Sie sind auf Seite 1von 21

1.

BACHELORARBEIT

Titel der Bachelorarbeit


Elementare Verfahren der Numerischen Integration
Verfasser

Mag. Stefan Jedletzberger

angestrebter akademischer Grad


Bachelor of Education (BEd.)

Wien, im Jänner 2021

Studienkennzahl lt. Studienblatt: UA 054 420


Studienrichtung lt. Studienblatt: Erweiterungsstudium Bachelor Lehramt UF Mathematik
Betreuer: Univ.-Prof. Mag. Dr. Hans Humenberger
Abriss
Hat eine Funktion keine geschlossene Stammfunktion, so muss man zur Berech-
nung bestimmter Integrale numerische Integrationsverfahren anwenden. Recht
elementare und anschauliche Verfahren sind die Rechteckformeln, die Mittel-
punktformel, die Trapezformel und die Simpsonformeln. Neben der Herleitung
dieser Formeln wird auf Fehlerabschätzungen eingegangen und es werden einige
Beispiele vorgerechnet, um die Verfahren und ihre Eigenschaften zu illustrieren.

Abstract
If a function’s antiderivative cannot be expressed in terms of elementary functions
in order to compute definite integrals methods of numerical integration are
necessary. The rectangle, midpoint, trapezoidal and Simpson’s rules are rather
elementary and easily understandable methods. Apart from explaining these
formulas in this thesis error bounds will be introduced and some concrete
examples will be given in order to illustrate these methods and their performance.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1

2 Die Rechteckformeln 2

3 Die Mittelpunkt- und Trapezformeln 3


3.1 (Summierte) Mittelpunktformel (Tangententrapezformel) . . . . 3
3.2 Trapezformel (genauer: Sehnentrapezformel) . . . . . . . . . . . . 3
3.3 Vergleich von Mittelpunktformel und Trapezformel . . . . . . . . 5
3.3.1 Algorithmische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4 Die Simpsonformel 7
4.1 Die Simpsonformel ist exakt auch für kubische Polynome . . . . 9
4.2 Flächeninhalt des Parabelsegements – Beweis nach Archimedes . 9

5 Fehlerschranken 12
5.1 Fehlerschranken für die Rechteckfomeln . . . . . . . . . . . . . . 12
5.2 Fehlerschranken für Mittelpunktformel . . . . . . . . . . . . . . . 13
5.3 Fehlerschranken für Trapezformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
5.4 Fehlerschranken für Simpsonformel . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

6 Ein Berechnungsbeispiel 17

2
1 Einführung
Integralberechnungen sind in vielen Kontexten notwendig, z.B. bei der Berech-
nung von Oberflächen, Volumina und Wahrscheinlichkeiten. [6].
Der 2. Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung liefert dafür in vielen
Fällen eine einfache Methode. Doch nicht immer ist eine Funktion f elementar
integrierbar, d.h. es ist nicht möglich eine Stammfunktion F in geschlossener
Weise anzuschreiben.
Auch ist insbesondere in technischen Antwendungen die zu integrierende
Funktion oft nur an endlich vielen Messstellen bekannt. [8]
Hier können Verfahren der Numerischen Integration Abhilfe verschaffen.
In dieser Arbeit kann ich nur einen kleinen Ausschnitt aus dem sehr großen
Gebiet der Numerischen Integration darstellen - auf das Newton-Cotes-Verfahren
im Allgemeinen, das Romberg-Extrapolationsverfahren und das Gaußverfahren
einzugehen, würde den Rahmen einer Bachelorarbeit sprengen. Es sind zwar
diese Algorithmen, die in der Praxis in Softwaresystemen verwendet werden
[6, S. 307], aber die Beschäftigung mit elementaren Verfahren der numerischen
Integration ist dennoch lehrreich und eine gute Vorbereitung, um komplizier-
tere Verfahren zu verstehen. In manchen technischen Anwendungen (z.B. in
pharmokologischen Softwaresystemen zur Berechnung der im Blut verfügbaren
Menge eines verarbreichten Medikament) werden aber auch die hier behandelten
elementaren Verfahren verwendet [1]
Für die Schule birgt das numerische Integral die Chance, das bestimmte Integral
für die Schülerinnen und Schüler etwas be-greif-barer und konkreter zu machen.
Es gibt zumindest anekdotische Evidenz, dass viele Schüler dieses einfach als
Differenz der Werte der Stammfunktion, ausgewertet an den Integrationsin-
tervallenden, verstehen - und nicht als (in Bezug auf die x-Achse orientierten)
Flächeninhalt und (Grenzwert einer) Summe von Produkten.
In dieser Arbeit beschränken wir uns auf stetige Funktionen. Zur Notation:
Die im Folgenden besprochenen Formeln dienen der näherungsweisen Berechnung
Rb
des Intergrals a f (x) dx = A.
Die grundlegende Idee hinter allen hier vorgestellten Verfahren ist folgende:
Das Intervall [a; b] teilen wir in n gleich lange Teilintervalle der Länge h = n .
b−a

