Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Literatur – 172
142 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
Mononucleotide sind Verbindungen aus einer heterozyklischen Base, Ribose und Phosphat. In Form ihrer Triphosphate stellen
sie eine universelle Form von Energie dar. Die Triphosphate sind zudem Phosphatdonoren und damit Aktivatoren oder Inakti-
vatoren vieler enzymatischer Reaktionen. Nucleotide sind Bestandteile von Coenzymen und an der Wirkung einiger Hormone
und Signalsubstanzen beteiligt. Außerdem nehmen sie an der Biosynthese von Proteinen, Kohlenhydraten oder Lipiden teil.
Nucleinsäuren wie DNA und RNA sind polymere Verbindungen, die aus Nucleotiden aufgebaut werden. Sie sind Träger der
genetischen Information. Bei Eukaryoten ist die DNA im Zellkern enthalten, wo sie zusammen mit den Histonproteinen den
wesentlichen Teil des Chromatins ausmacht. RNA spielt eine entscheidende Rolle bei der Proteinbiosynthese. Sie ist Baustein
der Ribosomen, Trägerin von aktivierten Aminosäuren und dient als Matrize.
5 5.1 Nucleoside und Nucleotide Purin- und Pyrimidinbasen. Dabei ist allerdings zu be-
achten, dass
5.1.1 Aufbau von Nucleosiden 4 Thymin hauptsächlich in der DNA
und Nucleotiden 4 Uracil hauptsächlich in der RNA vorkommt, während
4 Cytosin, Adenin und Guanin Bestandteile sowohl der
! Nucleotide bestehen aus einer heterozyklischen Base, DNA als auch der RNA sind
einer Pentose und Phosphatresten.
! Ribose oder Desoxyribose sind die in Nucleosiden und Base Abkür- Pentose Nucleosid Abkür-
Nucleotiden vorkommenden Pentosen. zung zung
Cytosin Cyt Ribose Cytidin C
Als Zuckerbestandteil finden sich in Mono- bzw. Poly- Desoxyribose Desoxycytidin dC
nucleotiden sowie in Nucleosiden ausschließlich die Pen-
Thymin Thy Ribose Thymidin T
tosen d-Ribose bzw. die am C-Atom 2 reduzierte Pentose Desoxyribose Desoxythymidin dT
2-Desoxy-d-Ribose (. Abb. 5.4). Dem entsprechend wer-
Uracil Ura Ribose Uridin U
den Nucleoside in Ribo- bzw. Desoxyribonucleoside und Desoxyribose Desoxyuridin dU
Nucleotide in Ribo- bzw. Desoxyribonucleotide eingeteilt.
Adenin Ade Ribose Adenosin A
Da Nucleinsäuren Polymere aus Nucleotiden sind, werden Desoxyribose Desoxyadenosin dA
sie auch als Polynucleotide bezeichnet:
Guanin Gua Ribose Guanosin G
4 Für eine aus Ribonucleotiden bestehende Nucleinsäure Desoxyribose Desoxyguanosin dG
wird die Bezeichnung Polyribonucleotid oder Ribo-
Hypo- Hyp Ribose Inosin I
nucleinsäure (RNA, ribonucleic acid) verwendet xanthin Desoxyribose Desoxyinosin dI
4 für eine aus Desoxyribonucleotiden bestehende Nu-
Xanthin Xan Ribose Xanthosin X
cleinsäure die Bezeichnung Polydesoxyribonucleotid
Desoxyribose Desoxyxanthosin dX
oder Desoxyribonucleinsäure (DNA, deoxyribonucleic
acid)
* Zur eindeutigen Unterscheidung der Atome in Nucleotiden und
Wichtig ist, dass in einem Polynucleotid niemals Ribose Nucleosiden werden diejenigen der heterocyclischen Basen ohne
und Desoxyribose als Zucker nebeneinander vorkommen. Apostroph, diejenigen der Pentose mit einem Apostroph markiert.
144 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
. Abb. 5.7. Adenosin-5ⴕ-Triphosphat . Abb. 5.8. Uridindiphosphat-Glucose. Das durch UMP reaktions-
fähig gemachte Glucose-1-Phosphat ist rot hervorgehoben
In Kürze
4 Nucleoside bestehen aus je einer von vier Basen, die 4 Durch die Anlagerung weiterer Phosphate entstehen
über N-glycosidische Bindungen mit Ribose, seltener aus Nucleosid-Monophosphaten die entsprechenden
Desoxyribose verknüpft sind Di- und Triphosphate. Sie enthalten energiereiche
4 Durch Veresterung der Hydroxylgruppe am C-Atom 3 Phosphorsäureanhydrid-Bindungen, deren Hydrolyse
oder häufiger am C-Atom 5 der Ribose bzw. Desoxyri- endergone Reaktionen ermöglicht
bose mit Phosphorsäure werden aus Nucleosiden die 4 Durch Verbindungen mit Nucleosid-Diphosphaten
entsprechenden Nucleotide gebildet werden Zwischenprodukte des Intermediärstoffwech-
sels aktiviert
146 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
5.2 Zusammensetzung und Primär- ! Nucleinsäuren sind Polymere, die aus Ketten von Nucleo-
struktur der Nucleinsäuren tiden bestehen, die untereinander durch Phosphodies-
terbindungen verknüpft sind.
1869 beschrieb Friedrich Miescher, dass im Zellkern eine
phosphathaltige proteinfreie Substanz vorkommt, die er In . Abb. 5.11 ist ein hypothetisches Tetranucleotid aus je
Nuclein nannte. In späteren Jahren vermutete er, dass sie einem DNA- bzw. RNA-Strang dargestellt. Dabei gelten fol-
etwas mit dem Fertilisierungsvorgang zu tun haben müsste. gende Besonderheiten:
1889 prägte Richard Altmann den Begriff Nucleinsäure, 4 Nach Konvention wird das 5ⴕ-Phosphatende der Kette
1893 identifizierte Albrecht Kossel die in Nucleinsäuren (links) an den Anfang, das 3ⴕ-OH-Ende (rechts) an das
vorkommenden Basen und Zuckerkomponenten. Ende der Kette geschrieben
4 Die stickstoffhaltigen Purin- oder Pyrimidinbasen 4 Mit dem Präfix d wird zum Ausdruck gebracht, dass es
sind stets über eine N-glycosidische Bindung an das sich um ein Desoxyribonucleotid handelt
C1c-Atom der Pentose gebunden (Ausnahme Pseudo-
uridin) So wird beispielsweise mit dem Ausdruck dpG Desoxy-
4 Die Verbindung zwischen den einzelnen Mononu- guanosin-5c-Phosphat bezeichnet. Ein dGp steht dagegen
cleotiden erfolgt durch eine Phosphodiesterbindung für Desoxyguanosin-3c-Phosphat. Die in . Abb. 5.11 darge-
zwischen dem C-Atom 3c der einen Pentose und dem stellten Tetranucleotide würden in der Kurzschreibweise als
C-Atom 5c der nächsten. In der DNA ist diese 3c,5c-Bin- d(pT-A-C-G) bzw. pU-A-C-G bezeichnet werden. Damit
dung die einzig mögliche, da in der Desoxyribose keine werden als Verknüpfung Phosphodiesterbindungen zwi-
weiteren Hydroxylgruppen für die Bindung von Phos- schen dem C-Atom 3c des einen Zuckermoleküls und dem
phatestern zur Verfügung stehen. Auch in der RNA C-Atom 5c des nächsten angenommen.
kommen am häufigsten 3c,5c-Bindungen vor, obwohl Infolge der Phosphatgruppen sind Nucleinsäuren
auch 2c,5c-Bindungen möglich sind starke mehrbasische Säuren, die bei pH-Werten über 4
vollständig dissoziiert sind. DNA und RNA unterscheiden
Die Struktur einer Nucleinsäurekette kann in abgekürzter sich nicht nur durch die Art der als Basenbestandteile ver-
Form angegeben werden: wendeten Zucker, sondern auch durch die Basenzusam-
4 Die Buchstaben A, G, C und U oder T dienen dabei als mensetzung:
Symbole für die Basen 4 In der DNA kommen Adenin, Guanin, Thymin und
4 Der Buchstabe p bezeichnet Phosphat. p auf der linken Cytosin vor
Seite der Nucleosidabkürzung stellt eine 5c-Zucker- 4 In der RNA findet sich dagegen meistens statt der Pyri-
phosphatbindung dar, auf der rechten Seite der Nucleo- midinbase Thymin das Uracil
sidabkürzung eine 3c-Zuckerphosphatbindung
In Kürze
Nucleotidbausteine bilden durch Verknüpfung über Phos- ausschließlich Desoxyribonucleotide vor, in RNA-Molekülen
phorsäurediesterbrücken zwischen den C-Atomen 3’ und Ribonucleotide. DNA und RNA unterscheiden sich auch
5’ der Ribose bzw. Desoxyribose lange kettenförmige durch die Basenzusammensetzung.
