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Diese Reihe bietet neuen Kollegen und Wiedereinsteigern Unterstützung bei der schnellen
Einarbeitung in einen neuen Bereich oder auf einer neuen Station. Motto: „Keine Angst vor
einem Stationswechsel“ Ziel ist es, die Pflegekraft auf Station optimal für ihren Stationsalltag
auszustatten und die Qualität der Versorgung zu sichern. Die Spezialisierung der Krankenhäuser
in Deutschland nimmt zu. Die Stationen in Kliniken konzentrieren sich auf spezielle Krank-
heits- und Fachbereiche. Das Pflegepersonal braucht umfangreiches Wissen und praktische
Anleitung zu speziellen Pflegemaßnahmen für ihren Stationsalltag. Außerdem kommt es immer
wieder zu Personalwechsel und neue Kollegen müssen meist sehr schnell eingearbeitet werden.
Pflegewissen
Intermediate Care
Für die Weiterbildung und die Praxis
Mit 82 Abbildungen
Herausgeber
Jutta Busch Birgit Trierweiler-Hauke
UKSH Akademie Universitätsklinik Heidelberg
Kiel Chirurgische Klinik
Deutschland Heidelberg
Deutschland
Springer
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013, 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht
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jedermann benutzt werden dürften.
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in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag,
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Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Geleitwort
mit dem Geleitwort zur ersten Auflage im Jahr 2012 wurde dieses Fachbuch „Pflegewissen In-
termediate Care“ (IMC) nicht nur herzlich willkommen geheißen, sondern auch prognostiziert,
dass dieses Buch mit seiner Struktur die Lernenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses
Fachbereichs erobern und eine Lücke schließen werde.
Da die erste Ausgabe nach nur gut zwei Jahren inzwischen vergriffen ist, lässt sich ablesen, dass
die Herausgeberinnen Birgit Trierweiler-Hauke und Jutta Busch mit ihrem Autorenteam den
Zeitgeist getroffen und einen spezifischen Bedarf gedeckt haben.
Dieser Bedarf erklärt sich dadurch, dass sich IMC-Stationen als Bindeglied zwischen dem OP,
der Intensivstation und der Allgemeinpflegestation eines Krankenhauses verstehen und sich
einer immer größeren Beliebtheit erfreuen. Sie sorgen mit ihren Mitarbeitern für eine enorme
Entlastung von Allgemein- und Intensivstationen durch die Übernahme von pflege- und über-
wachungsbedürftigen Patienten. Diesen Patienten wird damit deutlich mehr an Betreuungs-
qualität im Sinne einer hohen Patientenorientierung zuteil. Damit bildet dieses Tätigkeitsfeld
einen Spannungsbogen zwischen den Extremen „high-tech“ und „high-touch“, die vom dort
tätigen Personal vereint werden müssen.
Die Herausgeberinnen halten in dieser neuen Auflage an ihrem Konzept und der gewählten
Struktur fest und bieten für alle im Tätigkeitsfeld der IMC beschäftigten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter kompaktes Grundlagenwissen aus allen relevanten Fachdisziplinen an. Dazu
gehören die Themengebiete
55 Grundlagenwissen,
55 fallorientierte Pflege und Überwachung,
55 Organisation, Konzepte und Weiterbildung.
Erweitert worden ist das Buch um die wichtigen Themen „Sepsis und Sepsisfrüherkennung“,
„innerklinischer Transport von Risikopatienten“ sowie „Entlassungsmanagement“.
Ergänzt mit Fallbeispielen, die Berufsanfängern und auch Fortgeschrittenen helfen, ihre beruf-
liche Handlungskompetenz zu entwickeln, bieten die Autorinnen und Autoren unverändert
Fragen zur eigenen Wissensüberprüfung und Anregungen für den Unterricht an. Das Thema
„Anleitung neuer Mitarbeiter“ rundet das Buch schließlich ab.
Damit bleibt es das Buch für alle Pflegenden auf IMC-Stationen und für Teilnehmer der Qua-
lifizierungsmaßnahme Intermediate Care, die abschließend noch eine Übersicht zu Weiter-
bildungsangeboten erhalten. Hier haben einige Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Ge-
sellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) aus diversen Bundesländern
geholfen, wesentliche Informationen zusammenzustellen.
Dietmar Stolecki
Referat Fort- und Weiterbildung, Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund
2. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V.
Vorwort
Ein Lehrbuch für die Intermediate-Care-Pflege schreiben – keine einfache Aufgabe. Denn:
Was ist Intermediate Care (IMC)? Die Praxis ist geprägt durch eine Vielfalt von unterschiedlich
organisierten und ausgestatteten Einrichtungen, von einem weiten Spektrum an Erkrankun-
gen und therapeutischen Interventionen sowie einer großen Variation im Tätigkeitprofil und
Verantwortungsbereich der Pflegenden – alles im Rahmen von und unter der Bezeichnung
IMC. Auch in der Theorie fehlen eindeutige Definitionen und Abgrenzungskriterien für das,
was IMC bedeutet.
Ein Lehrbuch muss aber Festlegungen treffen. Ein Lehrbuch soll Standards schaffen und stellt
gewissermaßen „geronnenes Wissen“ zu einem Gebiet dar. Die Herausgeberinnen sind sich der
Herausforderung bewusst, dass sie den Stand der Dinge in einem Bereich erfassen, der keinen
definierten Stand hat, der sich dynamisch entwickelt und je nach Disziplin, nach Einrichtungs-
typ und vielleicht auch regional ganz unterschiedlich verstanden und gestaltet wird.
So entstand die Idee, dass zwei Herausgeberinnen mit unterschiedlichem beruflichem Hin-
tergrund dieses Buch gemeinsam mit einer Reihe von Autoren konzipieren. Und es zeigt sich,
dass zwischen Heidelberg und Kiel – den Arbeitsorten der beiden Herausgeberinnen – doch
ein breiter Konsens darüber besteht, was das notwendige Wissen für die IMC-Pflege ausmacht.
Nachdem das Buch 2013 erschienen war, stellten wir aufgrund der direkten Rückmeldungen
fest, dass es als notwendig und wichtig wahrgenommen wird. Es stellt eine Verbindung und
Ergänzung pflegerischen Wissens zwischen Intensivstation und Allgemeinstation her. Daher
freuen wir uns über die Gelegenheit, das Buch in diesem Sinne mit einer neuen Auflage wei-
terzuentwickeln.
Wir danken an dieser Stelle allen, die das Buch ermöglicht haben: Die Mitarbeiterinnen vom
Springer-Verlag haben uns ermutigt und kompetent begleitet – Susanne Moritz als Initiatorin
des Projektes, Sarah Busch und Ulrike Niesel als Wegbereiterinnen der 2. Auflage sowie Annette
Allée als sorgfältige Lektorin unserer Texte. Die Autorinnen und Autoren der einzelnen Kapitel,
die wie wir selbst im Hauptberuf Pflege bzw. Pflegebildung betreiben, haben viel Wissen, Ener-
gie und Freizeit in die Arbeit an den Texten investiert und dafür gilt ihnen unser besonderer
Dank. Nicht zuletzt danken wir allen Kolleginnen, Kollegen und Freunden, die uns beraten
und unterstützt haben.
Wir wünschen nun unseren Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre, viele Anregungen
für die Auseinandersetzung mit dem Stoff sowie für die praktische Arbeit und freuen uns auf
einen kritisch-konstruktiven Austausch mit Ihnen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
J. Busch, B. Trierweiler-Hauke
6 Ernährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
T. Thorhauer
6.1 Ernährungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
6.2 Phasenmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
6.3 Bedarfsberechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
6.4 Refeeding-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.5 Orale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.6 Enterale Ernährung via Sonde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
6.7 Parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
7 Wahrnehmungsstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
P. Nydahl
7.1 Wahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
7.2 Wahrnehmungsveränderungen und -störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
9 Mobilitätsförderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
B. Trierweiler-Hauke
9.1 Definitionen von Mobilisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
9.2 Warum bewegen wir Patienten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
9.3 Was verhindert eine frühzeitige Mobilisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.4 Phasen der Bewegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
9.5 Bewegungssprache und Pflegefachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Die Autorinnen und Autoren
Katja Siegel
Fachkrankenschwester für Intensiv- und Jan Wohlgehagen
Anästhesiepflege, Algesiologische Fachassistenz, Fachkrankenpfleger für Intensiv- und
tätig als Pflegekraft in der Anästhesiologischen Anästhesiepflege, M.Sc. Critical Care, Dipl.-
Abteilung der Berufsgenossenschaftlichen Berufspädagoge für die Fachrichtung Gesundheit
Unfallklinik Ludwigshafen. und Pflege, hauptamtliche Lehrkraft an der
UKSH Akademie im Bereich pflegefachliche Fort-,
Weiterbildung und Ausbildung.
Thomas Thorhauer
Fachkrankenpfleger für Intensivpflege,
Trainer für Basale Stimulation, Dozent Michaela Wüsten
an der UKSH Akademie und im Fachkrankenschwester für Intensiv- und
Ökumenischen Bildungszentrum für Anästhesiepflege, B.A., stellvertretende
Berufe im Gesundheitswesen (ÖBiZ), tätig Stationsleitung der Intermediate Care und
auf der chirurgischen Intensivstation am Transplantationsstation der Chirurgischen Klinik
Diakonissenkrankenhaus in Flensburg. am Universitätsklinikum Heidelberg.
Birgit Trierweiler-Hauke
Fachkrankenschwester für Intensiv- und
Anästhesiepflege, BBA, Stationsleitung mehrerer
Stationen unter anderem der Intermediate Care
und Transplantationsstation der Chirurgischen
Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg.
Mitarbeiterverzeichnis
Wohlgehagen, Jan
UKSH Akademie gemeinnützige GmbH, Campus
Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
1 I
Kapitel 6 Ernährung – 93
T. Thorhauer
Einleitung
J. Busch, B. Trierweiler-Hauke
Die Versorgungslandschaft in den deutschen Klini- bei der klinischen und apparativen Überwachung
1 ken hat sich in den letzten Jahren gravierend ver- von IMC-Patienten, was ist wichtig in Bezug auf die
ändert. Durch kürzere Verweildauer bei gleichzei- Atmung der Patienten, mit welchen Notfallsituatio-
tig zunehmender Komplexität der Krankheits- und nen ist zu rechnen und wie ist zu reagieren? Daneben
Behandlungsverläufe wird die Pflege und Überwa- geht es hier um so wichtige Aspekte wie die Ernäh-
chung der Patienten im stationären Bereich zu einer rung der Patienten, das Schmerzmanagement, die
immer größeren Herausforderung. Multimorbidität, Förderung der Mobilität und die Wahrung hygieni-
Hochaltrigkeit und Chronifizierung von Erkrankun- scher Bedingungen. Dass es in dieser ersten Sektion
gen sind einige Schlagworte, die im Zusammenhang auch immer um die Frage geht, wie Patienten ihre
mit diesen Veränderungen zu nennen sind. Situation unter den Bedingungen einer existenziellen
Diese Entwicklung ist mit Risiken für unsere Gefährdung erleben, wird besonders deutlich in den
Patienten verbunden und darauf muss reagiert Kapiteln zu Wahrnehmungsstörungen und Kommu-
werden. Eine solche Reaktion ist die Einrichtung nikation (7 Kap. 7 und 11). Auch ethische Erwägun-
stationärer Organisationformen, die eine intensive gen fließen in diese Kapitel mit ein, insbesondere im
Überwachung von Risikopatienten zur Aufgabe Kapitel Akut- und Grenzsituationen (7 Kap. 4), aber
haben: Die Einrichtung von Intermediate-Care-Sta- auch in den anderen Kapiteln, denn:
tionen. Intermediate Care (IMC) versteht sich – wie
im Verlaufe dieses Buches noch deutlich herausge- > Verantwortungsbewusste Pflege und
arbeitet wird – als eine Zwischenstufe zwischen der Überwachung ist ohne eine ethische
„Normalstation“ und der Intensivstation, wie wir sie Dimension nicht möglich.
seit Jahrzehnten kennen. Kaum ein Haus der Regel-
versorgung, und schon gar keines der Maximalver- In der zweiten Sektion werden exemplarisch Pati-
sorgung, wird heute ohne IMC auskommen. Auf entenfälle vorgestellt und besprochen, wie sie für
den IMC-Stationen können die gefährdeten Patien- die verschiedenen Ausrichtungen von IMC typisch
ten mit Hilfe medizin-technischer Geräte kontinu- sind. Dabei wird das fachliche Regelwissen – wie in
ierlich überwacht werden. der ersten Sektion dargelegt – auf den konkreten Fall
Mit der Eröffnung von IMC-Stationen und deren bezogen und zugleich das Besondere des Einzelfalls
angemessener apparativer Ausstattung ist es allein betrachtet.
jedoch nicht getan. IMC benötigt gut geschultes, Wir Herausgeberinnen haben uns entschlossen,
erfahrenes und verantwortungsbewusstes Personal. diese zweite Sektion entlang der Systematik medi-
Das gilt z. B. für Ärzte, Physiotherapeuten, Station- zinischer Disziplinen zu ordnen. Dies mag Kritik
sassistenten und nicht zuletzt für das Reinigungs- hervorrufen, da es keiner pflegerischen oder pflege-
personal. Das gilt im Besonderen aber für das Pfle- wissenschaftlichen Theorie folgt. Viele IMC-Statio-
gepersonal, das die kontinuierliche Überwachung nen – vor allem in den Kliniken der Schwerpunkt-
gewährleistet. Dafür ist Wissen erforderlich, das sich versorgung – sind jedoch bestimmten medizinischen
zwar mit den Wissensbeständen aus der Pflegeaus- Disziplinen zugeordnet. Auch bei interdisziplinären
bildung und aus der Weiterbildung für den Inten- Stationen sind die Patientenfälle entsprechend ihrer
sivbereich überschneidet, das aber auch eine ganz Hauptdiagnose Disziplinen zuzurechnen.
spezifische Ausprägung für die Arbeit Pflegender in Mit den Fällen kann naturgemäß nicht das
diesem Bereich aufweist. Aus diesem Grunde ist ein ganze Spektrum von Krankheitsbildern abgedeckt
Lehrbuch entstanden mit dem Pflegewissen für die werden, das auf IMC-Stationen vorkommt. Kein
IMC-Station. Lehrbuch kann heute noch universelles Wissen
erfassen, auch nicht für ein begrenztes Gebiet, da
z Aufbau des Buches die Wissensbestände in allen Bereichen viel zu
Das Buch gliedert sich in drei große Abschnitte. umfangreich sind. Exemplarisches Lernen ist daher
In dieser nun beginnenden ersten Sektion notwendig. Und es ist darüber hinaus sinnvoll, denn
wird Regelwissen über die wichtigsten Aspekte der die Wirklichkeit ist immer vielschichtiger als jedes
IMC-Versorgung vermittelt. Was ist zu beachten Regelwissen.
Kapitel 1 · Einleitung
5 1
> Pflegende müssen – wie andere Professionen Praxistipp
auch – ihr Wissen immer wieder auf neue
konkrete Situationen übertragen können. Die Fallbeispiele eignen sich gut für die
Bearbeitung im Unterricht. Am Ende jedes
Die einzelnen Fallbeispiele in diesem Buch sind Kapitels werden Anregungen gegeben, wie
einheitlich gegliedert (7 Übersicht unten). Dieser diese Bearbeitung gestaltet werden kann.
analoge Aufbau umfasst jeweils eine kurze Falldar-
stellung, medizinische Grundlagen zum Krankheits-
bild und die wichtigsten Pflege- und Überwachungs- In der dritten Sektion werden Konzepte, Rahmenbe-
schwerpunkte. Auch hierbei wurde exemplarisch dingungen und Organisationsstrukturen von IMC
vorgegangen und eine Auswahl der Schwerpunkte dargestellt. Besonderes Augenmerk richtet sich im
getroffen, die im Setting der IMC-Versorgung Rahmen dieses Lehrbuchs auf die Fort- und Wei-
höchste Priorität besitzen. Ein Schwerpunkt richtet terbildung. Die drei Kapitel in dieser Sektion geben
sich dabei in jedem Fall auf das Patientenerleben. einen Einblick in den aktuellen Stand der Entwick-
Dieser Aspekt war uns besonders wichtig, da pflege- lung von IMC und zeigen zugleich auf, wie vielfäl-
risches Handeln sich immer als Interaktion zwischen tig IMC in der Theorie verstanden und in der Praxis
Individuen gestaltet, die ihre Lebens- und Umwelt gestaltet wird. Das gilt auch und gerade für die Bil-
„erleben“. Für den Krankheitsverlauf und den Gene- dungsangebote dieses Arbeitsbereichs.
sungsprozess ist es von größter Bedeutung, dass wir
unsere Patienten nicht nur behandeln, sondern mit z Lernen gestalten und Wissen überprüfen
ihnen handeln und sie verstehen. Da dieses Buch auf Lernen abzielt und sich an Ler-
nende und Lehrende richtet, enthält es auch eine
> Alle Fallbeispiele sind fiktiv, alle Namen Reihe von didaktischen Elementen. Vorange-
in den Fallbeispielen frei erfunden und stellt haben wir „10 Tipps fürs Lernen“, die keinen
die Namensähnlichkeit mit tatsächlichen Anspruch auf Vollständigkeit haben, sondern sich
Personen wäre reiner Zufall. als Anregungen verstehen. Jede und jeder Lernende
wird für sich ihre bzw. seine eigene Strategie entwi-
ckeln, wie sie bzw. er am besten lernt. Übereinstim-
Gliederung der Fallbeispiele in Sektion 2 mend lässt sich aber sagen, dass Lernen ein aktiver
des Lehrbuchs Prozess ist, bei dem nicht Wissen „eingetrichtert“,
44 Kurze Falldarstellung sondern angeeignet wird. Daher ist es sinnvoll, sich
44 Medizinische Grundlagen zum Gedanken darüber zu machen, wie der Lernprozess
Krankheitsbild optimal selbstbestimmt zu gestalten ist.
44 Vorrangige Pflege- und Als zweites Element finden Sie am Ende jedes
Überwachungsschwerpunkte Kapitels in der ersten Sektion Fragen und Aufgaben
44 Überlegungen zum Patientenerleben zur Wissensüberprüfung, die im Sinne des selbstor-
ganisierten Lernens bearbeitet werden können. Und
als drittes Element sind den Fallbeispielen Hinweise
Anhand der Fälle kann veranschaulicht werden, wie angefügt, wie sie im Unterricht, also beim gemeinsa-
komplex die Situation von vital bedrohten Patienten men Lernen, eingesetzt werden könnten.
im klinischen Alltag aussieht. Meist ist es nicht ein Eine grundlegende Entscheidung der Herausge-
isoliertes Gesundheitsproblem, das berücksichtigt berinnen soll an dieser Stelle noch begründet werden:
werden muss, sondern eine Kombination aus meh- Schon früh im Verlauf der Planung dieses Lehrbu-
reren problematischen Aspekten. Für die Pflege und ches entstand die Idee, eine Vielfalt von Autoren mit
Überwachung im konkreten Fall fließt fundiertes unterschiedlicher Fachexpertise einzubeziehen. Tat-
Regelwissen zu einzelnen Aspekten zusammen mit sächlich konnten wir für dieses Projekt eine Reihe
einer differenzierten Betrachtung der Gesamtsitua- von Autoren begeistern, die im IMC-Bereich tätig
tion des erkrankten Menschen. sind und das Buch mitgestaltet haben. So ist ein
6 Kapitel 1 · Einleitung
2.1 Bewusstsein – 8
Literatur – 24
Die Beobachtung der Bewusstseinslage steht ganz Zur Einschätzung einer Bewusstseinsstörung
im Vordergrund der Überwachung kritisch kranker kann die Glasgow Coma Scale (GCS, Glasgow-Ko-
Menschen. Es geht um die Aspekte ma-Skala) eingesetzt werden. Sie wird häufig bei
55 Aufmerksamkeit/Vigilanz einer Schädel-Hirn-Verletzung verwendet, kann
55 Wahrnehmungsfähigkeit aber auch genutzt werden, um allgemeine Bewusst-
55 Denkvermögen seinsstörungen zu quantifizieren.
55 Erinnerungsvermögen Durch die Glasgow-Koma-Skala lässt sich der
55 Orientiertheit Schweregrad einer quantitativen Bewusstseinsstö-
55 Handlungs- und Reaktionsfähigkeit rung exakt einstufen. Sie berücksichtigt Wachheit,
Motorik und Sprache. Die Summe aller Punkte
Die Möglichkeiten der apparativen Überwachung spiegelt den Schweregrad der Bewusstseinsstörung
sind dabei sehr begrenzt (z. B. durch EEG, BIS-Mo- wider. Hier sei erwähnt, dass es durchaus methodi-
nitoring o. Ä.) und für die Regelversorgung in der sche Mängel der Skala gibt, z. B. ist die Sprache bei
Intermediate Care (IMC) ungeeignet. So kommt der einem intubierten Patienten schwer zu beurteilen,
klinischen Überwachung höchste Priorität zu. Da (unbekannte) Hörbehinderungen führen zu einem
den Wahrnehmungsstörungen ein eigenes Kapitel falsch niedrigen Wert (. Tab. 2.1).
gewidmet ist und die Einschätzung der Bewusst-
seinslage im Fallbeispiel ( 7 Kap. 20) ausführlich
behandelt wird, soll an dieser Stelle nur der Hinweis 2.2 Apparatives Monitoring
gegeben werden, dass bei den vitalen Funktionen
nicht nur an Herz-Kreislauf, Atmung und Nieren- Die auf IMC-Stationen eingesetzten Patienten-
funktion gedacht wird, sondern auch an die Funk- monitore ermöglichen eine kontinuierliche Über-
tion des Gehirns und das für das menschliche Dasein wachung des Patienten in Bezug auf verschiedene
essenzielle Phänomen des Bewusstseins. Vitalparameter.
2.3 · Überwachung von Herzfrequenz und Herzrhythmus
9 2
2.3.2 EKG
P PQ QRS ST T U
Welle Strecke Komplex Strecke Welle Welle
Über die Ableitung des EKG am Patientenmonitor
2 kann eine kontinuierliche Überwachung der elekt-
rischen Herzaktivität erfolgen. Hierdurch wird eine
Überwachung der Frequenz und des Herzrhythmus
ermöglicht. Hierbei werden elektrische Impulse, die
bei der Aktivität des Herzmuskels entstehen, abge-
leitet und dargestellt.
Der EKG-Zyklus beginnt mit der P-Welle, die
der elektrischen Erregung des Vorhofes entspricht. PQ QT
Daran schließt sich das PQ-Intervall an, welches dem Dauer Dauer
Störung Ursache
> Vital bedrohliche Rhythmusstörungen Asystolie Das Herz zeigt keine mechanische und
müssen auf der IMC-Station schnell erkannt elektrische Aktivität mehr. Es ist eine sofortige kar-
werden, um eine Gefährdung des Patienten diopulmonale Reanimation erforderlich. Im EKG ist
zu vermeiden. eine Nulllinie zu erkennen (. Abb. 2.6).
12 Kapitel 2 · Überwachung und Monitoring
2.4.1 Nichtinvasive
Blutdrucküberwachung
Alarmierung bei zu hohen oder zu niedrigen Blut- (. Abb. 2.7). Über eine oszillometrische Messung am
druckwerten erfolgen kann. Oberarm werden die Ergebnisse kalibriert, sodass
der zentrale arterielle Blutdruck bestimmt und an
>4 D ie Alarmgrenzen am Monitor sind unter einem Monitor dargestellt werden kann.
Berücksichtigung der Grunderkrankung
und des hämodynamischen Zustandes des
Patienten auszuwählen. Nach Möglichkeit 2.4.2 Invasive Blutdrucküberwachung
sollte die Manschette nicht an dem Arm
angebracht werden, an dem eine periphere Zur Ergänzung des hämodynamischen Basismo-
Venenverweilkanüle liegt, über die nitorings für die Blutdrucküberwachung besteht
kontinuierlich Medikamente und Infusionen die Möglichkeit der invasiven Blutdruckmessung.
appliziert werden. Hierzu wird eine Verweilkanüle in Seldinger-Tech-
44 Bei dialysepflichtigen Patienten darf die nik in eine Arterie etabliert, am häufigsten in die
Manschette nicht am Shuntarm angelegt A. radialis (7 Kap. 8). Eine Insertion des Katheters
werden. Auch bei Patienten, bei denen in die A. femoralis ist auch möglich, sollte aber ver-
eine axilläre Lymphknotenentfernung mieden werden, da hier ein erhöhtes Infektionsri-
durchgeführt wurde (z. B. im Rahmen einer siko besteht. Wenn sich der Patient aber im Schock
Mamma-Ablatio) sollte der betroffene Arm befindet, ist es aufgrund der Kreislaufzentralisation
nicht für die Messung verwendet werden. nur schwer möglich, die A. radialis zu punktieren.
Dann wird die A. femoralis ausgewählt.
Sobald die Kreislaufsituation des Patienten eine Mittels der invasiven Blutdruckmessung ist eine
häufigere Überwachung des Blutdrucks notwendig kontinuierliche Messung des systolischen, diastoli-
macht, sollte die invasive Überwachung des Blut- schen und des Mitteldrucks möglich. Schwankun-
drucks angedacht werden. Gerade in der Nacht kann gen des Blutdrucks können somit „Schlag für Schlag“
es für einen Patienten als sehr störend empfunden verfolgt werden (. Abb. 2.8).
werden, wenn mittels der nichtinvasiven Methode
der Blutdruck alle 15 min kontrolliert wird.
Eine weitere Möglichkeit, den arteriellen Blut-
druck jeden Herzschlags zu überwachen, steht mit Indikationen
dem Blutdruckmessgerät CNAP zur Verfügung 44 Hämodynamisch instabile Patienten
(kontinuierlicher nichtinvasiver arterieller Druck). 44 Patienten mit Schockzuständen
Ohne das Einbringen eines arteriellen Katheters 44 Patienten mit hypertensiven Entgleisungen
kann hier eine kontinuierliche nichtinvasive Blut- 44 Kontinuierliche Applikation von kreislauf-
drucküberwachung gewährleistet werden. Hierzu wirksamen Medikamenten (z. B. Katechola-
wird eine Fingermanschette verwendet, die bei mintherapie, Antihypertensiva)
jedem Herzschlag die Blutdruckkurve aufgezeichnet
14 Kapitel 2 · Überwachung und Monitoring
EKG
2
arterielle Druckkurve
Störung Ursache
> Die Blutgaswerte werden verfälscht, 4–10 cm H2O/3–8 mmHg und entspricht in etwa
wenn die Messung nicht unmittelbar nach dem Druck des rechten Vorhofs.
Entnahme erfolgt. Der ZVD entspricht etwa dem Druck der Hohlve-
nen und folglich dem Druck im rechten Vorhof und
z Komplikationen kann deshalb als Indikator für die Vorlast des rechten
55 Thrombose der Arteria radialis Herzens verwendet werden. Als Verlaufsparameter
55 Embolien ermöglicht er Aussagen über die Arbeit des rechten
55 Hämatome Herzens und den Volumenstatus des Patienten.
55 Fingernekrosen Im klinischen Alltag kann der ZVD als Verlauf-
55 Blutungen durch Diskonnektion sparameter verwendet werden, um eine Hyper- oder
Hypovolämie zu erkennen:
> Eine gefürchtete Komplikation und 55 Erhöhter ZVD: Hypervolämie
einen schweren Kunstfehler stellt die 55 Erniedrigter ZVD: Hypovolämie
versehentliche intraarterielle Injektion
dar. Sie kann den Verlust von Teilen der Die Messung des ZVD kann regelmäßig zur Überwa-
betroffenen Extremität zur Folge haben. chung der Herz-Kreislauf-Situation erfolgen. In der
ZVD-Kurve sind atemabhängige Schwankungen zu
erkennen, die durch unterschiedliche intrathorakale
2.4.3 Zentraler Venenkatheter und Drücke bei der Ein- und Ausatmung hervorgerufen
zentraler Venendruck werden. Voraussetzung für die Messung ist, dass die
Spitze des Venenkatheters in der oberen Hohlvene
Den am zentralen Venenkatheter (ZVK) gemesse- platziert ist (. Abb. 2.13).
nen venösen Blutdruck bezeichnet man als zentra- Der ZVK wird standardmäßig in die V. jugularis
len Venendruck (ZVD). Der Normalwert beträgt interna oder V. subclavia gelegt. Es ist aber auch ein
2.4 · Überwachung der Hämodynamik
17 2
mm Hg
100
a 0
100
b 0
. Abb. 2.11 Schließen des 3-Wege-Hahns. (Aus Larsen
2012)
Hydrostatische Methode Bei der hydrostatischen Infusionsständer befindliche Messlatte muss nun
Methode wird der Katheter mit einem ZVD-Mess- mit dem Nullpunkt in einer Ebene justiert werden
system verbunden, das vorher luftblasenfrei mit (. Abb. 2.15).
Kochsalzlösung befüllt wurde. An dem ZVD-Mess-
system befindet sich eine Wassersäule, die an einem Elektrische Methode Bei der elektrischen Methode
linealähnlichen Manometer befestigt wird. Der Null- erfolgt die Messung über einen Transducer (Druck-
punkt dieses Manometers muss bei der Messung aufnehmer). Das Druckmesssystem wird in glei-
des ZVD in Höhe des rechten Vorhofes angebracht cher Weise wie das System zur Messung des inva-
werden. Bei der hydrostatischen Methode wird der siven Blutdrucks gefüllt. Von verschiedenen Her-
gemessene Wert in cm Wassersäule (cm H2O) ange- stellern gibt es auch hier vorgefertigte Sets. Die Sets
geben (. Abb. 2.14). Die Höhe des rechten Vorho- zur Messung des arteriellen Drucks sind rot gefärbt,
fes kann mit einer Thoraxschublehre bestimmt die Sets zur Messung des zentralen Venendrucks
werden. Hierzu wird der Patient flach gelagert und blau. Das befüllte System wird mit dem proxima-
die Thoraxschublehre in Höhe des Sternums unter len Schenkel des ZVK verbunden. Bei einem mehr-
den Patienten geschoben. Der obere Schenkel der lumigen ZVK kann ein Schenkel zur kontinuierli-
Schublehre wird bis auf die Thoraxwand herunterge- chen Messung und Darstellung des ZVD genutzt
drückt und dabei die Wasserwaage ins Lot gebracht. werden, sodass der ZVD fortlaufend überwacht
Der an der Schublehre befindliche Metalldorn zeigt werden kann. Wie beim arteriellen System muss hier
nun den Nullpunkt an. Dieser wird an der seitlichen eine Kalibrierung auf Herzhöhe durch einen Null-
Thoraxwand mit einem Filzstift markiert. Die am abgleich erfolgen. Vor Messung des ZVD muss am
18 Kapitel 2 · Überwachung und Monitoring
V. cava superior
2
2/5
Katheterspitze im
rechten Vorhof
3/5
I M
K
. Abb. 2.16 PiCCO-Messung. (Mit freundlicher
Genehmigung der Fa. Pulsion)
vom aktuellen Herzminutenvolumen des Patien- Man unterscheidet hierbei das transthorakale
ten und erlaubt somit eine Aussage über dessen und das transösophageale Echo.
Herztätigkeit. 55 Das transthorakale Echo (TTE) ist eine
nichtinvasive patientenschonende Unter-
Pulskonturanalyse Nach der Kalibrierung durch die suchung, bei der durch Aufsetzen eines
Thermodilution kann das Herzzeitvolumen kontinu- Ultraschallkopfes auf den Brustkorb das Herz
ierlich Schlag für Schlag verfolgt werden. Das konti- sonographiert wird.
nuierliche Herzzeitvolumen wird ermittelt durch die 55 Das transösophageale Echo (TEE) wird von der
Herzfrequenz und die Fläche unter der arteriellen Speiseröhre aus durchgeführt (Schluckecho).
Druckkurve (. Abb. 2.18). Hierzu muss der Patient einen Schlauch
Bei der Pflege des zentralvenösen und arteriel- schlucken, an dessen Ende sich eine Ultra-
len Zuganges sind die üblichen Vorgehensweisen bei schallsonde befindet. Diese Variante ermöglicht
Versorgung und Verbandwechsel zu beachten. eine bessere Darstellung bestimmter Teile
Komplikationen durch die PiCCO-Technolo- des Herzens.
gie selbst treten nicht auf. Es können die üblichen
Komplikationen bei arteriellem und zentralvenösem Zusammen mit dem klinischen Bild des Patien-
Zugang entstehen. ten lassen sich durch diese Untersuchung wichtige
Erkenntnisse zum kardiovaskulären Zustand des
Patienten gewinnen.
2.4.5 Echokardiographie
Auf vielen IMC-Stationen wird zur Beurtei- 2.5 Überwachung der Atemfunktion
lung der hämodynamischen Situation eine Echo-
kardiographie durchgeführt. Mittels Ultraschall Die Atmung kann nach Rhythmus, Frequenz und
werden dabei die Größe der einzelnen Herz- Atemtiefe beurteilt werden.
kammern, die Pumpfunktion und die Funk- Die Atemfrequenz beschreibt die Anzahl der
tion der einzelnen Herzklappen sonographisch Atemzyklen pro Minute. Ein Atemzyklus besteht
dargestellt. aus Inspiration und Exspiration.
20 Kapitel 2 · Überwachung und Monitoring
2
arterieller
Spülbeutel
zum
Monitor
Stecker zur
Rückseite
PiCCO
PiCCO Katheter
Monitoring Kit
. Abb. 2.17 Infinity PiCCO-SmartPod. (Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Pulsion)
P
Injektion
Thermodilution Pulskonturanalyse
Kalibrierung
z Dyspnoe und Orthopnoe Die Sonde besteht aus einer Lichtquelle, von der
Das Gefühl der subjektiv empfundenen Atemnot im raschen Wechsel Lichtwellen im roten und infra-
wird als Dyspnoe bezeichnet. roten Bereich (660 und 940 nm) aus gesendet werden,
Die Orthopnoe ist eine sehr ausgeprägte und und einem Fotosensor. Durch die Färbung des mit
schwere Dyspnoe, bei der es dem Patienten nur Sauerstoff gesättigten Hämoglobins entsteht für die
schwer möglich ist, Luft zu bekommen. Häufig sitzen durchstrahlenden Lichtwellen eine unterschiedli-
Patienten mit Orthopnoe in aufrechter Position und che Absorption, die vom Fotosensor gemessen und
setzen ihre gesamte Atemhilfsmuskulatur ein. in elektrische Signale umgewandelt wird. Anhand
Weitere Störungen des Atemrhythmus sind in dieser Signale ermittelt der Patientenmonitor Werte
7 Abschn. 20.2.4 aufgeführt. für Sättigung und peripheren Puls (. Tab. 2.4).
Die Sättigung wird in Prozent gemessen. Bei
gesunden Menschen liegt der Wert nahe 100%, im
2.5.1 Pulsoxymetrie Alter sinkt er etwas ab.
Mit der Pulsoxymetrie kann auf einfache Art und > Mit sinkender Sauerstoffsättigung nimmt
Weise der Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes kon- die Hypoxie exponentiell zu und damit die
tinuierlich überwacht werden. Ergänzend hierzu Sauerstoffversorgung der lebenswichtigen
lässt sich die periphere Pulsfrequenz ableiten. Organe rapide ab. Werte unter 94% sollten
Es stehen hierzu verschiedene Sättigungsaufneh- unbedingt abgeklärt werden! Bevorzugte
mer zur Verfügung: Messorte sind Finger und Ohrläppchen, die
55 Fingerclip Sättigung kann aber auch an den Zehen oder
55 Klebesensor der Stirn abgeleitet werden.
55 Ohrclip (. Abb. 2.19)
55 Stirnsensor Vorteile der Methode
55 Sofort einsatzbereite Überwachung
Die SpO2 ist die pulsoxymetrisch gemessene Sauer- 55 Kontinuierliche Überwachung der respiratori-
stoffsättigung des arteriellen Blutes. Die SaO2 ist schen Situation
die am BGA-Gerät ermittelte Sauerstoffsättigung 55 Überwachung des peripheren Pulses möglich
des arteriellen Blutes. Der Interpretation sind
aber auch Grenzen gesetzt, denn über die Venti- Die Alarmgrenzen sollten in Abhängigkeit vom Aus-
lation (CO2) und den direkten Sauerstoffpartial- gangswert eingestellt werden. Wegen der Gefahr von
druck können keine Aussagen getroffen werden. Druckstellen sollte bei der Verwendung von Sätti-
Die Pulsoxymetrie misst den prozentualen Anteil gungsclips die Messstelle häufiger gewechselt werden.
des oxygenierten Hämoglobins am gesamten Bei der Durchführung invasiver und diagnos-
Hämoglobingehalt. tischer Eingriffe kann die Sättigung auch akustisch
22 Kapitel 2 · Überwachung und Monitoring
2 Störung Ursache
2.7.1 Hypothermie
Bei Abweichungen der normalen Körpertemperatur Bei bestehender Hypothermie oder bei drohender
wird zwischen Hyperthermie (>37,5°C) und Hypo- Auskühlung werden die Patienten warm zugedeckt
thermie (<35°C) unterschieden. oder mittels eines Patientenwärmesystems gewärmt.
2.8 · Überwachung der Nierenfunktion
23 2
Literatur
Fragen zur Wissensüberprüfung
Bolanz H, Oswald P, Ritsert H (2008) Pflege in der Kardiologie/
1. Welche Formen des Monitorings werden
Kardiochirurgie. Urban & Fischer, München
2 unterschieden? Graf J, Roeb E (2009) Basismonitoring in der Intensivmedizin –
2. Welche Informationen zur Herz-Kreislauf- Nutzen und Risiken. Dtsch Med Wochenschr 134: 29–34
Situation eines Patienten erhalten Sie über Grünewald M, Bieker C (2012) Basics – Arterielle Blutdruck-
das EKG-Monitoring und welche nicht? messung. Thieme Intensiv 20(1):19–20
Hinkelbein J, Genzwuerker HV, Sogl R, Fiedler F (2007a) Effect
3. Welche Risiken birgt die invasive
of nail polish on oxygen saturation determined by pulse
Blutdruckmessung? oximetry in critically ill patients. Resuscitation 72(1):
4. Welche klinischen Symptome und 82–91
Messwerte sprechen für eine Hypervolämie Hinkelbein J, Koehler H, Genzwuerker HV, Fiedler F (2007b)
bei einem Patienten? Artificial acrylic finger nails may alter pulse oximetry mea-
surement. Resuscitation 74(1): 75–82
5. Welche Herzrhythmusstörungen
Larsen R (2012) Anästhesie und Intensivmedizin für die Fach-
sind gleichbedeutend mit einem pflege, 8. Aufl. Springer, Berlin
Kreislaufstillstand? Schummer W (2009) Zentraler Venendruck. Anaesthesist 58(5):
6. Welche Bedeutung kommt dem arteriellen 499–505
Mitteldruck zu? Teising D, Jipp H (2012) Neonatologische und pädiatrische
Intensivpflege, 5. Aufl. Springer, Heidelberg
7. In welcher Höhe muss bei der invasiven
arteriellen Blutdruckmessung der
Transducer/Druckaufnehmer positioniert
werden, um verwertbare Blutdruckwerte
ermitteln zu können?
8. Mit welchen Messmethoden kann der
zentrale Venendruck ermittelt werden?
9. Erläutern Sie den Unterschied zwischen
Hyperventilation und Hypoventilation.
Welche Auswirkungen haben diese
Störungen auf das paCO2?
10. Welche Informationen erhalten Sie durch
die Pulsoxymetrie?
25 3
Literatur – 50
Lungengewebsversagen Atempumpversagen
PaO2-Abfall (Verlust an
funktionstüchtigem PaCO2-Anstieg (zu geringe
Lungenparenchym) Elimination von Kohlendioxid)
Ursachen: Ursachen:
• Sekret- oder Flüssigkeitsstau in den Alveolen • Störungen im Atemzentrum bei z.B. Opioidgaben oder
(Pneumonie, Lungenödem, Statt Acute Respiratory bei Schädel-Him- Traumata
Distress Syndrome: ARDS)
• Verletzungen im zervikalen oder thorakalen Rückenmark
z.B. Querschnittslähmung
• Keine Belüftung der Alveolen (Atelektasen)
• Neuromuskuläre Erkrankungen z.B. Muskeldystrophien,
• Gewebsumbau in Bindegewebe (Fibrose oder ARDS) amyotrophe Lateralsklerose, Critical-IIIness-
Polyneuropathie und -Myopathie, Langzeitbeatmung mit
atrophierter Muskelmasse
• Gewebsveränderungen durch Alveolarschäden mit
Umstrukturierung in größere (Emphysem-) Blasen • Verletzungen mit gestörter Atemmechanik
(COPD/Lungenemphysem) (Rippenserienfraktur, Zwerchfellruptur)
. Abb. 3.1 Respiratorische Insuffizienz. ARDS „acute respiratory distress syndrome“, COPD „chronic obstructive pulmonary
disease“
stellt daher das Hauptproblem bei einer Diffusions- z Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
störung dar. Unter der Bezeichnung „chronisch obstruktive Lun-
So erklärt sich, dass die Hypoxämie im Vorder- generkrankung“ (COPD) werden Erkrankungen
grund steht bei einer Pneumonie, bei der sich in den zusammengefasst, die auf einer dauerhaften Veren-
Alveolen entzündliches Sekret und Eiter befindet, gung der Atemwege beruhen. Das Krankheitsbild
oder beim akuten Lungenversagen (ARDS = „acute wird in 7 Kap. 18 näher beschrieben.
respiratory distress syndrome“), bei dem es zu einem Pathophysiologisch kann ein jahrelanger Nikoti-
Umbau des Lungengewebes bis hin zur Lungenfi- nabusus für die Entstehung der COPD verantwort-
brose kommen kann. lich sein. Weitere Faktoren, die zur COPD führen
können, sind häufige virale oder bakterielle Infekte
der Atemwege sowie ein genetisch bedingter Mangel
3.1.2 Restriktive und obstruktive an Enzymen (Antiproteasen) als auch Umweltnoxen
Ventilationsstörungen (Mutschler et al. 2007).
Auffällig bei den betroffenen Patienten ist die
Um die Begriffe obstruktive und restriktive Ventilati- permanente Erhöhung des CO2. Sie können auf-
onsstörungen (und Mischformen) besser zu verstehen, grund der verengten Atemwege das Kohlendioxid
sind entsprechende Beispiele in . Abb. 3.2 dargestellt. nicht mehr in ausreichendem Maße abatmen. Ein
28 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
Ventilationsstörungen:
Ventilationsstörungen: Ventilationsstörungen:
3 Obstruktive Lungenerkrankungen,
bei denen die Verengung bzw.
Restriktive Lungenerkrankungen,
die Entfaltung der Lunge ist
Verlegung der Atemwege die behindert
Atmung behindert
• Thoraxdeformitäten
• Asthma bronchiale • Lungenfibrose
• COPD • Asbestose
• Sekretretention • Pneu
• Pneumonie • Rippenfrakturen
• Lungenemphysem • Pleuraerguss
• Chronische Bronchitis • Kyphose, Skoliose
. Abb. 3.2 Obstruktive, restriktive sowie Mischformen an Ventilationsstörungen. ARDS „acute respiratory distress syndrome“,
COPD „chronic obstructive pulmonary disease“
Respiratorische
Mehrproduktion von
Insuffizienz (global oder
Bronchialsekret durch
partial). Intensiv- und
entzündlichen Prozess
/oder IMC −Therapie
(Hyperkrinie), zähes
ohne reversible
Sekret (Dyskrinie)
Wiederherstellung
Infolge chronischen Hustens und ständiger Über- die respiratorische Frequenzüberwachung (Impe-
blähung der Lungen wird der knöcherne Brustkorb danzmessung) am Monitor eingegangen werden.
in Einatmungsstellung fixiert, die Beweglichkeit des
Thorax eingeschränkt und es entsteht ein sogenann-
ter Fassthorax. 3.2.1 Impedanzmessung
3
Zerstörung von elastischen Gewebszerstörung durch Verengung der
Fasern (halten Ungleichgewicht an Bronchiolen
normalerweise die kleinen Proteasen und (Bronchiokonstriktion),
Bronchiolen offen) Antiproteasen Sekretretention, Ödeme
steigt bei der Inspiration und fällt bei der Exspiration. den oberen und 6 Atemzügen/min für den unteren
Normalerweise erfolgt die Berechnung aus der EKG- Grenzwert. Die Einstellung der Grenzen erfolgt aber
Ableitung I (7Abschn. 2.3.2). bei jedem Patienten individuell, weil die Atemfre-
Wichtig ist, dass die beiden Elektroden so geklebt quenz je nach Alter und Körperkerntemperatur vari-
werden, dass die größtmögliche Thoraxexkursion ieren kann. Je höher die Körpertemperatur, desto
(d. h. Bewegungsausdehnung des Brustraums) schneller die Atmung (es fällt mehr Kohlendioxid
erfasst wird. Gerade COPD- und Emphysempati- an, das abgeatmet werden soll).
enten mit einem Fassthorax neigen zu unphysiolo-
gischen Thoraxbewegungen, da das Lungengerüst
starr und rigide wird. Dann ist es besser, die Ablei- 3.2.2 Pulsoxymetrie
tung zwischen den zwei Elektroden im Bereich der
rechten, mittleren Axillarlinie und im linken seit- Die Pulsoxymetrie besteht aus einem Sensor, der am
lichen Brustbereich an den Stellen der maximalen Finger oder Ohrläppchen des Patienten fixiert wird,
Atmungsbewegung zu wählen (EKG-Ableitung II), und einem Display oder Monitor für die gemesse-
um die Respirationskurve besser darstellen (Bene- nen Werte (7 Abschn. 2.5.1). Der Detektor (Sensor)
view 2012) und valide numerische Werte ablesen zu nimmt zum einen die Pulswellen (Pulsintensität)
können (. Abb. 3.5). und zum anderen die Sauerstoffsättigung, d. h. die
Ein weiteres, häufiges Problem sind Artefakte Aufsättigung des Hämoglobins (Hb) im periphe-
oder falsch gemessene Atemfrequenzwerte, die ren Blut ab (SpO2). Der SpO2-Normwert bei Gesun-
ursächlich darin begründet sein können, dass die den unter Raumluftatmung liegt normalerweise bei
Elektroden zu nahe an den Herzkammern platziert >95% (van Gestel u. Teschler 2010).
sind oder dass das Kontaktgel an der Klebefläche der Patienten mit einer chronischen respirato-
Elektrode vertrocknet ist (Elektrode wechseln). rischen Insuffizienz erreichen diese Normwerte
Im Monitor muss der Apnoe-Alarm aktiviert unter Raumluft nicht immer. Bei chirurgischen
sein. Alarmgrenzen für die Atemfrequenz bei Patienten ist es daher sinnvoll, sich im Narkosepro-
Erwachsenen liegen z. B. bei 28 Atemzügen/min für tokoll den SpO2-Ausgangswert anzusehen, um zu
3.2 · Apparative Überwachung der Atmung
31 3
Ableitung I Ableitung II
wissen, was den Patienten präoperativ überhaupt > Bei der SpO2-Überwachung sind
noch möglich war. Fehlmessungen möglich! Es sollen nur
Auch Gesunde erreichen nur unter bestimmten Werte als richtig anerkannt werden, die bei
Bedingungen z. B. beim Sport eine SpO2 von 100% einer gut sichtbaren Kurve auf dem Monitor
(. Abb. 3.6). Im Sitzen oder Liegen (im Schlaf) sind ablesbar sind. Ist keine Kurve erkennbar,
nicht alle Bezirke der Lunge voll belüftet, sodass auch kann kein valider Wert angenommen werden.
bei Gesunden Atelektasen bestehen. Es entsteht ein
Shunt, d. h. das sauerstoffarme, venöse Blut wird
nicht oder nur teilweise mit O2-Molekülen beladen Mögliche Fehlerquellen bei der
(Hudak u. Gallo 1994). Dieser Effekt wird durch den SpO2-Messung. (Mod. nach
sogenannten Euler-Liljestrand-Reflex vermindert, da Oczienski 2008)
sich die Lungenkapillaren in nicht belüfteten Berei- 44 Unzureichende periphere Durchblutung
chen reflektorisch zusammenziehen (. Abb. 3.7). Es (Vasokonstriktion)
bleibt aber ein gewisses Shuntvolumen, sodass die 44 Unzureichende pulsatile
SpO2 auch bei gesunden Menschen nur noch z. B. Signalstärke (Zentralisation, Schock,
97% erreicht, was dem Normwert entspricht. Vasopressorentherapie)
Bei Kranken, die nicht mobilisiert werden, ist 44 Bewegungsartefakte (postoperatives
die Neigung zur Atelektasenbildung jedoch erhöht, Shivering)
und Sekret in den Alveolen (schraffierter Bereich in 44 Interferenzen von Farbstoffen
. Abb. 3.7) z. B. bei einer Pneumonie verschlechtert (Methylenblau)
die Situation weiter. Durch Mobilisation und eine 44 Nagellack (Lichtabsorption gestört)
überwiegend sitzende Positionierung im Bett ist 44 Kohlenmonoxidvergiftungen
weiteren Atelektasen vorzubeugen, durch atemunter- 44 Applikation von Lokalanästhetika
stützende Maßnahmen wie EzPAP (7 Abschn. 3.3.6)
oder eine intermittierende ASB/CPAP-Therapie
(7 Abschn. 3.3.7) können schlecht belüftete Bezirke Zu jedem gemessenen SpO2-Wert korrespondiert ein
wieder eröffnet werden, und eine medikamentöse intraarterieller paO2-Sauerstoffpartialdruck.
Therapie (Aerosole und Inhalationen) ermöglicht Ab einem SpO2-Wert von <94% sinkt der paO2
eine verbesserte Sekretmobilisation und damit das rapide, sodass die O2-Versorgung im Gewebe und
Abhusten. an den zentralen Organen nicht mehr hoch genug
32 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
Atelektase
der Alveole
100% ventilierte
Alveole
100% perfundierte
Kapillare Reflexartige
Konstriktion
der Kapillare
. Abb. 3.6 Perfusion-Ventilation unter idealen
Bedingungen
. Abb. 3.7 Atelektase, Shuntblut und reflektorische
Vasokonstriktion
ist, um diese zu versorgen. Es droht eine Hypoxä-
mie (Gewebemangelversorgung von O2), die lebens-
bedrohlich werden kann. Für die Alarmeinstellung 3.2.3 Auskultation
am Monitor bedeutet das, dass nur in Ausnahme-
fällen der untere SpO2-Alarm kleiner als 94% ein- Die Auskultation der Lunge ist wesentlicher
gestellt werden sollte, wie aus der . Tab. 3.1 mit den Bestandteil der Atmungsüberwachung. Gene-
Schätzwerten von der am Fingerclip gemessenen rell wird dabei von dorsal über lateral und ventral
Sättigung und den dazugehörigen Partialdrücken symmetrisch und seitenvergleichend auskultiert
im arteriellen Blut zu entnehmen ist (ISICEM 2012). (Gahl u. Holldack 2009). Im IMC-Bereich ist von
In der klinischen Pflegepraxis hat sich fol- Bedeutung, dass die seitengleichen Belüftung fest-
gende Formel für Erwachsene bewährt, um gestellt und Sekretverhalt sowie Bronchospasmen
altersbedingte Schätzwerte für akzeptable untere erkannt werden. Eine Auskultation der lateralen
paO 2-Werte schnell „im Kopf “ abzuleiten: 80– und ventralen Bezirke ist beim liegenden Patien-
(Alter–60). Beispiel einer 67-jährigen Patientin: ten zur Einschätzung der Atmungssituation daher
80–(67–60)=73 mmHg. Bei sehr alten Patienten ausreichend.
(>90 Jahre) stößt diese Faustformel allerdings an ihre Mögliche Störfaktoren oder Fehlerquellen:
Grenzen (GLOBALRPh 2012). 55 Das Reiben von Kleidungsstücken an der
Einen Anhaltspunkt für zu erwartende paO2- Haut, auch wenn die Kleidung in der Nähe der
Werte bei einer gesunden Lunge in Abhängigkeit Membran ist, kann Töne erzeugen, die den
von der insufflierten FiO2 („fraction of inspired auskultatorischen Befund stören (Oberkörper
oxygen“, inspiratorische Sauerstofffraktion) geben frei machen)
Heck und Fresenius (2010) wie in . Tab. 3.2 aufge- 55 Die Berührung der Hände oder der Unterarme
führt. Diese Werte werden nur bei einer hohen FiO2 auf dem Thorax des Patienten (aus demselben
von Patienten mit einer gesunden Lunge erreicht! Grund)
Die Werte dienen als Orientierungspunkt, um zu 55 Sehr behaarte Stellen am Stethoskop-Rand
verdeutlichen, dass bei paO2-Werten >150 mmHg können Knistergeräusche erzeugen, die von
eine Reduktion des verabreichten O2 möglich bzw. intrapulmonalen Geräuschen schwer zu
nötig ist. unterscheiden sind.
3.2 · Apparative Überwachung der Atmung
33 3
. Tab. 3.1 Relation von O2-Partialdruck (paO2) zur . Tab. 3.2 Anstieg des Sauerstoffpartialdrucks
Sättigung (SpO2) (Schätzwerte) (paO2) beim Lungengesunden in Relation zur
inspiratorischen Sauerstoffkonzenztration (FiO2)
SpO2 (%) paO2 (mmHg)
FiO2 (%) paO2 (mmHg)
99 145
21 100
98 112
40 235
97 96
60 378
96 86
80 520
95 79
94 73 100 663
93 69
92 65
91 62 55 Zu geringer Druck der Membran auf dem
90 60 Thorax bzw. der Haut des Patienten (zu
zaghaftes Aufdrücken des Stethoskops)
89 57
88 55
Bei der Atmung entstehen unterschiedliche Fluss-
87 53 geschwindigkeiten der Luft, die auf die unterschied-
86 52 lichen Größen der Bronchien und deren Verzwei-
85 50 gungen zurückzuführen sind. Das dabei entstehende
84 49
Vesikuläratemgeräusch (alveoläre Atemgeräusch)
als sogenanntes Crescendo-Decrescendo-Geräusch
83 47
ist normal (Gahl u. Holldack 2009). „Crescere“ ist
82 46
lateinisch und bedeutet anwachsen oder zuneh-
81 45 men. Der Fluss der Luft in die Lunge ist bei der Ins-
80 44 piration anfangs schnell anwachsend (oder „cre-
scendo“) und nimmt gegen Ende ab, weil die Lunge
ja schon zu großen Teilen mit Luft gefüllt ist („decre-
scendo“). Dieses Vesikuläratmen kann über den peri-
55 Shivernde, d. h. zitternde Patienten erzeugen pheren Anteilen der Lunge gehört werden. Auch am
ein brummendes Geräusch durch das Muskel- Anfang der Exspiration ist es hörbar, da der Fluss
zittern, welches die auskultatorische Untersu- (Flow) dann am größten ist.
chung negativ beeinflusst Ein sogenanntes Bronchialatmen (zentra-
55 Wärmedecken (Warmtouch, Bearhugger etc.) les Atmen) ist ein lautes, scharfes Atemgeräusch,
können durch Nebengeräusche die Auskultati- welches eher bei Auskultation der zentralen Atem-
onsqualität stören wege vernehmbar ist (Hauptbronchien), weil der
55 Das Reden des Patienten (oder von Flow dort schnell (turbulent) ist. Dieses Geräusch
Angehörigen, Teamkollegen) während des ist normal und kann auch direkt an der Trachea aus-
Abhörvorgangs kultiert werden.
55 Schlecht positionierte Oliven in den Ohren Rasselgeräusche sind ein Zeichen für krankhafte
(vor Beginn vorsichtig mit der Fingerspitze auf Atemgeräusche und können als grobblasig (zent-
die Membran des Stethoskops tippen und die rale Atemwege) oder feinblasig (periphere Atem-
seitengleiche Weiterleitung prüfen) wege) wahrgenommen werden. Die in . Tab. 3.3
34 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
aufgeführten Geräusche geben Hinweise auf Störun- Lungenareale verbessern. Zu beachten ist, dass die
gen im Respirationstrakt (Gahl u. Holldack 2009). Positionierung im Bett oder Stuhl nicht die Zwerch-
fellbeweglichkeit einengt, da das Zwerchfell einen
Praxistipp erheblichen Teil der Atemmuskulatur darstellt.
Durch Unterpolsterung der Arme kann zudem die
Das Auskultieren erfordert Übung, das Beweglichkeit der Atem- und Atemhilfsmuskulatur
Lehrbuch von Gahl u. Holldack (2009) bietet unterstützt werden.
auf einer CD Audiobeispiele dazu (in der
Nachauflage von 2015 mit Auskultations- z Mobilisation
beispielen online). Die Ausführung bei Grundsätzlich ist die Mobilitätsförderung eine der
IMC-Patienten sollte wenigstens einmal pro effektivsten Maßnahmen zur Unterstützung der
Schicht stattfinden. Atmung. Sobald die Patienten auf die Bettkante oder
in den Stuhl mobilisiert werden, trainieren sie ihre
komplette Muskulatur (und damit auch die Atem-
und Atemhilfsmuskulatur). Mobilisation ist deshalb
sehr pflegerelevant und wichtig (7 Kap. 9).
3.3 Atemfördernde und Bedacht werden muss dabei, dass Patienten mit
unterstützende Maßnahmen Dyspnoe nur sehr begrenzt belastbar sind. Deswegen
sind die Grenzen des Mobilisationstrainings immer
3.3.1 Atemerleichternde individuell abzuwägen. Zudem sind vor jeder Mobi-
Positionierung und lisationsmaßnahme – gerade für postoperative Pati-
Mobilitätsförderung enten – ein Schmerzassessment und eine adäquate
Schmerztherapie notwendig, damit nicht Motiva-
z Positionierung tionsverluste oder eine zu flache Schonatmung aus
Die sitzende Position sowie die Oberkörperhoch- dem Mobilisationsversuch resultieren.
lagerung beim liegenden Patienten erleichtern
die Einatmung und verbessern somit die Ventila- > Ein gutes Schmerzmanagement ist ein
tion. Spezielle Lagerungen (V-Lagerung, A-Lage- bedeutsamer Faktor bei der Atemförderung
rung) können zusätzlich die Belüftung bestimmter (7 Kap. 5).
