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* Überarbeitete und erweiterte Fassung des in AEA 40, 1967, 3—29, abgedruckten Auf-
satzes 'La Latinización de Hispania'. Autorisierte Übersetzung aus dem Spanischen von
MICHAEL KOCH u n d REINHOLD SCHWARZ, T ü b i n g e n .
Als gegen Ende des 3. Jahrhunderts die Römer nach Spanien kamen,
müssen sie sich einer großen Vielfalt von Idiomen und Dialekten sowie
verschiedenen Schriften gegenübergesehen haben. Die Sprachen, welche
damals auf der Halbinsel gesprochen wurden, abgesehen von den fremden
der Völker, die schon vor den Römern die Halbinsel kolonisierten, wie dem
Griechischen der hellenischen Kolonien an der Ostküste 1 oder dem Puni-
schen und den ihm verwandten Sprachen auf Ibiza und an der Küstenzone
(Abb. 1) im Süden der Halbinsel2, gehörten drei Gruppen an: der indo-
europäischen Sprachfamilie die Sprachen des westlichen Zentralspanien und
des Nordwestens3, der iberischen diejenigen des Südens und der Ostküste 4 ;
indoeuropeas, ELH I 1—26, Ders., The Ancient Languages of Spain and Portugal, New
York 1961, 60ff. Außerdem M. Gómez Moreno, Sobre los iberos y su lengua, in: Home-
naje ofrecido a Menéndez Pidal III, Madrid 1925, 475ff.
6 Es gibt noch keine ausführliche Untersuchung zu diesem Problem; einige Aspekte wurden
jedoch abgehandelt. Zu Ambronen und Oskern vgl. R. M E N E N D E Z P I D A L , Colonización sur-
itálica de España según testimonios toponímicos e inscripcionales E L H I, L I X f f . ; D E R S . ,
Sobre el sustrato mediterráneo occidental. Toponimia prerrománica hispana, Madrid
1952, 73ff.; D E R S . , Ligures y ambroilirios, ebd. 161ff.; H. B E R T O L D I , Colonizzazioni nell'
antico Mediterráneo occidentale alia luce degli aspetti linguistici, Neapel 1950; K. BAL-
D I N G E R , Die Herausbildung der Sprachräume auf der Pyrenäenhalbinsel, Synthese und
Querschnitt durch die neueste Forschung, Berlin 1968, DERS., Episodi dialettali nella
storia del latino della Campania e dellTberia, in: Homenaje ofrecido a Menéndez Pidal
I I I , Madrid 1925, 33ff.; U. SCHMOLL, op. cit. Uber die Germaniqui et Oretani bei Plin.
NH. I I I 26, vgl. A. TOVAR, Sobre la complejidad de las invasiones indoeuropeas en nuestra
Península, Zephyrus 1, 1950, 33ff.; vgl. auch meinen Artikel 'Algunos problemas rela-
tivos a las invasiones indoeuropeas en España', AEA 23, 1951, 487 ff. Uber die Kelten
der Baeturia, Plin. NH. I I I 11. 13. Zu den Überresten, J . H U B S C H M I D , Testimonios ro-
mánicos, E L H I 27 ff. und 127 ff.
• Zum Basko-Iberismus J . CARO B A R O J A , Historia de España I, Madrid 1954, 803ff.;
DERS., Observaciones sobre la hipótesis del vasco-iberismo considerada desde el punto de
vista histórico, Emérita 10, 1942, 236ff., und 11, 1943, l f f . ; A. TOVAR, Sobre las proble-
mas del vasco y del ibérico, Cuadernos de Historia de España (weiterhin zitiert als CHE)
11, 1949, 124ff.; L. M I C H E L E N A , Cuestiones relacionadas con la escritura ibérica. Emérita
23, 1955, 277; P. B E L T R A N , El plomo escrito de la Bástida de los Alcuses (Mogente),
Addenda et Corrigenda, Valencia 1962 (Neuauflage der Arbeit von 1954 mit gleichem
Titel), sowie neuerdings die Arbeiten von L. M I C H E L E N A und A. T O V A R in: Problemas
de la prehistoria y la etnología vascas. Pamplona 1966, 271ff. bzw. 287ff. Hinsichtlich
des 'celtismo' der Völkerschaften des großen nordwestlichen Teiles der Halbinsel möchte
ich einmal mehr auf meiner Anschauung bestehen, daß dieses Phänomen Folge einer
Uberlagerung ist. Das grundlegende ethnische Element aller dieser Stämme ist nicht
keltisch. Wenn weitaus die meisten äußeren Zeichen ihrer Kultur (Sprache, Anthropo-
nymie, Theonymie, Toponymie, Choronymie, Waffen, Keramik usw.) ganz offensichtlich
'keltisch' sind — und daran besteht nicht der geringste Zweifel —, so geht dies nicht
auf eine ausschließlich keltische Bevölkerung zurück, sondern darauf, daß es den indo-
europäischen Einwanderern gelungen ist, sich seit dem 9. und 8. vorchristlichen Jh.
gegenüber den Eingeborenen durchzusetzen, denn die Kultur der Neuankömmlinge war
der der einheimischen Völker weit überlegen. Das gleiche Phänomen wiederholte sich
später bei Römern, Westgoten und Arabern, welche die ethnische Substanz der Ein-
geborenen nicht verdrängen, sondern ihnen lediglich die äußeren Formen ihrer Kultur
(Sprache, Götter, Namen, Lebensformen usw.) vermitteln konnten. Daraus folgt, daß
die Völker der Meseta und des Nordwestens und Nordens der Halbinsel heute als indo-
europäisch erscheinen, während sie in Wirklichkeit eigentlich vorindoeuropäische Völker
sind, die später indoeuropäisiert wurden. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, welche bislang
nicht systematisch angegangen wurde, nicht-indoeuropäische Zeugnisse zu sichten, zu kata-
logisieren und zu untersuchen, die immer noch in sprachlichem Material jeder Art auftreten.
welches in der Epigraphik der "keltischen" Zone der Halbinsel enthalten ist. Voraus-
geschickt sei in diesem Zusammenhang, daß allem Anschein nach der runde Grundriß
des Hauses, typisch für den Nordwesten, nicht keltisch, sondern vorkeltisch ist, und daß
ein Ethnikon wie das der Guigurri in Galizien in Beziehung zu anderen vorkeltischen
Namen des nördlichen Ebrogebietes wie Calagurris, Gracchurris gesehen werden muß,
die ein Suffix haben, welches sich im Baskischen bis in unsere Zeit erhalten hat. Vgl.
hierzu J . CARO B A R O J A , Materiales para una historia de la lengua vasca, Salamanca
1949, 186; R. M E N E N D E Z P I D A L und A. T O V A R , Los sufijos con -rr en España y fuera de
ella, Boletín de la Real Academia de la Historia (weiterhin zitiert als BRAH) 38, 1968,
185 ff.
7 Über die Vielfalt von Alphabeten und Sprachen bei den Iberern sagt Strabo (III 1, 6):
ol SAAoi 8 ' "Ißripes x p " U T a l ypauncmKfj, oú ntíjí <5'> I5é(¡c, oüSé yáp yXcoTTi^ ni<y.
' Ein archaisches ionisches Alphabet aus dem 6. J h . war auch im Gebiet von Alicante in
Gebrauch. Zwei bezeichnende Beispiele dafür sind das sog. 'Blei von Alcoy' und das
von Cigarralejo, dazu M. G Ó M E Z M O R E N O , El plomo de Alcoy, Revista de Filologia
Española 9, 1922, 23ff. = Misceláneas, historia, arte, arqueología, l e r a serie: la anti-
güedad (weiterhin zitiert als Misceláneas I), Madrid 1949, 221; DERS., La escritura bástulo-
turdetana, Madrid 1962 (Separatum aus Revista de Archivos, Bibliotecas y Museos 69,
1961, 879ff.).
9 Zu diesem letzteren ist an die Schreibformen zu erinnern, die auf gewissen Prägungen
I I I , 1925, 484ff., schuf die Voraussetzung für die Lesung dieser Schrift, die man vorher
nicht sicher entziffern konnte. S. auch Misceláneas I. Hinzuzufügen wäre P. B E L T R A N
op. cit. Zuletzt J . M A L U Q U E R , Epigrafía prelatina de la Península Ibérica, Barcelona 1968.
11 M. G Ó M E Z M O R E N O , La escritura bástulo-turdetana, Madrid 1962; A. T O V A R , The Ancient
Languages of Spain and Portugal, New York 1961; U. SCHMOLL, Die südlusitanischen
Inschriften, Wiesbaden 1961.
