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Institut für Thermodynamik

An der Universität 1
30823 Garbsen
www.ift.uni-hannover.de

Skript zum Thermodynamik II Labor

Labor A – Energiewandlung und


Wärmekapazität

1
Abbildung aus „Thermodynamik“ von H. Baehr, S. Kabelac, 16. Auflage, 2016, Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg, ISBN 978-3-662-49568-1
Stand Mai 2021
Inhalt
Einleitung:........................................................................................................................................ 2
Energiewandlung:............................................................................................................................ 2
Verdampfung:.................................................................................................................................. 3
Spezifische Wärmekapazität: .......................................................................................................... 3
Temperaturmessung ....................................................................................................................... 8
Das Thermoelement: ....................................................................................................................... 9

1
Einleitung:
Die Motivation für ein Thermodynamik II Grundlagenlabor ist die in der Vorlesung behandelten
thermodynamischen Größen und Prozesse in der Praxis zu bearbeiten und somit etwas
anschaulicher darzustellen. In diesem Labor A wird sich mit der Messung von Stoffdaten,
genauer gesagt der spezifischen Wärmekapazität, auseinandergesetzt. Stoffdaten im
Allgemeinen sind ein klassisches Themengebiet in der Thermodynamik und besitzen eine große
Bedeutung, egal ob es um die Auslegung von Anlagen, deren Betrieb oder einfach nur das
Verständnis der uns täglich umgebenden Prozesse geht. Auch in Ihrem bisherigen
thermodynamischen Werdegang sind Ihnen schon einige Stoffdaten über den Weg gelaufen,
die unter anderem die Frage klären können, warum sich ein Stück Holz bei
Umgebungstemperatur wärmer anfühlt, als ein Stück Metall.

Energiewandlung:
Energie ist eine Erhaltungsgröße. Die Energie eines Systems kann sich nur durch
Energietransport über die Systemgrenze in Form von verrichteter Arbeit, Wärme oder den
Transport von Materie ändern. Die Energie eines Systems wird durch den 1.Hauptsatz
beschrieben. Bei einem geschlossenen System liegt kein Transport von Masse über die
Systemgrenze vor. Ein Beispiel für einen Energiewandlungsprozess eines geschlossenen
Systems ist in folgender Abbildung dargestellt.

Die beim Prozess eingetretene Energieänderung 𝐸2 − 𝐸1 des geschlossenen Systems ist durch
die als Wärme 𝑄12 und die als Arbeit 𝑊12 über die Systemgrenze transportierte Energie bewirkt
worden. Es gilt also

𝐸2 − 𝐸1 = 𝑄12 + 𝑊12

Es gilt stets die egoistische Vorzeichenregel. Das bedeutet, dem System hinzugefügte Arbeit
und Wärme haben ein positives Vorzeichen. Negative Werte von 𝑄12 und 𝑊12 bedeuten, dass
Wärme bzw. Arbeit vom System abgegeben werden.3

2
Abbildung aus „Thermodynamik“ von H. Baehr, S. Kabelac, 16. Auflage, 2016, Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg, ISBN 978-3-662-49568-1
3
„Thermodynamik“, Kap. 2.1, H. Baehr, S. Kabelac, 16. Auflage, 2016, Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg, ISBN 978-3-662-49568-1
2
Verdampfung:
Der Zustand eines Fluids kann durch zwei intensive Zustandsgrößen, wie Druck und
Temperatur, eindeutig definiert werden. Der Verdampfungsprozess beschreibt den Übergang
eines Fluids von der flüssigen in die gasförmige Phase. Da der Heimversuch isobar bei
Umgebungsdruck durchgeführt wird, wird die Verdampfung durch einen Anstieg der
Temperatur erreicht. Wird dem System genug Wärme zugeführt, entsteht bei etwa 100 °C die
erste Dampfblase. Folglich liegt ein Gemisch aus siedender Flüssigkeit und trockengesättigtem
Dampf vor, dieser Zustand beschreibt das Nassdampfgebiet. Erst wenn durch weitere
Wärmezufuhr der letzte Tropfen verdampft ist, ist der Verdampfungsprozess abgeschlossen
und die Temperatur kann weiter steigen. Die benötigte Energie, um ein Fluid bei einem
bestimmten Druck vollständig vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu überführen, wird
durch die Verdampfungsenthalpie beschrieben.