Moleküle, die Nucleinsäuren. In DNA-Molekülen kommen
5.3 Aufbau der DNA Trotz dieser Erkenntnisse waren der DNA-Aufbau und
der Mechanismus der Informationsspeicherung und Wie-
5.3.1 Die DNA-Doppelhelix dergabe durch die DNA völlig rätselhaft. Rosalind Franklin
und Maurice Wilkins stellten als Erste röntgenkristallo-
Erst 1944, also 75 Jahre nach der Erstbeschreibung der graphische Untersuchungen über die DNA an und schlos-
Nucleinsäuren, entdeckte Oswald Theodore Avery, dass sen auf eine spiralige Struktur. Erst James Watson und
DNA Trägerin der Erbmerkmale ist. Bis 1950 hatte schließ- Francis Crick gingen von der Annahme aus, dass im DNA-
lich Erwin Chargaff eine Reihe wichtiger Eigenschaften der Molekül Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Ba-
DNA aufgeklärt: sen vorhanden sind und kamen 1993 auf ein Modell der
4 Die Basenzusammensetzung der DNA ist speziesspe- DNA-Struktur, das sich schließlich als richtig erwies.
zifisch Es handelt sich um die B-DNA. Ihre Struktur ergibt sich
4 Aus verschiedenen Geweben der gleichen Art isolierte aufgrund von Wasserstoffbrückenbindungen und hydro-
DNA-Proben haben immer die gleiche Zusammenset- phoben Wechselwirkungen (. Abb. 5.12):
zung 4 B-DNA besteht aus zwei helicalen Polydesoxynucleo-
4 Innerhalb einer bestimmten Spezies ist die Basen- tid-Strängen, die sich um eine gemeinsame Achse win-
zusammensetzung der DNA konstant und nicht vom den. Dabei verlaufen die Stränge in entgegengesetzter
Alter, Ernährungszustand oder Veränderungen der Richtung, sind also antiparallel
Umgebung abhängig 4 B-DNA bildet eine rechtsgängige Doppelhelix mit etwa
4 In allen untersuchten DNA-Proben ist die Anzahl der 10 Basenpaaren pro Wendelgang auf einer Länge von
Adeninreste gleich der Anzahl der Thyminreste. Eben- 3,3 nm. Der Durchmesser dieser Helix liegt bei 2,37 nm
so ist die Anzahl der Guaninreste stets gleich der An- 4 B-DNA weist eine große Furche (Breite 1–2 nm) sowie
zahl der Cytosinreste. Daraus folgt, dass die Summe eine kleine Furche (Breite 0,6 nm) auf
der Purinnucleotide gleich der Summe der Pyrimidin- 4 Die Basen zeigen in das Innere der Helix, die Zucker-
nucleotide sein muss Phosphat-Reste sind jedoch nach außen orientiert
148 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
4 Benachbarte Basen entlang der Helixachse sind 0,34 nm Konturlänge der DNA. Dieser Wert ergibt sich unter der
voneinander entfernt und um 36° gegeneinander ver- Annahme, dass die gesamte DNA einer Zelle als lineares
dreht Makromolekül vorliegen würde. E. coli hätte demnach eine
4 Die beiden DNA-Einzelstränge werden durch Wasser- Konturlänge von 1,36 μm, die diploide humane DNA da-
stoffbrückenbindungen zwischen jeweils zwei Basen zu- gegen eine von etwa 1,8 m! Im Allgemeinen ist es jedoch
sammengehalten. Dabei paart Adenin immer mit Thy- üblich, die Größe von DNA-Abschnitten mit Hilfe der Zahl
min und Guanin immer mit Cytosin (. Abb. 5.13) der Basen (base, b) oder Basenpaare (base pairs, bp) anzu-
4 Guanin und Cytosin können drei, Adenin und Thymin geben. Ein DNA-Einzelstrang von 1 kb Größe wäre dem-
zwei Wasserstoffbrücken ausbilden nach aus 103 Basen zusammengesetzt, einer von 1 Mb aus
106 Basen usw.
Der größte Teil der DNA liegt in vivo als B-DNA vor. Grund-
sätzlich anders aufgebaut ist die Z-DNA (. Abb. 5.14). Bei
dieser DNA-Form handelt es sich um eine linksgängige 5.3.2 Topologie der DNA
Doppelhelix mit einer Ganghöhe von 4,56 nm und 12 Ba-
senpaaren pro Windung. Z-DNA findet sich v.a. in GC- Die verschiedenen Funktionen der DNA machen es notwen-
reichen DNA-Sequenzen und macht insgesamt nur einen dig, dass temporär eine Reihe von Änderungen der oben
sehr kleinen Teil der zellulären DNA aus. Ihr Auftreten geschilderten helikalen Strukturen auftreten. Diese sind
hängt mit der Transkription spezifischer Gene zusammen, wichtig für Replikation, Transkription, Transposition, Inte-
wobei eine wichtige Rolle der Z-DNA beim RNA-Editing gration viraler DNA und das Auftreten von Mutationen.
(7 Kap. 8.5.4) erwiesen ist. Die A-DNA (. Abb. 5.14) ent-
! Umgekehrte Wiederholungssequenzen können zu
steht nur bei experimenteller Dehydratisierung der B-DNA.
kreuzförmigen Strukturen führen.
Sie ist breiter als diese, ein Wendelgang umfasst 11 Basen-
paare. Wahrscheinlich kommt die A-DNA in vivo nicht vor, Gelegentlich kommen in DNA-Sequenzen so genannte
jedoch nehmen DNA-RNA-Doppelhelices die A-Konfor- Palindrome vor. Man versteht hierunter generell Sätze, die
mation an. egal ob von links nach rechts oder von rechts nach links
Wichtige strukturelle Eigenschaften der verschiedenen gelesen, immer die gleiche Buchstabenreihenfolge ergeben.
DNA-Formen sind in . Tabelle 5.3 zusammengestellt. Ein Beispiel hierfür ist etwa »Anni meide die Minna«. Wie
Der DNA-Gehalt von Säugetierzellen liegt je nach Spe- in . Abbildung 5.15 gezeigt, sind derartige DNA-Bereiche
zies zwischen 4 und 8 pg/Zelle. Dies ist mehr als tausend- mit sich selbst komplementär, da sie umgekehrte Wieder-
mal so viel wie der DNA-Gehalt von Mikroorganismen. Die holungssequenzen (inverted repeats) enthalten. Sie sind
höchsten DNA-Gehalte zeigen die Zellen höherer Pflanzen unter bestimmten Bedingungen imstande, kreuzförmige
mit mehr als dem 104-fachen des DNA-Gehaltes von Bak- Strukturen auszubilden.
terienzellen. Dementsprechend variabel ist auch die sog. Inverted repeats findet man in den DNA-Bindungs-
regionen von Rezeptoren der Steroidhormon-Familie. Sie
sind an der DNA-Rekombination beteiligt, können darüber
. Tabelle 5.3. Struktureigenschaften idealer A-, B- und Z-DNA hinaus auch potentiell Mutationen auslösen.
A B Z ! Durch Superspiralisierung entstehen kompaktere DNA-
helicaler Drehsinn rechts- rechts- linksgängig Formen.
gängig gängig
Die bisher beschriebenen Doppelhelices sind Spiralen aus
Durchmesser ca. 2,6 nm ca. 2 nm ca. 1,8 nm
zwei Einzelsträngen mit einer gemeinsamen Längsachse.