12 Neben den in den bisherigen Anmerkungen bereits zitierten Werken s. P . B E L T R A N , L O ,
die keine eigene Schrift besaßen, benutzten dort, wo sie mit diesen Völkern
häufigeren und engeren Kontakt pflegten, iberische Schriftzeichen13.
So bietet sich der Überblick über die Sprachen und Alphabete der
Halbinsel in der Zeit vom 3. bis 2. Jahrhundert v. Chr., als Rom den
Kampf um die Herrschaft über dieses Land begann.
II. Die Quellen zum Problem der ursprünglichen Sprachen der Halbinsel
Der Verlust einiger antiker Werke vor allem aus der griechischen
Literatur, in denen, wie wir sicher wissen, die Ethnologie der Halbinsel
ziemlich ausführlich behandelt wurde, ist für die Lösung der Probleme,
denen wir uns jetzt widmen wollen, ein nicht wiedergutzumachender
Schaden. Hier fände sich über die Eingeborenensprachen noch einiges
Material zusätzlich zu den wenigen Quellen, die auf uns gekommen sind.
Solche Informationen dürfte das X X X I V . Buch der 'Historien' des Poly-
bios enthalten haben, eine geographische und ethnographische Abhandlung,
geschrieben als Einleitung zum folgenden Buch, dem X X X V . , das die
keltiberischen und lusitanischen Kriege behandelt. Von Asklepiades von
Myrleia, der Strabon zufolge (III 4, 3) einen ausführlichen Bericht über
die Turdetaner verfaßte, bei denen er einige Zeit gelebt hatte (TTepifiyrio'is
TCOV Trjs ToupSTiToevias £0voov), ist uns nichts geblieben, abgesehen von
zwei kurzen Hinweisen bei Strabon (III 4, 3 und 4,19). Die Geschichts-
bücher des Poseidonios sind nahezu vollständig verloren, und was davon
erhalten ist, kennen wir aus den Exzerpten Strabons und Diodors, welche
einen Teil dessen überliefern, was über die Bergwerke Hispaniens berichtet
wurde. Vom Werk des Artemidoros ist noch weniger erhalten. Sein großes
Werk, Teoypcccpoüpeva', in elf Büchern, ist ebenfalls verloren; es scheint,
daß das zweite Buch auf die iberische Halbinsel Bezug nahm. Einiges
daraus haben Strabon, Plinius, Markianos von Herakleia und andere
exzerpiert und uns auf diese Weise zugänglich gemacht.
Aber so sehr wir auch diese Verluste bedauern, sie sind weniger
gravierend, wenn wir bedenken, daß die antiken Autoren nicht den
Wissensdrang unserer frühen Amerikanisten besaßen, die sich große Mühe
bei der Erforschung der alten amerikanischen Sprachen gaben und darüber
Grammatiken und Wörterbücher in großer Zahl veröffentlichten14. Im
Gegensatz zu ihnen interessierten sich weder Griechen noch Römer für die
Sprachen der Völker, zu denen sie in Beziehung traten, sondern taten sie
immer nur unterschiedslos und ohne weiter zu differenzieren als 'barba-
risch' ab. Die Griechen, die schon früh mit den Stämmen der Halbinsel
Handel trieben, haben keines der sprachlichen Phänomene, denen sie sich
gegenübersahen, systematisch erforscht. Die Römer, Zeugen des Aussterbens
der etruskischen Sprache, welche sich zuvor in Rom selbst durchgesetzt
hatte und noch von den Großvätern und Vätern vieler bedeutender Persön-
lichkeiten der römischen Republik gesprochen worden war, haben uns
nichts hinterlassen, was heute zum besseren Verständnis dieser so geheim-
nisvollen Sprache beitragen könnte. Dasselbe gilt für die Tradition der
punischen Sprache und ihres Alphabets, obgleich doch die Römer während
eines beträchtlichen Abschnitts ihrer Geschichte in kriegerischem oder
friedlichem Kontakt mit Karthago und seinen Kolonien auf Sizilien, Sardi-
nien, den Balearen und der iberischen Halbinsel gestanden haben. Hin-
sichtlich der Sprachen und Schriften der Völker unserer Halbinsel, Iberer,
Kelten und Keltiberer, haben wir bereits festgestellt, wie wenig die Römer
uns über sie mitzuteilen haben. So sind also die leider nur dürftig fließenden
Quellen nicht allein deswegen so knapp, weil antike Schriften verloren
sind, von denen vielleicht manche die eine oder andere heute so schmerzlich
vermißte Information gegeben hätte, sondern der tiefere Grund dafür liegt
in dem geringen Verständnis, das die Alten solchen Fragen entgegen-
brachten16. Der modernen Forschung ist es jedoch mit viel Sammlerfleiß
14
Eine Tatsache, die von der modernen Amerikaforschung nicht in gebührendem Maße
berücksichtigt wurde. Die in dieser und manch anderer Hinsicht außergewöhnliche
Leistung unserer frühen Amerikanisten, die in solchen Fragen den Alten weit überlegen
waren, ist nicht genügend gewürdigt worden. Das gleiche gilt für die Ethnologie. Unsere
Amerikanisten haben hier sehr viel mehr Wissensdrang und weit feineres Gespür gezeigt
als Griechen und Römer.
15
Sie beschränkten sich darauf, entsetzt die Ohren zu verschließen, wenn sie die seltsamen
geographischen Namen aus Nordspanien hörten und entschuldigten sich für notwendige
Wiederholungen bei ihren Zuhörern wegen der Ohrenschmerzen, die sie ihnen bereiteten.
Es war bei griechischen und römischen Schriftstellern üblich, Namen auszulassen mit der
Begründung, sie seien für die Ohren des Publikums unerträglich. So sagt Strabon (III
3, 7): „Ich will aber auf eine ermüdende Aufzählung (sc. der Namen von Orten und
Völkerschaften im Norden Spaniens) verzichten, denn wer könnte Freude daran finden,
Namen zu hören wie die der Plentouisoi, Bardietai, Allotriges oder andere, noch häßlichere
und noch fremdere". Dasselbe steht bei Mela (III 16): „Bei den Kantabrern gibt es einige
Stämme und gewisse Flüsse, deren Namen unser Mund nicht aussprechen kann!" Plinius
(NH. III 28) wiederholt diesen Topos mit,,.. . kann man allenfalls noch die Namen der
Biballi, Collerni, Callaeci, Equaesi, Limici und Querquerni aussprechen, ohne daß es einen
ekelt". Vgl. auch III 7 und IV 118. Selbst der Erzspanier Martial meint sich vor seinen
Lesern verteidigen zu müssen, wenn er respektlos wagt, eine lange Reihe von Ortsnamen
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468 ANTONIO GARCIA Y BELLIDO
gelungen, aus den antiken Texten eine bescheidene Anzahl von iberischen
und keltischen Sprachresten mit mehr oder weniger genau bekannter
Bedeutung zusammenzutragen1®; auch hat man von den Sprachzeugnissen
auf iberischen Inschriften eine Art Liste angefertigt17, wenngleich die
Begriffe größtenteils in ihrer Bedeutung noch unbekannt sind. All das ist
freilich, wie man sieht, sehr wenig gesichert und äußerst dürftig.
seiner keltiberischen Heimat aufzuzählen: nos Celtis genitos et ex Hiberis / nostrae nomina
duriora terrae / grato non pudeat referre versu, und nachdem er einige Ortsnamen aufgezählt
hat, schließt er mit der Frage: haec tarn rustica, delicate lector / rides nomina? Rideas licebit /
haec tarn rustica malo quam Butuntos. Aus anderem Blickwinkel handelt kurz über diese
Frage M. L E J E U N E , La curiosité linguistique dans l'Antiquité classique, in: Conférences de
l'Institut de linguistique de l'Université de Paris IX, 1949, Paris 1960, 46ff.
11
E . H Ü B N E R , MLI p. LVIIIff.; für die Begriffe aus dem Bergbau s. A . S C H U L T E N , Geo-
grafia y etnografia antiguas de la Peninsula Ibérica II, Madrid 1963, 257 ff.