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
35 3
3.3.2 Atemtrainer VRP1-Flutter) erzeugen zusätzlich eine Vibration,
die das Sekret in den Atemwegen mobilisiert.
Atemtrainer sind wichtige Hilfsmittel bei der Atem-
therapie, sofern sie korrekt eingesetzt und für die > Die Produktbeschreibungen müssen
Patientensituation passend ausgewählt werden. Eine sorgfältig durchgelesen und beachtet
Fülle an Produkten erschwert es dem Pflegepersonal werden, um den Patienten die richtige
und den Patienten, diese richtig anzuwenden. Anwendung zu ermöglichen.
> Bei einigen Trainern wird die Exspiration, bei In der Praxis wird häufig beobachtet, dass Patien-
anderen jedoch die Inspiration geschult und ten das Funktionsprinzip nicht verstehen (sie atmen
verbessert. Je nach Krankheitsbild ist das aus statt ein oder umgekehrt). Dann sollte versucht
eine sinnvoll oder das andere vielleicht sogar werden, den Atemtrainertyp zu wechseln. Ein wei-
kontraindiziert. teres Problem ist, dass Patienten das Training ver-
gessen (motivieren!) oder aber zu eifrig trainieren
Geräte, welche die Inspiration trainieren, bezeich- und sich dadurch entweder hyperventilieren oder
net man als SMI-Trainer. SMI steht für „sustained erschöpfen (Trainer dann nur stündlich für einige
maximal inspiration“, also eine langsame und tiefe Minuten anbieten!).
Einatmung. Die vertiefte Atmung verhindert, dass
Atelektasen entstehen, also Lungenareale, die nicht
belüftet werden. Sie verbessert die Oxygenierung 3.3.3 Inhalationstherapie
und fördert das Abhusten von Sekret. Damit dient
das Training der Atelektasenprophylaxe und Pneu- Bei der Inhalationstherapie handelt es sich um eine
monieprävention. Bestehende Atelektasen können topische Medikamentenapplikation. In die Atem-
durch SMI-Trainer jedoch nicht eröffnet werden wege werden vor allem Sekretolytika und Bron-
(Klarmann u. Filipovic 2015). cholytika, aber auch Kortikosteroide verabreicht.
Wichtig ist, dass die Inspiration mit einer mög- Die Wirkstoffe lassen sich in der Regel nicht ver-
lichst geringen Flussgeschwindigkeit (Flow) erfolgt, dampfen (Verdampfung setzt einen niedrigen Sie-
damit die Atemluft Zeit hat, sich gleichmäßig in der depunkt voraus, wie er z. B. bei ätherischen Ölen vor-
Lunge zu verteilen. Daher ist bei der Anleitung der liegt). Daher erfolgt die Applikation als Aerosol bzw.
Patienten darauf zu achten, dass sie langsam einat- durch Verneblung. Aerosole sind kleinste mit Gas
men (beispielsweise bei dem Triflo nur zwei Bälle oder Flüssigkeit vermischte Schwebeteilchen, Nebel
bewegen und nicht alle drei). Um die Motivation der besteht aus feinen Tröpfchen. Je nach Größe gelan-
Patienten anzuregen, sind einige Geräte zusätzlich gen die Partikel/Tröpfchen mehr oder weniger tief in
volumenorientiert, d. h., sie zeigen das Atemhubvo- den Respirationstrakt.
lumen an. Der Vorteil der Inhalationstherapie liegt darin,
Bei Patienten mit obstruktiven Ventilations- dass die Substanzen gezielt dosiert und direkt am
störungen kommen Geräte zum Einsatz, die einen Zielorgan zur Wirkung kommen und so systemische
Effekt auf die Exspiration haben. Diese sogenannten Nebenwirkungen reduziert werden. Als Nachteil ist
PEP-Systeme lassen die Patienten gegen einen geziel- das Hygieneproblem zu nennen, da mit den Partikeln
ten Atemwegswiderstand langsam ausatmen (die auch Mikroorganismen inhaliert werden können.
Abkürzung PEP steht für „positive expiratory pres-
sure“). Die langsame Exspiration gegen einen Wider- > Die Zubereitung der Medikamente und das
stand verhindert den Bronchialkollaps und hilft, Handling der Materialen für die Inhalation
das CO2 abzuatmen. Mit einem Inspirationstrai- erfordert größte Sorgfalt. Insbesondere bei
ner könnten diese Patienten sich dagegen erschöp- Patienten, die mit (inhalativen) Steroiden
fen und ihre respiratorische Insuffizienz könnte sich therapiert werden, ist die Infektionsgefahr
verschlimmern. Oszillierende PEP-Trainer (z. B. der hoch.
36 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
3 Nasensonde 1 24
Bei der Materialbestellung sollte ein
2 28
Augenmerk darauf gerichtet sein, ob auf
3 32 Ihrer IMC-Station O2-Masken mit erweiterten
4 36 Austrittsöffnungen zur Anwendung kommen.
5 40
6 44
Umgekehrt kommt O 2 bei Patienten, die nur
O2-Maske 5 40
durch den Mund atmen, bei reiner Nasenapplika-
6–7 50 tion schlechter an. Dann sind die O2-Masken von
7–8 60 Vorteil.
O2-Maske mit 6 60
Reservoirbeutel 7 70 > Bei der Aufnahme und vor Anwendung der
O2-Therapie muss darauf geachtet werden,
8 80
ob der Patient eher ein Mund- oder ein
9 90
Nasenatmer ist.
10 95
Außerdem sollte es für respiratorische Notfälle
auch O2-Masken mit einem Reservoirbeutel auf der
Zur Prävention sind die Empfehlungen der Kommis- Station geben, weil damit eine bessere Aufsättigung
sion für Krankenhaushygiene und Infektionspräven- des Patienten vor einer potenziellen Intubation (und
tion (KRINKO 2013) zu beachten: nachfolgender Verlegung auf die Intensivstation)
55 Medikamente nur aus sterilen Einmalgebinden ermöglicht wird.
entnehmen Einige Hersteller liefern einen Regulator mit
55 Medikamentenvernebler unter sterilen (Drehrädchen, das am Aqua-Befeuchtungspack
Kautelen befüllen aufschraubbar ist), an dem man ablesen kann, wie
55 Verneblersysteme und Medikamente groß der Anteil an inspiriertem O2 in Prozent ist. Die
ausschließlich patientenbezogen einsetzen Umrechnung von insuffliertem O2 in Prozent kann
55 möglichst Einmalmaterial verwenden und aber auch geschätzt werden (. Tab. 3.4). Da Atem-
täglich wechseln muster und anatomische Verhältnisse des oberen
Respirationstraktes bei Patienten variieren, können
die Angaben nur Schätzwerte sein (ISICEM 2012).
3.3.4 Sauerstoffinsufflation
Druck [mbar]
0 intrapulmonaler Druck
intrapleuraler Druck
–10
I E I E Zeit [sec]
I = Inspiration (1 sec)
E = Exspiration (2 sec)
Sie ist bei Gesunden ein passiver Vorgang und dauert Exspiration besser entfalten. Das klappt natürlich
etwa doppelt so lange wie die Inspirationsphase. nur, wenn die Maske dicht sitzt und keine Luft an den
In Ruhe beträgt die Inspirationszeit beim Wangen oder der Nase entweichen kann (Leckage).
Erwachsenen ca. 2 s und die Exspirationszeit ca. 4 s. . Abb. 3.9 veranschaulicht, dass die Druckver-
Lediglich in der Exspirationsphase kommt es in der hältnisse im thorakalen Raum und in der Lunge
Lunge zu positiven Druckverhältnissen (. Abb. 3.8). unter NIV-Beatmung angestiegen sind (unphysio-
Die Atemfrequenz (AF) pro Minute errechnet logische Atmung). Selbst in der Phase der Endex-
sich durch die Anzahl der sogenannten Atemzyk- spiration verbleibt Frau Brandenburg auf einem
len (= eine Inspirations- plus eine Exspirationsphase) Druckniveau von 5 mbar (= PEEP oder „positive
innerhalb von 60 s. Ein Atemzyklus dauert hier 3 s e nd e xpiratory p ressure“), in der Abbildung als
(1 s Inspiration und 2 s Exspiration). 20 Atemzyklen dunklerer Balken gekennzeichnet. Aber auch inspi-
ergeben somit eine AF von 20/min. ratorisch sind die pulmonalen Druckverhältnisse in
Bei der NIV-Maskenbeatmung lassen wir Frau den positiven Bereich verschoben worden. Dadurch
Brandenburg jetzt aber nicht mehr physiologisch bleibt ihre Lunge besser entfaltet. Die Alveolen
atmen (darunter hat sie sich ja auch erschöpft), sind weiter und haben in beiden Respirationspha-
sondern erhöhen den intrathorakalen Druck, indem sen einen engeren Kontakt zu den Kapillaren, von
wir sie nicht mehr gegen den atmosphärischen, denen sie umgeben sind. Die O2-Moleküle können
sondern gegen einen – durch das Gerät erzeugten – jetzt besser in die Kapillaren diffundieren und die
höheren Druck atmen lassen. Dadurch kann ihre pO2-Werte in der BGA sowie die am Monitor ables-
Lunge sich sowohl in der Inspiration als auch in der baren SpO2-Werte verbessern sich, ohne dass der
40 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
Druck [mbar]
20
15
3
10
intrapulmonaler Druck
5
PEEP
0
–5 intrapleuraler Druck
–10
–15
I E I E Zeit [sec]
I = Inspiration (1 sec)
E = Exspiration (2 sec)
. Abb. 3.9 Intrathorakale Druckverhältnisse unter NIV-Beatmung. PEEP „positive endexpiratory pressure“
Anteil des beigemischten Sauerstoffs (FiO2) erhöht er ASB (= „assisted spontaneous breathing“ oder
werden musste (7 BGA „B“). assistierte Spontanatmung), bei Siemens wird er DU
Gleichzeitig führt eine dauerhafte Drucker- oder PSV (= Druckunterstützung/„pressure support
höhung in der Lunge dazu, dass sich Atelektasen ventilation“) und bei Herstellern von Heimbeat-
wieder belüften lassen und weniger leicht wieder mungsgeräten häufig auch PS („pressure support“),
zusammenfallen (kollabieren), da sie ja auch in der IPS („inspiratory pressure support“) genannt. Weil
Ausatmung noch durch einen 5 mbar hohen Druck Frau Brandenburg mit einem ASB unterstützt wurde,
sozusagen geschient werden (Bein u. Pfeifer 2007). konnte ihr Tidalvolumen oder auch Atemzugvolu-
Daraus kann dann auch eine bessere Elimination von men (TV/AZV) und damit auch ihr Minutenvolu-
CO2 erfolgen, weil das kohlendioxidreiche, venöse men (MV) erhöht werden. Das MV errechnet sich
Blut aus der Pulmonalarterie neu eröffnete Bezirke aus der Atemfrequenz multipliziert mit dem AZV
erreicht, in denen es aus den Kapillaren in die Alveo- (MV=AF×AZV). Dass die Patientin von der ASB-
len abgegeben und ausgeatmet werden kann. Mit der Einstellung profitieren konnte, ist durch den Abfall
PEEP-Beatmung wird auch eine Erhöhung des Tidal- des pCO2 von BGA „B“ auf BGA „C“ ersichtlich.
volumens (Atemzugvolumen) möglich, wenn man Durch die Erhöhung ihres Minutenvolumens war
Frau Brandenburg jetzt noch hilft, ihr die Inspiration sie in der Lage, das „Zuviel“ an CO2 abzuatmen.
zu erleichtern. Dazu stellt man am Gerät einen Hilfs- . Abb. 3.9 verdeutlicht, dass Frau Branden-
druck ein, der dann aktiv wird, wenn die Patientin burg in der Inspiration eine Druckunterstützung
sich um eine Einatmung bemüht. Dieser Druck wird vom Gerät bekommt (hier 13 mbar auf einen PEEP
(je nach Hersteller der NIV-Geräte) leider nicht ein- von 5 mbar = 18 mbar), wenn sie einatmen möchte.
heitlich benannt. Bei Geräten der Firma Dräger heißt Dazu muss sie „triggern“ (Englisch = etwas auslösen).
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
41 3
Druck [mbar]
PEEP = 5mbar
I E I E
0
Zeit [sec]
I = Inspiration E = Exspiration
Den Trigger kann man an den Ventilatoren einstel- Um der Patientin einen positiven endexspirato-
len. Bei der COPD-Patientin war ein Flowtrigger rischen Druck zu ermöglichen, muss das Gerät auch
(das Gerät reagiert auf eine Atemflussverschiebung dann einen Fluss im Schlauchsystem aufrechterhal-
im Schlauchsystem) von 5 l/min eingestellt. Andere ten, wenn sie nicht einatmet. Dadurch läuft kontinu-
Ventilatoren können über sogenannte Drucktrig- ierlich („continuous“) ein Luftstrom im Schlauch-
ger (das Gerät reagiert auf eine Druckdifferenz im system, der dann zu dem Begriff CPAP führt. Das
Schlauchsystem) den Patienten die Inspirations- heißt aber im Prinzip soviel wie: „die Patientin atmet
unterstützung zukommen lassen. auf einem PEEP-Niveau“. Das wiederum heißt, dass
Der assistierende ASB/CPAP-Modus funktio- der Modus nicht assistieren bzw. unterstützen kann,
niert nur bei Patienten, die wach sind und einen sondern lediglich die Spontanatmung auf ein höheres
eigenen Atemantrieb haben. Dasselbe gilt für die Druckniveau anhebt. In . Abb. 3.10 und auch bei
reine Spontanatmung auf einem PEEP-Niveau. Der Frau Brandenburg am 1. Behandlungstag beträgt
Patient hätte dann keine zusätzliche Druckunter- der PEEP 5 mbar.
stützung eingestellt, sondern würde auf einem kon- Bevor nun sowohl die Blutgase als auch die dazu-
tinuierlichen positiven Druck (CPAP = „continuous gehörigen Respiratoreinstellungen genauer erklärt
positive airway pressure“) atmen. Das hilft allerdings werden sollen, wird ein weiterer Modus erklärt, der
eher die Oxygenierung zu verbessern als das Koh- sich insofern von den vorherigen unterscheidet, als er
lendioxid zu senken, ist aber auch an vielen Geräten Frau Brandenburg sowohl unterstützen als auch kon-
als reiner Spontanatemmodus unter NIV-Maske ein- trolliert beatmen kann. Frau Brandenburg müsste
stellbar und sähe dann etwa aus wie in . Abb. 3.10. dann im Falle der Einstellung ihres Atemantriebes
42 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
15
10
5
I E I E I
0
0 2 4 6 8 Zeit [sec]
I = Inspiration E = Exspiration
. Abb. 3.11 BIPAP („biphasic positive airway pressure“). AF Atemfrequenz, PEEP positiver endexspiratorischer Druck,
Pinsp Inspirationsdruck
nicht mehr triggern und würde trotzdem beatmet (PEEP). Dadurch belüftet sich die Lunge während
werden. Dieser Modus war am ersten Behandlungs- der Einatmungsphase (bei einigen Geräten auch
tag auf der Intensivstation aktiv und wird (je nach „P-hoch“ also hoher Druck genannt) und entlüftet
Hersteller) BIPAP, Bilevel oder auch Bivent genannt. sich (passiv) in der Ausatmungsphase (bei einigen
„Biphasic positive airway pressure“ bzw. BIPAP fällt Geräten auch „P-niedrig“ statt PEEP genannt).
in die Rubrik der druckkontrollierten Beatmungs- Beide Phasen lassen sich auch bezüglich ihrer Dauer
verfahren, die auch „pressure-controlled ventilation“ (also wie lange ein hoher bzw. ein niedriger Fluss
(PCV) oder druckkontrollierte Beatmung genannt im Schlauchsystem aufrechterhalten werden soll)
werden, weil das Gerät die Beatmung über von uns einstellen.
eingestellte Drücke verabreicht. Der Patient kann . Abb. 3.11 zeigt einen Patienten, der überhaupt
(muss aber nicht) den Inspirationsdruck auslösen nicht spontan atmet (z. B. nach Opioidverabreichung
(triggern), wenn er ihn braucht. Tut er das nicht, oder in Vollnarkose) und sich im BIPAP-Modus
gibt das Gerät den Inspirationsdruck (Pinsp) trotz- befindet. Seine Inspirationszeit (Pinsp oder P-hoch)
dem ab. Dadurch ist eine mandatorische (ganz sicher ist genauso lang wie die Exspirationszeit (PEEP oder
festgelegte und in jedem Fall verabreichte) Beatmung P-niedrig). Der eingestellte Inspirationsdruck beträgt
sichergestellt. 20 mbar und der eingestellte Exspirationsdruck ist
Das Gerät gibt sozusagen zwei verschieden der PEEP von 7 mbar. Daraus resultiert eine Druck-
starke Flussgeschwindigkeiten („Flow“) ab: einen differenz von 13 mbar. Diese Druckdifferenz ermög-
starken Luftstrom in der Inspiration (Pinsp) und licht, dass dem Patienten ein Tidalvolumen (Atem-
einen weniger starken Luftstrom in der Exspiration zugvolumen oder Hubvolumen, obwohl der Patient
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
43 3
tinsp = 2 sec
Druck [mbar] I : E = 2 sec : 4 sec = 1 : 2
AF = 10/min (am Gerät eingestellt)
= Pinsp oder P-hoch
25 = Eigenatmung
= PEEP oder P-tief
20
15
10
5
I E E
0
0 2 4 6 8 10 12
I = Inspiration E = Exspiration Zeit [sec]
. Abb. 3.12 BIPAP mit vorhandener Spontanatmung (Einstellung von Frau Brandenburg am 1. Therapietag). AF
Atemfrequenz, PEEP positiver endexspiratorischer Druck, Pinsp Inspirationsdruck, tinsp Inspirationszeit
ja nicht selber „zieht“, sondern das Gerät das über- direkt über die Einstellungsoption tinsp („inspira-
nimmt) von z. B. 500 ml verabreicht wird. Multi- tion time“) oder zweitens indirekt über die Einstel-
pliziert mit der eingestellten Atemfrequenz von 15, lungsoption AF (Atemfrequenz). Würde die AF in
kommt der Patient auf ein Minutenvolumen von 7,5 l . Abb. 3.12 von 15 auf 10 reduziert werden, die Ins-
(was nur wirklich große Menschen oder Kranke mit pirationszeit (tinsp) aber nicht nachreguliert werden,
einem hohen CO2-Anfall bzw. Menschen in aktiver dann resultierte aus der vorgenommenen Verände-
Bewegung benötigen). rung ein I:E von 1:2 oder eine Inspirationszeit von
Das Verhältnis von der Inspirations- zur Exspi- 2 s (wurde ja nicht verändert) zu einer Exspirations-
rationszeit ist hier 1:1, d. h. die Einatemphase ist zeit von 4 s. Bei einigen Geräten lässt sich die AF gar
genauso lang wie die Ausatemphase. Bei Gesunden nicht einstellen, sondern resultiert aus der eingestell-
(in Ruhe) beträgt das Verhältnis 1:2 und bei COPD- ten Inspirationszeit (tinsp).
Patienten muss darauf geachtet werden, dass die Aus- Unter dieser Einstellung hatte Frau Brandenburg
atemphase auch etwa diesem Verhältnis entspricht, sich nicht verbessert, denn wie an der BGA „B“ zu
damit sie ihr CO2 „loswerden“ können (sie haben sehen ist, hatte sich ihr pCO2 noch weiter erhöht und
häufig eine verlängerte Exspirationsphase). Frau der pH wurde entsprechend niedriger (Azidose). Mit
Brandenburg war deshalb etwas anders eingestellt der eingestellten AF wurde ein MV von 4,5 l appli-
(. Abb. 3.12). ziert und zusätzlich hat sie 2 l dazugeatmet (untere
Die Inspirationszeit am Gerät kann durch zwei Bereiche = E), sodass sie auf ein MV von insge-
Einstellungsmöglichkeiten verändert werden, erstens samt 6,5 l kam (maschinell plus spontan). Weil ihr
44 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
Druck [mbar]
tinsp = 2 sec 25
I:E=1:2
3 AF = 10/min
ASB = 12mbar 20
= Pinsp oder P-hoch
= Eigenatmung
15
= PEEP oder P-tief
= ASB
10
= Trigger
0
0 2 4 6 8 10 12 Zeit [sec]
. Abb. 3.13 BIPAP/ASB mit vorhandener Spontanatmung (Einstellung von Frau Brandenburg am 1. Therapietag um
BGA „B“ zu verbessern). AF Atemfrequenz, ASB assistierte Spontanatmung, PEEP positiver endexspiratorischer Druck,
tinsp Inspirationszeit
das nicht ausreichte, um das CO2 zu eliminieren, und zusätzlich hat sie 3,9 l dazugeatmet (mittlere
wurden zwei Veränderungen am Gerät vorgenom- Bereiche), sodass sie auf ein MV von insgesamt
men. Der Inspirationsdruck (P-hoch) wurde um 9,9 l kam (maschinell plus spontan). Ihre Blutga-
4 mbar von 18 auf 22 erhöht und die BIPAP-Funk- sanalyse (BGA „C“) weist jetzt einen Kohlendi-
tion wurde mit der ASB(= DU oder PS)-Funktion oxidwert (pCO2) von 50 mmHg auf und hat sich
kombiniert. Dadurch ist es der Patientin möglich, damit verbessert. Der pH ist folglich angestiegen
die eigenen Atembemühungen in den Exspirations- und die Patientin ist nicht mehr ganz so übersäu-
phasen durch den Respirator unterstützt zu bekom- ert. Sie wurde zunehmend wacher und orientierter
men. Der ASB wurde auf 12 mbar gestellt und wird (= Heraustreten aus der CO2-Narkose). Allerdings
jedes Mal vom Gerät gegeben, wenn sie den Trigger weist die BGA „C“ noch immer eine respiratorische
auslöst (. Abb. 3.13). Azidose auf.
In der Abbildung ist erkennbar, dass Frau Bran- Zu bedenken ist, dass Frau Brandenburg mit
denburg jedes Mal, wenn sie einatmen will („trig- Beatmungsdrücken von >20 mbar Gefahr läuft, dass
gert“), einen Hilfsdruck von 12 mbar erhält, der auch Luft in den Magen gelangen kann (Rossaint et
auf ihr PEEP-Niveau (+7) „draufgesetzt“ wird al. 2008). Auf Dauer kann das zum Erbrechen führen
(insgesamt erreicht sie einen Druck von 19 mbar und würde die Gefahr einer zusätzlichen Aspira-
(PEEP+ASB). Sie kann jetzt ein höheres AZV errei- tionspneumonie provozieren. NIV-Patienten sollen
chen, da sie diesen Hintergrunddruck bekommt. deswegen mit dem Oberkörper hoch gelagert werden
Auch der Inspirationsdruck der vorgegebenen und in Sichtweite bleiben. Zu Beginn einer NIV-The-
maschinellen Atemhübe erreicht jetzt 22 mbar und rapie werden folgende Grundeinstellungen empfoh-
somit ein größeres Hubvolumen (Tidalvolumen). len (Roberts et al. 2008):
Dadurch kann sie zusätzlich mehr CO2 abatmen. 55 Pinsp ca. 10 mbar
Mit der eingestellten AF (10) wurde ein MV von 55 PEEP ca. 4–5 mbar oder
6 l appliziert (schraffierte AZV durch das Gerät) 55 ASB ca. 10 mbar/CPAP ca. 4–5 mbar
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
45 3
Diese Einstellungen werden von den meisten Pati-
. Tab. 3.6 Kontraindikationen zur nichtinvasiven
enten toleriert und müssen nach BGA-Kontrollen Ventilation
adaptiert werden (Plant et al. 2000).
Absolute Relative
Maheshwari et al. (2006) haben in ihrer Studie zeigen Gastrointestinale Schwerer Sekretverhalt trotz
Blutung Bronchoskopie
können, dass ein Großteil des medizinischen Perso-
nals in der Akutversorgung unzureichendes Wissen Fehlende Kreislaufinstabilität
Schutzreflexe (kardiogener Schock,
zur NIV hat. Schulungen und Einweisungen für das
(Aspirationsgefahr) Myokardinfarkt)
Personal sind deswegen obligat.
Schwere Hypoxämie oder
Die in . Tab. 3.6 aufgeführten Kontraindikatio-
Azidose (pH <7,1)
nen gilt es zu beachten (BTS 2002).
Ileus Anatomische oder subjektive
(Aspirationsgefahr) Maskeninkompatibilität
(Ablehnung des Patienten)
3.3.9 Überwachung und Analyse
arterieller Blutgasanalysen Frische obere
gastrointestinale Operation
CO2 geht eine chemische Reaktion mit Wasser Milchsäure (Laktat) kann übrigens auch in der BGA
(H2O) ein und reagiert zur Kohlensäure (H2CO3). abgelesen werden.
Diese Kohlensäure kann sich dann in „saure Anteile“ Ursachen für eine Übersäuerung (Azidose)
(H+-Ionen) und in „basische Anteile“ wie das Bikar- können also stoffwechselbedingt (metabolisch) oder
bonat (HCO3–) auflösen. Chemisch ist das mit fol- atmungsbedingt (respiratorisch) sein:
gender Gleichung darstellbar: 55 Diabetisches Koma (metabolisch)
55 Nierenversagen (metabolisch)
CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3– 55 Schock (metabolisch)
55 Hohes Fieber (metabolisch)
Wichtig ist, dass die Kohlensäure (in der Mitte der 55 Marathonlauf eines Untrainierten
Gleichung) sich sowohl nach links als auch nach (metabolisch)
rechts auflösen kann! Dass heißt für den Körper, 55 Falsch eingestelltes NIV-Gerät (respiratorisch)
dass er im Falle einer Übersäuerung mit Hilfe der 55 Respiratorische Insuffizienz bei COPD wie bei
Lunge CO 2 abatmen kann (linke Seite der Glei- Frau Brandenburg (respiratorisch)
chung). Er kann aber auch mit Hilfe der Niere die 55 Störung des Atemantriebs (Schädelverlet-
Wasserstoffionen über den Urin ausscheiden und zungen, Opioidgabe) (respiratorisch)
das Bikarbonat zurückbehalten (rechte Seite der 55 Störungen der Atempumpe (neuromuskuläre
Gleichung). Krankheitsbilder) (respiratorisch)
55 Emphysem, Asthma, Pneumonie
> Die Lunge kann den Anteil an überschüssigen (respiratorisch)
Wasserstoffionen sehr schnell regulieren. Die
Niere gleicht hingegen eher langsam aus. Respiratorische Azidose Mit Blick auf die BGA „B“
von unserer Patientin können wir jetzt eine tiefere
Im Körper können auch noch andere Säuren auftre- Analyse betreiben, indem der pH und das paCO2 ein-
ten. Wenn z. B. aus Fettsäuren Acetessigsäuren und deutig zeigen, dass die Störung respiratorisch bedingt
β-Hydroxybuttersäuren entstehen, fallen H+-Ionen ist. Es liegt eine respiratorische Azidose vor (. Tab. 3.9).
an. Auch beim Proteinabbau (Aminosäuren) pas-
siert das, allerdings in geringerem Maße. Im Falle CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3–
einer anaeroben Glykolyse (Glukosestoffwechsel, bei
dem nicht genug O2 zur Verfügung steht) fallen saure Frau Brandenburg wird das CO2 (linke Seite der
Valenzen in Form von Milchsäure an. Das Salz der Gleichung) nicht los und in ihrem Körper häuft sich
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
47 3
pH 7,28 pH 7,11
paO2 73 mmHg paO2 100 mmHg
paCO2 50 mmHg paCO2 83 mmHg
BE –4,1 mmol/l BE –6,3 mmol/l
HCO3 23,5 mmol/l HCO3 28,9 mmol/l
Kohlensäure an (pH ist zu niedrig). Um ihr zu helfen, scheidet in dem sauren Zustand (BGA „B“) vermehrt
wird mittels des NIV-Verfahrens der Pinsp und der H+-Ionen aus und hält Bikarbonat zurück (rechte
ASB erhöht, wodurch sich das Tidal- und folglich Seite der Gleichung).
auch das Atemminutenvolumen erhöhen. Dadurch
kann sie das CO2 besser eliminieren (. Abb. 3.9). CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3–
Dass diese Maßnahme richtig war, zeigt die BGA,
die einige Stunden später (Folgetag) abgenommen Dadurch versucht die Patientin über ihre Niere, den
wurde (BGA „C“) (. Tab. 3.10). sauren Zustand des Körpers zu kompensieren (aus-
Der pH reguliert sich durch das abgeatmete CO2 zugleichen). Erkennbar ist das in der BGA „B“ am
(der Anteil an Kohlensäure in ihrem Körper hat sich erhöhten HCO3–. In BGA „C“ hat dieser Kompen-
verringert und es liegen weniger Wasserstoffionen sationsmechanismus bereits etwas nachgelassen, was
(H+) vor. Weil diese BGA aber immer noch einen am normwertigen Bikarbonatwert (23,5 mmol/l)
niedrigen pH und ein erhöhtes paCO2 aufweist, liegt abzulesen ist.
weiterhin eine respiratorische Azidose vor. Um das Wenn beispielsweise die Nieren versagen
Verhalten der Basen näher zu analysieren, gibt es die und nicht mehr an der Regulation des Säure-Ba-
beiden Messwerte für den Basenüberschuss oder sen-Gleichgewichtes teilhaben können, kann eine
„base excess“ (BE) und das Bikarbonat HCO3–. An stoffwechselbedingte (metabolische) Übersäuerung
den beiden BGAs ist zu erkennen, dass Frau Bran- auftreten. Auch diese Störung ist mit der Analyse der
denburg insgesamt zu wenig Basen im Organismus Blutgase erkennbar.
hat (BE ist zu negativ). Das liegt daran, dass alle im
Körper zur Verfügung stehenden Basen „verpuffert“ Metabolische Azidose Ein Patient auf der IMC
worden sind. Gemeint sind bestimmte Proteine oder scheidet keinen Urin mehr aus, weil er in ein Nie-
Phosphorverbindungen, die eher basisch als sauer renversagen geraten ist. Dann könnte die BGA wie
sind. Diese wurden verwendet, um das „Zuviel“ an in . Tab. 3.13 aussehen.
H+-Ionen zu binden und so dem Übersäuerungspro- Dieser Patient kann weder H+-Ionen über die
zess entgegenzuwirken (= Puffer). Nieren ausscheiden noch HCO3– mittels der Niere
Beim Rückgang von CO2 (BGA „B“ im Vergleich zurückhalten. Sein renales Puffersystem versagt.
zu BGA „C“) nimmt auch der negative BE einen Die Wasserstoffionen steigen an (pH nimmt ab), das
Verlauf in Richtung einer stattfindenden Regulation Bikarbonat ist verpuffert und kann nicht zurückge-
zur Ausgeglichenheit des Säure-Basen-Status (von halten werden (HCO3– sinkt ab). Die Differenz der
–6,3 zu –4,1 mmol/l) (. Tab. 3.11, . Tab. 3.12). nachweisbaren Pufferbasen gegenüber dem norma-
Allerdings hat Frau Brandenburg es noch nicht len Pufferbasengehalt (= BE) nimmt zu, sodass der
geschafft, sich wieder in den normalen Referenzwert BE negativer wird.
zu regulieren (–3 bis +2 mmol/l). Diesem Patienten kann mit einer Blutreinigung
Eine Analyse des Bikarbonats lässt folgende (Dialyse) geholfen werden. Die BGA allein reicht
Überlegung zu: Die Niere von Frau Brandenburg zu einer nierenspezifischen Diagnose nicht aus. Es
48 Kapitel 3 · Unterstützung und Förderung der Atmung
pH 7,28 pH 7,11
paO2 73 mmHg paO2 100 mmHg
3 paCO2 50 mmHg paCO2 83 mmHg
BE –4,1 mmol/l BE –6,3 mmol/l
HCO3 23,5 mmol/l HCO3 28,9 mmol/l
müssen zusätzliche Parameter (z. B. Harnstoff, Kre- die Hyperventilation). Der Organismus hat einen
atinin, Elektrolyte) und das klinische Gesamtbild positiven Basenüberschuss, weil alle Säuren bereits
beurteilt werden. Zum Verständnis einer metaboli- verpuffert sind und weil die Verluste von Kohlen-
schen Azidose ist diese fiktive BGA aber hilfreich. säure durch die falsche Geräteeinstellung anhalten
(Verluste über die Abatmung/Lunge). Das Bikarbo-
z Wann wird ein Organismus basisch nat (was auch eine Base ist) ist ebenfalls zu hoch. Bei
(alkalisch)? diesem Patientenbeispiel muss der ASB reduziert
Eine Alkalose (egal, ob respiratorisch oder meta- bzw. das Atemminutenvolumen gesenkt werden!
bolisch verursacht) ist eine Störung des Säure- Verliert der Körper aber Säuren über andere
Basen-Haushaltes, die ein Ansteigen des pH im Blut Organe (stoffwechselbedingt und nicht respirato-
bewirkt. Liegt der pH-Wert im Blut über 7,45, spricht risch verursacht), dann kann daraus eine metaboli-
man von einer Alkalose. Ursache dafür sind Verluste sche Alkalose resultieren.
von Säuren (H+-Ionen), die iatrogen oder krank-
heitsbedingt begründet sein können. Wird z. B. eine Metabolische Alkalose Wir nehmen an, ein IMC-
NIV-Beatmung nicht patientengerecht eingestellt, Patient nach einem abdominellen chirurgischen
kann es vorkommen, dass der Patient eine respira- Eingriff und liegender Magensonde wird postope-
torische Alkalose entwickelt. rativ auf der Abteilung überwacht. Bei der Flüssig-
Ein Blick auf die Gleichung macht deutlich, dass keitsbilanz stellt die Pflegekraft fest, dass er 2,5 l an
Kohlensäure sowohl über die Lunge als auch über Magensekreten in den letzten 24 h über die Magen-
die Niere durch ihre Dissoziation (ihren chemischen sonde verloren hat. Damit hat er Säuren verloren,
„Zerfall“) als CO2 (Lunge) oder H+-Ionen (Niere) eli- die ihn in den Status einer metabolischen Alkalose
miniert werden kann. gebracht haben können. Die BGA könnte dann wie
in . Tab. 3.15 aussehen.
CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3– Der pH ist zu hoch (zu wenig H+-Ionen) und der
pCO2 im oberen Normbereich (die Ursache ist also
Respiratorische Alkalose Wird bei der NIV-Beat- nicht respiratorisch bedingt). Der Organismus hat
mung der ASB beispielsweise so hoch eingestellt, dass einen positiven Basenüberschuss, weil alle Säuren
der Patient Tidalvolumina von 1000 ml atmet und bereits verpuffert sind und weil die Verluste von
dabei eine AF von 16 hat, dann käme er auf ein Atem- Magensäuren über die Magensonde anhalten. Das
minutenvolumen von 16 l (AZV×AF=AMV). Das wäre Bikarbonat (das auch eine Base ist) ist ebenfalls zu
erstens zu viel und zweitens würden bei derart hohen hoch. Diesem Patienten kann nicht über die Atmung,
Zugvolumina auch sogenannte Volutraumen (Lungen- sondern z. B. durch die Verbesserung der Magen-
schädigungen) entstehen (Bein u. Pfeifer 2007). Darm-Passage (besserer Transport) geholfen werden.
Eine BGA bei dieser falschen Einstellung könnte Ähnliche Blutgasveränderungen lassen sich
etwa so wie in . Tab. 3.14 aussehen. nicht selten dann finden, wenn Patienten mehrfach
Der pH ist zu hoch (zu wenig H+-Ionen) und mit Diuretika (z. B. Furosemid) therapiert wurden.
der pCO2 zu niedrig (Kohlendioxidverluste durch Durch die vermehrte Urinproduktion scheidet die
3.3 · Atemfördernde und unterstützende Maßnahmen
49 3
. Tab. 3.12 Blutgasanalyse C: Tag 2 morgens . Tab. 3.14 BGA: Respiratorische Alkalose
(arterielle BGA, Intensivstation, NIV-Beatmung FiO2
0,35) pH 7,51
paO2 90 mmHg
pH 7,28
paCO2 26 mmHg
paO2 73 mmHg
BE 4,2 mmol/l
paCO2 50 mmHg
HCO3 29,9 mmol/l
BE –4,1 mmol/l
HCO3 23,5 mmol/l
pH 7,31 pH 7,49
paO2 83 mmHg paO2 90 mmHg
paCO2 37 mmHg paCO2 45 mmHg
BE –5,1 mmol/l BE 3,8 mmol/l
4.5 Grenzsituationen – 68
4.5.1 Akutsituationen als existenzielle Bedrohung – 69
4.5.2 Aspekte von Palliative Care – 70
Literatur – 72
Bei der Betreuung von Patienten auf einer Inter- Bedürfnisse der Station angepasste Notfallausrüs-
mediate-Care-Station werden wir häufig mit tung, die schnell griffbereit ist und mit deren Inhalt
Akutsituationen konfrontiert, die für den Patien- jeder Mitarbeiter vertraut ist, ermöglicht ein schnel-
ten mit einer lebensbedrohlichen vitalen Gefähr- les und sicheres Handeln.
dung einhergehen. Im ersten Teil dieses Kapitel
sollen neben allgemeinen Handlungsstrategien in Schulung und Fortbildung Schulungen und Fortbil-
Akutsituationen die Atemwegssicherung und die dungen im Team fördern fachlich kompetente Hand-
relevantesten Krankheitsbilder in Bezug auf die lungsabläufe. Sie geben Sicherheit im Umgang mit
4 Herz-Kreislauf-Funktion und den Stoffwechsel, den Akutsituationen. Bestehende Handlungsstrate-
die eine solche akute Situation hervorrufen, darge- gien können eingeübt, reflektiert und ggf. aktuali-
stellt und Handlungsstrategien aufgezeigt werden. siert werden.
Akutsituationen führen jedoch auch immer zu
Grenzerfahrungen und werden von Patienten und
deren Angehörigen häufig als existenzielle Bedro- 4.2 Sicherung der Atemwege
hung wahrgenommen. Des Weiteren müssen wir
uns in kritischen Grenzsituationen auch mit dem Die Sicherung der Atemwege ist im Rahmen der
Thema Tod und Sterben auseinandersetzen. Diese Notfallmedizin eine elementare Maßnahme. In den
Aspekte sollen in einem zweiten Teil aufgezeigt S1-Leitlinien zum Atemwegsmanagement werden
werden. 4 Ebenen der Atemwegssicherung unterschieden,
wobei die endotracheale Intubation bei maschinel-
ler Beatmung als Goldstandard gilt:
4.1 Allgemeine Handlungsstrategien 55 Unterstützte oder kontrollierte Beatmung
in Akutsituationen mittels einer Gesichtsmaske
55 Verwendung extraglottischer Atemwegshilfen
Hilfe anfordern Akute Notfälle erfordern ein wie z. B. Larynxmaske, Larynxtubus
schnelles, koordiniertes Handeln. Viele Maßnahmen 55 Endotracheale Intubation
müssen parallel durchgeführt werden (Information 55 Translaryngealer/transtrachealer Zugang
des Arztes, Patientenüberwachung, Vorbereitung (Piepho et al. 2015)
von Medikamenten). Je schneller und früher ein-
zelne Maßnahmen eingeleitet werden, desto gerin- Die wichtigsten Indikationen für eine Intubation
ger ist die Morbiditäts- und Mortalitätsrate. In jeder in der Notfallmedizin sind die zunehmende res-
Akutsituation muss von daher sofort Unterstützung piratorische Insuffizienz (7 Kap. 3), der Schutz vor
angefordert werden. Ebenso wichtig ist die sofortige Aspiration bei fehlenden und/oder eingeschränk-
Benachrichtigung des Arztes. ten Schutzreflexen z. B. im Rahmen einer neurolo-
gischen Eintrübung, das Freihalten der Atemwege
Koordination der Tätigkeiten Alle durchzuführen- bei zunehmender Schwellung im Larynxbereich bei
den Tätigkeiten müssen gut koordiniert werden. Auf- z. B. ausgeprägter Anaphylaxie und der Herz-Kreis-
gaben müssen in Notfallsituationen klar aufgeteilt lauf-Stillstand (Schäfer et al. 2011). Dabei unter-
werden, um einen reibungslosen Ablauf zu gewähr- scheidet sich die Notfallintubation in vielerlei Hin-
leisten. Hilfreich hierfür kann die Erarbeitung von sicht von einer geplanten Intubation. Viele Patienten
Algorithmen sein. weisen bei Indikationsstellung „Intubation“ bereits
respiratorische und kardiale Probleme in Form einer
Algorithmen/Notfallmanagement Algorithmen für Hypoxämie und/oder Hyperkapnie sowie Hypoto-
die verschiedenen Notfallsituationen bieten jedem nie und Tachykardie auf. Eine Notfallintubation birgt
Mitarbeiter im Team eine klare Handlungsstruk- auch immer die Gefahr der Aspiration und gilt als
tur. Dadurch können Unsicherheiten vermieden Indikation für eine „rapid sequence intubation“, auch
werden. Die Fehlerquellen können durch ein struk- Ileuseinleitung oder Blitzintubation genannt (Kill u.
turiertes Vorgehen minimiert werden. Eine auf die Kratz 2010).
4.2 · Sicherung der Atemwege
53 4
z Vorbereitung des Patienten Führungsstab In den meisten Fällen erfolgt die
Trotz Akutsituation sollte der Patient über die bevor- Notfallintubation mit einem Führungsstab, welcher
stehende Maßnahme informiert werden. Um die vor der Intubation in den Tubus eingeführt wird.
Hypoxiegefahr zu vermeiden und die Apnoetole- Vor Einführen des Führungsstabs muss die Tubus-
ranz zu optimieren, erfolgt eine Präoxygenierung. innenwand mit einem Gleitmittel versehen werden.
Bei einer nichtinvasiven Ventilations(NIV)-The- Der Führungsstab darf nicht über die Tubusspitze
rapie wird diese mit 100% Sauerstoff fortgeführt. hinweg eingeführt werden, um Verletzungen zu
Alternativ erhält der Patient eine Sauerstoffmaske vermeiden.
(mit Reservoirbeutel und einem Flow von10 l/min).
Eine SpO2 (Sauerstoffsättigung im peripheren Blut) Laryngoskop Millerspatel (gebogener Spatel) in der
von >90% ist anzustreben. Sollte dies nicht mit den Regel in Größe 3 bei normalen Erwachsenen. Für
oben genannten Maßnahmen möglich sein, muss einen eventuellen schwierigen Atemweg ggf. McCoy-
der Patient mittels Handbeatmungsbeutel manuell Spatel. Dieser Spatel verfügt über eine bewegliche
beatmet werden. Hierbei ist zum einen darauf zu Spitze, welche über einen Hebel angehoben werden
achten, dass der Handbeatmungsbeutel mit einem kann (. Abb. 4.1). Das Laryngoskop muss vor der
Reservoirbeutel versehen und an den Sauerstoff Intubation auf Funktionstüchtigkeit hin überprüft
angeschlossen ist, zum anderen, dass der Beat- werden.
mungsdruck möglichst niedrig gehalten wird, um
eine Aspiration zu vermeiden. Optimalerweise Weitere Materialien Weiterhin werden benötigt:
erfolgt die Präoxygenierung in Oberkörperhochla- eine Blockerspritze (10 ml), ein Gleitmittel, ein Ste-
gerung. Bei liegender Magensonde sollte der Mage- thoskop und Fixiermaterialien (. Abb. 4.2). Um im
ninhalt abgesaugt werden. Die Überwachung des Falle einer Aspiration oder bei eingeschränkter Sicht
Patienten erfolgt monitorgesteuert und umfasst die durch Sekretverlegung schnell handeln zu können,
Herzfrequenz, den Blutdruck (invasiv oder nich- muss eine laufende, funktionstüchtige Absaugung
tinvasiv) und die Sauerstoffsättigung. Bei nichtin- mit konnektiertem Absaugkatheter bereitstehen.
vasiver Blutdruckmessung muss das Messintervall Zur manuellen Maskenbeatmung werden eine Beat-
angepasst werden, um einen Blutdruckabfall nach mungsmaske, ein Handbeatmungsbeutel sowie ein
Narkoseinduktion frühzeitig zu erkennen und zu Güdeltubus bereitgehalten (. Abb. 4.3).
behandeln. Um eventuelle Intubationsschwierigkei-
ten vorherzusehen, sollten folgende Faktoren begut- z Medikamente zur Intubation
achtet werden: 55 Analgosedierung:
55 Verletzungen, krankheitsbedingte Verän- 44Opioid (Sufentanil, Alfentanil, Fentanyl)
derungen oder Voroperationen im Mund-, 44Schnell wirksames Hypnotikum, z. B.
Nasen- und Rachenbereich (Tumoren, Propofol oder Thiopental
Bestrahlung, Struma, hoher gewölbter 44Schnell wirksames Muskelrelaxans, z. B.
Gaumen) Rocuronium
55 Vorstehende Schneidezähne 55 Notfallmedikamente:
55 Verminderte Mundöffnung 44Adrenalin, Noradrenalin (1:10, 1:100)
55 Kurzer dicker Hals 44Atropin
55 Eingeschränkte Reklination (Piepho et al. 2015) 44Ggf. Antiarrhythmikum
a b
55 Bei nicht nüchternen Patienten keine Zwischen- Die Larynxmaske besteht aus einem flexib-
beatmung (nur wenn SpO2-Abfall <90%) len, transparenten Kunststoffschlauch, an dessen
55 Durchführung der Laryngoskopie: unterem Ende sich ein ovales Luftkissen zur Blo-
44Öffnen des Mundes im Kreuz- oder ckung befindet. Die Auswahl der Größe erfolgt nach
Spreizgriff Gewicht und beträgt bei Frauen 3–4, bei Männern
44Übergabe des Laryngoskops (Spatel 4–5. Das Einführen der Larynxmaske erfolgt ohne
eingerastet) Laryngoskopie. Die Patientenlagerung erfolgt wie bei
44Visualisierung der Glottis der Intubation. Nach Öffnen des Mundes wird die
44Bei Problemen: Larynxmaske blind am harten Gaumen entlang vor-
–– Optimierung der Lagerung geschoben, wobei die Spitze im Bereich des oberen
–– Ggf. Lippe „weghalten“ ösophagealen Sphinkters zu liegen kommt. Nach
–– BURP („backward, upward and rightward erfolgreicher Platzierung der Larynxmaske wird
pressure“): Kehlkopf mit leichtem Druck diese der Größe entsprechend geblockt (Größe 3 bis
zur rechten Seite nach oben/unten zu 20 ml, Größe 4 bis zu 30 ml, Größe 5 bis zu 40 ml)
bewegen (Hildebrand u. Motsch 2007).
–– Wechsel des Laryngoskopspatels (McCoy) Der Larynxtubus und der Kombitubus werden
–– Ggf. alternative Atemwegshilfen (Larynx- ebenfalls blind am harten Gaumen entlang eingeführt.
tubus, Larynxmaske, Videolaryngoskop) Beide Tuben haben jeweils 2 Blockmanschetten, wobei
55 Anreichen des Tubus die untere im Ösophagus und die obere im Rachen-
55 Wenn der Tubus eingeführt ist, raum zu liegen kommt. Zwischen den beiden Block-
44Führungsstab entfernen manschetten befindet sich eine Öffnung, worüber
44Tubus blocken der Patient ventiliert werden kann. Nach regelhafter
44Überprüfung der korrekten Tubuslage Positionierung erfolgt die Blockung entsprechend der
44Auskultation (im Notfall immer erst über Größe. Der Larynxtubus darf während des Blockens
der Magengegend) nicht festgehalten werden, da er sich im Rachen noch
44Fixierung des Tubus einmal positioniert (Knipfler u. Kochs 2012)
z Extraglottische Atemwegshilfen
Die Larynxmaske, der Larynxtubus und der Kom- 4.3 Störungen der Herz-
bitubus sind im Rahmen der notfallmäßigen Atem- Kreislauf-Situation
wegshilfe bei Intubationsschwierigkeiten Hilfsmittel
von hoher Priorität (Larsen 2012). Alle genannten Eine akute Beeinträchtigung der Herz-Kreislaufsitu-
Atemwegshilfen sind in verschiedenen Größen ation stellt eine häufige Notfallsituation dar. Sie führt,
erhältlich. bedingt durch Einschränkung der Herzfunktion
4.3 · Störungen der Herz-Kreislauf-Situation
55 4
auch immer zu einer Minderperfusion der Organe. Zu Beginn eines Schockgeschehens reagiert der
In der Folge kommt es zu einem eingeschränkten Körper mit einer Reihe von Kompensationsme-
Sauerstoff- und Substratangebot sowie einer Anhäu- chanismen mit dem Ziel, die Durchblutung der
fung von Metaboliten. Ursachen von Störungen der lebenswichtigen Organe (Herz, Lunge und Gehirn)
Herz-Kreislauf-Funktion sind Schock, Herzinsuf- aufrechtzuerhalten. Durch Aktivierung des sympa-
fizienz, das akute Koronarsyndrom, die hyperten- thischen Nervensystems und der damit verbundenen
sive Krise, Lungenödem und Lungenembolie sowie Ausschüttung endogener Katecholamine kommt es
Herzrhythmusstörungen. anfangs zu einer Stimulierung der Atmung und der
Herz-Kreislauf-Funktion. Das Herzminutenvolu-
men wird durch den Anstieg der Herzfrequenz und
4.3.1 Schock und Schockformen die Zunahme der Kontraktionskraft gesteigert. Die
afferenten Arteriolen in den weniger lebenswichti-
Der Schock ist immer eine lebensbedrohliche Situ- gen Gefäßgebieten kontrahieren, ebenso die venösen
ation für den Patienten. Auf der Basis unterschied- Gefäße, wodurch es zu einer Steigerung des periphe-
licher Ursachen kommt es zu einer kritischen ren Gefäßwiderstandes, des arteriellen Blutdrucks
Abnahme der Organdurchblutung und somit zu und des venösen Rückstroms kommt. Durch die Zen-
einem schweren Sauerstoffmangel der Gewebe tralisation wird das intravaskuläre Volumen durch
(Larsen 2012). den Einstrom von interstitieller Flüssigkeit aus den
Je nach auslösender Ursache werden folgende Geweben gesteigert. Bedingt durch die Zentralisation
Schockformen unterschieden: kommt es jedoch auch zu einer Gewebehypoxie mit
55 Hypovolämer Schock vermehrtem Anfall saurer Substanzen (Larsen 2012).
55 Kardialer Schock Im späteren Verlauf kommt es zu einer Dekompen-
55 Septischer Schock sation mit Hypotonie, Tachykardie, kaltschweißiger,
55 Neurogener Schock blasser Haut, Bewusstseinseintrübung und vermin-
55 Anaphylaktischer Schock derter Urinproduktion (Ziegenfuß 2014).
56 Kapitel 4 · Akut- und Grenzsituationen
4 Organdysfunktion Eine Organdysfunktion kann durch eine Zunahme von ≥2 Punkten im SOFA-Score aufgrund
einer Infektion erkannt werden.
SOFA-Score • paO2/FiO2 ratio (Horowitz index)
(Sequential [Sepsis • Glasgow Coma Skala
related] Organ • Mittlerer arterieller Blutdruck
Failure Assessment • Gabe von Vasopressoren
Score) • Serumkreatinin oder Urinausscheidung
• Bilirubin
• Thrombozytenzahl
Septischer Kreislaufreaktion +zelluläre und metabolische Veränderungen sind so tiefgreifend, dass das
Schock Sterberisiko deutlich erhöht ist.
Klinische Kriterien
→ persistierende Hypotension, bei der Vasopressoren eingesetzt werden müssen,
um einen mittleren arteriellen Druck von ≥65 mmHg zu erreichen
→ Anstieg der Laktatkonzentration >2 mmol/l trotz ausreichender Flüssigkeitszufuhr
55 Opiate, Morphin, als Analgetikum der Wahl. Bei Sätzen wie „Sie brauchen keine Angst zu haben!“
Piritramid bei kardiozirkulatorisch instabilen oder „Es wird nicht wehtun“ wird der Patient auf-
Patienten grund eingeschränkter Abstraktion lediglich die
55 Beginn der gerinnungshemmenden Therapie Signalworte „Angst“ und/oder „wehtun“ wahrneh-
zur Vermeidung einer zunehmenden Throm- men. Alternative Formulierungen wie „Wir werden
bosierung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und gut auf Sie aufpassen und alles tun, damit es Ihnen
Heparin gut geht“ oder „Es kann sein, dass Sie es spüren, das
55 Bei Diagnosestellung STEMI sollte die Rekana- wäre ganz normal“ können dem Patienten Sicher-
4 lisierung schnellstmöglich erfolgen (Ziegenfuß heit und Vertrauen vermitteln. Eine weitere Mög-
2014, Brock et al. 2014; GRC 2015). lichkeit, dem Patienten Sicherheit und Vertrauen zu
vermitteln, bietet der „safe place“, ein Ort des Rück-
z Pflege- und Überwachungsschwerpunkte zugs, der inneren Ruhe. Fragen wie „Sicherlich gibt
55 In der Akutphase des ACS stehen die Überwa- es einen Ort, an dem Sie jetzt lieber wären als hier?“
chung und die psychische Betreuung des oder „An welchen Ort denken Sie besonders gerne?“
Patienten im Vordergrund. können dem Patienten helfen, diesen Ort für sich als
Möglichkeit der Entspannung zu entdecken. Hierbei
Monitoring sollte die Vorstellungskraft des Patienten mit weite-
55 Herzfrequenz und Herzrhythmus ren Fragen nach z. B. Geruch oder Farben des Lieb-
55 Blutdruck nicht invasiv/invasiv lingsortes gefördert werden. Je intensiver der Patient
55 Pulsoxymetrie/Atmung seinen Lieblingsort spürt, desto intensiver ist die Ent-
55 Temperatur spannung (Hansen u. Bejenke 2010).
55 Neurologie: Bewusstsein, Pupillen, Motorik:
Insbesondere bei Lysetherapie besteht eine Körperpflege und Prophylaxen In der Akutphase
akute Blutungsgefahr haben die Patienten absolute Bettruhe. Die Körper-
55 Schmerzen pflege erfolgt durch das Pflegepersonal, eine beruhi-
55 Magen-Darm-Passage: Der Patient darf gende Ganzkörperwaschung kann Vertrauen auf-
sich auf keinen Fall bei der Defäkation bauen und für den Patienten entspannend wirken,
anstrengen. ebenso die Verwendung eigener Pflegeartikel und die
Berücksichtigung der Patientengewohnheiten und
Psychische Betreuung/Kommunikation Patienten -wünsche. Generell gilt es auch bei der Körperpflege
mit einem ACS befinden sich in einem Ausnahme- jegliche Art von Stress zu vermeiden. Bei auftreten-
zustand. Das Krankheitsbild ist geprägt von Todes- den Beschwerden oder Aufregung im Rahmen der
angst. Eine solche Extremsituation führt zu einer Pflegemaßnahmen werden diese sofort unterbro-
erhöhten Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit chen. Bedingt durch die Immobilisierung müssen
für Suggestionen. Patienten nehmen ihre Umge- insbesondere folgende Prophylaxen durchgeführt
bung und alles, was für sie von Bedeutung ist, kon- werden: Pneumonie-, Thrombose-, Dekubitus- und
zentrierter wahr. Negativsuggestionen wie z. B. die Obstipationsprophylaxe (Bolanz et al. 2008; Knipfer
Aussage „Es kann wehtun“, können in dieser Situ- u. Kochs 2012).
ation Schmerzen und Angst verstärken und somit
Stress hervorrufen, welcher wiederum negative Aus-
wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hat. Der 4.3.3 Herzinsuffizienz
hypnotische Kommunikationsansatz kann ein hilf-
reiches Instrument sein, den Patienten vor Angst, Als Herzinsuffizienz wird ein Zustand bezeichnet, in
Stress, Schmerzen und Nebenwirkungen zu schüt- dem das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Orga-
zen. Bei dieser Art der Kommunikation geht es nismus mit Blut zu versorgen. Die auslösenden Ursa-
darum, dem Patienten durch Positivsätze Angst zu chen sind vielfältig, wobei kardiale Erkrankungen bei
nehmen und negative Suggestionen zu vermeiden. der Entstehung eine wesentliche Rolle spielen.
4.3 · Störungen der Herz-Kreislauf-Situation
61 4
Das klinische Bild der Linksherzinsuffizienz zeigt 4.3.4 Hypertensive Krise/
sich anfangs in einer Belastungsdyspnoe, die später Hypertensiver Notfall
in eine Ruhedyspnoe übergehen kann. Grund hierfür
ist das durch die eingeschränkte linksventrikuläre Definition Als hypertensive Krise wird ein plötz-
Funktion entstehende interstitielle Lungenödem. lich auftretender kritischer Blutdruckanstieg
(>230/120 mmHg) ohne Zeichen einer hypertensi-
Symptome Weitere Symptome sind: ven Organschädigung bezeichnet. Bei einem hyper-
55 Stauungsbronchitis tensiven Notfall treten im Zusammenhang mit dem
55 Auskultatorische basale Rasselgeräusche des kritisch erhöhten Blutdruck immer Zeichen einer
Thorax und Tachykardie Organschädigung auf (Ziegenfuß 2014).