In den jeweiligen Intervallen nähern wir f durch einfache Funktionen (nämlich


konstante, lineare, quadratische) an - diese können wir exakt berechnen und
damit eine Näherung für das Integral der ursprünglichen Funktion erhalten. [5,
S. 311]

1
2 Die Rechteckformeln
Wir ersetzen die Funktion f in jedem Teilintervall durch eine konstante Funktion.
Rechteckformel-Links: Wir nehmen den Wert der Funktion am linken
Intervallende als Näherung für die Funktion im ganzen Intervall. Es entsteht eine
Treppenfunktion. Als Näherungswert für den gesuchen Flächeninhalt ergibt sich:
RLn (f ) := f (x0 ) · h + f (x1 ) · h + · · · + f (xn−1 ) · h bzw.

n−1
X
RLn (f ) := h · [f (x0 ) + f (x1 ) + · · · + f (xn−1 )] = h · f (xi )
i=0

Abbildung 1: Rechteckformel-Links

Rechteckformel-Rechts: Wir nehmen den Wert der Funktion am rechten


Intervallende als Näherung für die Funktion im ganzen Intervall. Damit erhalten
wir: RRn (f ) := f (x1 ) · h + f (x2 ) · h + · · · + f (xn ) · h bzw.

n
X
RRn (f ) := h · [f (x1 ) + f (x2 ) + · · · + f (xn )] = h · f (xi )
i=1

Betrachten wir qualitativ den Fehler: In Abbildung 1 sehen wir, dass die
RL-Formel im ersten und vierten Intervall einen zu großen Wert, im zweiten und
dritten einen zu kleinen Wert liefert, bei der RR-Formel ist es genau umgekehrt.
Allgemein: In einem monoton steigenden Abschnitt liefert die RL-Formel einen
systematisch zu kleinen Wert, die RR-Formel einen systematisch zu großen Wert.

2
Abbildung 2: Rechteckformel-Rechts

3 Die Mittelpunkt- und Trapezformeln


3.1 (Summierte) Mittelpunktformel (Tangententrapezfor-
mel)
Wir approximieren f in den Teilintervallen wieder durch eine konstante Funktion,
und zwar jeweils durch den Funktionswert in der Mitte des Intervalls, also im
i-ten Intervall durch den Wert an der Stelle mi = xi − h2 , vgl. Abbildung 3.
Damit ergibt sich die Mittelpunktformel:

M In (f ) : = h · [f (m1 ) + f (m2 ) + · · · + f (mn )]


n n
X b−a X
=h· f (mi ) = · f (mi )
i=1
n i=1

Da das Integral hier auch eine Summe von Rechteckflächeninhalten ist, wird
diese Formel manchmal - etwas unglücklich - auch als Rechteckformel bezeichnet,
vgl. z.B. [9]

3.2 Trapezformel (genauer: Sehnentrapezformel)


Wir ersetzen die Funktion im i-ten Intervall durch die Sehne durch die Punkte
(xi−1 |f (xi−1 )) und (xi |f (xi )). Die Funktion f wird also durch einen Polygonzug
approximiert und die Flächeninhalte unter der Funktion durch an der Basis
rechtwinkelige trapezförmige Streifen. [5]
Mit der Flächeninhaltsformel für Trapeze ergibt sich:

3
Abbildung 3: Mittelpunktformel

f (x0 ) + f (x1 ) f (x1 ) + f (x2 ) f (xn−1 ) + f (xn )


T Rn (f ) : = ·h+ · h + ··· + ·h
2 2 2
h
= · [f (x0 ) + 2 · (f (x1 ) + · · · + f (xn−1 )) + f (xn )]
2

n−1
!
h X
T Rn (f ) := · f (a) + f (b) + 2 · f (xi )
2 i=1

Abbildung 4: Trapezformel

4
In Abbildung 4 sehen wir, dass bei unserer Beispielfunktion in den ersten
beiden Intervallen die das bestimmte Integral approximierenden Trapeze zu groß
sind, in den beiden folgenden Intervallen sind die Trapeze zu klein. Allgemein: Ist
die Funktion linksgekrümmt / positiv gekrümmt, dann ergibt sich ein positiver
Fehler, bei Rechtskrümmung, ergibt sich ein zu kleiner Wert – der Fehler ist
negativ. Wenn die Funktion nicht einheitlich gekrümmt ist, können sich die
Fehler kompensieren. [5, S. 315]