17
A. T O V A R , Léxico de las inscripciones ibéricas, Estudios dedicados a Menéndez Pidal II,
Madrid 1951, 273ff. Vgl. auch J . M A L U Q U E R , a. O. 159ff.
neuen Herrin eine Fülle von Vorteilen bot, und das bewog sie, diese
Sprache rasch anzunehmen ohne sich allzusehr darum zu kümmern, was
dies letztlich für ihre Muttersprache bedeuten würde. Kaum hatte sich
die Lage normalisiert, kaum begannen die von den neuen Herren eingeführ-
ten Institutionen wirkungsvoll zu arbeiten, müssen sich die unterworfenen
Völkerschaften vor einer unausweichlichen Notwendigkeit gesehen haben:
dem Zusammenleben mit den Römern und der möglichst schnellen und
vollständigen Übernahme ihrer Lebensweise. Und dies nicht nur deswegen,
weil sie freiwillig oder gezwungen bereits integriert waren, sondern auch
deswegen, weil das Latein ihnen als universelles Kommunikationsmittel
im Umgang mit der übrigen römischen Welt und vor allem mit ihren eigenen
Landsleuten und dem Staat diente.
In der Tat war das Lateinische die Sprache der Justizverwaltung, der
Senatsverfügungen, der Reskripte und Verordnungen der Statthalter, der
Dekrete der Dekurionen, der Rechte und Verfügungen der Munizipien und
Kolonien, des Kalenders usw., also kurz gesagt, die Sprache des ge-
samten öffentlichen und privaten Lebens. Hierin machte der römische
Staat den westlichen Ländern niemals auch nur die mindeste Konzession,
anders als im hellenistischen Bereich, wo die hohe Kultur, die schon seit
Jahrhunderten von der griechischen Sprache getragen wurde, die Römer so
in ihren Bann schlug, daß sie sie duldeten und ihr sogar den Vorrang
ließen. Aber im Westen, um es noch einmal zu sagen, wo die einheimischen
Kulturen der lateinischen weit unterlegen waren, übernahm diese von
Anfang an die unbestrittene und endgültige Führung. Im Westen ist kein
einziges offizielles Dokument bekannt, das zweisprachig oder in verschie-
denen Alphabeten geschrieben wäre. Darüber hinaus berichten weder
Inschriften noch literarische Quellen von einem offiziellen Dolmetscheramt
im römischen Verwaltungsapparat18.
So streng und unerbittlich die Römer im öffentlichen Leben verfuhren,
im nichtöffentlichen Bereich, dem privaten und gesellschaftlichen Leben
der Eingeborenen, zeigten sie sich weitaus nachgiebiger. Rom zwang nie-
mandem seine Götter auf, ebensowenig zerstörte es die soziale Ordnung
der Völker, die die römische nicht annahmen. Im ausgedehnten NO-Teil
der Halbinsel lebten bis zum Ende der Kaiserzeit die alten Götter weiter,
ebenso wie die früheren Stammeseinteilungen, die centuriae und genti-
litates. Die tesserae hospitales wurden weiterhin in iberischer Schrift verfaßt,
wahrscheinlich bis zum Beginn der Kaiserzeit, wie aus der 'Bronze von
Luzaga' und aus ähnlichen Stücken aus Mittelspanien hervorgeht19. Aber
schon von augusteischer Zeit an wurden diese Privatdokumente in lateini-
scher Sprache, lateinischer Schrift und unter Verwendung des römischen
Formulars abgefaßt. Die älteste der bekannten tesserae ist die von Pollensa
(Mallorca), die in das Jahr 10 v. Chr. datiert ist, auf dem Festland gefolgt
von der tessera von Paredes de Nava (Palencia) aus dem Jahre 2 v. Chr.
18
Vgl. aber S. 474.
18
Vgl. dazu Anm. 13 und Anm. 48.
Die tessera hospitalis von Herrera de Pisuerga, datiert in das Jahr 14 n. Chr.,
zeigt eine eigenartige Mischung von römischem Formular und einheimischer
Form; der Text ist lateinisch, alle Beteiligten aber sind Peregrine20. Wahr-
scheinlich sind zu Anfang auch die Testamente in den Sprachen der
Eingeborenen geschrieben worden. Aber dafür haben wir bis heute —
ebenso wie für das Gegenteil — keinerlei Beweise.
Allgemein darf behauptet werden, daß zumindest von Augustus an
alle Dokumente privaten Charakters in Latein ausgefertigt wurden. Außer-
dem war es anscheinend seit Claudius verboten, denjenigen das römische
Bürgerrecht zu verleihen, die der lateinischen Sprache nicht mächtig
waren21. Angesichts der Vielfalt von Sprachen und Dialekten, des unter-
schiedlichen Kulturniveaus, der Verschiedenheit der Landschaften und der
Eigentümlichkeit eines jeden spanischen Stammes ist der Schluß ganz
natürlich, daß die Ausbreitung der lateinischen Sprache nicht regelmäßig
und gleichförmig verlief. Sie ging rasch im Süden und Osten voran und
mehr oder weniger langsam in der Meseta, im Westen, im Nordwesten
und im Norden.
Die Latinisierung der Provinz Hispania Ulterior muß schon sehr früh
begonnen haben und im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. beschleunigt
vorangeschritten sein. Schon zu Beginn des 1. Jahrhunderts vor unserer
Zeitrechnung wurde hier nicht nur die lateinische, sondern auch die
griechische Sprache gepflegt. Griechischlehrer in dieser Provinz war der
bereits zitierte Asklepiades von Myrleia, ein berühmter Philologe, der in
Alexandria studiert hatte. Asklepiades unterrichtete bis zur ersten Hälfte
des 1. Jahrhunderts v. Chr. an einem unbekannten Ort in der Ulterior;
bei seinem wissenschaftlichen Rang ist anzunehmen, daß er in einer grö-
ßeren Stadt wie etwa Corduba, Gades oder Hispalis lehrte. Seine
Anwesenheit in der Ulterior ist vielleicht der beste Beweis für das hohe
kulturelle Niveau, das man zu Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. im Süden
Spaniens erreicht hatte. Das Lateinische muß bereits in dieser Zeit als
Umgangssprache für viele Einheimische angesehen werden, während für
die Angehörigen der höchsten Gesellschaftskreise nach römischer Mode zur
Vollständigkeit ihrer literarischen Bildung auch die Erlernung der
20
A. D'ORS, Epigrafía jurídica de la España Romana, Madrid 1953, 367 ff. Zu der tessera
von Herrera de Pisuerga vgl. meine jüngst veröffentlichte Arbeit in B R A H 169, 1966,
149 ff.
11
Dio L X 17, 4ff. Vgl. Suet. Claud. 25, 7—8. Einen Würdenträger aus der Provinz Graecia
strich er von der Richterliste, entzog ihm das römische Bürgerrecht und versetzte ihn
so in den Peregrinenstand zurück, weil er kein Latein konnte (Suet. Claud. 16, 4). All-
gemein dazu A. N. SHERWIN W H I T E , The Roman Citizenship, Oxford 1 9 3 9 1 8 1 ff.
griechischen Sprache gehörte: dies war nützlich vor allem für die
Kaufleute der großen Hafenstädte, welche, wie z. B. Gades, ständige
Handelsbeziehungen mit den Hafenstädten der griechischsprechenden Welt
unterhielten. In der Kaiserzeit fehlt es nicht an Hinweisen auf die Tätigkeit
anderer Griechischlehrer wie des langlebigen Domitius Isquilinus aus
Corduba, eines magister grammaticae, der sich als Graecus bezeichnet und
erst im Alter von 100 Jahren starb (CIL II 2236), oder des Troilus aus
Gades, eines retor graecus (sie!) (CIL II 1738).
Aber zurück zum Latein. Wir erinnern uns, daß im Jahre 74 v. Chr.
in Corduba Metellus ein asiatisch üppiges Leben führte und sich mit einem
Kreis einheimischer Dichterlinge umgab, die Cicero wegen ihres provin-
ziellen Akzents als ungehobelt und barbarisch verspottet: Cic., Pro Arch.
X X V I : ut etiam Cordubae natis poetis pingue quiddam sonantibus atque
peregrinum tarnen aures suas dederet. Auf diese Schwäche des Metellus spielt
ohne Zweifel Plutarch an mit der Bemerkung (Sert. X X I I ) , daß Chöre
von Jünglingen und jungen Mädchen dem Metellus Siegeshymnen dar-
gebracht hätten: x°P°l iraiScov Kai yuvaiKobv ¿ttivikIous Opvous fjSov eis
aCnröv. Kurz nach der Schlacht von Munda (45 v. Chr.) tadelt Cäsar (BH.