55 Myokardinfarkt
55 Lungenembolie
55 Schock
Störungen, die unterhalb des AV-Knotens Adrenalin, alternative Pharmaka oder transkutaner
liegen, werden als ventrikuläre Rhythmusstörungen Schrittmacher.
bezeichnet wie z. B.: Eine medikamentöse Therapie erfolgt ebenfalls
55 Ventrikuläre Extrasystolen bei Gefahr einer Asystolie, AV-Block II. Grades,
55 Kammertachykardie (ventrikuläre totalem AV-Block mit einem breiten QRS-Komplex
Tachykardie) oder ventrikulären Pausen >3 min.
55 Kammerflimmern Bestehen keine lebensbedrohlichen Zeichen,
55 Kammerflattern erfolgt die weitere engmaschige Beobachtung.
4
Liegt die Störung oberhalb des AV-Knotens, bezeich- z Vorgehen bei Tachykardien mit
net man sie als supraventrikulär wie z. B.: tastbarem Puls
55 Sinusbradykardie 55 Sauerstoffgabe
55 Sinustachykardie 55 EKG
55 Supraventrikuläre Extrasystolen 55 Blutdrucküberwachung
55 Vorhofflattern 55 Überwachung der Sauerstoffsättigung
55 Vorhofflimmern 55 Abklärung und Behandlung reversibler
Ursachen (z. B. Elektrolytstörungen)
Nicht alle Herzrhythmusstörungen gehen mit einer
vitalen Gefährdung einher. Bei bedrohlichen Zeichen einer Instabilität wie
Kammertachykardie, Kammerflattern, Kam- 55 Schock,
merflimmern, Kammerasystolie, elektromechani- 55 Synkope,
sche Entkopplung und ein AV-Block III. Grades ohne 55 myokardiale Ischämie oder
effizienten Kammerersatzrhythmus gelten als absolut 55 Herzinsuffizienz
lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.
Potenziell gefährliche Herzrhythmusstörungen synchronisierte Kardioversion mit bis zu 3 Versu-
sind Vorhoftachykardie, Vorhofflattern, Vorhofflim- chen, Amiodaron (Cordarex) 300 mg i.v., ggf. weitere
mern, AV-Block II. und III. Grades. Kardioversion und Amiodaron 900 mg/24 h.
Bei stabilen Kreislaufverhältnissen erfolgt eine
z Vorgehen bei Bradykardien mit medikamentöse Therapie und fortlaufende Über-
tastbarem Puls wachung. Häufig verwendete Medikamente sind
55 Sauerstoffgabe Amiodaron, Adenosin, β-Blocker und Kalziuman-
55 EKG tagonisten wie Diltiazem, z. B. Dilzem (Ziegenfuß
55 Blutdrucküberwachung 2014).
55 Überwachung der Sauerstoffsättigung
55 Abklärung und Behandlung
reversibler Ursachen (z. B. 4.4 Störungen des Stoffwechsels
Elektrolytstörungen)
Der Stoffwechsel der Patienten wird durch vielfältige
Bei bedrohlichen Zeichen einer Instabilität wie Faktoren beeinflusst.
55 Schock, Neben den Grunderkrankungen sind zu nennen:
55 Synkope, 55 Immobilität
55 myokardiale Ischämie oder 55 Medikamente/Multipharmazie
55 Herzinsuffizienz 55 Künstliche Ernährung
55 Stress
Atropin (0,5 mg i.v.).
Sollte keine ausreichende Reaktion eintre- Die meisten Stoffwechselentgleisungen treten nicht
ten: Atropingabe bis maximal 3 mg, Isoprenalin, plötzlich auf. Durch eine adäquate laborchemische
4.4 · Störungen des Stoffwechsels
67 4
Überwachung können beginnende Störungen meist Die Letalitätsrate ist bei der zweiten Form dreimal so
frühzeitig erkannt und behoben werden. hoch wie bei Diabetes Typ 1.
Zur schnellen Diagnosesicherung bieten sich
> Massive Stoffwechselentgleisungen gehen die kapilläre Blutzuckerbestimmung und ein Urin-
nicht selten mit einer vitalen Gefahr für den schnelltest (Harnglukose stark positiv, spezifisches
Patienten einher. Uringewicht erniedrigt) an. Bei liegender arteriel-
ler Kanüle sollte die Abnahme einer Blutgasanalyse
erfolgen (metabolische Azidose, Hyperkapnie).
4.4.1 Hypo- und Hyperglykämie
Therapie
Während eine Hypoglykämie plötzlich auftritt, 55 Volumen, da sich bei einer Hyperglykämie
entwickelt sich eine Hyperglykämie in der Regel auch immer ein Volumenmangel entwickelt.
langsam. Beide gehen jedoch mit einer Veränderung 55 Blutzuckerausgleich unter strenger Überwa-
des Bewusstseins bis hin zum Koma einher. chung des Patienten. Der Blutzucker sollte
langsam gesenkt werden, da ansonsten die
z Hyperglykämie Entwicklung eines Hirnödems droht.
Die Ursachen einer Hyperglykämie liegen in einem 55 Ausgleich der Azidose und respiratorische
erhöhten Insulinbedarf (übermäßige Glukosezufuhr) Überwachung, um eine Dekompensation
oder einer fehlenden/verminderten Insulinzufuhr. frühzeitig zu erkennen.
Die Symptome der Hyperglykämie sind vielfäl- 55 Im Verlauf der Therapie kann es immer zu
tig. Neben den eher unspezifischen Symptomen wie einer Hypokaliämie kommen, eine regelmäßige
55 Verwirrtheit, Überwachung des Kaliumwertes ist daher von
55 Tachypnoe, besonderer Bedeutung.
55 Exsikkose
z Hypoglykämie
treten zusätzlich Bei der Hypoglykämie sinkt die Blutglukosekonzen-
55 Polydipsie, tration auf Werte unter 40–50 mg/dl ab.
55 Polyurie Häufige Ursachen sind
55 Überdosierung von Insulin oder oralen
und eine Kussmaul-Atmung zur Kompensation der Antidiabetika
metabolischen Azidose auf. 55 Unzureichende Nahrungsaufnahme
Bei einem hyperglykämen Koma unterscheidet 55 Nebenwirkungen von Arzneimitteln
man zwei Formen. 55 Hypokaliämie
Typisch für Diabetes mellitus Typ 1 ist das Auf-
treten von: > Bei Patienten mit parenteraler Ernährung
55 Ketoazidose (typisch fruchtiger Ausatemgeruch) (PE) mit parallel laufendem Insulinperfusor
55 Mäßig erhöhter Blutzucker muss bei Unterbrechung der PE auch sofort
55 Starkes Durstgefühl die Insulinzufuhr unterbrochen werden.
55 Ketonurie
55 Übelkeit Symptome Die Hypoglykämie äußert sich klinisch
55 Erbrechen in
55 Unruhe
Bei Diabetes mellitus Typ 2 kommt es hingegen zu: 55 Angstgefühl
55 Stark erhöhtem Blutzucker bei normaler 55 Herzklopfen
Atmung mit einem eher altersbedingt 55 Tachykardie
gestörtem Durstempfinden 55 Blutdruckanstieg
55 Schock mit Exikkose 55 Schweißausbrüchen
68 Kapitel 4 · Akut- und Grenzsituationen
4.5.2 Aspekte von Palliative Care Das Konzept der Basalen Stimulation bietet viel-
fältige Möglichkeiten in der palliativen Pflege von
Nach der Definition der WHO bedeutet Palliativme- Patienten. In Anlehnung an die zentralen Ziele des
dizin die Verbesserung der Lebensqualität von Pati- Konzeptes sollen einige Anregungen zur Organi-
enten und ihren Angehörigen, die mit einer lebens- sation der pflegerischen Versorgung der Patienten
bedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies gegeben werden.
geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden 55 Leben erhalten und Entwicklung erfahren
und dem frühzeitigen Erkennen, Einschätzen und 55 Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen
4 Behandeln von Schmerzen und anderen körperli- 55 Beziehung aufnehmen und Begegnung
chen und psychosozialen Beschwerden. Die Pallia- gestalten
tivpflege zeichnet sich durch einen ganzheitlichen 55 Das eigene Leben spüren
Ansatz aus, in dessen Mittelpunkt die Lebensquali- 55 Den eigenen Rhythmus entwickeln
tät der Patienten steht. Sie soll im Krankheitsverlauf 55 Die Außenwelt erfahren
frühzeitig zur Anwendung kommen. Um belastende 55 Sinn und Bedeutung geben
Komplikationen besser erkennen und behandeln zu 55 Sein Leben gestalten
können, schließt sie lebensverlängernde Therapie- 55 Autonomie und Verantwortung
maßnahmen wie Chemotherapie oder Bestrahlung
sowie notwenige Untersuchungen nicht aus. Ziel Leben erhalten und Entwicklung erfahren Dieses
der Palliativpflege ist es, die Leiden der Patienten zu Ziel verdeutlicht wohl am ehesten, dass Interme-
lindern und die Lebensqualität zu fördern. Die pfle- diate Care und Palliative Care zwei Konzepte sind,
gerische Versorgung der Patienten sollte von daher die fließend ineinander übergehen. Primär ist es
individuell gestaltet werden (Kränzle et al. 2011). Fol- wohl das Bedürfnis eines jeden Patienten, dass sein
gende Fragen bieten hier eine gute Hilfestellung zur Leben erhalten wird, dass ihm in seiner Akutsitua-
individuellen Pflegeplanung: tion geholfen wird. Die vorangegangenen Themen-
55 Was tut dem Patienten aus seiner Sicht gut? schwerpunkte dieses Kapitels zeigen dies deutlich
55 Was verbessert die Situation aus seiner Sicht? auf. Krankheit führt jedoch auch immer zu einer
55 Was möchte der Patient? Entwicklung. Die erste Mobilisation nach einem
55 Was ist aus fachlicher Sicht hilfreich und akuten Herzinfarkt, die erste Aufnahme oraler Kost
unterstützend? nach einer längeren Zeit der enteralen oder paren-
teralen Ernährung, die erste eigenständig durchge-
z Pflegeschwerpunkte führte Körperpflege. Entwicklungsschritte, die für
Biographiepflege Die Auseinandersetzung mit der den Patienten von elementarer Bedeutung sind.
Biographie lässt den Patienten zur Persönlichkeit Nicht jede Krankheit entwickelt sich jedoch hin zur
werden. Biographische Informationen können von Gesundheit. Bei schwerst chronisch kranken Patien-
Patienten und Angehörigen gewonnen werden. Die ten kann Entwicklung auch im Sinne des Erlernens
pflegerischen Maßnahmen werden unter Berück- von Strategien z. B. zur Symptomlinderung oder Ver-
sichtigung der Gewohnheiten und Vorleiben des haltensänderung verstanden werden. Betrachten wir
Patienten gestaltet. die Gesamtspanne unseres Lebens, so gehören auch
Tod und Sterben zur Entwicklung. Die eigene Gestal-
Symptomlinderung Die Linderung unangeneh- tung des Sterbeprozesses, das aktive Abschiedneh-
mer Symptome ist wesentlicher Bestandteil zur men kann für viele Patienten einen elementaren Ent-
Erhöhung der Lebensqualität. Hierzu gehören eine wicklungsschritt bedeuten. Das Ziel der basal stimu-
angemessene Schmerztherapie, pflegerische und lierenden Pflege liegt also sowohl in der Erhaltung
medikamentöse Maßnahmen zur Erleichterung der des Lebens als auch in der Unterstützung des Patien-
Atemnot, Linderung gastrointestinaler Symptome ten in Bezug auf seine individuelle Entwicklung.
wie Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und Diarrhö,
Hilfe bei Unruhezuständen in der Sterbephase und Sicherheit erleben und Vertrauen aufbauen Sicher-
die Behandlung von Juckreiz. heit erleben wir, wenn wir uns wahrgenommen
4.5 · Grenzsituationen
71 4
fühlen, wenn Handlungen nachvollziehbar und Geräuschen und Geräten umgeben. Das Blickfeld
verständlich sind. Pflegemaßnahmen, die in einem ist aufgrund der Lagerung und/oder Immobilität
immer wiederkehrenden Rhythmus erfolgen, ein des Patienten häufig eingeschränkt – Aspekte, die
strukturierter Tagesrhythmus, die kontinuierliche zu Unsicherheit, Angst oder gar zu einer verzerrten
Information des Patienten, die Beachtung der Auto- Wahrnehmung führen können und damit Belas-
nomie geben Sicherheit und Vertrauen. Die sugges- tungsfaktoren für den Patienten darstellen. Eine
tive Kommunikation (7 Abschn. 4.3.2) bietet auch an aufrechte Körperposition kann helfen, das Blickfeld
dieser Stelle eine sehr gute Möglichkeit, dem Patien- des Patienten zu verändern, Geräte wie Monitore
ten Sicherheit zu vermitteln. oder Infusionspumpen können gezeigt und erklärt
werden, das gibt dem Patienten zusätzlich Sicher-
Beziehung aufnehmen und Begegnung gestal- heit. Eine Uhr und persönliche Gegenstände schaf-
ten Um den Patienten in seiner Ganzheit betrach- fen Vertrauen.
ten zu können, müssen wir uns mit ihm als indivi-
duellem Menschen auseinandersetzen. Zum einen Sinn und Bedeutung geben Pflegehandlungen
kann dies durch die Biographiearbeit geschehen, sollten für den Patienten sinnhaft und nachvoll-
zum anderen durch nonverbale Signale des Patien- ziehbar sein. Nicht immer mag der Patient in einer
ten (Körperspannung, Tachykardie, Atemrhythmus), palliativen Situation die Notwendigkeit verschiede-
Durch die Gestaltung der individuellen Pflege unter ner Maßnahmen verstehen. Regelmäßige Aufklä-
Einbezug der Patientenbedürfnisse und einer geziel- rung und Information können helfen, den Sinn in
ten Reaktion auf die Signale des Patienten können bestimmten Handlungen zu finden.
wir Begegnung gestalten.
Autonomie und Verantwortung Hier geht es darum,
Das eigene Leben spüren Hier bietet sich die Inte- dem Patienten die Möglichkeit zu geben, in Entschei-
gration eigener Hygieneartikel an. Aber auch Lieb- dungen mit einbezogen zu werden. Bei Erschöpfung
lingsspeisen (kontextabhängig), bekannte Musik, eventuell belastende Tätigkeiten zu verschieben.
Stimmen oder Geräusche, Fotos aus dem „echten“ Palliativpflege bezieht jedoch auch die Ange-
Leben, Bademantel auf der Bettdecke, Schmusede- hörigen in den Pflegeprozess mit ein. Für sie ist es
cke, ein Lieblingskissen oder ein Talisman knüpfen manchmal sehr schwer, die Tatsache zu akzeptieren,
an das eigene individuelle Leben zu Hause an. Das dass keine „Hilfe“ mehr möglich ist. Sie brauchen
eigene Leben spüren bedeutet, auch sich selbst zu Verständnis, ein offenes Ohr und wiederholte Erklä-
spüren. Somatische Anregungen wie basal stimulie- rungen. Auch eine Einbindung in die Pflege kann
rende Körperwaschungen oder Massagen und die ihnen helfen und das Gefühl vermitteln, etwas tun
regelmäßige Positionierung bieten hier gute Mög- zu können. Hier bieten sich, gerade im Zusammen-
lichkeiten. Eine gute Möglichkeit bietet auch die Inte- hang mit dem Konzept der Basalen Stimulation, viele
gration der Aromatherapie. Möglichkeiten, z. B.:
55 Mitbringen von persönlichen Gegenständen
Den eigenen Rhythmus entwickeln In Bezug auf die 55 Vorlesen der Tageszeitung
Atmung bietet sich eine atemstimulierende Einrei- 55 Massagen mit Aromaölen
bung oder eine Kontaktatmung an. Ein rhythmischer 55 Mitbringen von Lieblingsspeisen
Tagesablauf kann Orientierung vermitteln, hierbei 55 Gestalten und Mitbringen von Bildern (Nydahl
sollte versucht werden, den gewohnten Tagesab- u. Bartoszek 2008).
lauf des Patienten zu berücksichtigen. Den eigenen
Rhythmus entwickeln bedeutet auch, Aktivität und Intermediate Care und Palliative Pflege sind zwei
Ruhe und die Gestaltung des Tag-Nacht-Rhythmus Konzepte mit teils unterschiedlichem Ansatz, die
einzuplanen. sich jedoch bei genauer Betrachtung sinnvoll ergän-
zen. Die vorangegangenen Ausführungen haben
Die Außenwelt erfahren Gerade auf einer IMC- gezeigt, dass wir uns bei schwerstkranken Menschen
Station wird der Patient von vielen ihm unbekannten nicht nur auf die Organsysteme beziehen dürfen, ja
72 Kapitel 4 · Akut- und Grenzsituationen
Schmerzmanagement auf
einer IMC-Station
C. Löwe
Literatur – 92
„Wie geht es Dir?“ – ist die erste Frage, die Sie Ihrem Bereich, oder Schutz des Körpers vor
Angehörigen stellen, wenn Sie ihn auf einer IMC-Sta- weiterer Schädigung durch Schonung des
tion besuchen. „Nicht so gut … ich habe Schmerzen“ verletzten Bereiches.
ist eine häufige Antwort. 3. Affektiv-motivationale Komponente
Stellen Sie sich vor, dass es Ihre Mutter/Ihr Kind/ a. Emotionale Bewertung des Schmerzereig-
Ihr Ehepartner ist, der Patient ist. Wie möchten Sie nisses – Wie schlimm ist die Verletzung/der
ihn oder sie behandelt wissen? Schmerz für mich?
Ihrem Angehörigen soll es gut gehen. Die 4. Kognitive Komponente
Behandlung soll in erster Linie erfolgreich sein, er a. Frühere Schmerzerfahrungen – habe ich
soll gesund entlassen werden – während der Behand- bereits Vorerfahrungen mit Schmerzen,
an was erinnert mich dieser Schmerz?
5 lung sollte er möglichst wenig bis keine Schmerzen
(Schmerzgedächtnisaktivierung)
haben. Wie können wir dies erreichen?
Zunächst einmal stellt sich die Frage: b. Bewertung der Situation (bedrohlich,
gefährlich, aussichtslos) – Wie muss ich
mich jetzt verhalten?
5.1 Was ist Schmerz und wie 5. Vegetative Komponente
entsteht er? a. Entspricht der Aktivierung des autonomen
Nervensystems – RR und HF-Anstieg,
» Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Atmung schneller und flacher, Übelkeit und
Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder Erbrechen
potenzieller Gewebsschädigung verknüpft ist
oder mit Begriffen einer solchen beschrieben
wird (IASP 1979). 5.1.2 Schmerzarten
> Schmerzerfassung muss Bestandteil der > Die Selbsteinschätzung des Patienten ist
5 pflegerischen Routine sein und sollte einer Fremdeinschätzung in jedem Fall
vorzuziehen.
44 mindestens einmal pro Schicht gemessen
werden,
Praxistipp
44 vor jeder pflegerischen Intervention
überprüft werden,
Sollte Ihr Patient mit der vorgegebenen
44 nach jeder schmerztherapeutischen
Skala nicht zurechtkommen, bieten Sie ihm
Maßnahme kontrolliert werden.
Alternativen an. Wenn einem Patienten eine
Skala „aufgezwungen“ wird, so wird auch
seine Kooperationswilligkeit sinken. Seine
5.2.1 Wie erfasse ich Schmerzen? Schmerzen in eine Skala einzuordnen, ist gar
nicht so einfach – probieren Sie es doch bei
Zunächst erheben Sie ein sogenanntes initiales sich selbst einmal aus.
Assessment, d. h. Sie fragen Ihren Patienten, ob er
Schmerzen hat und wie stark die Schmerzen sind.
Äußert der Patient keine Schmerzen, dann wieder- Die im Folgenden aufgezählten Skalen sind nur als
holen Sie die Befragung in regelmäßigen Abständen Beispiel aufgeführt, und erheben keinen Anspruch
oder bei den oben genannten Interventionen. auf Vollständigkeit.
Äußert der Patient Schmerzen, muss ein diffe-
renziertes Assessment durchgeführt werden, um die
Schmerzen adäquat behandeln zu können. Skalen zur Selbsteinschätzung
44 Verbale Analogskala: 0 = keine – 2 = leicht
z Differenziertes Assessment – 4 = mäßig – 6 = stark – 8 = sehr stark
55 Einschätzung in Ruhe und in Belastung – 10 = unerträglich
55 Lokalisation 44 Numerische Ratingskala: Einteilung
55 Qualität (Unterscheidung der von 0 = kein Schmerz bis 10 = stärkster
Schmerzarten) vorstellbarer Schmerz (diese Skala
55 Beginn, Dauer, Frequenz besitzt die höchste Reliabilität, ist am
55 Verstärkende/lindernde Faktoren einfachsten abfragbar und besitzt eine
55 Auswirkungen auf Alltag hohe Akzeptanz bei den Fragenden und
55 Schmerzmedikamentengebrauch den Befragten)
55 Stimmungslage 44 Visuelle Analogskala: Meist eine
55 Kognitiver Status (dieser ist wichtig, um die beidseitig verwendbare Schubskala, die
Selbsteinschätzungsfähigkeit der Patienten auf der einen Seite eine reine Farbskala
beurteilen zu können)
5.2 · Schmerzerfassung und Dokumentation
79 5
. Tab. 5.2 CPOT – Critical Care Pain Observation Tool. (Mod. nach Sessler et al. 2008)
Addition der Punktzahl für jede Kategorie – von 0 bis 8. Je höher der Punktwert, umso wahrscheinlicher ist eine
Schmerzmedikation erforderlich.
Bitte beachten: CPOT ist für den deutschen Sprachraum noch nicht validiert.
. Tab. 5.4 BISAD – Erhebung bezieht sich auf die Beobachtung vor der Mobilisation
Blick und Mimik Spontane Ruhehaltung Bewegung der Person Über die Beziehung zu
anderen
Entspanntes Gesicht Keine Schonhaltung Person bewegt sich wie Gleiche Art des Kontakts
gewohnt wie gewohnt
Sorgenvolles Gesicht Person vermeidet eine Person bewegt sich Kontakt ist schwerer
bestimmte Position wie gewohnt, vermeidet herzustellen als
aber bestimmte gewohnt
Bewegungen
Person verzieht von Zeit Person nimmt eine schmerzfreie Langsamkeit, Seltenheit Vermeidet die
zu Zeit das Gesicht Schonhaltung ein der Bewegungen Beziehung im
Gegensatz zur
Gewohnheit
Ängstlicher Blick und/ Person sucht ohne Erfolg Immobilität im Fehlen jeglichen
oder verkrampftes nach einer schmerzfreien Gegensatz zur Kontakts im Gegensatz
Gesicht Schonhaltung Gewohnheit zur Gewohnheit
Vollkommen erstarrter Person bleibt unbeweglich, Reglosigkeit oder Totale Teilnahmslosigkeit
Ausdruck wie von Schmerzen gelähmt starke Unruhe im im Gegensatz zur
Gegensatz zur Gewohnheit
Gewohnheit
5.3 · Medikamentöse Schmerztherapie
83 5
z WHO-Stufenschema
. Tab. 5.5 WHO-Stufenschema
55 Anwendung in aufsteigender Reihenfolge bei
Tumorschmerzen und chronischen Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4
Schmerzzuständen
55 Anwendung in absteigender Folge bei akuten Invasive
Verfahren
(starken) Schmerzen
55 Die Stufe 1 (bestehend aus Nicht-Opioidanal- Stark wirksame Opioide
getika, Koanalgetika und Adjuvanzien) Schwache Opioide
bleibt über alle 4 Stufen bestehen Nichtopioidanalgetika
(. Tab. 5.5) Koanalgetika und Adjuvanzien
> Nichtopioide (. Tab. 5.6) sollen nicht Körperliche Abhängigkeit Zeigt sich durch subs-
über die empfohlenen Tageshöchstdo- tanzklassenspezifische Entzugserscheinungen bei:
sierungen hinweg gesteigert werden, 55 Wegfall der Substanz
da es sonst zu einem sog. Ceiling-Effekt 55 Antagonisierung
kommt (Zunahme unerwünschter 55 Rapider Dosisreduktion
Nebenwirkungen ohne Steigerung der
erwünschten Wirkung; AIDKLINIK, Sucht
Arzneimittelportal des Universitätsklinikums 55 Primäre, chronische und neurobiologische
Heidelberg 2012). Erkrankung
55 Entwicklung und Manifestation durch
genetische, psychosoziale und
5.3.3 Opioide Umweltfaktoren
55 Verhalten des Patienten:
55 Erwünschte Wirkung: 44Beeinträchtigte Kontrolle über den
44Analgesie Konsum
55 Nebenwirkungen: 44Steigerndes Verlangen
44Sedierung, Darmatonie, Mundtrockenheit 44Zwanghafter oder andauernder
44Übelkeit (bei chronischer Einstellung nur Konsum trotz verursachtem
die ersten ca. 14 Tage), Euphorie, Schwitzen Schaden
44Kontraktion der glatten Muskulatur (Cave
bei Koliken!) z Opioide der WHO-Stufe 2
44Atemdepression Verlieren zunehmend an Bedeutung, da der Einsatz
55 Potenz: von WHO-Stufe-3-Opioiden eine höhere Potenz
44Morphin gilt als Referenzsubstanz, alle bei einer geringeren Nebenwirkungsinzidenz hat
anderen Opioide werden hinsichtlich (. Tab. 5.7).
. Tab. 5.6 Nichtopioide
Präparat Gruppe Niere Leber PUBs Antiphl Antipyr Spas- Tageshöchst- Cave
molyt dosis
Erwachsene
5 Dosierungen antagonistischer
Effekt, Wirkungsabnahme
dadurch Einsatz bei neuropathischen
Schmerzen
Kombination mit
Paracetamol
oder Verlust bei
Leberfunktionsstörungen
Generika Valoron Tramal Gelonida
5.3.5 Adjuvanzien
Lokalanästhetika
55 In lokaler Form – Lidocainpflaster (Versatis) – 55 Sind Medikamente, welche die analgetikabe-
enge Indikationsstellung (neuropathische dingten Nebenwirkungen minimieren.
Schmerzen, z. B. Post-Zoster-Neuralgien)
55 Epidural – Ropivacain (Naropin) – gebräuch- Beispiele Siehe . Tab. 5.10.
liche Konzentration von 0,2%, bei Bedarf auch
höher oder niedriger konzentriert
55 Nebenwirkung: Hypotonie (PDK) 5.3.6 Placeboeffekt
Praxistipp
Literatur
Antwort: keine
AWMF – Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medi-
4. In welcher Schmerzqualität kann sich
zinischen Fachgesellschaften (2009) Behandlung akuter
neuropathischer Schmerz äußern? perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. Regis-
a. Dumpf, krampfartig ternr. 001-025. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/
b. Elektrisierend, brennend ll/001-025.html. Zugegriffen: 10.12.2015
c. Einschießend Basler HD, Hüger D, Kunz R, Luckmann J, Lukas A, Nikolaus T,
Schuler MS (2006) Beurteilung von Schmerz bei Demenz
Antwort: b, c
(BESD) Untersuchung zur Validität eines Verfahrens
5. Auf das WHO-Stufenschema treffen zur Beobachtung des Schmerzverhaltens. Schmerz 20:
folgende Aussagen zu: 519–526
5 a. Adjuvanzien und Koanalgetika können Deutsches Netzwerk zur Qualitätsentwicklung in der Pflege
DNQP (2011) Expertenstandard Schmerzmanagement in
Bestandteil aller 4 Stufen sein.
der Pflege bei akuten Schmerzen, Osnabrück, Dezember
b. Sobald Opioide appliziert werden,
2011. http://dnqp.de. Zugegriffen: 10.12.2015
sollten alle Nichtopioidanalgetika Heck M, Fresenius M (2007) Repetitorium Anästhesiologie, 5.
abgesetzt werden. Aufl. Springer, Heidelberg
c. Stufe 2 und 3 werden miteinander Heck M, Fresenius M (2008) Klinikmanual Anästhesie. Springer,
kombiniert. Heidelberg
Kränzle S, Schmid U, Seeger C (2011) Palliative Care, 4. Aufl.
d. Stufe 1 und 4 miteinander zu
Springer, Heidelberg
kombinieren ist obsolet. Medhost (o.J.) Stadien der Chronifizierung. http://www.med-
Antwort: a host.de/schmerzen/stadien-chronifizierung.html. Zuge-
6. Was ist der Unterschied zwischen griffen: 10.12.2015
Koanalgetika und Adjuvanzien? Pogatzki-Zahn E, van Aken H, Zahn P (2008) Postoperative
Schmerztherapie (Pathophysiologie, Pharmakologie und
7. Was ist der Unterschied zwischen
Therapie). Thieme, Stuttgart
Placeboeffekt und Noceboeffekt? Sessler et al. (2008) Evaluating and monitoring analgesia
8. Warum ist ein akuter Schmerz biologisch and sedation in the intensive care unit. Critical Care 12
sinnvoll? (Suppl 3): S2. doi:10.1186/cc6148
9. Sogenannte Schmerzpflaster Thomas F (2012) Schmerzeinschätzung bei Menschen mit
schwerer Demenz. Das Beobachtungsinstrument für das
(Transdermale Therapeutische Systeme =
Schmerzassessment bei alten Menschen mit schwerer
TTS) sind Demenz (BISAD). Hans Huber, Bern
a. Sinnvoll für den Einsatz im akuten
postoperativen Bereich, weil viele
Patienten noch nicht zu oralisieren sind.
b. Nur für chronische, stabile Schmerzen
geeignet.
c. Sinnvoll zum Okkludieren offener
Wunden.
Antwort: b
10. Die Schmerztherapie beim IMC-Patienten
kann erschwert sein aufgrund …
a. Der evtl. eingeschränkten Neurologie
des Patienten
b. Den begleitenden Vorerkrankungen
(Polymorbidität)
c. Evtl. eingeschränkter Leber- und
Nierenfunktion
d. Kardiozirkulatorischer Instabilität
Antwort: a, b, c, d
93 6
Ernährung
T. Thorhauer
6.1 Ernährungsstatus – 94
6.2 Phasenmodell – 95
6.3 Bedarfsberechnung – 96
6.4 Refeeding-Syndrom – 97
Literatur – 102
Gemäß einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Qualitätsentwicklung in der Pflege präzisiert, dass
Ernährungsmedizin (DGEM) von 2006 hat jeder zur Vermeidung einer Malnutrition zu „Beginn des
vierte Krankenhauspatient bis zum 70. Lebensjahr pflegerischen Auftrags im Rahmen der Pflegeanam-
und fast jeder zweite ab dem 70. Lebensjahr eine nese, bei akuten Veränderungen und in regelmäßigen
Mangelernährung (Malnutrition). Eine Malnutri- Abständen Risiken und Anzeichen einer Mangeler-
tion definiert sich als signifikanter Gewichtsverlust nährung“ (DNQP 2010) erfasst werden sollen, das
mit pathologischer Ursache, einer Abnahme des Kör- heißt z. B. auch Informationen über einen vorange-
pereiweißes in bedenkliche Grenzbereiche oder aber gangen Gewichtsverslust.
als Defizit von bestimmten essenziellen Nährstoffen. Zur Einschätzung des EZ dienen verschiedene
Diese Formen der Mangelernährung können unter- gezielte Laborparameter und diverse Berechnun-
schiedliche Gründe haben, auf die an dieser Stelle gen. Zu dieser Aufnahme des Ist-Zustandes eines
nur hingewiesen werden kann. Fakt ist aber, dass der Menschen zählt der Body-Mass-Index (BMI), die
Ernährung innerhalb der Therapie kritisch kranker momentane Befindlichkeit des Patienten in Bezug
6 Menschen eine große Bedeutung zukommt. In den auf Hunger und Durst, der allgemeine körperliche
Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Klini- Zustand und die Körpertemperatur.
sche Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN 2006) Der BMI berechnet sich wie folgt:
wurde festgestellt, dass jeder Tag, der ohne adäquate BMI = Körpergewicht (kg) geteilt durch die Kör-
Ernährung stattfindet, die Krankenhausverweildauer pergröße zum Quadrat (m²)
im Mittel um 1,42 Tage verlängert! Der BMI ist die momentan einfachste und all-
Die möglichen Folgen einer Malnutrition sind gemein akzeptierte Interpretation zur Einstufung
eine verminderte Immunkompetenz und Immu- des Gewichts nach der WHO-Klassifizierung. Die
nabwehr des Organismus. Daraus ergibt sich eine Formel hat ihre Schwächen bei der Betrachtung von
höhere Infektionsrate (z. B. Pneumonien) mit einer Ausnahmesportlern, z. B. Bodybuildern, Gewicht-
damit einhergehenden ansteigenden Komplikations- hebern etc., oder bei Kindern. Bei diesen Patien-
rate (z. B. durch Wundheilungsstörungen) sowie im tengruppen ist der Wert nur eingeschränkt bis gar
schlimmsten Fall eine erhöhte Mortalität. nicht verwertbar (National Research Council 1989).
Natürlich spielt das Geschlecht des Patienten eine
> Der Zustand einer Mangelernährung ist in wichtige Rolle. Männer haben in Relation zur Frau
jeder Phase eines Genesungsprozesses zu eine andere Muskelmasse/Fett-Verteilung. Somit dif-
vermeiden! ferieren die Normbereiche. Männer befinden sich bei
einem BMI von 20–25 kg/m² im Normbereich. Bei
Ziel ist es also, dem Organismus in seinen Bedürf- Frauen beträgt dieser 19 –24 kg/m². Zur Einteilung
nissen gerecht zu werden. Die Ernährung setzt sich dient die nachfolgende . Tab. 6.1.
aus folgenden Bausteinen zusammen: Aminosäu- Aufgrund der oben angeführten Schwächen des
ren, Kohlenhydrate, Fette, Spurenelemente, Vita- BMI wird dieser Index immer wieder kritisch disku-
mine, Ballaststoffe und Wasser. Alle diese Substanzen tiert. Perspektivisch scheint auch eine Abkehr statt
dienen dem Metabolismus (Stoffwechsel). Der Meta- zu finden. Denn seit 2014 ist der Body Shape Index
bolismus setzt sich aus den beiden Aspekten Aufbau- (ABSI) im Fokus der Ernährungswissenschaftler.
stoffwechsel (Anabolismus) und Abbaustoffwechsel ABSI bezieht sich zu der Größe und dem Gewicht
(Katabolismus) zusammen, die im Regelfall in einem eines Menschen auch auf den Hüftumfang. Dieser
ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Index wurde bereits in den 80er Jahren des vergan-
genen Jahrhunderts von Krakauer et al. erforscht und
erlebt derzeit scheinbar eine Renaissance. Ergebnisse
6.1 Ernährungsstatus zur Validation dieses Score-Systems stehen allerdings
noch aus (Krakauer u. Krakauer 2012).
Der aktuelle Ernährungszustand (EZ) eines kritisch Neben den ernst (!) zu nehmenden Meinun-
kranken Patienten muss zu Beginn der Behand- gen des Patienten in puncto Hunger und Durst
lung erhoben werden. Das Deutsche Netzwerk zur gilt es nun, den allgemeinen körperlichen Zustand
6.2 · Phasenmodell
95 6
a 4,186 kJ = 1 kcal.
Bevor aber auf künstliche Ernährung umgestellt bei gleichzeitiger antimikrobieller Therapie, sollte
wird, gilt es die Ressourcen der Patienten zu fördern eine eventuelle verstärkte Besiedelung des Darms
und den Aktivitäten Essen und Trinken besondere mit Clostridium-difficile-Erregern ausgeschlossen
Aufmerksamkeit zu schenken. werden. Man kann solchen Phänomenen vorbeu-
gen, in dem täglich „Platzhalter“ für die dezimierte
> Oral vor künstlicher enteraler Ernährung vor natürliche Flora des Darms mit appliziert werden.
parenteraler Ernährung! Die Vorgehensweise hierbei ist im Augenblick noch
Diskussionspunkt. Einige Kliniken verwenden Prä-
Praxistipp parate der Nahrungsmittelindustrie wie z. B. Actimel,
andere benutzen pharmazeutische Ansätze wie z. B.
Für IMC-Patienten mit einem Risiko für Perocur-Kapseln.
Mangelernährung ist es sinnvoll, Ess- und Darüber hinaus sei gesagt, dass sich der Stuhl
Trinkmengen in Form eines Ernährungs- eines Patienten in seiner Konsistenz bei einer ente-
6 protokolls zu dokumentieren und z. B. ralen Ernährung via Sonde doch deutlich von einem
ein Tellermonitoring zu implementieren. normalen homogen geformten Stuhl bei normaler
Pflegende können so ihrer Aufsichtspflicht oraler Nahrungsaufnahme unterscheidet.
nachkommen, auch dann, wenn die Ein weiteres Problem ist der Meteorismus, meist
Essensversorgung zunehmend von einhergehend mit einem geblähten Abdomen. Auch
Serviceassistenten übernommen wird. hier kann die Ursache bei der Sondenkost liegen. Ein
„Zuviel“ an Ballaststoffen oder eine Laktoseintole-
ranz können hier der Grund sein. Natürlich verur-
sachen auch viele Medikamente, z. B. Laktulose oder
6.6 Enterale Ernährung via Sonde ähnliche Präparate, solch ein Symptom.
Die Gefahr des Erbrechens mit eventueller Aspi-
Die Vorteile einer enteralen Ernährung über eine rationsgefahr ist nicht zu verharmlosen. Es kann
Sonde gegenüber der reinen parenteralen Ernäh- im Falle einer o. g. Aspiration zu schwerwiegen-
rung sind mittlerweile eindeutig bewiesen: Sie beugt den Komplikationen wie Pneumonie, Sepsis etc.
der Zottenatrophie vor, regt die Magen- und Darm- führen. Doch auch diese Gefahr kann man mini-
motilität an, birgt weniger Infektionsgefahr und ist mieren, indem man regelmäßig die Magenfüllung,
kostengünstiger. Die Gefahr der Zottenatrophie und die Darmtätigkeit und die Lage der Sonde kont-
der damit verbundenen bakteriellen Translokation rolliert sowie eine konsequente Oberkörperhoch-
wurde erstmals von Wilmore et al. 1989 beschrie- lagerung von mindestens 30° einhält, wenn keine
ben, und ist Gegenstand vieler Untersuchungen. medizinischen Gründe dagegen sprechen. Dazu
Generelle Voraussetzung ist eine existierende und wird empfohlen, dass in jeder Einrichtung Stan-
funktionstüchtige Mukosa des Darms. Insbeson- dards vorliegen. Empfohlen wird eine Reduktion der
dere die deutlich niedrigere Infektionsrate gegen- Sondenkost bei einem gastralen Residualvolumen
über der unphysiologischen Ernährung über einen („Reflux“) von mehr als 500 ml in 8 h. Empfohlen
Venenweg ist vor dem Hintergrund einer deutli- wird außerdem, dass diese Kontrolle passiv erfolgt
chen Zunahme von katheterassoziierten Sepsisfäl- und bei kleineren Mengen der Mageninhalt wieder
len in den letzten Jahren ein gewichtiges Argument dem Patienten zugeführt wird. Bei einem komplett
(7 Kap. 8). atonen Magen sollte rechtzeitig an eine jejunale
An dieser Stelle sollten natürlich auch die Nach- Applikationsform gedacht werden. Auch der Ansatz
teile benannt werden: Übelkeit, Erbrechen, Meteoris- von verschiedenen Prokinetika, z. B. MCP, sollte mit
mus, Diarrhö, Stoffwechselstörungen und die Aspi- verfolgt werden.
ration. All das kann geschehen mit unterschiedli- Neben den bereits erwähnten Problemen kommt
cher Häufigkeit und unterschiedlicher Schwere. Was es auch immer wieder zu Stoffwechselstörungen im
man in der Praxis immer wieder beobachtet, ist die Bereich des Blutglukosespiegels. Aus diesem Grunde
intermittierend auftretende Diarrhö. Geschieht dies empfiehlt sich momentan eine kontinuierliche
6.6 · Enterale Ernährung via Sonde
99 6
Applikationsform (Stein 2003). Dadurch erfolgt
eine langsamere und ausgewogenere Nährstoffzu-
fuhr. Auch hochdosierte Gaben von Ballaststoffen
(Löser 2001) können hier hilfreich sein.
Der Kostaufbau sollte auf jeden Fall stufen-
weise erfolgen. Insbesondere beim Wechsel von der
parenteralen zur enteralen Ernährung und beim
Übergang von der Ebb- in die Flowphase empfiehlt
sich ein schrittweiser Aufbau nach einem festen
Plan (einem sogenannten Protokoll, das Schritt für
Schritt festlegt, wann die Zufuhr gesteigert und bei a
welchen Nebenwirkungen sie reduziert werden soll).
Die meisten Intensiv- und IMC-Stationen verfügen
über entsprechende Standards.
Nährstoffmodifizierte Diäten Diese dienen der > Wenn nicht mit Mischlösungen
Deckung eines eventuellen Mangels an bestimmten gearbeitet wird, muss darauf geachtet
Nahrungsbausteinen. Als Beispiel sei hier eine deut- werden, dass Aminosäurelösungen nie
lich proteinhaltigere Kost bei einer entsprechenden allein, sondern immer gleichzeitig mit
Malnutrition genannt, z. B. Nutrison Protein plus. Glukoselösungen laufen. Sie werden sonst
zur Energiegewinnung verbraucht und nicht
Krankheitsbezogene Substrate Diese Sondenkost- für den Aufbaustoffwechsel (Aufbau von
formen finden ihren Einsatz bei speziellen Erkran- Körpereiweiß).
kungen oder aber speziellen Unverträglichkeits-
reaktionen. Dazu zählen beispielsweise die Spe- Die Infusionslösungen werden mit unterschiedli-
zialnahrungen bei Niereninsuffizienz oder aber cher Osmolarität angeboten. Zu beachten ist, dass
bei Laktoseintoleranz. Darüber hinaus gibt es in eine Gabe von hochosmolaren Lösungen, sprich
diesem Bereich ein breites Angebot an verschiede- über 800 mosm/l, über einen peripheren Venenweg
nen Arten. kontraindiziert ist. Für Lösungen über 800 mosm/l
benötigt man einen zentralen Venenzugang in die
> Bei einer jejunalen Sondenlage ist eine V. cava. Die meisten dieser Fertiglösungen sind che-
niedermolekulare Substratform zu wählen. misch genau definiert. Daraus ergibt sich, dass man
auf Zusätze zumeist verzichten muss. Im Einzelfall
sollte dies mit einem Apotheker oder dem Hersteller
6.7 Parenterale Ernährung in Absprache geschehen.
Eine vollständige parenterale Ernährung erfolgt, > Ernährungslösungen sollten immer konstant
wenn eine enterale Ernährung über einen Zeitraum verabreicht werden. Die Bolusapplikation
von mehr als drei Tagen nicht möglich erscheint birgt zu viele Risiken, z. B. Hypoglykämie
(Singer et al. 2009) bzw. Hyperglykämie.
Die Nachteile einer Umgehung des Magen-
Darm-Trakts bei der Ernährung sind vielfältig. Zum Eine zusätzliche Gabe von wasserlöslichen und fett-
einen ist da die stets erhöhte Gefahr einer Infektion löslichen Vitaminen sowie Spurenelementen wird
oder Blutung durch die Invasivität des Zugangs vom ersten Tag an empfohlen. Auch eine eventu-
sowie der Keimeinschleppung durch unsachgemäße elle Substitution mit Elektrolyten kann im Einzel-
Handhabung des Zugangs, zum anderen die Mög- fall erforderlich sein. Maßgebend hierfür sind regel-
lichkeit einer bakteriellen Translokation aus dem mäßige Laborkontrollen, um mögliche Defizite zu
Darmlumen in das umgebende Gewebe, da sich erkennen. Doch auch hier ist Vorsicht mit einer
die Darmzotten bei Inaktivität konstant und zügig möglichen Inkompatibilität der Ernährungslösung
zurückbilden. geboten, z. B. bei kalziumhaltigen Lösungen. Erfolgt
Eine elegante Methode ist in jedem Falle die die Applikation von inkompatiblen Lösungen zeit-
duale Ernährung (Kreymann et al. 2006). Hierbei gleich zur parenteralen Ernährung, so muss dies über
wird zumindest mit einer geringen Menge Sonden- ein zweites Lumen geschehen. Ist dies aus irgendwel-
kost eine „Zottenernährung“ auf enteralem Wege chen Gründen nicht möglich, so muss die laufende
verabreicht. Die Defizite werden mit parenteraler Ernährungslösung gestoppt werden, das Lumen mit
Ernährungslösung substituiert. Steigt der enterale einer neutralen Lösung gespült, das Medikament
102 Kapitel 6 · Ernährung
Wahrnehmungsstörungen
P. Nydahl
Literatur – 114
In diesem Kapitel werden Wahrnehmung sowie konnte mich nicht an mein zu Hause erinnern, wie
Wirklichkeits- und Wahrnehmungsstörungen es war. Ich wusste nicht, ob ich einen Job hatte oder
behandelt. Hierbei werden Veränderungen der nicht. Ich konnte mich wirklich an nichts erinnern,
Wahrnehmung im Alter und durch Medikamente wer ich war. Und das war sehr, sehr beängstigend.“
vorgestellt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei (Nydahl u. Papengut 2011)
dem Delir und dessen Erkennen und Behandeln zu.
Besonders relevant sind hier die pflegerischen Inter- Was löst dieser authentische Bericht beim Lesen aus?
ventionen zur Prävention des Delirs. Was können Pflegende aus dieser Schilderung über
die Wahrnehmung und Wahrnehmungsstörungen
Beispiel kritisch kranker Patienten lernen und ableiten?
Eine Patientin, 47 Jahre, berichtet: „Ich erinnere
mich, dass die Schwestern sagten: „Dein Mann“.
Und ich sagte: „Oh.“ Ich deutete: „Oh, er wird nicht 7.1 Wahrnehmung
kommen, weil er keine Krankenhäuser mag.“ Und
sie sagte: „Eigentlich ist er die ganze Zeit hier. Er ist Der Begriff Wahrnehmung entstammt dem althoch-
7 die meiste Zeit hier gewesen“. Und wenn er kam, deutschen waraneman und bedeutet „einer Sache
konnte ich mich nicht an seinen Namen erinnern. Aufmerksamkeit schenken“ (Duden 1997), es ist also
Und ich konnte mich nicht erinnern, und meinen ein gezielter und willkürlicher Prozess. Wir schauen
eigenen Namen auch nicht. Und ich erinnere mich, irgendwo hin, wir hören zu, wir erspüren etwas.
mit meiner Mutter gesprochen zu haben, ich wuss- Ohne diesen gerichteten Prozess wäre unser Gehirn
te, es war meine Mama, ich wusste, wer meine mit der Vielzahl an Informationen überfordert, wir
Mama und Papa waren und ich wusste, wer mein müssen unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte
Mann war, aber ich wusste nicht ihre Namen. Und Inhalte richten. Fröhlich definiert Wahrnehmung
ich kann mich erinnern, zu fragen, wer ich war, und als die sinngebende Verarbeitung von Informatio-
die Menschen nicht wirklich verstanden, was ich nen, die durch die Sinne zu unserem Gehirn gelei-
meinte. Und ich kann mich erinnern, meine Mutter tet werden (Fröhlich 1997). Wahrnehmung basiert
zu fragen: „Ich weiß nicht, wie ich aussehe?“ Und sie also auf den verschiedenen Sinnen und hängt von der
sagte: „Oh, du siehst in Ordnung aus, meine Liebe.“ Verarbeitung ab. Beide – Sinne und Verarbeitung –
Ich dachte, ich war besorgt, wie ich aussah. Was ich können individuell variieren und hängen wiederum
meinte war: „Ich weiß wirklich nicht, wie ich ausse- von verschiedenen Faktoren ab.
he“. Ich hatte keine Ahnung. Weil die Schwestern
dauernd zu mir sagten: „Dein Haar ist so schön.“ Und > Die persönliche Wirklichkeit ist nie ein
ich dachte: „Ich habe keine Ahnung, weil ich nicht Eins-zu-eins-Abbild der Realität, sondern
weiß, welche Farbe es hat, wie lang es ist.“ Und weil, immer eine subjektive Interpretation.
ich konnte mich nicht bewegen, es berühren und
ich hatte keine Erinnerung daran, wie ich aussah. Um unseren Körper und unsere Umwelt wahrnehmen
Ich fand das sehr beunruhigend. Ich wusste nicht, zu können, verfügen wir über verschiedene Rezepto-
wie alt ich war. Ich war 58. Und ich denke, der Grund ren. Wir haben Druck-, Temperatur-, Lage-, Bewe-
dafür war, dass, als ich die Operation hatte, der Anäs- gungs-, Schmerz-, Vibrations-, Licht- und Chemo-
thesist und der Arzt und alle, die mich sahen, immer rezeptoren. Alle Rezeptoren wandeln ihre Impulse
wieder nach meinem Geburtsdatum gefragt haben, in elektrische Signale um, die weitergeleitet werden
und das ist 1958. Also ich glaube, das war etwas, was können. Die Reiz-Reaktions-Geschwindigkeiten wie
ich in meinem Kopf drin hatte. Ich erkannte meine auch die Geschwindigkeit, mit der die Informationen
Tochter, aber ich wusste nicht, wie alt sie war, und an das Gehirn gesendet werden, sind unterschied-
ich konnte mich nicht erinnern, wann ihr Geburts- lich intensiv und verschieden schnell. Erst im Gehirn
tag war. Ich kann mich erinnern, darüber gerätselt werden sie synchronisiert und ggf. durch das Gehirn
zu haben und versuchte mich zu erinnern, wann vervollständigt. Beispielsweise haben wir dort, wo
sie geboren wurde. Und ich konnte mich nicht er- die Nervenfasern des Sehnervs in den Augenhinter-
innern. Ich konnte mich nicht an sie erinnern. Ich grund gehen, einen blinden Fleck, der uns im Alltag
7.2 · Wahrnehmungsveränderungen und -störungen
105 7
nicht auffällt – unser Gehirn berechnet zum Ausgleich Gedächtnis verändert. Wenn die Informationen, die
automatisch die wahrscheinlichste Oberfläche. Die unsere Sinne weiterleiten, missverständlich sind,
Informationen über die uns umgebende Wirklichkeit wird es schwierig, die Informationen eindeutig zu
hängen also von der Qualität und Quantität der Sin- interpretieren. Ein Vorhang, der sich am geöffneten
nesinformation ab, die unserem Gehirn zur Verfügung Fenster leicht hin und her bewegt, kann nachts even-
gestellt werden. Erst im Gehirn verarbeiten wir die tuell als Einbrecher wahrgenommen werden. Wenn
Informationen und nehmen wahr. Wir werden sehen, eine Person schlecht sehen kann und die Brille nicht
dass Medikamente, Alterungsprozesse und Immobili- dabei hat, kann eine andere Person, die plötzlich
tät die Wahrnehmung erheblich beeinflussen können. ins Zimmer kommt, zunächst nur schwer erkannt
Die Verarbeitung der Sinnesinformationen werden. Ebenso können starke Gefühle wie Liebe,
erfolgt im Gehirn. Hier werden die einzelnen Infor- Angst oder Schmerzen die Wahrnehmung sehr ein-
mationen nach Bedeutung gefiltert. Wir nehmen nur seitig werden lassen, und wenn das Gedächtnis stark
ca. 10% der möglichen Informationen bewusst wahr, nachlässt, werden bestimmte Bedeutungen nicht
sonst wäre unser Gehirn mit der Vielzahl an Informa- mehr erkannt. Wirklichkeit ist subjektiv und hängt
tionen überfordert (Schmidt u. Schaible 2006). Diese von unserer Wahrnehmung ab. Wir machen unsere
Filterung hängt u. a. davon ab, wem oder was wir Wirklichkeit von der Wahrnehmung abhängig, und
unsere Aufmerksamkeit schenken. Mal ist das eine wenn diese sich verändert, orientieren wir uns in
interessant, mal das andere. Unsere Aufmerksam- unserer Wirklichkeit an den Informationen, die uns
keit wird gelenkt durch Gedanken und Stimmungen. am glaubwürdigsten erscheinen.
Beispiel: Auf einem Tisch liegt eine aufgezogene
Spritze mit langer Kanüle. Sie wird von einer Pfle-
genden, die die Spritze verabreicht, anders wahr- 7.2.1 Wahrnehmungsveränderungen
genommen als von dem Menschen, der die Spritze durch Medikamente
erhalten soll – obwohl die objektive Information die
gleiche ist. Übliche Dosierungsangaben für Medikamente bezie-
Gleichzeitig erkennen wir Informationen wieder, hen sich auf einen 20-jährigen, 70 kg schweren Men-
die wir in unserer Entwicklung gelernt haben. Einen schen. Ältere Menschen verarbeiten Medikamente
Tisch erkennen wir wieder und selbst, wenn es ein anders, bauen sie z. B. langsamer ab, wodurch die
neuer Tisch ist, erkennen wir darin die Grundidee Gefahr einer Kumulation wesentlich stärker gegeben
eines Tisches wieder. Wir gleichen die Informationen ist. Zudem haben viele Standardmedikamente wahr-
der Sinne an dem ab, was wir in unserem Gedächtnis nehmungsstörende Nebenwirkungen:
abgespeichert haben. Neues wird mitunter interes-
siert wahrgenommen, Bekanntes vielleicht nur am
Rande betrachtet.
Wahrnehmungsstörende Nebenwirkungen
> Wir filtern also die Sinnesinformationen von Standardmedikamenten
und die Wirklichkeit, die wir erleben. Dies 44 Nifidepin kann neben Schwindelgefühlen
hängt davon ab, wie zuverlässig wir unsere einen feinschlägigen Tremor auslösen.
Sinnesinformationen wahrnehmen können 44 Acetylsalicylsäure kann Unruhezustände
und wie unsere Aufmerksamkeit und oder Parästhesien bewirken.
Erinnerungen die Wahrnehmungen filtern. 44 Atropinsulfat kann zu Pupillenerweiterung
und Lichtempfindlichkeit führen.
44 Diazepam kann die körperliche
7.2 Wahrnehmungsveränderungen Koordination beeinträchtigen.
und -störungen 44 Digitoxin kann visuelle Halluzinationen
hervorrufen.
Unsere Wahrnehmung kann sich verändern, wenn 44 Metronidazol kann einen bitteren,
die Sinne bzw. deren Informationen sich verän- metallischen Geschmack auslösen.
dern oder sich unsere Aufmerksamkeit bzw. unser
106 Kapitel 7 · Wahrnehmungsstörungen
Gerade für ältere Menschen wurden übliche Medi- 55 sich schlechter an Helligkeit gewöhnen können
kamente auf Verträglichkeit und Kumulationen (z. B. nach Pupillenkontrolle einige Zeit
geprüft. Im Internet findet sich unter http://priscus. geblendet sind).
net die sog. Priscus-Liste mit angepassten Dosierun-
gen und Verträglichkeiten, auch auf Wechselwirkun- Hören Das Hören lässt im Alter nach. 50% der
gen wird hingewiesen. Männer und 30% der Frauen über 65 Jahre hören
schwer. Auch hier können das Richtungshören,
Beispiel hohe Töne und das Verstehen der Worte verzö-
Eine ältere Dame bekam morgens um acht Uhr ihre gert bzw. verändert sein. Dies bedeutet, dass alte
Antibiotikagabe Metronidazol intravenös verab- Menschen
reicht. 30 min später erhielt sie ihr Frühstück. Sie 55 mitunter – aber nicht immer – lauter
biss nur einmal von ihrem Brötchen ab und verwei- angesprochen werden müssen,
gerte dann das Frühstück. Sie fürchtete, vergiftet 55 Entfernungen und Richtungen von Stimmen
zu werden. Metronidazol kann als Nebenwirkung bzw. Geräuschen falsch einschätzen,
einen bitteren, metallischen Geschmack im Mund 55 durch Störgeräusche wie eine Matratzenbe-
7 auslösen. Es war im Verlauf einfach, ihr die Antibio- lüftung oder Geräte nicht mehr gut hören,
tikagabe zeitlich versetzt zu geben, ohne dass die 55 länger benötigen für Antworten,
geschmacklichen Nebenwirkungen während der 55 besser hören bei langsam und akzentuiert
Mahlzeiten relevant waren. gesprochenen Worten,
55 die Identität von Geräuschen nicht immer
zweifelsfrei einschätzen können.
7.2.2 Wahrnehmungsveränderungen
im Alter Beispiel
Eine ältere Patientin mit Hörgerät wurde zu Schicht-
Im Alter lässt die Wahrnehmungsfähigkeit nach, weil beginn als verwirrt eingestuft, weil sie auf Fragen
im Allgemeinen die Anzahl der für die einzelnen inadäquat antwortete. Nachdem etwas später das
Sinne zuständigen Rezeptoren abnimmt. Dies führt Radio im Zimmer ausgeschaltet wurde, antwortete
dazu, dass im Alter (>65 Jahre) die Sinne nachlassen. sie adäquat – das Gedudel überlagerte die Frequen-
zen des Gesprächs, gleichzeitig mochte die Dame
Sehen Das Sehen wird schlechter. Viele Menschen ihre Schwerhörigkeit nicht zugeben. Gleiche Prob-
kompensieren dies durch eine Brille, die in der Regel leme wurden auch im Zusammenhang mit lauten
nur die Sehschärfe korrigiert. Aber auch die Tie- Matratzenkompressoren berichtet.
fenwahrnehmung, das Farbensehen, das gesamte
Gesichtsfeld (Tunnelblick) wie die Hell-Dunkel-An- Spüren Das Spüren lässt im Alter nach. Dies bezieht
passung können verändert sein. Dies hat zur Folge, sich auf die Temperatur, aber auch das Tasten und
dass alte Menschen je nach Ausprägung der Störung Greifen. Menschen zeigen im Alter
(Grond 1992) 55 häufiger ein Kältegefühl,
55 Entfernungen schlechter einschätzen können 55 ein intensiveres Nachtasten und -greifen, was
(z. B. zu kurz greifen), mitunter als aggressives Grabschen empfunden
55 Gegenstände an ihrem Gesichtsfeldrand nicht wird,
wahrnehmen (z. B. den Mülleimer neben 55 eine ungenauere Lokalisation von Berüh-
dem Bett), rungen, Schmerzen.
