Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Valide Leistungstests
in der Pflegeausbildung
„Methodenkoffer Pflegebildung“ (1): Einführung Die Konstruktion von
aussagekräftigen Lernzielerfolgskontrollen bzw. Leistungstests ist für Pflege-
pädagogen ein zentraler Aufgabenbereich und vor allem für Berufsanfänger in
der Pflegebildung eine große Herausforderung. Wie erstellt man valide Leis-
tungstests? Diese Artikelserie greift verschiedene methodische Ansätze aus der
Statistik auf, die wir Ihnen hier und den folgenden Ausgaben vorstellen.
Thomas Knappich
I
n der pflegebildungswissenschaftlichen Literatur finden sich ei- (...). Kompetenzorientiert formulierte Lernziele unterstützen die
nige Ansätze, wie Leistungstests inhaltlich, also in Bezug auf [Auszubildenden] dabei, ihr eigenes Lernen zu bewerten und da-
das Strukturmodell, erarbeitet und ausgewertet werden können mit Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.“ (Cur-
(Schendel 2006; Schewior-Popp 2005). Allen Ansätzen gleich ist, sio & Jahn 2013, S. 1)
dass nicht beschrieben ist, wie die Konstruktvalidität eines Leis- Kompetenzorientierte Lernziele dienen aber nicht nur den Aus-
tungstests statistisch überprüft werden kann – es fehlen Hand- zubildenden als Orientierung, um ihren eigenen Lernstand einzu-
lungsempfehlungen zur Überprüfung des Messmodells, welches schätzen, sondern auch den Lehrenden, um die individuellen Kom-
angenommen wird, um das zugrundeliegende Konstrukt (Struk- petenzniveaus der Auszubildenden abzubilden. Für die Dimension
turmodell) zu erfassen. Im Rahmen der Konstruktion eines Leis- der Fachkompetenz bedienen sich Lehrpersonen hierfür oftmals
tungstests muss also die Frage beantwortet werden, ob das gewähl- an standardisierten Klausuren beziehungsweise Leistungstests.
te Messmodell meine Daten adäquat abbildet. Oder anders formu- Standardisierte Leistungstests eignen sich gut, um Aussagen zu in-
sen als nächstes adäquate Lernziele formuliert und mit Hilfe von
Abb. 1: Diese Gütekriterien muss ein wissenschaftlich fundierter Leis- validen Instrumenten zur Überprüfung des individuellen Lerner-
tungs- und Kompetenztest erfüllen (nach Moosbrugger & Kelava 2012) folges, wie Klausuren und Leistungstests, evaluiert werden.
Für die Systematisierung von kompetenzorientierten Lernzie-
Validität len existieren unterschiedliche Modelle. Die bekanntesten sind die
von Bloom (1976) und Anderson und Krathwohl (2001) (vgl. Cur-
sio & Jahn 2013, S. 4). Nach Cursio und Jahn sind Lernziele opera-
Reliabilität Skalierung tionalisierte Kompetenzen mit einer Inhalts- und Handlungskom-
petente, die in einem Lehr-Lern-Kontext angestrebt werden. Die
Inhaltskomponente wird mit einem Substantiv beschrieben und
gibt den fachlichen Inhalt wieder. Die Handlungskomponente wird
Normierung
Objektivität mit einem Verb benannt und zeigt auf, was der Auszubildende mit
(Eichung)
dem Inhalt machen soll (ebd., S. 3). Denn eine „Kompetenz lässt
sich nur an den Handlungen ablesen, die die betreffende Person
ausführt. Ein Lernziel muss daher konkret, handlungsbezogen und
Fairness Testökonomie überprüfbar formuliert werden.“ (ebd., S. 3). Tabelle 1 (e-only auf
springerpflege.de und im eMag) stellt im Überblick die Taxono-
miestufen nach Bloom für den kognitiven Bereich dar.