3.3 Vergleich von Mittelpunktformel und Trapezformel


In der fachdidaktischen Literatur fand ich das vorschnelle Urteil, dass die Tra-
pezformel besser sei als die Mittelpunktformel, da "Trapeze die Fläche unter
einem Graphen besser annähern als Rechtecke" [7, S. 3]. Dies ist ein Irrtum –
denn der Ansatz der Mittelpunktformel lässt sich auch als Approximation durch
Trapeze interpretieren. Der Trapezschenkel liegt hier auf der Tangente durch
den Intervallmittelpunkt, vgl. Abbildung 5 . Dass beide Darstellungen den glei-
chen Flächeninhalt ergeben, folgt aus der Kongruenz der blass-rosa unterlegten
Dreiecke in der Abbildung.
Außerdem erkennen wir Folgendes: Bei positiver Krümmung im Intervall ist das
entsprechende Tangententrapez kleiner als die tatsächliche Fläche unter dem
Graphen, bei negativer Krümmung ist es größer – genau andresrum als bei der
TR-Formel.
Die Mittelpunktsformel wird daher manchmal auch als Tangenten-Trapezformel
bezeichnet. Die Approximation durch Tangententrapeze wird sich sogar als i.A.
besser als jene durch Sekantentrapeze herausstellen – so wie ja die Tangente
auch eine „bessere “ lokale Approximation für eine Funktion als die Sekante
darstellt.

3.3.1 Algorithmische Überlegungen

Die Mittelpunktformel ist i.A. genauer – vom Rechenaufwand her hat die Trapez-
formel aber einen algorithmischen Vorteil. Nämlich dann, wenn man „iterativ“
vorgeht, also schrittweise die Intervallabstände halbiert, bis eine bestimmte
erwünschte Genauigkeit erreicht ist.
Die Funktionswerte, die für T Rn genutzt wurden, kann man dann auch
bei T R2n verwenden. Die n + 1 alten Stützstellen hat man schon ausgewertet,
man braucht nur mehr die Funktionswerte in der Mitte der alten Intervalle
auszurechnen, siehe Abbildung 6. Diese Funktionswerte „stecken“ zudem schon
in der Mittelpunktsformel für n.

1
T R2n = (T Rn + M In ) (3.1)
2

5
Abbildung 5: Tangententrapeze

Abbildung 6: Stützstellen bei Trapezformel beim Übergang von n → 2n

Die Beziehung (3.1) erlaubt die Verbesserung der Trapezapproximationen


durch sukzessive Halbierung der Schrittlänge in der Weise, dass zur bereits
berechneten Näherung T Rn noch M In berechnet wird. Bei jeder Halbierung der
Intervalle wird der Rechenaufwand, gemessen an der Anzahl der Funktionsauswer-
tungen, in etwa verdoppelt, doch werden die schon berechneten Funktionswerte
auf ökonomische Weise wieder verwendet.
Die Halbierung der Schrittweite kann beispielsweise dann abgebrochen wer-
den, wenn sich T Rn und M In um weniger als eine gegebene Toleranz ε > 0
unterscheiden. Dann ist der Fehler |T R2n − A| im Allgemeinen höchstens gleich
ε. [6, S. 311], [5, S. 320]

6
4 Die Simpsonformel
Die Simpsonformel gehört zur Klasse der Newton-Cotes-Formeln, in der die
Funktion f durch Langrange-Polynome interpoliert werden. Im Falle der Simp-
sonformel sind das Polynome zweiten Grades, also Parabeln. Da Parabeln „fle-
xibler“ als Geradenstücke sind, erwarten wir uns genauere Ergebnisse als bei den
vorigen Verfahren.

Abbildung 7: Intervall mit approximierender Parabel

In [5] wird ein von Lagrange-Polynomen unabhängiger und somit weniger


aufwändiger Weg gewählt, diese Approximation durch Parabeln zu erklären, auf
den wir uns im Folgenden stützen.
Wir nutzen einen geometrischen Sachverhalt, den schon Archimedes bewiesen
hat (der Beweis folgt etwas später). Sei p eine Parabel, die wir im Intervall [a; b]
mit Mittelpunkt m betrachten (vgl. Abbildung 8). Dann gilt:

(i). Die Tangente A0 B 0 durch P ist parallel zu AB.