Spezifische Wärmekapazität:
Für die Beschreibung der spezifischen Wärmekapazität in diesem Kapitel wird diese aus zwei
Perspektiven betrachtet. In der ersten Perspektive nähern wir uns der Wärmekapazität von den
physikalisch-molekularen Grundlagen aus an, um eine Art Interpretation bzw. Vorstellung über
diese Stoffeigenschaft zu erhalten. Im nächsten Schritt wird die Wärmekapazität klassisch
thermodynamisch in einem System betrachtet. Hier beschreibt sie bei einer Zustandsänderung
mit definierten Prozessgrößen den Zustand 2 ausgehend von Zustand 1. Andersherum kann
aber auch die Wärmekapazität bestimmt werden, sobald die Prozessgrößen sowie Zustand 1
und 2 bekannt sind.

Ausgehend von den physikalischen Grundlagen wird zunächst ein einfaches willkürlich
gewähltes Molekül betrachtet. Dieses Molekül kann eine innere Energie besitzen, die sich an
der Bewegung des Moleküls und damit auch an der Temperatur ablesen lässt. Die molekularen
Bewegungen liegen sowohl als Rotationsenergie sowie Translationsenergie vor. Sie sind damit
direkt von der Struktur des betrachteten Moleküls abhängig. Jede unabhängige
Bewegungsmöglichkeit nennt sich Freiheitsgrad, wobei der Translationsbewegung maximal drei
Bewegungsmöglichkeiten entlang der drei zueinander senkrechten Raumrichtungen zustehen.
Auch die Rotationsbewegung zeigt maximal drei Bewegungsmöglichkeiten um die jeweiligen
Raumrichtungen. Wird nun ein einfaches zweiatomiges Molekül wie O2 betrachtet, ergeben
sich 3 translatorische sowie 2 rotatorische Freiheitsgrade. Für ein gewinkeltes Molekül wie z.B.
H2O ergeben sich wiederrum 6 Freiheitsgrade, jeweils 3 rotatorische und translatorische, s.
Abb. 1. Zusätzlich können noch weitere Schwingungsfreiheitsgrade der einzelnen Atome
gegeneinander auftreten, wie beispielsweise in Kristallgittern, wo die Rotation der Teilchen
3
durch intermolekulare Wechselwirkungen gehemmt ist, Schwingungen der Atome zueinander
aber zugelassen sind.

Abbildung 1: Molekülstruktur von O2 und H2O


Für die Verteilung der Gesamtenergie des Moleküls auf die einzelnen Bewegungsmöglichkeiten
besagt das Äquipartitionstheorem, dass diese im thermischen Gleichgewicht im Mittel gleich
ist. Mit der Anzahl der Freiheitsgrade f und der Boltzmann-Konstante k ergibt sich die
Gesamtenergie eines Moleküls damit aus

𝑓
𝐸𝑚𝑜𝑙 = 𝑘𝑇. (1)
2
Um nun also einen Körper, der idealisiert nur aus gleichen Molekülen besteht, von Temperatur
T1 auf Temperatur T2 zu erhitzen, muss die Anzahl der Moleküle N oder aber die Gesamtmasse
m bezogen auf die Molekülmasse mm, bekannt sein. Damit kann die benötigte Energie mit Hilfe
von

𝑚 𝑓
∆𝐸 = 𝑘∆𝑇 (2)
𝑚𝑚 2
bestimmt werden. Das Verhältnis der Energiedifferenz zur Temperaturdifferenz ergibt die
Wärmekapazität des Körpers. Wird diese Wärmekapazität auf die Masse bezogen, also zur
spezifischen Wärmekapazität wird aus Gl. 2

∆𝐸 𝑓𝑘
𝑐= = , (3)
𝑚∆𝑇 2𝑚𝑚
wobei die Molekülmasse aus der Division von molarer Masse M und der Avogadro-Zahl NA
erhalten werden kann mm=M/NA. Alternativ kann die Molekülmasse auch über die relative
Atommasse multipliziert mit der atomaren Masse u berechnet werden. Auf diese Weise lässt
sich die spezifische Wärmekapazität nun für einfache Stoffe wie z.B. Elementarkristalle mit f=6
berechnen. Als Beispiel dient Eisen, für das mit einer Molekülmasse von ca. mm=9,34∙10-26 kg
eine spezifische Wärmekapazität von c=443,5 J/(kg∙K) berechnet werden kann, wobei sich der
gemessene Wert mit c=460 J/(kg∙K) davon leicht unterscheidet.