Unverfälsch-
Nützlichkeit Qualitätskriterien für die Erstellung von Leistungstests
barkeit
Die Erstellung einer Klausur oder eines Leistungs- bzw. Kompe-
Zumutbarkeit tenztests in der Pflegebildung sollte sich an den Qualitätsstandards
für Kompetenztests orientieren (vgl. Döring 2016, Bühner 2011, Eid
& Schmidt 2014, Moosbrugger & Kelava 2012a). Die Qualitätsan-
forderungen an einen Test, welcher unter anderem theoretische
Konstrukte erfassen soll, umfassen mehrere Gütekriterien (Abb. 1).
SERIE „METHODENKOFFER“ Ein Test muss diesen Gütekriterien Rechnung tragen, „um wissen-
schaftlichen Ansprüchen zu genügen“ (vgl. Moosbrugger & Kelava
PFLEGEBILDUNG
2012a, S. 2 f.). Von besonderer Bedeutung sind die drei Testgütekri-
In diesem und zwei weiteren Heften stellen wir Ihnen terien: Objektivität, Reliabilität und Validität.
Instrumente zur Erstellung von Leistungstests vor:
Objektivität: „Ein Test ist dann objektiv, wenn er dasjenige Merk-
mal, das er misst, unabhängig von Testleiter und Testauswerter
__ Einführung Instrumentenentwicklung
misst. Außerdem müssen klare und anwenderunabhängige Regeln
__ Statistische Verfahren 1: Facettentheorie für die Ergebnisinterpretation vorliegen“ (Moosbrugger & Kelava
(anhand eines Beispiels erläutert) 2012b, S. 8).
__ Statistische Verfahren 2: Multidimensionale Skalierung
(anhand eines Beispiels erläutert) Reliabilität: Moosbrugger und Kelava sprechen bei dem Begriff Re-
liabilität auch von der „Messgenauigkeit des Tests“ (ebd., S. 11). Ein
Test ist reliabel – also zuverlässig –, „wenn er das Merkmal, das er
dividuellen kognitiven Leistungsdispositionen zu treffen, sofern misst, exakt, d. h. ohne Messfehler, misst.“ (ebd., S. 11) Schermel-
diese auf einem fundierten Kompetenzstrukturmodell basieren leh-Engel und Werner verstehen unter Reliabilität „die Genauigkeit
und wissenschaftlichen Testgütekriterien entsprechen (vgl. Knap- einer Messung … Ein Testverfahren ist perfekt reliabel, wenn die
pich 2018c). Kompetenzmodelle sind hilfreich, um den abstrakten damit erhaltenen Testwerte frei von zufälligen Messfehlern sind.
Begriff der Handlungskompetenz genauer strukturieren und ope- Das Testverfahren ist umso weniger reliabel, je größer die Einflüs-
rationalisieren zu können (vgl. Cursio & Jahn 2013, S. 2). Als Bei- se von zufälligen Messfehlern sind“ (Schermelleh & Werner 2012,
spiele sind hier das Modell des Deutschen Qualifikationsrahmens S. 120). Im Zusammenhang mit der Reliabilität eines Tests stellt die
für lebenslanges Lernen (Arbeitskreis Deutscher Qualifikations- Objektivität eine Voraussetzung für die Reliabilität dar. Die Relia-
rahmen 2011) und der Qualifikationsrahmen für Deutsche Hoch- bilität hingegen ist Voraussetzung für die Validität eines Tests (vgl.
schulabschlüsse (KMK 2005) zu erwähnen. Angelehnt an diese Mo- ebd., S. 120).
delle wird unter Fachkompetenz die Fähigkeit und Bereitschaft ver-
standen, berufsbezogene Aufgaben- und Problemstellungen eigen- Validität: Im Rahmen der Validitätsanalyse wird untersucht, ob der
ständig und fachlich angemessen zu bearbeiten und das Outcome Test oder die Klausur das Merkmal misst, das es erfassen zu wol-
beurteilen zu können (vgl. Cursio & Jahn 2013, S. S. 6). Um valide len vorgibt (vgl. Moosbrugger & Kelava 2012b, S. 13). „Ein Test gilt
Aussagen treffen zu können, auf welchem Fachkompetenz-Niveau dann als valide (‚gültig‘), wenn er das Merkmal, das er messen soll,
sich Auszubildende in Bezug auf einen Lehrinhalt befinden, müs- auch wirklich misst und nicht irgendein anderes“ (ebd., S. 13).