42, 4) mit großer Schärfe die Einwohner von Hispalis wegen ihrer Partei-
nahme für die Pompejaner, zumal sie doch von seiner Seite so viele
Vergünstigungen erfahren hätten. Die bitteren Vorwürfe galten Peregrinen
wie römischen Bürgern 22 , was bedeutet, daß die Peregrinen ohne größere
Schwierigkeiten die lateinische Ansprache Cäsars verstanden haben müssen.
Dasselbe gilt auch für ähnliche Fälle, in denen der Diktator sich sowohl
an Vereinigungen römischer Bürger (conventus civium Romanorum) wie auch
an Eingeborene wenden mußte.
Die kluge und großzügige Politik Cäsars, die an den Iden des März
zum Nachteil für eine schnellere Latinisierung der römischen Westprovinzen
ihr unwiderrufliches Ende fand, machte sich in Spanien und besonders in
der Ulterior nicht nur in der Verbreitung des ius Latii bemerkbar23,
sondern auch in einem sehr bezeichnenden Vorgang: dem Verschwinden
der bilinguen hispanischen Münzprägung. Diese Entwicklung muß in
augusteischer Zeit abgeschlossen gewesen sein24. Zwar wissen wir nicht,
ob dies auf eine offizielle Verfügung zurückgeht, auf jeden Fall aber wird
hier eine Politik offenbar, die zum Ziel hat, endgültig die Reste einheimi-
scher Kultur auszutilgen und durch die römische zu ersetzen, was wiederum
voraussetzt, daß die Eingeborenen bereits für die lateinische Kultur reif waren.
In der Tat sagt Strabon zu einer Zeit, die ungefähr in die Regierungs-
periode des Augustus fällt, über diese südlichen Völker — genauer über
22 Vos iure gentium et civiumque Romanorum instilutis cogniiis. Unter ius gentium ist das
Recht zu verstehen, das für die nicht romanisierten Eingeborenen galt, gegenüber dem
anderen Recht der cives Romani.
M M. J. HENDERSON, Julius Caesar and Latium in Spain, J R S 32, 1942, lff.
24 A. BELTRAN, Sobre algunas monedas romanas bilingües del Municipio de Ampurias,
Numisma 3, 1962, 955, hält dafür, daß der Wechsel seit der Schlacht von Munda im
Jahre 45 v, Chr. datiert. Vgl. dazu die Ausführungen auf S. 488.
Wie jede große Kultur war auch diese iberische entschieden städtisch
geprägt, und das schuf die notwendige Voraussetzung dafür, daß sich die
Romanisierung so schnell und vollständig vollzog, wie es tatsächlich der
Fall war. Eine so frühe Romanisierung brachte verschiedene Besonderheiten
mit sich, die ihren Niederschlag in der örtlichen Epigraphik fanden; so
bestanden z. B. archaische Formen fort, oder man hielt an Wendungen
und Begriffen in besonders reinem Latein fest 26 . Aber die Tatsache, daß
26
A. CARNOY, Le latin d'Espagne d'après les inscriptions, Brüssel 1 9 0 6 ; M. DÍAZ Y DÍAZ,
El latín de la Península Ibérica. Rasgos lingüísticos, ELH I, 153ff. DERS., Dialectismos,
ebd. 2 3 7 f f . ; S. MARINER BIGORRA, Léxico, ebd. 1 9 9 f f . Vor allem A. TOVAR, El latín de
Hispania; aspectos léxicos de la Romanización, Madrid 1968 (Vortrag anläßlich der
Aufnahme Prof. TOVARS in die Real Academia de la Lengua). In dieser Studie sind
eigentümliche Wendungen aus den heute auf der Halbinsel gesprochenen Sprachen
zusammengetragen, die schon bei frühen lateinischen Schriftstellern des 2. und 1. Jh.
v. Chr. mit Spanienerfahrung vorkommen (bes. Cato, Lucilius und Varro). Neuerdings
hat TOVAR diese Hypothese mit noch größerem Nachdruck vertreten durch die Ver-
öffentlichung eines Lexikons der Redewendungen und Bedeutungen, welche heute noch
in den spanischen Sprachen lebendig sind und aus der Zeit Catos (Catón y el latín de
Hispania, Philologische Studien für J. Piel, Heidelberg 1969, 201ff.) und Lucilius' (Lucilio
y el latín de España, Studi linguistici in onore di Vittore Pisani, Brescia 1968, 1019 ff.)
das Lateinische für die Eingeborenen eine angelernte, aus einem fremden
Land kommende Sprache war und vor allem weit vom schöpferischen
Zentrum entfernt gesprochen wurde, hatte zur Folge, daß sich ein beson-
derer Tonfall in seine Prosodie einschlich und man dadurch in Rom
deutlich heraushören konnte, wenn ein Spanier sprach, genauso wie wir
heute einen Galizier von einem Andalusier und einen Mexikaner von einem
Argentinier auf Grund ihres Akzents und ihrer Redewendungen unterschei-
den können. Wir haben schon einmal die Stelle zitiert, wo Cicero die Dichter-
linge kritisiert, die sich in Corduba um Metellus scharten. Jetzt wollen wir
das Bild weiter abrunden und noch zwei Beispiele anführen: im einen Fall
ist es Antonius Julianus, ein guter Schriftsteller, gebildet und als Redner
hervorragend, dessen Herkunft man ihm wegen seines deutlich hörbaren
spanischen Akzents, Hispano ore (A. Gell. NA. XIX 9, 2), sofort anmerkte;
im anderen Fall ist es Hadrian, der ja einen Teil seiner Kindheit in seiner
Vaterstadt Italica verbracht hatte. Dieser sprach, als er vor dem römischen
Senat eine Rede Trajans verlesen mußte, so ungehobelt und provinziell,
daß er das Gelächter seiner Zuhörer erregte: agrestius pronuntians risus
esset (SHA, Hadr. 3). Solche Erscheinungen freilich liegen in der Natur
der Sache und sind allgemein zu beobachten, denn ohne diese und andere
Unterschiede hätten die heutigen neulateinischen Sprachen nicht entstehen
können. Es wäre indes nicht klug, allzu weitgehende Schlüsse aus dem be-
rühmten Zitat Strabos zu ziehen, welches auf die rasche Romanisierung
der Baetica hinweist25®, indem man es aus dem Zusammenhang löst. Man
kann dieser Aussage natürlich nur einen relativen und bis zu einem gewissen
Grade eingeschränkten Wert beimessen. Allgemein gilt die Bemerkung des
griechischen Geographen nur für die großen Städte der Ulterior und für
die zahlreichen kleinen römischen Zentren, die über die ganze Provinz ver-
streut lagen. Aber in der von uns behandelten Epoche gilt dies noch nicht
für bestimmte abgelegene kleine Städte und natürlich noch weniger für das
bäuerliche Land26. In der Ulterior dürfte es noch in augusteischer Zeit viele
läßt sich nicht so leicht auslöschen wie man zuweilen, unter Berufung auf die großen städ-
tischen Zentren, annimmt.
27
C. S Á N C H E Z A L B O R N O Z , El proceso de romanización de España desde los Escipiones
hasta Augusto, Anales de Historia Antigua y Medieval, Buenos Aires 1949, 11, nimmt
an, daß die Mitglieder der zahlreichen Gesandtschaften, die während des 2. und 1. Jh.
v. Chr. in Rom weilten, um ihre Probleme dem Senat vorzutragen, über Lateinkenntnisse
verfügten. Ohne bestreiten zu wollen, daß es sich zuweilen so verhielt, bin ich doch der
Ansicht, daß in den meisten Fällen Dolmetscher hinzugezogen wurden, dann nämlich,
wenn an der Spitze der Gesandtschaft nicht der patronus der Stadt oder der Provinz
stand, der, wie wir es von Cäsar bei verschiedenen Anlässen wissen, die Verteidigung
seiner Klienten zu übernehmen pflegte: patrocinio suscepto multis legationibus ab se in
senatum indutis simul publicis privatisque causis multorum inimicitiis susceptis defendisse
(BH. 42, 2). Über die Dolmetscher M. L E J E U N E , a. O. 58ff.
28
E . HÜBNER, M L I N r . XLIV.