55 Kontraste zwischen Beige- und Grautönen
nicht erkennen (z. B. einen Teller auf dem Vibrationssinn Der Vibrationssinn nimmt ab. Dies
Nachtschrank), hat – nach Grond (1992) als Hypothese formuliert –
55 sich schlechter an Dunkelheit gewöhnen zur Folge, dass alte Menschen
können (z. B. nach dem Licht ausschalten 55 unsicherer gehen und sich bewegen,
länger blind sind), 55 eine geringere Tiefensensibilität haben.
7.2 · Wahrnehmungsveränderungen und -störungen
107 7
Gleichgewichtssinn/Propriozeption Der Gleichge- Gewöhnung und damit uneindeutigen Wahrneh-
wichtssinn und damit verbunden die Propriozeption mung führen.
(Bewegungssinn) können sich im Alter nicht mehr Bei Immobilität und fortbestehender Bettläge-
so gut an Beschleunigungen anpassen. Dies hat zur rigkeit kann der eigene Körper undeutlich bis taub
Folge, dass alte Menschen erlebt werden, man kann das Gefühl haben, mit der
55 auch bei geringen Bewegungen Schwindel Matratze zu verschmelzen oder Zu- und Ableitungen
erleben, in das eigene Körperbild zu integrieren (Smith 1989).
55 sich langsamer bewegen oder bewegt werden Das ständige An-die-Decke-Starren führt dazu, dass
möchten, dort Flecken erscheinen oder Objekte wie Lampen
55 mehr Zeit zum Drehen oder Aufstehen oder Klimaanlagen anfangen sich zu bewegen. Es
benötigen. wird für die Betroffenen dann schwierig, ihre Wirk-
lichkeit eindeutig bestimmen zu können. Bewegt sich
Geschmacks- und Geruchssinn Die Geschmacks- die Lampe oder bewegt sie sich nicht? Versteckt sich
und Geruchssinne lassen ebenso ab. Dies hat zur jemand hinter dem Vorhang oder nicht? Habe ich
Folge, dass ein Hemd an?
55 Speisen nicht mehr so gut schmecken – es
schmeckt alles fade, Beispiel
55 alte Menschen nicht mehr so intensiv und diffe- Ein Patient sagte: „Es war nur mein Kopf, den ich
renziert Aromen riechen können – es riecht bewegen konnte. Die anderen Teile meines Körpers
nicht so gut – dafür riechen unangenehme waren irgendwo. Ich wusste nicht, wo meine Arme
Düfte auch nicht so schlecht. und Beine waren, sie waren weg“ (Johansson u.
Fjellman-Wiklund 2005).
Zusätzlich zu diesen physiologisch auftretenden
Alterungsprozessen können weitere Erkrankungen Die Orientierung in Raum und auch Zeit kann
wie z. B. ein Schlaganfall oder Grauer Star usw. die außerordentlich schwierig werden. Beatmete Patien-
Wahrnehmung verändern. Im eigenen, häuslichen ten berichten davon, dass sie sich wie in einer Zeitlu-
Umfeld können diese Veränderungen sicherlich penblase erleben, während die Umwelt im Zeitraffer
gut kompensiert werden. Schwierig wird dies aber vorbeifliegt. Sie können nur – eben wie in Zeitlupe –
in einem fremden Umfeld, wenn zusätzlich noch antworten oder sich bewegen (Carroll 2007). Es ist
eine ernste Erkrankung hinzukommt. Dann kann sehr wahrscheinlich, dass dies auch ohne Beatmung,
die Situation in einer als unsicher wahrgenomme- aber nach einer Operation oder in einer schweren
nen Wirklichkeit verängstigend oder bedrohlich Krankheit ähnlich erlebt wird.
wirken.
7.2.4 Delir
7.2.3 Wahrnehmungsveränderungen
durch Immobilität Die englische Leitlinie des National Institute for
Health and Clinical Excellence (NICE) zum Delir
Um etwas wahrnehmen zu können, benötigen unsere gibt für das Auftreten des Delirs für allgemeine Sta-
sinnlichen Rezeptoren einen Input, eine Verände- tionen 25%, für den Intensivbereich 36–71% der
rung im Aktionspotenzial. Ohne Anregung erfolgt gesamten Patienten an (2010). Die deutsche Leitlinie
keine Reizweiterleitung. Erhalten die Sinneszellen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
über längere Zeit keine Anregung, so schalten sie in Intensivmedizin (DGAI) und der Deutschen Inter-
einen undifferenzierten „Standby-Modus“ um, der disziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfall-
vom Gehirn als bedeutungslos eingestuft wird. Wenn medizin (DIVI) gibt für Intensivpatienten 50%, für
man an einer Verkehrsstraße wohnt, nimmt man den beatmete Intensivpatienten 80% an (2009). Unab-
Verkehrslärm irgendwann nicht mehr bewusst wahr. hängig von den leicht abweichenden Zahlen gilt für
Immobilität kann hier in allen Sinnesbereichen zur Intensivpatienten ein sehr hohes Risiko, ein Delir zu
108 Kapitel 7 · Wahrnehmungsstörungen
erleiden. Für IMC-Patienten wurde eine beachtliche deliranten, dementen Patienten mit Enzephalitis
Delir-Rate von 41% angegeben, davon 46% bei Auf- (Nydahl u. Papengut 2011).
nahme (González 2000). Dies mag zunächst hoch Die Angaben zur Häufigkeit eines Delirs sind
scheinen, liegt aber auch daran, dass zwei Drittel aller abhängig von den diagnostischen Tests und den
Delirien übersehen und nicht behandelt werden. Beobachtern, daher variieren die Angaben zum Auf-
Daher ist hier die Empfehlung der englischen Leit- treten eines Delirs. Nach Ely et al. (2004) entwickelt
linie eindeutig: Denke ans Delir! sich ein Delir meist am 2. Intensivtag (+/–1,7 Tage)
Der Begriff „Delir“ ist ein Synonym für postope- und dauert 4,2 Tage (+/–1,7 Tage). Wenn es nicht
rative Verwirrtheit, Intensivpsychose, Durchgangs- erkannt und behandelt wird, dauert es 10–12 Tage.
syndrom u. a. Der heute auch international ver- Dies ist insofern wichtig, als ein Delir das Risiko
wendete Begriff ist „das Delir“ bzw. der „delirante einer Demenz 6-fach, Komplikationen wie Stürze
Patient“. oder Dekubitus 2,3-fach und die Mortalität 3-fach
Die Leitsymptome des Delirs sind laut Diagnostic erhöht. Das Delir ist der entscheidende Vorhersage-
and Statistical Manual 5 (DSM-5, American Psychi- wert für die Dauer der Beatmung, des Aufenthaltes
atric Association 2013) wie folgt: auf der Intensivstation und im Krankenhaus. Patel et
7 al. (2015) sprechen auch von einem sedierungsbezo-
genen Delir, das während der Aufwachphase kurz (2
Leitsymptome des Delirs Stunden) auftreten und auch in ein persistierendes
44 Aufmerksamkeits- und Delir übertreten kann.
Konzentrationsstörung Die Formen eines Delirs können in der Praxis
44 Zusätzliche kognitive Störung (Gedächtnis, sehr unterschiedlich sein:
Orientierung, Sprache, Wahrnehmung) 55 Hyperaktives Delir: Halluzinationen,
44 Störungen können nicht durch Verwechslungen, Unruhe, Desorientierung
neurokognitive Ursachen erklärt werden 55 Hypoaktives Delir: Schläfrigkeit, Desinte-
44 Störung entwickelt sich rasch (Stunden/ resse an Aktivitäten des täglichen Lebens,
Tage) und fluktuiert im Tagesverlauf Zurückgezogenheit
44 Störung ist eine direkte Folge einer 55 Gemischtes Delir: Wechsel zwischen hyper-
körperlichen Störung bzw. eines Eingriffs und hypoaktivem Delir
JA
Kapitel 7 · Wahrnehmungsstörungen
≥3 Fehler
Richmond-Scale
Ausdruck Beschreibung
+4 Streitlustig gewalttätig, unmittelbare Gefahr
für Personal
+3 Sehr agitiert Zieht an Schläuche oder Katheter;
3 Bewusstseinsveränderung (“akuteller” RASS) Falls RASS nicht 0 ist Delir
Falls RASS = 0, weiter zur nächsten Stufe
aggressiv
+2 Agitiert Häufige ungezielte Bewegung,
atmet gegen das Beatmungsgerät 0 RASS
+1 Unruhig Ängstlich aber Bewegungen nicht
aggressiv oder lebhaft
0 Aufmerksam, ruhig
Denken
–1 Schläfrig Nicht ganz aurfmerksam, erwacht
4 1.Unorganisiertes
Schwimmt ein Stein auf dem Wasser? (Schwimmt ein Blatt auf dem Wasser?)
anhaltend durch Stimme (>10s) ≥ 2 Fehler Delir
–2 Leichte Sedierung Erwacht kurz mit Augenkontakt 2. Gibt es Fische im Meer? (Gibt es Elefanten im Meer?)
durch Stime (<10s) 3. Wiegt ein Kilo mehr als zwei Kilo? (Wiegen zwei Kilo mehr als ein Kilo?)
–3 Mäßige Sedierung Bewegung oder Augenöffnung 4. Kann man mit einem Hammer einen (Kann man mit einem Hammer Holz sägen?)
durch Stimme (aber kein
Augenkontakt) Nagel in die Wand schlagen?
–4 Tiefe Sedierung Keine Reaktion auf Stimme, aber 5. Anweisung: < 2 Fehler STOP
Augenöffnung durch Bewegung Sagen Sie dem Pat.: “Halten Sie soviele Finger hoch” (Untersucher hält zwei Finger hoch) Kein Delir
–5 Nicht erweckbar Keine Reaktion auf Stimme oder “Nun machen Sie dasselbe mit der anderen Hand” (Wiederholen Sie nicht die Anzahl der Finger).
körperlichen Reiz
Falls Pat. nicht beide Arme bewegen kann, sagen Sie: “Fügen Sie einen Finger hinzu.”
. Abb. 7.1 CAM-ICU. (Copyright © 2013, E. Wesley Ely, MD, MPH and Vanderbilt University, all rights reserved)
7.2 · Wahrnehmungsveränderungen und -störungen
111 7
Es wurde damals hingenommen, dass bettlägerige 7.2.6 Pflegerische Interventionen bei
Patienten einen Dekubitus bekommen und man hat Wahrnehmungsstörungen
mehr Aufmerksamkeit in die Behandlung statt in
die Prävention investiert. Heute ist die Prävention Die Behandlung von Wahrnehmungsstörungen
des Dekubitus eine zentrale Aufgabe der Pflegen- hängt von den Ursachen ab. Wahrnehmungsstörun-
den und ein entstandener Dekubitus ein Pflegefeh- gen können relativ leicht behandelt werden durch:
ler. Demgegenüber gilt ein Delir heute immer noch 55 Geben einer Brille oder Hörgeräten des
als normal, Intensivpatienten werden eben delirant Patienten
und müssen erst dann behandelt werden. Dass einem 55 Aufhängen einer Uhr bzw. Geben der
Delir auch präventiv begegnet werden kann, ist vielen Armbanduhr
nicht bewusst. 55 Aufhängen eines Kalenders
Die englische Leitlinie empfiehlt zur Prävention 55 Anpassen der Beleuchtung bzw. Erklärung der
keine einzelnen Maßnahmen, da es zu diesen kaum Lichtverhältnisse
eine Evidenz gibt. Sehr hilfreich scheinen hingegen 55 Reduzierung der Lautstärke bzw. Erklärung der
Maßnahmenbündel zu sein, die an den jeweiligen Geräusche
Arbeitsbereich angepasst werden und die die Delir- 55 Wiederholtes Erklären der Situation
rate um bis auf ein Drittel reduzieren konnten (NICE
2010). Wichtig ist dabei, dass dieses Bündel nicht nur Einfaches Nachfragen („Tragen Sie sonst eine
von einer Disziplin implementiert wird, sondern dass Brille?“) kann schnell umgesetzt werden.
das gesamte Team involviert ist. Komplexere bzw. schwierige Wahrnehmungs-
Diese Bündel beinhalten in verschiedenster störungen können sehr individuelle Vorgehenswei-
Kombination: sen erfordern. Bei einem Neglect nach Schlaganfall
55 Schulung und Training (Ausfall der linken oder rechten Gesichtshälfte) ist es
55 Setzen von Pflegeprioritäten (z. B. individuelle heute nicht mehr sinnvoll, sich von der mehr betrof-
Pflege, aufgabenorientierte Pflege u. a.) fenen Seite anzunähern, weil der Patient die Pflege-
55 Patientenassessment (Screenen auf Risikofak- person nicht sehen kann, vielleicht aber nahe Schritte
toren, Screenen auf Delir u. a.) hört und sich dadurch erheblich verunsichert fühlen
55 Orientierungshilfen (Kalender, Uhr, Brillen, kann. Eine Annäherung über die weniger betroffene
Hörgeräte) Seite kann viel eher Sicherheit vermitteln. Erst im
55 Dehydratationsprotokoll rehabilitativen Verlauf kann der Patient dazu ange-
55 Ernährungsplan leitet werden, seine Aufmerksamkeit auf die mehr
55 Schlafprotokoll betroffene Seite zu lenken (Lay 2006).
55 Schmerzprotokoll Bei Patienten mit erheblichen Wahrnehmungs-
55 Frühe Mobilisierung störungen haben sich auch Begrüßungsrituale
55 Umgebungsfaktoren anpassen (Lautstärkere- bewährt, beispielsweise die Initialberührung aus
duzierung, Lichtanpassung) der Basalen Stimulation, bei der ein Patient zunächst
55 Medikation prüfen angesprochen und dann an einem angemessenen,
55 Weitere Möglichkeiten (Besprechungen, definierten Bereich berührt wird. Dies ermöglicht
kognitive Stimulation, Verlegungsplanung usw.) eher Sicherheit und Stressreduzierung.
auch die Zusammenarbeit mit einem Apotheker, um Biographische Trigger vermeiden Biographische
Wechselwirkungen oder Überdosierungen ggf. zu Trigger sind Verhaltensweisen oder auch Objekte,
vermeiden. die einen Patienten besonders aufregen können, bei-
Die englische Leitlinie empfiehlt zum Delirma- spielsweise Kanülen oder eine Ansprache von oben
nagement einen mehrstufigen Plan, abhängig davon, herab. Hier ist die Kommunikation mit den Ange-
ob ein Patient gestresst ist oder nicht. Zunächst wird hörigen wichtig.
damit begonnen
55 interdisziplinäre Teams zu bilden, Erfahrungen des Delirs beschreiben und Verständnis
55 Ursachen zu finden, zeigen Die Beschreibung des Delirs ist außeror-
55 Patienten wiederholt zu informieren: dentlich wichtig. Der Patient ist sich selbst fremd,
44Warum ist der Patient im Krankenhaus? verunsichert, verängstigt und evtl. fühlt er sich
44Wer ist der Patient, wer ist die Person selbst? bedroht. Wenn andere Menschen da sind, die diese
44Was für eine Funktion/Rolle hat die Erfahrungen beschreiben können, kann er sich ver-
Person? standen fühlen, die Bedrohung wird nachlassen,
55 Familie und Freunde zu integrieren und zu außerdem deeskaliert die Situation. Eine beispiel-
7 informieren. hafte Information könnte sein:
Literatur – 144
> Man spricht nur dann von einer Gute Hygienestandards können nicht nur durch eine
nosokomialen Infektion, also einer im einzelne Maßnahme erreicht werden, sondern benö-
Krankenhaus erworbenen Infektion, wenn tigen sog. Maßnahmenbündel.
diese bei Aufnahme weder bestand noch in Der Deutsche Pflegerat weist schon im Jahr 2010
der Inkubationsphase war. Das Vorliegen darauf hin, dass die konsequente Umsetzung von
einer nosokomialen Infektion bedeutet Hygieneregeln, eine bessere Personalausstattung
nicht, dass ein kausaler Zusammenhang und verbesserte räumliche Ausstattungen Hauptur-
zwischen dem Auftreten der Infektion und sachen für die niedrigen Infektionsraten in den Nie-
der medizinischen Behandlung besteht und derlanden seien.
8.1 · Hygiene benötigt Rahmenbedingungen
117 8
Wer kann Hygienebeauftragter werden und welche
Rahmenbedingungen, die ein gutes Qualifikation benötigt er? Grundsätzlich kann jeder
Hygieneverhalten bei Mitarbeitern fördern Mitarbeiter diese Aufgabe bekleiden. Wichtigste Vor-
44 Hygiene benötigt Personal. aussetzung ist das Interesse und die Freude am Thema
44 Hygiene benötigt Experten. Hygiene, ein sehr gutes eigenes Hygieneverhalten und
44 Hygiene benötigt Fortbildungszeit. eine sehr gute kommunikative Kompetenz. Die Hygi-
44 Hygiene benötigt Raum und Zeit. enebeauftragten der einzelnen Stationen gehören dem
44 Hygiene benötigt Vorbilder. Hygienebeauftragtenkreis der Klinik an und treffen
44 Hygiene muss einfach in den pflegerischen sich alle 2 Monate. Die Treffen dienen dem Austausch
Alltag zu integrieren sein. und der Analyse von Hygienebelangen, der Abstim-
mung gemeinsamer Ziele, der Koordination von Fort-
bildungen und der aktuellen Einschätzung des Hygie-
Hygiene benötigt Personal Kontinuierlich sicher neverhaltens bei MRE-Patienten. Hygienebeauftragte
durchgeführte Hygienemaßnahmen benötigen aus- Ärzte haben die Möglichkeit, eine einwöchige Fortbil-
reichend Personal für die direkte Patientenversor- dung zu absolvieren. Mittlerweile werden auch schon
gung. Schon 2002 publizierte Needleman im New Kurse für Link Nurses angeboten.
England Journal of Medicine, dass eine Erhöhung der
Betreuungsstunden durch qualifiziertes Pflegeperso- Praxistipp
nal Harnwegsinfektionen und Pneumonien deutlich
reduziert. Für die indirekten Hygienemaßnahmen wie Nutzen Sie auch den Austausch und das
Reinigung, Versorgung oder Speisenversorgung benö- Wissen anderer Fachexperten für Ihre
tigen die Kliniken nicht nur ausreichend, sondern Hygienevorhaben. So können Sie sich mit
auch gut ausgebildetes und motiviertes Personal. Wundexperten, Schmerzexperten oder
Stomabeauftragten vernetzen, um aktuelle
Hygiene benötigt Experten Neben Hygienefachärz- Hygieneprobleme zu diskutieren und
ten und Hygienefachpersonal (fest angestellt oder gemeinsame Ziele festzulegen.
beratend tätig) und hygienebeauftragten Ärzten soll
laut KRINKO-Empfehlung (Kommission für Kran-
kenhaushygiene und Infektionsprävention) pro Beispiel
Station eine sog. Link Nurse/Hygienebeauftragte in Der Heidelberger Wundexpertenkreis, der aus den
der Pflege benannt sein. Sie soll dafür sorgen, dass Pflege-Wundexperten der einzelnen Stationen
die Regelungen und Vorgaben zur Vermeidung von des Gesamtklinikums Heidelberg besteht, hatte
Keimübertragungen und der Entstehung nosoko- als Ziel für das Jahr 2009 formuliert, ihre Kollegen
mialer Infektionen allen Mitarbeitern bekannt sind, durch stetige Aufklärung und Diskussion während
und darauf achten, dass diese auch konsequent ange- Übergaben und Besprechungen nachhaltig davon
wendet werden. überzeugen zu wollen, auf das Tragen von Ringen,
In der der Chirurgischen Klinik Heidelberg Unterarmschmuck und Nagellack im Berufsalltag
stellt jede Station eine Hygienebeauftragte, deren zu verzichten. Das stetige Nicht-Hinnehmen und
Aufgabe es ist, den „Hygiene-Alltag“ zu beobach- das Verweisen auf Hygienerichtlinien und die TRBA
ten, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten und im (TRBA 250 = Technische Regeln für Biologische
steten Dialog mit den Kollegen zu sein. Im Rahmen Arbeitsstoffe) findet besonders bei den hygiene-
der Teambesprechung werden Informationen, Neu- bewussten und hygieneverantwortlichen Kollegen
erungen und Anregungen weitergegeben. sehr guten Anklang und wird intensiv unterstützt.
> Die Funktion von Hygienebeauftragten in Um die Mitarbeiter in einer Klinik auf den unsachge-
der Pflege ist in den Niederlanden und in den mäßen Umgang mit benutzten Instrumenten hinzu-
angelsächsischen Ländern etabliert, befindet weisen, der sich immer wieder im Alltag einschleicht,
sich in Deutschland aber noch im Aufbau. hatte das Hygieneteam eine kreative Idee:
118 Kapitel 8 · Hygiene auf der IMC-Station
Praxistipp
Hygiene benötigt Raum und Zeit Ein- und Zweibett- Wenn Sie jemanden auf das Einhalten von
zimmer, Nasszellen und Toiletten in jedem Zimmer Hygienevorgaben hinweisen wollen oder
und ausreichend Raum zwischen den Patientenbet- müssen, dann tun Sie dies im Sinne von „Sie
ten sind Garanten für eine bessere Hygiene. Arbeits- wollten dies sicher auch beachten … “, nicht in
materialien müssen ausreichend vorhanden sein, einem angreifenden oder maßregelnden Stil
damit keine Zeit für die Organisation und die Vor- (7 Kap. 11).
bereitung verloren geht, sondern diese Zeit sinnvoll
für Hygienemaßnahmen genutzt werden kann. Auf-
gaben und Zuständigkeiten im Stationsalltag sind Hygienemaßnahmen müssen einfach in den pflegeri-
stetig zu evaluieren, zu diskutieren und anzupas- schen Alltag zu integrieren sein Alle Maßnahmen,
sen, da nicht selten antiquierte Prozesse jeden aus die dazu führen, dass Stationsabläufe strukturiert
8.2 · Standard-Hygienemaßnahmen
119 8
. Tab. 8.2 Ausschnitt Desinfektionsplan Intensivstationen. Mit freundlicher Genehmigung der Uni-Klinik Heidelberg
und einfach gestaltet werden können, helfen – direkt Die Standardhygiene beinhaltet alle Maßnah-
und indirekt –, die Hygiene und insbesondere die men, die bei der Pflege und Behandlung jedes Pati-
Händehygiene zu verbessern. enten einzuhalten sind.
Alle aufgeführten Empfehlungen basieren auf
Einige Beispiele: den aktuellen Kategorien der Richtlinie für Kran-
55 Händedesinfektionsmittelspender an jedem kenhaushygiene und Infektionsprävention aus dem
Patientenbett und im Eingangs- bzw. Ausgangs- Jahr 2010 und sind ihrem Evidenzgrad entsprechend
bereich jedes Zimmers gekennzeichnet (. Tab. 8.1).
55 Hygienecenter mit allem erforderlichen
Equipment bei Patienten mit MRE (multiresis-
tenten Erregern) 8.2.1 Flächen- und
55 Desinfektionstücherspender in unterschied- Umgebungshygiene
lichen Ausführungen
> Für alle Flächen, eingesetzte
Materialien/Instrumentarien und
8.2 Standard-Hygienemaßnahmen Verfahren muss für den jeweiligen
Bereich ein angepasster Hygieneplan mit
(Prävention der nosokomialen Pneumonie, Hygie- konkreter Vorgehensweise vorliegen
nemaßnahmen bei enteraler Ernährung 7 Kap. 6.) (. Tab. 8.2).
120 Kapitel 8 · Hygiene auf der IMC-Station
Bereiche mit hochinfektiösen Erregern und Gefahr der Flächen mit häufigem Hand- bzw.
Weiterverbreitung (MRSA, VRE, MRE) z. B. Hautkontakt: Desinfektion (Kat. IB)
Isolierbereiche/-pflegerische Funktionsbereiche, in denen die o. g. Fußböden: Desinfektion (Kat. II)
Patienten behandelt werden Sonstige Flächen: Reinigung
Bereiche mit besonderem Infektionsrisiko (ohne MRE-Nachweis) z. B. Flächen mit häufigem Hand- bzw.
OP-Abteilungen, Eingriffsräume, Einheiten für besondere Hautkontakt: Desinfektion (Kat. IB)
Intensivtherapie, Schwerstbrandverletzte, Transplantationen Fußböden: Desinfektion (Kat. II → OP)
(z. B. KMT), hämat.-onkologische (Chemotherapie), Frühgeborene Sonstige Flächen: Reinigung
Bereiche mit potentiellem Infektionsrisiko z. B. Flächen mit häufigem Hand- bzw.
Ambulanzbereiche, Allgemeinstationen, Radiologie, physikalische Hautkontakt: Reinigung (ggf. Desinfektion,
Therapie, Sanitärräume, Dialyse, Entbindung, Intensivtherapie, Kat. II → ITS)
-überwachung Sonstige Flächen und Fußböden: Reinigung
Bereiche ohne Infektionsrisiko z. B. Alle Flächen: Reinigung
Kontaminierte Flächen sind ein potenzielles Risiko 55 Zur Dosierung werden automatische
sowohl für Patienten als auch für das Personal. Eine dezentrale Desinfektionsmittel-Dosiergeräte
mangelhafte Flächenhygiene kann Ursache der Wei- empfohlen (Kat. 1B).
terverbreitung von Erregern sein (. Tab. 8.3). 55 Die zu desinfizierende Oberfläche muss mit
einer ausreichenden Menge des Mittels unter
Praxistipp leichtem Druck abgerieben werden (Nass-
Wischen) (Kat. 1B).
Als ein einfaches und sehr effektives Entschei- 55 Putzeimer und andere Behältnisse
dungsmuster kann folgende Regel gelten: müssen nach Abschluss der Reinigungs-/
Je näher eine Fläche am Patienten ist Desinfektionstätigkeit gründlich desinfizierend
und je näher ein Gegenstand an den gereinigt werden und vor Wiederverwendung
Patienten kommt, umso häufiger muss komplett austrocknen (Kat. 1B).
desinfizierend gereinigt werden. Es werden 55 Gebrauchslösungen von Desinfektionsmitteln
keine Materialien ins Bett des Patienten gelegt, dürfen maximal einen Arbeitstag lang
da das Bett als kontaminiert gilt. Flächen verwendet werden (Kat. 1B) (Bundesgesund-
und Gegenstände, die sichtbar kontaminiert heitsblatt 2004).
sind, müssen sofort desinfizierend gereinigt
werden. Praxistipp
FFP Typ 2 oder 3 Vor und während jeder pflegerischen oder therapeuti-
55 Sind partikelfiltrierende Atemschutzmasken schen Maßnahme sind folgende Vorgaben zu erfüllen:
zum Eigenschutz bei der Behandlung 1. Aufklärung und Information des
8 von Patienten mit z. B. Tuberkulose oder
SARS (schweres akutes respiratorisches
Patienten
2. Gewährleistung einer permanenten
Syndrom). Beobachtung der Patientenreaktion, z. B.
Schmerz oder Unwohlsein
Schutzbrillen (. Abb. 8.2) Sind zum Kontamina- 3. Laufende Inspektion, d. h., während der
tionsschutz der Augen gedacht mit potenziell infek- Körperpflege werden Haut und Schleimhäute
tiösem Material oder bei bestehenden Infektionen, überprüft, während der Augenpflege werden
z. B. Influenza, Hepatitis B und C, während die Pupillen kontrolliert
55 Punktionen 4. Beobachtung der Eigenaktivität, Mobilität und
55 Bronchoskopien Reaktionsfähigkeit
55 Intubationen 5. Sicherstellung der Intimsphäre
6. Schließen von Fenstern und Türen
z Angehörige auf IMC-Stationen 7. Keine zeitgleichen Reinigungsmaßnahmen
55 Werden immer in die Händehygiene
eingewiesen.
55 Benötigen nur spezielle Schutzkittel, wenn ihre
Angehörigen MRE besiedelt oder umkehriso- Prinzipien der reinigenden
liert sind. Ganzkörperwäsche beim IMC-Patienten
55 Benötigen eine Mund-Nasen-Maske, wenn sie 44 Möglichst nicht mit heißem Wasser
oder ihre Angehörigen eine Infektion haben. durchführen, um den Säureschutzmantel
der Haut nicht zu schädigen
(Patientenwunsch berücksichtigen)
8.2.2 Körperpflege 44 Mit patienteneigenen Pflegeprodukten
durchführen zur Steigerung des
Die täglich durchzuführende Körperpflege unserer Wohlbefindens und zur Förderung der
Patienten verfolgt drei Ziele: Wahrnehmung
1. Wohlbefinden des Patienten 44 pH-neutrale Pflegeprodukte bevorzugen
2. Hygiene/Keimreduktion 44 Mit klinikeigenen Waschlappen und
3. Förderung der Körperwahrnehmung und Handtüchern waschen, damit diese sicher
demzufolge Delirprävention (7 Kap. 7) täglich ausgetauscht werden
4. Mobilitätsförderung (7 Kap. 9)
8.2 · Standard-Hygienemaßnahmen
125 8
> Bei Patienten, bei denen mit Verletzungen
44 Waschlappen nur einmal ins Waschwasser zu rechnen ist, z. B. bei Lysetherapie oder mit
eintauchen, um eine Kontamination des Immunsuppression, ist eine Trockenrasur
Wassers zu vermeiden möglichst mit dem patienteneigenen
44 Intensivste Pflege von Bauchnabel und Rasierapparat (nach Gebrauch reinigen)
Intimbereich (Vorhaut, Klitoris, Analregion), durchzuführen, da jede Läsion der Haut eine
um Keimreservoire zu eliminieren ideale Eintrittspforte für Keime ist.
44 Kompletter Wäschewechsel – die
gesamte Wäsche des Patienten gilt als
kontaminiert, d. h. sofortige Entsorgung Praxistipp
in den Wäschesack und, bevor neue
Wäsche angefasst wird, Händedesinfektion Patienten mit Jugulariskathetern und
durchführen Trachealkanülen profitieren von der täglichen
44 Keimreduzierende Produkte, Rasur, da die Haarentfernung des Bartes
z. B. Stelliscrup oder Octenisan, eine Keimreduktion der Umgebung
bei MRSA-Trägern anwenden gewährleistet.
(Sanierungsphase)
Erhalt der Schleimhautfeuchtigkeit und Integrität Erhalt der Hautintegrität des Nasenrückens und
der Schleimhäute Vermeidung von Druckgeschwüren
Regelmäßige Inhalationen oder diskontinuierliche und Tägliche Neufixierung der Magensonde ohne Kontakt
kontinuierliche Warmverneblung, z. B. Fisher&Paykel zwischen Naseneingang und Sonde entstehen zu lassen
durchführen
Vorsichtige Befeuchtung der Nasenschleimhäute im Pflasterfixierungsstelle täglich wechseln und Haut
Naseneingangsbereich mit steril filtriertem Wasser nach dem Lösen des Pflasters pflegen und schützen,
z. B. Benzoetinktur oder Cutimed Protect, Cavilon oder
Sensicare
Vorsichtiges Absaugen mit einem dünnen Verwendung eines dünnen Hydrokolloidpflasters, z. B.
Absaugkatheter, damit überschüssiges Sekret nicht Varihesive, dünn zur Unterpolsterung bzw. als Hautschutz
verborkt vor Anbringen des Fixierungspflasters bei beginnenden
Bestehende Borken mit NaCl 0,9% aufweichen oder bestehenden Hautläsionen
8 Naseneingangsbereich
55 Anleitung zur korrekten Pflege natürlicher 55 Wohlbefinden ist erreicht und Appetit ist
und/oder künstlicher Zähne/Mund angeregt
55 Anleitung von Prophylaxen (desinfizierende 55 Patient/Angehörige sind informiert
Lösung) 55 Eine Pflegeplanung ist erstellt worden
55 Anleitung bezüglich Frequenz und Dauer der (. Tab. 8.6)
Mundhygiene
. Tab. 8.6 Hilfsmittel zur Mundpflege. (Mit freundlicher Genehmigung der Uni-Klinik Heidelberg)
Anlegen von Schutzhandschuhen zur Vermeidung Legen eines zentralen Venenkatheters Es wird eine
einer Kontamination mit Blut (Eigenschutz) ausreichend große, freie Arbeitsfläche für die Bereit-
55 Keine erneute Palpation der Einstichstelle nach stellung und Vorbereitung des Materials benötigt, die
der Hautdesinfektion (Kat. 1B) leicht zu reinigen und zu desinfizieren ist (. Tab. 8.8).
55 Punktion der Vene – eine Abdeckung des
Areals um die Einstichstelle ist nicht erfor- > Die Anlage eines zentralen Venenkatheters
derlich (Kat. 1B) wird immer unter laufendem EKG-Monitoring
55 Bis hierher entspricht die Vorgehensweise mit akustischem EKG-Ton und durchgeführt.
der venösen Blutentnahme, sofern vorher
eine Butterfly-Nadel verwendet wurde – Blut > Bei Unsicherheiten nach der Punktion, wenn
entnehmen, entstauen, Nadel entfernen und nicht eindeutig geklärt werden kann, ob die
Punktionsstelle abdrücken Punktion venös oder arteriell ist, immer eine
55 Aspiration und Lösen der Stauung Blutgasanalyse durchführen.
55 Spülen der Venenverweilkanüle mit
steriler 0,9% NaCl-Lösung – Anlegen eines Komplikationen der zentralen Venenkatheter
3-Wege-Hahns mit Verlängerungsleine oder 55 Arterielle Fehlpunktion
Einlegen eines Mandrins 55 Pneumothorax – eine Komplikation, die nach
55 Säuberung der Einstichumgebung von Blut mit einer Subklaviapunktion mittels Röntgen-
einem sterilen Tupfer Thorax ausgeschlossen werden muss. Eine
55 Anlegen eines sterilen Verbandes (Kat. 1B) erneute Punktion der Subklavia auf der
8.3 · Prävention gefäßkatheterassoziierter Infektionen
131 8
einer Infusion alle Manipulationen auf ein Minimum
zu beschränken.
55 Flächendesinfektion der Arbeitsfläche vor dem
Zubereiten einer Infusionslösung oder einer
Perfusorspritze
55 Händehygiene vor und nach jeder
Manipulation an Infusionssystemen und
Kathetern
55 Desinfektion des Gummistopfens der Infusi-
onsflasche, auch wenn diese von der Firma
steril mit einer Schutzkappe abgedeckt ist,
wenn eine Kontamination oder eine Beschä-
digung der Schutzkappe nicht auszuschließen
ist. Nur bei Ausschluss einer Beschädigung und
bei sofortigem Durchstechen des Gummis-
topfens nach Entfernen der Schutzkappe
kann auf eine Desinfektion verzichtet werden
(Kat. IV)
55 Desinfektion der Katheteröffnung vor Appli-
kation von Medikamenten (CDC Guideline
2011)
55 Nach Diskonnektion eines Infusionssystems
ist immer ein neuer steriler Verschlussstopfen
Talgdrüsenarme Haut (z. B. Arme, Beine) anzubringen
Talgdrüsenreiche Haut (z. B. Kopf, vordere 55 Infusionslösungen dürfen maximal eine
und hintere Schwe/Brinne) Stunde vor Verabreichung vorbereitet werden
(BGH, Urteil vom 03.11.1981 – VI ZR 119/80
(Frankfurt))
. Abb. 8.3 Einwirkzeit von Desinfektionsmitteln. (Mit
freundlicher Genehmigung der Fa. Bode) 55 Es gibt noch keine Aussage für den Einsatz von
Ventilmembran-Konnektoren (Kat. III)
55 „In-line“-Filter werden eingesetzt, um
anderen Seite ohne vorherigen Komplikations- Fremdpartikel, Endotoxine und Luft
ausschluss ist nicht erlaubt. zurückzuhalten und um Arzneimittelinkom-
55 Hämatothorax patibilitäten durch Filterblockade zu erkennen,
55 Nachblutung, Hämatombildung nicht als infektionspräventive Maßnahme
55 Luftembolie (Kat. 1B)
55 Thrombose, Thrombophlebitis, 55 Blut, Blutkomponenten, Fettlösungen,
Thromboembolien Immunglobuline dürfen nicht über In-line-
55 Herzrhythmusstörungen Filter appliziert werden
55 Perforation der Vene durch den 55 Infusionssysteme für reine Fettinfusionen oder
Seldinger-Draht lipidhaltige TPN sollen spätestens nach 24 h
55 Katheterabriss gewechselt werden – Infusionssysteme für alle
anderen Infusionen sollen spätestens nach 72 h
gewechselt werden
8.3.3 Infusionen und Injektionen 55 Luer-Ansatz und Katheterlumen müssen
immer blutfrei sein – nach Blutaspiration z. B.
Die Infusionstherapie ist eine häufige Quelle noso- vor einer Injektion werden diese mit steriler
komialer Infektionen. Aus diesem Grund sind nach 0,9% NaCl-Lösung gespült ggf. ist der 3-Wege-
dem sterilen Vorbereiten und dem sterilen Anhängen Hahn auszutauschen
132 Kapitel 8 · Hygiene auf der IMC-Station
Arzt Pflegeperson
Auswahl der Punktionsstelle (V. jugularis, V. subclavia; selten Durchführung einer Reinigung bei
V. femoralis, da hohe Infektionsgefahr CDC 2011) Verschmutzung und Rasur bei Haarwuchs
Händedesinfektion (Kat. 1A) Händedesinfektion (Kat. 1A)
Desinfektion der Einstichstelle unter Beachtung
der Einwirkzeit (Kat. 1B)
Anlegen von Nasen-Mund-Schutz, Haube (Kat. 1A) Anlegen von Nasen-Mund-Schutz, Haube
(Kat. 1A)
Händedesinfektion vor Anlegen der sterilen Schutzkleidung
(langärmelig und Bündchen) (Kat. 1A)
Anlegen der sterilen Handschuhen (Kat. 1A)
Abdeckung mit einem großen sterilen Tuch (Kat. 1A) Anreichen steriles Material:
– Tupfer, 2 ml und 10 ml Spritzen, steriles NaCl
0,9%, Kanüle für die Lokalanästhesie,
– 3-Wege-Hahn
8.3.6 Pflege der Katheter Klären Sie Ihre Patienten über die Symptome
einer beginnenden Katheterinfektion auf
Die Pflege der Katheter darf nur von geschultem und und bitten Sie ihn, Veränderungen, die er
regelmäßig nachgeschultem Personal übernommen wahrnimmt, sofort zu berichten.
werden. In den USA wurden spezielle Katheterteams
134 Kapitel 8 · Hygiene auf der IMC-Station
. Tab. 8.9 Wer macht was beim Legen einer arteriellen Kanüle?
Arzt Pflegeperson
Auswahl der Punktionsstelle (A. radialis, A. femoralis; selten: Durchführung einer Reinigung bei Verschmutzung
A. axillaris, A. dorsalis pedis, A. brachialis) und Rasur bei Haarwuchs
Durchführung des Allen-Tests (Überprüfung ob A. ulnaris Vorbereiten des Druckmesssystems:
alleinig die Durchblutung der Hand gewährleisten kann – vor – System mit Spülbeutel verbinden und blasenfrei
Punktion der A. radialis füllen
– Druckmanschette auf 300 mmHg
aufpumpen
– Transducer mittels Kabel mit Monitor
verbinden
– Transducerhalterung auf Herzhöhe
des Patienten am Bett oder Bettplatz
befestigen
Händedesinfektion (Kat. 1A) Händedesinfektion (Kat. 1A)
Desinfektion der Einstichstelle unter Beachtung
8 Anlegen von Nasen-Mund-Schutz, Haube (Kat. 1A)
der Einwirkzeit (Kat. 1B)
Händedesinfektion vor Anlegen der sterilen Handschuhen
(Kat. 1A) – Steriler Schutzkittel für das Legen von „langen“
arteriellen Kathetern (A. femoralis) verwenden
Abdeckung mit einem sterilen Tuch (Kat. 1A) Anreichen des sterilen Materials:
Lokalanästhesie ggf. Tupfer, 2 ml Spritzen, steriles NaCl 0,9%, Kanüle für
die Lokalanästhesie
Arterie palpieren
Arm überstrecken
Punktion der Arterie unter leichtem Sog – Winkel bei A. radialis Laufende Überwachung von EKG und
30–45°, bei A. femoralis 90° Sauerstoffsättigung über Pulsoxymetrie
Punktieren Beruhigendes Einwirken auf den Patienten
Fließt Blut: Bei unruhigen Patienten kann es notwendig sein,
– Seldinger-Draht über Kanüle einführen den Arm, dessen Arterie punktiert wird, zu halten
Entfernung von avitalem Gewebe und der konse- z Umgang mit Drainagen
quenten Behandlung von Entzündungen, spielt die Indikation
entscheidende Rolle im Rahmen der Wundpflege. 55 Ableitung von Sekreten aus Körperhöhlen,
55 Wunden werden mit möglichst körperwarmen Wunden und Organen
sterilen Lösungen (NaCl 0,9% oder Desinfek- 55 Applikation von Medikamenten,
tionslösungen wie Octenisept oder Prontosan) Infusionen
gereinigt oder gespült – Auffangmanagement 55 Frühindikator für Nachblutung und
der Spülflüssigkeit entweder durch perma- Anastomosenproblematik
nentes Absaugen oder durch stark saugende
Kompressen. Definitionen
55 Wundtaschen und große Wundflächen 55 Redon-Drainage: geschlossenes System aus
sind mit einer Wundspülung ausgiebig zu festem Kunststoff mit zahlreichen Löchern am
spülen. Ende und starkem Sog
55 Die Entfernung von Zelltrümmern, Fremd- 55 EasyFlow: halbgeschlossenes System
körpern, verletztem und infiziertem Gewebe aus flacher innenseitig geriffelter
kann mit der Nass-Trocken-Phase unterstützt Silikondrainage mit Dochtwirkung –
werden. Dazu wird die Wunde mit einer Drainagebeutel wird über die Drainage auf die
8 feuchten Gaze (NaCl 0,9% oder antiseptische
Lösung) für 10–15 min vollständig (bei
Haut geklebt
55 Robinson-Drainage: geschlossenes System
ausgeprägten Entzündungen länger) aus Silikondrainage und direkt aufgebrachtem
abgedeckt. Die verdunstende Flüssigkeit Drainagebeutel
reinigt und kühlt die Wunde und reduziert die 55 Saug-Spül-Drainage: zweilumige Drainage,
Entzündung. Die anschließende Trockenphase welche eine gleichzeitige Spülung und
(ca. 15 min) mit sterilen trockenen Kompressen Ableitung von Sekret und Flüssigkeit
trocknet die wundumgebende Haut (Kammer- erlaubt
lander 2005). 55 Bülau-Drainage: geschlossenes System mit Sog
55 Soll die Wunde mit Trinkwasser gespült und Wasserschloss (Sogeinstellung i.d.R. auf
werden, so wird die Verwendung von Steril- 10–15 cmH2O)
filtern empfohlen. 55 Interventionelle Drainage: kleinlumige,
55 Zur Reduktion des Biofilms sollten kontami- harte Drainage, die radiologisch eingelegt
nierte, kolonisierte und infizierte Wunden mit werden
einer desinfizierenden Wundspülung gereinigt 55 Heyer-Schulte-Drainage: sogenannte
werden. Eidrainage mit geringem Sog und geringer
Füllmenge
Exkurs Biofilm „Biofilme sind Gemeinschaften von 55 Substernal-Drainage: dicke, weiche Drainagen
mikrobiellen Zellen, die an Oberflächen haften und i.d.R. mit blauem Streifen
in Schleim eingehüllt sind. Dies bietet Schutz gegen 55 Perikarddrainage: dünne, weiche Drainagen
Phagozytose, Antibiotika und antimikrobielle Subs- i.d.R. mit blauem Streifen
tanzen“ (EWMA 2005, S. 3).
Überwachung einer Drainage
Probenentnahme für die bakteriologische Untersu- 55 Dokumentation der Lage und des
chung – Durchführung Wundabstrich Die korrekte Anlagedatums
Durchführung des Wundabstrichs erfolgt seit 2008 55 Sichere Fixierung der Drainage
nach der sog. Levine-Methode (Essener Kreisel). Der 55 Zusätzliche Fixierung der Konnektionsstellen
Abstrich wird aus einem 1 cm großen Areal in dem bei Bülau-Drainagen – nicht zirkulär
Zentrum der Wunde unter leichtem Druck entnom- 55 Bereithalten einer Klemme am Bett (je nach
men (Al Ghazal u. Dissemond 2009). Klinikstandard)
8.5 · Prävention postoperativer Wundinfektion, Umgang mit Drainagen
141 8
55 Ableitungssystem nicht über Körperniveau z Umgang mit Stomata
anbringen Durchführung der Stomapflege
55 Abknicken, Abklemmen und Durchhängen 55 Handschuhe anziehen
vermeiden 55 Ablösen des Stoma-Gürtels bei Bedarf
55 Keine Flüssigkeit im Schlauch stehen lassen 55 Vorsichtiges Ablösen der zu entfernenden
55 Sicherstellung des verordneten Sogs bei Versorgung: Haut vom Hautschutz wegdrücken
Sogdrainagen 55 Reinigung der Haut und des Stomas mittels
55 Überwachen der Drainagelage und des Kompressen: zirkulär von außen nach innen
Verbandes auf Durchbluten und Durchnässen zum Stoma hin (falls Seife benutzt wurde, muss
55 Messen und Bilanzieren der Drainageflüssigkeit diese rückstandslos entfernt werden)
55 Beobachten, Beurteilen und Dokumentieren 55 Besonderheit bei Urostomien: Reinigung der
der Sekretqualität (serös, blutig, gallig, eitrig, Haut von innen vom Stoma nach außen
stuhlig, chylös) 55 Bei Behaarung des peristomalen Hautbereichs,
55 Beobachtung der Drainageaustrittsstelle auf rasieren der Stomaumgebung
Infektionszeichen 55 (Cave: Stomaverletzung)
55 Abtrocknen der Haut, ebenfalls von außen zum
Pflege der Drainage Stoma hin
55 Verbandwechsel nach sterilen Kautelen 55 Einmalhandschuhe wechseln oder ausziehen
postoperativ am 2. Tag oder bei Verwendung 55 Abmessen der Stomagröße, Hautschutz muss
von Folienverbänden am 7. Tag das Stoma dicht umschließen
55 Sofortiger Verbandwechsel bei Durchbluten, 55 Wenn kein vorgefertigter, passender
Durchnässen und Verschmutzen Hautschutz verwendet wird: gemessene Größe
55 Unnötige Manipulationen vermeiden auf Schutzfolie des Hautschutzes einzeichnen
und ausschneiden
Entfernung der Drainage 55 Schutzfolie abziehen
55 Material richten 55 Abdichtpaste direkt ums Stoma oder auf
55 Schutzvorrichtung unterlegen und lösen des Hautschutzmaterial auftragen
Verbandes 55 Anbringen der Stomaversorgung
55 Entfernen der Fäden 55 Bei Bedarf: Stoma-Gürtel anbringen
55 Erneute Information des Patienten 55 Entsorgung des Abfallbeutels: per Knotenver-
55 Vorsichtiges Ziehen der Drainage schließen und in den Restmüll geben
55 Anlage eines neuen Verbandes oder eines 55 Hände desinfizieren
Drainagebeutels 55 Angeleitete Personen Hände waschen oder
desinfizieren lassen
Bülau-Drainagen werden unter Sog und bei angehal- 55 Besonderheit bei Splintversorgung:
tenem Atem des Patienten entfernt und die Wunde 44Postoperativ sind die Splints an der Haut
wird sofort abdichtend verklebt (Braunol, Dachzie- fixiert, die Versorgung muss trotzdem genau
gelverband oder die vorliegende Tabaksbeutelnaht passen.
wird zugezogen). 44Postoperativ liegende Splints werden
oberhalb der Rücklaufsperre des Beutels
Kontrolle nach Entfernung der Drainage abgeleitet.
55 Regelmäßige Kontrolle auf Nachblutung oder
Sekretabgang Ist eine getrennte Bilanzierung der rechten und
55 Überwachung der Atmung nach Entfernen von linken Niere erwünscht, erfolgt die Ausleitung der
Bülau-Drainagen Splints über die Beutelvorderseite.
55 3–6 h nach Entfernen von Bülau-Drainagen 55 Rechte Niere: Splintende: gerader Schnitt
Röntgen-Thorax auf Anordnung 55 Linke Niere: Splintende: schräger Schnitt
142 Kapitel 8 · Hygiene auf der IMC-Station
8
147 9
Mobilitätsförderung
B. Trierweiler-Hauke
Literatur – 158
Nur in der Bewegung, so schmerzlich sie sei, ist 9.1 Definitionen von Mobilisation
Leben. (Jacob Burckhardt 1818–1897, Schweizer
Historiker) Sofortmobilisation Die Mobilisierung erfolgt sofort
nach der Operation – auf jeden Fall am OP-Tag –
Bewegung beeinflusst unsere Organe und unsere oder die Mobilisierung des Patienten wird nicht
Sinne. Alle Körperfunktionen sind von Bewegung unterbrochen bzw. benötigt keine Unterbrechung.
abhängig. Unsere Sinne benötigen Bewegung, um
wahrnehmen zu können. Bewegung steigert Lebens- Frühmobilisation Die Mobilisierung erfolgt am 1.
qualität. Unser Alltag wird aber immer mehr von postoperativen Tag.
Bewegungsmangel und monotonen Bewegungsab-
läufen durchdrungen. Rehabilitierende Mobilisation Die Mobilisierung
Auch Pflegende, die den Stellenwert der Bewe- erfolgt nach einem Apoplex schnellstmöglich. In der
gung kennen, mobilisieren ihre Patienten immer AVERT-Studie konnte nachgewiesen werden, dass
noch zu wenig, zu ineffektiv und zu kurz. der Anteil der Patienten nach Apoplex mit einem
Mobilisation, also Bewegung, verhindert Sekun- klinisch guten Ergebnis in der VEM-Gruppe („very
därkomplikationen wie z. B. tiefe Beinvenenthrom- early mobilisation“) zum Teil signifikant höher war
bosen oder Atemwegsinfektionen. Weniger Sekun- als in der Kontrollgruppe (Bernhardt et al. 2008).
därkomplikationen erhöhen die Überlebenschancen
unserer Patienten. Mikromobilisation (auch Mikrolagerung) Unter
Auf einer IMC-Station sind Patienten mit unter- Mikromobilisation versteht man kleine Schwer-
9 schiedlichen Bewegungseinschränkungen und punktverlagerungen, die dem physiologischen
Bewegungsressourcen: Bewegungsmuster folgen und kleinste Positions-
55 Patienten nach einem längeren veränderungen bewirken. Daraus resultieren
Intensivaufenthalt mit einer CIP oder mit Druckentlastung, Entspannung, Schmerzreduk-
einer CIM tion und Orientierung. Werden diese Mikrobewe-
55 Patienten, die primär keine Bewegungsein- gungen aktiv oder aktiv-unterstützt angeboten, so
schränkung haben, z. B. direkt nach einer sprechen wir von Mikromobilisation. Lagerverän-
Operation derungen z. B. mittels Handtüchern unter wech-
55 Patienten mit vorbestehenden selnden Körperteilen werden Mikrolagerungen
Bewegungseinschränkungen genannt.
55 Patienten mit neu aufgetretenen
Bewegungseinschränkungen, z. B. nach > Die Mobilisierung ist einer der am häufigsten
Apoplex durchgeführten Pflegehandlungen. Sie
dient der Förderung und Erhaltung der
Exkurs CIP Die Critical-illness-Polyneuropathie Bewegungsfähigkeit.
ist eine Form der Polyneuropathie, die als häufige
Erkrankung bei Intensivpatienten auftritt und Mobilisierung beinhaltet jede Bewegung, jede Lage-
durch akute und primäre Schädigung meist veränderung und jeden Transfer.
motorischer, aber auch sensorischer Axone verur- Wir können in fast alle Pflegemaßnahmen mobi-
sacht wird. lisierende Elemente integrieren.
Im Pflegealltag sollten wir Patienten, die über
Exkurs CIM Als Critical-illness-Myopathie bezeich- längere Zeit regungslos im Stuhl sitzen, abgesehen
net man eine akute und primäre Muskelerkrankung von dem Bewegungsprozess in den Stuhl, nicht als
bei Intensivpatienten, die zu einer Muskelschwäche mobilisiert betrachten. Auf diese Erkenntnis gestützt
und zu Paralysen führt (Weiterer et al. 2012). wird im Pflegealltag die Aussage „Patient noch nicht
All diesen Patienten müssen wir mit unseren mobilisiert, aber er dreht sich im Bett von einer Seite
Mobilisierungskonzepten gerecht werden. zur anderen“ hoffentlich immer seltener vorkommen.
9.2 · Warum bewegen wir Patienten?
149 9
> Ein Transfer bedeutet, einen Die Muskelatrophie beginnt schon 4–6 h nach
Positionswechsel vorzunehmen, also Beginn der Immobilisation.
auch die Lageveränderung von rechts nach
links. Bewegung verbessert Beweglichkeit und Koordina-
tion Bewegung im Sinne eines Dehn- und Kraft-
Praxisaufgabe Notieren Sie an einem Tag alle trainings verbessert Beweglichkeit und Koordina-
Bewegungsaktivitäten ausgewählter Patienten Ihrer tion – besonders bei alten Menschen (Rütten et al.
Station. Am besten bereiten Sie Aktivitätsformulare 2006). Kontrakturen wird aktiv vorgebeugt. Einwir-
vor, damit eine Maßnahme nur angekreuzt werden kende Muskelkraft auf den Knochen beugt Osteo-
muss. Diskutieren Sie Ihre Ergebnisse in der nächs- porose vor.
ten Stationsbesprechung mit der Fragestellung:
„Werden unsere Patienten ausreichend bewegt und Bewegung entlastet druckbelastete Hautareale Und
mobilisiert?“ verhindert somit Druckulzerationen.
Mobilisationsfördernd Mobilisationsbehindernd
Patient hat die Möglichkeit, den Zeitplan Tagesablauf wird ohne den Patienten geplant
aktiv mitzugestalten
Besuch Kein Kontakt zu Angehörigen
Langsame, nachvollziehbare Bewegungen Schnelle, hektische Bewegungen
Schmerzarme – schmerzfreie Bewegungen Schmerzen während der Bewegung, schmerzauslösende Bewegung
Zähne, Brille, Hörgerät Unsicherheit durch fehlende Brille, Hörgerät, z. B. sprechen einige
Patienten nicht, wenn sie ihre Zähne nicht haben
Inkontinenzschutz, Kleidung Harn- oder Stuhldrang
Umgebung, an der sich ein Patienten Umgebung, die keinen Halt gibt, z. B. Füße aufstellen im Bett durch
festhalten kann, z. B. Nachttisch, der nicht das glatte Laken und MTS (medizinischer Thromboseprophylaxe-
wegrollt Strumpf ) erschwert – keine Antirutschhilfe vorhanden
Schuhe Kein sicherer Stand – Schuhe fehlen, Patient soll auf MTS laufen
Sprache – Patient und Pflegeperson Sprachbarrieren
sprechen die gleiche Sprache
Attraktive Umgebung – Uhr, Bilder, Reizarme Umgebung – leere Wände, kein Fenster
Fenster, Gerüche, z. B. appetitanregende
Speisen
Tag-Nacht-Rhythmus wird eingehalten Fehlender Tag-Nacht-Rhythmus – Patient ist am Tag sehr müde
Bettgitter Bettgitter
vom Bewegenden fordert. Nicht selten benötigen zu Mobilisierung aus dem „Kalten“ heraus hat unnötige
schnell bewegte Patienten mehr Schmerzmittel. Komplikationen wie orthostatische Hypotension mit
Schwindel, Schweißigkeit und Übelkeit, aber auch
> Die bewusste Verlangsamung des Schmerzen der Gelenke zur Folge.
Pflegealltags während der Bewegungsarbeit Das kinästhetische Warm-up kann passiv, aber
führt zu einer Erniedrigung der auch aktiv erfolgen.
Körperspannung beim Patienten
und erleichtert demzufolge die
Bewegungsmaßnahme. Vorgehensweise bei Patienten, die sich
nicht selber bewegen können
Bauder-Mißbach hat die verschiedenen Phasen der 44 Langsames Drehen des Kopfes auf die
Bewegung beschrieben (Bauder-Mißbach 2000): verschiedenen Seiten, Wiederholung.
44 Die Hände werden öffnend gestreckt und
schließend gebeugt.