(ii). Der Fächeninhalt des Parabelsegments AP B macht 2/3 der Fläche des
Parallelogramms AA0 B 0 B aus.

Dies liefert eine einfache Formel für die Fläche unter der approximierenden
Parabel: Wir addieren die Fläche unter A0 B 0 und ein Drittel der Fläche des
Parallelogramms AA0 B 0 B – und nutzen hierbei die uns bekannten Sehnen- und
Tangententrapeze.
Bei einem Intervall, n = 1, vgl. Abbildung 7, ergibt sich

7
Abbildung 8: Parabelsegment

Z b Z b
f (x)dx ≈ SI1 (f ) = p1 (x)dx =
a a
1 2 1
= M I(f ) + [T R(f ) − M I(f )] = M I(f ) + T R(f )
3 3 3

Nähert man die Funktion in n Intervallen durch n Parabeln an, so gilt diese
Beziehung in jedem Intervall und somit auch in Summe:

2 1
SIn (f ) := M In (f ) + T Rn (f )
3 3

Die Simpsonformel ist also das im Verhältnis 2:1 gewichtete Mittel aus
Mittelpunkt- und Trapezformel.
Explizite Formel: Wenn wir in obige Formel einsetzen, bekommen wir
eine Rechenvorschrift für die Berechnung von SIn (f ), ohne vorher M In (f ) und
T Rn (f ) zu berechnen.

n
" n−1
#
2 b−a X 1 b−a X
SIn (f ) := · · f (mi ) + · · f (a) + f (b) + 2 · f (xi )
3 n i=1
3 2n i=1

" n−1 n
#
b−a X X
SIn (f ) := · f (a) + f (b) + 2 · f (xi ) + 4 · f (mi )
6n i=1 i=1

8
In der Literatur werden die Stützstellen oft auch samt und sonders als xi
mit von 0 bis n laufendem Index i bezeichnet, womit sich folgende Formel ergibt
(man beachte, dass n in dieser Formel dem doppelten Wert des n in der obigen
Formel entspricht):

b−a
SI = [f (x0 ) + 4f (x1 ) + 2f (x2 ) + · · · + 2f (xn−2 ) + 4f (xn−1 ) + f (xn )]
3n

4.1 Die Simpsonformel ist exakt auch für kubische Poly-


nome
Die Simpsonsformel zur Berechnung des bestimmten Integrals liefert sogar für
Polynome 3. Grades exakte Werte. (Allgmein liefern die Newton-Cotes-Formeln
vom Grad n für Polynome vom Grad 2n − 1 exakte Ergebnisse) Wir können also
Polynome 2. Grades nutzen um das Integral von Polynomen 3. Grades exakt zu
berechnen! Auf den sehr lehrreichen Beweis verzichten wir aus Platzgründen [5,
S. 327–329].

4.2 Flächeninhalt des Parabelsegements – Beweis nach Ar-


chimedes
Der Beweis des oben verwendeten Sachverhalts ist mit Hilfsmitteln der Analysis
kein Problem. Hier präsentieren wir Archimedes’ Beweis mit geometrischen
Mitteln und orientieren uns dabei an den Darstellungen von [3] und vor allem
[2].
Archimedes ging von folgenden zu seiner Zeit bereits als bewiesen geltenden
Zusammenhängen aus (vlg. Abbildung 9):

• Wir betrachten eine Parabel im kartesischen rs-Koordinatensystem mit


der Gleichung: s = c · r2 ) (Die s-Achse, die auch die Achse der Parabel ist,
ist schwach grau eingezeichnet). Die Parallele zur Achse der Parabel durch
den Mittelpunkt M der Basis AB trifft die Parabel in P . Die Tangente
durch P ist parallel zur Basis AB.

• Jede Sehne QQ0 , die parallel zu AB ist, wird durch P M halbiert.

• In der Notation von Abbildung 9 gilt

|P N | |N Q|2
= (4.1)
|P M | |M B|2

Das heißt soviel, dass die Parabel in dem nicht-rechtwinkeligen xy-Koordinatensystem


der Gleichung x = ky 2 mit einem von A , B und c abhängigen k genügt.