Basenpaare pro he- 11 10 12 (6 Dimere)
Dies trifft sowohl für die ringförmigen DNA-Moleküle von
licale Windung
Prokaryonten als auch für die sehr langen linearen DNA-
helicale Windung 33° 36° 60° (pro Dimer)
Stücke in eukaryotischen Chromosomen zu.
pro Basenpaar
Bei der DNA-Replikation und -Transkription, aber
helicale Ganghöhe 2,8 nm 3,4 nm 4,5 nm
auch bei anderen Reaktionen der DNA muss der Doppel-
(Anstieg/Windung)
strang lokal entwunden werden. In . Abb. 5.16 ist die hier-
helicaler Anstieg 0,26 nm 0,34 nm 0,37 nm
bei auftretende Problematik in schematischer Form dar-
pro Basenpaar
gestellt. Ausgangspunkt ist die lineare B-Doppelhelix mit
Basenneigung zur 20° 6° 7°
10 Basenpaaren pro Wendelgang. Stellt man sich den Dop-
Helixachse
pelstrang an einem Ende fixiert vor, so muss die DNA ein-
große Furche eng breit flach
mal um ihre Längsachse gedreht werden, um die Lösung
und tief und tief
der Wasserstoffbrücken von 10 Basenpaaren zu erreichen
kleine Furche breit eng und eng und tief (. Abb. 5.16a). Wesentlich komplizierter sind die Verhält-
und flach tief
nisse, wenn beide Enden des DNA-Doppelstrangs fixiert
150 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
b
5.3 · Aufbau der DNA
151 5
sind oder es sich um einen zirkulären Doppelstrang han-
delt (im Bild nicht dargestellt). In diesem Fall wird durch
die Öffnung der Helix um 10 Basenpaare eine Torsions-
spannung auf den verbleibenden Teil der Helix ausgeübt.
Um diese zu kompensieren, muss entweder die Zahl der
Basenpaare pro Wendelgang erhöht oder die Achse des
Doppelstrangs verdrillt werden. Im geschilderten Fall ent-
steht eine Superhelix (. Abb. 5.16b). Nach Konvention
werden Superhelices, die aufgrund der Entwindung des
Doppelstrangs entstanden sind, als negative Superhelices
bezeichnet.
Ein besonderes Problem entsteht dann, wenn eine loka-
le Entwindung des Strangs sich über einen linearen Doppel-
strang bewegt (. Abb. 5.16c). Dies ist beispielsweise bei der
Replikation aber auch bei der Transkription der Fall. In
Richtung der Bewegung des für diese Vorgänge verantwort-
lichen Proteinkomplexes kommt es zu einem »Stau« der
Helixwindungen, die positive Superhelices auslösen, hin-
ter dem für die Entwindung verantwortlichen Enzymkom-
plex oder Proteinkomplex dagegen zu einer Reduktion der
Zahl der Helixwindungen mit entsprechendem Auftreten
von negativen Superhelices.
! Topoisomerasen sind für die Entwindung superhelica-
ler Strukturen verantwortlich.
. Abb. 5.15. Ausbildung von haarnadel- bzw. kreuzförmigen Es leuchtet ein, dass die durch lokale Entwindungen aus-
Strukturen. a In einzelsträngiger DNA können selbstkomplemen- gelösten negativen und positiven Superhelices sich nicht
täre Sequenzen Haarnadelstrukturen ausbilden, b in doppelsträngi- unbegrenzt entwickeln dürfen, sondern dass die DNA über
ger DNA entstehen aus inverted repeats kreuzförmige Strukturen; Möglichkeiten verfügen muss, die Abweichungen vom nor-
N = Nucleotid
malen Windungszustand zu beheben. Die hierfür verant-
5
. Abb. 5.17. Reaktionsmechanismus der Topoisomerase I. (Einzelheiten 7 Text)
wortlichen Enzyme werden Topoisomerasen genannt, von net wird. In Anbetracht der erheblichen Konturlänge (beim
denen es zwei unterschiedliche Formen gibt: Menschen etwa 1,8 m DNA pro Zelle) muss die DNA sehr
4 Topoisomerase I: Dieses Enzym dient vor allem dazu, stark kondensiert sein. Hierfür ist ihre Assoziation mit den
negative Superhelices zu entspannen. Hierfür wird der Histonproteinen unter Bildung von Nucleosomen von be-
DNA-Doppelstrang vom Enzym gebunden. Ein Tyro- sonderer Bedeutung.
sylrest des Enzyms greift anschließend die Phospho-
! Histone sind DNA-bindende Proteine.
diesterbindung in einem der beiden Stränge an und
erzeugt auf diese Weise einen Einzelstrangbruch. Die Histone (. Tabelle 5.4) kommen in fünf unterschiedlichen
benachbarten Enden der Doppelhelix können sich nun Formen vor und zeichnen sich durch einen hohen Gehalt
bis zur Entspannung gegeneinander drehen, anschlie- an basischen Aminosäuren aus. Die Histone H2A, H2B, H3
ßend werden die Strang-Enden wieder miteinander und H4 sind besonders hoch konservierte Proteine, d.h.,
verknüpft (. Abb. 5.17) sie unterscheiden sich beim Vergleich zwischen verschie-
4 Topoisomerase II: Topoisomerasen des Typs II können denartigsten Spezies nur durch sehr wenige Aminosäuren.
Superspiralisierungen dadurch beheben, dass sie in Diese Tatsache spricht für ihre besondere Bedeutung bei
einer ATP-abhängigen Reaktion beide Stränge durch- der DNA-Kondensation im Zellkern. Das gehäufte Vor-
trennen, die DNA entspannen und anschließend wie- kommen basischer Aminosäurereste in den genannten His-
der miteinander verknüpfen tonproteinen dient der Neutralisierung des polyanionischen
DNA-Rückgrats und erleichtert so die Faltung von Nucleo-
Ein Sonderfall sind die bakteriellen Topoisomerasen II, die somen zu höheren Strukturordnungen.
auch als Gyrasen bezeichnet werden. Diese Klasse von Da inzwischen die Histonproteine ganz unterschied-
Enzymen ist imstande, unter ATP-Verbrauch negative licher Spezies kloniert und sequenziert wurden, sind
Superhelices in ringförmige DNA-Moleküle einzuführen. gesicherte Daten über ihre Raumstruktur vorhanden. Die
Ein gewisser Grad an Superspiralisierung ist nämlich bei Histone H2A, H2B, H3 und H4 zeigen einen sehr ähn-
Prokaryonten eine Voraussetzung dafür, dass Replikation lichen Aufbau. C-terminal befinden sich α-helicale Ab-
und Transkription korrekt ablaufen können. Der Grund schnitte, von denen je 3 eine Domäne bilden, die mit
hierfür ist möglicherweise, dass die Superspiralisierung DNA interagieren kann und auch als histone fold be-
die notwendige Strangtrennung erleichtert. Hemmstoffe zeichnet wird. Etwa 25% der Histonmasse wird von den
der bakteriellen Gyrase werden als Antibiotika verwendet sog. «Schwanz«-Domänen gebildet. Diese sind im N-ter-
(7 Kap. 7.2.3).
a b
. Abb. 5.18. Struktur eines Nucleosomen-Core-Partikels. a An- hellgrau. Die DNA-Superhelix ist hellblau. b Ansicht derselben Struktur
sicht entlang der Achse der DNA-Superhelix. Die histone fold-Domä- nach einer Drehung um 90° um die senkrechte Achse. (Weitere Einzel-
nen der Histone H2A, H2B, H3 und H4 sind gelb, rot, blau bzw. grün heiten 7 Text. Modifiziert nach Luger 2003)
eingefärbt, die Schwanzdomänen und andere Histonbestandteile
minalen Abschnitt aller 4 Histonproteine lokalisiert, da- Das Histon H1 nimmt nicht an der Bildung des Nucleosoms
rüber hinaus auch noch am C-Terminus des Histons teil, ist jedoch für die Stabilisierung der Nucleosomen und
H2A. Schwanz-Domänen der Histone spielen eine wich- die Aufrechterhaltungen höherer Ordnungen der Chroma-
tige Rolle bei den regulierten Änderungen der Nucleo- tinstruktur von Bedeutung. H1-Histone bilden eine Familie
somenstruktur während Replikation und Transkription von sog. linker-Histonen (engl. Verbindungs-Histone) und
(7 Kap. 8.5.1). sind mit den DNA-Zwischenstücken zwischen den Nuc-
leosomen (linker-DNA) assoziiert.
! Nucleosomen sind die unterste Organisationsebene
des Chromatins. ! Nucleosomen ordnen sich zu einer linksgängigen Helix,
der Nucleosomenfaser.