Diese Unterschiede treten auf, da die Berechnung von einfachen und besonders schweren
Stoffen ausgeht. Hinzu kommt eine Temperaturabhängigkeit der Bewegungsmöglichkeiten.
Beispielsweise hatten wir Sauerstoff mit dem Fehlen der Drehung um die Molekülachse nur 5

4
Freiheitsgrade zugeschrieben (Abb. 1). Tatsächlich aber besteht dies nur bei geringeren
Temperaturen. Bei höheren Temperaturen spricht man von einem Auftauen der
Rotationsmöglichkeit um diese Achse und Sauerstoff erreicht 6 Freiheitsgrade. Die Berechnung
der Wärmekapazität ist also in den meisten realen Fällen nicht so trivial möglich, wie zuvor
beschrieben. Besonders bei Gasen muss berücksichtigt werden, ob die spezifische
Wärmekapazität bei konstantem Druck cp oder Volumen cv betrachtet wird. Das cp ist in der
Regel größer als das cv, da hier noch die Energie berücksichtigt wird, die für die
Wärmeausdehnung aufgebracht werden muss. Bisher wurde die Anwendung von Gl. (3) auf
schwere Elemente und Moleküle bezogen. Dabei sind die Freiheitsgrade in dem Molekül mit
der Molekülmasse ausschlaggebend für die spezifische Wärmekapazität eines Stoffes. Dies
verhält sich jedoch anders bei dem Beispiel Wasser. Hier sind die beteiligten Elemente O und H
so klein, dass sie eben nicht nur zusammen die translatorischen und rotatorischen Bewegungen
annehmen, sondern auch gegeneinander schwingen, sodass für jedes Atom ein Freiheitsgrad
von f=6 angenommen werden kann. Werden jetzt anstatt 6 Freiheitsgrade für ein Molekül 6
Freiheitsgrade für ein Atom angenommen und die Atommasse aus den drei beteiligten
Elementen gemittelt, wobei der Wasserstoff ein sehr geringes Molekülgewicht hat, dann ergibt
sich eine spezifische Wärmekapazität von c=4150 J/(kg∙K). Gemessen sind c=4185 J/(kg∙K),
woraus sich die Einheit 1 cal ableiten lässt, da 4,185 J Energie benötigt werden um 1 g Wasser
um 1 K zu erhitzen. Die Wärmekapazität von Wasser ist damit im Vergleich zu anderen Stoffen
sehr hoch, was auch einer der Gründe ist warum Wasser als Arbeitsfluid in energetischen
Prozessen und Kreisläufen eingesetzt wird.

Als zweite Perspektive wird nun die thermodynamische vorgestellt. Hier geht die Herleitung der
spezifischen Wärmekapazität von der Formulierung der inneren Energie U aus. Auch sie basiert
auf den kinetischen und potentiellen Energien der Molekularbewegung. Das macht sich
besonders an der Abhängigkeit der spezifischen inneren Energie von der Temperatur und dem
spezifischen Volumen deutlich. Für die Temperatur lässt sich der Zusammenhang direkt zu den
kinetischen Molekularbewegungen aufstellen, während das spezifische Volumen mit den
potentiellen Energien, die durch intermolekulare Bindungen beschrieben werden,
zusammenhängt. Die spezifische innere Energie kann hier also als Funktion von Temperatur und
spezifischem Volumen dargestellt werden

𝑢 = 𝑢(𝑇, 𝑣). (4)

Sie ist als kalorische Zustandsgleichung bekannt und lässt sich als vollständiges Differential
formulieren

5
𝜕𝑢 𝜕𝑢
𝑑𝑢 = ( ) 𝑑𝑇 + ( ) 𝑑𝑣. (5)
𝜕𝑇 𝑣 𝜕𝑣 𝑇
Die spezifische isochore Wärmekapazität lässt sich hier aus der partiellen Ableitung zu