9
Abbildung 9: Beliebiges Parabelsegment

Auf den Beweis dieser Zusammenhänge verzichten wir hier, beweisen aber
folgendes

Theorem 4.1. In der Notation von Abbildung 10 gilt für die Flächeninhalte des
Parabelsegments P AB und des Parallelogramms AA0 B 0 B:

A(P AB) 2
=
0 0
A(AA B B) 3

Abbildung 10: Exhaustion eines Parabelsegments

Beweis. Das Dreieck AP B hat den halben Flächeninhalt des Parallelogramms


AA0 BB 0 – folglich macht es mehr als die Hälfte der Fläche des Parabelsegments

10
AP B aus. Betrachten wir nun die kleineren Parabelsegmente P BP1 und P AP2 .
Wie oben folgern wir, dass die eingeschriebenen Dreiecke mehr als die Hälfte
der sie umgebenden Parabelsegmente ausfüllen. Wir sehen hier die ersten zwei
Schritte zur Exhaustion des Parabelsegements AP B durch Dreiecke. Das Dreieck
AP B ist das erste eingeschriebene Polygon. Durch Anlegen der Dreiecke P P1 B
und P P2 A erhalten wir unser zweites Polygon AP2 P P1 B. Wenn wir so weiter
voranschreiten, können wir den Flächeninhalt des Segements immer genauer
durch n-eckige Polygone annähern.
Nun wollen wir zeigen, dass die beiden Dreiecke P P1 B und P P2 A ein Viertel
der Fläche des Dreiecks AP B ausmachen. Sei M1 der Mittelpunkt der Strecke
BM , Y der Schnittpunkt von P1 M1 und P B und V der Schnittpunkt von P M
mit der Parallelen von AB durch P1 . Dann ist |BM |2 = 4|M1 M |2 , somit folgt
mit Gleichung 4.1:

|P M | = 4|P V | bzw. |P1 M1 | = 3|P V |.

Mit dem Strahlensatz folgern wir |Y M1 | = 12 |P M | und |P1 Y | = |P V | und


somit
|Y M1 | = 2|P1 Y |.

Daraus folgtn nun für die Flächeninhalte der Dreiecke, dass A(Y P1 B) =
1
2 A(Y M1 B) und A(Y P1 P ) = 12 A(Y M1 P ) - je zwei dieser Dreiecke haben gleiche
Höhe und die Längen ihrer Basen verhalten sich wie 2 : 1. In Summe gilt
daher auch das Verhältnis A(P P1 B) = 1
2 A(P M1 B). Für das auf der rechten
Seite hinzugelegte Dreieck zeigt man auf die gleiche Weise , dass wiederum
A(P M1 B) = 12 A(P M B), insgesamt also A(P P1 B) = 14 A(P M B).
Analog zeigt man A(P P2 A) = 41 A(P M A).
Bezeichnen wir den Flächeninhalt des Dreiecks P AB mit A, so ergibt sich
für den Fächeninhalt des Polygons Pn im n-ten Schritt

A A A A
A(Pn ) = A + + 2 + 3 ··· + n
4 4 4 4

Wie erwähnt, können wir durch solch ein Polygon den Flächeninhalt des Pa-
rabelbogens beliebig genau annähern. Für n → ∞ und der Formel für die
geometrische Reihe (Archimedes argumentierte hier etwas anders) folgern wir
somit für das Verhältnis der Flächeninhalte des Parabelbogens A(P AB) und des
Parallelogramms A(AA0 B 0 B):

1 4 2
A(P AB) = lim A(Pn ) = A · = A = A(AA0 B 0 B)
n→∞ 1− 1
4
3 3

11
5 Fehlerschranken
Meistens ist das exakte Resultat nicht berechenbar. Daher können wir die jeweilige
Abweichung vom korrekten Flächeninhalt nicht (exakt) berechnen.
Jedoch: Mithilfe elementarer Instrumente der Analysis ist es tatsächlich
möglich, für eine gegebene Intervalldichte jeweils Fehlerschranken anzugeben,
um die der Fehler höchstens vom exakten, wenn auch unbekannten bzw. nicht
exakt berechenbaren Wert abweicht. Das erlaubt wiederum, die notwendige
Intervalldichte für eine gewünschte Genauigkeit zu berechnen. [5, S. 333]