Die Erkenntnisse über den Aufbau der Histonproteine haben
zu einer molekularen Beschreibung des bereits 1974 von Wie aus . Abbildung 5.19 zu entnehmen ist, bilden Nucleo-
Roger G.R. Kornberg beschriebenen Nucleosoms geführt somen eine perlschnurartige Struktur, wobei die zwischen
(. Abb. 5.18). Nucleosomen enthalten ein aus den Histon- den einzelnen Nucleosomenpartikeln gelegene sog. Verbin-
proteinen gebildetes sog. Nucleosomencore, um welches dungs-DNA (linker-DNA) in der Regel etwa 50–60 Basen-
DNA gewunden ist: paare lang ist. Das Histon H1 verschließt gewissermaßen
4 Die Bildung eines stabilen Nucleosomencores beginnt das Nucleosom und bestimmt die Länge der Verbindungs-
mit der Heterodimerisierung der Histonproteine H3 DNA.
und H4. Zwei derartige Dimere bilden anschließend ein Bei physiologischen Salzkonzentrationen bildet die
(H3, H4)2-Tetramer Nucleosomenkette eine 30 nm dicke Faser, die dadurch ent-
4 Die Histone H2A und H2B bilden ebenfalls ein Hetero- steht, dass die Nucleosomenfaser sich spulenförmig aufwi-
dimer, welches auf beiden Seiten des (H3, H4)2-Tetra- ckelt, wobei jede Windung etwa 6 Nucleosomen enthält.
mers angelagert wird Auch dieses sog. Solenoid wird durch die H1-Moleküle
4 Das auf diese Weise gebildete Histonoctamer der Zu- stabilisiert.
sammensetzung (H2A/H2B)-(H4/H3)-(H3/H4) (H2B/ Die 30 nm-Faser faltet sich schließlich zu vielen Schlei-
H2A) bildet eine scheibchenförmige Struktur, um die fen, an deren Bildung so genannte Nicht-Histonproteine
146–147 Basenpaare DNA gewunden sind. Die DNA beteiligt sind, die insgesamt etwa 10% der Proteinmenge
bildet dabei eine flache linksgängige Superhelix mit von Chromosomen ausmachen. Über die weitere Struktur-
1,8 Windungen bildung zu den Chromosomen, die im Vergleich zur DNA-
154 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
. Abb. 5.19. Schematische Darstellung des DNA-Histon-Komplexes im Chromatin. Nucleosomen sind zur 30 nm Faser verdrillt, die ihrer-
seits intensiv gefaltet ist. (Weitere Einzelheiten 7 Text)
Doppelhelix etwa um den Faktor 8000 kondensiert sein Zellteilung gut zu beobachten sind. Ihre Zahl ist in somati-
müssen, ist so gut wie nichts bekannt. schen Zellen speziesspezifisch festgelegt. Somatische Zellen
Bei Replikation und Transkription muss die Struktur enthalten darüber hinaus normalerweise zwei Kopien jedes
der Nucleosomen aufgelöst werden (7 Kap. 7.2, 8.3). Chromosoms, Gameten jedoch nur eine, weswegen man
den somatischen Chromosomensatz als diploid, denjenigen
der Gameten als haploid bezeichnet. Humane somatische
5.3.4 Aufbau und Funktion Zellen enthalten den aus 46 Chromosomen bestehenden
der Chromosomen diploiden, humane Gameten dagegen den aus 23 Chromo-
somen bestehenden haploiden Chromosomensatz.
! Chromosomen zeigen für Mitose und Meiose spezifi-
sche Strukturen. Mitose. Bei der als Mitose bezeichneten Teilung soma-
tischer Zellen machen die Chromosomen eine Reihe
Mit der Entwicklung der modernen Genetik zu Beginn des charakteristischer Veränderungen durch (. Abb. 5.20. Vor
letzten Jahrhunderts wurde klar, dass die ursprünglich von der Mitose kommt es in der S-Phase des Zellzyklus (7 Kap.
Gregor Mendel postulierten Faktoren oder Gene auf Chro- 7.1.1) zur Verdopplung jedes einzelnen Chromosoms.
mosomen lokalisiert sind, die allerdings nur während der Die beiden entstehenden Schwesterchromosomen oder
5.3 · Aufbau der DNA
155 5
. Abb. 5.22. Phasen der Meiose. Ausgangspunkt ist eine Zelle Chromatiden statistisch verteilt, sodass vier unterschiedliche Tochter-
mit je zwei maternalen (rot) bzw. paternalen (blau) Chromosomen. zellen entstehen, die nach der zweiten meiotischen Teilung den
Nach der ersten meiotischen Teilung werden maternale und paternale haploiden Chromosomensatz erhalten. (Einzelheiten 7 Text)
5.3 · Aufbau der DNA
157 5
In Kürze
DNA zeigt folgende Strukturmerkmale: gebildet und durch die Basenpaarung von Adenin mit
4 Der DNA-Einzelstrang ist ein Polydesoxyribonucleotid Thymin sowie Guanin mit Cytosin stabilisiert
4 Sein Rückgrat wird von Desoxyribosemolekülen 4 Bei Eukaryoten liegt die DNA im Zellkern als Komplex
gebildet, die durch Phosphodiesterbindungen ver- mit Histon- und Nichthistonproteinen vor. Diese Struk-
knüpft sind tur wird als Chromatin bezeichnet
4 Jede Desoxyribose trägt in N-glycosidischer Bindung 4 Die Grundeinheit des Chromatins ist das Nucleosom,
eine der vier Basen Adenin, Guanin, Thymin oder dessen Kern ein aus den Histonproteinen H2A, H2B, H3
Cytosin und H4 gebildetes Octamer ist, um das die DNA ge-
4 DNA liegt als Doppelhelix vor. Diese Struktur wird aus wunden ist
zwei antiparallel verlaufenden DNA-Einzelsträngen
158 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
5.4 DNA als Trägerin Um die als Basensequenz auf der DNA codierte Informa-
der Erbinformation tion in Form von Proteinen zu realisieren, werden nur
Einzelteile des DNA-Strangs benötigt. Dies gilt sowohl für
4 Die Identifizierung der DNA als Trägerin genetischer die Biosynthese der verschiedenen RNA-Spezies als auch
Informationen und ihre anschließende Strukturauf- für die Proteinbiosynthese. Der erste Schritt der Umsetzung
klärung gehört zu den aufregendsten Kapiteln der Bio- der genetischen Information besteht in jedem Fall in einer
wissenschaften. Es kam zur Entwicklung der Moleku- Kopie eines entsprechenden Gens der DNA in ein RNA-
larbiologie, welche die molekulare Basis für die Genetik Molekül. Dieser Vorgang wird als Transkription bezeich-
bereitstellte. Die Verfahren der Gentechnik erweiterten net und ist in 7 Kap. 8.1 beschrieben. Die Gesamtheit der
schließlich das den genannten Fächern zur Verfügung transkribierten Gene eines Organismus wird auch als Tran-
stehende Arsenal von Methoden: Sie haben zur Auf- skriptom bezeichnet.
klärung der Struktur nicht nur einfacher bakterieller
! Durch den Vorgang der Translation wird die in der
5 Genome, sondern in jüngster Zeit auch der des kom-
messenger-RNA-Kette enthaltene Information in eine
plexesten bisher untersuchten Genoms, des menschli-
Aminosäuresequenz übersetzt.
chen Genoms, geführt
4 Für die Medizin ermöglichen sie eine große Zahl diag- Die Aufklärung des Codes, mit dem die fortlaufende Se-
nostischer Verfahren quenz der Basen auf der DNA mit der Aminosäure-Sequenz
4 Dank Molekularbiologie und Gentechnologie können eines Peptids oder Proteins verknüpft ist, gehört zu den
in einfach zu handhabenden Organismen medizinisch großen Leistungen der biochemischen Forschung.
wichtige Verbindungen wie Hormone, Wachstumsfak- Die DNA ist durch die festgelegte Sequenz der vier
toren, Antikörper etc. hergestellt werden, die für die Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin gekennzeich-
Therapie vieler Erkrankungen wichtig sind net. Nimmt man an, dass aus ihnen ein »Alphabet« mit den
4 Gentechnische Verfahren bieten die Möglichkeiten, vier Buchstaben A, T, G und C gebildet wird, so lässt sich
Pflanzen und Tiere so zu modifizieren, dass die Versor- leicht berechnen, wie viele Basen für die Festlegung einer
gung der ständig wachsenden Weltbevölkerung mit Aminosäure benötigt werden. Bausteine aller Proteine sind
Nahrungsmitteln verbessert werden kann die 20 unterschiedlichen proteinogenen Aminosäuren.