9.4.1 Kinästhetisches Warm-up 44 Die Arme werden in der Ellenbeuge
mehrmals langsam gebeugt und der
Unter Warm-up wird analog zum Warm-up vor Oberarm nach vorheriger leichter
sportlichen Tätigkeiten die Bewegungsvorbereitung Mobilisierung der Schulter auf den
verstanden. Ein gesunder Mensch verändert seine Brustkorb gelegt. (Cave: Bei Patienten
Lage alle 11,6 min (Rubin 1988). Daraus resultiert die mit Apoplex und schlaffer Lähmung
Empfehlung, möglichst viele Lagewechsel vorzuneh- darf kein Zug aufs Schultergelenk
men. Vor jeder Mobilisierung sollte ein Aufwärmen erfolgen.)
der Muskeln und Gelenke ermöglicht werden. Eine
152 Kapitel 9 · Mobilitätsförderung
9 Bewegungshandeln durchgeführt. Für Patienten auf des Sitzens eines Patienten mit einer CIP/CIM an
einer IMC-Station bedeutet dies: der Bettkante. Da kinästhetisches Bewegen das
55 Jede Bewegung, die sie selber durchführen Heben und Tragen von Patienten vermeidet, wird
können, führen sie durch, besonders Hygie- der Patient nicht an die Bettkante gehoben, sondern
neaktivitäten wie: in einer spiraligen Bewegung über seine eigenen
44Gesicht selber waschen Knochen an die Bettkante geführt. Sitzt der Patient,
44Haare selber kämmen wird die Stabilisierung des Rumpfes nicht vom Kopf
44Zähne selber putzen her aufgebaut, sondern vielmehr erst das Becken und
44Hemd selber zuknöpfen dann der Rumpf stabilisiert. Damit Bewegungs- und
44Gesicht selber eincremen Haltestabilität des Kopfes früh trainiert werden, kann
55 Das Drehen auf die Seite kann erleichtert der Kopf eines Patienten mit einer CIP/CIM schon
werden, wenn eine zweite Pflegeperson an während des Waschens sowohl gedreht als auch
der Bettseite steht und der Patient sich sicher gebeugt und gestreckt werden.
fühlen kann oder wenn die Bettgitter erhöht
werden, damit er sich an diesen festhalten kann Mobilisationsstufe 2 Die beste Voraussetzung, die
und keine Angst haben muss, aus dem Bett nächste Stufe einnehmen zu können, ist das freie Sitzen
herauszufallen. des Patienten ohne Unterstützung. Auch ohne diese
55 Antirutschmatten, die unter die Fußsohlen Voraussetzung kann man den Patienten für 30–60 min
gelegt werden, helfen Sicherheit zu erlangen. in den Stuhl setzen. Dies sollte über seine eigenen
Knochenstrukturen, also ohne ihn zu heben, durch-
Mobilisationsstufe 3 Stufe 3 strebt den Pilotsitz geführt werden. Jeder Schritt soll mit ihm vorbereitet
oder den Sitz an der Bettkante an. Sitzt der Patient und für ihn nachvollziehbar sein. Dann wird er Schritt
im Pilotsitz, dann ist es wichtig zu beobachten, ob er für Schritt von der Bettkante mittels eines Oberschen-
diese Position ohne seitliche Unterstützung halten keldrucktransfers auf den Stuhl bewegt. Während
kann. Günstig ist es, wenn der Patient – sofern er dieser Phase sollte der Patient immer festen Boden-
keine neurologische Problematik hat – für diese Posi- kontakt haben und sein Gewicht deutlich spüren
tion Schuhe angezogen bekommt, damit er sein Kör- können. Die Pflegeperson, die ihn bewegt, führt die
perende besser wahrnehmen kann. Deutlich mehr Bewegung gemeinsam mit ihm durch. Gelingt dies,
Vorbereitung und Kraft benötigt die Durchführung dann gewinnt der Patient in doppelter Hinsicht.
9.4 · Phasen der Bewegung
155 9
Gerät/Hilfsmittel Ziel
Erstens, weil die Schritte bei dieser Vorgehensweise intensiveres mimisches Spiel, was wir mit einer erhöh-
nachvollziehbar sind und ihm Orientierung geben. ten kognitiven Regung assoziieren. Andere Patienten
Zweitens, weil er seine Körperarbeit wahrnimmt, dies entwickeln richtig Ehrgeiz, um ihre Strecken täglich zu
als Erfolg wertet und seine Zufriedenheit steigt. Neben verlängern. Zudem wird das Bettfahrrad von Angehö-
dem stufenorientierten Mobilisierungsplan werden rigen sehr geschätzt. Mit dem Fahrrad wird ein Vor-
auch noch muskelkräftigende, taktil fördernde wärtskommen verbunden. Die Gespräche der Ange-
und motivierende Bewegungselemente eingeplant hörigen nach Beendigung der Therapie gegenüber dem
(. Tab. 9.4). Patienten sind sehr motivierend, lobend, begeisternd
und hoffnungsvoll. Stellt doch ein einfaches Fahrrad,
Übungen mit dem Bettfahrrad Die Übung mit dem auch wenn es als Bettfahrrad fungiert, etwas sehr
Bettfahrrad (. Abb. 9.1) in allen möglichen Stufen ist Vertrautes dar.
ein wesentlicher Baustein im Bewegungslernen des
Patienten. Neben der Verbesserung der Beweglich- Mobilisationsstufe 1 In dieser Mobilisationsstufe
keit sehen wir bei noch nicht adäquaten Patienten ein spielt die Umgebung eine sehr wichtige Rolle. Neben
156 Kapitel 9 · Mobilitätsförderung
Praxistipp
Praxistipp Literatur
Schnittstellen der
IMC-Versorgung
D. Heinze, A. Korinth
Literatur – 167
Dieses Kapitel betrachtet die Schnittstellenpro- Herr Maurer 1 l Kochsalzlösung und 20 mg Furose-
blematik zwischen den und innerhalb der Ver- mid infundiert. Eine halbe Stunde später klingelt er
sorgungseinrichtungen (ICU – IMC – periphere und äußert einen starken Harndrang und Schmer-
Station – nachversorgende Einrichtungen), die im zen im Unterbauch. Die Nachtdienstschwester un-
Versorgungsverlauf der Patienten auftreten. Die Ver- tersucht daraufhin den Dauerkatheter und stellt
legung der Patienten zwischen Intensivstation und fest, dass dieser abgeklemmt ist. Es entleeren sich
IMC-Einheit, die Informationsweitergabe zwischen nach Öffnung fast 1200 ml Urin und die Beschwer-
Pflegenden und die frühzeitige Planung der weiter- den sind augenblicklich verschwunden. Am nächs-
führenden Versorgung nach dem IMC-Aufenthalt ten Tag kann rekonstruiert werden, dass der Kathe-
stehen im Fokus. In den Abschnitten zu innerklini- ter auf der Intensivstation abgeklemmt und dies der
schem Transport, Übergabe und Entlassungsma- IMC-Mitarbeiterin im Übergabegespräch mitgeteilt
nagement geht es besonders um die Frage, wie die wurde. Der Patient übersteht den Zwischenfall
möglichst lückenlose und sichere Betreuung von kri- schadlos und wird am darauffolgenden Tag auf eine
tisch kranken Patienten gewährleistet werden kann. Normalstation verlegt.
Eine herausragende Bedeutung hat dabei die
Kommunikation zwischen den professionellen IMC-Einheiten können als ein zusätzlicher Schritt
Akteuren ebenso wie mit den Patienten. zwischen der Überwachung und Behandlung von
Zur Veranschaulichung der Thematik ist ein Fall- Patienten im Intensivbereich und der anschließen-
beispiel vorangestellt. den Weiterversorgung auf peripheren Stationen ein
Vorteil sein. Sie entlasten beispielsweise die Inten-
Beispiel sivstationen, wodurch dort eine größere Zahl vital
Herr Maurer wird wegen eines Myokardinfarktes auf bedrohter Menschen versorgt werden kann, und ver-
10 die Intensivstation eines Universitätskrankenhau- bessern die Überwachung von Patienten, die andern-
ses eingeliefert. Das verschlossene Herzkranzgefäß falls, eventuell zu früh, auf eine Normalstation verlegt
wird umgehend im Rahmen einer Koronarangiogra- worden wären (DGAI 2002; 7 Abschn. 22.1).
phie wiedereröffnet und durch einen sogenannten Das Beispiel verdeutlicht aber, dass auch Risiken
Stent versorgt. Für die Behandlung werden große mit der zusätzlichen Verlegung verbunden sind. Die
Mengen Kontrastmittel injiziert. Weil Herr Maurer durchschnittliche Verweildauer in einer IMC-Ein-
unter einer eingeschränkten Nierenfunktion leidet, heit liegt idealerweise zwischen 24 und 48 h (Eikamp
soll er anschließend, zur weiteren Beobachtung, auf 2008). Dadurch müssen Patienten häufiger als in
die Intensivstation verlegt werden. Dort erhält er den meisten anderen Bereichen des Krankenhauses
einen Blasenkatheter und wird – wegen einer an- verlegt bzw. aufgenommen werden. Für die Kontinu-
gekündigten Neuaufnahme eines weiteren Patien- ität der Versorgung ist die Kommunikation in Inten-
ten – von der Intensivstation auf eine IMC-Einheit sivbereichen und IMC-Stationen also ein wesentli-
verlegt. Herr Maurer wird gegen 20.00 Uhr von ei- cher Faktor (Graf et al. 2009). Gerade diese Kom-
ner Intensivkrankenschwester und dem Dienstarzt munikation und die mit ihr verbundenen Schwie-
auf die IMC-Station gebracht. Er wird dort von der rigkeiten, wie falsch oder unvollständig übertragene
Krankenschwester des Spätdienstes in Empfang Informationen (7 Beispiel), tragen aber auch maß-
genommen und an die Überwachungsanlage an- geblich zu Fehlern und Zwischenfällen im Intensiv-
geschlossen. Die Nachtschwester tritt kurz danach bereich bei (Graf et al. 2009). Die mündliche Über-
ihren Dienst an. Es erfolgt eine mündliche Übergabe gabe kann daher, als eine Form der Informationswei-
und anschließend beginnt die Nachtschwester ihre tergabe, die Kontinuität der Versorgung der Patien-
Antrittskontrolle. Sie hat in dieser Nacht 6 Patienten ten mit beeinflussen.
zu betreuen und ist gegen 21.00 Uhr bei Herrn Mau- Ein weiteres Problem bei einer Verlegung ist der
rer. Sie stellt fest, dass Herr Maurer zwar einen gut damit verbundene Stress für den Patienten. Die ver-
gefüllten Urinsammelbeutel hat, sich aber im Stun- glichen zur Intensivstation reduzierte personelle und
denurometer lediglich 30 ml Urin befinden. Nach apparative Überwachung kann Verlegungsangst und
telefonischer Rücksprache mit dem Arzt bekommt damit Stress auslösen (Mayer 2004). Stress und Angst
10.1 · Innerklinischer Transport von IMC-Patienten
161 10
wiederum können zum Teil schwerwiegende Folgen zu ängstigen. Um diese Störungen möglichst gering
für den Heilungsverlauf haben. So ist Angst nach zu halten, sollten besondere Anforderungen an das
einem Herzinfarkt, wie ihn Herr Maurer im Beispiel transportierende Personal und Equipment gestellt
erlitten hat, mit einem Anstieg der Morbidität und werden. Es gibt zwar keine einheitliche Richtlinie für
Mortalität assoziiert (Kyungeh 2004). den Transport von Intensiv/IMC-Patienten, aber es
Treten Probleme, wie die im Beispiel beschriebe- gibt unterschiedliche Empfehlungen.
nen, im Rahmen der Verlegung auf, erhöhen diese Warren et al. fassen 2014 alle diese Empfehlun-
womöglich den Stress und die Angst vor der neuen gen zusammen, indem sie sagen, dass jedes einzelne
Situation. Eine Begleitung des Patienten und dessen Krankenhaus für den innerklinischen Transport
Vorstellung auf der nachversorgenden Station durch von kritisch kranken Patienten Standards definie-
den Mitarbeiter der Intensivstation wird hingegen ren sollte. Diese Standards sollen die Vorbereitung,
als Maßnahme zur Reduktion des Verlegungsstres- das notwendige Personal und die technische Ausstat-
ses empfohlen (Leith 1998, zit. in Mayer 2004). Der tung definieren, sie müssen außerdem regelmäßig
Transport von der Intensivstation in den IMC-Be- überprüft und angepasst werden. Bei der Erarbei-
reich und die anschließende mündliche Übergabe tung eines solchen Standards können Kliniken hier-
des Patienten von Pflegekraft zu Pflegkraft in dessen zulande auch auf die Expertise nationaler Fachgesell-
Anwesenheit können demnach auch hier eine wich- schaften zurückgreifen.
tige Funktion erfüllen. Die deutsche interdisziplinäre Vereinigung für
Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat im Jahr
2004 einige Empfehlungen für den Intensivtrans-
10.1 Innerklinischer Transport von port formuliert. Für einen solchen Transport kri-
IMC-Patienten tisch Kranker sollten demnach mindestens ein
intensivmedizinisch erfahrener Arzt und eine ent-
Die Verlegung von kritisch kranken Patienten von sprechende Pflegekraft bereitgestellt werden, idealer-
einer Abteilung oder Station auf eine andere erfor- weise die betreuende Pflegekraft. Ein akkubetriebe-
dert besondere Aufmerksamkeit. Der Transport ner Monitor mit EKG und Pulsoxymetrie sind für die
eines IMC-Patienten unterscheidet sich dabei kaum kontinuierlich Überwachung zwingend mitzuführen
von innerklinischen Transporten nichtbeatmeter sowie ausreichendes Notfallequipment. Natürlich
Intensivpatienten. Es gibt vergleichbare Risiken, müssen Akkukapazität sowie Menge der notwendi-
weshalb für diese Transporte die gleichen Normen gen Medikamente vor Transportbeginn überprüft
zur Vorbereitung und Durchführung angelegt werden.
werden können. Welche Risiken mit dem Transport Diese Empfehlungen decken sich mit denen der
verbunden sein können, zeigen Almeida et al. (2014). Autoren von „Patientensicherheit Schweiz“ (Frank
Sie fassen die Ergebnisse zahlreicher Studien zusam- 2014). Auch hier wird Fachpersonal und geeignetes
men und weisen damit nach, dass folgende Aspekte Material detailliert empfohlen, dabei wird das Kol-
regelmäßig zu Komplikationen und Zwischenfällen lektiv der besonders gefährdeten Patientengrup-
während des Transportes von überwachungspflich- pen definiert. Unter anderen werden Patienten,
tigen Patienten führen: die Rhythmusstörungen haben, trotz Sauerstoff-
55 technische Störungen, gabe eine Sättigung von unter 97% aufweisen bzw.
55 Dislokationen von Zu- und Ableitungen, vasoaktive und/oder inotrope Medikamente benö-
55 inadäquate Medikation, tigen, als besondere Risikogruppe genannt. Das sind
55 plötzliche und unvorhersehbare Änderungen durchaus Patienten, wie sie auch im IMC-Bereich zu
des Zustands des Patienten sowie finden sind, wenngleich die genannten Empfehlun-
55 fehlerhafte Abstimmung und Kommunikation gen von Intensivpatienten sprechen. Ein ganz wich-
der beteiligten Fachkräfte. tiger Punkt der Schweizer Empfehlung ist die Forde-
rung nach klarer und kritischer Indikationsstellung
Diese Zwischenfälle gefährden die Sicherheit des für den Transport, um eine unnötige Gefährdung des
Patienten und sind vermutlich auch geeignet, diesen Patienten zu vermeiden. Wenn diese Indikation klar
162 Kapitel 10 · Schnittstellen der I MC-Versorgung
gestellt ist, empfehlen die Autoren Checklisten und sich entwickelnden Pflegewissenschaft Gegenstand
ergänzend zur DIVI-Empfehlung wird die Kommu- empirischer Untersuchungen, deren Ergebnisse der
nikation aller Beteiligten besonders betont. An erster Pflegepraxis Impulse geben können – auch für eine
Stelle sollte demnach der Patient genauestens über kritische Auseinandersetzung. Obwohl die münd-
den bevorstehenden Transport informiert sein, aber liche Übergabe in der Pflege regelmäßig prakti-
auch die diagnostische Abteilung bzw. die empfan- ziert wird und sie – jedenfalls in Deutschland – zur
gende Station sollten im Vorfeld kontaktiert und über pflegerischen Routine gehört, zeigen zahlreiche
Ablauf und Zeitpunkt des Transportes in Kenntnis Untersuchungen ein sehr durchwachsenes Bild,
gesetzt werden. was Qualität, Inhalt und Nutzen mündlicher Über-
Almeida et al. (2014) empfehlen regelmäßiges gaben im Bereich der Pflege angeht. Dies belegen
Training bzw. Schulung der Fachkräfte und auch hier vier Publikationen, die im Folgenden beschrieben
wird die Notwendigkeit eines erfahrenen Arztes und werden.
einer entsprechenden Pflegekraft für den Transport
betont.
Wie oben erwähnt, existiert kein verbindli- 10.2.1 Phänomene aus der Praxis der
cher Standard oder eine allgemeingültige Check- mündlichen Übergabe
liste für den innerklinischen Transport. Doch aus
den genannten Empfehlungen lassen sich einige Der Informationsverlust während der Übergabe war
zentrale Fragen ableiten, welche wie eine Check- Untersuchungsgegenstand von Parthum und Wein-
liste vor jedem Transport abgearbeitet werden zierl (2004). Ihre These war, dass viele Informationen
müssten. bei Verlegung eines Patienten von Intensiv- auf Allge-
55 Ist der Transport wirklich notwendig oder gibt meinstation verloren gehen. Es sollte geklärt werden,
10 es vielleicht Alternativen? ob es den Verlust tatsächlich gibt und wie hoch er ist.
55 Ist der Patient informiert? Durchgeführt wurde das Projekt auf einer interdis-
55 Ist die empfangende Abteilung in Kenntnis ziplinären Intensivstation und der nachversorgen-
gesetzt und ist auch dort eine kontinuierliche den Allgemeinstation an einem Universitätsklini-
Überwachung gewährleistet (wie ist es z. B. im kum. Anhand eines Schemas wurden die mündlich
MRT?) übermittelten Informationen während der Über-
55 Sind die Mitglieder des Transportteams gabe zunächst mit einem MP3-Player aufgezeichnet.
ausreichend qualifiziert? Ein Übergaberaster aus der Herzchirurgie, das die
55 Ist mindestens einem Mitglied des Transport- Autoren als allgemeingültig auch für andere Berei-
teams der Weg bekannt? che einschätzen, wurde für den Versuch benutzt.
55 Ist das Equipment für den Transport vorhanden Die Informationsempfänger wurden in einem
und geeignet (Akku, Gasreserve, etc.)? späteren Interview nach den behaltenen Fakten
55 Sind ausreichende Medikamente vorhanden? befragt.
55 Wie steht es um das Notfallequipment? Die Ergebnisse wurden verglichen und der
Verlust untersucht. Das Ergebnis stützt die These:
Die Kommunikation und die mündliche Informati- 42% der nachweislich übermittelten Informationen
onsweitergabe aller Beteiligten spielen immer eine wurden nach der Weitergabe nicht behalten und
zentrale Rolle. konnten nicht wiedergegeben werden. Dieses Ergeb-
nis wird von den Untersuchern noch weiter differen-
ziert und nach qualitativen und quantitativen Inhal-
10.2 Übergabe ten unterschieden. Demnach waren 68% der verlore-
nen Fakten quantitativer und 32% qualitativer Natur.
Die Informationsweitergabe zwischen Pflegenden Zwar wurden nur 14 Übergaben beobachtet, aber die
bei der Verlegung von Patienten und bei Schicht- Ergebnisse sind deutlich und aussagekräftig in Bezug
wechsel erfolgt nicht selten in mündlicher Form. auf die Qualität mündlicher Übergaben (Parthum u.
Diese sogenannten Übergaben sind im Zuge der Weinzierl 2004, S. 81–86).
10.2 · Übergabe
163 10
„Im Mittelpunkt der Patient?“ von Sabine Walther
These 1 (1997) verrät seine Intention schon im Titel. Walther
Der überwiegende Teil an Informationen – stellt in ihrem Buch unter anderem die Frage, ob die
vor allem quantitative Angaben wie etwa Übergabe ausschließlich den Patienten zum Thema
Laborwerte, Daten und Vitalparameter – kann hat, und falls nicht, wem sie dann nützt. Sie zitiert
bei einer mündlichen Übergabe verloren gehen. in diesem Zusammenhang einen Arzt, der während
ihrer aktiven Zeit in der Pflegepraxis einmal behaup-
tet hatte, ein Großteil der pflegerischen Gespräche
Eine Studie von Sexton et al. (2004) untersucht die während des Schichtwechsels bestehe aus Privatun-
Beschaffenheit der übermittelten Informationen. terhaltungen. Diesen Fragen geht die Autorin anhand
Mit der Fragestellung, ob eine pflegerische Über- von Gesprächsanalysen nach.
gabe überhaupt von Nöten sei, untersuchten sie Zunächst erläutert sie aber die übliche Form der
selbige in einem australischen Krankenhaus. Metho- Übergabe, jedenfalls so, wie sie sie während ihrer Zeit
disch wurden auch hier 23 Dienstübergaben mittels als Krankenschwester im stationären Setting erlebte.
eines Aufnahmegeräts aufgezeichnet. Anschließend Sie beschreibt dabei, welche äußeren Bedingungen
wurden die Aufzeichnungen mit den Dokumentati- schon grundsätzlich den reibungslosen Ablauf der
onssystemen verglichen. Dabei sollte geklärt werden, Übergaben stören. Dabei spielen vor allem Störun-
inwieweit sich die mündlich übermittelten Infor- gen wie Telefonanrufe oder Patientenalarme eine
mationen in der Dokumentation wiederfinden bzw. Rolle. Aber auch atmosphärische Störungen, die von
belegen lassen und ob sie die Qualität der Patienten- den anwesenden Personen selbst verursacht werden
versorgung verbessern. können, bleiben nicht unerwähnt (Walther 1997).
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass 84,6% der Die Analyse selbst besteht aus drei Übergabege-
kommunizierten Daten auch in der Dokumentation sprächen, die von Walther beispielhaft aufgezeichnet
zu finden waren, 9,5% der gemachten Angaben waren und analysiert werden. Diese Beobachtungen werden
für die Patientenversorgung nicht relevant. Lediglich auf einer internistischen Station mit 30 Betten unter
die verbleibenden 5,9% des Inhalts der Übergabege- realen Bedingungen durchgeführt. Es wird deutlich,
spräche waren wertvoll für die Fortführung der Pflege dass der Patient durchaus nicht immer im Mittel-
und nicht in den schriftlichen Datensammlungen punkt der Gespräche steht. Es werden, im Zusam-
enthalten. In ihrer Zusammenfassung ziehen Sexton menhang mit der Übergabe, viele andere Sachver-
et al. deshalb den Schluss, dass eine Rationalisierung halte geklärt, so sind z. B. Konflikte untereinander
sowie Strukturierung der Schichtübergabe nötig und oder mit anderen Berufsgruppen ein großes Thema
damit die Verbesserung der Übergabequalität und die (Walther 1997). Wenn sich die Berichte mit dem
Verbesserung der Pflege möglich sei. Außerdem kann Patienten und seiner Krankheit auseinandersetzten,
durch diese Maßnahmen der Zeitaufwand für den dann fällt auf, dass
Schichtwechsel nach Auffassung der Autoren ver-
kürzt werden (Sexton et al. 2004, S. 37–42). » … ärztlich-medizinische Maßnahmen sehr
viel umfassender dargestellt werden als
pflegerische. Die Schwere der Krankheit hat
These 2 kaum Einfluss auf die Sprache – auch wenn über
Der überwiegende Teil von mündlichen sterbende Menschen geredet wird, überwiegt
Übergaben ist deckungsgleich mit Angaben die medizinisch-naturwissenschaftliche Sprache.
aus der schriftlichen Dokumentation. Die (…) Weicht man von dieser technischen Sprache
Übergabezeit könnte demnach sinnvoller ab, dann steht oft nicht mehr die Krankheit
strukturiert und genutzt werden. der Patienten im Vordergrund. Das ist der Fall
bei kritischen Äußerungen über die Patienten
und ihre Angehörigen, die besonders dann
Die Funktion der Übergabe wird auch von einer auftauchen, wenn von deren Seite Forderungen
deutschsprachigen Arbeit in Frage gestellt. Das Buch gestellt werden. (Walther 1997, S. 143)
164 Kapitel 10 · Schnittstellen der I MC-Versorgung
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169 11
Literatur – 179
55 Erkennen der eigenen Interpretationen und 55 Fragen offen und ehrlich beantwortet zu
Gefühle bekommen
55 Einstellen auf den Gesprächspartner 55 In der Nähe des Patienten sein zu können
55 Beherrschen verschiedener Gesprächssitua- 55 Das Gefühl zu haben, dass die Pflegenden für
tionen (Menche 2011) den Patienten da sind (Kean 2010)
Internationale Forschungen zum Critical Care » Unter Belastung versteht man objektive,
Family Needs Inventory zeigen folgende Bedürfnisse von außen auf den Menschen einwirkende
Angehöriger intensiv erkrankter Menschen: Faktoren wie z. B. Lärm, Zeitdruck oder
55 Hoffnung haben widersprüchliche Erwartungen an Mitarbeiter.
55 Jeden Tag Informationen zu erhalten (Gabler Wirtschaftslexikon 2012)
11.3 · Zielführende Kommunikation in Belastungssituationen/Unterstützungssysteme
175 11
Es gibt viele Instrumente, die aktiv eingesetzt werden, Unterstützt werden er und der Fallerzähler durch den
um diesen Belastungen zu begegnen. Einige ausge- Sekretär, der die wichtigsten Punkte im Beratungs-
wählte sollen hier vorgestellt werden. prozess schriftlich festhält. Weiterhin gibt es einen
Fallerzähler, der seine Geschichte in die Gruppe ein-
bringt und die Kollegialen Berater.
11.3.1 Kollegiale Fallberatung Mit der Phase 2 beginnt die inhaltliche Arbeit,
Tietze nennt sie Spontanerzählung. Hier berichtet
Laut Herwig-Lempp ist kollegiale Beratung der Fallerzähler in 5–10 Minuten, welche Situation,
Problemstellung aufgetreten ist. Es werden alle Infor-
» … eine wechselseitige Reflexion unter mationen gegeben, die zum Verständnis für die Kol-
Kolleginnen und Kollegen mit dem Ziel, legialen Berater notwendig sind. Am Ende dürfen
Anregungen für die berufliche Praxis zu Verständnisfragen gestellt werden.
erhalten. (Herwig-Lempp 2004) Die Phase 3, die Schlüsselfrage, wird durch den
Moderator eingeleitet. Er hinterfragt beim Fallerzäh-
» Laut Tietze ist kollegiale Beratung … eine ler, welche Schlüsselfrage er an die Berater in Bezug
wirksame Beratungsform in Gruppen, bei auf sein Thema hat. Diese Frage macht deutlich,
der sich die Teilnehmer wechselseitig zu welche Zielrichtung der Fallerzähler verfolgt – der
schwierigen Fällen ihres Berufsalltags beraten, Moderator kann unterstützend eingreifen.
um Lösungen für problematische Situationen In Phase 4, der Methodenwahl, geht es darum,
mit Mitarbeitern oder Kunden zu entwerfen. aus einem Instrumentenbaukasten ein Tool aus-
Auf diese Weise lernen sie, berufliche Probleme zuwählen, mit dem die Beratung stattfinden soll.
besser zu bewältigen, Kooperations- und Es gibt verschiedene Methoden, die zum Einsatz
Führungsverhalten zu entwickeln, fundiertere kommen können, eine der bekanntesten ist das
Entscheidungen zu treffen, Belastungen zu Brainstorming.
vermindern und erfolgreicher zu handeln. Nun beginnt die „eigentliche Beratung “ –
(Tietze 2003) Phase 5. Die Kollegialen Berater verbalisieren ihre
Ideen, der in Phase 1 benannte Sekretär schreibt
Aus beiden Definitionen wird deutlich, dass diese die Ideen mit, der Moderator koordiniert die Wort-
Methode einen hohen Praxisbezug hat. Pflegekräfte meldungen. Der Fallerzähler hört nur zu und lässt
bringen ihre Fragestellungen, ihre Probleme in die das Gesagte auf sich wirken. Diese Phase sollte
Runde ein. Bedeutsam ist, dass in diesem Ansatz 10 Minuten nicht überschreiten.
jeder das Repertoire zur Lösung von schwierigen Die Phase 6, der Abschluss, wird vom Modera-
Situationen bereits in sich trägt. Es braucht nicht tor eingeleitet, indem er dem Fallerzähler die Frage
zwingend Menschen mit einer speziellen Ausbil- stellt, welche Ideen er hilfreich findet in Bezug auf
dung oder Weiterbildung, die zur Lösung beitragen. seine Schlüsselfrage. Der Fallerzähler gibt den Bera-
Es findet ein moderierter Gedankenaustausch auf tern eine Rückmeldung und bedankt sich für die
gleichberechtigter Ebene statt. Beratung. Der Moderator schließt die Beratungs-
Es gibt unterschiedliche Abläufe der Kollegialen runde, es kann nun ein neuer Fall besprochen
Beratung. Tietze hat ein Sechs-Phasen-Modell ent- werden oder die Kollegiale Beratung findet ihren
wickelt, welches als Grundgerüst genutzt werden Abschluss.
kann. Eines der übergeordneten Ziele der Kollegia-
len Beratung ist die Verbesserung der beruflichen
z Phasen der Kollegialen Beratung Praxis. Tietze spricht von einer „Praxisberatung
Der Beginn wird von Tietze als Casting bezeichnet. near the job: Lösungen für konkrete Praxisprobleme,
Hier werden die Rollen festgelegt. Es ist notwendig, Reflexion der beruflichen Tätigkeit und der Berufs-
dass ein Moderator die Sequenz leitet, die Gruppe rolle sowie der Qualifizierung durch den Ausbau
durch die einzelnen Phasen führt und beachtet, von praktischen Beratungskompetenzen“ (Tietze
dass nicht „gesprungen wird“ während der Phasen. 2003).
176 Kapitel 11 · Kommunikation auf einer IMC-Station
11.3.2 Supervision
realisieren sich in konkreten
Die Beschreibungen und Definitionen zum Begriff supervisorischen Beziehungen.
Supervision sind vielfältig. Der Begriff wird hier 44 Themen und durch den Kontext geprägte
näher beleuchtet, da außer Frage steht, Beziehungen charakterisieren die jeweilige
supervisorische Situation“ (Schreyögg
» … dass Supervision eine sozialwissenschaftlich 2010).
fundierte Praxeologie sein muss, da sie in
gesellschaftlich wichtigen Bereichen (z. B.
Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen) und
Institutionen (z. B. Krankenhäuser, Altenheime, Supervision kann als Einzel-, Gruppen- und Team-
Schulen, Verwaltungen) und hier in sensiblen supervision erfolgen. Im Klinikbereich kommt eine
Diskretionsräumen zum Einsatz kommt. besondere Form der Gruppensupervision, die Balint-
(Petzold et al. 2003) Gruppe, häufiger zum Einsatz.
Muster Seite1
von 1
Ethische Fallbesprechung Formular
Nr.
Teilnehmer:
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
Situation:
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
Meinungen:
_____________________________________________________________________________
11 _____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
Ergebnis:
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________________
Lernen an Fallbeispielen
aus der Praxis
Kapitel 12 Fallbeispiel Sepsis – 183
B. Trierweiler-Hauke
Fallbeispiel Sepsis
B. Trierweiler-Hauke
Literatur – 193
. Tab. 12.1 The Third International Consensus Definitions for Sepsis and Septic Shock (Sepsis-3)
V.a. Sepsis – Blutkulturen (BK): 2–3 BK-Paare (aerob und anaerob) vor antimikrobieller Therapie (bei
bestehender Antibiotikatherapie unmittelbar vor der nächsten Antibiotikagabe)
V.a. Pneumonie – Röntgen-Thorax (keine, diffuse oder lokalisierte Infiltrate)
– Trachealsekret – Gewinnung vor antimikrobieller Therapie
V.a. Katheter- und – Bei V.a. auf Kathetersepsis: Katheter entfernen und mikrobiologisch untersuchen
Fremdkörpersepsis – Blutkulturen vor Entfernung des ZVK über den liegenden Katheter und zeitgleich über
eine periphere Vene abzunehmen
– Bei Vorliegen einer eitrigen Sekretion aus dem Stichkanal wird empfohlen, Abstriche
abzunehmen und eine Katheterneuanlage durchzuführen, wobei die neue Punktion
fern von der infizierten Punktionsstelle erfolgen sollte
Chirurgische Infektionen – Gewinnung Nativmaterial (Gewebe) oder Wundabstriche und eine Gramfärbung
und intraabdomineller – Sonographie, dann erst CT
Fokus
– Punktion verdächtiger Areale unter sonographischer bzw. radiologischer Kontrolle und
das Punktat mikrobiologisch untersuchen
V.a. invasive Candida- – Bei neutropenischen, immunsupprimierten und bei Patienten nach abdominal
Infektion chirurgischen Eingriffen und solchen nach prolongierter antibiotischer Vorbehandlung
Abnahme von Blutkulturen zum Nachweis einer Candida-Infektion
V.a. akute bakterielle – CCT vor Lumbalpunktion, um einen erhöhten intrakraniellen Druck auszuschließen
Meningitis – Zur Sicherung der Diagnose wird eine sofortige Gramfärbung im Liquor empfohlen
> Für einen routinemäßigen Wechsel > Erste und einfachste Maßnahme =
12 intravasaler Katheter, um das Risiko einer Händedesinfektion. Vor und nach jedem
Bakteriämie zu vermindern, gibt es keinen Patientenkontakt und vor jeder Maßnahme
Hinweis. Deshalb werden intravasale an Kathetern und Drainagen.
Katheter nur bei Anzeichen einer Infektion
gewechselt. 55 Konsequente Einhaltung der Hygieneleitlinien
(7 Kap. 8)
55 Frühmobilisation (7 Kap. 9) und Atemtherapie
12.1.3 Prävention (7 Kap. 3)
55 Spezielle Schulungsprogramme zur Infektions-
Laut Aussage der Global Sepsis Alliance, die auch prävention für das Intensivpersonal sollen
den jährlich stattfindenden Welt-Sepsis-Tag initi- das Auftreten von -ventilatorassoziierten
iert, nehmen ungeachtet aller medizinischen Fort- Pneumonien (VAP), ZVK-assoziierten Bakte-
schritte Sepsiserkrankungen in besorgniserregendem riämien und katheterassoziierten Harnweg-
Ausmaß zu. Die im Krankenhaus behandelten Sep- infektionen reduzieren (Babcock et al. 2004;
sisfälle haben sich im Laufe der letzten 10 Jahre ver- Pronovost et al. 2006; Stephan et al. 2006).
doppelt. In Deutschland erkranken jährlich 180.000 55 Eine Infektionserfassung von VAPs und
Menschen an einer Sepsis und nur 120.000 Menschen ZVKs, die Analyse der Veränderungen und
überleben. Zwischen 15.000 und 20.000 Sepsis-To- ein Vergleich mit anderen Stationen sind
desfälle sind vermeidbar (World Sepsis Day 2015). zu empfehlen. Der Umgang mit Kathetern,
Welche Maßnahmen helfen, eine Sepsis zu Sonden und Ableitungen erfolgt nach hygieni-
verhindern? schen Richtlinien (7 Kap. 8)
12.1 · Medizinische Grundlagen zum Krankheitsbild
187 12
55 Frühe orale bzw. enterale Ernährung bei
. Tab. 12.3 Tarragona-Strategie (Sandiumenge
chirurgischen Patienten mit Operationen am 2003)
Gastrointestinaltrakt (7 Kap. 6)
55 Orale Antiseptika zur Mundpflege (7 Kap. 8) Hit hart and – So früh wie möglich eine adäquate
55 Impfungen gegen Pneumokokken von early empirische Antibiotikatherapie einleiten
Patienten mit anatomischer oder funktioneller Look at your – Erkennen, welches Organ am ehesten
Asplenie (http://www.asplenie-net.org/) patient betroffen ist
55 Quantitativ und qualitativ ausreichende – Individuelle Risikofaktoren
Personalausstattung berücksichtigen
Listen to – Resistenzstatistik des eigenen
> Tägliche Überprüfung der Indikation von your hospital Krankenhauses kennen
Kathetern und Drainagen. Entferne jeden Get to the – Ausreichende Dosierung, um effektive
Katheter und jede Drainage, die nicht point Gewebespiegel zu erreichen
Zur hämodynamischen Stabilisierung werden kristal- Ernährung Früher B eginn (innerhalb von
loide Infusionslösungen (Kat. 1B) initial 30 ml/kg Kör- 48 Stunden) der enteralen Ernährung und schritt-
pergewicht (KG) (Kat. 1 C) verabreicht. Die Diagnose weise Erhöhung der Kalorienzufuhr binnen 7 Tagen,
des Volumenmangels kann mittels einfachen Anhe- bis der kalorische Bedarf gedeckt ist.
bens der Beine, ohne den Druckaufnehmer der arte-
riellen Messung zu verändern (Autotransfusion), z Adjunktive Therapie
gestellt werden (Huschak et al. 2015). Bei hohem Volu- Im therapierefraktärem septischen Schock kann
menbedarf, wenn ein Kolloid gegeben werden soll, Hydrokortison (Anstieg des systemvaskulären
kann Humanalbumin verabreicht werden (Kat. 2B). Widerstandes) mit einer Dosierung von 200 mg/
Die Überwachung der Stabilisierung wird mittels Tag als kontinuierliche Infusion angewendet werden
direkter arterieller Blutdruckmessung empfohlen. (Kat. 2 C und 2D) (Briegel 2013).
Wird die Anhebung des MAP >65 mmHg nicht
erreicht, werden Vasopressoren wie Noradrenalin
eingesetzt. Adrenalin ggf. additiv und Dobutamin 12.2 Pflege- und
bis 20 μg/kg/KG/min, wenn ein „low cardiac output“ Überwachungsschwerpunkte
vorliegt und der ein MAP >65 mmHg noch nicht
erreicht ist. Hierzu sollte ein erweitertes Monitoring > Die Sepsis kommt auf leisen Sohlen, beginnt
mittels PICCO („pulse contour cardiac output“) und dann zu laufen und galoppiert uns schnell
Echokardiographie genutzt werden (Briegel 2013). davon.
Nierenersatzverfahren Die Gabe von Diuretika Die Überwachungskompetenz der Pflegenden spielt
führen nicht zu einer Verbesserung des akuten Nie- hier eine extrem wichtige Rolle. Kleine Verhalten-
renversagens (ANV). Die Behandlung des ANV sänderungen, z. B. dass der Patient plötzlich sehr viel
erfolgt mittels kontinuierlicher oder intermittieren- mehr redet als vorher oder dass der Patient sich plötz-
12 der Nierenersatzverfahren. Kontinuierliche Verfah- lich falsch herum ins Bett legt, können ein Hinweis
ren erleichtern die Steuerung der Flüssigkeitsbilanz. auf eine beginnende Sepsis sein. Das Beobachten und
Beschreiben von Verhaltensänderungen wird hoch
Airway Management – oxymetrische Sauerstoffsätti- gewertet und permanent evaluiert genauso wie eine
gung über 90% Gelingt eine initiale Stabilisierung Veränderung des Blutdrucks.
des Patienten nicht, so ist der Patient frühzeitig zu Ist der Patient plötzlich schläfrig, teilnahms-
beatmen und zur weiteren Therapie auf eine Intensiv- los, unruhig, verwirrt, euphorisch oder aggres-
station zu verlegen. Dort erfolgt eine lungenprotektive siv, dann wird ein Sepsis-Früherkennungsbogen
Beatmung mit niedrigen Zugvolumina, Plateaudrü- ausgefüllt (. Abb. 12.1). Dieser Erhebungsbogen
cken <30 cmH2O, immer mit einem PEEP (positiver erleichtert die Evaluation der Patientensituation
endexspiratorischer Druck) und bei einem schweren und verbessert die Kommunikation im therapeu-
ARDS („adult respiratory distress syndrome“) werden tischen Team.
Bauchlagerung und Rekrutierungsmanöver empfoh-
len. Die minimal mögliche Analgosedierung wird
nach Stabilisierung mit täglichen Aufwachversuchen 12.2.1 Desorientiertheit
gestaltet. (AWMF Leitlinie Sepsis 2010) (7 Kap. 3).
Die Einschätzung der postoperativen neurologischen
Blutprodukte Zurückhaltendes Transfusionsregime Situation von Herr Feld ist eine große Herausforde-
mit Zielwerten zwischen 7 und 9 g/dl. rung. Die von den Angehörigen beschriebene Ver-
gesslichkeit kann nicht klar von einer mutmaßlichen
Stationsinternes Protokoll Etablierung eines sta- septisch bedingten Enzephalopathie unterschieden
tionsinternen Protokolls zur Glukosekontrolle, werden. Vor allem auch deshalb, weil Herr Feld im
12.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
189 12
SIRS-/Sepsisverdacht-Checkliste
Sepsiszeichen
Bewusstsein schläfrig □
Neurologie
teilnahmslos □
unruhig □
verwirrt □
euphorisch □
RR < 90 mmHg □
Atemfrequenz ≥ 20/min □
≤ 36°C □
Leukozyten ≥ 12000/mm³ □
≤ 4000/mm³ □
Kreatinin ↑ (Ausgangskreatinin) □
AT III ↓, Quick ↓ □
Leberenzymwerte erhöht □
Laktat ↑ □
Urinkatheter □
Peritonitiszeichen/Abdomen auffällig □
Datum:__________________
Pflegende:_______________
betreffen, begünstigt und ist die häufigste Todesur- 12.3 Überlegungen zum
sache der Sepsis. Patientenerleben
z DIC – Disseminierte intravasale Gerinnung Neben der großen Operation, die schon ein alleiniges
Das Gerinnungssystem wird einerseits aktiviert hohes Risiko für den 88-jährigen Herrn Feld darstellt,
und gleichzeitig kommt es zu einer Hemmung der ist das Auftreten der Sepsis ein Extremrisiko. Herr
Antikoagulation. Feld spürt, dass der Blutdruckabfall lebensbedroh-
Die Folgen sind eine verstärkte Blutungsneigung, lich ist, denn er äußert immer wieder Sätze wie „Oje,
z. B. aus allen Stichkanälen oder von Schleimhäu- wenn ich das nur überlebe“. Der erneute Wechsel von
ten in Mund und Nase, und zeitgleich eine höhere der Allgemeinstation auf die IMC-Station verunsi-
Gerinnbarkeit mit dem Auftreten von septischen chert ihn stark. Die Hypotonie erfordert, dass Herr
Thrombosen. Feld im Bett liegen bleiben soll. Neben dem vorange-
55 Prophylaxe einer tiefen Venenthrombose gangen Schlafentzug zählen eine fremde Umgebung
(Kat. 1B) medikamentös und mechanisch und die Immobilisation zu den delirogenen Noxen.
(medizinischer Thromboseprophylaxe- Die neu gelegten Katheter und die vielen und unge-
Strumpf [MTS] und pneumatische wohnten Geräusche verstärken dies noch mehr.
Kompression) Innerhalb kürzester Zeit wird aus einem Men-
55 Monitoring der Gerinnung, Beobachtung schen, der über sein Leben selber bestimmt und
und Dokumentation der Blutungen, Entscheidungen trifft, ein Mensch, der vollkommen
Manipulationsreduktion abhängig ist.
Herr Feld hat Angst.
z Durchblutungsstörungen der Akren Andererseits kann sich Herr Feld auch durch die
Die Mikrozirkulation von Händen und Zehen, sofort eingeleitete Intensivbetreuung sicher fühlen,
auch Ohren und Nase (Akren) der Patienten da die Anhebung des Blutdrucks und die Behand-
kann bei schlechter Hämodynamik stark verrin- lung der Tachykardie für ihn spürbare Erleichterung
gert sein, sodass sich trockene Gangräne entwi- bringen und ihn ruhiger werden lassen.
ckeln können. Seine Angehörigen begleiten ihn mit dem
12 55 Verbesserung der Hämodynamik und Behandlungsteam zur CT-Untersuchung und erklä-
Mikrozirkulation durch eine ren ihm dann mit ihren Worten, warum er noch
adäquate Volumensubstitution und einmal operiert wird. Die Angehörigen bleiben bis
Katecholamintherapie zur Operation bei Herrn Feld.
Wer eine Sepsis überlebt, hat ein hohes Risiko,
z CIP und CIM neurokognitive Langzeitdefekte zu entwickeln. Neben
Die Critical-Illness-Polyneuropathie (CIP) ist eine allen Maßnahmen zur Delirprävention und zum
Erkrankung des peripheren Nervensystems, die auf- Umgang mit Patienten im Delir ist eine ruhige und
grund der septischen Entzündungsreaktion auftritt. wertschätzende Kommunikation eine wichtige Säule.
Es kann sich auch eine Critical-Illness-Myopathie Sätze, die Aussagen „Sie müssen“ oder „Sie sollen“
(CIM) entwickeln. Auftretende muskuläre Schwä- oder „Sie dürfen nicht“ enthalten, sind zu vermeiden.
chen und Atrophien können zu einer verzögerten
Entwöhnung vom Respirator und weiteren Sekun- > Pflegende, die mit ihren Patienten im
därkomplikationen führen. Beide Erkrankungen Imperativ sprechen, erleben sehr viel
sind nur schwer voneinander abzugrenzen. Die Pati- häufiger Widerstand und Unwillen.
enten benötigen oft eine neuromuskuläre Rehabilita-
tion. Bei leichten Verläufen ist die Prognose der CIP
gut, lebenslange neuromuskuläre Defizite können Anregungen für den Unterricht
nach schweren Verläufen bleiben (Judemann et al. 1. Das Fallbeispiel wird vorgegeben. Die
2011). Teilnehmer stellen eigene Überlegungen
55 Frühe Mobilisation von Intensivpatienten zum Krankheitsbild an.
55 Frühe Physiotherapie
Literatur
193 12
Judemann K et al. (2011) Erworbene Muskelschwäche beim
2. Das Fallbeispiel und die medizinischen kritisch Kranken: Critical-Illness-Polyneuropathie und
Critical-Illness-Myopathie. Anaesthesist 60: 887–901. DOI
Grundlagen werden vorgegeben. Die
10.1007/s00101-011-1951–7
Teilnehmer erarbeiten die medizinischen Kortgen A, Niederprüm P, Bauer M (2006) Implementation
und pflegerischen Maßnahmen und of an evidence-based „standard operating procedure”
diskutieren diese in der Gruppe. and outcome in septic shock. Crit Care Med 34(4):
3. Die Teilnehmer recherchieren im Internet 943–949
Kumar A et al. (2006) Duration of hypotension before initiation
den Zusammenhang zwischen Sepsis und
of effective antimicrobial therapy is the critical determin-
Asplenie. ant of survival in human septic shock. Crit Care Med 34:
4. Ein Poster für den Welt-Sepsis-Tag soll 1589–1596
kreiert werden. Pronovost P, Needham D, Berenholtz S et al. (2006) An inter-
5. Einige Teilnehmer versetzen sich in die vention to decrease catheter related bloodstream infecti-
ons in the ICU. N Engl J Med 355(26): 2725–2732
Rolle eines Angehörigen und stellen ihren
Rivers E, Nguyen B, Havstad S et al. (2001) Early goal-directed
Kollegen Fragen zur Sepsis. Die Aufgabe therapy in the treatment of severe sepsis and septic
für die befragten Kollegen besteht darin, shock. N Engl J Med 345(19): 1368–1377
die Fragen verständlich zu beantworten. Sandiumenge A, Diaz E, Bodi M et al. (2003) Therapy of venti-
lator-associated pneumonia. A patient-based approach
based on the ten rules of „The Tarragona Strategy”. Inten-
sive Care Med 29: 876–883
Schmidt C et al. (2010) Akutes Nierenversagen und Sepsis
Literatur – Nur eine Organdysfunktion bei septischem Multi-
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Zugegriffen: 18.12.2015
195 13
Fallbeispiel Kardiologie –
Herzinsuffizienz
A. Noll
Literatur – 205
Herzens weiter, besteht akute Lebensgefahr. Dann den Alveolen ist ursächlich für die Verminderung
bleibt noch die Therapie der Herztransplantation. des Sauerstoffgehaltes des Blutes. Somit kommt es zu
Wenn kein Spenderherz zur Verfügung steht, kann einer inadäquaten Sauerstoffversorgung der Organe.
die Wartezeit mit Ventrikel-Unterstützungssystemen Die auftretende akute Dyspnoe führt zu einer
(VAD) überbrückt werden. Panikreaktion des Patienten. Dies wiederum ver-
VAD unterstützen die Pumpfunktion des stärkt die Symptomatik (Tachykardie und Hyperto-
Herzens. Eingesetzt werden sie: nus), was zur weiteren Belastung des Herzens führt.
55 zur Überbrückung bis zur Erholung („bridge to Die Sauerstoffversorgung der Herzmuskulatur ver-
recover“) schlechtert sich zusehends und einer Dekompensa-
55 zur Überbrückung zur Überbrückung („bridge tion wird Vorschub geleistet.
to bridge“)
55 zur Überbrückung zur Herztransplantation z Klinisches Erscheinungsbild
(„bridge to transplant“) Herr Wiese sitzt mit höchster Atemnot im Sessel,
55 als Alternative zur Transplantation(„desti- die Atemhilfsmuskulatur wird eingesetzt. Er ist
nation therapy“) kaltschweißig, blass, motorisch unruhig und emp-
findet Todesangst. Laute feinblasige Rasselgeräusche
Kontraindikationen für ein VAD können sein: Sepsis, können ohne Hilfsmittel gehört werden. Begleitend
Multiorganversagen, letale Begleiterkrankungen besteht ein exspiratorischer Stridor, Pfeifen und
sowie Gerinnungsstörungen und Lungenversagen. Giemen. Schaumig, blutiges Sputum wird abgehustet.
VAD-Systeme lassen sich nach ihren technischen
Funktion einteilen: > Vermittlung von Ruhe und Sicherheit haben,
55 Pneumatische Verdrängerpumpen (Excor, trotz der Notfallsituation, höchste Priorität.
Berlin Heart) Lärm und Hektik müssen vermieden werden.
55 Rotationspumpen: Axial- und Zentrifugal-
pumpe (Heart Mate II, Thoratec) Überwacht werden:
55 Herzfrequenz
Oder nach Art der Unterstützung, die das Gerät 55 Blutdruck
bietet: 55 Atemfrequenz
55 LVAD: „left ventricular assist device“ 55 Sauerstoffsättigung
13 55 RVAD: „right ventricular assist device“ 55 Bewusstseinszustand.
55 BIVAD: „biventricular assist device“
z Therapie der akuten Linksherzinsuffizienz
Welches System implantiert wird, entscheidet sich Bei der Aufnahme von Herrn Wiese auf die
nach der Art der Herzinsuffizienz. Häufig ist es aus- IMC-Station werden folgende Schritte eingeleitet
reichend, die Funktion des linken Ventrikels zu (. Abb. 13.1):
unterstützen (Hecker et al. 2015). 55 Lagerung des Patienten im Pilotsitz (Herzbe-
ttlagerung), um den venösen Rückfluss zum
Herzen zu vermindern und damit das Herz zu
13.1.2 Akute Linksherzinsuffizienz – entlasten
Lungenödem 55 Merke: Herr Wiese wird im Rahmen der
Dyspnoe und der damit verbundenen Todes-
Durch die Kombination aus Volumenüberlastung angst nur mit erhöhtem Oberkörper liegen
und Drucksteigerung im linken Ventrikel (wie sie können.
für die links Herzinsuffizienz typisch sind) und die 55 Endotracheales Absaugen (Flüssigkeitsan-
Nachlasterhöhung bei hypertensiver Entgleisung sammlung im Nasen-Rachen-Raum und in den
entwickelte Herr Wiese ein Lungenödem. Dieses Hauptbronchien)
Krankheitsbild kann innerhalb kürzester Zeit auf- 55 Lose Zahnprothesen und Teilprothesen
treten. Die interstitielle Flüssigkeitsansammlung in entfernen (Aspirationsgefahr)
13.1 · Medizinische Grundlagen zum Krankheitsbild
199 13
O2, NIV
Diuretikum ± Vasodilatator
Klinische Evaluation
Schlechtes Ansprechen:
Gutes Ansprechen: Inotrope Substanz
Stabilisieren und initiiere Vasopressor
Diuretikum, Hämofiltration
ACEI/ARB, Betablocker Mechanische
Kreislaufunterstützung
. Abb. 13.1 Therapie der akuten Linksherzinsuffizienz. ACEI Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren, ARB Angiotensin-
Rezeptorenblocker, NIV nichtinvasive Beatmung, NTG Nitroglycerin, SBP systolischer Blutdruck
55 Gabe von Sauerstoff über eine Sauerstoffmaske Effekt auf die Dyspnoe des Patienten. Morphin
(Vorsicht bei Patienten mit COPD! Eine senkt
Hyperkapnie ist zu vermeiden) 44die Vorlast (venöses Pooling),
55 Inhalation mit Salbutamol/Ipratropiumbromid 44wirkt euphorisierend und
zur Bronchodilatation 44senkt Blutdruck und Herzfrequenz (in
55 Im weiteren Verlauf Einleiten einer patientenadaptierter Gabe minimale
CPAP-Therapie atemdepressive Wirkung).
55 Zur Vermeidung einer durch Opioide
> Die Nichtinvasive Beatmungs(NIV)-Therapie bedingten Übelkeit zu Beginn der Therapie,
erhöht den intrathorakalen Druck, verringert empfiehlt es sich, ein Antiemetikum begleitend
den venösen Rückfluss und senkt die kardiale zu verabreichen.
Vorlast sowie die linksventrikuläre Nachlast 55 Zur Senkung der Vorlast werden Nitrate als
(Schönhofer et al. 2008). Sie führt zur Vasodilatatoren gegeben. Dies geschieht immer
effektiven Entlastung der Atemmuskulatur in Abhängigkeit vom Blutdruck (. Tab. 13.2).
und zu einer Reduktion der Hyperkapnie. Das Prinzip ist, das Herz zu entlasten.
Zusätzlich wird der intrapulmonale Druck
erhöht, sodass dem stauungsbedingten > Vorsicht bei hochgradiger Aortenstenose.
erhöhten Druck in den Kapillaren entgegen Bei einer obstruktiven Klappener-
gewirkt wird. krankung kann eine Senkung der Vorlast
zu einem Low output führen. Der linke
55 Intravenöse Gabe von Morphin zur Sedierung Ventrikel muss bei einer höhergradigen
und Anxiolyse. Morphin hat einen positiven Aortenstenose deutlich mehr Druck zur
200 Kapitel 13 · Fallbeispiel Kardiologie – Herzinsuffizienz
ANV akutes Nierenversagen, CVVH kontinuierliche venovenöse Hämofiltration, GFR glomeruläre Filtrationsrate,
HCT Hydrochlorothiazid.
angeleitet. Er wird darüber informiert, dass er bei werden. Gegebenenfalls kann auch noch nach
rascher Gewichtszunahme den Hausarzt sofort infor- Rekompensation die CPAP-Therapie zur Pneumo-
mieren muss. Schwellungen an Knöcheln, Unter- nie- und Atelektasenprophylaxe fortgeführt werden.
schenkeln oder das Einschnüren der Socken sind ein Eine erhöhte Sauerstoffgabe über Maske oder
Hinweis auf Wassereinlagerungen im Körper. Brille kann zum Austrocknen der Schleimhäute im
Aufgrund der Trinkmengenbeschränkung und Nasen-Rachen-Raum führen. Um durch Trocken-
der Gabe von Diuretika kann es zu einer Obstipa- heit bedingtes Nasenbluten vorzubeugen, wird eine
tion kommen. Von einer zusätzlichen Einnahme von Nasenpflege mit einer Nasensalbe oder einem Nasenöl
Ballaststoffen wie Flohsamen oder Leinsamen wird regelmäßig durchgeführt bzw. der Patient hierzu ange-
abgeraten, da hierbei – um einer Verstopfung vor- leitet. Gelegentliches Ausspülen des Mundes führt zu
zubeugen – genügend getrunken werden muss. Dies einer Befeuchtung der Mundschleimhaut und einem
wiederum steht konträr zur Einfuhrkontrolle bzw. erhöhten Wohlbefinden. Eine gut befeuchtete Mund-
-beschränkung. schleimhaut verhindert Rhagaden und Infektionen
In der Klinik werden medikamentöse Maßnah- im Nasen-Rachen-Raum (7 Kap. 8).
men wie Suppositorien oder die Gabe von Movicol Nach Rekompensation benötigt Herr Wiese eine
durchgeführt. Hierbei kann es zu einem Gewöh- Erholungsphase. Die Lagerung des Patienten erfolgt
nungseffekt kommen. Herr Wiese wird entsprechend weiterhin mit erhöhtem Oberkörper, um das Herz zu
zu einer Anpassung seiner Ernährungs- und Bewe- entlasten und für eine gute Belüftung aller Lungen-
gungsgewohnheiten beraten. areale zu sorgen. Je nach Sauerstoffsättigung kann
die Sauerstoffmaske durch eine Sauerstoffbrille aus-
getauscht werden.
13.2.2 Atmung
zusätzlich. Die Herzbettlagerung, die Herz und teilzunehmen. Dies erfolgt nach Rücksprache mit
Lunge entlastet, führt ebenfalls zu einer erhöhten dem niedergelassenen Kardiologen. Neben der
Druckbelastung des Gesäßes. Um Druckstellen an gemeinsamen sportlichen Betätigung, die unter
prominenten Körperstellen zu vermeiden, wird Herr ärztlicher Leitung stattfindet, kann Kontakt und
Wiese kurz auf die Seite gedreht und nach Wunsch Austausch mit anderen Betroffenen gepflegt werden.
evtl. mit einer erfrischenden Rückenwaschung ver-
sorgt. Dabei wird eine Hautinspektion von Rücken,
Steiß und Fersen durchgeführt. Bei Auftreten einer 13.2.4 Nahrungsaufnahme
Dyspnoe ist die Belastungsgrenze erreicht und die
Pflegehandlung ist zu beenden. Herr Wiese darf essen, was ihm schmeckt. Ihm
Sobald es Herrn Wieses Zustand erlaubt, wird werden mehrere kleine Mahlzeiten am Tag angebo-
eine regelmäßige Lagerung vorgenommen, wenn ten, um ein Völlegefühl zu vermeiden. Frisches Obst
er selbst es nicht kann. Es genügen auch Mikrolage- und Gemüse sind zu empfehlen. Fettreiche, schwer
rungen oder ein Freilagern der Fersen durch Kissen verdauliche und blähende Speisen sind zu vermei-
oder andere Hilfsmittel, um Druckstellen vorzubeu- den. Auch scharfe Speisen welche den Durst anregen,
gen. Geeignete Matratzensysteme können eingesetzt sollten vermieden werden. Die Trinkmenge richtet
werden (7 Kap. 9). sich nach der Diurese. Bei eingeschränkter Diurese
Die erweiterte Mobilisation erfolgt dann, wenn erfolgt eine Trinkmengenbeschränkung. Die emp-
sich Herr Wiese vollständig erholt hat. Alle Maßnah- fohlene Trinkmenge bei Herzinsuffizienz beträgt
men werden mit ihm abgesprochen. 1,5 l am Tag. Eine tägliche Gewichtskontrolle wird
55 Zu Beginn genügt das Aufsetzen an die durchgeführt, um eine rasche Gewichtsverände-
Bettkante. Herzfrequenz und Blutdruck rung durch Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe
müssen beachtet werden. Setzen Zeichen zeitnah zu erkennen. Trinkprotokolle können in
der Erschöpfung ein (Dyspnoe, Anstieg der Form eines Tagebuches selbstständig geführt werden,
Herzfrequenz, Hypotonie oder Hypertonie), um sich selbst täglich zu reflektieren und kontrol-
wird die Mobilisation abgebrochen. lieren. Frisch gepresster Zitronensaft oder gefro-
55 Ist die Leistungsfähigkeit wiederhergestellt, rene Himbeeren im Trinkwasser können das Durst-
kann Herr Wiese vorsichtig in den Mobilisa- gefühl ebenso reduzieren wie das Lutschen von
tionsstuhl mobilisiert werden und dort ggf. Bonbons.