5.1 Fehlerschranken für die Rechteckfomeln


Wir skizzieren nun die Herleitung nach [4, S. 2–5], und werden sie später kurz
mit [5] vergleichen. Hier und im Folgenden gehen wird davon aus, dass f beliebig
oft differenzierbar ist.
Zunächst betrachten wir die Rechteckformel-Links und den Fall eines einzigen
Intervalls, also n = 1 und bezeichnen den Fehler mit E = A − RL, wobei A das
exakte Integral A = F (b) − F (a) (mit einer freilich im Bedarfsfall Numerischer
Integration nicht ohne weiteres anschreibbaren Stammfunktion F ) ist.
Wir schreiben nun die Zahl F (b) als eine Taylor-Reihe mit dem Entwick-
lungspunkt a an:

1 00 1
F (b) = F (a) + F 0 (a)(b − a) + F (a)(b − a)2 + F (3) (a)(b − a)3 + · · ·
2! 3!

F 0 (a) ist nichts anderes als f (a) und (b − a) ist die Länge h unseres (einen)
Intervalls . Subtraktion von F (a) auf beiden Seiten liefert

1 0 1
A = F (b) − F (a) = f (a) · h + f (a) · h2 + f 00 (a) · h3 + · · ·
2! 3!
Wir erinnern uns: Die RL-Formel mit einem Intervall würde hier ergeben:

RL1 = f (a) · h

Das ist der erste Term unserer obigen Taylor-Reihe für A. Oben einsetzend
erhalten wir eine Reihenentwicklung für unseren Fehler

1 0 1
 
E = A − RL1 = − f (a) · h2 + f 00 (a) · h3 + · · · (5.1)
2! 3!
Für kleine Werte von h dominiert der erste Term:

1
E(RL1 ) ≈ − f 0 (a) · h2
2

12
Das ist anschaulich klar: Bei positiver Ableitung liefert die Annäherung der
Funktion durch den linken Funktionswert einen zu geringen Wert, also einen
negativen Fehler – und je größer der Betrag der Ableitung, umso größer der
Betrag des Fehlers.
Mit analogen Überlegungen und Vorsicht bei den Vorzeichen erhält man für
den Fehler bei der Rechteckformel-Rechts folgende Reihenentwicklung:

1 0 1
E = A − RR1 = f (b) · h2 − f 00 (b) · h3 + · · · (5.2)
2! 3!
Für kleine Werte von h dominiert der erste Term, der proportional der ersten
Ableitung ist:

1 0
E(RR1 ) ≈ f (b) · h2
2
Nun betrachten wir den Betrag des Fehlers der Rechteckformeln für n Inter-
valle mit Länge h = n .
b−a
Im schlechtesten Falle summieren sich alle diese Fehler.
Anstelle von f 0 (a) bzw. f 0 (b) nehmen wir den maximalen Betrag der Ableitung
im Integrationsintervall M1 := maxx∈[a;b] |f 0 (x)| als Schranke.

M1 2 M1 (b − a)2
|E(RL)| = |E(RR| ≈ n · ·h =
2 2 n

Die Herleitung von [4] ist ungenau – sie gilt eigentlich nur für kleine Werte von
h. Tatsächlich ist diese Schranke aber korrekt, und unabhängig von der konkreten
Intervalllänge. Bei [5] findet sich eine mathematisch saubere Herleitung dafür.
Diese bedarf überdies keiner Taylorreihen (die im AHS-Lehrplan nicht enthalten
sind).
Interpretation:

• Unsere Fehlerschranke ist proportional zur 1. Ableitung. Je stärker die


Funktion sich ändert, umso schlechter ist die Approximation durch eine
konstante Funktion.
• Im Nenner steht n: Verdoppeln wir n, dann wird die Fehlerschranke hal-
biert. Die Rechteckformeln sind Verfahren 1. Ordnung. Nach 10 Verdoppe-
lungsschritten (=
b 210 ≈ 1000 mal soviele Stützstellen) verbessert sich die
garantierte Genauigkeit nur um drei Dezimalstellen.

5.2 Fehlerschranken für Mittelpunktformel


[5] verwenden für die Herleitung dieser Fehlerschranke Taylorreihen. Wenn wir
die obige Herleitung der Schranken für die Rechtecksformeln nach [4] nutzen (in
denen freilich auch Taylorreihen stecken), kommen wir hier schnell ans Ziel.

13
Die Mittelpunktformel in einem Intervall der Länge h lässt sich ja darstel-
len als je eine Rechteckformel-Rechts in der linken Intervallhälfte und eine
Rechteckformel-Links in der rechten Intervallhälfte, vgl. Abb. 11.