4 Die Heilung von sonst nur schwer zu behandelnden Wenn eine Folge von je 2 Basen eine Aminosäure beschrei-
Erbkrankheiten durch gentechnische Verfahren er- ben würde, so wäre der Code unvollständig, da mit ihm
scheint in naher Zukunft vorstellbar nur 42 = 16 Worte geschrieben werden könnten. In der
DNA wird also eine Sequenz von mindestens drei Basen
All diese Möglichkeiten gehen damit einher, dass das gene- benötigt, um für eine Aminosäure zu codieren. Allerdings
tische Material der verschiedensten Organismen – im Ex- können mit drei Zeichen pro Wort schon 43 = 64 Worte
tremfall auch des Menschen – gentechnisch verändert wird. geschrieben werden. Wie man heute weiß, gibt es eine Reihe
Da im Einzelfall die damit verbundenen Konsequenzen von Aminosäuren, die durch unterschiedliche Codeworte
nicht vollständig abzusehen sind, wird die Gentechnik in determiniert sind. Dieses Phänomen wird auch als Degene-
der Gesellschaft kontrovers diskutiert. ration des Codes bezeichnet (7 Kap. 9.1.2). Unter Zugrun-
delegung dieser Codierung ist es möglich, in einem Gen die
Aminosäuresequenz eines Polypeptids und in der Gesamt-
5.4.1 Die Erhaltung und Realisierung der in menge aller DNA-Moleküle eines Organismus die Sequenz
der DNA gespeicherten Information aller in ihm vorkommenden Proteine aufzuzeichnen. Die
kleinste Informationseinheit ist dann eine Sequenz aus drei
! Bei jeder Zellteilung wird das Genom vollständig ver- Basen, ein sog. Basentriplett, das auch als Codon bezeich-
doppelt. net wird.
Das in . Abb. 5.24 dargestellte zentrale Dogma der
Bei der Zellteilung und Fortpflanzung ist es von großer Be- Molekularbiologie formuliert die Beziehungen des Nu-
deutung, dass eine möglichst genaue Kopie der gesamten cleinsäurestoffwechsels zu den wesentlichen zellulären Vor-
DNA einer parentalen Zelle in den entstehenden Tochter- gängen und legt die Richtung des Informationsflusses fest.
zellen gebildet wird. Dieser Vorgang wird als Replikation Entscheidend dabei ist, dass beim Vorgang der Infor-
bezeichnet und findet bei eukaryoten Zellen während der mationsübertragung zwischen DNA und Protein nur die
S-Phase des Zellzyklus statt. Humane Zellen benötigen für Richtung von der DNA zum Protein, nicht aber die umge-
die DNA-Replikation etwa 8 Stunden. Die Einzelheiten kehrte Richtung, eingeschlagen wird. In einem Protein-
dieses Vorgangs sind in 7 Kap. 7.2 beschrieben. molekül kann also nicht die Information zur DNA-Biosyn-
these gespeichert sein. Eine Vielzahl von Beobachtungen
! Zur Expression von Genen werden diese in RNA tran- hat die Richtigkeit des zentralen Dogmas bestätigt. Aller-
skribiert. dings ist zumindest bei bestimmten Viren, den Retroviren,
5.4 · DNA als Trägerin der Erbinformation
159 5
. Abb. 5.25. Genkarte des humanen Chromosoms 21. Die je- HCHWAD hereditäre Amyloidose VIb). Weitere Angaben sind unter
weiligen Abkürzungen stehen für in der angegebenen Region lokali- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/mapview/ zu finden
sierte Krankheitsgene (z. B. AML1 akute myeloische Leukämie,
Das humane Genom umfasst ca. 3200 Megabasen (Mb). 4 Die Prä-mRNA von etwa einem Drittel aller Gene kann
Diese sind inzwischen vollständig sequenziert, sodass die alternativ gespleißt werden (7 Kap. 8.5.3). Im mensch-
Zuordnung der etwa 30000–35000 menschlichen Gene zu lichen Genom wird also die unerwartet geringe Gen-
den verschiedenen Chromosomen möglich ist. Als Beispiel zahl dadurch kompensiert, dass aus einem einzigen
hierfür ist in . Abb. 5.25 ein Teil der Genkarte eines be- Gen durch alternatives Spleißen verschiedene Proteine
sonders kleinen humanen Chromosoms, nämlich des erzeugt werden
Chromosoms 21 dargestellt. Eine Liste aller dort lokalisier-
ten Sequenzen kann im Internet unter http://www.ncbi. Die Analyse der für Proteine codierenden Gene ergibt eine
nlm.nih.gov/mapview/ (National Center for Biotechnology klare Einteilung in eine Reihe unterschiedlicher Protein-
Information, Stand Januar 2006) gefunden werden. familien (. Abb. 5.26). Etwa 40% der vorhergesagten Pro-
Erkenntnisse aus der Sequenzierung des humanen teine lassen sich allerdings bisher noch nicht zuordnen.
Genoms sind: Im Vergleich zu einfacheren Organismen finden sich beim
4 Nur etwa 1,5% des Genoms codieren für Proteine, Menschen viele regulatorische Faktoren, die an Trans-
jedoch wird wahrscheinlich mehr als das 10-fache in kription, Spleißen und mRNA-Modifikationen beteiligt
RNA transkribiert. Zum Teil handelt es sich dabei um sind.
die etwa 3000 RNA-Gene, z.T. aber auch um die etwa
! Das menschliche Genom enthält verschiedene Arten
20000 Pseudogene. Insgesamt ist die Ermittlung der
von repetitiven Sequenzen.
Genom-Transkription, also die Bestimmung des Trans-
kriptoms, noch sehr unsicher Mehr als 50% des nicht codierenden Teils des Human-
4 Die Gendichte des menschlichen Genoms liegt bei etwa genoms besteht aus Sequenzen mit einem hohen Grad an
10/106 Basen. Einfachere Organismen wie die Pflanze Wiederholungen, sog. repetitiven Sequenzen. Ein Teil von
Arabidopsis thaliana, der Fadenwurm C. elegans oder diesen wird nach seinem Auftreten bei der Dichtegradien-
die Taufliege Drosophila melanogaster enthalten dage- ten-Zentrifugation auch als Satelliten-DNA bezeichnet.
gen 100–250 Gene/106 Basen Man unterscheidet im Einzelnen:
4 Die meisten für Proteine codierenden Gene im mensch- 4 Klassische Satelliten-DNA: Repetitive Sequenzen bis
lichen Genom sind – ähnlich wie in den Genomen zu 170 bp Länge wiederholen sich in Bereichen von
anderer höherer Organismen – diskontinuierlich an- 100 kb bis zu mehreren mb
geordnet: für mRNA codierende Bereiche, sog. Exons, 4 Minisatelliten-DNA: Repetitive Sequenzen von 9–
werden durch nicht codierende Bereiche, sog. Introns 64 bp wiederholen sich in Bereichen von 0,1 bis 20 kb
unterbrochen (7 Kap. 8.3.3) 4 Mikrosatelliten-DNA: Repetitive Sequenzen von 2–
4 Ein durchschnittliches für Proteine codierendes Gen 10 bp wiederholen sich in Bereichen von <100 bp
erstreckt sich über 27 kb und enthält etwa 9 Exons. Die
codierende Sequenz besteht im Durchschnitt aus etwa Besonders die Sequenzen der Mikrosatelliten-DNA, von
1350 Basenpaaren, d.h. codiert für ein Protein mit 450 denen das menschliche Genom zwischen 50.000 und
Aminosäuren, was einer molekularen Masse von etwa 100.000 enthält, bilden ein wichtiges genetisches Mar-
50 kDa entspricht kersystem, obwohl ihre Funktion nicht bekannt ist.
5.4 · DNA als Trägerin der Erbinformation
161 5
. Abb. 5.26. Verteilung der Funktionen von 26383 für Proteine codierenden Genen des humanen Genoms. (Nach Venter et al. 2001)
Weitere repetitive DNA-Sequenzen werden als SINE Unter einem Einzelnucleotid-Polymorphismus (single
(short interspersed nuclear elements) bzw. LINE (long inters- nucleotide polymorphism, SNP) versteht man einen DNA-
persed nuclear elements) bezeichnet. Zum Teil haben sie Abschnitt, innerhalb dessen sich zwei Individuen durch
Ähnlichkeiten mit sog. Transposons (7 Lehrbücher der eine Nucleotidbase unterscheiden. SNPs machen etwa 90%
Genetik), z.T. ist ihre Funktion unbekannt. der genetischen Unterschiede zwischen Individuen aus.