29
Hier einige Beispiele peregriner Namen in lateinischen Inschriften aus der Kaiserzeit,
die aus Städten der Baetica oder angrenzender Gebiete stammen: CIL II 1087 aus
Alcalá del Rio, dem römischen Ilipa Magna; CIL II 2067 aus Pinos Puente, römisch:
lluro; CIL I I 3284, 3295, 3307, 3310 und E E I X Nr. 329 aus Linares; CIL I I 1512
aus La Luisiana; CIL II 2284, 2286, 6537 aus Córdoba; CIL II 5447 aus Osuna, dem
Urso Cäsars; E E I X Nr. 233a aus Baena; E E V I I I Nr. 98 aus Astigi, dem heutigen
Ecija; CIL I I 1302 aus Las Cabezas de San Juan; CIL I I 3302 aus Jódar; CIL II 2051
aus Antequera, dem Anticaria der Römer; CIL II 3351 aus Mancha Real; CIL II 2160,
2178 aus Montoro; CIL II 2114 aus Arjonilla usw. usw., besonders aber die Gruppe
von Grabsteinen augusteischer Zeit, welche aus einem Familiengrab in Baena, dem
antiken Iponuba (CIL I I 1585—1596) stammen und auf denen sowohl Peregrine als auch
teil- bzw. vollromanisierte Personen (cives Romani mit Tribusangabe) genannt werden.
Diese Zeugnisse bestätigen auch noch für die hohe Kaiserzeit die Existenz vieler wohl-
habender Familien in der Baetica, besonders in Gebieten nahe der Tarraconensis, welche
nicht völlig romanisiert waren, auch wenn ihre Grabinschriften in lateinischer Sprache
verfaßt wurden. Richtig ist, daß diese Namen am oberen und mittleren Guadalquivir
häufiger vorkommen (Castulo, Linares, Jódar, Mancha Real, Montoro, Pinos Puente,
Arjonilla, Baena usw.), es fehlt aber ebensowenig an Beispielen aus den stärker romani-
sierten Gebieten (Alcalá del Rio, Osuna, Ecija, Las Cabezas de San Juan, Antequera
usw.). Vgl. dazu M. G Ó M E Z M O R E N O Misceláneas I 251 f.
wieder vor Augen führen, daß um die Zeitenwende, als die formula provinciae
Baeticae ausgearbeitet wurde, auf die sich wohl Plinius stützt, in der Baetica
von insgesamt 175 Städten mit unterschiedlichem Rechtsstatus noch 120,
also fast zwei Drittel, tributpflichtig waren (Plin. NH. III 7). Man darf infolge-
dessen den berühmten Abschnitt bei Strabon über die Latinisierung des Südens
von Hispanien nicht allzu wörtlich nehmen. Der Bericht scheint zutreffend
— ich wiederhole es — für die großen Städte am unteren und mittleren
Guadalquivir und in unmittelbarer Nähe der Straße von Gibraltar, nicht
jedoch für die Dörfer, die ländlichen Gegenden und das Bergland der
heutigen Provinzen Jaén und Granada. Ich bin ganz einer Meinung mit
TOVAR, wenn er feststellt, daß „nach 80 Jahren römischer Präsenz in
Hispanien", er spielt hier auf Lucilius an, „das Lateinische im Süden und
Osten fest verwurzelt war, und daß Städte wie Tarraco, Corduba, Valentia,
Italica, Hispalis und die alten punischen Zentren wie Carthago Nova und
Gades ein neues Herrschaftsgebiet für die Sprache sind, die sich zur
gleichen Zeit in ganz Italien durchsetzt"29*.
Wie wir gleich sehen werden, macht sich der Widerstand gegen das
Latein in einem weiteren sehr bezeichnenden Umstand bemerkbar. Von
einigen Ausnahmen abgesehen darf behauptet werden, daß sowohl in der
Ulterior wie in der Citerior die früheren Stadtnamen in der Umgangs-
sprache gebräuchlicher blieben als die offiziellen lateinischen. So verwandte
man z. B. den alten Namen Hispalis anstelle des offiziellen Colonia Julia
Romula. Ebenso gab man Barcino den Vorzug vor dem offiziellen Colonia
Iulia Augusta Paterna Faventia. Tarraco behielt weiter seinen Namen
anstelle von Colonia Iulia Urbs Triumphalis. Corduba heißt auf den
Münzen Colonia Patricia; sein ursprünglicher Name wird nicht genannt,
und doch hat sich nur dieser erhalten. Der Name Municipium Augusta
Bilbilis trat im Gebrauch hinter dem einfachen Bilbilis zurück. Dasselbe
geschah in so vielen anderen Fällen, daß es müßig wäre, sie alle aufzuzäh-
len30. Doch gibt es sehr bezeichnende Ausnahmen. Das phönizische Qart-
Hadast verschwand und wurde ersetzt durch seine lateinische Überset-
zung: Carthago Nova (Cartagena). Gadir, ebenfalls phönizisch, assimilierte
sich an die lateinische Pluralform (Gen. Gadium). Aber in diesem Falle
Ma
A. TOVAR, Lucilio y el latín de España, Studi linguistici in onore di Vittore Pisani,
Brescia 1968, 1020.
80
Angesichts der Länge der offiziellen Namen romanisierter Städte (Kolonien, Munizipien,
Städte mit dem ius Latii usw.) ist klar, daß diese für die Umgangssprache vereinfacht
werden mußten und der mehrteilige Name auf eine einzige Bezeichnung reduziert wurde.
Hier zeigt sich, daß die ursprünglichen Namen den neuen und klangvollen römischen
vorgezogen wurden; Municipium Augusta Bilbilis, z. B., hätte einfach zu Augusta wer-
den können, wie etwa Augusta Raurica (Äugst bei Basel), Augusta Praetoria (Aosta)
usw., aber man sagte lieber Bilbilis. Colonia Iulia Romula Hispalis hätte Romula oder
Iulia genannt werden können, aber das frühere Hispalis setzte sich durch. Dasselbe gilt
für Nabrissa, das Veneria und für Ebora, das Liberalitas hätte werden können, für
Olisipo mit Felicitas usw. Statt dessen gerieten die prunkvollen römischen Namen und
Titel (die soviel vornehmer gewirkt hätten) in Vergessenheit und bescheidenere Bezeich-
nungen, von denen die heutigen Namen hergeleitet sind, wurden weiterhin verwandt.
Abb. 1: Sprachen, die um 200 v. Chr. auf der Halbinsel in Gebrauch waren. Das punische
Sprachgebiet, obgleich räumlich sehr ausgedehnt, zerfiel in weit verstreute Sprachinseln.
Punisch bedeutet hier ebenso phönizisch wie karthagisch.
Abb. 2: Alphabete, die auf der Halbinsel in Gebrauch waren. Die Kreuze bezeichnen Fundorte
nichtlateinischer Inschriften in lateinischer Schrift.
dieser Grenzlinie vereinzelt Zeugnisse des in der jeweils anderen Zone üblichen Typs vor-
kommen.
bildungen.
benutzten die Gaditaner weiterhin den punischen Namen, von dem sich
auch das heutige Cádiz ableitet. Cádiz geht also auf die alte phönizische
Form zurück und nicht auf die fremde lateinische. In den neugegründeten
Kolonien (Emérita Augusta, Caesar Augusta, Valentía, Palma, Pollentia
usw.) bestand in Ermangelung eines vorrömischen Namens erwartungs-
gemäß der lateinische fort, und aus diesem haben sich die heutigen Namen
entwickelt (Mérida, Zaragoza, Valencia, Palma, Pollensa usw.). Im kelti-
sierten Teil verschmolzen sogar die Namen wie z. B. Brutobriga, Caesaro-
briga, Iuliobriga, Octaviolca, Augustobriga, Flaviobriga. Dieser letzte
führt uns schon an das Ende des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung,
ein für Kantabrien bezeichnender Umstand. Trotz dieser Einschränkungen
und Ausnahmen läßt sich kaum bezweifeln, daß die Baetica sich sehr
schnell in den lateinischen Sprachraum eingliederte und infolgedessen die
alten Landessprachen in Vergessenheit gerieten. Diese Entwicklung findet
auch in den kulturellen Aktivitäten gehobener Art ihren deutlichen Nieder-
schlag. Aber da wir hier das Problem der Latinisierung Spaniens in seinem
weitesten und allgemeinsten Aspekt verfolgen, halten wir es nicht für
zweckmäßig, bei Einzelfällen zu verweilen. Dennoch muß ganz klar und
deutlich hervorgehoben werden, daß die frühe Teilnahme von Literaten-
gruppen aus Córdoba, Cádiz und anderen nicht immer genau auszumachen-
den Städten der Baetica am Kulturleben Roms ein deutliches Zeichen für
das ganz vom Lateinischen bestimmte kulturelle Klima ist, in dem die
ersten Früchte hispano-lateinischer Bildung gewachsen und gereift sein
müssen. Rufen wir uns noch einmal Namen ins Gedächtnis, wie: die Balbi,
Turranius Gracilis, Moderatus Columella, Porcius Latro, Victor Statorius,
Sextilius Ena, Acilius Lucanus, Aemilius Aelianus, Seneca Rhetor, Iulius
Hyginus, Clodius Turrinus, Cornelius Hispanus und so viele andere, deren
fruchtbarste Schaffensperiode in die Zeit von Cäsar und Augustus fällt und
die der Generation der Martial, Seneca Philosophus, Lucan, Quintiiianus
usw. den Weg bereiteten, deren Glanz bereits im 1. Jahrhundert v. Chr.