Abbildung 11: Mittelpunktformel als Summe von je einer Rechteckformel-Rechts


und Rechteckformel-Links

Hier ist also M I = RR + RL und RR = RL = f (m) · h2 , und der zugehörige


Fehler die Summe der Fehler von RR und RL. Addieren wir die Gleichungen
(5.1) und (5.2), wobei wir als Intervalllänge h/2 nehmen müssen, so erhalten wir
die Reihenentwicklung

1 (2) h3 1 h5
 
E(M I1 ) = −2 f (m) · + f (4) (m) · + ···
3! 8 5! 32
Wenn wir die M I-Formel in n Intervallen anwenden summieren sich diese
Fehler schlimmstenfalls n-mal. Statt der zweiten Ableitung verwenden wir den
maximalen Betrag dieser Ableitung als Schranke. Für kleine Werte von h finden
wir hiermit (näherungsweise) folgende Fehlerschranke (die korrektere Herleitung
von [5] zeigt, dass diese Fehlerschranke tatsächlich für alle h gilt):

M2 3 (b − a)3
|E(M In )| ≤ n · · h = M2 ·
24 24n2

5.3 Fehlerschranken für Trapezformel


Die folgende Herleitung lehnt sich stark an [5, 337f.] an. Wir setzen voraus:

• f ist zweimal differenzierbar.


• M2 = max |f 00 (x)|, also |f 00 (x)| ≤ M2 , ∀x ∈ [a; b]
x∈[a;b]

Zunächst berechnen wir den Fehler im 1. Intervall [a; a + h], vgl. Abbildung
12.

14
Abbildung 12: Fehler bei der Trapezformel

Für alle 0 ≤ t ≤ h beträgt der Fehler bzw. dessen erste beiden Ableitungen nach
t:

f (a + t) + f (a) a+t
Z
E(a + t) = t · − f (x)dx
2 a
" #
1 (Produktregel) (Hauptsatz)
E (a + t) =
0
f (a + t) + f (a) + t · f (a + t)
0
− f (a + t)
2
1
= [f (a) + t · f 0 (a + t) − f (a + t)]
2
1
E 00 (a + t) = [f 0 (a + t) + t · f 00 (a + t) − f 0 (a + t)]
2
1
= t · f 00 (a + t)
2

M2
Daraus folgt, dass für alle 0 ≤ t ≤ b : |E 00 (a + t)| ≤
·t
2
Nun integrieren wir zweimal. Zunächst erhalten wir für alle 0 ≤ s ≤ b − a:
Z s
|E (a + s)| = |E (a + s) − E (a) | =
0 0 0
E (a + t)dt
00

| {z } 0
0
s s
s2
Z Z
M2
≤ |E 00 (a + t)| dt ≤ · t dt = M2 ·
0 2 0 4

15
Dieses Ergebnis nutzen wir in der zweiten Integration für alle 0 ≤ h ≤ b − a:
Z
h
|E(a + h)| = |E(a + h) − E(a) | = E 0 (a + s)ds

| {z } 0
0
s h
h3
Z Z
M2
≤ |E 0 (a + s)| ds ≤ · s2 ds = M2 ·
0 4 0 12

Diese Abschätzung gilt in allen n Teilintervallen, die Schranke für den den
Gesamtfehler ist somit das n-fache. Einsetzen in h ergibt :

(b − a)3
|E(T Rn )| ≤ M2 ·
12n2
Interpretation:

• Unsere Fehlerschranke ist proportional zur 2. Ableitung. Das ist plausibel,


denn diese ist eben ein Maß dafür, wie stark die Funktion von einer Geraden
abweicht, und wir approximieren unsere Funktion ja durch eine Abfolge
linearer Funktionen (unsere Trapezschenkel).
• Im Nenner steht n2 : Verdoppelt man n, dann wird die Fehlerschranke
geviertelt. Die Trapezformel ist ein sogenanntes Verfahren 2. Ordnung
und konvergiert schneller als die Rechteckformeln. Bei fünf Verdoppe-
lungsschritten, gewinnen wir drei Dezimalstellen ( 415 ≤ 1000 )
1
garantierter
Genauigkeit.
• Die Fehlerschranke ist genau doppelt so groß wie jene der M I-Formel.