𝜕𝑢
𝑐𝑣 (𝑇, 𝑣) ≔ ( ) (6)
𝜕𝑇 𝑣
bestimmen. Wird der spezifischen inneren Energie eines Stoffes nun Energie hinzugefügt,
wobei das spezifische Volumen des Stoffes sich kaum ändert, die Änderung also
vernachlässigbar klein ist, wird die Energie ausschließlich in eine Temperaturänderung
umgesetzt. Diese Annahme lässt sich zum Beispiel für das Modell des idealen Gases anwenden,
in dem intermolekulare Wechselwirkungen zwischen den betrachteten Gasmolekülen
vernachlässigt werden. Die potentiellen Energien fallen demnach weg und lediglich die
kinetischen bleiben bestehen. Die Änderung der inneren Energie lässt sich also durch

𝑇2
𝑢(𝑇2 , 𝑣) − 𝑢(𝑇1 , 𝑣) = ∫ 𝑐𝑣 (𝑇, 𝑣)𝑑𝑇 (7)
𝑇1

bestimmen. Wird anstatt der spezifischen inneren Energie eines geschlossenen Systems nun die
spezifische Enthalpie eines offenen Systems betrachtet, setzt sich deren Energie aus u und einer
Art spezifischen Strömungsenergie

ℎ ≔ 𝑢 + 𝑝𝑣 (8)

zusammen. Auch sie wird als kalorische Zustandsgleichung beschrieben und ihr Differenzial
ergibt für die zwei unabhängigen Zustandsgrößen T und p wiederrum

𝜕ℎ 𝜕ℎ
𝑑ℎ = ( ) 𝑑𝑇 + ( ) 𝑑𝑝. (9)
𝜕𝑇 𝑝 𝜕𝑝 𝑇
Auch hier lässt sich die partielle Ableitung für die spezifische isobare Wärmekapazität aufstellen
zu

𝜕ℎ
𝑐𝑝 (𝑇, 𝑝) ≔ ( ) . (10)
𝜕𝑇 𝑝
Mit dieser spezifischen isobaren Wärmekapazität können nun Enthalpiedifferenzen bei gleichen
Druckniveaus berechnet werden. Hierbei muss jedoch die Temperaturabhängigkeit von cp
berücksichtigt werden, siehe Gl. 11.

𝑇2
ℎ(𝑇2 , 𝑝) − ℎ(𝑇1 , 𝑝) = ∫ 𝑐𝑝 (𝑇, 𝑝)𝑑𝑇 (11)
𝑇1

Für die Anwendung ergeben sich jedoch oftmals zwei Vereinfachungen. Bei der Betrachtung
der Temperaturabhängigkeit wird deutlich, dass bei geringen Temperaturunterschieden und
bestimmten Stoffen die Abhängigkeit nicht besonders groß ist, weshalb eine Integration von cp

6
vernachlässigt werden kann. Und auch die Einschränkung des konstanten Druckes ist unter
bestimmten Verhältnissen vernachlässigbar. Wie bekannt ist, können sich vor allem feste Stoffe
und Flüssigkeiten inkompressibel verhalten. Das Modell des inkompressiblen Fluids beschreibt
genau dies. Die Druckabhängigkeit kann hier vernachlässigt werden.

Auch für das ideale Gas ergibt sich hier eine Vereinfachung, da sich für seine spezifische
Enthalpie nach Gl. 8 und dem idealen Gasgesetz eine Funktion ergibt,

ℎ = 𝑢 + 𝑝𝑣 = 𝑢(𝑇) + 𝑅𝑇 (12)
die mit der individuellen Gaskonstante R nur von der Temperatur abhängt. Obwohl beide
spezifischen Wärmekapazitäten eine eigene Funktion der Temperatur sind, ergibt sich aus dem
Zusammenhang der spezifischen inneren Energie und Enthalpie von idealen Gasen

𝑐𝑝𝑖𝐺 (𝑇) − 𝑐𝑣𝑖𝐺 (𝑇) = 𝑅 (13)

eine Temperatur unabhängige Differenz, die individuelle Gaskonstante.

