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In diesem Essay soll der Begriff des Rhizoms skizziert werden, wie er von den Gilles Deleuze und

Felix Guattari in ihrem Buch Tausend Plateaus entwickelt wurde. Aufgrund des begrenzten
Rahmens kann dies selbstverständlich nur oberflächlich und schemenhaft geschehen. Ich werde
zu diesem Zweck zuerst einige allgemeine Bestimmungen vornehmen, um dann kurz auf die
Linien des Rhizoms zu sprechen zu kommen. Schließen werde ich mit einer Darstellung von fünf
Rhizom-Prinzipien, wie sie von den beiden Autoren umrissen werden.

Das Rhizom ist ein System aus verschiedenartigen Linien, welches kein bestimmendes Zentrum
hat, in sich keine Hierarchie einschließt, durch die prozessierende Veränderung seiner Zustände
bestimmt ist, und in dem keine Subjekt-Objekt-Trennung vorherrscht. Die Zustände des Rhizoms
ihrerseits sind bestimmt durch die Art der in ihm enthaltenen Linien, welche nicht feststehenden
Punkten zugeordnet werden können, sondern lediglich bestimmten anderen Linien, auf welche
diese Linien verweisen. In einem Rhizom existieren also keine Positionen, es bestehen lediglich
Relationen.1 Diese Relationen bzw. Linien werden durch Entitäten konstituiert, welche ihrerseits
wieder als Linien zum Rhizom gehören, wie das folgende Zitat zeigt „Man kann mit Ameisen
nicht fertigwerden, weil sie ein Tier-Rhizom bilden[…].“2 Unter den Linien des Rhizoms sind
auch solche, welche speziellen Funktionen erfüllen, wie die Segmentierungs- oder die
Deterritorialisierungslinien. Segmentierungslinien sind dabei solche, welche das Teile des
Rhizoms strukturieren, indem sie es „stratifizieren, territorialisieren, organisieren, bezeichnen
etc.“3 Deterritorialisierungslinien ermöglichen hingegen einen Ausbruch aus diesen
ordnungsschaffenden Prozessen und schaffen Verweisungsmöglichkeiten auf andere Rhizome. 4
Diese Verweisungsmöglichkeit stellt zudem eine weitere wichtige Eigenschaft eines Rhizoms dar,
wie der folgende Ausschnitt darstellt: “Es ist vielleicht eine der wichtigsten Eigenschaften des
Rhizoms vielfältige Zugangsmöglichkeiten zu bieten.“

Es gibt sechs für Rhizome maßgebliche Prinzipien: Erstens, das Prinzip der Konnexion. Jede Linie
in einem Rhizom kann mit jeder anderen Linie verbunden werden und wird es auch sein. Zweitens,
das Prinzip der Heterogenität. Da jede Linie in einem Rhizom mit jeder anderen Linie verbunden
werden kann, und Linien verschiedener Art in einem Rhizom existieren, können Linien äußerst
verschiedener Art in einem Rhizom verbunden werden. Die Heterogenität der Linien reicht dabei
von unterschiedlichen Zeichensystemen zu unterschiedlichen Sachverhalten so, dass
verschiedenste Entitäten in einem Rhizom miteinander verknüpft sein können.5 Drittens besteht

1
Deleuze, Guattari 1992: 18, 36
2
Deleuze, Guattari 1992: 19
3
Deleuze, Guattari 1992: 19
4
Deleuze, Guattari 1992: 19, 24.
5
Deleuze, Guattari 1992: 16
für Rhizome das Prinzip der Mannigfaltigkeit. „Eine Mannigfaltigkeit hat weder Subjekt noch
Objekt, sondern nur Bestimmungen, Größen, Dimensionen, die nicht wachsen, ohne dass sie sich
dabei verändert.“ Die Vielheit der Linien in einem Rhizom bilden Mannigfaltigkeiten, welche auf
einer Konsistenzebene liegen, und durch ihre fehlende Einheit keine Trennung zwischen Subjekt
und Objekt zulassen. Da die Einheit immer in einer leeren Dimension operiert, welche zu dem
jeweiligen System hinzugefügt wird, füllt eine Mannigfaltigkeit alle ihre Dimensionen aus, und ist
deshalb flach.6 Das vierte Prinzip ist das des asignifikanten Bruchs. „Ein Rhizom kann an jeder
Stelle unterbrochen oder zerrissen werden, es setzt sich an seinen eigenen oder an anderen Linien
weiter fort.“ Ein Rhizom zeigt sich also resilient gegenüber Einschnitten und starken
Veränderungen, und integriert diese eher in sein eigenes Werden. 7 Fünftens besteht in einem
Rhizom das Prinzip der Kartographie. Ein Rhizom ist eine Karte, da eine Karte ein Konstruktion
darstellt und nicht wieder lediglich eine Reproduktion von bereits bestehendem. Durch eine Karte
werden neue Verweisungsmöglichkeiten geschaffen, welche sich wiederum als rhizomatisch
darstellen.8

6
Deleuze, Guattari 1992: 17ff.
7
Deleuze, Guattari 1992: 19
8
Deleuze, Guattari 1992: 23ff.

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