13 seine Mahlzeiten einnehmen. Die Ruhezeiten Beispiele für die Protokollierung der Nahrungs-
sind einzuhalten. Die Mobilisation erfolgt in aufnahme und der Trinkmenge zeigen . Abb. 13.2
Absprache mit der Physiotherapie und ein und . Tab. 13.4.
gemeinsamer Mobilisationsplan wird erarbeitet.
z Patientenedukation
Sport und körperliche Aktivitäten wirken sich lang- Eine genaue Information und Beratung des Pati-
fristig positiv auf Psyche und Körper aus. Im statio- enten über die empfohlene Trinkmenge und deren
nären Bereich der Herzinsuffizienz-Wachstation hat Einteilung ist wichtig. Angehörige sollten zur Unter-
die Physiotherapie aus diesem Grund einen hohen stützung mit einbezogen werden. Alkohol soll nur
Stellenwert. Hometrainer, Hanteln, Bettfahrräder in geringem Maße getrunken werden. Ist von einer
sowie Rollatoren werden erfahrungsgemäß gerne alkoholbedingten Herzinsuffizienz auszugehen,
von den Patienten genutzt. Der Einsatz von Überwa- sollte ganz auf Alkohol verzichtet werden.
chungsmonitoren mit WLAN-Funktion ermöglicht Herr Wiese benötigt ein Beratungsgespräch zur
den Patienten mehr Bewegungsfreiheit und sichert Medikamenteneinnahme. Um die Medikamenten-
die Überwachung der Vitalzeichen. einnahme übersichtlich zu gestalten, sind Medika-
mentendispenser, welche einmal die Woche gerichtet
z Patientenedukation werden und auch gut bei Reisen oder Tagesausflügen
Herr Wiese wird auf die Möglichkeit hingewiesen, mitgenommen werden können, hilfreich (Schewi-
nach seiner Entlassung an einer Koronarsportgruppe or-Popp et al. 2009).
Datum Portionsgröße Trinknahrung kcal Patientenaufkleber
Frühstück
Mittag
Abend
Gesamtkalorien
Frühstück kcal :
Mittag Frühstück 500
Abend Mittagessen komplett 800
Gesamtkalorien Abendessen 500
Frühstück
13.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
Name:
Datum:
13.3 Überlegungen zum Die Anwesenheit von Angehörigen wirkt sich positiv
Patientenerleben auf den Heilungsverlauf des Patienten aus.
Zudem sind Angehörige für Patienten und das
In der Akutsituation „Lungenödem“ muss rasch interprofessionelle Team wichtige Partner in der
gehandelt werden. Beruhigendes Zureden und Erklä- Lebensgestaltung. Aus diesem Grund hat die Kar-
ren aller Handlungen sowie ein ruhiges Auftreten des diologische ICU/IMC/HI-Wach-Station der Uni-
interprofessionellen Teams sind wichtig und vermit- versitätsklinik Heidelberg offene Besuchszeiten.
teln Sicherheit. Das bedeutet, dass die Angehörigen sich mit den
Die Aufnahmesituation von Herrn Wiese erlaubt Gesundheits- und Krankenpflegekräften über die
13 es nicht, sich Zeit für ein Anamnesegespräch zu Besuchszeiten individuell absprechen. Der emp-
nehmen. Dies schließt die Betreuung der Angehö- fohlene Zeitraum für Besuche ist von 12.00 Uhr bis
rigen mit ein. 20.00 Uhr. Ruhezeiten für die Patienten sind indivi-
Nach der Stabilisation des Patienten, sollten duell mit allen Beteiligten einzuhalten. Die Angehö-
er und seine Angehörigen betreut und informiert rigen werden darüber informiert, dass sie mit Warte-
werden. Eine Möglichkeit, dieser Situation zu zeiten zu rechnen haben, da es aufgrund von Unter-
begegnen, ist es, einen speziellen Warteraum für suchungen oder pflegerischen Handlungen zu Verzö-
die Angehörigen einzurichten. Hier können Infor- gerungen der Besuchszeiten kommen kann.
mationsbroschüren ausgelegt werden, die aber kei- Um den Patienten ein Höchstmaß an Autonomie
nesfalls das persönliche Gespräch ersetzen. Wieder- und selbstständiger Lebensführung zu ermöglichen,
holte Informationen über den aktuellen Zustand und ist die Patientenedukation von größter Wichtigkeit.
die momentanen Interventionen schaffen ein Ver- Durch die demographische Entwicklung werden
trauensverhältnis und unterstützen die Betroffenen zukünftig immer mehr Menschen an Herzinsuffizi-
emotional. enz erkranken. Die Herzinsuffizienz betrifft nicht nur
Sobald Herr Wiese außer Lebensgefahr ist, ältere Patienten, sondern auch Patienten in jüngerem
werden die Angehörigen von einem Arzt über die Alter, welche berufstätig sind und deren Lebenspla-
Situation aufgeklärt. Die Angehörigen dürfen den nung von einer gelingenden Therapie abhängt. Die
Patienten sobald wie möglich besuchen. Dies ist für Patienten müssen sich auf ihre Erkrankung langfris-
beide Seiten beruhigend und entspannt die Situation. tig einstellen. Die medikamentöse Therapie muss wie
Literatur
205 13
verordnet eingenommen werden, die Lebensweise Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2012) Natio-
nale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz.
verändert sich gravierend. Durch Aufklärung und
Kurzfassung. http://www.herzinsuffizienz.versorgungs-
Anleitung bezüglich der Medikation, Beschränkung leitlinien.de
der Trinkmenge, angepasste Nahrungsaufnahme zur Busch S (2011) Fbxl22 – Charakterisierung eines neuen herz-
Verhinderung von Fehlernährung und eigene Symp- spezifischen F-box Proteins, Inauguraldissertation zur
tomüberwachung können häufige Klinikeinweisun- Erlangung des medizinischen Doktorgrades der Medizini-
schen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
gen infolge kardialer Dekompensationen verringert
El-Banayosy A, Körfer R (2006) Empfehlungen zum Einsatz und
werden (Strömberg 2004). zur Verwendung der Herz-Lungen-Maschine. Steinkopff.
Darmstadt
Genzwürker H, Hinkelbein J (2014) Fallbuch Anästhesie, Inten-
Anregungen für den Unterricht sivmedizin und Notfallmedizin, 3. Aufl. Thieme, Stuttgart
Hecker U, Tremmel A, Schmack B (2015) Takt- und kraftlos –
1. Schreiben Sie sich unklare Begriffe heraus
Wenn das Herz Unterstützung braucht. retten! 4: 54–59
und recherchieren Sie deren Bedeutung. Hoppe U, Böhm M, Drexler H, Hasenfuß G, Lemke B, Osterspey
2. Fassen Sie den Text mit eigenen A, Pauschinger M, Böhm M (2009) Pocket-Leitlinien,
Worten zusammen und erklären Sie die Therapie der chronischen und akuten Herzinsuffizienz.
Schwerpunkte der Versorgung eines UPDATE 2009. Deutsche Gesellschaft für Kardiologie –
Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Patienten im akuten Lungenödem.
Schewior-Popp S, Sitzmann F, Ullrich L (2009) Thiemes Pflege.
3. Welchen therapeutischen Nutzen Das Lehrbuch für Pflegende in Ausbildung, 11. Aufl. Thie-
hat der Patient durch den Einsatz der me, Stuttgart
CPAP-Beatmung? Schönhofer B, Kuhlen R. et al (2008) S3-Leitlinie Nichtinvasive
4. Das akute Lungenödem kann an drei Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuf-
fizient. Kurzfassung. Thieme, Stuttgart, S. 7
Symptomen erkannt werden. Nennen und
Schönhofer B et al. S3 – Leitlinie NIV bei akuter respiratorischer
erklären Sie diese drei Symptome. Insuffizienz
5. Der Einsatz von Morphin hat neben SOP Akute Herzinsuffizienz/Akutes Herzinsuffizienzsyn-
der Schmerzbekämpfung noch weitere drom Universitätsklinikum Heidelberg Innere Medizin
positive Effekte. Beschreiben Sie die III Kardiologie Herzinsuffizienzstation (Erstellungsjahr
2012). Modifiziert von: ESC-Leitlinie zur Behandlung und
Effekte.
Diagnose der akuten und chronischen Herzinsuffizienz,
European Heart Journal 2008, 29:2388-2442._ESC-Leit-
linie zur Behandlung und Diagnose der akuten und chro-
nischen Herzinsuffizienz, European Heart Journal 2012,
Literatur 33: 1787–1847
Strömberg A (2004) Von Pflegepersonen geleitete Herzin-
Bolanz H, Oßwald P, Ritsert H (2007) Pflege in der Kardiologie/ suffizienzambulanzen: Die zehnjährigen Erfahrungen in
Kardiochirurgie, Ausgabe 21. Urban & Fischer, München Schweden. Huber, Hogrefe, Bern. Pflege 17: 237–242
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereini- Ullrich L, Stolecki D, Grünewald M (2010) Intensivpflege und
gung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Anästhesie. Thieme, Stuttgart
207 14
Fallbeispiel Kardiochirurgie –
Aortenaneurysma
B. Meier
Literatur – 214
6.IC
R
I II III IV
. Abb. 14.1 Modifizierte Klassifikation der thorakoabdominellen Aortenaneurysmen nach Crawford. Befundausdehnung:
I kaudal der linken A. subclavia bis kranial der Nierenarterien, II kaudal der linken A. subclavia bis zur Aortenbifurkation, III vom
6. Interkostalraum bis zur Aortenbifurkation, IV vom Diaphragma bis zur Aortenbifurkation. (Aus Luther 2011)
Patienten nach dieser Operation können auch Abdomen durch Husten sowie Pressen beim Stuhl-
postoperativ (sekundär) neurologische Defizite als gang könnte eine Nahtinsuffizienz bzw. eine Nach-
Folge einer spinalen Minderperfusion entwickeln. blutung hervorrufen.
Die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse ist Starkes Husten ist auch zu vermeiden, da dies die
deutlich erhöht, wenn sich der Patient in einer kreis- Bauchpresse aktiviert, ggf. ist die Verabreichung von
laufinstabilen Situation befindet. In diesem Fall ist Bronchospasmolytika zur Inhalation nach ärztlicher
eine (prophylaktische) Anhebung des mittleren arte- Anordnung indiziert.
riellen Druckes durch z. B. Volumengabe und vaso-
konstriktive Substanzen erforderlich (Koeppel u. Praxistipp
Jacobs 2012, S. 502).
Um das Risiko einer sekundären Spinalischämie Es ist sinnvoll, den Patienten anzuleiten, beim
zu vermeiden, ist in den ersten 48 h auf einen aus- Husten mit den Händen einen Gegendruck auf
reichenden Perfusionsdruck zu achten. Der mittlere den Bauch auszuüben.
arterielle Blutdruck sollte zwischen 75 und 80 mmHg
liegen (Huber u. Bolanz 2008, S. 415). Der systolische
Blutdruck sollte nicht über 130 mmHg steigen, um Eine ballaststoffreiche Ernährung, die Unterstützung
einen Einriss der Prothese oder eine Nahtinsuffizienz bei der Flüssigkeitsaufnahme und ggf. die Verabrei-
zu vermeiden. Auch ein Druckaufbau in Thorax und chung von Laxanzien nach ärztlicher Anordnung zur
210 Kapitel 14 · Fallbeispiel Kardiochirurgie – Aortenaneurysma
Praxis eingeführt. In der Regel wird die Liquordrai- Eine engmaschige Sichtkontrolle des Systems
nage unmittelbar vor der Operation eingebracht. ist notwendig. Der Liquor ist auf Menge und Farbe
Dadurch kann bereits während der Operation mit (serös, blutig, xanthochrom, trübe, normal: wasser-
der Überwachung des Drucks im Spinalkanal begon- klar) hin zu überprüfen. Während des Patienten-
nen werden. Diese Messung wird routinemäßig bis transportes kann die Höhendifferenz nicht gewähr-
zum 3. postoperativen Tag fortgeführt. Die Drainage leistet werden. Daher müssen die 3-Wege-Hähne
wird auf Ablauf gestellt und somit der Druck inner- zum Patienten hin und die Absperrclips am Bakteri-
halb des Spinalkanals <10 mmHg gehalten (Koeppel enfilter geschlossen werden. Motorik und Sensibili-
u. Jacobs 2012, S. 503). tät beider Beine sollten in regelmäßigen Abständen –
Die Ursachen für eine Rückenmarkverletzung mindestens 1-mal pro Schicht – untersucht werden.
sind multifaktoriell. Auslösende Faktoren sind z. B. In der thorakoabdominellen Aortenchirurgie
die Minderperfusion des Rückenmarks, Unterbre- hilft das geschlossene Drainagesystem LiquoGu-
chung des Blutflusses, nicht ausreichende Revasku- ard7 (. Abb. 14.2). in der lumbalen Anwendung, die
larisation der Spinalarterien während der Rekonst- Perfusion des Rückenmarks besser zu kontrollieren
ruktion der Aorta, Spasmen in der Mikrozirkulation und ischämisch assoziierte postoperative neurologi-
und ansteigender Liquordruck. Eine Maßnahme, um sche Defizite zu vermeiden. Durch die Messung des
die Gefahr der Rückenmarkverletzung zu reduzieren, Liquordrucks mittels eines Drucksensors, der direkt
ist die Liquordrainage (Cinà 2004). am Patienten auf Höhe des Foramen Monroe ange-
bracht ist, ist eine erneute Nullpunktbestimmung
z Liquordrainage nach Positionsveränderung des Patienten nicht
Der Lumbaldrainagekatheter sollte mit einem Foli- erforderlich.
enverband versehen werden, um somit die Einstich- LiquoGuard ist das erste Liquormanagementsys-
stelle hinsichtlich Infektion und Liquoraustritt kon- tem, das gleichzeitig den Druck misst und Liquor
trollieren zu können. drainiert, sobald der eingestellte Solldruck über-
Ein Abknicken von Lumbaldrainagekatheter schritten wird. Das System ist es mit einem Alarm-
oder Ablaufsystem verhindert den freien Liquor- konzept ausgestattet, das unter anderem auf Okklusi-
abfluss und somit die Druckentlastung des Rücken- onen, Blutungen oder Dekonnektierungen aufmerk-
marks. Bei einem Drainagesystem ohne Refluxventil sam macht (. Abb. 14.3).
wird die Funktionsfähigkeit durch eine pulsierende
Liquorsäule visuell angezeigt. Ein puls- und atem-
synchrones Schwanken des Liquorspiegels deutet auf 14.3 Überlegungen zum
eine Durchgängigkeit der Drainage hin. Zur sicheren Patientenerleben
14 Kontrolle kann die Messkammer kurz unter Ventri-
kelhöhe gehalten werden. Die Flüssigkeit tropft dann Es ist zu bedenken, dass der Patient nach der Auf-
in die Messkammer. Dieser Effekt ist bei Systemen klärung über die Operation und insbesondere deren
mit einem Refluxventil nicht zu beobachten. hohe Risiken, große Ängste erfährt. Schon der Ein-
Der intrathekale Druck kann durch die Höhe griff selbst ist nicht ohne Risiko. Darüber hinaus wird
der Messkammer im Verhältnis zum Spinalkanal der Patient auf mögliche postoperative Komplikatio-
reguliert werden. Es ist wichtig, dass die Höhendif- nen wie Lähmungen oder Nierenversagen hingewie-
ferenz beibehalten wird. Ist die Überlaufposition der sen, die erhebliche Auswirkungen auf sein weiteres
Messkammer zu niedrig, kann eine lebensbedroh- Leben, seine Lebensqualität und seine Lebenserwar-
liche Hirndruckreduktion durch Überdrainage die tung, haben könnten.
Folge sein. Die Messkammer sollte daher in einem Die Paraplegie ist die meistgefürchtetste Kom-
Stativ mit Fixierklaue am Mittelteil des Bettes fixiert plikation nach TAAA-Operationen, da sich die
werden. Es ist dabei auf eine entsprechende Zugent- Lebensqualität der Patienten dramatisch verändert.
lastung zu achten. Eine Paraparese oder -plegie tritt in 6–40% nach
14.3 · Überlegungen zum Patientenerleben
213 14
. Abb. 14.2 LiquoGard7-System. (Mit freundl. Genehmigung der Fa. Möller Medical)
Operationen an Thorax- oder thorakoabdominellen tiefen Durchatmen, bei der Defäkation und bei der
Aneurysmen auf. Sie sind mit einer um 20% erhöhten Mobilisierung.
Mortalitätsrate vergesellschaftet sowie einer ressour-
cenintensiven Rehabilitation und Pflegebedürftig-
keit. Das bedeutet eine große Belastung für die Pati- Anregungen für den Unterricht
enten und ihre Familien (Cinà 2004). 1. Anhand der Falldarstellung wird im
Angstauslösend kann auch die Verlegungssitua- Plenum überlegt, worin die Ursache
tion sein, bei der ein Gefäßkatheter akzidentiell ent- für den Sättigungsabfall liegen könnte.
fernt wurde, sowie die nachfolgende Neuanlage und Verschiedene Möglichkeiten werden
die Beunruhigung durch den Sättigungsabfall. Dieses diskutiert: Was ist plausibel?
Fallbeispiel zeigt einen besonders kritischen Verlauf 2. Für eine Anleitungssituation (neuer
der Verlegungssituation, die den Patienten nachhal- Mitarbeiter) werden die Risiken einer
tig verunsichern könnte (7 Kap. 10). Thoraxdrainage herausgearbeitet:
Wie bereits erwähnt, ist das Schmerzmanage- Worauf muss geachtet werden? Wie
ment bei diesem Patienten von größter Bedeu- würde man bei der Anleitung
tung. Der umfangreiche Eingriff in zwei Körper- vorgehen?
höhlen (Thorax und Abdomen) ist in der Regel 3. Zum Umgang mit der Liquordrainage
mit starken Schmerzen verknüpft, die den Patien- werden Hygieneaspekte zusammengestellt
ten besonders quälen können beim Abhusten, beim
214 Kapitel 14 · Fallbeispiel Kardiochirurgie – Aortenaneurysma
. Abb. 14.3 LiquoGard-Monitor. (Mit freundl. Genehmigung der Fa. Möller Medical)
Fallbeispiel Neurologie –
Myasthenia gravis
I. Meyer
Literatur – 225
sodass die Übertragung der Nervenimpulse auf den engsten Patientenkontakt ist das Pflegepersonal in
Muskel wieder besser funktioniert. der Verantwortung, wichtige Veränderungen zeitnah
Edrophonium wird wegen seiner kurzen Halb- zu erkennen.
wertszeit nur zu diagnostischen Zwecken einge- Herr Aytekin beklagt zunehmende Lähmungser-
setzt. Durchgesetzt hat sich zur Langzeittherapie die scheinungen, die sich auf die Extremitäten ausgebrei-
Gabe von Pyridostigmin (Mestinon, Kalymin), da tet haben. Diese sind belastungsabhängig. Schwan-
der Wirkstoff nicht nur intravenös, sondern auch kungen im Verlauf des Tages sind daher zu erwar-
in Tablettenform erhältlich ist. Beim Umsetzen der ten. Trotzdem kann eine Zunahme der Symptome auf
oralen Therapie auf einen Pyridostigmin-Perfusor ein Fortschreiten des Krankheitsbildes hindeuten.
und umgekehrt ist zu bedenken, dass aufgrund der Außerdem kann sich der Zustand des Patienten wie
pharmakokinetischen Eigenschaften von Pyridos- im Falle Herrn Aytekins bei einer myasthenen Krise
tigmin die orale Tagesdosis das 30-Fache der intra- sprunghaft verschlechtern. Es ist daher wichtig, den
venösen Tagesdosis beträgt. Zustand des Patienten systematisch und interdiszi-
Cholinesterasehemmer wirken systemisch und plinär mehrmals am Tag zu erfassen, ohne den Pati-
nicht nur an der motorischen Endplatte. Acetyl- enten durch Belastungstests zu überfordern oder zu
cholin wirkt auch als Transmitter zwischen erstem beunruhigen. Aussagen wie „Herr Aytekin hat eine
und zweitem Neuron im vegetativen Nervensystem Parese der Arme“ sind dabei wenig hilfreich, da das
und – wichtiger für die Herleitung der Nebenwir- Ausmaß der Lähmung nicht wiedergegeben wird.
kungen – bei der Übertragung der Information vom Eine umfassende neurologische Untersuchung
zweiten Neuron zum Erfolgsorgan im Parasympa- der Willkürkraft, bei der Muskel für Muskel betrach-
thikus. Cholinesterasehemmer bewirken folglich tet wird, erfolgt sicherlich im Rahmen der Visite.
eine gesteigerte Parasympathikusaktivität. Wichtige Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich auf wenige ein-
Nebenwirkungen sind: Bradykardie, Hypotonie, Ver- fache, aber aussagekräftige Tests zu einigen, um Ver-
engung der Bronchien, allgemein gesteigerte Sekret- besserungen und Verschlechterungen zu dokumen-
produktion bis hin zu Verschleimung und Durchfäl- tieren. Die Tests müssen natürlich auf die indivi-
len (abführende Wirkung der Cholinesterasehem- duelle Klinik abgestimmt sein (7 Diagnostik). Bei
mer), gesteigerte Hautdurchblutung (warm und Herrn Aytekin bietet sich an, festzuhalten, ob er in
rosig). der Lage ist, im Liegen seinen Kopf anzuheben und
welches Ausmaß die Paresen der Arme und Beine
haben. Hierbei kann man sich auf die proximale
15.2 Pflege- und Kraft konzentrieren und erfassen, ob Herr Aytekin
Überwachungsschwerpunkte Arme und Beine gegen Schwerkraft anheben kann,
ob die Arme eine 45°-Stellung erreichen bzw. die
Die Pflege und Überwachung des oben geschilder- Beine eine 30°-Stellung und wie lange es dauert, bis
15 ten, schwer kranken Patienten bringt eine Vielzahl die jeweilige Extremität wieder auf die Bettoberflä-
von Herausforderungen mit sich. Im Folgenden wird che absinkt. Üblich ist auch die Unterteilung der
auf die Pflegeschwerpunkte Beurteilung der neurolo- Muskelkraft nach folgendem Schema in . Tab. 15.1
gischen Symptomatik, Atmung, Ernährung und Pati- in „Fünftel“.
entensicherheit näher eingegangen. Außerdem muss beobachtet werden, wie weit
nach distal sich die Lähmungserscheinungen aus-
gebreitet haben. Ist z. B. die Fingermuskulatur
15.2.1 Beurteilung der neurologischen mitbetroffen?
Symptomatik Herr Aytekin sieht weiterhin Doppelbilder, wenn
er sich beim Lesen anstrengt, jedoch nicht in Ruhe.
Zur Überwachung der neurologischen Symptoma- Bei der neurologischen Untersuchung lassen sich
tik stehen keine apparativen Hilfsmittel zur Verfü- die Doppelbilder provozieren, indem Herr Aytekin
gung, die wie z. B. ein EKG-Monitor das Behand- gebeten wird, maximal nach rechts, nach links
lungsteam alarmiert. Als Berufsgruppe mit dem bzw. maximal nach oben zu blicken. Die stärker
15.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
219 15
Die Schwäche der Atemmuskulatur zeigt sich
. Tab. 15.1 Kraftgrade nach einer Skala des British
Medical Research Council bei Herrn Aytekin durch die stark erniedrigte Vital-
kapazität von 1200 ml. Bei sportlichen Männern
0 Keinerlei Muskelaktivität in seinem Alter sollte die Vitalkapazität um die 3 l
1 Sichtbare Muskelkontraktion ohne betragen. Typische klinische Zeichen des drohen-
Bewegungseffekt den neuromuskulären Atemversagens sind Unruhe,
2 Bewegungseffekt unter Ausschaltung der Angst, Blässe, Kaltschweißigkeit, flache Tachypnoe,
Eigenschwere (Untersucher übernimmt Gewicht) der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur im aufrechten
3 Bewegung auch gegen die Eigenschwere Sitzen und ein schwacher Hustenstoß.
möglich Unser normales Atemzugvolumen in Ruhe
4 Bewegungen gegen mäßigen Widerstand beträgt – grob geschätzt – 500 ml. Dieses Zugvo-
möglich (ausgeübt durch Untersucher) lumen kann Herr Aytekin noch erreichen. Er muss
5 Normale Muskelkraft dazu aber bereits knapp die Hälfte der verbleibenden
Kraft seiner Atemmuskulatur einsetzen. Da die Läh-
mungserscheinungen unter Belastung zunehmen,
betroffenen Augenmuskeln sind nicht mehr in der droht ein Ventilationsversagen. Die flache Atmung
Lage, den Bulbus in vollem Ausmaß zu bewegen, und die hohe Atemfrequenz lassen vermuten, dass
sodass der Patient zu schielen beginnt und – weil er die Vitalkapazität seit der letzten Messung weiter
dies nicht gewohnt ist – doppelt sieht. Bei längerem abgenommen hat.
Blick nach oben (Simpson-Test) zeigt sich zudem Aus der Information, dass sich Herr Aytekin
eine Zunahme des Ptosis. verschluckt hat, können wir vermuten, dass sich
Zur umfassenden neurologischen Untersu- das Ventilationsproblem durch ein Oxygenierungs-
chung gehört auch eine Beurteilung der Schluck- problem infolge der Aspiration von Nahrung weiter
fähigkeit. Herr Aytekin hat sich kurz vor der Ver- zuspitzt. Herr Aytekin versucht durch eine hohe
legung verschluckt. Deshalb und aufgrund seiner Atemfrequenz, an mehr Sauerstoff zu kommen. Mit
akuten Atemnot bleibt Herr Aytekin zunächst nüch- dieser zusätzlichen Anstrengung ist seine Atemmus-
tern. Sobald die Atmung stabilisiert ist, kann mit der kulatur aber momentan überfordert.
nötigen Konzentration ein Schluckversuch durchge-
führt werden (7 Abschn. 15.2.3). z Maßnahmen
Erste Maßnahmen sind die Fortführung der Sauer-
stoffinsufflation, eine atemerleichternde Körperstel-
15.2.2 Atmung lung und beruhigende Einwirkung auf den Patienten.
Auf Sedativa sollte verzichtet werden (Pflegeschwer-
Herr Aytekin leidet an einer Schwäche der Atemmus- punkt Patientensicherheit: 7 Abschn. 15.2.4).
kulatur und es besteht der Verdacht auf eine Aspi- Die Überwachung des Patienten erfolgt eng-
rationspneumonie. Die Schwerpunkte Ernährung maschig. Neben der Krankenbeobachtung und der
und Atmung sind daher eng miteinander verknüpft. Pulsoxymetrie sollte möglichst schnell – und danach
Sowohl eine schwere neurogene Dysphagie als auch regelmäßig – eine arterielle, kapilläre oder zentral-
die Erschöpfung der Atemmuskulatur können eine venöse Blutgasanalyse durchgeführt werden. Außer-
Intubation und/ oder Anlage einer Magensonde dem muss die Vitalkapazität engmaschig überprüft
indizieren. werden.
Die Bedeutung des Atemversagens bei Zuspit-
zung der Myasthenia gravis kann nicht genug betont > Kann die Vitalkapazität bettseitig nicht
werden. Nicht wenige Patienten sind gestorben, gemessen werden (kein Messgerät, fehlender
weil das drohende Atemversagen nicht früh genug Lippenschluss), kann deren Veränderung
erkannt und behandelt wurde, meist auch, weil sich abgeschätzt werden. Der Patient wird
diese Patienten nicht auf einer Überwachungsstation aufgefordert, so tief wie möglich einzuatmen
befunden haben. und laut zu zählen, ohne ein zweites Mal
220 Kapitel 15 · Fallbeispiel Neurologie – Myasthenia gravis
einzuatmen. Je weiter der Patient kommt, sind kontraindiziert. Selbst wenn der PEEP
desto größer die Vitalkapazität. Kommen durch das Offenhalten der Atemwege die
Patienten bis 20, droht in der Regel Atemarbeit erleichtert, wird der zusätzliche
kurzfristig kein Atemversagen. Dies ist jedoch Totraum der Interfaces (Gesichtsmasken,
als Faustregel zu verstehen, die keinesfalls Helme) bei flacher Atmung zu einem
der apparativen Messung ebenbürtig ist. Problem, das über kurz oder lang in eine
CO2-Narkose führen kann.
Betrachten wir isoliert das Ventilationsversagen,
ist eine nichtinvasive Unterstützung der Atmung Da die Symptome unter Belastung zunehmen, sind
das Mittel der Wahl. Bestätigt sich der Verdacht der anstrengende Atemübungen wie das Aufblasen eines
Dysphagie, besteht allerdings eine relative Kontrain- Luftballons oder Atemtraining mit Triflo oder ähnli-
dikation (z. B. Fresenius et al. 2011). Jedoch wurden chen Atemtrainern in der Akutphase kontraindiziert.
die ursprünglich im Rahmen von Studien sehr weit Hilfreich sind sekretlösende Maßnahmen (Pyridos-
gefassten Kontraindikationen mit dem Erfahrungs- tigmin fördert die Sekretproduktion!) und Abhust-
gewinn durch die Verbreitung nichtinvasiver Ver- hilfen, um Atelektasen vorzubeugen: z. B. Vibra-
fahren nach und nach aufgegeben. In der aktuellen tion, Perkussion, Inhalation. Fehlt es Herrn Aytekin
S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung zur Thera- trotz Unterstützung an der Kraft für einen adäquaten
pie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ wird Hustenstoß, muss er regelmäßig endotracheal abge-
Dysphagie nur noch bei Kindern als relative Kon- saugt werden. Hierbei sind die Hygienevorschriften
traindikation gewertet. Selbst bei Patienten im hyper- streng zu beachten, um eine (Super-)Infektion zu
kapnischen Koma ist ein NIV-Versuch gerechtfertigt. vermeiden (Kommission für Krankenhaushygiene
Dieser sollte aber rasch zu einer Verbesserung der und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut
Vigilanz führen (DGP 2015). 2013, 7 Kap. 8).
Im Gegensatz zur Studienlage bei COPD ist Können Ventilation und Oxygenierung trotz
der Einsatz von nichtinvasiver Beatmung bei selte- allem nicht stabilisiert werden, ist eine Intubation
nen Grunderkrankungen jedoch nicht ausreichend unvermeidlich. Häufig geht eine Schwäche der Atem-
untersucht. Zu nichtinvasiver Beatmung bei myas- muskulatur mit Schlucklähmung einher. Die Pati-
thener Krise liegen Einzelfallberichte und retrospek- enten aspirieren ihren eigenen Speichel still, sodass
tive Kohortenstudien vor (Seneviratne et al. 2008, selbst bei ausreichender Ventilation eine Schutzin-
Agarwal et al. 2006, Saeed u. Patel 2011). Ein niedri- tubation nötig ist. Die Alternative besteht in der
ger APACHE-II-Score und das Fehlen einer ausge- frühen Tracheotomie. Die Vorteile einer Tracheal-
prägten kompensatorischen metabolischen Alkalose kanüle im Vergleich zur endobronchialen Intubation
sprechen für einen erfolgreichen Einsatz nichtinva- sind aus Sicht der Pflege die Möglichkeit der effekti-
siver Beatmung (Wu et al. 2009). Einer kleinen, aber ven Mundpflege, der höhere Patientenkomfort, die
15 prospektiven Studie zufolge senkt nichtinvasive Beat- leichtere Entwöhnung und die leichtere Mobilisa-
mung bei Patienten mit neuromuskulären Erkran- tion. Trachealkanülen haben im Vergleich zu endot-
kungen die Notwendigkeit der Re-Intubation und rachealen Tuben einen geringeren Atemwegswider-
Tracheotomie nach erfolgter Extubation (Vianello stand, sodass schneller auf eine Beatmung verzich-
et al. 2011). tet werden kann (größeres Innenlumen und kürzer).
Kann die respiratorische Situation schnell stabilisiert
> Im Vordergrund steht die Erschöpfung werden, ist kein Aufenthalt auf einer Intensivstation
der Atempumpe. Eine ausreichende notwendig. Durch das Einsparen von Analgoseda-
Ventilation ist nur durch ausreichend tiva bleibt die neurologische Beurteilbarkeit erhal-
hohe inspiratorische Spitzendrücke zu ten. Nebenwirkungen der Analgosedativa können
gewährleisten (bis zu 25 cmH2O) (DGP umgangen werden. Andererseits fallen Patienten
2015). Eine reine CPAP-Therapie (PEEP ohne mit Myasthenia gravis durch eine hohe Tubustole-
Druckunterstützung) – z. B. mit klassischen ranz auf. Der Verzicht auf jegliche Analgosedierung
Continuous-Flow-Systemen – sowie EzPAP trotz Tubus ist keine Seltenheit. Gegen eine frühe
15.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
221 15
Tracheotomie spricht auch die reelle Chance rascher Warnzeichen für eine neurogene Schluckstörung
Besserung nach Therapiebeginn. sind im SSA ein fehlender oder schwacher Husten-
stoß auf Aufforderung, Speichelfluss aus dem Mund,
> Mit dem Anschlagen der Therapie sind die Unfähigkeit, seine Ober- oder Unterlippe abzu-
Patienten mit Myasthenia gravis in der Regel lecken, eine feucht oder heiser klingende Stimme
leicht von der Beatmung zu entwöhnen. In und eine erniedrigte Sättigung bei Raumluft. Mit
der Literatur sind aber auch Beispiele von Patienten, die eines dieser Kriterien erfüllen, erfolgt
Respiratorabhängigkeit beschrieben (Pögelt keine weitere Abklärung der Schluckfähigkeit durch
et al. 2011, 7 Kap. 3), nicht wenige Patienten Pflegekräfte.
bedürfen erheblicher Motivationsbe- Bei allen anderen Patienten erfolgt ein Schluck-
mühungen, um im Weaning auf ihre eigene test, sofern der Patient für 15 Minuten wach und
Spontanatmungsfähigkeit zu vertrauen. kooperativ ist sowie aufrecht sitzen kann. Der
Patient bekommt dreimal löffelweise stilles Wasser
zu trinken und beim vierten Mal ein halbes Glas.
15.2.3 Ernährung Abbruchkriterien sind:
55 Keine erkennbare Schluckaktivität
z Schluckdiagnostik 55 Wasser läuft aus dem Mund
Die Tatsache, dass Herr Aytekin sich verschluckt hat, 55 Husten oder Räuspern
spricht dafür, dass seine pharyngeale Muskulatur 55 Zunahme der Atemfrequenz
bereits mitbetroffen ist. Eine Schluckuntersuchung 55 Nasse oder gurgelige Stimme bis 1 min direkt
ist notwendig, um die Indikation einer Intubation nach dem Schlucken
zu stellen oder um zu entscheiden, ob und was Herr 55 Zweifel beim Untersucher
Aytekin essen und trinken darf.
Eine Schluckuntersuchung erfolgt am besten Wasser zum Testen zu verwenden hat den Vorteil,
videoendoskopisch oder per Videofluroskopie dass eine Dysphagie schnell auffällt. Flüssigkeiten
(Breischluck unter Durchleuchtung). Da dies nicht sind schwer zu schlucken, da sie den Rachenraum
in jeder Wachstation zeitnah möglich ist, besteht schnell erreichen und der Schluckakt prompt erfol-
natürlich der Wunsch nach einfachen bettseitigen gen muss. Wasser verursacht zudem natürlich viel
Screening-Methoden zur Bestimmung des Aspira- weniger Probleme bei einer Aspiration als Speisen.
tionsrisikos. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Metho- Ein Test mit Wasser lässt jedoch keine Aussage zu, ob
den, die jedoch in der Regel – wenn überhaupt – nur eine spezielle, individuell abgestimmte Dysphagie-
für Schlaganfallpatienten evaluiert wurden. Fast alle kost ausreicht oder ob der Patient komplett auf Essen
Screening-Instrumente und Schlucktests sind zudem und Trinken verzichten muss. Neben Wasser sind
für Logopäden oder spezialisierte Ärzte entwickelt auch inhomogene, körnige, faserige und sehr harte
und erfordern Fachwissen sowie viel Erfahrung Speisen ungeeignet für Patienten mit einer Schluck-
(Simon et al. 2009). störung. Gut lassen sich homogene Speisen mit brei-
Trotzdem gehört eine Schluckuntersuchung iger Konsistenz schlucken. Sinnvoll ist daher, dem
bei neurologischen Patienten zur Pflegeanamnese. Schluckversuch mit Wasser einen Schluckversuch
Dabei ist das Ziel, Patienten mit hohem Risiko einer mit Wackelpudding vorzuschalten. Wackelpudding
logopädischen Diagnostik oder einer technikba- hat eine angenehme Konsistenz und ist im Falle einer
sierten Schluckuntersuchung zuzuführen und mit Aspiration nicht wesentlich gefährlicher als Wasser.
den übrigen Patienten einen einfachen Schlucktest Inzwischen wird auch angedicktes gefärbtes Wasser
durchzuführen. Die Deutsche Gesellschaft für Neu- auf dem Markt angeboten.
rologie empfiehlt u. a. das Standardized Swallowing Eine Alternative zum SSA ist der als Gugging
Assessment (SSA) (Perry et al. 2001, DGN 2012). Swallowing Screen (GUSS) veröffentlichte Multi-
Das SSA ist das einzige Instrument, das speziell für ple-Consistency-Test (DGN 2012; DGEM 2013).
Pflegende entwickelt und validiert ist (Simon et al. Dieser ist als schrittweises Verfahren konzipiert.
2009). Zunächst wird überprüft, ob der Patient seinen
222 Kapitel 15 · Fallbeispiel Neurologie – Myasthenia gravis
Speichel schlucken kann, danach in festgelegter Rei- Dysphagiekost kann über die Krankenhausküche
henfolge die Konsistenzen halbfest, flüssig und fest. bestellt werden. Dabei werden in der Regel verschie-
Nach jedem der vier Schritte wird der Test bei klini- dene Stufen unterschieden. Die gelieferten Speisen
schen Aspirationszeichen abgebrochen. Der GUSS lassen sich nachjustieren:
ermöglicht damit eine differenziertere Einteilung der 55 Zerkleinern
Dysphagie und folglich auch Empfehlungen zur Diät 55 Einweichen von Speisen
(Trapl et al. 2007). Eine ausführliche Darstellung des 55 Andicken von Suppen und Flüssigkeiten mit
Tests findet sich in der Leitlinie „Klinische Ernäh- Speisestärke (oder entsprechenden Produkten
rung in der Neurologie“ (DGEM 2013). aus der Apotheke z. B. Thick and Easy)
z Therapeutische Maßnahmen und Ernährung Betroffene sollen gut kauen und die Nahrung ordent-
bei Dysphagie lich einspeicheln. Sehr süße Kost und Milchspei-
Die therapeutischen Maßnahmen lassen sich sen wirken auf die Speichelbildung reduzierend.
untergliedern in restituierende, kompensatorische Sie führen zu zähem Speichel und erschweren das
und adaptive Maßnahmen. Restituierende Ver- Runterschlucken.
fahren obliegen im Wesentlichen der Logopädie In der Regel lässt sich durch sorgfältige Schluck-
und spielen bei Herrn Aytekin eine untergeord- diagnostik eine Kostform finden, die aspirations-
nete Rolle, da keine bleibende Schlucklähmung zu freies Schlucken erlaubt (DGN 2012). Zur Evalua-
erwarten ist. tion, ob die gewählte Kostform der Situation des Pati-
Kompensatorische Maßnahmen bestehen vor enten entspricht, muss der Patient beim Essen beob-
allem darin, sich auf das Essen und Trinken gut vor- achtet werden. Speisereste im Mund, eine verlängerte
zubereiten und Ablenkung zu vermeiden. Wichtig Essdauer, das Vermeiden von schlecht rutschenden
sind besonders ein aufrechter Sitz mit Rückenunter- Speisekomponenten, häufiges Husten oder Trinken
stützung und eine gut sitzende Zahnprothese. bei jedem Bissen sind Anzeichen, dass der Patient
Bei verzögerter Auslösung des Schluckrefle- mit dem Schlucken der Speisen überfordert ist. Bei
xes oder reduzierter oraler Boluskontrolle wird das Zweifeln sollte mit dem Patienten eine „Stimmprobe“
Schlucken leichter und das Aspirationsrisiko sinkt, gemacht werden. Wenn die Stimme feucht und gur-
wenn der Patient den Kopf nach vorne neigt. Das gelnd klingt, bedarf es besserer kompensatorischer
Aspirationsrisiko lässt sich auch durch Räuspern Maßnahmen oder das Essen und Trinken muss zur
nach jedem Schlucken, bewusstes Nachschlucken erneuten Diagnostik ganz abgebrochen werden.
und durch supraglottisches Schlucken senken: Bei schwerer Dysphagie – und dieser Befund
bewusstes Atemanhalten unmittelbar vor und würde bei Herrn Aytekin nicht überraschen – muss
während des Schluckens (u. a. DGN 2012). der Patient komplett künstlich ernährt werden. Dabei
Die adaptiven Interventionen umfassen die diäte- ist der enteralen Ernährung in Form von Sondenkost
15 tische Anpassung sowie spezielle Ess- und Trinkhil- grundsätzlich der Vorzug gegenüber der parentera-
fen. Eine einfache Maßnahme ist das Kontrollieren len Zufuhr zu geben (ESPEN 2006; DGEM 2007a,
der zu schluckenden Menge durch die Verwendung 2013, 7 Kap. 5).
von Teelöffeln oder Strohhalmen. Schnabelbecher Der Kostaufbau stellt in der Regel kein Problem
erweisen sich als schwierig, da durch sie eine unna- dar. Herr Aytekin hat bis zum Vortag noch normal
türliche Trinksituation entsteht. Vergleichbar mit dem gegessen und die Gabe von Pyridostigmin fördert die
Trinken aus Flaschen muss der Kopf in den Nacken Peristaltik im Magen-Darm-Trakt. Allerdings sind
genommen werden, was das Schlucken erschwert. Durchfälle nicht nur ein häufiges Problem bei entera-
Bei der individuell angepassten Dysphagie- ler Ernährung, sondern auch eine mögliche Neben-
kost ist die Nahrungskonsistenz die entscheidende wirkung von Pyridostigmin.
Größe. Breiige Nahrung und angedickte Flüssig- Bei der Berechnung des Energiebedarfs für
keiten sind zu bevorzugen. In anderen Fällen, z. B. Herrn Aytekin muss auf seinen Krankheitsverlauf
bei pharyngealer Parese, kann eine gute Fließfähig- Rücksicht genommen werden. Falls sich der Zustand
keit den Bolustransport und das Schlucken auch von Herrn Aytekin rasch stabilisiert, ist der Ruheum-
erleichtern. satz von 20–25 kcal/kg KG/Tag eine Zielgröße für
15.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
223 15
die ersten Tage. Solange er immobil ist und keine
Zeichen der Mangelernährung hat, besteht keine
Notwendigkeit, über den Ruheumsatz hinauszuge-
hen (ESPEN 2006; DGEM 2007a). Eine Indikation
zur ergänzenden parenteralen Ernährung besteht
erst ab dem 5. Tag (ESPEN 2006; DGEM 2007a).
Verschlechtert sich hingegen der Zustand von Herrn
Aytekin weiter im Rahmen einer schweren Pneu-
monie oder Sepsis, sollte die Energiezufuhr in der
Ebbphase sogar unterhalb des Ruheumsatzes liegen
(DGEM 2007b). In diesem Fall kann der Kostaufbau
langsam über 5 Tage gestreckt erfolgen. . Abb. 15.1 Patientenklingel zum Anblasen
Zur Indikation einer PEG-Anlage bei Myas-
thenia gravis liegen keine Daten vor. Zur Orientie-
rung können aber Studien bei Schlaganfallpatien- infolge der Grunderkrankung muss eine Aspirations-
ten mit Dysphagie dienen, die ergaben, dass in den pneumonie befürchtet werden. Entwickelt sich diese
ersten 2 Wochen eine einfache Magensonde einer fulminant, sind auch kardiozirkulatorische Probleme
PEG-Anlage vorzuziehen ist (DGN 2012; DGEM wahrscheinlich.
2013; Dennis et al. 2005). Darüber hinaus hat eine Überdosierung von
Pyridostigmin eine cholinerge Krise zur Folge.
z Mundhygiene und Pneumonieprophylaxe Die Überstimulation des Parasympathikus führt
Unabhängig davon, wie Patienten mit Schluckstö- zu Akkommodationsstörungen des Auges, Durch-
rungen ernährt werden, kommt im Rahmen der fall, Bauchkrämpfen, Erbrechen, Übelkeit, Spei-
Pneumonieprophylaxe der regelmäßigen Mundhygi- chelfluss, Bradykardien und Überleitungsstörun-
ene und dem Absaugen des Mund-Rachen-Raumes gen am Herzen. Ein Überangebot an Acetylcho-
große Bedeutung zu (z. B. Schulz-Stübner et al. 2010). lin bewirkt zudem Muskelzittern, Muskelkrämpfe
Neben der Schwierigkeit, den Speichel zu schlucken, und eine Verstärkung der Muskelschwäche (Hacke
kommt hinzu, dass Pyridostigmin die Speichelpro- 2010; DGN 2014). Wird Pyridostigmin neu ange-
duktion fördert. Je größer der Speichelsee im Mun- setzt, höher dosiert oder umgesetzt auf eine intra-
draum, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer venöse Gabe (orale Tagesdosis muss durch 30 geteilt
stillen Aspiration. Bei tracheotomierten Patienten werden!), ist ein kontinuierliches Monitoring der
mit Schluckstörungen bieten sich Trachealkanülen Vitalzeichen notwendig.
mit der Möglichkeit einer subglottischen Absaugung Natürlich muss trotz Monitoring sichergestellt
an. Mit ihnen kann das Sekret, das sich über dem Cuff sein, dass Herr Aytekin die Ruftaste der Patien-
der Kanüle sammelt und ein großes Keimreservoir tenklingel betätigen kann. Reicht die Kraft in den
darstellt, regelmäßig oder kontinuierlich abgesaugt Fingern nicht mehr aus, gibt es als Alternative sehr
werden (u. a. Muscedere et al. 2011; Kommission für sensibel reagierende Patientenklingeln zum Anbla-
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am sen (. Abb. 15.1).
Robert-Koch-Institut 2013). Bei guter Compliance
können Patienten lernen, sich selber den Mundraum z Medikamente
auszusaugen. Neben den Gefahren beim Aufdosieren und Anpas-
sen der Cholinesterasehemmer ist hinsichtlich der
medikamentösen Therapie bei Patienten mit Myast-
15.2.4 Patientensicherheit henia gravis von besonderer Bedeutung, dass viele
Medikamente kontraindiziert sind, da sie die Sym-
z Überwachung und Patientenklingel ptomatik verschlechtern. Darunter ist eine ganze
Die Überwachung der Vitalzeichen bei Herrn Reihe an Medikamenten, die im Krankenhausall-
Aytekin ist aus mehreren Gründen von Bedeutung. tag häufig eingesetzt werden und sonst als „unge-
Neben der drohenden respiratorischen Erschöpfung fährlich“ gelten, sodass Anordnungen nicht selten
224 Kapitel 15 · Fallbeispiel Neurologie – Myasthenia gravis
mündlich und der Form halber eingeholt werden. Effekt haben und daher überflüssig sind, hingegen
Beispielhaft genannt seien: Magnesium in hohen intermittierende pneumatische Kompression das
Dosen als Laxans, Nifedipin und andere Ca-Anta- Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose reduziert
gonisten, viele Schlafmittel und Psychopharmaka, (CLOTS Trial Collaboration 2009, 2013).
viele Betablocker (auch als Augentropfen), Mor- Im Allgemeinen ist Bewegung ein „Allheilmittel“.
phinpräparate oder Nikotinpflaster. Es empfiehlt Der Patient soll gefordert und aktiviert werden. Bei
sich für alle Berufsgruppen, eine Liste mit kontra- Patienten mit belastungsabhängigen Lähmungser-
indizierten Medikamenten auszudrucken und diese scheinungen ist eine Überanstrengung kontraindi-
bettseitig gut einsehbar zu platzieren. Eine solche ziert. Passive Bewegungsübungen, regelmäßige Lage-
Liste findet sich z. B. in der Leitlinie der Deutschen rung und schonende Mobilisation in einen Rollstuhl
Gesellschaft für Neurologie (DGN 2012). Offensicht- mit anpassbaren Seiten- und Nackenstützen sind
lich ist, dass die Dosis an Muskelrelaxanzien (Gegen- in der Akutphase Bausteine vorbeugender Pflege.
spieler der Cholinesterasehemmer) bei einer Intu- Sobald sich der Zustand von Herrn Aytekin bessert,
bation reduziert werden muss. Initial sollten nur kann in Zusammenarbeit mit der Physiotherapie ein
10–50% der normalen Dosierung appliziert werden Bewegungsprogramm entwickelt werden.
(DGN 2012).
15
227 16
Fallbeispiel Stroke
Unit – Schlaganfall
N. Moritz
Literatur – 233
. Tab. 16.1 Aufgaben des interdisziplinärenn Teams in der Behandlung eines Schlaganfalls. (In Anlehnung an
Lalouschek o.J.)
Neurologen Pflege
– Koordination zwischen einzelnen Berufsgruppen – Unterstützende, beratende und direkte
– Einleitung der patientenindividuellen Therapiemaßnahemn Kommunikation zwischen den einzelnen
– Festlegung des therapeutischen Ziels Berufsgruppen, dem Patienten und den
– Organisation von Konsiliarärzten, zur behandlung Angehörigen
bestehender Vor- und Begleiterkrankungen – Mit- und Absprache sowie Umsetzung der
patientenindividuellen Therapiemaßnahmen, nach
Physiotherapeuten
gesetzten Plänen und Anordnungen innerhalb des
Diagnostik und Förderung von
interdisziplinären Teams
– Gleichgewicht
– Informationssammlung, -vermittlung und
– Koordination
Evaluation zu der Erreichbarkeit der
– Bewegungsapparat
therapeutischen Ziele (Fern- und Nahziele)
Logopäden – Ganzheitliche Überwachung und Beobachtung der
Diagnostik und Förderung des Wiedererlangens der Patientensituation, mit dem Ziel, Veränderungen
Fähigkeiten bei frühzeitig zu erkennen und Folgekomplikationen
– Schluckstörungen sowie Sekundärschäden zu vermeiden
– Sprachstörungen – Individuelle prophylaktische Pflegemaßnahmen
– Atemstörungen planen und zielgerichtet umsetzen
Ergotherapeuten – Ressourcen der Patienten ermitteln, diese fördern
– Unterstützung in der Erlernung von Alltagsfähigkeiten und einbeziehen
– An- und Begleiten der Patienten und Angehörigen
Weitere therapeutische und medizinische Berufsgruppen
Bedarfsgerechte, individuelle Behandlung einzelner oder
mehrerer
– Ursachen
– Symptome
– Folgekomplikationen
– Sekundäre Schädigungen
» Eine umgehende Blutdrucksenkung wird Atmung Eine Hypoxämie oder eine Hyperkapnie,
lediglich empfohlen bei: Myokardinfarkt, als Folge einer pathologischen Atmung, ermögli-
Lungenödem, akuter hypertensiver chen eine Vergrößerung der durch die Hypoxie ver-
Enzephalopathie, Aortendissektion und (Prä) ursachten Schädigungen im Hirngewebe. Um eine
Eklampsie. (…) Bei Thrombolysepatienten Verringerung der Sauerstoffsättigung rechtzeitig
sollte der Blutdruck vor Initiierung der Therapie erkennen zu können, werden die Betroffenen kon-
auf Werte ≤185/110 mmHg gesenkt werden. tinuierlich über eine peripher gemessene Pulsoxy-
16 (Ferrari 2012) metrie und ergänzend durch Blutgasanalysen über-
wacht. Des Weiteren könnte das Atemzentrum durch
Herzfrequenz Die Kontrolle der Herzfrequenz den Schlaganfall betroffen sein und unter Umstän-
kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Ein Hirn- den komplett in seiner Funktion ausfallen. Ein wei-
ödem, als Komplikation, kann u. a. durch eine ein- teres Überwachungskriterium ist das Atemmuster
setzende Bradykardie erkannt werden. Im Falle der Patienten.
von Frau Kurz ist das bestehende Vorhofflimmern
der Hauptrisikofaktor als Auslöser eines erneuten Körpertemperatur Hohe Körpertemperaturen ver-
Schlaganfalls. Die medikamentöse Therapie des Vor- schlechtern das vorgeschädigte Hirngewebe nach-
hofflimmerns muss konstant überwacht werden, haltig. Zusätzlich steigert Fieber den Sauerstoff-
damit unerwünschte Nebenwirkungen frühzeitig verbrauch im Körper. Es müssen rechtzeitig thera-
erkannt werden können. peutische Maßnahmen bei erhöhten Temperaturen
16.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
231 16
ergriffen werden. Eine stetige Überwachung der Kör-
pertemperatur ist somit notwendig.
Patient
Blutzuckerspiegel Abweichungen des Blutzucker-
spiegels können zur Folge haben, dass der anabole
und katabole Metabolismus verändert wird und es
zu einem Laktatanstieg kommt. Dies hat zur Folge,
dass der gesamte Ernährungsstoffwechsel betroffen
ist und unphysiologisch reagiert.
Pflege
Vigilanz Die Bewusstseinslage kann sich jederzeit
vermindern. Bei der Bildung eines Hirnödems oder Therapeuten Angehörige
eines wiederholt auftretenden Schlaganfalls kann der
Patient eintrüben oder gar in einen komatösen Zustand
fallen. Auch ein Wandel der Gemütslage ist oftmals
ein Zeichen für eine Veränderung im hirnorganischen
Bereich. Im Falle von Frau Kurz könnten sich Verstim- . Abb. 16.1 Rolle der Pflegenden als Sprachvermittler
mungen, Aggressionen oder Enthemmungen bilden,
als Folge der Lokalisation ihres betroffenen Hirngebiets.
Die verbale Verständigung mit der Patientin ist
Pupillen Die Pupillen geben eine Aussage, ob es durch die aufgetretene Aphasie (hier nicht näher
zu einer erneuten oder ausgedehnten Ischämie im klassifiziert) erschwert. Jeder aus den versorgenden
Gehirn gekommen ist. Ist ein Auge oder sind beide Teams sowie Angehörige werden in knapp gehalte-
Augen minderdurchblutet, erschlafft die Muskultur nen Sätzen mit Frau Kurz reden, Schlüsselbegriffe
der Pupille. Diese stellt sich weit und reagiert nicht betonen und den Blickkontakt halten. Frau Kurz darf
mehr auf Lichteinfall. Dadurch ist es zwingend not- nicht das Gefühl der Überforderung oder der Unge-
wendig, eine sehr engmaschige Kontrolle bezüglich duld vermittelt bekommen (Winterholler 2013).
der Größe und Reaktion durchzuführen und den
Verlauf zu dokumentieren. Praxistipp
> Orale Flüssigkeits- und Nahrungszufuhren > Im Gegenteil dazu könnte der gesamte
sind zu unterlassen, solange Ablauf, beginnend vom Eintreffen des
ein Schluckvermögen nicht eindeutig Rettungsdienstes, Frau Kurz allerdings auch
positiv erhoben wurde (Bäuerlein die Furcht nehmen, da sie das Gefühl „ich
u. Lunz 2013). erhalte jetzt Hilfe“ vermittelt bekommt.
Literatur
233 16
In der frühen Phase eines akuten Krankheitserle-
bens ist oftmals das Angstgefühl bei den Betroffe- Anregungen für den Unterricht
nen präsent, ob sie je wieder gesund oder gar ver- 1. Verteilen Sie in Ihrem Unterricht lediglich
sterben werden. In späteren Phasen des Verlaufs den Patientenfall sowie die Unterpunkte
zeigen sich Zukunftsängste wie z. B. „Bleibt man aus 7 Abschn. 16.1.
dauerhaft unterstützungsbedürftig?“, „Ist und bleibt 2. Erarbeiten Sie in kleinen Gruppen, welche
man eine Belastung für die Angehörigen?“ und besondere Rolle die Gesundheits- und
„Kann man jemals wieder seinen Beruf ausüben?“. Krankenpflege innerhalb des interdiszi-
In den unterschiedlichen Phasen muss das behan- plinären Teams in der Therapie von Frau
delnde Team stets sensibel auf den Patienten ein- Kurz spielt.
gehen und die Ängste ernst nehmen. Ratsam ist 3. Erarbeiten Sie in kleinen Gruppen
es, frühzeitig eine psychologische Unterstützung symptomorientiert die speziellen
hinzuzuziehen. Maßnahmen der
a. allgemeinen Ressourcen-Förderung bei
> Da bei Frau Kurz eine nicht näher Patienten mit einem Schlaganfall und
klassifizierte Aphasie-Form vorliegt, ist sie b. die fallbezogenen
aktuell noch nicht in der Lage, ihre Bedenken, Förderungsmaßnahmen.