Abbildung 2: cp/R von einigen idealen Gasen in Abhängigkeit zur Temperatur


Abbildung 2 zeigt die Temperaturabhängigkeit einiger idealer Gase, wobei auffällt, dass
einatomige Gase eine konstante spezifische Wärmekapazität aufweisen. Hier sind die
Freiheitsgrade der Bewegungsmöglichkeiten bei jeder Temperatur gegeben. Bei den anderen
Gasen kann es abhängig von der Temperatur wieder zum Auftauen von zusätzlichen
Bewegungsmöglichkeiten kommen. Es ist jedoch zu beachten, dass der dargestellte
Temperaturbereich sehr groß ist. Bei kleineren Temperaturdifferenzen kann unter Umständen
eine konstante spezifische Wärmekapazität angenommen werden. Andernfalls hat es sich
etabliert, mit gemittelten spez. Wärmekapazitäten zu rechnen. Je nach
Temperaturabhängigkeit lässt sich mit einer linearen Interpolation der spez. Wärmekapazität
gute Ergebnisse erreichen. Die spez. Wärmekapazität kann mit Hilfe von spektroskopischen

7
Messungen und quantenmechanischen und statistisch thermodynamischen Rechnungen
bestimmt werden. Diese Methoden sind sehr aufwendig, deswegen ist es einfacher tabellierte
Werte zu verwenden, wie z.B. aus dem VDI-Wärmeatlas oder anderen Stoffdatenbanken, die
einem auch Polynomansätze für die Berechnung bestimmter spez. Wärmekapazitäten zur
Verfügung stellen (NIST Chemistry WebBook).

Tabelle 1: Tabellenauszug der spez. Wärmekapazität unterschiedlicher Feststoffe bei


Umgebungstemperatur

Feststoff Spez. Wärmekapazität in kJ∙kg-1K-1


Aluminium 0,896
Beton 0,879
Blei 0,129
Chrom 0,452
Eis 1,377 - 2,1
Eisen rein 0,439
Eisen Legierung (Stahl) 0,477
Eisen (Guss) 0,46 - 0,54
Glas 0,6 - 0,8
Gold 0,130
Kohlenstoff Diamant 0,472
Kohlenstoff Graphit 0,715
Kupfer 0,381
Kupfer Legierung (Messing) 0,389
Magnesium 1,034

Temperaturmessung
Temperaturmessungen haben sowohl im privaten als auch im industriellen Sektor einen
besonderen Stellenwert. Ob für die Klimatisierung von Gebäuden und Fahrzeugen oder für die
Herstellung und Zubereitung von Nahrungsmitteln, überall ist die Kenntnis der Temperatur
notwendig. Die zwei grundlegenden Messmethoden können in Wärmeübertragung durch
Berührung (Kontaktthermometrie) und Wärmeübertragung durch Strahlung
(Strahlungsthermometrie) unterteilt werden. In Industrie und Forschung kommen wegen ihrer
relativ hohen Genauigkeit, Robustheit und den dazu geringen Kosten häufiger kontakt- als

8
strahlungsthermometrische Messverfahren zur Anwendung. Ein auf Kontakt basierendes
Widerstandsthermometer kann beispielsweise eine Genauigkeit von bis zu ± 0,001 K erreichen
und kostet weniger als 50 €. Im Gegensatz dazu ist bei strahlungsthermometrischen Verfahren,
wie einer Wärmebildkamera für mehrere 10.000 €, nur eine Genauigkeit von ± 1 K zu erreichen.
Grundlegend lassen sich die auf Kontakt basierenden Messverfahren wie folgt unterteilen:
1. Mechanische Verfahren: Volumenänderung und Längenänderung
Beispiele: Flüssigkeits-Glas-Thermometer und Bimetall-Thermometer
2. Elektrische Verfahren: Thermospannung und Widerstandsänderung
Beispiele: Thermoelement und PTC- bzw. NTC-Thermometer
3. Sonderverfahren: Temperaturkennkörper
Beispiele: Segerkegel
In dem Heimversuch wird keines der vorliegenden Methoden angewendet, trotzdem ist die
Kenntnis über Temperaturmessverfahren wichtig. Das nachfolgende Kapitel über das
Thermoelement war für die Versuche der letzten Jahre relevant. Für die Durchführung des
Heimversuchs wird es allerdings nicht benötigt.

