, wo u. a. Chamisso, Hoffmann und Hauff ihre
Kunstmärchen und Novellen schrieben.