voll erstrahlt. Man kann einwenden, daß viele dieser Männer aus beiden
Generationen in Rom selbst ihre großen Werke schufen, aber sie hätten
wohl kaum so großen Erfolg in der Metropole haben können, wenn nicht
ihr Genius bereits im Keim durch das aktive lateinisch geprägte Kultur-
leben in ihrer Heimat angeregt und gefördert worden wäre.
schiedene solcher Gemeinwesen, die uns zum Teil bekannt sind. So das
Forum Limicorum, welches sich zur Stadt der Limici entwickelte, in der
Nähe des heutigen Guinzo de Limia gelegen34; das Forum Gigurrorum oder
Hauptstadt der Gigurri (heute Valdeorras); das Forum Bibalorum (Stadt
der Bibali), im Gebiet des Bubalflusses, welches heute noch bei den Ein-
heimischen Bibalo heißt; das Forum Narbasorum der Narbasi und das
Forum Lemavorum der Lemavi, aus dem dann Monforte de Lemos ent-
standen ist36. Von den Narbasi und ihrem forum wissen wir noch nichts
Genaues. Mit Ausnahme der Narbasi werden bei Plinius alle anderen
Stämme als civitates bezeichnet, als fora jedoch erscheinen sie erst bei
Ptolemaios, d. h. eineinhalb Jahrhunderte später, was darauf hinweist,
daß die Urbanisierung dieser Gegend in einem Prozeß vor sich ging, der
sich über das ganze 1. und den Beginn des 2. Jahrhunderts hinzog. Das
gleiche ließe sich von bestimmten vici sagen. Einer dieser vici, der der
Aunigani, entwickelte sich im Laufe der Zeit zum Vicus Auniganium (heute
Ongayo/Santander). Als weiteres Beispiel könnte man den vicus der Pem-
beler in derselben Gegend anführen, der zum heutigen Pembes geworden
ist38. Hinzuzufügen sind der Vicus Aquarius (bei Toro), der Vicus Spacorum
(Vigo?) und der Vicus Ausetanorum (Vieh)37.
Der dritte und augenfälligste Anstoß zur Romanisierung des Nord-
westens ging am Ende des 1. Jahrhunderts von den Flaviern aus. Besonders
in dieser Epoche dürfte das Latein gegenüber den einheimischen Landes-
sprachen viel an Boden gewonnen haben, dank der Verleihung des ius
Latii an alle diejenigen Hispanier, die noch nicht im Genuß eines anderen,
besseren politischen Status waren. Das Edikt Vespasians, das diese Ver-
günstigungen bewilligte, wurde im Jahre 73/74 erlassen und betraf ganz
besonders die Stämme und Völker im Norden und Nordwesten der Halb-
insel. Damals entwickelte sich, von dieser großzügigen Schenkung geför-
dert, eine ganze Anzahl von Eingeborenenstädten, die zu Ehren ihres Wohl-
täters den flavischen Gentilnamen erhielten. So entstanden Flavionavia,
Flavio Lambris, Bergidum Flavium, Interaminum Flavium, Aquae Flaviae,
Brigantium Flavium, Iria Flavia, Céltico Flavia und eine flavische Kolonie
mit Namen Flaviobriga, an der Stelle gegründet, wo früher Portus Amanum
lag, welches ebenso wie Portus Blendium (Suances) und Portus Victoriae
Iuliobrigensium (Santander) wohl aus Anlaß der Kantabrerkriege geschaffen
wurde und der Flotte als Stützpunkt diente. Die Gründung von Flavio-
briga muß in der Zeit zwischen 69 und 77 n. Chr. erfolgt sein38. Nicht
34 M. MACIAS, Civitas Limicorum, Orense 1904.
35 Über diese fora allgemein F . LOPEZ CUEVILLAS, L a civilización céltica en Galicia, Santiago
de Compostela 1953, 47 ff. F ü r die Bibali darüber hinaus F . LOPEZ CUEVILLAS und
J . TABOADA, Un oppidum de la tribu de los bibalos, A E A 28, 1955, 69 ff.
38 Vgl. zu diesen letzteren meinen Artikel, verfaßt in Zusammenarbeit mit J . G. ECHEGARAY,
Tres piezas del museo arqueológico provincial de Santander, A E A 22, 1949, 244ff.;
n e u e r d i n g s a u c h M. VIGIL u n d A . BARBERO, B R A H 154, 1963, 2 2 6 f f . ; DERS., ebd. 156,
1965, 283 ff.
37 Itin. Anton. 439, 9 ; 4 2 4 , 1 bzw. Ptol. II 6, 69.
38 Vgl. meinen Aufsatz 'Colonias romanas de Hispania', A H D E 29, 1959, 505ff.
31 Röm. Welt 1,1
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482 ANTONIO GARCIA Y B E L L I D O
39 Strabon nennt lediglich die Coniaci und die Plentuisi, wir wissen aber heute, daß sehr
viel mehr Völker solche auxilia stellten, wie wir im folgenden sehen werden.
40 Zu Aufständen in Asturien in neronischer Zeit vgl. CIL X I 395, wo der primipilus
M. Vettius Valens ob res prospere gestas contra astures ausgezeichnet wurde.
41 Eine Übersicht über das Problem gab ich in meinem Aufsatz 'Alas y cohortes españolas
en el ejército imperial romano'. Revista de Historia Militar 1, 1957, 23ff. und in "El
exercitus hispanicus desde Augusto a Vespasiano', A E A 34, 1961, 114 ff.
42 Die Aurini, Campagones und Veniaeses sind uns aus Inschriften als Hispanier bekannt.
Die Aurini dürften aus der Gegend von Orense kommen (dessen Name von einem
Aurensis abzuleiten ist, welches wir sonst nicht kennen). Wie die Campagones geogra-
phisch einzuordnen sind, wissen wir nicht. Die Veniaeses dagegen waren wohl Nachbarn
der Cañetes in den heutigen Baskenprovinzen. Man weiß von einer cohors Carietum et
Veniaesum (CIL V 4373).
diesem Stein erwähnt sind. Der Verband, der an den Dakerkriegen Trajans
teilnahm, ist neu und ersetzt zweifellos die alten auxilia, welche in Spanien
bereits seit dem Edikt des Vespasian theoretisch nicht mehr bestanden.
Dies bedeutet, daß er trotz der allgemeinen Gültigkeit des Ediktes aus
peregrini aufgestellt war47.
Weitere Belege für diese These sind die verhältnismäßig zahlreichen
Texte in einheimischer Sprache, die uns der Zufall in die Hände gespielt
hat. Sie sind zum Teil bereits aus der Kaiserzeit, zum anderen noch aus
der Republik, wie vielleicht die Bronze von Luzaga (Guadalajara), deren
keltischer Text in iberischer Schrift geschrieben ist48. Die übrigen allerdings
sind in lateinischem Alphabet geschrieben, wenn auch in keltischer Sprache.
So z. B. die Inschriften von Arroyo del Puerco oder Malpartida (Cáceres)49,
von Lamas de Moledo bei Vizeu (nördlich von Coimbra)60, Peñalba de
Villastar (Teruel)61 und Cabero das Fráguas bei Guarda62.
Dasselbe ergibt sich aus der Fülle von einheimischen peregrinen
Namen, die in der Namengebung dieses großen Gebietes bis weit in den
Prinzipat hinein erscheinen und aus der Stammeseinteilung in centuriae
und gentilitates. Ein nicht minder gewichtiger Beweis ist der hartnäckige
Widerstand gegen die römische Götterwelt. Die einheimischen Gottheiten
lebten ohne Namensänderung neben den römischen weiter, und mit Aus-
nahme der blutigen und unmenschlichen, deren Ausübung die neuen Herren
natürlich strikt untersagten, erfuhren auch die einheimischen Riten keine
Veränderung. Noch im Jahre 399, also kurz vor der germanischen Invasion,
finden wir in Kantabrien eine Weihinschrift, die dem Erudianus, einer
lokalen Gottheit, gewidmet ist63. Während im Süden und Osten allein Neto
als Name eines einheimischen Gottes erhalten ist64, kennen wir im nicht-
iberischen Gebiet nördlich des Guadiana deren etwa 400, und es vergeht
47
Die Auxilien, welche damals aus Völkerschaften rekrutiert wurden, die schon eine Art
römisches Bürgerrecht besaßen, trugen das Epitheton civium Romanorum. Zum 'Stein
von Ujo' vgl. F. D I E G O SANTOS, Epigrafía romana de Asturias, Oviedo 1959, 74ff.