Das Thermoelement:
Das grundlegende physikalische Wirkprinzip des Thermoelements ist der Seebeck-Effekt4,
benannt nach dem deutschen Physiker Thomas Johann Seebeck (1770-1831). Er wird neben dem
Peltier- und Thomson-Effekt zu den thermoelektrischen Effekten gezählt, welche die
gegenseitige Beeinflussung von Temperatur und Elektrizität gemein haben. Thermoelemente
können, in Abhängigkeit der verwendeten Materialien, zwischen - 270 °C und 2.000 °C zur
Temperaturmessung eingesetzt werden. Ihre Genauigkeit liegt bei Raumtemperatur im Bereich
von ± 0,2 K und bei sehr hohen Temperaturen bei etwa ± 10 K. Für die Erklärung des
Thermoelementes wird zunächst auf eine Ausführung eingegangen, in der das Thermoelement
aus drei elektrischen Leitern aus zwei unterschiedlichen Materialien besteht, die mit einem
Spannungsmessgerät in Reihe geschaltet sind, siehe Abbildung . Anhand dieser Verschaltung soll
eine einfache Beziehung zwischen Materialwerten und Temperaturdifferenz hergeleitet
werden, wie sie in Lehrbüchern zu finden ist. In der Praxis hat diese Verschaltung allerdings eine
untergeordnete Relevanz, weswegen der Teil zwischen Gleichung (2) und (10) nur für den
interessierten Leser festgehalten wurde.

4
Die Ursache des Seebeck-Effekts wird in vielen Lehrbüchern nur beschrieben. Die hier getätigte Beschreibung basiert auf einem Artikel
(„Thermospannungen – viel genutzt und fast immer falsch erklärt!“ Pelster et al., 2005, Physik und Didaktik in Schule und Hochschule 1, S. 10-
22) der sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat.

9
A

T1 T2

B B
V
Abbildung 3: Einfachster Stromkreis eines Thermoelements mit zwei Materialen A, B
Seebeck beobachtete bei einem Temperaturunterschied zwischen den beiden Messstellen 𝑇1
und 𝑇2 eine Spannungsdifferenz deren Ursache nun erläutert werden soll.
a) T1 b) T1 DT T2
e- e- e- e- e- e- e- e- e- Q  e- e- e-

e- e- e- e- e- e- e- e- e- e- e- e-

z
c) d)
e- e- e- e-
e- e-
e-
e- e- UTD e- e-
e- ITD e- e-
e- e- e-
e- -
e e- e-
e- e- e-
Φ1 DΦ Φ2

Abbildung 4: Ursache des Seebeck-Effekts und Entstehung der Thermodiffusion


Ausgehend von einem eindimensionalen (z-Richtung) elektrisch leitfähigen metallischen
Festkörper5 aus Material A, siehe Abbildung a), mit homogener Temperatur 𝑇1 verschieben sich
die Ladungsträger bzw. Elektronen durch einen aufgeprägten Temperaturgradienten ∆𝑇 = 𝑇2 −
𝑇1 (b)) ungleichmäßig, da die Elektronen auf der warmen Seite durch die höhere Temperatur
eine höhere kinetische Energie als die Elektronen auf der kalten Seite besitzen und dadurch
stärker schwingen. Der resultierende Geschwindigkeitsvektor der Elektronen beider Seiten zeigt
in Richtung des kalten Endes (c)), daher diffundieren solange Elektronen von der warmen zur
kalten Seite (Thermodiffusionsstrom, 𝐼TD ), bis das von ihnen verursachte elektrische Feld 𝐸 nicht
mehr von weiteren Elektronen überwunden werden kann (d)). In einem homogenen 6 offenen
Leiter entsteht im Gleichgewicht eine Potentialdifferenz ΔΦ bzw. Thermospannung 𝑈TD
zwischen den beiden Enden, die sich anhand von Gleichung (2) ausdrücken lässt:
𝑧1
𝑈TD = ΔΦ = Φ2 − Φ1 = ∫ 𝐸 d𝑧
𝑧2
𝑇1
(2)
d𝑇 1 d𝜇 1
= ∫ (𝑆(𝑇) ⋅ − ⋅ ) d𝑧 = ∫ 𝑆(𝑇) d𝑇 − ⋅ ∫ d𝜇
d𝑧 𝑒 d𝑧 𝑇2 𝑒
Das erste Integral kann bei hinreichend kleinen Temperaturdifferenzen |𝑇2 − 𝑇1 | ≪ 𝑇1 , 𝑇2 unter
der Annahme eines konstanten Seebeck-Koeffizienten 𝑆(𝑇) = 𝑆 vereinfacht werden:
1
𝑈TD = 𝑆 ⋅ (𝑇1 − 𝑇2 ) − ⋅ [𝜇A (𝑇1 ) − 𝜇A (𝑇2 )] (3)
𝑒