Liegt ein SNP innerhalb eines klar definierten DNA-Ab-
! Einzelnucleotid-Polymorphismen sind die häufigste schnittes, so kann er als genetischer Marker dienen, dessen
DNA-Sequenzvariation des Humangenoms. Vererbung von Generation zu Generation verfolgt werden
Infobox
Geschichte eines gewaltigen Projektes Daten innerhalb 24 Stunden zugänglich zu ma-
1985 Charles De Lisi, Department of Energy, USA, chen (Bermudaprinzipien)
diskutiert die Möglichkeiten der Sequenzierung 1998 Craig Venter gründet die Firma Celera und kündigt
des menschlichen Genoms die kommerzielle Sequenzierung des mensch-
1988 James Watson gründet das Office of Human lichen Genoms nach einem einfacheren Verfahren
Genome Research, später National Center for an. Celera wird sich nicht an die Bermuda-Prinzi-
Human Genome Research und beginnt mit pien halten
der Einwerbung öffentlicher Mittel 1999– Durch internationale Kollaboration von Gruppen
1990 Man ist sich einig, dass das menschliche Ge- 2000 in den USA, Japan und Europa gelingt die voll-
nom vor der Sequenzierung kartiert werden ständige Sequenzierung der menschlichen Chro-
muss mosomen 22 und 21
1992 Francis Collins löst James Watson als Leiter 2001 Zeitgleich wird die erste Rohsequenz des
des Projektes ab. Verschiedene internationale menschlichen Genoms von der öffentlich geför-
Gruppen schließen sich an derten Gruppe in der Zeitschrift Nature und von
1997 Die internationalen Partner des Genomprojektes Craig Venter, Celera, in der Zeitschrift Science
einigen sich während einer Tagung in Bermuda veröffentlicht, die etwa 90% des Genoms umfasst
über die Bedingungen des öffentlichen Zugangs 2003 Abschluss der Sequenzierung des humanen Ge-
zu den Sequenzdaten und verpflichten sich, noms
162 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
kann. Man kennt inzwischen mehrere Millionen SNPs, von gionen, so können sie Unterschiede in der Proteinexpres-
denen einige 10000 in codierenden Regionen liegen. Sie sion hervorrufen. Zurzeit wird intensiv versucht, anhand
können, müssen aber nicht Aminosäuresubstitutionen ver- derartiger Phänomene die individuelle Anfälligkeit für be-
ursachen. Liegen SNPs innerhalb von regulatorischen Re- stimmte Erkrankungen zu analysieren.
In Kürze
Auf dem DNA-Doppelstrang sind die Gene in linearer Reihe von Organismen einschließlich des Menschen voll-
Sequenz lokalisiert. Während Bakterien über ein einziges ständig zu analysieren. Als wichtiger Befund hat sich dabei
ringförmiges DNA-Molekül verfügen, sind die DNA-Mole- ergeben, dass keine direkte Beziehung zwischen der Kom-
küle eukaryoter Organismen auf die für jeden Organismus plexität eines Organismus und der Zahl seiner Gene
in charakteristischer Zahl vorliegenden Chromosomen besteht. Nur weniger als 2% des menschlichen Genoms
verteilt, die allerdings erst während der Mitose sichtbar codieren für Proteine, der Rest sind nicht codierende Se-
5 werden. Somatische Zellen von Wirbeltieren enthalten quenzen, zu mehr als 50% repetitive Sequenzen.
einen diploiden, Gameten dagegen nur einen haploiden Die gesamte DNA einer Zelle macht deren Genom
Chromosomensatz. aus, die Menge der in RNA transkribierten Gene das Trans-
Durch die Fortschritte der molekularbiologischen kriptom und die Menge der in Proteine translatierten
Verfahren ist es inzwischen gelungen, die Genome einer Gene das Proteom.
5.5 Struktur und biologische nes Poly-A-Endes beinhalten, sondern auch die Entfernung
Bedeutung der RNA der Introns, die nicht für Proteine codieren (7 Kap. 8.3.3).
Zellen enthalten wesentlich mehr RNA als DNA, außerdem Nichtcodierende RNA mit strukturell/katalytischen Funk-
sind die Funktionen der RNA wesentlich vielfältiger als die tionen. Diese umfangreiche, nicht für Proteine codierende
der DNA: Gruppe von RNA-Molekülen (noncoding RNA, ncRNA)
4 Aufgrund ihrer Fähigkeit zur spezifischen Basenpaa- nimmt entweder als struktureller Bestandteil oder als Kata-
rung nimmt RNA an der Codierung und Decodierung lysator an verschiedenen Aspekten der Genexpression teil:
genetischer Information teil und ist damit ein essentiel- 4 Transfer-RNAs (tRNAs) dienen nach Beladung mit
ler Bestandteil der Transkriptions- und Translations- der jeweiligen Aminosäure als Adaptermolekül für die
maschinerie Proteinbiosynthese (7 Kap. 9.1.3). Da in Proteinen ins-
4 Im Gegensatz zur DNA verfügen RNA-Moleküle über gesamt 20 unterschiedliche Aminosäuren vorkommen
wichtige strukturgebende Eigenschaften und sind Be- können, muss die Minimalausstattung einer Zelle aus
standteile der Ribosomen, der Telomerase oder des wenigstens 20 tRNA-Molekülen bestehen. In Wirklich-
signal recognition particle (SRP) (7 Kap. 6.2.11, 9.2.2) keit liegt diese Zahl aber höher, da für die einzelnen
4 RNA-Moleküle dienen als Katalysatoren. Sie knüpfen Aminosäuren eine unterschiedliche Zahl von Codons
die Peptidbindung bei der ribosomalen Proteinbio- (Degeneration des genetischen Codes) vorkommt. Allen
synthese, und sind am Vorgang des Spleißens der Prä- tRNA-Molekülen liegt ein gemeinsamer Bauplan zu-
mRNA sowie der Prä-tRNA beteiligt grunde. Sie bestehen aus je 65–110 Nucleotiden. Unter
4 Eine Erkenntnis der letzten Jahre ist schließlich, dass der Annahme, dass die maximal möglichen Basen-
RNA-Moleküle eine große Zahl regulatorischer Aufga- paarungen innerhalb eines einkettigen tRNA-Moleküls
ben wahrnehmen, die sich auf alle Aspekte der Genex- stattfinden, ergibt sich eine kleeblattförmige Struktur
pression erstrecken (. Abb. 5.27). Aus Röntgenstrukturanalysen weiß man
allerdings, dass die verschiedenen Schleifen sehr eng
. Tabelle 5.6 zeigt eine Einteilung der RNA-Moleküle anliegen, sodass sich insgesamt das Bild eines L-för-
nach funktionellen Gesichtspunkten. Dabei wird zunächst migen Stäbchens ergibt (7 Abb. 9.6 in Kap. 9.1.3)
zwischen codierender und nichtcodierender RNA unter- 4 Ribosomale RNA (rRNA) kommt in verschiedenen
schieden. Fraktionen mit Sedimentationskoeffizienten zwischen
5 und 28 S und entsprechend unterschiedlichen Mole-
Codierende RNA. Messenger-RNAs (mRNA) dienen als kulargewichten vor. Sie ist ein integrierender Bestand-
Matrize bei der Proteinbiosynthese. Sie entstehen aus den teil der Ribosomen und katalysieren bei der ribosoma-
Prä-mRNAs, den primären Transkripten der für Proteine len Proteinbiosynthese die Knüpfung der Peptidbin-
codierenden Gene (beim Menschen ca. 30.000–35.000). Die dung (7 Kap. 9.1.4 ). . Abbildung 5.28 zeigt als Beispiel
einzelnen Schritte dieser Reaktionsfolge sind komplex, da die vollständige Basensequenz der 5 S rRNA der Ribo-
sie nicht nur die Anheftung einer Kappen-Gruppe und ei- somen menschlicher Zellen. Man erkennt, dass es sich
5.5 · Struktur und biologische Bedeutung der RNA
163 5
5
. Abb. 5.28. 5S rRNA menschlicher Zellen
hier um ein stäbchenförmiges Gebilde mit insgesamt Vielzahl von regulatorischen Funktionen im gesamten Be-
4 Schleifen handelt, wobei ein beträchtlicher Teil der reich der Genexpression haben können, ist neu. Aus der stän-
Basen in gepaarter Form vorliegt dig wachsenden Zahl derartiger regulatorischer ncRNAs
4 Small nuclear RNAs (snRNA) sind eine Klasse kleiner sollen stellvertretend vier Gruppen besprochen werden:
RNA-Moleküle aus je einigen hundert Nucleotiden), die 4 Mikro-RNA (miRNA) sowie small interfering RNA
sich im Zellkern befinden. Sie sind an den verschiedens- (siRNA) sind kleine, aus 20–30 Nucleotiden bestehende
ten Vorgängen beteiligt, vor allem am Spleißen der Prä- RNA-Moleküle, die aus größeren Vorläufern geschnit-
mRNA (7 Kap. 8.3.3). Sie sind immer mit Proteinen, zu ten werden. Sie dienen der Regulation der mRNA-Sta-
small nuclear ribonucleoproteins (snRNP’s) assoziiert bilität bzw. der Hemmung der Translation (7 Kap. 8.5.5)
4 Small nucleolar RNAs (snoRNA) sind eine Klasse 4 Natürliche antisense-Transkripte (NAT’s) sind Trans-
kleiner RNA-Moleküle, die im Nucleolus lokalisiert kripte von proteincodierenden Genen, die in antisense-
sind. Zusammen mit Proteinen sind sie an der Modi- Richtung synthetisiert wurden. Bisher sind im mensch-
fikation von RNA-Molekülen beteiligt. Hierzu gehört lichen Genom einige tausend derartiger Transkripte
die 2c-O-Methylierung von Riboseresten oder die Ein- nachgewiesen worden. Man geht davon aus, dass sie
fügung von Pseudouridinen die Genexpression der entsprechenden Gene regulieren
4 Die Ribonuclease P-RNA sowie die Telomerase-RNA können
dienen katalytischen Zwecken bei der Reifung der 4 Xist-RNA wird benötigt, um bei weiblichen Individuen
rRNA sowie der Verlängerung der Telomeren-DNA eines der beiden X-Chromosome zu inaktivieren
(7 Kap. 7.2.3)
Neben diesen im Zellkern codierten RNA-Spezies findet
Nicht codierende RNA mit regulatorischen Funktionen. sich in geringen Mengen noch mitochondriale mRNA,
Die Erkenntnis, dass nicht codierende RNA-Moleküle eine rRNA und tRNA.