Fragen und Ängste klar verbal zu äußern.
4. Lassen Sie die Gruppe das mögliche
Krankheitserleben selbstständig erarbeiten
Möglich ist, dass die Anlage des Harnableitungska-
und diskutieren Sie dieses im Anschluss
theters von Frau Kurz als besonders unangenehm
im Plenum. Richten Sie Ihren Schwerpunkt
empfunden wird, da dies einen speziellen Eingriff in
ggf. auf die möglichen Gefühlser-
ihre Intimsphäre durch eine fremde Person bedeutet.
lebnisse „Angst“, „Stress“, „Hilflosigkeit“,
Viele Patienten verlieren das Gefühl der Selbststän-
„Schamgefühl“ und „Dankbarkeit“.
digkeit, wenn diese nicht mehr eigenständig auf die
5. Besprechen Sie mit Ihrem Plenum oder
Toilette gehen können.
in kleinen Gruppen, welche besonderen
Die kontinuierliche Monitorüberwachung
prophylaktischen Maßnahmen im Falle von
zwingt Frau Kurz eine Einschränkung ihrer freien
Frau Kurz getätigt werden sollten, welche
Bewegung auf.
Ziele erreicht werden möchten und welche
Probleme sich ergeben könnten.
> Ob ein Patient bettlägerig oder mobil ist, der
kontinuierliche Anschluss an einen Monitor
bedeutet einen dauerhaften vorsichtigen
Umgang mit den entsprechenden Kabeln.
Literatur
Die wiederkehrend auftretende Lärmbelästigung Audebert HJ (2011) Schlaganfallbehandlung 2011. Notfall
durch die Alarmtöne des Monitors, nicht nur die Rettungsmed 5: 415–416
Lautstärke, kann störend für den Betroffenen sein. Bäuerlein S, Lunz N (2013) Pflegerische Überwachung. In:
Der Signalton an sich kann zu erneuten Ängsten Fiedler C, Köhrmann M, Kollmar R (Hrsg) Pflegewissen
Stroke Unit. Springer, Heidelberg, S 124
vor einer Verschlechterung des eigenen Zustandes
Ferrari J (2012), Ischämischer Insult. In: Meyer G, Friesacher H,
führen. Lange R (Hrsg) Handbuch der Intensivpflege, Kap. VIII-3.3.
Die Pupillen werden anfangs noch sehr engma- Ecomed., Landsberg am Lech, S 2
schig kontrolliert und dokumentiert. Dieses und Haupt W F, Jochheim K-A, Remschmidt H (Hrsg) (2002) Krank-
eine stetige Kontrolle der Bewusstseinslage mag von heitslehre Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe, 9.
Aufl. Thieme, Stuttgart
Frau Kurz als zusätzlicher Stress empfunden werden.
Hensler S, Barzel A, Koneczny N (2012) Schlaganfall – DEGAM-
Besonders nachts werden Patienten für diese Maß- Leitlinie Nr. 8. Stand: 16.02.2012; geplante Überarbeitung:
nahmen oftmals in einem mindestens stündlichen Februar 2016. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedi-
Rhythmus geweckt. zin und Familienmedizin (DEGAM). Omikron publishing,
234 Kapitel 16 · Fallbeispiel Stroke Unit – Schlaganfall
Düsseldorf, S 9, 27. http://www.awmf.org/uploads/ Ringleb P, Nagel S; Purrucker J, Bösel J (2014) (SOP) Thrombo-
tx_szleitlinien/053-011l_S3_Schlaganfall_2012-10.pdf. lyse und Rekanalisation Neurologische Universitätsklinik
Zugegriffen: 21.09.2015 Heidelberg Behandlungsstandard. https://www.klinikum.
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Kiechl S, Lalouschek W, Lang W (2006) Nach einem Schlagan- Zugegriffen: 25.10.2015
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Marquardt L (2013) Epidemiologie und Bedeutung der Stroke
Unit. In: Fiedler C, Köhrmann M, Kollmar R (Hrsg) Pflege-
wissen Stroke Unit. Springer, Heidelberg, S 4
16
235 17
Fallbeispiel Viszeralchirurgie –
Pankreasresektion
M. Wüsten
Literatur – 243
Beispiel
Herr Müller, 55-jähriger Lehrer, verheiratet, 2 Kinder,
leidet seit mehreren Wochen unter nächtlichem
Schweißausbruch. In den letzten 4 Wochen hat er
zunehmend Schmerzen im Oberbauch, die in den
Rücken ausstrahlen, und er hat Gewicht verloren.
Der Hausarzt von Herrn Müller stellte mit der ersten
Laboruntersuchung erhöhte Leberwerte fest. Zur
weiteren Diagnostik wurde Herr Müller zum Radio-
logen überwiesen, der eine Sonographie durchführ-
te und eine unklare Raumforderung im Bereich des
Pankreaskopfes diagnostizierte. Herr Müller unter- . Abb. 17.1 Pankreaskopftumor
zog sich weiteren diagnostischen Maßnahmen. Es
wurde eine ERCP (endoskopisch retrograde Cho-
langiopankreatikographie), d. h. eine fiberoptische Als zweites Funktionssystem enthält das
Darstellung des Gallen- und Pankreasgangs, durch- Pankreas hormonbereitende Zellen, die in den
geführt. Die Papilla vateri, als Ausgang des Gallen- Langerhans-Inseln zusammengelagert sind. Unter
und Pankreasganges in das Duodenum war öde- anderem werden die Hormone Insulin und Gluka-
matös aufgetrieben und der Ductus choledochus gon produziert, die direkt in den Blutstrom abgege-
(Gallengang) erweitert. Eine Biopsie (Zellentnahme) ben werden und damit in alle Körperteile gelangen.
der Papille wurde gemacht und ein Geschwür der Diese beiden Hormone sind für die Regulation des
Pankreaszellen diagnostiziert. Die folgende Compu- Blutzuckerspiegels verantwortlich (v. Brandis Schön-
tertomographie wies ebenfalls eine Raumforderung berger 1988).
in diesem Bereich auf, ohne Nachweis von Metas-
tasen. Herr Müller stellt sich in einer chirurgischen
Klinik zur operativen Entfernung des Tumors vor. 17.1.1 Pankreastumoren
Es soll eine Operation nach Whipple durchgeführt
werden. Zur postoperativen Überwachung kommt Der Bauchspeicheldrüsentumor kann sowohl
Herr Müller auf die IMC-Station benigne (gutartig) als auch maligne (bösartig) sein.
Die malignen Tumoren können in andere Organe
infiltrieren oder Tochtergeschwülste im Körper aus-
17.1 Medizinische Grundlagen zum bilden (Metastasen) (. Abb. 17.1). Das Pankreaskarz-
Krankheitsbild inom ist nach dem Dickdarm- und Magenkarzinom
der dritthäufigste gastrointestinale Tumor. Männer
Das Pankreas liegt im Retroperitoneum in der sind häufiger betroffen als Frauen (Henne-Bruns
Höhe des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers. Es wird 2001). Die Ursachen beim Adenokarzinom sind
in Pankreaskopf, Körper und Schwanz unterteilt. noch unklar.
Der Pankreaskopf liegt an dem hufeisenförmigen Zu den Risikofaktoren gehören:
Bogen des Zwölffingerdarms (Duodenum) an. Das 55 Erhöhter Alkoholkonsum
17 Schwanzende erstreckt sich in Richtung Milz. Das 55 Nikotinabusus
Pankreas ist eine Drüse mit zwei unterschiedlichen 55 Adipositas
Funktionen. Es stellt sowohl mehrere Enzyme als 55 Genetische Faktoren
auch Hormone her. 55 Zystische Veränderungen
Die Verdauungsenzyme sind für die Spaltung der 55 Berufliche Exposition
Eiweißkörper, Kohlenhydrate und Fette notwendig
und werden über ein oder zwei Ausführungsgänge Die Symptome bei Pankreastumoren sind je nach
in das Duodenum abgegeben. Lage des Tumors unterschiedlich. Befindet sich der
17.1 · Medizinische Grundlagen zum Krankheitsbild
237 17
Bei Herrn Müller wurde eine Entfernung des . Abb. 17.7 Abdomenspülung
> Bei Symptomen einer Magen-Darm-Atonie 55 Zum Ausgleich des Flüssigkeits- und Elekt-
entlastet die sofort angelegte Magensonde. rolythaushalts erhält Herr Müller Infusionen
Ein aufgeblähtes Abdomen bedeutet eine über einen Venenkatheter.
erhöhte Aspirationsgefahr. 55 Windabgang kann mit dem Einlegen eines
Darmrohrs unterstützt und forciert werden
Die korrekte Lage der Magensonde wird regelmäßig und das Abdomen entlasten.
kontrolliert. Fehllagen können im Thoraxröntgenbild 55 Die weitere Darmmotilitätsförderung kann
erkannt werden (. Abb. 17.10). Sie sollten aber mög- entweder mit Klysmen, einem Hebe-Schwenk-
lichst sofort erkannt (nicht auf die nächste Röntgenun- Einlauf oder mit dem Einsatz chemisch oder
tersuchung warten) und behoben werden, damit die osmotisch wirkender Laxanzien durchgeführt
Magensonde die Funktion der Aspirationsprophylaxe werden.
auch erfüllt. Deshalb ist es wichtig, die korrekte Lage
zu kontrollieren. Die Lagekontrolle wird durch eine Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:
zügige Insufflation von 20 ml Luft bei gleichzeitigem 55 Sie konnten mehrere Tage nicht abführen.
Auskultieren mit dem Stethoskop über dem Epigas- 55 Ihr Bauch ist hart gespannt, aufgebläht und
trum durchgeführt. Bei korrekter Lage ist ein Luft- selbst das Atmen fällt Ihnen schwer.
blubbern zu hören. Ist kein Luftblubbern zu hören, 55 Das Zwerchfell wird nach kranial gedrückt,
55 kann die Magensonde im Mund aufgerollt sein, Ihre Lunge kann sich nicht richtig ausdehnen.
55 kann die Sonde in der Speiseröhre 55 Sie spüren keinerlei Erregung im Darm.
umgeschlagen sein 55 Kein Windabgang und das seit Tagen.
55 oder sie liegt in der Trachea. 55 Ihr Zustand wird zusätzlich durch Übelkeit und
Völlegefühl geplagt.
In diesem Fall muss die Sonde zurückgezogen und 55 Sie haben keinen Appetit und die Beweglichkeit
ein neuer Versuch gestartet werden. ist ebenfalls erschwert.
242 Kapitel 17 · Fallbeispiel Viszeralchirurgie – Pankreasresektion
> Das Abführen verschafft in solch einer Hauptmahlzeit und ca. 10.000–20.000 IE pro Zwi-
Situation nicht nur extreme Erleichterung, schenmahlzeit empfohlen.
sondern verhindert auch schwerwiegende
Komplikationen. > Die Einnahme von Enzympräparaten
erfolgt immer zu den Mahlzeiten. Nur
wenn die Enzyme mit der Nahrung
17.2.3 Blutzuckerkontrollen zusammenkommen, können sie wirken.
Bei Patienten mit einer Teil- oder Totalentfernung Bei den Zwischenmahlzeiten muss auch auf eine
des Pankreas kann es je nach Ausdehnung der Resek- Einnahme der Enzyme geachtet werden. Wurde
tion zu einer Einschränkung der Pankreasfunktion der Magen teilweise oder ganz entfernt, müssen
kommen: die Kapseln geöffnet und das Granulat mit weicher
55 Verdauungsprobleme aufgrund des Mangels an Nahrung eingenommen werden. Vermischt sich
Pankreasenzymen das Granulat mit Lebensmitteln, kann sich der
55 Hyperglykämien durch einen Insulinmangel Geschmack negativ verändern. In neueren Enzym-
präparaten sind die Enzyme in kleinen Kugeln, die in
Die klinische Überwachung in Bezug auf Blutzucke- Kapseln zusammengefasst sind, enthalten. Hierbei ist
rentgleisungen und engmaschige Blutzuckerkontrol- es wichtig, dass die Kugeln besonders klein sind, um
len sind laufend durchzuführen (7 Kap. 3). eine optimale Durchmischung mit der Nahrung und
einen schnellen Durchtritt durch den weiten Magen-
Procedere totale Pankreatektomie Nach einer pförtner zu gewährleisten.
totalen Pankreatektomie wird der Patient für die Für Patienten mit metastasiertem Pankreaskarz-
ersten 24 h mit einem Insulinperfusor zur Steuerung inom gibt es keine spezifischen Ernährungsempfeh-
des Blutzuckerspiegels versorgt. Die minimale Ein- lungen. Es sollte auf den Gewichtsverlust mit ener-
stellung des Perfusors liegt bei 0,2–0,3 IE und der giereicher Nahrung geachtet werden. Bei unzurei-
Zielbereich des Blutzuckerspiegels sollte zwischen chender oraler Nahrungsaufnahme muss auf eine
150–180 mg/dl liegen. total parenterale Ernährung umgestellt werden, um
eine Minimierung des Gewichtsverlustes anzustre-
ben. Der Patient sollte bis zu 6 kleine Mahlzeiten zu
17.2.4 Verdauung der Nahrung sich nehmen. Die Nahrung wird besser vertragen als
bei 3 großen Mahlzeiten, besonders wenn ein Teil des
Durch den Verlust des Pankreaskopfes und der Magens entfernt wurde. Wenn ein Sättigungsgefühl
Gallenblase kommt es zu einer mangelnden Aus- eintritt, sollte eine Pause eingehalten werden. Zur
schüttung von Verdauungsenzymen, was vor Ernährungsberatung der Patienten stellen Selbst-
allem eine Beeinträchtigung der Fettverdauung hilfegruppen umfangreiche Informationen zur Ver-
zur Folge hat. So können unverdaute Bestand- fügung (AdP e.V.).
teile des Essens im Darm verbleiben. Als Resul-
tat treten Blähungen, Fettstühle und Durchfälle
auf. Als Spätfolge kommt es zu einer ungewollten 17.3 Überlegungen zum
17 Gewichtabnahme. Patientenerleben
Die Einnahme von Enzympräparaten kann
diesen Mangel, der sowohl die Kohlenhydrat- als Herr Müller konnte nach mehreren Tagen auf der
auch die Eiweiß- und besonders die Fettverdauung IMC-Station im stabilen Zustand auf die Allgemein-
betrifft, beheben. Die nötige Dosis ist patientenori- station verlegt werden. Mit der Diagnose Krebs hatte
entiert und richtet sich nach dem Fettgehalt der auf- Herr Müller nicht gerechnet, als er vor ca. 10 Tagen
genommenen Nahrung und nach dem Beschwer- seinen Hausarzt aufsuchte. Warum gerade ich?
debild des Patienten. Als Anhaltspunkt werden als Welche Therapie muss ich über mich ergehen lassen?
tägliche Dosis 15.000–25.000 IE bis 40.000 IE pro Werde ich wieder gesund und wann kann ich wieder
Literatur
243 17
arbeiten? Werde ich bald sterben oder wie viel Zeit Literatur
bleibt mir noch? Muss ich schlimme Schmerzen
Arbeitskreis der Pankreatektomierten (AdP e.V.) Ernährung
ertragen?
bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. http://www.bauchspei-
Für Patienten sind Selbsthilfegruppen nach der cheldruese-pankreas-selbsthilfe.de/bauchspeicheldrue-
Akutbehandlung wichtige Anlaufstellen. Aus dem se-pankreas/adp-seit1976/index.php
Erfahrungs- und Gedankenaustausch mit anderen Brandis v J, Schönberger W (1988) Anatomie und Physiologie
Patienten bzw. Gleichbetroffenen können sie Mut für Krankenschwestern und andere Medizinalfachberufe,
7. Aufl. Fischer, Stuttgart
und Zuversicht schöpfen. Mitglieder der Selbsthilfe-
Henne-Bruns D, Dürig M, Kremer B (2001) Chirurgie, Duale
gruppe können aus ihrer eigenen Erfahrung berich- Reihe, 3. Aufl. Thieme, Stuttgart
ten und auf die praktischen und emotionalen Bedürf-
nisse von Krebskranken eingehen. In der Gruppe
erfahren Betroffene, wie andere Krebskranke ihren
Alltag bewältigen. Sie bekommen Hilfestellung in der
Ernährungsberatung und wie der Einsatz von Hilfs-
mitteln organisiert wird.
Fallbeispiel
Pulmologie – COPD
J. Busch
Literatur – 250
nichtinvasive Beatmung dar (7 Kap. 3). In vielen man daher bei einem so stark untergewichtigen
Fällen einer akut exazerbierten COPD erweist sich Patienten nicht das Normalgewicht, sondern das
die nichtinvasive Beatmung als effektiv (Schönhofer tatsächliche Gewicht zur Berechnung heranziehen.
et al. 2011). Diese Form der Beatmung umgeht den Das entspricht für Herrn Winter etwa einer tägli-
Eingriff der Intubation, den Herr Winter ja für sich chen Zufuhr von 1200–1440 kcal. Der Blutzucker-
ablehnt. Allerdings müsste der Patient der Beat- wert des Patienten soll darunter 180 mg/dl nicht
mung zustimmen und die apparativen sowie per- überschreiten.
sonellen Ressourcen für die Therapie müssen vor-
handen sein. > Zu bedenken ist die Information, der Patient
Es ist zu prüfen, ob dies auf der IMC-Station habe mehrfach Nahrung aspiriert.
gewährleistet ist oder eine Verlegung auf die Inten-
sivstation notwendig wäre. Nach Möglichkeit wird Eine sinnvolle Möglichkeit wäre die Applikation
man dem schwerkranken Patienten eine Verlegung von Sondenkost über eine Dünndarmsonde oder –
ersparen, da dies mit zusätzlichen Belastungen und da mit einer längerfristigen künstlichen Ernährung
Risiken für ihn verbunden sein kann (7 Kap. 10). gerechnet werden muss – eine perkutane postpylo-
rische Sonde (PEJ). Durch eine Ernährung direkt in
den Dünndarm wird das Aspirationsrisiko verrin-
18.2.2 Ernährung gert. Voraussetzung ist dabei das Einverständnis des
Patienten in diesen invasiven Eingriff.
Herr Winter ist stark untergewichtig. Bei einem BMI
von 16,2 kg/m2 liegt die Vermutung nahe, dass bereits
seit Längerem eine Mangelernährung vorliegt. Unte- 18.2.3 Mobilität
rernährung bei COPD-Patienten ist prognostisch ein
schlechtes Zeichen. In der akuten Situation und auf- Aufgrund der Immobilität des Patienten kommt
grund der allgemeinen körperlichen Schwäche des den Prophylaxen eine große Bedeutung zu. Kache-
Patienten wird eine künstliche Ernährung notwen- xie und Gewebshypoxie steigern das Dekubitusrisiko
dig sein. (DNQP 2010). Der Apoplex in der Anamnese bringt
ein zusätzliches Risiko mit sich für die Entstehung
> Der enteralen Ernährung in Form von einer venösen Thromboembolie (Gogarten u. van
Sondenkost ist grundsätzlich der Vorzug Aken 2009).
gegenüber der parenteralen zu geben
(Goeters 2011). z Prophylaxen
Das Spektrum der nichtmedikamentösen Maß-
Die Berechnung des Energiebedarfs für Herrn nahmen zur Prophylaxe ist durch den schlechten
Winter bringt einige Schwierigkeiten mit sich. Eine Allgemeinzustand des Patienten begrenzt. Aktive
Kalorienzufuhr von 20–25 kcal/kg KG/Tag deckt Mobilisation und körperliches Training sind kon-
den Ruhebedarf eines Patienten. Neben dem Ruhe- traindiziert, solange sie die Ateminsuffizienz ver-
umsatz ist die Aktivität des Patienten zu berücksich- stärken. Passive Bewegungsübungen und wech-
tigen. Einerseits ist Herr Winter komplett immobil, selnde Positionierung (Mikrolagerung) des Patienten
anderseits erfordert die erschwerte Atemarbeit sind in dem akut bedrohlichen Zustand die wich-
Energie. Schwer mangelernährte Patienten sollten tigsten Bausteine der Dekubitus-, Thrombose- und
18 bei enteraler Ernährung eine Zufuhr von 25–30 kcal/ Kontrakturenprophylaxe.
kg KG/Tag erhalten (Espen-Leitlinien 2006). Dabei Mit zunehmender Besserung des Gesundheits-
darf die Energiezufuhr nur langsam aufgebaut und zustands wird dann ein vorsichtiges, stufenweise auf-
gesteigert werden, um Komplikationen wie das gebautes Bewegungs- und Mobilisationsprogramm
Refeeding-Syndrom zu vermeiden (7 Kap. 6). Abwei- für Herrn Winter zu entwickeln sein. Hierbei sind
chend von den Empfehlungen für den Regelfall wird die Möglichkeiten und Bedürfnisse des Patienten
18.3 · Überlegungen zum Patientenerleben
249 18
leitend sowie die Kooperation mit den Physiothe- Herr Winter hat durch seine Patientenverfü-
rapeuten sinnvoll. gung klargestellt, dass er keine Therapie „um jeden
Preis wünscht“. Sein Recht auf Selbstbestimmung
ist zwingend zu respektieren, eine Intubation ohne
18.2.4 Infektionsprophylaxe seine Einwilligung ist somit nicht zulässig. Zudem
hat er aber auch einen Anspruch darauf, dass sein
Nicht zu unterschätzen ist die Dringlichkeit der Leiden gelindert und die bestmögliche Lebens-
Pneumonie- und Infektionsprophylaxe bei Herrn qualität für ihn erhalten wird. In ethisch proble-
Winter. Eine Superinfektion der Atemwege, womög- matischen Situationen wie dieser stehen in typi-
lich mit Hospitalismuskeimen, bei bereits beste- scher Weise gleichrangige Werte wie Autonomie
hender Atemwegsinfektion wäre ebenso riskant und Fürsorge nebeneinander und können in Kon-
wie die Einschleppung von Erregern über andere flikt zueinander geraten (Großklaus-Seidel 2002,
Wege (Gefäßkatheter, Blasenkatheter, Dünndarm- S. 109f).
sonde). Auch vor diesem Hintergrund ist jeder inva- Im Fall von Herrn Winter gilt es abzuwägen,
sive Eingriff bei dem Patienten sorgfältig abzuwägen welche Maßnahmen dem Patienten helfen, ohne
(7 Kap. 8). gegen seinen Willen zu verstoßen. So wäre zu prüfen,
Besondere Aufmerksamkeit ist der Mundpflege wie gut er über die Möglichkeiten und Effekte der
des Patienten zu widmen. Unter inhalativer Therapie nichtinvasiven Beatmung aufgeklärt ist. Eine ent-
mit Kortikoiden steigt das Risiko von Infektionen des lastende Beatmung, z. B. während der Ruhepha-
Rachenraums, insbesondere Pilzinfektionen, die als sen nachts, könnte den Krankheitsverlauf günstig
absteigende Infektionen im Respirationstrakt lebens- beeinflussen und die Lebensqualität von Herrn
bedrohlich werden können. Es wird empfohlen, dem Winter wieder steigern. Eine Rückverlegung in
Patienten – zusätzlich zur regelmäßigen Mund- und ein Pflegeheim, das Heimbeatmung anbietet, wäre
Zahnpflege (7 Abschn. 8.2.2) – nach jeder Inhalation denkbar und sollte frühzeitig im Sinne eines Case
eine Mundspülung zu ermöglichen. Managements in die Planung einbezogen werden.
Die künstliche Ernährung ggf. über eine PEJ könnte
seinen Ernährungs- und Allgemeinzustand verbes-
18.3 Überlegungen zum sern bei Minimierung der Aspirationsgefahr. Bei
Patientenerleben allen prophylaktischen Maßnahmen muss der aktu-
elle Zustand des Patienten bedacht werden: Er darf
Aus der Perspektive des Patienten ist die Lebenssitua- durch sie nicht zusätzlich angestrengt oder erschöpft
tion höchst problematisch. Im Vordergrund steht die werden.
existenzielle Bedrohung durch die Atemnot. Vermut- Das Gespräch mit dem Patienten erfordert ein
lich weiß der Patient um die Unheilbarkeit und Pro- hohes Maß an Einfühlungsvermögen. In der Akut-
gredienz seiner Erkrankung. Die Angaben in seiner situation könnte ihm selbst das Sprechen schwerfal-
Patientenverfügung können ein Indiz dafür sein, dass len und Entscheidungen über seinen Behandlungs-
er bereits ungute Erfahrungen mit Intubation und und Pflegeprozess könnten ihn zusätzlich belasten.
Beatmung gemacht hat, aber vielleicht auch, dass er Von besonderer Bedeutung ist es, dass ein Vertrau-
sich bereits mit dem Endstadium der Krankheit aus- ensverhältnis zwischen Patient und Behandlungs-
einandergesetzt hat. team besteht und er erkennt, dass alle Entscheidun-
Die Patientenautonomie gilt als der wichtigste gen und Maßnahmen auf sein Wohlergehen abzie-
ethische Wert bei der Behandlung von Patienten. len. Um die psychosoziale Situation des Patienten
Eine Patientenverfügung ist daher – auch in juristi- besser zu verstehen, wäre unterstützend der Kontakt
scher Hinsicht – absolut bindend (BÄK 2013). Frag- zu Angehörigen bzw. Vertrauenspersonen hilfreich,
lich bleibt es dennoch immer wieder, wie konkret mit denen er vielleicht auch über seine Zukunftsper-
die Willensbekundungen eines Patienten sich auf die spektiven und Wünsche gesprochen hat bzw. spre-
jeweilige Krankheitssituation beziehen. chen kann.
250 Kapitel 18 · Fallbeispiel Pulmologie – COPD
Literatur
Anregungen für den Unterricht
Bundesärztekammer BÄK, Kassenärztliche Bundesvereinigung
1. Das Fallbeispiel und die medizinischen
KBV, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medi-
Grundlagen zum Krankheitsbild werden zinischen Fachgesellschaften AWMF (2012) Nationale
vorgegeben. Die Teilnehmer erarbeiten Versorgungsleitlinien COPD. http://www.versorgungsleit-
Pflege- und Überwachungsschwerpunkte linien.de/themen/copd. Zugegriffen: 15.10.2015; Leitlinie
selbst. Am Ende erfolgt ein Abgleich derzeit in Überarbeitung
Bundesärztekammer BÄK (2013) Empfehlungen der Bundes-
zwischen den Ergebnissen der Teilnehmer
ärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der
und der Darstellung in diesem Text. Bundesärztekammer Umgang mit Vorsorgevollmacht
Dabei können sich Erarbeitung und Text und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis. http://
wechselseitig ergänzen. www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/
2. Der gesamte Abschnitt wird vorgegeben downloads/Empfehlungen_BAeK-ZEKO_Vorsorgevoll-
macht_Patientenverfuegung_19082013l.pdf. Zugegrif-
bis auf den letzten Unterpunkt (Patiente-
fen: 10.10.2015
nerleben). Die Teilnehmer erarbeiten Deutsches Netzwerk zur Qualitätsentwicklung in der Pflege
zu diesem Fall Kommentare zum (2010) Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der
mutmaßlichen Erleben des Patienten (in Pflege – 1. Aktualisierung. DNQP Osnabrück
Einzel- oder Kleingruppenarbeit), stellen ESPEN (2006) Europäische Leitlinie der ESPEN für Enterale
Ernährung. Aktuel Ernaehr Med 31: 196–197
sich die Kommentare gegenseitig vor und
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD)
diskutieren darüber. Global Strategy for the Diagnosis, Management, and
3. Nur das Fallbeispiel wird vorgegeben, Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease.
die Teilnehmer tragen selbst die Updated 2016
Informationen zum Krankheitsbild, zu Goeters C (2011) Ernährungstherapie des kritisch Kranken.
Intensivmed.up2date 7: 9–11
Schweregraden und zu Therapiemög-
Gogarten W, van Aken H (2009) Die neue S3-Leitlinie zur
lichkeiten zusammen und beziehen Thromboembolieprophylaxe – Bedeutung für unser Fach-
dieses Wissen auf den Fall. Voraussetzung: gebiet. Anästh Intensivmed 50: 316–323
Verschiedene Quellen zur Literatur- Großklaus-Seidel M (2002) Ethik im Pflegealltag. Wie Pflegen-
recherche (z. B. Fachbücher, Fachzeit- de ihr Handeln reflektieren und begründen können. Kohl-
hammer, Stuttgart
schriften, Internet) stehen zur Verfügung.
Herth FJF, Kreuter M (2011) COPD – eine Volkskrankheit des 21.
Abschließend erfolgt ein Abgleich mit Jahrhunderts. Klinikarzt 40 (5): 231
dem Text. Kreymann KG et al. (2006) ESPEN-Leitlinien Enterale Ernäh-
4. Die Teilnehmer nehmen das Fallbeispiel rung: Intensivmedizin. Clin Nutr 25 (2): 210–223
zum Ausgangspunkt für eine Diskussion Schäfer S, Kirsch F, Scheuermann G, Wagner R (2005) Fachpfle-
ge Beatmung. Überwachung und Pflege des Beatmeten
über die Möglichkeiten und Grenzen
Patienten, 5. Aufl. Fischer, München
der nichtinvasiven Beatmung auf ihren Schönhofer B, Neumann P, Westhoff M (2011) Nichtinvasive
IMC-Stationen. Sie erarbeiten einen Plan Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuf-
zu den apparativen und personellen fizienz. Intensiv up2date 7(4): 277–288
Voraussetzungen.
18
251 19
Fallbeispiel Transplantation –
Lebertransplantation
K. Siegel
Literatur – 261
Beispiel
. Tab. 19.1 Laborwerte (in Klammern Zielwerte)
Herr Beck, 45 Jahre alt, litt an einer Leberzirrhose
ausgelöst durch eine Hepatitis C. Nach nur kurzer Kreatinin 1,4 mg/dl (<1,2 mg/dl)
Wartezeit erhielt er vor 4 Monaten eine neue Leber. Harnstoff 79 mg/dl (10–50 mg/dl)
Da sein Allgemeinzustand vor der Operation sehr
Gesamteiweiß 44,9 g/l (66–83 g/l)
gut war und die Krankheit kaum Symptome zeigte,
Albumin 16,1 g/l (35–53 g/l)
konnte er nach komplikationslosem Verlauf schon
3 Wochen später nach Hause entlassen werden. Bilirubin ges. 16,4 mg/dl (0,1–1,2 mg/dl)
Herr Beck geht noch nicht wieder arbeiten und ge- Bilirubin dir. 14,0 mg/dl (<0,2 mg/dl)
nießt es, morgens lange auszuschlafen. Die Tablet- GOT 64 U/l (10–50 U/l)
ten nimmt er, wenn er wach ist, was aber jeden Tag
GPT 287 U/l (10–50 U/l)
variiert. In seiner Freizeit arbeitet er im Garten und
γ-GT 1223 U/l (<64 U/l)
kümmert sich um sein selbst angebautes Gemüse.
Seit einigen Tagen fällt ihm das aber zunehmend LDH 212 U/l (<225 U/l)
schwerer, weil er schon bei kleinen Anstrengungen Amylase 84 U/l (<53 U/l)
schlecht durchatmen kann. Ständiger Juckreiz am Lipase 31 U/l (<60 U/l)
ganzen Körper, Schmerzen im Bauch und das Ge- Ammoniak 21 mmol (<20 mmol)
fühl, dass dieser immer mehr an Umfang zunimmt,
Leukozyten 14,6 109/l (4,4–11,3 10E)/l)
beeinträchtigen ihn zusätzlich. Seine Frau stellt
Hb 9,6 g/dl (14–17,5 g/dl)
mittlerweile häufiger fest, dass seine Vergesslich-
keit zunimmt. Eines Tages fällt Herr Beck im Garten Hämatokrit 0,38 l/l (0,38–0,49 l/l)
hin und zieht sich eine Platzwunde zu. Da die Blu- Thrombozyten 90 × 109/l (201–379 × 109/l)
tung nicht aufhören will, verständigt seine Frau den Quick 40% (70–130%)
Rettungswagen.
PTT 29 s (26–36 s)
Herr Beck wird auf Ihre IMC-Station eingeliefert.
CRP 101 mg/l (<5 mg/l)
Das erste Labor auf Station zeigt folgende Werte
(. Tab. 19.1).
Es gibt verschiedene Erkrankungen der Leber, die Hervorzuheben ist, dass nur Patienten transplantiert
eine Transplantation notwendig machen. Zum einen werden, die durch die Transplantation eine erheblich
gibt es Patienten mit einer fortschreitenden, irre- bessere Heilungs- und Langzeitüberlebenschance als
versiblen oder terminalen Lebererkrankung. Dazu ohne Transplantation bzw. unter Einsatz alternativer
gehören z. B.: Therapien haben werden.
55 Leberzirrhose bei Hepatitis B, C, D
55 Primäre (PSC) und sekundäre sklerosierende
Cholangitis (SSC) 19.1.3 Transplantationsallokation
55 Äthyltoxische Leberzirrhose (wenn man
mindestens 6 Monate trocken ist) Die in Leiden (Niederlande) sitzende Organisation
Eurotransplant ist die Zentralstelle für die Vermitt-
Die Dynamik der Erkrankung und das Auftreten von lung von Spenderorganen in Deutschland, den Bene-
Beschwerdesymptomen sind entscheidende Krite- lux-Ländern, Österreich, Slowenien und Kroatien.
rien, wann eine Transplantation notwendig wird. Sie koordiniert zusammen mit der Deutschen Stif-
Symptome wie tung für Organtransplantation (DSO) die Zuteilung
55 Hepatische Enzephalopathie von Spenderorganen nach einem Wartelistenprinzip.
55 Bakterielle Peritonitis Am Beispiel der Lebertransplantation erfolgt
55 Hepatorenales Syndrom die Zuteilung auf der Warteliste nach dem MELD
55 Gastrointestinale Blutungen Score (Model of End Stage Liver Disease), welcher
55 Rezidivierende biliäre Sepsis 2006 eingeführt wurde. Der MELD ist ein Sco-
55 Diagnose eines hepatozellulären Karzinoms ring-System zur Erfassung der Leberfunktion und
Prognose. Anhand der drei Kriterien Serumbiliru-
können die Meldung auf die Warteliste notwen- bin, Serumkreatinin und Prothrombinzeit (INR:
dig machen oder bei terminaler Lebererkrankung International Normalized Ratio) wird mittels einer
254 Kapitel 19 · Fallbeispiel Transplantation – Lebertransplantation
festgelegten Formel ein Wert (labMELD) ermittelt, oftmals nur einen niedrigen Score und warten sehr
welcher eine Aussage über die Drei-Monats-Mortali- lange auf ein passendes Organ. Daraus resultiert, dass
tät des Lebererkrankten macht. Das Serumkreatinin sie mit den Begleitsymptomen leben müssen. Das
wird hierbei maximal mit 4,0 mg/dl angegeben, was beinhaltet zum einen regelmäßige Arztbesuche, um
auch dem Wert entspricht, der einem Dialysepatien- 55 Laborwerte,
ten zugeschrieben wird. Der maximale Punktwert 55 Hautzustand,
beträgt 40 und entspricht einer 100%igen Mortali- 55 Flüssigkeitshaushalt,
tät innerhalb von 3 Monaten. Da dieser Wert allein 55 Ernährungszustand und
aber nicht die reale Mortalität einiger Lebererkran- 55 Allgemeinzustand
kungen widerspiegeln kann, wurden Erkrankungen kontrollieren zu lassen.
durch die Bundesärztekammer definiert, die zusätz-
lich einen festgelegten Punktwert („match MELD“) Außerdem werden auch Interventionen nötig, die
erhalten und dadurch den MELD-Wert erhöhen. einen Krankenhausaufenthalt mit sich bringen
Der matchMELD entspricht einem MELD Score, (z. B. Anlage einer Aszitesdrainage). Die ständige
wie er sich hinsichtlich Dringlichkeit und Erfolgs- Erreichbarkeit gehört ebenfalls zum Leben eines
aussicht für vergleichbare Patienten mit anderen Patienten auf der Warteliste. In der ständigen Erwar-
Lebererkrankungen berechnet (BÄK 2015, S. 8 ff.). tung, einen Anruf vom Transplantationszentrum zu
Dazu zählen beispielsweise das hepatozelluläre Karz- erhalten, fahren viele Patienten oft nicht mehr in den
inom, eine persistierende Dysfunktion nach Leber- Urlaub oder machen keine größeren Ausflüge mehr.
transplantation, Mukoviszidose, Cholangiokarzi- (Wenn Patienten in Urlaub fahren möchten, dann
nom oder die billiäre Sepsis. Erfüllt in Ausnahme- könnten sie sich für diese Zeit NT = nicht transpan-
fällen die Erkrankung eines Patienten kein Kriterium tabel melden, ohne ihren Platz auf der Warteliste ein-
für einen matchMELD, kann ein Antrag des Trans- zubüßen.) Auch die richtige Ernährung zur Infek-
plantationszentrums gestellt werden und in einem tionsprophylaxe sowie der Schutz vor Verletzungen
Auditverfahren geklärt werden, ob ein abweichender spielt bei eingeschränkter Lebersynthese eine große
matchMELD genehmigt wird. So erhalten auch Pati- Rolle.
enten mit fortschreitenden Erkrankungen und noch Kurzum, die Patienten haben eine hohe psycho-
relativ guten Laborparametern eine Chance, zügig soziale Belastung. Das Warten auf ein Spenderorgan
ein Organ zu erhalten. Neben dem MELD Score geht oft einher mit Substanzmissbrauch, psychischer
spielt auch die Dringlichkeit eine entscheidende Komorbidität, beruflicher und familiärer Belastung
Rolle. Es ist möglich, einen Patienten, dem innerhalb sowie ungenügender sozialer Unterstützung.
weniger Tage der Tod droht, „high urgency“ (HU)
zu listen, sodass er vorrangig ein Organ erhält. Eine z Möglichkeiten der Lebertransplantation
HU-Listung ist jedoch zeitlich auf 14 Tage begrenzt und Operationsverfahren
und muss danach jeweils neu evaluiert werden (HD Es gibt vier Möglichkeiten, eine Transplantation
Manual LTPL 2009). durchzuführen. Erstens die orthotope Lebertrans-
plantation durch ein Kadaverorgan. Hierbei wird die
z Ein Leben auf der Warteliste für eine Leber des Empfängers komplett entfernt und durch
Transplantation ein Spenderorgan an gleicher Stelle komplett ersetzt.
Viele Lebererkrankte stehen über Jahre auf der War- Als zweite Möglichkeit kommt die Leberle-
teliste für ein neues Organ. Zum einen ist dies durch bendspende immer öfter zum Einsatz. Ein Ange-
den Organmangel in Deutschland verschuldet, höriger oder im Ausnahmefall ein Freund spendet
zum anderen stellt man fest, dass seit der Einfüh- einen Teil seiner eigenen Leber, und dieses Leberteil
19 rung des MELD Score immer mehr Patienten trans-
plantiert werden, deren Allgemeinzustand schon
wird an Stelle der erkrankten Leber beim Empfänger
eingesetzt. Die Erlaubnis einer Lebendspende unter-
sehr reduziert ist. Dies reduziert die Langzeitüberle- liegt strengen ethischen Prüfungen. Da die Leber ein
benschance erheblich. Patienten mit einer langsam Organ mit der Fähigkeit zum Wachsen ist, kann die
fortschreitenden Lebererkrankung haben dagegen gespendete Teilleber mit der Zeit alle Funktionen
19.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
255 19
einer vollständigen Leber sowohl beim Empfänger 55 Müdigkeit und Abgeschlagenheit
als auch beim Spender übernehmen. 55 Verwirrtheitszustände (hepatische
Die dritte Möglichkeit ist die Transplantation Enzephalopathie) oder Somnolenz (Cave!
einer Splitleber. Hierbei wird ein Spenderorgan Ammoniakerhöhung)
geteilt und kann so zwei oder mehr Empfängern 55 Akutes Nierenversagen/hepatorenales
transplantiert werden. Vorwiegend wird diese bei Syndrom
Kindern angewendet, da die Leber eines Erwachse-
nen zu groß wäre und Spenderorgane von Kindern Um einen Verdacht zur Abstoßungsreaktion stellen
sehr selten sind. zu können, sollten die Symptome postoperativ neu
Als vierte Möglichkeit ist die Domino-Transplan- auftreten. Das heißt, die Leberwerte waren bereits
tation zu nennen. In diesem Fall wird das explantierte gefallen, die Gerinnung stabilisiert, der Patient wach
Organ des Leberempfängers einem weiteren Emp- und orientiert und die Diurese war im Normbereich.
fänger eingesetzt. Dies ist bei Lebererkrankungen wie
z. B. der Amyloidose möglich, da diese Erkrankung
von der Leber ausgeht. Der Empfänger ist geheilt, 19.2 Pflege- und
sobald seine Leber ersetzt wurde, ein anderer Emp- Überwachungsschwerpunkte
fänger kann mit der amyloidose-erkrankten Leber
gerettet werden, da erste Krankheitsfolgen erst nach Aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben der
20–30 Jahren auftreten. Leber wird einem schnell bewusst, wie viele Pro-
Während der Operation wird in allen Fällen die bleme auftreten können, wenn die Lebersynthese
alte Leber vollständig entnommen und das Spender- postoperativ noch eingeschränkt ist oder das Trans-
organ an die gleiche Stelle transplantiert. Wichtig ist plantat versagt. Daraus ergibt sich für uns Pflegende
hierbei zu wissen, dass es bei der Lebertransplantation die Aufgabe, mögliche Komplikationen schnell zu
4 Anastomosen gibt. Diese sind an der unteren Hohl- erkennen bzw. diese durch optimale Pflege auch zu
vene, der Pfortader, der Leberarterie und dem Gallen- vermeiden.
gang. Die Möglichkeit einer Anastomoseninsuffienz
ist daher sehr hoch (HD Manual LTPL 2009). > Der Erhalt der Organfunktion und das
frühzeitige Erkennen von Begleitkom-
plikationen sind höchste Ziele der
19.1.4 Komplikation Pflegebeobachtung.
Leberabstoßungsreaktion
Dauer und Ausmaß des operativen Eingriffs bringen
Die Abstoßungsreaktion kann zu jedem Zeitpunkt viele mögliche Pflegeprobleme mit sich. Im Folgen-
auftreten. Dies kann bereits kurz nach der Transplan- den werden einige wichtige Pflegeschwerpunkte
tation sein, da die Körperabwehr sich direkt gegen näher erläutert, welche auch in Herrn Beck Falle von
das fremde Gewebe richtet, oder erst später, wenn Bedeutung sind.
Verhaltensregeln und Medikamenteneinnahmen
nicht richtig durchgeführt werden und Infektionen
und Immunreaktionen das Organ bedrohen. Eine 19.2.1 Patientenedukation
Abstoßungsreaktion kann nur mit einer Leberbiop-
sie definitiv bestätigt werden. Das klinische Bild, das Um die Notwendigkeit der regelmäßigen Einnahme
eine Biopsie notwendig macht, entspricht dem klini- der Immunsuppressiva und die selbstständige
schen Bild des akuten Leberversagens und kann fol- Durchführung der nötigen Prophylaxen zu verste-
gende Symptome beinhalten: hen und richtig anzuwenden, ist die Schulung des
55 Ikterus/Anstieg der Leberwerte (Bilirubin, Patienten nach Transplantation obligat. Immunsup-
GOT, GPT; γ-GT steigend) pressiva sind Medikamente, die das Immunsystem
55 Blutungen/eingeschränkte Gerinnung (Quick, des Empfängers unterdrücken und somit verhindern,
PTT, Thrombozyten fallend) dass sich dieses gegen das fremde Spenderorgan
256 Kapitel 19 · Fallbeispiel Transplantation – Lebertransplantation
Arzt Pflegeperson
Substitution von Gerinnungsfaktoren kann somit immer abgeklärt werden. Die Gerinnungswerte von
notwendig werden. Herrn Beck deuten auf eine schlechte Lebersynthese,
Eine Blutungsneigung wird wie folgt überwacht: da der Quick nur noch bei 40% ist und die Thrombo-
55 Drainagensekrete auf Aussehen und Konsistenz zyten auf 90 × 109/l abgefallen sind. Die Substitution
55 Wunden von Gerinnungsfaktoren und Blutkonserven kann
55 Kathetereintrittsstellen notwendig werden.
55 Hautbeobachtung auf Blutung, Petechien
55 Beobachtung der Schleimhäute und Augen > Das Anhängen von Blutkonserven ist
55 Gerinnungsparameter eine nicht delegierbare ärztliche
Aufgabe.
Um schnell intervenieren zu können, ist es wichtig,
Blutungen frühzeitig zu erkennen. Die Überwachung der Bluttransfusion auf uner-
Durch die Lebersynthesestörung bildet Herr wünschte Reaktionen und Nebenwirkungen wird
Beck nicht genügend Gerinnungsfaktoren und es durch uns Pflegende gewährleistet.
kommt zu anhaltenden Blutungen. Diese können Die wichtigsten akut auftretenden Symptome bei
überall im Körper auftreten. Schleimhäute, Skleren, einer Transfusionsreaktion sind
Wundnähte und Hautdefekte sowie innere Anas- 55 Fieber
tomosen können betroffen sein. Hämatome sind 55 Schüttelfrost
äußere Anzeichen von Blutungen und sollten daher 55 Urtikaria
260 Kapitel 19 · Fallbeispiel Transplantation – Lebertransplantation
Verschiedene akute Transfusionsreaktionen können verschiedener Substanzen, die Symptome wie Ikterus
diese Symptome auslösen: und Juckreiz auslösen. Eines der unangenehmsten
55 Hämolytische Transfusionreaktion vom Symptome der Cholestase ist der Pruritus. Der von
Soforttyp durch das Vorliegen von Allogenan- den meisten Patienten als quälend empfundene Juck-
tikörpern im Empfängerserum gegen Antigene reiz am ganzen Körper wird durch die fehlende Aus-
auf den transfundierten Erythrozyten (vor scheidung von Gallensalzen und deren Anreiche-
allem bei AB0-inkompatiblen Transfusionen) rung in den Geweben ausgelöst. Helfen können hier
55 Nichthämolytische Transfusionsreaktionen rückfettende Salben, leichte Kleidung und Kühlung.
durch die Freisetzung leukozytärer Bestand- Ursodeoxycholsäure kann den Juckreiz vermindern,
teile in der Konserve (ca. 30 min nach aber manchmal auch verstärken. Behandlungserfolge
Transfusionsbeginn) wurden weiterhin unter Ondansetron, Opiatantago-
55 Allergische Transfusionsreaktionen nisten, Plasmapherese oder Albumindialyseverfah-
55 Transfusionsreaktionen aufgrund bakterieller ren beschrieben (Ballauff 2014).
Verunreinigungen Das Sklerosierungsmittel Polidocanol, das in
55 Transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz einer 1- bis 3%igen O/W- oder W/O-Emulsion
(TRALI) durch leukozytenreaktive Antikörper gemischt wird, führt über eine reversible Blockade
im Spenderplasma, die Leukozyten aktivieren, der Nozizeptoren zu einer lokalanästhesierenden
die die Mikrozirkulation in der Lunge stören und antipruritischen Wirkung.
und zum Lungenödem führen Zudem ist es wichtig, juckreizauslösende bzw.
55 Transfusionsassoziierte zirkulatorische -verstärkende Medikamente zu kennen:
Überladung durch hohe Transfusionsgeschwin- 55 Opioide (Codein, Fentanyl, Morphin)
digkeiten und große Transfusionsvolumina 55 Antihypertensiva (Clonidin, Doxazosin)
55 Weitere akute Nebenwirkungen können sein: 55 Antibiotika (Amoxicillin, Ceftriaxon,
44Hypothermie bei Massivtransfusion mit Erythromycin, Penicillin)
kalten Konzentraten 55 Antidepressiva (Amitryptylin, Doxepin,
44Hyperkaliämie bei schneller Massivtrans- Mirtazepin)
fusion von Erythrozytenkonzentraten 55 Antiphlogistika (ACC, Diclofenac, Ibuprofen,
44Citratreaktionen/-intoxikation bei rascher Naproxen)
Transfusion gefrorenen Frischplasmas 55 Antikonvulsiva (Carbamazepin, Lamotrigin,
44Transfusion hämolytischer Erythrozyten- Phenobarbital)
konzentrate bei unsachgemäßer Lagerung, 55 Betablocker (Bisoprolol, Metoprolol)
Erwärmung oder unzulässiger Beimischung 55 Diuretika (Furosemid)
von Medikamenten 55 Kalziumantagonisten (Amlodipin, Diltiazem,
Nifedipin)
Beim Auftreten einer dieser Symptome wird die 55 Immunsuppressiva (Ciclosporin, Tacrolimus)
Transfusion sofort gestoppt, der zuständige Arzt (Ständer et al. 2011)
informiert und die Erstmaßnahmen eingeleitet (BÄK
2014 7 Kap. 11).
19.3 Überlegungen zum
Patientenerleben
19.2.6 Pruritus (Juckreiz) – Schwer zu
behandelndes Symptom einer Ein Lebererkrankter, der über eine lange Zeit auf ein
Leberfunktionsstörung neues Organ wartet, muss lernen, mit seiner Erkran-
19 Die Cholestase ist definiert als eine Störung der
kung zu leben. Oftmals ist es für die Betroffenen nicht
mehr möglich, einen Beruf auszuüben oder freizeitli-
Bildung und Exkretion von Galle und Gallen- chen Beschäftigungen nachzugehen. Ständige Arzt-
bestandteilen mit der Folge der Akkumulation besuche und Krankenhausaufenthalte erfordern eine
Literatur
261 19
hohe Flexibilität des Betroffenen und seiner Familie.
Die Angst, nicht rechtzeitig ein Organ zu erhalten, Anregungen für den Unterricht
das Fortschreiten der eigenen Krankheit und die 1. Die Lernenden erhalten den Auftrag,
daraus entstehenden Einschränkungen belasten den Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur
Patienten sowie dessen Familie. Ein Betroffener ent- Pflege und Überwachung von Lebertrans-
wickelt seine eigenen Bewältigungsstrategien oder plantierten im Vergleich zu Patienten mit
gibt sich selbst auf. Wenn die Erkrankung weit fort- anderen Organtransplantationen (Niere,
geschritten ist und bereits die Unterstützung im tägli- Lunge, Herz …) herauszufinden.
chen Leben von anderen übernommen werden muss, 2. Die Lernenden recherchieren
kann dies zu einer sozialen und familiären Überfor- Verhaltensregeln für lebertransplantierte
derung führen. Patienten, arbeiten heraus, welche
Nun erhält dieser Patient ein neues Organ. Und Regeln für eine Schulung von Herrn Beck
alles ist plötzlich anders. Die Krankheit und deren besonders wichtig wären und entwickeln
Symptome, die bisher das Leben bestimmten, sind Ideen für ein Schulungsprogramm.
nicht mehr da. Man kann wieder arbeiten gehen 3. Die Lernenden setzen sich auseinander mit
und vielleicht wird das auch vom Umfeld erwar- den rechtlichen und politischen Aspekten
tet. Man kann wieder in den Urlaub fahren, Aus- der Transplantationsmedizin (aktuelles
flüge machen und die eigene Freizeit selbst bestim- Transplantationsgesetz, Regelungen in
men. Man muss nicht ständig ins Krankenhaus und verschiedenen Ländern, Allokations-
schmerzhafte Interventionen überstehen. Es kann kampagnen). Als Material könnten aktuelle
eine Erwartungshaltung von Seiten der Angehöri- Zeitungs-/Zeitschriftenartikel mitgebracht
gen und des persönlichen Umfelds entstehen, dass oder gestellt werden.
jetzt alles wieder wie vor der Erkrankung wird. All 4. Die Lernenden erörtern ethische
dies zeigt, dass sich ein Transplantierter erst einmal Aspekte der Transplantationsmedizin,
vielen Ängsten und auch Erwartungen gegenüber- Ausgangspunkt könnten Erfahrungs-
sieht. Daher ist es wichtig, Gespräche anzubieten, berichte oder „Skandalmeldungen“ sein,
denn oftmals sind Pflegekräfte die Personen, denen z. B. zur Vergabe von Organen oder zur
man als außenstehende Personen von diesen Ängsten Hirntoddiskussion.
erzählen kann, ohne dass dies direkte Auswirkun-
gen auf die soziale und familiäre Situation hat. Auch
die Möglichkeit der Transplantatabstoßung bzw.
Literatur
des Transplantatversagens schürt Ängste, die Pfle-
gekräfte durch Fachwissen mildern können. Gege- BÄK (2014) Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit
benenfalls muss für diese Gespräche auch ein Psy- Blutkomponenten und Plasmaderivaten. http://www.
chologe hinzugezogen werden. bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/down-
Für Herrn Beck wird möglicherweise ein länge- loads/QLL_Haemotherapie_2014.pdf (Abruf 02.09.2015)
rer Krankenhausaufenthalt mit Interventionen oder BÄK (2015) Richtlinien zur Organtransplantation gem. § 16
TPG Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG
sogar eine Re-Transplantation notwendig. Da er vor für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur
der Transplantation nur wenige Symptome hatte Lebertransplantation (vom 23.04.2015). Dtsches Ärztebl
und die derzeitigen vielleicht nicht versteht oder sich DOI: 10.3238/arztebl.2015.rili_baek_ OrgaWlOvLe-
auch nicht bewusst ist, dass sein eigenes Verhalten berTx2015042 http://www.bundesaerztekammer.de/
mit dazu geführt haben kann, muss man wertschät- fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOr-
gaWlOvLeberTx20150424.pdf. Zugegriffen: 02.09.2015
zend und mitfühlend mit ihm umgehen. Herr Beck Ballauff A (2014) Cholestase. In: Hoffmann GF, Lentz MJ, Spran-
ist in einer Ausnahmesituation und braucht keine ger J, Zepp F (Hrsg) Pädiatrie, 4.Aufl. Springer, Berlin,
Belehrung darüber, was er alles falsch gemacht hat, S 1171–1175
sondern professionelle Unterstützung und Beratung, Gerbes L, Gülberg V, Sauerbruch T et al. (2011) AWMF: S3 Leitli-
wie er es in Zukunft besser machen kann. nie Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
262 Kapitel 19 · Fallbeispiel Transplantation – Lebertransplantation
19
263 20
Fallbeispiel Neurochirurgie –
Hirndruck
K. Kleem
Literatur – 275
Vigilanzminderung und Sehstörungen durch Die Monro-Kellie-Doktrin besagt, dass alle drei
Stauungspapille. Bei Kindern kommt es vor intrakraniellen Kompartimente in ihrer Summe
der Verknöcherung des Schädels zu einem konstant sind. Die Volumenzunahme von einem Teil
überproportionalen Schädelwachstum. muss durch die Abnahme eines anderen Teilstückes
ausgeglichen werden. Trifft dies nicht zu, kommt es
Folgen des Hydrozephalus Durch die Liquorzirku- zu einem Anstieg des ICP (. Abb. 20.3).
lationsstörung kann es zu einer Volumenzunahme Natürliche Kompensationsmöglichkeiten bietet
im intrakraniellen Raum kommen. Dies führt einmal der Liquorraum. Hier können ca. 6% des
zwangsläufig zu einer Erhöhung des ICP. Bei einem Volumens (Liquor) in den Spinalkanal umverteilt
gesunden Erwachsenen ist ein ICP zwischen 5 und werden. Das Blutvolumen im intrakraniellen Raum
15 mmHg je nach Körperposition als normal anzuse- kann durch eine Oberkörperhochlage herabgesetzt
hen. Durch einen ICP-Anstieg über die Normalwerte werden, der venöse Rückfluss wird gefördert.
hinaus kann das Hirngewebe durch Ischämie und Wenn alle Kompensationsmöglichkeiten ausge-
Gewebeverlagerung geschädigt werden. Der zereb- schöpft sind und der Gehirnschädel keinerlei Mög-
rale Perfusionsdruck (CPP) muss stets gewährleis- lichkeiten des Ausdehnens hergibt, können schon
tet sein, sonst könnten Spätfolgen resultieren (Hacke kleinste Volumenzunahmen zu vital bedrohlichen
2010). Zuständen führen.