5 Auch nicht metallische Festkörper zeigen dieses Verhalten, sollen hier jedoch nicht thematisiert werden.
6
Das chemische Potential 𝜇 ist nur von 𝑇(𝑧) und nicht zusätzlich von der Ortskoordinate 𝑧 abhängig.
10
Diese Gleichung deutet einen linearen Zusammenhang zwischen der Temperaturdifferenz und
Thermospannung an, die um den Anteil der Differenz aus den chemischen Potentialen
abgeschwächt wird. Dieser physikalische Zusammenhang eignet sich daher besonders gut zum
Messen von Temperaturdifferenzen. Da allerdings zum Messen dieser Spannung ein
Spannungsmessgerät mit Zuleitungen aus einem anderen Material in Berührung mit dem Leiter
gebracht werden muss (bei gleichem Material würde sich der Seebeck-Effekt wieder aufheben)
entsteht die Messanordnung wie in Abbildung 3 skizziert. Dies führt zu einem weiteren
physikalischen Effekt, der Kontaktspannung zwischen zwei unterschiedlichen Materialien.
Ausgelöst durch ihre unterschiedlichen chemischen Potentiale entsteht an der Berührungsfläche
ein Diffusionsstrom von Ladungsträgern des höheren Energieniveaus zum niedrigeren
Energieniveau des anderen Materials. Dieser Strom kommt zum Erliegen, sobald das durch ihn
entstandene elektrische Feld im Gleichgewicht mit dem Unterschied der chemischen Potentiale
A|B
ist. Im Gleichgewichtszustand kann die Kontaktspannung 𝑈K durch Gleichung (4) beschrieben
werden. Sie ist typischerweise in der Größenordnung von mehreren Volt und kann nicht direkt
gemessen werden.
B
A|B
𝑈K = ∫ 𝐸 d𝑧
A
B B
1 d𝜇 1 (4)
= ∫ (− ⋅ ) d𝑧 = − ⋅ ∫ d𝜇
A 𝑒 d𝑧 𝑒 A
1
=− ⋅ [𝜇B (𝑇) − 𝜇A (𝑇)]
𝑒
Daraus folgen die in Abbildung skizzierten und in Gleichung (5) beim Anwenden der
Maschenregel festgehaltenen Spannungen.

T1 T2
Uthermo
B B
V
Abbildung 5: Spannungen im Stromkreis eines Thermoelements
B B
𝑈TD A|B B|A 𝑈TD A|B B|A
𝑈thermo = A
+ 𝑈K − 𝑈TD − 𝑈K + B
= 𝑈TD A
+𝑈K − 𝑈TD + 𝑈K (5)
2 2
Mit den einzelnen Spannungen aus Gleichung (3) und (4) ergeben sich für die Teilspannung
folgende Zusammenhänge und der in Abbildung 6 skizzierte Potentialverlauf entlang der Leiter.

B
1
𝑈TD = 𝑆B ⋅ (𝑇1 − 𝑇2 ) − ⋅ [𝜇B (𝑇1 ) − 𝜇B (𝑇2 )] (6)
𝑒
11
B|A 1
𝑈K = − ⋅ [𝜇A (𝑇1 ) − 𝜇B (𝑇1 )] (7)
𝑒
A
1
𝑈TD = 𝑆A ⋅ (𝑇1 − 𝑇2 ) − ⋅ [𝜇A (𝑇1 ) − 𝜇A (𝑇2 )] (8)
𝑒
A|B 1
𝑈K = − ⋅ [𝜇B (𝑇2 ) − 𝜇A (𝑇2 )] (9)
𝑒
Φ
T1