In Kürze
Zur Expression der auf der DNA codierten Information ist merase. Die SRP-RNA ist am intrazellulären Protein-
deren Transkription notwendig. Die dabei entstehende transport beteiligt
RNA wird in verschiedene Klassen eingeteilt: 4 Nicht codierende RNAs mit regulatorischen Funk-
4 mRNA entsteht aus den als Prä-mRNA bezeichneten tionen. Eine große Zahl nicht codierender RNAs hat
Transkripten der proteincodierenden Gene und dient regulatorische Funktionen. miRNA und siRNA sind
als Matrize bei der Proteinbiosynthese kleine RNAs, die den Abbau von mRNA regulieren
4 Nicht codierende RNAs mit strukturellen/kata- sowie die Translation hemmen können. Antisense-
lytischen Funktionen. Zu ihnen gehören v.a. die Transkripte von proteincodierenden Genen sind
als Adapter der Proteinbiosynthese dienende tRNA große RNA-Transkripte, die für die Regulation der Gen-
sowie die ribosomale RNA. snRNA sowie snoRNA expression benötigt werden. Darüber hinaus gibt es
haben katalytische Funktionen beim Spleißvorgang weitere große regulatorische RNAs, z.B. für die Inakti-
sowie der RNA-Modifikation. Ebenfalls katalytisch vierung von X-Chromosomen
aktiv ist die RNA der Ribonuclease P sowie der Telo-
5.6 · Chemische und physikalische Eigenschaften von Nucleinsäuren
165 5
5.6 Chemische und physikalische Benötigt man reine DNA, so wird die Kontamination
Eigenschaften von Nucleinsäuren mit RNA durch Behandlung mit RNasen entfernt, benötigt
man dagegen reine RNA, wird die Probe mit DNasen be-
5.6.1 Reinigung und Charakterisierung handelt.
von Nucleinsäuren
! Für ihre Charakterisierung müssen Nucleinsäuren nach
ihrer Größe aufgetrennt werden.
! Nucleinsäuren müssen in hochreiner Form aus Zellen
extrahiert werden. Die Auftrennung von Nucleinsäuren entsprechend ihrer
Größe erfolgt durch Elektrophorese in plattenförmigen
Nucleinsäuren liegen immer als Komplexe mit Proteinen Agarosegelen. Hierbei ist die elektrophoretische Mobilität
vor. Die Abtrennung von den Proteinen kann durch Ex- umgekehrt proportional zur molaren Masse der Nuclein-
traktion mit einer Phenol-Lösung erreicht werden, wobei säuren. Das Prinzip des Verfahrens ist in . Abbildung 5.29a,b
die Proteine ausfallen und durch Zentrifugation entfernt dargestellt.
werden können. Alternativ können Nucleinsäuren von Die einzelnen DNA-Banden können im Gel durch aro-
Proteinen auch durch Detergenzien wie Guanidinium- matische Kationen wie z.B. Ethidiumbromid (. Abb. 5.29c)
Hydrochlorid oder Salze in hohen Konzentrationen ab- angefärbt werden.
getrennt werden. In allen Fällen werden die Nuclein-
! Nucleinsäuren können denaturiert und renaturiert
säuren anschließend durch Ausfällen mit Ethanol iso-
werden.
liert. Alternativ lassen sich die Proteine auch enzyma-
tisch mit Hilfe von Proteasen von den Nucleinsäuren Für ihre Rolle bei der Speicherung der genetischen Infor-
abtrennen. mation muss die DNA eine große Stabilität aufweisen, die
Gereinigte DNA und RNA müssen wegen des ubiqui- u.a. durch die Basenpaarungen in der Doppelhelix zustande
tären Vorkommens vor DNasen und RNasen vor uner- kommt. Auch bei der RNA-Struktur spielen Basenpaarun-
wünschtem Abbau geschützt werden. Daher werden die für gen, allerdings innerhalb eines Einzelstrangs, eine wichtige
die Handhabung der Nucleinsäuren benötigten Gefäße mit Rolle. Andererseits sind strukturelle Veränderungen der
Chemikalien wie DEPC (Diethylpyrocarbonat) behandelt DNA und RNA für die Erhaltung und Weitergabe der gene-
und autoklaviert, um so die DNasen und RNasen zu inak- tischen Information dringend erforderlich. Hierzu zählt die
tivieren. Trennung der DNA-Doppelstränge in Einzelstränge.
. Abb. 5.32. Experimentelles Vorgehen bei der Herstellung und riert. Der Nachweis einer gesuchten DNA-Sequenz (rot) wird durch
Entwicklung eines Southern-Blot. Ein DNA-Gemisch wird durch Hybridisierung in einer Lösung durchgeführt, die eine komplementäre
Agarose-Gelelektrophorese aufgetrennt. Das Agarosegel wird danach Sequenz als markierte Sonde enthält. Das dadurch entstehende Hybrid
in Natronlauge gewaschen und die DNA auf Nitrocellulose transfe- kann anhand der spezifischen Markierung nachgewiesen werden
liche Sequenzen in zwei unterschiedlichen Spezies oder in Sonde an die gesuchten Sequenzen auf der Nitrozel-
Geweben der gleichen Spezies aufzuspüren. Die reversible ulose binden und lässt sich dann anhand ihrer spezi-
Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen komple- fischen Markierung leicht nachweisen. Sehr häufig
mentären DNA- oder RNA-Abschnitten, die Hybridisie- verwendet man als Sonde DNA-Moleküle, in die das
rung, spielt in der modernen Molekularbiologie und damit radioaktive Isotop 32P eingebaut ist. Nicht-radioaktive
in der Diagnostik von Erkrankungen, aber auch in der Verfahren beruhen auf der Markierung mit verschie-
forensischen Medizin eine ganz wichtige Rolle. denen Chromophoren
Die Identifizierung einer bestimmten DNA-Sequenz
oder eines bestimmten Gens unter vielen anderen Sequen- Die für die oben beschriebene Hybridisierung verwen-
zen ist dann möglich, wenn man über eine komplementäre deten Sonden können Isolate aus entsprechenden Gen-
DNA-Sequenz verfügt, die für diese Zwecke speziell mar- banken (7 Kap. 7.4.3) sein. Ein sehr erfolgreiches Verfahren
kiert wurde. Dabei kann diese Sequenz aus einer anderen zur Herstellung spezifischer Sonden ist schließlich die
Spezies stammen oder auch für diese speziellen Zwecke im Verstärkung der gewünschten DNA-Abschnitte aus bio-
Labor synthetisch hergestellt werden. Die Identifizierung logischem Material durch die Polymerase-Kettenreaktion
einer DNA mit einer DNA-Sonde wird nach Edwin (PCR, 7 Kap. 7.4.3). Schließlich ist es auch möglich, che-
Southern auch als Southern-Blot bezeichnet. Das Verfah- misch synthetisierte Oligonucleotide einzusetzen, die auto-
ren ist schematisch in . Abb. 5.32 dargestellt und umfasst matisiert hergestellt werden.
folgende Schritte: Die Hybridisierungstechnik kann auch dazu benutzt
4 Die nach erfolgter Elektrophorese im Agarosegel be- werden, um RNA-Moleküle zu identifizieren. Eine solche
findliche DNA wird mit Natronlauge denaturiert Variante wird als Northern-Blot bezeichnet.