Normwerte: z Therapie
55 ICP 5–15 mmHg Als erste Therapieoption eines akuten Hydro-
55 CPP >50 mmHg <70 mmHg (errechnet aus zephalus ist die Liquorableitung nach außen zu
mittlerem arteriellem Blutdruck MAP–ICP=CPP) sehen. Steht eine chirurgische Entfernung des
266 Kapitel 20 · Fallbeispiel Neurochirurgie – Hirndruck
ICP
volumen
Hirngewebe
Volumen
. Abb. 20.3 Verhältnis von intrakraniellem Druck zu intrakraniellem Volumen. CSF zerebrospinale Flüssigkeit,
ICP intrakranieller Druck. (Aus Schwab et al. 2012)
Liquorabflussproblems zur Verfügung, ist dies die zu gewährleisten, sollte an eine O2-Gabe gedacht
nächste Option; wie bei Frau Kochs Erstversorgung werden (SpO2-Werte ≥94%) (. Abb. 20.4).
mit einer EVD und dann geplante Tumorextirpa- Konservative Therapieoptionen werden an dieser
tion. Wenn die Resorptionsstörung des Liquors die Stelle nicht berücksichtigt, da sie im medikamentö-
Ursache des Hydrozephalus ist, muss beobachtet sen Bereich zu finden sind.
werden, ob es zu einer Chronifizierung kommt. Dann
ist eine „interne Liquordrainage“, eine Shuntanlage,
notwendig. Der überschüssige Liquor findet seinen 20.2 Pflege- und
Weg durch einen Ventrikelkatheter verbunden mit Überwachungsschwerpunkte
einem Ventil, über einen Ableitungsschlauch entwe-
der in die Bauchhöhle (VP-Shunt/ventrikuloperito- In der Pflege von neurologischen und neurochirur-
nealer Shunt) oder in den rechten Vorhof (VA-Shunt/ gischen Patienten haben eine genaue Patientenbe-
ventrikuloatrialer Shunt). Der VP-Shunt ist die am obachtung und eine schnelle Reaktion auf Verände-
häufigsten angewandte Methode. Der VA-Shunt rungen höchste Priorität. Kleinste Veränderungen
kommt bei abdominellen Pathologien zum Einsatz. wie z. B. Wortfindungsstörungen, Gangunsicherhei-
Ergänzend zur chirurgischen Versorgung des ten oder Unruhe können auf einen ICP-Anstieg/eine
Hydrozephalus sollten unterstützende Möglich- Minderung des CPP hinweisen.
keiten zur Senkung des ICP durchgeführt werden. Eine regelmäßige Kontrolle von Vigilanz, Koor-
Eine Oberkörperhochlage verbessert den Liquor- dination, Motorik sowie Pupillen ist bei solchen
abfluss Richtung Spinalkanal. Zusätzlich wird der Patienten obligat. Durch die Volumenzunahme des
venöse Abfluss optimiert und dadurch das intrak- Liquors bzw. Liquorzirkulationsstörungen kann es
ranielle Blutvolumen reduziert. Ein starkes Abkni- zu einer Drucksteigerung im Schädel kommen. Sind
cken des Kopfes muss vermieden werden. Dieser die natürlichen Kompensationsmechanismen des
sollte stets in einer Neutralposition gehalten werden, Körpers vollständig ausgenutzt, treten beim Patien-
20 um die Blutzirkulation nicht zu beeinträchtigen. Um ten klassische Symptome eines gesteigerten intrakra-
eine ausreichende Oxygenierung des Hirngewebes niellen Druckes auf. Der berühmte Tropfen, der das
20.2 · Pflege- und Überwachungsschwerpunkte
267 20
Veränderungen der Bewusstseinslage oder der Kom-
VP Shunt munikationsfähigkeit sind oftmals feine Anzei-
chen und zugleich Vorboten für den oben erwähn-
Kammer ten „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.
Der Bewusstseinszustand kann in folgende Stadien
unterteilt werden. Oft sind die Übergänge fließend.
Bewusstseinseintrübung
55 Benommenheit leichteste Form, verlangsamtes
Denken und Handeln, Patient ist noch relativ
wach und zu allen Qualitäten (Ort, Zeit,
Peritonealhöhle
Person, Situation) orientiert
55 Somnolenz: Abnorme Schlafneigung, der
Patient kann jedoch durch Außenreize jederzeit
. Abb. 20.4 VP-Shunt. (Aus Emam et al. 2008)
erweckt und zu bestimmten Reaktionen
veranlasst werden, er ist gerade noch zu Ort,
Zeit und Person orientiert, einfache Fragen
Fass zum Überlaufen bringt, muss durch eine kom- können beantwortet werden
petente Patientenbeobachtung/-überwachung unbe- 55 Sopor: schlafähnlicher Zustand, durch
dingt erkannt und vermieden werden. Ansprache ist der Patient nicht mehr
Unter den Pflegeschwerpunkten Bewusstsein, erweckbar, reagiert aber auf Schmerzreiz gezielt
Kommunikation, Überwachung und Mobilität und mit kurzzeitigem Orientierungsversuch
werden allgemeingültige Besonderheiten in Bezug
auf Patienten mit gesteigertem Hirndruck vorge- Bewusstlosigkeit
stellt. Intrakranielle Druckveränderungen können 55 Koma/Bewusstlosigkeit, der Patient ist nicht
durch Tumoren, Blutungen oder infektiöse Verän- mehr erweckbar
derungen mit Bildung eines Hirnödems entstehen, 44Koma 1: Bewusstlosigkeit ohne sonstige
diese Krankheitsbilder werden hier nicht näher neurologische Störungen, mit ungezielter
beschrieben. Reaktion auf Schmerzreize
44Koma 2: Bewusstlosigkeit mit zusätzlichen
neurologischen Auffälligkeiten, z. B.
20.2.1 Bewusstsein Lähmungen, Anfällen, Pupillenstörungen
44Koma 3: Bewusstlosigkeit mit Streck- und
Erhöhter intrakranieller Druck stört das Hirn in Beugesynergien
seiner Funktion und in seiner Struktur. Bewusst- 44Koma 4: Bewusstlosigkeit mit Tonusverlust,
seinsstörungen werden in zwei verschiedene Formen weite lichtstarre Pupillen, aber erhaltender
unterteilt: Spontanatmung
55 Qualitative Störung (Störungen des inhalt-
lichen Bewusstseins) Durch die Glasgow-Koma-Skala lässt sich der
55 Quantitative Störung (Einschränkungen des Schweregrad einer quantitativen Bewusstseinsstö-
Wachbewusstseins und der Reaktionsfähigkeit) rung exakt einstufen. Sie berücksichtigt Wachheit,
Motorik und Sprache. Die Summe aller Punkte
Mit einfachen Fragen zu Ort, Zeit und Situation kann spiegelt den Schweregrad der Bewusstseinsstörung
die Bewusstseinslage in qualitativer und anhand der wider. Hier sei erwähnt, dass es durchaus methodi-
Reaktion in quantitativer Weise kontrolliert werden. sche Mängel der Skala gibt, z. B. ist die Sprache bei
Genaue Erklärungen zu oft gestellten Fragen sollten einem intubierten Patienten schwer zu beurteilen,
dem Patienten mitgeteilt werden. So entsteht eine (unbekannte) Hörbehinderungen führen zu einem
bessere Akzeptanz und Zusammenarbeit. Kleinste falsch niedrigen Wert (. Tab. 20.1).
268 Kapitel 20 · Fallbeispiel Neurochirurgie – Hirndruck
. Tab. 20.2 Klassifikation und Leitsymptome der aphasischen Syndrome. (Aus Hacke 2010)
. Abb. 20.6 Normale und pathologische Atemstörungen. (Aus Schorl et al. 2010)
Die Situation während der präoperativen Phase Überlegungen für den Unterricht
auf der IMC-Station dürfte für die Patientin eine 1. Patienten, deren Kommunikation
erhebliche Belastung darstellen. Die Gesprächs- geschwächt ist, aber deren intellektuelle
führung mit der Patientin erfordert großes Ein- Fähigkeiten vollständig erhalten sind,
fühlungsvermögen. Möglicherweise hat sie die benötigen ein besonderes Feingefühl in
Schwere der Erkrankung noch gar nicht erfasst. Sie der Betreuung. Das Buch oder der Film
ist aber ansprechbar und orientiert, weiß also, dass „Schmetterlinge und Taucherglocke“
ein großer operativer Eingriff bevorsteht. Eine Ope- verdeutlicht die Patientensituation
ration am Gehirn und die Diagnose „Hirntumor", sehr gut.
selbst wenn es sich um einen gutartigen Prozess 2. Das Konzept der Basalen Stimulation
20 handelt, kann schockierend wirken und existen- hilft, mit wahrnehmungseingeschränkten
zielle Ängste auslösen.
Literatur
275 20
Grunst S, Sure U (2006) Neurologie Psychiatrie, 3. Aufl. Elsevier,
Patienten in Kontakt zu treten und sie München
Hacke W (2010) Neurologie, 13. Aufl. Springer, Berlin
individuell zu begleiten.
Larsen R (2012) Anästhesie und Intensivmedizin für die Fach-
3. Um die Angst vor dem Umgang mit pflege, 8.Aufl. Springer, Berlin
einem Liquorableitesystem zu Rickels E (2009) Monitoring des Hirndrucks. Anästhesist 58:
verlieren, sind praktische Übungen 398–404
in Kleingruppen ratsam. Rosenthal et al. (2012) Der erhöhte intrakranielle Druck. Anäs-
thesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 47: 30–38
Schorl M et al. (2010) Hirnstammblutungen. Notfall Rettungs-
med 13: 67–78
Schwab S et al. (2012) NeuroIntensiv, 2. Aufl. Springer, Berlin
Literatur Heidelberg
Thomé U (2003) Neurochirurgische und neurologische Pflege,
AWMF online, Leitlinie Hirndruck (2008) http://www. 2. Aufl. Springer, Berlin
awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-105_S1_Hirn-
druck_10-2008_10-2013.pdf. Zugegriffen: 18.07.2012
Emam M et al. (2008) A novel microdevice for the treatment
of hydrocephalus: design and fabrication of an array of
microvalves and microneedles. Microsyst Technol 14:
371–378
277 21
Fallbeispiel Gynäkologie –
Präeklampsie
D. Wengert
Literatur – 282
21.2.2 Herz-Kreislauf-Funktion
21 . Tab. 21.2 Mögliche neurologische Symptome bei
Präeklampsie
Die gezielte Überwachung der Herz-Kreislauf-Funk-
Vorboten eines Klinische Zeichen eines tion leitet sich aus den Symptomen und möglichen
epileptischen Anfalls erhöhten Hirndrucks Komplikationen des Krankheitsbildes ab. Neben der
regelmäßigen Blutdruckkontrolle (alle 10–15 min)
Kopfschmerzen Kopfschmerzen
erfolgt eine kontinuierliche EKG-Ableitung zur
Unruhe Unruhe und Verwirrtheit
Überwachung von Herzfrequenz und -rhythmus.
Sehstörungen Störung der Der Blutdruck unterliegt bei einer Präeklampsie
Pupillenmotorik
extremen Schwankungen. Aufgrund der gestei-
Augenflimmern Pupillendifferenz gerten Gefäßpermeabilität und des erniedrigten
Doppelbilder Übelkeit und Erbrechen osmotischen Drucks kommt es zu einem relativen
Übelkeit, Erbrechen Bewusstseinseintrübung Volumenmangel.
Hyperreflexie Insuffiziente Atmung,
Cheyne-Stoke-Atmung > Eine Schocksymptomatik mit Blutdruckabfall,
Tachykardie und Schweißigkeit kann
Bradykardie
zum einen auf einen Volumenmangel,
Hypertonie
eine akute Blutung im Rahmen einer
vorzeitigen Plazentaablösung oder auf
ein Vena-cava-Kompressionssyndrom
Die eingeschränkte Möglichkeit der Positi- hinweisen.
onswechsel und die Immobilisierung können von
den Patientinnen als sehr unangenehm empfun-
den werden. Häufig treten Rückenbeschwerden in 21.2.3 Neurologie
dieser Situation auf. Die Verwendung eines Stillkis-
sens bietet gute Möglichkeiten für kleine Positions- Neben der Gefahr eines epileptischen Anfalls kann
wechsel, zudem unterstützt es das Patientenerleben es bei Frau Ahler zu einem Hirnödem oder zu einer
auf eine positive Weise (Basale Stimulation). Die intrazerebralen Blutung aufgrund möglicher Gerin-
Bettruhe ist bei Frau Ahler eine wichtige, nichtme- nungsstörungen kommen. Vorboten eines epilepti-
dikamentöse therapeutische Maßnahme, deshalb schen Anfalls und Symptome eines erhöhten Hirn-
ist die Durchführung der Prophylaxen obligat. drucks sind in . Tab. 21.2 zusammengefasst.
Einen besonderen Stellenwert hat die Thrombose- Epilepsieauslösende Reize wie Lärm, grelles
prophylaxe. Nach den S3-Leitlinien liegt bei einer Licht, Hitze, Stress sollten vermieden werden.
Präeklampsie ein mittleres Thromboserisiko vor. Das Auftreten eines Krampfanfalls ist ein abso-
Hier wird, neben den Basismaßnahmen (Physio- luter Notfall. Krämpfe müssen sofort unterbrochen
therapie und Antithrombosestrümpfe), eine Pro- werden. Neben der sofortigen Verständigung des
phylaxe mit niedermolekularem Heparin empfoh- Arztes und dem Anfordern von Hilfe müssen fol-
len. Bei Frau Ahler ist die Durchführung der nicht- gende Maßnahmen durchgeführt werden:
medikamentösen Maßnahmen zur Thrombosepro- 55 Vorbereitung der Medikamente
phylaxe eingeschränkt. Eine aktive Mobilisierung 44Magnesiumsulfat und Benzodiazepine
ist kontraindiziert, die Möglichkeiten der Positio- (Diazepam)
nierung eingeschränkt. Leichte aktive Bewegungs- 55 Sicherung und Freihalten der Atemwege, ggf.
übungen im Bett wie z. B. das Kreisen der Füße oder Güdeltubus oder Intubation
das Einkrallen und Spreizen der Zehen sind jedoch 55 Sobald wie möglich stabile Seitenlage links
möglich. 55 Verletzungsgefahr minimieren
21.3 · Überlegungen zum Patientenerleben
281 21
Treten klinische Zeichen eines erhöhten Hirndrucks Insuffizienz erfolgt die Intubation und Beatmung.
auf, ist unverzüglich ein Arzt zu benachrichtigen und Hier ergeben sich aufgrund der Schwangerschaft
eine weitere Diagnostik einzuleiten. folgende Probleme:
55 Geringe Hypoxietoleranz aufgrund veränderter
atemmechanischer Eigenschaften der Lunge
21.2.4 Ausscheidung 55 Aspirationsgefahr
55 Schwierige Intubation
Nierendurchblutung und glomeruläre Filtrations- (Schleimhautschwellung)
rate nehmen bei einer Präeklampsie ab, sodass
es zu einer Oligurie bis hin zu einem Nierenver-
sagen kommen kann. Daneben treten erhöhte 21.3 Überlegungen zum
Eiweißverluste im Urin, bedingt durch eine Schä- Patientenerleben
digung der Glomerulusendothelien, und genera-
lisierte Ödembildung, bedingt durch eine Kapil- Frau Ahler fühlt sich in ihrer Schwangerschaft
larwandschädigung, auf. Bei Frau Ahler sind aus stark verunsichert. Nach zwei Fehlgeburten und
diesem Grund eine gezielte Bilanzierung, ZVD- den plötzlich auftretenden Symptomen sowie der
und Gewichtskontrollen sowie regelmäßige Labor- Diagnose erlebt sie ausgeprägte Ängste um die
kontrollen des Urins und der Elektrolyte durchzu- Gesundheit ihres Kindes, was eine starke psy-
führen. Die Messung der Eiweißverluste erfolgt im chische Belastung darstellt. Zudem befindet sich
24-Stunden-Sammelurin. Frau Ahler plötzlich in einer starken Abhängig-
keit, nichts ist mehr normal, die Vorbereitung auf
die Geburt und das „Mutterwerden" treten plötz-
21.2.5 Atmung lich in den Hintergrund. Die Angst um das unge-
borene Kind bestimmt von nun an alles Denken
Die Beeinträchtigung der Atmung begründet sich und Handeln. Gleichzeitig muss Frau Ahler aller-
zum einen durch die pathophysiologischen Verände- dings versuchen, ruhig zu bleiben, da jegliche
rungen im Rahmen der Schwangerschaft (Abnahme Form von Stress die Symptome verstärken und
der funktionalen Residualkapazität und des Residu- Komplikationen hervorrufen kann. Ein Kreis-
alvolumens, Zwerchfellhochstand, Steigerung des lauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Ein wei-
Atemminutenvolumens und Hyperventilation), zum teres Problem ist die Störung des Körpergefühls
anderen durch die gesteigerte Gefäßpermeabilität durch die Ödembildung und die Immobilität. Das
und den erniedrigten osmotischen Druck, welche Konzept der Basalen Stimulation bietet auch hier
die Entstehung eines Lungenödems begünstigen. Bei viele pflegerische Ansätze, Frau Ahler in ihrem
Frau Ahler wird zudem eine Kortikosteroidtherapie Patientenleben zu unterstützen. Zentrale Ziele in
mit Betametason zur Förderung der Lungenreife des der pflegerischen Versorgung der Patientin sind:
Kindes durchgeführt, welche ebenfalls die Bildung Leben erhalten und Entwicklung erfahren, Sicher-
eines Lungenödems begünstigt. Auch eine übermä- heit erleben und Vertrauen aufbauen, das eigene
ßige Sedierung kann eine respiratorische Insuffizienz Leben spüren.
hervorrufen. Die Beobachtung der pulmonalen Situ- Frau Ahlers wichtigstes Ziel wird es sein, das
ation von Frau Ahler erfolgt über eine Pulsoxymetrie, Leben ihres Kindes und ihr eigenes zu erhalten.
eine regelmäßige Evaluation von paO2-, paCO2- und Die bereits genannten Überwachungs- und The-
ph-Wert mittels Blutgasanalyse und der klinischen rapiemaßnahmen können dieses Ziel aus Sicht
Beurteilung der Atmung. von Frau Ahler unterstützen. Daneben erfolgt
Je nach Oxygenierung erhält Frau Ahler eine die Überwachung des Kindes durch regelmäßige
Sauerstofftherapie. Bei schwerer respiratorischer CTG-Kontrollen und Dopplersonographien zur
282 Kapitel 21 · Fallbeispiel Gynäkologie – Präeklampsie
> Alle Maßnahmen sind lediglich Angebote AWMF (2014) S1 Leitlinie Diagnose und Therapie hyperten-
an Frau Ahler, über deren Annahme sie siver Schwangerschaftserkrankungen. AWMF-Register
entscheidet. Jede Maßnahme, die bei Frau Nr. 015/018. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleit-
linien/015-018l_S1_Diagnostik_Therapie_hyperten-
Ahler Stress auslöst, muss unmittelbar
siver_Schwangerschaftserkrankungen_2014-01.pdf.
beendet werden. Deshalb ist auch bei der Zugegriffen: 22.12.2015
pflegerischen Unterstützung eine gezielte Brockmann J, Rossaint R (2008) Repetitorium Notfallmedizin.
Patientenbeobachtung essenziell. Springer, Heidelberg
Literatur
283 21
Fischer R (2004) Problemorientiertes Lernen in Theorie und Larsen R (2007) Anästhesie und Intensivmedizin für die Fach-
Praxis. Kohlhammer, Stuttgart pflege, 7. Aufl. Springer, Heidelberg
Kellenhausen E et al. (2000) Thiemes Pflege: entdecken, erle- Maass N, Schiessl B (2012) Gynäkologie und Geburtshilfe.
ben, verstehen, professionell handeln, 9. Aufl. Thieme, Springer, Heidelberg
Stuttgart Strass A (2009) Klinikmanual Gynäkologie und Geburtshilfe.
Knipfler E, Kochs E (2008) Klinikleitfaden Intensivpflege, 4. Springer, Heidelberg
Aufl. Urban & Fischer, München
285 III
Organisation, Konzepte
und Weiterbildung
Kapitel 22 Intermediate Care – Zielsetzungen, Definitionen und
Zuweisungskriterien – 287
J. Busch, B. Trierweiler-Hauke
Intermediate Care –
Zielsetzungen, Definitionen
und Zuweisungskriterien
J. Busch, B. Trierweiler-Hauke
Literatur – 295
Auch Markewitz et al. (2012) stellen fest: „Klare kreislaufwirksame Substanz als i.v.-Dauermedika-
Definitionen und Stellungnahmen, welche Behand- tion läuft)? Welche Maßnahmen zur Unterstützung
lungsintensität die IMC-Station kennzeichnet, sind der Vitalfunktionen sind „nichtinvasiv“, welche
22 gegenwärtig nicht verfügbar.“ Sie bestimmen IMC „invasiv“ (z. B. BIPAP über Maske = nichtinvasiv,
daher aus der praktischen Erfahrung heraus durch CPAP über Tubus = invasiv)?
das Aufgabenspektrum bestehender IMC-Statio- Unstrittig ist, dass EKG-Monitoring, Pulsoxy-
nen und legen einen Katalog dieser Aufgaben vor. metrie und NIBP zu den Standardmaßnahmen
Dabei verweisen sie darauf, dass das Aufgabenspek- einer IMC-Station gehören, aber bereits bei invasi-
trum abhängig sei von der jeweiligen medizinischen ver Blutdruckmessung und nichtinvasiver Ventila-
(Teil-)Disziplin, in ihrem Fall der Herzchirurgie, der tion (NIV) scheiden sich die Meinungen. Und nicht
eine IMC-Einheit zugerechnet wird. jede IMC-Station wird heute bereits in der Lage
In Großbritannien werden bei der stationären sein, im Notfall auch Patienten bis zu 12 h invasiv
Versorgung Levels definiert: Level 1 beschreibt die zu beatmen (Eikamp 2008). Bei der Variationsbreite
Versorgung auf den Allgemeinstationen, Level 2 auf von IMC-Einrichtungen ist es schwierig, generali-
den High Dependency Units, Level 3 auf den Inten- sierbare Grenzen festzulegen. Rechnet man die sog.
sivstationen. Level 2 ist vorgesehen für Patienten, die Weaning-Stationen den IMC-Stationen zu, dann
gründlichere Beobachtung oder Intervention benöti- ist für diese Einrichtungen NIV selbstverständlich
gen einschließlich der basalen Unterstützung einzel- einbegriffen. Und auch wenn extrakorporale The-
ner gestörter Organfunktionen (Atmung, Herzkreis- rapien grundsätzlich nicht zum Aufgabenfeld einer
lauf, Niere). Basale Unterstützung schließt nichtinva- IMC-Station gehören, wird man auf kardiovaskulä-
sive Beatmung (NIV) und invasive Blutdrucküber- ren IMC-Stationen durchaus Patienten mit extra-
wachung ein (Prin et al. 2015). korporalen Langzeit-Herzunterstützungs-Systemen
Eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitar- betreuen können, mit denen die Patienten ja sogar
beitern der UKSH Akademie hat im Rahmen von nach Hause entlassen werden.
Curriculumentwicklung ebenfalls 2012 einen unver-
öffentlichten Definitionsversuch formuliert, der dem > Der Begriff Intermediate Care (IMC) lässt
von Eikamp nahe kommt: sich derzeit eher „negativ“ definieren, d. h.
über das, was es nicht ist. Alternativ lässt
» IMC umfasst die Betreuung von Patienten, sich IMC „faktisch“ beschreiben, über das
die in ihren vitalen Funktionen bedroht Aufgabenspektrum, das eine IMC-Station
sind und daher einer intensiven in der Praxis leisten kann. Eine eindeutige
klinischen und apparativen Überwachung Definition für IMC gibt es nicht.
(Intensivüberwachung) bedürfen. Das
Tätigkeitfeld der Intensivstation grenzt sich
dadurch ab, dass dort Patienten versorgt 22.3 Zuweisungskriterien
werden, die über die Intensivüberwachung
hinaus intensivtherapeutische Interventionen Es kann erforderlich sein, dass ein Patient im Laufe
benötigen, das heißt die invasive seines Krankenhausaufenthaltes aufgrund einer Ver-
Unterstützung bzw. den vollständigen Ersatz schlechterung schrittweise von der sog. „peripheren“
vitaler Funktionen (Atmung, Herz-Kreislauf- Station in den IMC-Bereich und bei einer weiteren
und/ oder Nierenfunktion) bei akuten krisenhaften Entwicklung seines Zustands auf die
Störungen. (UKSH Akademie, unveröffentlicht) Intensivstation verlegt werden muss. Diesen Verlauf
bezeichnet man als Step-Up-Modus. Im für den Pati-
Auch diese Definition lässt viel Spielraum für Inter- enten günstigeren Verlauf kann er im Step-Down-
pretationen offen: Welche Überwachungsmaß- Modus von der Intensiv- auf die IMC-Station verlegt
nahmen gehören ins Spektrum von IMC (z. B. und von dort weiter in weniger überwachungsinten-
PiCCO ja; PAK nein)? Ab wann ist eine Interven- sive Einrichtungen verlegt bzw. entlassen werden
tion intensivtherapeutisch (z. B. wenn mehr als eine (. Abb. 22.2).
22.3 · Zuweisungskriterien
291 22
verstanden werden. Die Problematik eines solchen
Intensivstation Stufenmodells bei der Übertragung auf die Praxis
us liegt nun aber darin, dass sich Krankheitsverläufe
od nicht in Form von exakt bestimmbaren Stufen voll-
M
Intermediate Care n-
w ziehen, sondern eher in einem Kontinuum bewegen
- Do
us ep und dabei auch nicht immer nur eine Richtung ein-
Normalstation od St
-M halten. Das macht die Zuordnung von Patienten zu
-Up einer Versorgungsstufe schwierig.
ep
St Welche Kriterien gibt es nun für die Entschei-
dung, einen Patienten auf die IMC-Station zu ver-
legen? Während die DGAI Zuweisungsdiagnosen
. Abb. 22.2 Step-Up- und Step-Down-Modus nicht für sinnvoll hält, führt Waydhas eine Reihe von
Krankheitszuständen an, die als Aufnahmekriterien
an seiner Klinik gelten, z. B.:
Der für den betroffenen Patienten hoch bedeut- 55 Große operative Eingriffe mit möglichem
same Unterschied zwischen Step-Up- und Step- Volumen- und Transfusionsbedarf
Down-Modus erscheint aus Sicht des Personals 55 Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen mit
zunächst nur von theoretischer Bedeutung. Tatsäch- stabiler Hämodynamik
lich ist es natürlich für die Kommunikation mit den 55 Störungen der Atmung, die intensives
Patienten wichtig, sich den Verlegungsweg bewusst Atemtraining oder endotracheales Absaugen
zu machen, denn sowohl die Verlegung in die eine erfordern
als auch in die andere Richtung kann als positiv oder 55 Schädel-Hirn-Traumata mit Werten
als Belastung erlebt werden (7 Kap. 10). auf der Glasgow Coma Scale
Auch unter hygienischen Aspekten ist es nicht (GCS) >9
unerheblich, über welchen Weg ein Patient auf die 55 Abklingende Sepsis ohne Schock und
Station kommt, da sich die Keimbesiedelung in typi- Organfunktionsstörungen
scher Weise unterscheidet. Gerade die im Kranken- 55 Hoher Pflegeaufwand, z. B. durch extensive
haus erworbenen Infektionen mit multiresisten- und/oder häufige Verbandwechsel u. Ä.
ten Erregern stellen ein großes Risiko für IMC-Pa- (Waidhas 2005)
tienten dar, denn die Schwere ihrer Erkrankungen
geht zumeist einher mit einer geschwächten Immu- Dies ist nur ein Ausschnitt aus einer Kriterienliste,
nabwehr (7 Kap. 8). Die Wahrscheinlichkeit einer die für verschiedene IMC-Stationen ganz unter-
solchen Infektion erhöht sich mit jedem invasiven schiedlich aussehen könnte und entsprechend sta-
Eingriff, und bei Patienten, die auf der Intensivstation tionsspezifisch modifiziert bzw. ergänzt werden
längere Zeit intubiert und beatmet waren, treten ven- müsste.
tilatorassoziierte Pneumonien mit hoher Inzidenz So stellt sich noch einmal die Frage, ob es nicht
auf. Bei intensivmedizinisch betreuten Patienten allgemeingültige Argumente für die Zuweisung zur
steht die Pneumonie an der Spitze aller nosokomia- IMC-Station gibt. Welche Hilfsmittel könnten objek-
len Infektionen (RKI 2010). tivierbare Kriterien dafür liefern? Über Einschät-
zungsskalen, wie sie in der Intensivmedizin üblich
> Die Zuweisung zur IMC-Station kann sowohl sind, lassen sich Schweregrade der Erkrankungen
im Step-Up- als auch im Step-Down-Modus bewerten. Zwei solche Scoring-Systeme liegen mit
erfolgen. Dies ist für das Patientenerleben, APACHE II und TISS-28 vor.
aber auch für hygienische Erwägungen
relevant. z APACHE II
Die Abkürzung APACHE steht für „Acute Physio-
IMC kann also theoretisch als eine Stufe in einem logy And Chronic Health“. APACHE II ist ein Instru-
Modell zur stationären Patientenversorgung ment, mit dem 11 aktuelle physiologische Parameter
292 Kapitel 22 · Intermediate Care – Zielsetzungen, Definitionen und Zuweisungskriterien
Parameter Punkte
22 Rektale Temperatur 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Arterieller Mitteldruck (MAD) 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Herzfrequenz 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Atemfrequenz 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Oxygenierung 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
pH 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Natriumwert 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Kaliumwert 0 Punkte bei Normalwerten
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Kreatinin 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Hämatokrit 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Leukozytenzahl 0 Punkte bei Normalwerten,
bis zu 4 Punkten je nach Schwere der Abweichung
Glasgow Coma Scale Anzahl der Punkte = 15 – aktueller Wert
Alter 0 Punkte bis 44 Jahre
2–6 Punkte je nach höherem Alter
Gesundheitsstatus 0 Punkte bei intakter Organfunktion und Immunkompetenz
(Immunkompetenz und Organfunktion) Bei Immunschwäche oder Organinsuffizienz je nach
– operativem Status
– nicht operiert → 5 Punkte
– elektivem Eingriff → 2 Punkte
– Notfalloperation → 5 Punkte
eines Patienten erfasst werden (jeweils der schlech- Erkrankungsschwere zu vergleichen oder z. B. um
teste Wert in 24 h), zusätzlich werden der neurolo- statistische Daten über die durchschnittliche Erkran-
gische Status mittel GCS-Wert, das Alter und der kungsschwere auf Intensiv- oder IMC-Station zu
Gesundheitszustand erhoben und mit Punkten ermitteln. Für die Zuweisung einzelner Patienten
bewertet (. Tab. 22.1). Dieses Instrument wurde zur IMC ist dieser Score nicht gebräuchlich und, da
entwickelt, um das Risiko schwerkranker Patien- er lediglich den Zustand des Patienten, nicht aber den
ten abzuschätzen. Es eignet sich vor allem für Stu- Behandlungs-, Pflege- und Überwachungsaufwand
dienzwecke, um Patientengruppen bezüglich der erfasst, auch nicht sinnvoll.
22.3 · Zuweisungskriterien
293 22
Maßnahme Punkte
Basismaßnahmen
Standardmonitoring 5
Laboruntersuchungen 1
Einfache Medikation 2
Mehrfache intravenöse Medikation 3
Routineverbandwechsel 1
Häufiger Verbandwechsel 1
Drainagen 3
Atmung/Beatmung
Mechanische Beatmung 5
Atemunterstützung 2
Künstlicher Atemweg 1
Behandlung zur Verbesserung der Lungenfunktion 1
Kardiovaskuläres System
Einfache vasoaktive Medikation 3
Mehrfache vasoaktive Medikation 4
Intravenöser Ersatz großer Flüssigkeitsverluste 4
Peripherer arterieller Zugang 5
Pulmonalarterienkatheter 8
Zentralvenöser Katheter 2
Kardiopulmonale Wiederbelebung 3
Niere
Hämofiltration 3
Messung des Harnvolumens 2
Aktive Diurese 3
ZNS
Messung des intrakraniellen Drucks 4
Metabolismus
Behandlung einer komplizierten Azidose/Alkalose 4
Parenterale Ernährung 3
Enterale Ernährung 2
Spezifische Maßnahmen
Einzelne spezielle Interventionen innerhalb der Station 3
Mehrere spezielle Interventionen innerhalb der Station 5
Spezielle Interventionen außerhalb der Station 5
294 Kapitel 22 · Intermediate Care – Zielsetzungen, Definitionen und Zuweisungskriterien
z TISS-28
. Tab. 22.3 Nine Equivalents of Nursing Manpower
Während APACHE und ähnliche in der Intensi- Use Score (NEMS)
vmedizin häufig verwendete Scores überwiegend
22 physiologische Parameter wie Herzfrequenz, Blut- Nr. Maßnahme Punkte
druck und verschiedene Laborparameter einbezie-
1 Standard-Monitoring 9
hen, ist das Therapeutic Intervention Scoring System
(TISS) ein Interventionsscore, bei dem therapeuti- 2 Medikamentengabe intravenös 6
sche und diagnostische Maßnahmen zur Berechnung 3 Beatmung 12
eines Scorewertes herangezogen werden. Bei der 4 Zusätzliche Atemhilfe 3
ursprünglichen Fassung dieses Instrumentes wurden 5 Ein vasoaktives Medikament 7
76 Kriterien einbezogen, die heute übliche Version
6 Mehrere Vasoaktiva gleichzeitig 12
wurde auf 28 reduziert und wird TISS-28 genannt. In
7 Nierenersatzverfahren 6
. Tab. 22.2 werden die bewerteten Maßnahmen und
die Punktvergabe dargestellt. Nach Eikamp (2008) 8 Spezifische Interventionen auf 5
gibt es die Empfehlung, Patienten mit TISS-28-Wer- der Station (z. B. Kardioversion,
Endoskopie …)
ten von 10–22 Punkten der IMC-Station zuzuweisen,
bei Werten darüber der Intensivstation. 9 Spezifische Interventionen 6
außerhalb der Station (z. B.
TISS-28 hat also den Vorteil, dass der Behand- aufwendige Diagnostik …)
lungs- und Überwachungsaufwand eines Patien-
NEMS total
ten darin abgebildet wird. Das System ist allerdings
mit 28 zu bewertenden Maßnahmen immer noch
recht aufwendig für eine rasche Einschätzung der
Patientensituation. werden niemals die subjektive Beurteilung des Ein-
zelfalls mit seinen komplexen Besonderheiten erset-
z NEMS zen können. Die Situation eines individuellen Patien-
Mit dem Instrument NEMS liegt schließlich eine ten lässt sich nicht auf mathematische Berechnungen
„abgespeckte Version“ des TISS-28 vor (. Tab. 22.3). reduzieren.
Für NEMS gilt ein ähnlicher Punktwert für die Aufnahmekriterien und Scores können aber
Zuweisung zur IMC-Station wie bei TISS-28. Ob durchaus Argumentationshilfen liefern, wenn Ver-
dieser Anhaltswert in der Praxis vieler IMC-Station legung oder Nicht-Verlegung in einem Team zur
eingehalten wird oder werden kann, ist zu bezweifeln. Diskussion ansteht. Hier wären aus Sicht der Pfle-
genden einfache Regeln oder Kriterien wünschens-
z MEWS wert, wie z. B. für die Entscheidung, ob ein Patient
Ein vereinfachtes Scoring-System stellt schließlich von der IMC- auf die Allgemeinstation verlegt wird,
der „Modified Early Warning Score (MEWS)“ dar oder das Kriterium, dass er die Patientenklingel betä-
(. Tab. 22.4). Er erfasst lediglich 6 Parameter und tigen kann.
eignet sich für die rasche Einschätzung des Risikos
eines Patienten bei der Aufnahme oder auf der All- > Derzeit gibt es keine allgemeingültigen
gemeinstation. Bei einem Score-Wert ab 2 Punkten Kriterien für die Aufnahme auf oder die
gilt ein Patient als gefährdet und eine Zuweisung zur Entlassung von einer IMC-Station.
IMC als ratsam. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
ein Patient trotz Sauerstoffinsufflation eine periphere Es bleibt eine offene Frage für die Forschung, ob
Sättigung unter 95% aufweist oder wenn die Herzfre- Scoring-Systeme zukünftig klare Zuweisungskrite-
quenz höher ist als der systolische Blutdruck. rien für IMC-Patienten liefern werden. Nach Prin
Allen Scoring-Systemen ist gemeinsam, dass über et al. (2015) kann bislang kein Score valide Aussa-
sie versucht wird, objektive Daten über Patienten und gen über das Outcome der Patienten geben. Letzt-
ihre Krankheitsverläufe zu erheben. Sie können aber lich hängt es derzeit von der apparativen und perso-
bestenfalls Hilfsmittel sein bei der Einschätzung und nellen Ausstattung einer IMC-Station ab (7 Kap. 23),
Literatur
295 22
Score 3 2 1 0 1 2 3
Organisationsstrukturen
und Rahmenbedingungen
von Intermediate Care
J. Busch, B. Trierweiler-Hauke
Literatur – 303
23
(ausreichend hell, kein Farbstich), andererseits soll Neustart eines neuen Kollegen vorbereitet sind. Es
sie dimbar und blendfrei sein, sodass der Tag-Nacht- muss einen dann aber nicht wundern, wenn in der
Rhythmus der Patienten nicht durch grelles Licht gleichen Untersuchung 15% der Neuangestellten
gestört wird. nach solch einem schlechten Start schon wieder über
Die weitere Ausstattung der Station ist u. a. abhän- eine Kündigung nachdenken (Stengel 2012).
gig von den Versorgungsschwerpunkten (z. B. die Zudem werden aufgrund des Fachpersonal-
Anzahl der Geräte für die Atemtherapie/nichtinva- mangels immer öfter Pflegende mit nicht ausrei-
sive Beatmung) und von der Organisationsstruktur. chend intensivpflegerischen Kompetenzen einge-
Beim Integrations- und Parallelmodell können Geräte setzt (Vollmer et al. 2011). Ein Einarbeitungskon-
mit der Intensivstation gemeinsam genutzt werden, zept inklusive eines Integrationsprogramms kann
während es für die eigenständige IMC-Station sinn- dieser möglichen Fehlentwicklung entgegenwirken.
voll ist, über eigene Geräte zu verfügen (z. B. ein fahr-
bares Röntgengerät, ein kleines Notfalllabor mit Blut- z Welche Ziele verfolgt ein strukturiertes
gasanalysegerät; . Abb. 23.3). In jedem Fall muss ein Einarbeitungskonzept?
Notfallwagen mit Defibrillator, Intubationszube- Der Neubeginn an einem neuen Arbeitsplatz stellt
hör, Notfallmedikamenten jederzeit verfügbar sein für den Mitarbeiter eine hohe psychische Belas-
(. Abb. 23.4). Für die Thoraxkompression während tung dar. Neben der fachlichen Einarbeitung ist
einer Reanimation kann ein Gerät zur automatischen die Integration des Mitarbeiters ins Team und das
Herzdruckmassage hilfreich sein (. Abb. 23.5). frühe Aufzeigen von Abläufen und Zuständig-
keiten essenziell. Strukturierte Einarbeitung und
gute Integration ins Arbeitsteam können Stress
23.3 Einarbeitungskonzepte abbauen und stellen somit Aspekte der betriebli-
und Integrationsprogramme chen Gesundheitsförderung dar. Der israelische
Wissenschaftler Antonovsky sagt, dass als Basis
Es mag verwundern, dass das Human Capital Ins- menschlicher Gesundheit und für das Erhalten der
titute in einer Befragung feststellt, dass drei Viertel Gesundheit gute Erfahrungen durch verstehbare,
aller Unternehmen nicht ausreichend auf den handhabbare und sinnhafte Aufgaben gegeben sein
23.3 · Einarbeitungskonzepte und Integrationsprogramme
301 23
23 Praxistipp
2. Ebene: fortgeschrittener Anfänger
Den vollständigen Einarbeitungsplan einer
1. Ebene: Anfänger IMC-Station können Sie als PDF-Datei bei Birgit.
Trierweiler-Hauke@med.uni-heidelberg.de
anfordern.
. Abb. 23.6 Stufen zur Pflegekompetenz. (Mod. nach
Benner 1994)
Literatur – 313
An das Pflegepersonal auf IMC-Stationen werden den theoretischen Unterricht, die Dauer der Maß-
hohe Anforderungen in Bezug auf das fachliche nahme und Hinweise zur praktischen Weiterbildung
Wissen und die Handlungskompetenz gestellt. Die aufgeführt. Wie . Tab. 24.1 zeigt, sind die Weiter-
DGF fordert, dass 40% des Personals über eine bildungsangebote nur bedingt vergleichbar. Einen
Zusatzqualifikation IMC verfügen sollten. Für den bundesweit einheitlichen Standard gibt es nicht. Hier
Rahmen dieser Bildungsmaßnahme sieht die Fach- sind Empfehlungen, wie sie die DGF formuliert hat,
gesellschaft theoretischen Unterricht im Umfang von richtungweisend.
360 h und eine berufspraktische Weiterbildung im
24 Umfang von 1250 h vor (DGF 2010).
Eine Reihe von Bildungseinrichtungen im Praxistipp
Gesundheitswesen hat den Bedarf an solchen Weiter-
bildungsangeboten erkannt und richtet Zusatzqua- Da die Weiterbildungslandschaft ständig
lifikationen aus. Allerdings gibt es keine rechtlichen im Wandel ist, können Interessenten
Vorgaben für diese Qualifizierung. So haben viele Informationen zu den aktuellen Angeboten
staatlich anerkannte Weiterbildungsstätten für den auch bei den Landesbeauftragten der
Bereich Intensiv- und Anästhesiepflege dem Bedarf Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege
folgend Qualifizierungsmaßnahmen aufgelegt, die und Funktionsdienste erfragen (Kontakt:
mit einem Zertifikat der Institution abschließen. http://www.dgf-online.de).
Diese Zertifikatslehrgänge ermöglichen z. T. eine
Verkürzung der Fachweiterbildung zur Anästhesie-
und Intensivpflege.
Zwei der Weiterbildungsangebote für den IMC-Be-
reich sollen im Folgenden exemplarisch mit ihren
24.1 IMC-Weiterbildung Besonderheiten vorgestellt werden.
in Deutschland
und Wundtherapeut
Universitätsklinikum Würzburg 120 h Präsenz + Lehr-/Lernbriefe Tätigkeit in IMC, ITS, Stroke Unit, Notaufnahme Berufsbegleitend
oder ambulanter Intensivpflege 1 Jahr
Klinikum Augsburg 240 h Mind. 460 h (davon je 200 h operative und 1 Jahr
307
AWR Aufwachraum, I+A Intensivpflege und Anästhesie, IMC Intermediate Care, ITS Intensivstation.
24.3 · Beispiel: Weiterbildung Intermediate Care (IMC) / UKSH Akademie
309 24
2. Eine einschlägige berufliche Tätigkeit
Exkurs zum Begriff Handlungskompetenz im IMC-Bereich (Wachstation,
Unter Handlungskompetenz versteht man „die IMC-Bereich, Aufwachraum,
Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, Intensivstation)
sich in beruflichen, gesellschaftlichen und 3. Motivation und Lernbereitschaft
privaten Situationen sachgerecht durchdacht
sowie individuell und sozial verantwortlich zu Der Kurs beginnt am 1. Mai eines jeden Jahres.
verhalten“ (KMK 2011, S. 15).
Als Dimensionen der Handlungs-
kompetenz werden die Fachkompetenz, die 24.3 Beispiel: Weiterbildung
Selbstkompetenz und die Sozialkompetenz Intermediate Care (IMC) / UKSH
unterschieden. Akademie
Methodenkompetenz, kommunikative
Kompetenz und Lernkompetenz sind An der UKSH Akademie, der Bildungseinrichtung
wiederum Bestandteile von Fachkompetenz, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, wird
Selbstkompetenz und Sozialkompetenz. die „Zertifizierte Weiterbildung Intermediate Care
(IMC)“ angeboten.
Die Weiterbildung erfolgt berufsbegleitend zu
Die theoretischen Inhalte mit insgesamt 290 h sind einer Tätigkeit auf der IMC-Station, im Aufwach-
auf 5 Basismodule verteilt: raum oder auf einer Intensivstation und dauert min-
1. Für sich selbst Verantwortung übernehmen destens 9 Monate. Sie umfasst 240 h theoretischen
2. Pflegesituation von Patienten mit beeinträch- Unterricht, davon 40 h in Form von selbstorgani-
tigter Atmung siertem Lernen (E-Learning), sowie ein 8-wöchiges
3. Pflegesituation von Patienten mit beeinträch- Praktikum auf einer Intensivstation. Die IMC-Wei-
tigter Herz-Kreislauf-Situation terbildung an der UKSH Akademie beginnt zweimal
4. Pflegesituation von Patienten mit beeinträch- jährlich im Wechsel am Campus Lübeck (Frühjahr)
tigter Wahrnehmung und am Campus Kiel (Herbst).
5. Pflegesituation von Patienten mit beeinträch- Der theoretische Unterricht erfolgt – wie im
tigter Stoffwechsel-Situation Heidelberger Beispiel – in modularisierter Form.
Die Module stellen thematisch in sich geschlossene
Der zeitliche Rahmen der Qualifikation umfasst 10 Einheiten dar und schließen jeweils mit einem Leis-
Monate. Eine Verlängerung auf maximal 1,5 Jahre ist tungsnachweis ab (Klausur, Lernaufgaben im E-Le-
möglich. Der theoretische Unterricht findet an Stu- arning, Fallbericht).
dientagen in der Akademie für Gesundheitsberufe in Der Unterricht gliedert sich in vier Module:
Heidelberg statt. Es besteht die Möglichkeit, Anteile 55 Grundmodul 1: Überwachung vital gefährdeter
der Qualifikationsinhalte auf die Weiterbildung für Patienten (56 h)
Anästhesie und Intensivpflege anzuerkennen. Die 55 Grundmodul 2: Atemförderung und Beatmung
Anerkennung obliegt der Weiterbildungsleitung. (40 h)
Die Qualifizierung regelt die theoretischen 55 Grundmodul 3: Akut- und Grenzsituationen
Anteile. Vorgaben für Praxiseinsätze werden (64 h)
nicht gemacht. Ein Zertifikat erhält, wer an den 55 Fachmodul IMC: Spezifische Aspekte des
Modulen erfolgreich teilgenommen hat sowie eine Handlungsfeldes IMC (80 h)
Abschlusspräsentation erstellt und vorgetragen hat.
Als Teilnahmevoraussetzungen sind definiert: Die drei Grundmodule sind analog aufgebaut zur
1. Eine abgeschlossene Ausbildung zum/r Fachweiterbildung Intensivpflege bzw. Anästhe-
Gesundheits- und Krankenpfleger/in oder siepflege und werden innerhalb eines Zeitrahmens
Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in von insgesamt 5 Jahren in vollem Umfang darauf
oder Altenpfleger/in anerkannt.
310 Kapitel 24 · Bildungsangebote für die Qualifikation im IMC-Bereich
Grundmodul 1
Grundmodul 2
Kemmodul
SpO2
Respiration/Impedanzmessung
Auskultation
24 Herzfrequenz/Herzrhythmus
NIBP
IBP
ZVD
Intravesikale/Intravasale
Temperaturmessung
Wärmemanagement
Urinausscheidung/Bilanz
Serviceteil
Stichwortverzeichnis – 316
Stichwortverzeichnis
A Auskultation 32
Autoimmunerkrankung 216
Bradypnoe 20
Broca-Aphasie 268
Abdomen, akutes 68 AV-Knoten 66 Bronchodilatator 246
Adjuvanzien 89 Azidose 43, 247 bundle strategy 143
Akren 192 –– metabolische 47
–– respiratorische 46
Aktivität, pulslose elektrische 65
Alarmgrenze 10 C
Algorithmen 52
Alkalose 48 B C-Griff 65
Cholinesterasehemmer 218
–– metabolische 48
Balint-Gruppe 176 chronic obstructive pulmonary disease
–– respiratorische 48
Barthel-Index 166 (COPD) 246
Allen-Test 134
Basale Stimulation 173 chronisch obstruktive
Alterungsprozess 107
Basismonitoring Lungenerkrankung 246
Anabolismus 45, 94
–– hämodynamisches 9 Ciclosporin (Sandimmun) 256
Anamnesegespräch 204
Beatmung CIM (Critical-Illness-Myopathie) 192
Aneurysma 228
–– nichtinvasive 248 CIP (Critical-Illness-
Angehörige 174, 204
BeobachtungsInstrument für das Polyneuropathie) 192
Angst 69
Schmerzassessment bei alten Clostridium difficile 122
Ängste 212
Menschen mit Demenz (BISAD) 80 Confusion Assessment Method for the
Antibiotikaresistenz 116
Berührung 173 Intensive Care Unit (CAM-ICU) 109
antimikrobielle Therapie 187
Besuchszeiten 204 continuous positive airway pressure
Antimykotika 256
Bettfahrrad 155 (CPAP) 41
Anurie 23
Beurteilung der Schmerzen bei CPAP 37
Aortenaneurysma 208
Demenz (BESD) 80 Curriculum 310
APACHE II 291
Bewegung 148
Aphasie 228
–– Phasen 150
–– amnestische 268
–– globale 268
Bewegungsaktivität 153
–– Aufbau 153
D
–– motorische 268 Darm
Bewegungssprache 157
–– sensorische 268 –– Barrierefunktion 240
Bewusstlosigkeit 267
Artefakte 22 Das eigene Leben spüren 71
Bewusstsein
Arteria cerebri anterior 228 Defibrillation 65
–– Störung, qualitative 267
Arzneimittelinkompatibilität 131 Defizit
–– Störung, quantitative 267
Arztanwesenheit 299 –– neurologisches 209
Bewusstseinseintrübung 267
Aspiration 220, 232 Dekubitus 201
Bewusstseinslage 8
Aspirationsgefahr 99 Delir 107
Bilanzstatus 23
Aspirationspneumonie 44 –– gemischtes 108
Biographiepflege 70
Assessment 78, 165 –– hyperaktives 108
biphasic positive airway pressure
assisted spontaneous breathing –– hypoaktives 108
(BIPAP) 42
(ASB) 40 Delir-Screening 109
Blickkontakt 173
Asystolie 11, 65 Dialysekatheter 135
Blutdrucküberwachung
Aszitespunktion 257 DIC (disseminierte intravasale
–– invasive 13
Atelektasen 40 Gerinnung) 192
–– invasive, Fehlerquellen 15
Atemnot 198 Diskonnektion 128
–– nichtinvasive 12
Atemspende 64 Diuretika 201
Blutentnahme 15
Atemtrainer 35, 247 Dokumentation 163–164
Blutung
–– SMI-Trainer 35 Domino-Transplantation 255
–– intrazerebrale 280
Atemwegssicherung 65 Doppelbilder 218
Body Shape Index 94
Atemwegswiderstand 247 Drainagen 140
Body-Mass-Index 94
Aufmerksamkeit 104–105 Drainagenbeutel 139
Bolusapplikation 101
Aufnahmekriterien 291 DRG 165
Bradykardie
Augenpflege 125 Dysarthrie 228
–– mit tastbarem Puls 66
Stichwortverzeichnis
317 A– K
G I Kommunikationskompetenz 309
Kompressionssyndrom 279
Igelball 155 Kontrakturen 232
Gallengangsleckage 239 Ikterus 23 Kostaufbau 99
Gazeverband 133 Immobilität 107, 248 Krampfanfall 229
Gedächtnis 105 Impedanzmessung 29 Krise, hypertensive 61
Gefäßwiderstand 55 Infektion
318 Stichwortverzeichnis
L MRE 120
MRSA 120
–– Operationstechniken 237
Pankreatektomie 242
Lähmung 272 MRSA-Träger 125 –– totale 242
Lähmungserscheinung 218 mukoziliäre Clearance 37 Parallelmodell 298
Leber 252 Mundpflege 126 Paraparese 208
–– Abstoßungsreaktion 255 Mundschleimhaut 201 Paraplegie 208, 212
–– Entgiftungsfunktion 253 Mundschutz-Nasen-Schutz 123 Patient-Controlled-Analgesia (PCA) 86
–– Stoffwechselfunktion 252 Muskelatrophie 149 Patientenautonomie 249
Leberlebendspende 254 Myasthenia gravis 216 Patientenklingel 223
Lebertransplantation 254 Mydriasis 269 Patientensicherheit 161
–– orthotope 254 Patientenverfügung 249
PEG-Anlage 223
Lernkompetenz 309
Link Nurse 117 N PEP-System 35, 247
Periduralkatheter (PDK) 88
Lippenbremse 247
Nahtinsuffizienz 209 perkutane endoskopische
Liquor 212
Nasenpflege 125 Gastrostomie (PEG) 99
Liquorabflussstörung 264
Nass-Trocken-Phase 140 Personalausstattung 116
Liquorableitung 265
Nebenwirkungen Persönliche Schutzausrüstung
Liquordrainage 212
–– schmerzmittelbedingte 90 (PSA) 123
Liquormanagementsystem 212
–– wahrnehmungsstörende 105 Pflegefachsprache 157
Liquorproduktion 264
Neglect 111 Placeboeffekt 89
Liquorraum 264
NEMS 294 Pneumothorax 130, 210
Lokalanästhetika 89
nichtinvasive ventilatorische Polyurie 23
Lungenembolie 62
Atemtherapie (NIV) 37 positive endexpiratory pressure
Lungenemphysem 28, 246
Nichtopioide 84 (PEEP) 39
Lungenödem 61, 198
Niedervakuumsystem, mobiles 211 Präeklampsie 278
Lymphknotenentfernung
Nierenfistel 137 Primäres Leberzellkarzinom
–– axilläre 13
Nierenversagen 208 (HCC) 253
Nimwegener Methode 177 Probenentnahme 135
M NIV-Maske 38
Noro-Virus 123
Pruritus 260
pulse contour cardiac output
Magensonde 240 Notfall, hypertensiver 61 (PiCCO) 18
Malnutrition 94 Notfallequipment 162 Pulsoxymetrie 21, 30, 230
Mangelernährung 94, 248 Nozizeption 76 Pupillenstörung 269
Maßnahmenbündel 143 Nozizeptoren 76
Medikamentenspiegel 256 Nullabgleich 14
Mehrdosenbehältnis 132 Q
MELD Score 253
Meningokokken 123 O QRS-Komplex 10
Qualifikation 299
metabolisches Monitoring 95
Oberkörperhochlagerung 34, 98 Qualifizierung 306
Metabolismus 45
Obstipation 90 Qualitätsentwicklung 288
Methodenkompetenz 309
Obstipationsprophylaxe 210
MEWS 294
Oligurie 23
Mikrolagerung 148
Mikromobilisation 148
Opioide 84
–– körperliche Abhängigkeit 84
R
Mimik 172
–– pharmakologische Toleranz 84 Rasselgeräusch 33
Minderperfusion, spinale 209
–– Sucht 84 Reanimation 63
Miosis 269
Orientierung 112, 149 Rechtsherzinsuffizienz 61
Mobilisation 148
Osmolarität 101, 128 Refeeding-Syndrom 97, 248
–– rehabilitierende 148
Rehabilitation 228
Mobilisationsbehinderung 151
Reservoirbeutel 65
Mobilisationsförderung 151
Mobilisationsstufen 152 P Residualkapazität, funktionelle 37
Residualvolumen, gastrales 98
Mobilitätsförderung 34 Palpation 9 Rezeptoren 104
Modularisierung 310 Pankreasresektion Risikomanagement 118
Module 306 –– postoperative Überwachung 238 Risikopatienten 288
Monitoring, metabolisches 95 Pankreastumor 236 Rotation 298
Stichwortverzeichnis
319 L– Z
Rötung 23
Rückenmarkdefizit 208
–– hämodynamische 187
Staphylococcus aureus 143 V
Staunässe 122 Vasodilatation 190
Stellenschlüssel 298
S Step-Down-Modus 290
Step-Up-Modus 290
Vasodilatatoren 200
Venenkatheter
–– zentraler 130
Sanierungsphase 125 Stomapflege 142 –– zentraler, Komplikationen 130
Sauerstoffinsufflation 36, 247 Stroke Unit 229 Venenperforation 131
Sauerstofftherapie 246 Subarachnoidalraum 264 Ventilationsstörung 27
Säure-Basen-Haushalt 49 Symptomlinderung 70 Ventrikuläre Tachykardie (VT) 11
Schlaganfall 228
Verdampfung 35
Schluckdiagnostik 221
Schlucklähmung 220
Schluckreflex 222
T Verdauungsenzyme 236
Verlegung 160, 213
Verlegungsangst 160
Schmerz 76 Tachykardie
Verlegungsbericht 165
–– akuter 76 –– mit tastbarem Puls 66
Verneblung 35
–– Chronifizierung 77 Tachypnoe 20
Verweildauer 160
–– neuropathischer 77 Tacrolimus (Prograf ) 256
Verwirrtheit 109
–– somatischer 77 Tarragona-Strategie 187
Vorhofflimmern 228
–– viszeraler 77 Teamintegration 302
VRE 120
–– WHO-Stufenschema 83 Technische Regeln für Biologische
Schmerzerfassung 78 Arbeitsstoffe (TRBA) 117
Schmerzgedächtnisaktivierung 76
Schmerzstärke 78
Thera-Band 155
Therapie W
Schock 55, 197 –– immunsuppressive 217 Wasserhygiene 121
–– anaphylaktischer 57 Thermometer-Skala 79 Weiterbildung 306
–– hypovolämer 56 Thoraxdrainage 210 Wernicke-Aphasie 268
–– kardialer 56 Thoraxkompression 64 WHO-Stufenschema 83
–– kardiogener 197 Thromboembolie 228 Wunde 139
–– neurogener 57 Thrombolyse 229 –– aseptische 139
–– septischer 57 Thromboseprophylaxe 280 –– infizierte 139
Schutzkleidung 123 Tiger-Tube 99 –– kolonisierte 139
Schwangerschaftserkrankung, TISS-28 294 –– kontaminierte 139
hypertone 278 Todesangst 198 –– kritisch kolonisierte 139
Scoring-System 291 Totraum 37 Wundinfektion 138
sekretlösende Maßnahmen 220 Transdermale Therapeutische Systeme –– Risikofaktoren 138
Selbstbeobachtungsskala 78 (TTS) 86 Wundinfiltration, lokale 89
Selbsthilfegruppen 243 Transducer Wundpflege 138
Selbstkompetenz 309 –– Kalibration 14 Wundreinigung 139
Selbstkontrolle 149 Transferklassen 153
Selbstorganisation 302 transistorisch ischämische Attacke
Sepsis 58
Shaldon-Katheter 130
(TIA) 228
Transparentverband 133
Z
Shunt Transplantation 254 zentraler Venendruck (ZVD) 16
–– ventrikuloatrialer 266 –– Warteliste 254 Zentralmonitoring 299
–– ventrikuloperitonealer 266 Trigger 41 zerebraler Perfusionsdruck (CPP) 265
SIRS 58, 185 Trilumensonde 99 Zielspiegel 256
Sofortmobilisation 148 Trinkhilfe 222 Zottenatrophie 98
Sozialkompetenz 309 Zurich Observation Pain Assessment
Spannungspneumothorax 210 (ZOPA) 80
Speichelproduktion 223
Spinalischämie 209
U Zyanose 23