5.4 Fehlerschranken für Simpsonformel


Diese Fehlerschranke geben wir ohne Beweis an. Mit dem Betragsmaximum der
4. Ableitung M4 = maxx∈[a;b] |f (4) (x)| gilt

(b − a)5
|E(SIn )| ≤ M4 ·
2880 · n4
Wir sehen, dass das Verfahren von 4. ordnung ist (Verdoppelung von n →
Fehlerschranke wird durch 16 dividiert). Zudem ist hier auch leicht zu erkennen,
dass Polynome dritten Grades (für die stets f (3) (x) = 0 gilt) mit der SI-Formel
ohne Fehler integriert werden. [5, 327f.]

16
6 Ein Berechnungsbeispiel
Als illustrierendes Beispiel berechnen wir zum Abschluss mit Trapez- und Mit-
telpunktregel den Wert des bestimmten Integrals
2
1
Z
dx = ln(2)
1 x

Als für unsere Zwecke genügend exakten Wert übernehmen wir von Wolfram
Alpha ln(2) ≈ 0, 6931471805599453 . . ..

Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse für 4, 8, 16, 32 Intervalle.

n T Rn En M In En
4 0, 69702 +0, 00388 0, 69122 −0, 00193
8 0, 69412 +0, 00097 0, 69266 −0, 00049
16 0, 69339 +0, 00024 0, 69303 −0, 00012
32 0, 69321 +0, 00006 0, 69312 −0, 00003

Die Ergebnisse bestätigen unsere bisherigen theoretischen Überlegungen: Die


Trapezformel liefert einen positiven Fehler (nicht überraschend: 1
x ist positiv
gekrümmt), die Mittelpunktformel einen negativen Fehler. Die Mittelpunktformel
ist genauer – der Fehler der Trapezformel ist etwa doppelt so groß.
Mit jeder Verdoppelung der Anzahl der Stützstellen schrumpft der Fehler
ziemlich genau um den Faktor 4.
Unsere Fehlerschranke ist einfach zu berechnen. Das Betragsmaximum der
zweiten Ableitung von 1/x im interessierenden Intervall der Länge 1 beträgt 2.
Somit ist unsere Fehlerschranke 12n2 .
2
Der tatsächliche Fehler ist jeweils ungefähr
um den Faktor 2, 5mal kleiner als diese Schranke.
Abschließend betrachten wir die Werte, die die Simpsonregel hier liefert. In
Tabelle 6 sehen wir: Schon mit 4 Intervallen liefert die Simpsonformel ein besseres
Ergebnis als die MI-Formel bei 32 Intervallen. Auch konvergieren unsere Werte,
wie erwartet, mit 4. Ordnung: Jede Verdoppelung verkleinert den Fehler ca. um
den Faktor 16.

n SIn En En /E2n
4 0, 6931545307 0, 0000073501 ≈ 15, 6
8 0, 6931476528 0, 0000004723 ≈ 15, 9
16 0, 6931472103 0, 0000000297 ≈ 16, 0
32 0, 6931471824 0, 0000000019 −

17
Literatur
[1] AUC. Fläche unter der Kurve — Wikipedia, The Free Encyclopedia. [Online;
accessed 25-November-2020]. 2010. url: https://de.wikipedia.org/
wiki/Fl%C3%A4che_unter_der_Kurve.
[2] C. Henry Edwards. The historical development of the calculus. eng. New
York, NY [u.a.]: Springer, 1979.
[3] Arnold Kirsch. „Anschauliche Begründung einiger Verfahren der numeri-
schen Mathematik aus der Sicht der Parabel“. In: Mathematische Semester-
berichte 2 (1988), S. 197–209.
[4] James. R. Nagel. Introduction to Numerical Integration. url: http://www.
drjamesnagel . com / notes / Nagel % 20 - %20Numerical % 20Integration .
pdf. (accessed: 20.11.2020).
[5] Berthold Schuppar und Hans Humenberger. Elementare Numerik für die
Sekundarstufe. ger. 2015. Aufl. Mathematik Primarstufe und Sekundarstufe
I + II. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2014.
[6] Hans Rudolf Schwarz und Norbert Köckler. Numerische Mathematik. ger.
8., aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Vieweg+Teubner Verlag.
[7] Diethelm Sippel. „Numerische Integrationsverfahren mit EXCEL“. In: Neues
Lernen. Neue Medien. Viele Projekte im Land. Tagunsdokumentation. Hrsg.
von Bärbel u.a. Barzel. Münster: Universität Münster, 2003.
[8] Alexander Thomaso. Numerische Integration : Verfahren zur effizienten
Berechnung von Integralen. ger. Wien, 2018.
[9] Heinrich Voß. Grundlagen der Numerischen Mathematik. Accessed: 24-11-
2020.

18

Das könnte Ihnen auch gefallen