48
E . HÜBNER, M L I Nr. X X X V ; M . GÓMEZ MORENO, M i s c e l á n e a s I 3 2 6 f f . ; A . TOVAR, El
bronce de Luzaga y las téseras de hospitalidad latinas y celtibéricas. Emérita 16, 1948,
76ff. = Estudios sobre las primitivas lenguas hispánicas, Buenos Aires 1949, 168ff.
49
E . H Ü B N E R , M L I N r . X L V I ; C I L I I 7 3 8 ; M . GÓMEZ MORENO M i s c e l á n e a s I 2 0 4 .
50
E. HÜBNER, MLI Nr. LVII; CIL II 416; H. BALMORI, La inscripción bilingüe de L. de
M., Emérita 3, 1936, 77ff.; M. GÓMEZ MORENO, Misceláneas I 206.
51
M. L E J E U N E , Celtibérica, Salamanca 1955, 7ff.; M. GÓMEZ MORENO, Misceláneas I 326ff.;
A. TOVAR, La inscripción celtibérica de Peñalba de Villastar y la lengua celtibérica,
Emérita 28, 1959, 349 ff.
52
Vgl. auch A. TOVAR (Aufsatz zitiert in Anmerkung 3 ) .
64
Vgl. A. GARCIA Y BELLIDO und J. G . ECHEGARAY, Tres piezas del museo arqueológico
provincial de Santander, AEA 22, 1949, 244ff.; J. M. BLAZQUEZ, Religiones primitivas
de Hispania I, Fuentes literarias y epigráficas, Madrid 1962, 211 ff., und die Beiträge
von V I G I L und BARBERO (zitiert in Anm. 36).
84
Macrobius I, 19, 5. Danach wurde er vor allem in Acci (Guadix) verehrt. Aber sein Name
erscheint nur auf lusitanischen Inschriften (CIL II 5278, aus Trujillo und 365 aus Con-
deixa a Velha), weshalb es sich vielleicht um eine andere Gottheit aus dem nordwest-
lichen Teil der Halbinsel handelt.
kein Jahr, ohne daß wir nicht aus neuen epigraphischen Funden weitere
kennenlernen. Wir wissen nicht, ob der Kult dieser Götter in einheimischer
Sprache (als ritueller- und Sakralsprache) vollzogen wurde, was zumindest
in der ersten Zeit wahrscheinlich ist. Gesichert ist jedoch, daß die ihnen
gewidmeten Inschriften alle in lateinischer Sprache verfaßt sind und zu
mehreren Hunderten zählen.
Die Latinisierung der Küstenzone und des Ebrotales in der Citerior
begann schon früh und muß, ähnlich wie in der Ulterior, rasche Fortschritte
gemacht haben. Tarraco war schon bald eine ganz und gar romanisierte
Stadt ebenso wie Barcino, Valentia und vor allem Carthago Nova, dessen
Epigraphik die meisten Inschriften aus republikanischer oder allgemein
aus vorchristlicher Zeit aufweist. In Valentia entstand eine der ersten
römischen Kolonien in Hispanien (138 v. Chr.). Tarraco erhielt durch Cäsar
den Titel einer colonia und in Emporiae verteilte er nach der Schlacht bei
Munda (45 v. Chr.) Land an Veteranen seines Heeres. Darauf folgte bald das
Ebrotal, auf das Strabo (III 2,15) sich bezieht, wenn er die Keltiberer,
deren Grausamkeit früher berüchtigt war, als Toyäroi bezeichnet. Der
Schriftsteller hebt diesen raschen Wechsel vor allem im Gedanken an
Numantia besonders hervor. Schon zur Zeit des 2. Triumvirats nach Cäsars
Tod wurden Celsa und wenig später Caesar Augusta als römische Kolonien
gegründet. Auch die Stämme des Segretais, die schon seit den Tagen des
Sertorius stark romanisiert waren, nahmen rasch die lateinische Sprache
an65. Zu den Angehörigen der turma Sattuitana (Bronze von Ascoli) aus
dem Jahre 90 v. Chr. gehören drei Männer aus Herda mit lateinischem
Namen: C. Otacilius, Cn. Cornelius und P. Fabius. Diese drei Männer haben
keine cognomina, lassen aber ihre Abstammung von peregrinen Vätern
erkennen. Es ist nicht leicht zu erklären, wie und warum diese drei
Romanisierten des Auxiliarverbandes zusammen mit den anderen — erwar-
tungsgemäß peregrinen — Reitern in diese Turme gekommen sind. Ver-
mutlich besaßen sie trotz ihrer lateinischen Namen noch nicht die volle
römische Civität. Auf jeden Fall wurde den 30 Angehörigen dieser Schwa-
dron später das römische Bürgerrecht verliehen, ihrer Tapferkeit auf dem
Schlachtfeld wegen: virtutis causa, wie das Dekret besagt.
Das iberische Alphabet, das einzige bei der Ankunft der Römer auf
der Halbinsel in Gebrauch befindliche (von den fremdländischen abgesehen),
geriet sehr schnell in Vergessenheit, wahrscheinlich noch früher als die
M
Die relativ breite Streuung des Namens Sertorius in Spanien (CIL II 16, 264, 477, 478,
3744, 3762, 3768, 4970) ist ein Indiz dafür, daß der römische 'Caudillo* vielen Eingebo-
renen das Bürgerrecht verlieh.
5' Zur zeitlichen Einordnung dieser Keramik vgl. meine Studie 'Problemas de arte y crono-
logía ibéricos', AEA 16, 1943, 89 ff.
" E . HÜBNER, M L I N r . X X X I a ; M. GÓMEZ MORENO, Misceláneas I 2 9 9 , N r . 4 6 .
58 Zur Datierung dieser Amphoren vgl. N. LAMBOGLIA, La nave romana de Albenga, Storia
e vicenda della scoperta, Riv. Studi Liguri 18, 1952, 185ff.
M M. GÓMEZ MORENO, Misceláneas I 2 9 6 , N r . 3 2 .
a0 Vgl. meinen Aufsatz 'Marca de terra sigillata en carácteres ibéricos: Protemus en Azaila',
AEA 33, 1960, 159, 164 ff.
als habe Rom systematisch Druck ausgeübt, wenn auch auf mehr oder
weniger offene Weise manche Auflage durchgesetzt wurde. Zunächst ließ
Rom die Eingeborenenstädte ihre Münzen mit den herkömmlichen iberi-
schen Legenden weiterprägen. Später werden die Legenden zweisprachig,
ein klares Indiz für das Vordringen Roms, des Lateinischen und seines
Alphabets auf Kosten der einheimischen Sprache und Schrift, bis beide
schließlich ganz verschwinden und durch das Latein und seine Schreibform
ersetzt werden. Dieser Schritt wurde unter Cäsar und Augustus vollzogen,
die mit ihrer Politik die an sich schon rasche Romanisierung Spaniens
noch weiter zu beschleunigen trachteten. Tatsache ist, daß seit dieser Zeit
die iberischen Schriftzeichen nach und nach von den Münzemissionen
verschwinden61. War dies wirklich die Folge von Pressionen oder handelt
es sich nicht vielmehr um eine natürliche, durch die neue Situation bedingte
Entwicklung? Ich neige eher zu dieser zweiten Annahme. Dafür spricht
auch, daß Gades, ein cäsarisches Munizipium und bereits in augusteischer
Zeit vollständig romanisiert, sich erlauben konnte, einige Emissionen gerin-
gen Wertes mit dem Stadtnamen in neupunischer und daneben den Namen
der Balbi, des Augustus, Agrippas, C. Cäsars und Tiberius' in lateinischer
Schrift zu prägen62. Dasselbe kann man in den anderen ehemals punischen
Kolonien feststellen. So prägten Abdera (Adra), Ebusus (Ibiza), Sexi
(Almuñecar) und Malaca (Málaga) noch zur Zeit des Tiberius Münzen mit
punischer Legende63. Hinsichtlich der libyphönizischen Städte Asido, Oba,
Bailo, Vesci, Lascuta, Arsa, Iptuci und Turrirricina läßt sich feststellen,
daß ihre Prägungen mit einheimischer Legende — woher die hier gebrauchte
Schrift auch kommen mag — chronologisch zwar nicht exakt einzuordnen
sind, aber sicher aus republikanischer Zeit stammen und in einzelnen Fällen
in die Zeit des Augustus reichen64. Von Obulco, Abra und einigen anderen
Städten ließe sich das gleiche sagen. Obulco verwendet sein besonderes
Alphabet, gibt aber die Namen der Magistrate in lateinischer Schrift, um
schließlich nur noch lateinische Legenden zu prägen66. Von Salacia wissen
wir nicht sicher, wann die Münzen mit eigenem nichtlateinischem Alphabet
geprägt wurden, aber sie scheinen aus der gleichen Zeit zu stammen wie
die vorher genannten66. Man kann also nicht behaupten, daß ein umfas-
sender Druck ausgeübt worden sei, sondern daß vielmehr die genannten
Städte jedenfalls bis Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. ihre eigenen nicht-
lateinischen (libyphönizischen) Alphabete verwandten. Dies bedeutet, daß
zu dieser Zeit auch noch die früheren Sprachen gesprochen wurden.