T2
Uthermo

A|B B|A z

Abbildung 6: Potentialverlauf entlang der Leiter

Die Kontaktspannungen bei unterschiedlichen Temperaturen heben sich nicht gegeneinander


auf, siehe Gleichung (10).
A|B A|B
∆𝑈K = 𝑈K (𝑇1 ) − 𝑈K (𝑇2 )
1 (10)
= − ⋅ ([𝜇B (𝑇1 ) − 𝜇A (𝑇1 )] − [𝜇B (𝑇2 ) − 𝜇A (𝑇2 )]) ≠ 0
𝑒
Die Differenz ist in der Größenordnung von einigen µV/K und damit in derselben Region wie die
der Thermospannung, weshalb sie oftmals als Ursache für eine Thermospannung ausgemacht
wird. Allerdings wird sie von den, vom chemischen Potential abhängigen, Anteilen innerhalb der
Thermodiffusionsspannungen kompensiert, sodass in Gleichung (11) nur noch eine Abhängigkeit
von den absoluten Seebeck-Koeffizienten und Temperaturen der beiden Messstellen bleibt.
𝑈thermo = 𝑆B ⋅ (𝑇1 − 𝑇2 ) − 𝑆A (𝑇1 − 𝑇2 ) = (𝑇1 − 𝑇2 ) ⋅ (𝑆B − 𝑆A ) (11)
Für die Berechnung der absoluten Seebeck-Koeffizienten gibt es folgenden Ansatz, der allerdings
nur grob das reale Verhalten widerspiegelt und daher nicht weiter thematisiert werden soll:
𝜋 2 ⋅ 𝑘B2
𝑆(𝑇) = − ⋅𝑇 (12)
2 ⋅ 𝑒 ⋅ 𝜀F

12
Für die praktische Anwendung wird auf Messwerte zurückgegriffen, siehe Abbildung 7.

Abbildung 7: Absolute Seebeck-Koeffizienten unterschiedlicher Materialien7


Aus Gleichung (11) wird ersichtlich, dass die zu messende Spannung einmal proportional zur
Temperaturdifferenz als auch zur Differenz der Seebeck-Koeffizienten der beiden aneinander
gefügten Materialien ist. Für eine hohe Empfindlichkeit werden oftmals Materialien mit
unterschiedlichen Vorzeichen kombiniert, z.B. das Paar NiCr-Ni.
Um aus der Messgröße Spannung und den materialspezifischen Seebeck-Koeffizienten die zu
messende Temperatur 𝑇1 zu bestimmen, muss Gleichung (11) umgeformt werden:
𝑈thermo
𝑇1 = + 𝑇2 (13)
(𝑆B − 𝑆A )
Auch hier wird wieder ersichtlich, dass die gesuchte Temperatur 𝑇1 weiterhin von der zweiten
Temperatur abhängig ist. Die Temperatur 𝑇2 muss daher bei diesem Verfahren bekannt sein
oder nach einer Kalibrierung auf eine beliebige andere Temperatur konstant bleiben. Da die
Materialien für die Nutzung von Thermoelementen relativ teuer sind, bietet sich hier eine neue
Verschaltung im Vergleich zu der aus Abbildung 3 an.

Abbildung 8: Thermoelementschaltung mit a) Einfach- und b) Doppel-Vergleichsstelle

7
Abbildung aus „Handbuch der Technischen Temperaturmessung“ von Frank Bernhard, 2. Auflage, 2014 Springer-Verlag, ISBN 978-3-642-
24506-0, S. 892
13
Um nun das teure Thermoelementmaterial zu sparen und vor allem die Vergleichsstelle nicht im
Messinstrument zu haben, da die Vergleichstemperatur hier schwer zu bestimmen ist, ergibt
sich die Möglichkeit einer Schaltung mit einer Einfach-Vergleichsstelle, siehe Abbildung 8 a). Hier
wird die Temperatur T1 an der linken Lötstelle der beiden beispielhaften Materialien Kupfer und
Kupfer-Nickel gemessen. Die Vergleichstemperatur wird an der zweiten Lötstelle gemessen
während in das Voltmeter nur Kupferverbindungen führen. Die Messgenauigkeit kann jedoch
mit einer Schaltung mit Doppel-Vergleichsstelle weiterhin verbessert werden. Thermoelemente
mit dieser Materialkombination werden Typ K genannt und sind besonders häufig, s. Abbildung
7. Die Wahl der Materialkombination richtet sich nach den Kosten und dem Seebeck-
Koeffizienten in Abhängigkeit zur Temperatur. Für die Referenztemperatur wird nun eine
konstante und vor allem bekannte Temperatur benötigt. Für industrielle Anwendungen werden
hierfür Thermostate verwendet.

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