4 Anschließend wird das Gel mit einem Blatt Nitrozel-
! Nucleasen sind Nucleinsäure-abbauende Enzyme.
lulosefolie bedeckt und mit einem Gewicht beschwert.
Dadurch wird die Flüssigkeit aus dem Agarosegel zu- Enzyme, die Nucleinsäuren abbauen, sind Phosphodies-
sammen mit der DNA durch die Nitrozellulose gepresst. terasen, da sie die Phosphodiesterbindungen zwischen
Auf diese Weise entsteht ein naturgetreuer Abklatsch zwei Nucleotiden spalten. Man bezeichnet diese Enzyme
(blot) des Agarosegels auf der Nitrozellulose. Die nun auch als Nucleasen oder wenn sie für DNA spezifisch
einzelsträngige DNA ist auf der Nitrozellulose fest sind, als DNasen, wenn sie für RNA spezifisch sind als
fixiert und lässt sich auch durch Waschen mit verschie- RNasen.
denen Puffern nicht mehr ablösen Nucleasen werden in Endonucleasen und Exonuclea-
4 Zum Auffinden einer spezifischen Sequenz der zu sen eingeteilt (. Abb. 5.33):
untersuchenden DNA wird die Nitrozellulose in einer 4 Endonucleasen können die Nucleinsäure an jeder be-
Lösung inkubiert, die als Sonde eine markierte einzel- liebigen Stelle in kleinere Bruchstücke spalten
strängige DNA (oder RNA) mit der komplementären 4 Exonucleasen bauen die Nucleinsäure von einem Ende
Sequenz zur gesuchten DNA enthält. Wenn die für die des Moleküls her ab. Sie unterscheiden sich in ihrer
Hybridisierung notwendige Renaturierungstemperatur Spezifität, indem sie die Nucleotide entweder in 5c-3c-
mehrere Stunden eingehalten wird, kann die markierte oder nur in 3c-5c- Richtung abspalten
168 Kapitel 5 · Nucleotide und Nucleinsäuren
Je nachdem ob eine Nuclease proximal (p) oder distal (d) Eine besondere Bedeutung als Werkzeuge im Rahmen der
zu dem Nucleotid spaltet, welches an der 3c-Position der Gentechnologie haben die sog. Restriktionsendonucleasen
attackierten Bindung lokalisiert ist, unterscheidet man erlangt, die nur bei Bakterien vorkommen. Bakterien schüt-
Nucleasen des p- bzw. d-Typs. Beim d-Typ entstehen Nu- zen sich mit Hilfe dieser Enzyme vor dem Eindringen frem-
cleotide mit einem 3c-Phosphatende, beim p-Typ solche mit der DNA. Ihre eigene DNA wird nämlich mit Hilfe einer
einem 5c-Phosphatende. Reihe spezifischer Methylasen durch Anheftung von Me-
Nucleasen werden bei der Verdauung der Nahrungs- thylgruppen modifiziert. Fremde, in die Bakterienzellen
Nucleinsäuren im Intestinaltrakt benötigt, aber auch für eingedrungene DNA (z.B. durch Viren) unterliegt dieser
den Abbau intrazellulärer Nucleinsäuren. Sie spielen ferner Modifikation nicht und wird infolgedessen durch die von
eine wichtige Rolle bei der Apoptose, dem programmierten bakteriellen Zellen gebildeten Restriktionsendonucleasen
Zelltod, bei dem massiv DNA abgebaut wird. abgebaut.
Der Verdau von DNA mit Endonucleasen kann für die Restriktionsendonucleasen sind für die Gentechnologie
Isolierung und Identifizierung derjenigen DNA-Sequenzen besonders interessant, weil sie innerhalb einer Sequenz von
verwendet werden, an die spezifische DNA-bindende 4 bis 8 Nucleotiden hochspezifisch schneiden. Oft handelt
P P
5.6 · Chemische und physikalische Eigenschaften von Nucleinsäuren
169 5
. Abb. 5.37. Restriktionskarte des Simian Virus 40 (SV40). Der Schnittstelle von EcoRI (12 Uhr). In den anderen Ringen sind, der
innerste Ring zeigt die Schnittstellen von Restriktionsendonucleasen, Größe nach alphabetisch geordnet, die Schnittstellen anderer Restrik-
die das Genom nur an einer Stelle schneiden. Bezugspunkt ist die tionsendonucleasen dargestellt. (Nach Nathans D 1979)
zu lokalisieren, aber auch um nützliche Informationen zur 4 Der zu sequenzierende DNA-Abschnitt wird an seinem
Sequenzierung kompletter Genome zu erhalten. 3c-Ende mit einer komplementären DNA-Matrize,
einem sog. Primer, hybridisiert. Dieser sollte eine Länge
von 15–20 Basen haben
5.6.2 Sequenzierung von DNA 4 Mit Hilfe der DNA-Polymerase I (7 Kap. 7.2.3) wird an
den Primer ein zum sequenzierenden DNA-Abschnitt
! Basensequenzen der DNA werden mit Hilfe der Ketten- komplementärer Strang synthetisiert. Hierzu werden
abbruchmethode bestimmt. die vier benötigten Basen als Desoxyribonucleosidtri-
phosphate zugesetzt
Für die Sequenzaufklärung auch sehr großer DNA- 4 Ein sequenzspezifischer Kettenabbruch wird dadurch
Stücke wurde durch Alan Maxam und Walter Gilbert erzwungen, dass der Sequenzierungsansatz in vier
ein chemisches und durch Frederick Sanger ein enzyma- gleiche Teile geteilt wird und in jeden Ansatz eine ge-
tisches Verfahren eingeführt. Das enzymatischer Verfah- ringe Menge eines entsprechenden 2c,3c-Didesoxyribo-
ren hat sich inzwischen durchgesetzt und kann automa- nucleosidtriphosphats gegeben wird . Abb. 5.39. Wird
tisiert werden, weswegen auch sehr große Genome wie das dieses Nucleotid anstelle des normalen Nucleotids in
menschliche in relativ kurzer Zeit sequenziert werden die wachsende Polynucleotidkette eingebaut, so wird
konnte. das Kettenwachstum beendet, da keine freie 3c-OH-
Die DNA-Sequenzierung nach der von Frederick Sanger Gruppe für die Polymerisierung mehr vorhanden ist
entwickelten enzymatischen Kettenabbruchmethode um- 4 Ist die Menge an Didesoxyribonucleosidtriphosphat
fasst folgende Schritte (. Abb. 5.38): gering genug, so entsteht ein ganzer Satz verkürzter Ket-
5.6 · Chemische und physikalische Eigenschaften von Nucleinsäuren
171 5
In Kürze
Für die Molekularbiologie und Gentechnik stellt die
Entwicklung geeigneter Methoden zur Reindarstellung
von DNA- und RNA-Molekülen eine ganz wesentliche
Voraussetzung dar. Nucleinsäuremoleküle können durch
entsprechende Nucleasen in Bruchstücke fragmentiert
werden, wobei für die DNA besonders die Spaltung mit
Restriktionsendonucleasen von großer Bedeutung ist, da
hierbei Enden mit definierter Basensequenz entstehen.
Fragmente von Nucleinsäuren können elektrophoretisch
mit Hilfe der Agarose-Gelelektrophorese entsprechend
ihrer Größe aufgetrennt werden. Mit Hilfe von markier-
5 ten Sonden gelingt durch Hybridisierung die Lokalisa-
tion spezifischer Basensequenzen in diesen Fragmenten.
Die hierfür gängigsten Verfahren sind der Southern-Blot
und der Northern-Blot. Von besonderer Bedeutung sind
Verfahren zur DNA-Sequenzierung. Bei der heute allge-
mein üblichen Kettenabbruchmethode wird mit Hilfe
der DNA-Polymerase eine Replikation des zu sequenzie-
renden DNA-Stückes durchgeführt, wobei durch Zugabe
von Didesoxynucleosidtriphosphaten sequenzspezifi-
sche Bruchstücke erzeugt werden.
Literatur
Monographien und Lehrbücher
Lewin B (2002) Molekularbiologie der Gene. Spektrum, Heidelberg,
Berlin
Singer M, Berg P (1992) Gene and Genome. Spektrum, Heidelberg
Watson JD, Baker TA, Bell SP, Gann A, Levine M, Losick R (2004) Molecular
Biology of the Gene, 5th ed, Benjamin Cummings, USA