81
A. BELTRAN, Numisma 2, 1962, 19 ff., datiert diesen Wechsel in die Zeit nach Munda
(45 v. Chr.).
42
A. V I V E S Y ESCUDERO, La moneda hispánica I I I , Madrid 1924, 9 ff.; s. auch M. GRANT,
From Imperium to Auctoritas, Cambridge 1946, 173.
«3 Vives III 7ff.
44
Vives III 41 ff. Vgl. Anm. 2.
« Vives III 54 ff.
« Vives III 20 ff.
wie der Zunge, die immer noch glauben, daß ihre Götter den Tod nicht
kennen, hast du dich in besonderer Weise befaßt, denn in süßer Rede und
mit jedem in seiner eigenen Sprache sprechend flößtest du ihnen die
Erkenntnis unseres Gottes ein, und in der Sprache der Barbaren legtest du
ihnen die hebräische Lehre aus, du, die du mit dem Apostel sagen kannst:
sehet, wie ich in eurer Sprache zu euch rede"68.
Die Nachricht ist von höchstem Interesse für unsere Untersuchung,
aber leider bestehen Zweifel hinsichtlich der Identität des Autors und des
Ortes, an dem jene Dame ihre Werke der Nächstenliebe vollbrachte. Wenn
wir die Stelle zur Behandlung unseres Themas heranziehen, so darum, weil
von den vielen Vorschlägen zur Autorschaft nur zwei als möglich in
Betracht kommen: St. Pacianus, Bischof von Barcino, und der Presbyter
Eutrop, Bischof von Valentía. Die moderne Forschung neigt stark dem
letzteren, Eutrop, zu69. Wenn sich diese Ansicht als richtig erweist, wofür
viel spricht, so würde der Text in das 6. Jahrhundert gehören. Wäre
hingegen St. Pacianus der Autor, müßten wir die Stelle ins 4. Jahrhundert
datieren. In beiden Fällen gehen wir kaum fehl in der Annahme, daß die
wegen ihrer Tugenden (und wegen ihrer Zweisprachigkeit) gelobte Dame
auf der iberischen Halbinsel in einem Ort der Diözesen Barcino oder
Valentía gelebt und gewirkt hat, oder allgemein im Osten der Halbinsel,
vielleicht auch im Landesinneren, denn die Küste war schon seit Jahr-
hunderten stark romanisiert, und es ist kaum denkbar, daß dort noch im
6. Jahrhundert unvollständig latinisierte Gruppen von Eingeborenen gelebt
hätten. Aber wir wissen zu wenig über solche Grenzfälle und können ohne
genauere Angaben auch diese letzte Möglichkeit nicht ausschließen. Die
alten Landessprachen der Halbinsel dürften in manchen Dörfern und
Landgemeinden bis weit in die Anfänge des Mittelalters hinein fortgelebt
haben70. Gerade der Umstand, daß sie die Umgangssprache unzivilisierter
und ungebildeter Volksgruppen waren, erklärt, warum wir keine greifbaren
Beweise für ihr Fortleben besitzen. So haben wir vom Baskischen erst seit
dem 16. Jahrhundert schriftliche Zeugnisse. Die elfhundert Jahre des
Mittelalters gingen vorüber, ohne daß schriftliche Belege für die Existenz
•8 . . . ethnicis uero et istis barbaris uestris nonminus mente quam lingua, qui mortem putant
idola non uidere, illa peculiariter exhibebas: sermone blando, et suo unicuique, dei nostri
insinuare notitiam, et lingua barbara hebraioam adserere doctrinam, dictura cum apostolo:
Bene quod omnium uestrum lingua loquor (I Cor. 14, 18), Lib. de similit. carnis peccati,
M I G N B PL Suppl. 1, 66 (Ed. HAMMAH), Paris 1969. Der Text wurde 1913 von G . MORIN
in: Études, textes, découvertes Maredsous, 107—160 ( = Anécdota Maredsolana, 2. Ser.,
Maredsous-Paris 1931, 81 ff.), ediert.
•• Hierzu s. J. MADOZ, Herencia literaria del presbítero Eutropio, Estudios eclesiásticos 16,
1942, 27ff., bes. das Kapitel 'De similitudine', 39ff.
70
In Gallien gibt es das gleiche Phänomen. Nach den Quellen wurde dort noch bis zum
Ende des 3. Jh. die ursprüngliche Sprache gesprochen. Für die Zeit der Severer besitzen
wir als literarische Quellen St. Irenaeus (Adv. haer. 1, pr. 3), Cassius Dio (LXXXIV
2, 6), sowie die Historia Augusta (SHA, Alex. Sev. 40, 6), für die Zeit Aurelians und
Diokletians ebenfalls die SHA (Aurelianus 44, 6; Num. 14, 2). Daß es sich in den meisten
Fällen um die Sprache der Druiden handelt, welche vor allem im sakralen Bereich
Verwendung fand, mindert ihren Quellenwert nicht
dieser Sprache entstanden, und trotzdem ist sie noch lebendig, dazu in
einer der fortschrittlichsten Gegenden Spaniens.
Der letzte und entscheidende Schlag gegen die alten Sprachen der
Halbinsel, der Schlag, der ihnen endgültig den Untergang bereitete, war
die Ausbreitung des Christentums, dessen eifernde Missionare in ihrem
Bekehrungsdrang selbst die Orte aufzufinden wußten und dort eindrangen,
wohin weder Waffen noch Bildung, weder Handel noch Verwaltung jemals
erfolgreich vorgestoßen waren. Der Text des Eutrop gibt dafür einen klaren
Beweis. Diese 'Barbaren' waren noch Heiden und glaubten an ihre Götter,
an die sie sich noch mitten im 6. Jahrhundert in ihrer alten Sprache
wandten. Erst als sie zum Christentum bekehrt waren, nahmen sie schließ-
lich die lateinische Sprache an.
In ihre letzte, abschließende Phase trat die hier behandelte Entwick-
lung mit der Herrschaft der Westgoten, deren Rolle bei der endgültigen
Latinisierung jedoch bislang nicht hinreichend untersucht worden ist. Wir
haben dies schon anhand der Eutrop zugeschriebenen Textstelle sehen
können, die wir vorhin zu Rate gezogen haben. Aber die Antwort auf die
Frage, wann genau die Sprachen der Lusitaner, Callaecer, Asturer, Kanta-
brer und der übrigen Völker des Nordens und Nordwestens untergegangen
sind, muß vorerst mit einem großen Fragezeichen versehen bleiben.
1
Mit Ausnahme vielleicht der umstrittenen Gründung einer römischen Schule für einhei-
mische Fürstensöhne durch Sertorius. Allerdings blieb dieses Bemühen Episode.
ABBOTT, F. F., The Colonizing Policy oí the Romans from 123 to 31 B. C., CPh 10, 1915,
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• Die Abkürzungen richten sich nach dem in der Année Philologique angewandten System ;
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® Der Zeitpunkt des Erscheinens dieses Aufsatzes ist noch unbestimmt. Wegen der beson-
deren Bedeutung der Arbeit, vor allem in methodischer Hinsicht, und wegen der ausführ-
lichen Bibliographie sei schon hier darauf verwiesen. Den beiden Verfassern sei für die
Überlassung des Manuskriptes herzlich gedankt 1
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