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Fachthemen

Ali Arslan (†) DOI: 10.1002/bate.200910029

Zur Begrenzung der Rissbreiten bei dicken Wänden,


u. a. am Fernbahntunnel Berlin
Die Regelung zur Ermittlung der Mindestbewehrung für die Begren- This paper contains a design proposal for minimum reinforcement
zung der Rissbreiten nach DIN-Fachbericht 102 und DIN 1045-1 for thick walls, which can be found especially in bridge abutments
berücksichtigt nicht ausreichend die unterschiedlichen Rissme- ore bridge piers. The study also considers the favourable influence
chanismen bei dünnen und dicken Bauteilen. Häufig werden da- of measures concerning the concrete technology and the concrete
durch dicke Bauteile stark überbemessen. Dieser Beitrag enthält curing.
einen Bemessungsvorschlag für die Mindestbewehrung bei dicken
Wänden, wie sie insbesondere bei Brückenwiderlagern und Pfei-
lern häufig vorkommen. Dabei wird auch der günstige Einfluss aus 1 Einleitung
Maßnahmen der Betontechnologie und der Nachbehandlung be-
rücksichtigt. Risse in dicken Wänden entstehen in der Regel durch
Zwangsspannungen und Eigenspannungen infolge abflie-
Minimum reinforcement for crack limitation concerning thick
ßender Hydratationswärme. Wird ein neuer Bauteilabschnitt
walls. The regulations concerning the minimum reinforcement
an bereits vorhandenem älteren Beton betoniert, kommt es
for crack limitation, according to DIN-Fachbericht 102 and
infolge des exothermen Vorgangs der Zementhydratation
DIN 1045-1, don’t consider sufficient the differences in the me-
zu einer Erwärmung im jungen Beton, der zu einer Tempe-
chanism of crack formation between thin and thick elements.
raturdifferenz zwischen beiden Bauabschnitten führt.
Therefore thick elements are often over designed.
Da der E-Modul mit der Zeit zunimmt, entstehen bei
der Abkühlung des Betons größere Zugspannungen, die
bei Überschreiten der Zugfestigkeit zu einer Rissbildung
führen. Die Spannungen setzen sich hierbei aus Eigen- und
Zwangsspannungen zusammen (Bilder 1 und 2).
Spannungen und Verformungen werden beim Beton
im jungen Alter in erheblichem Umfang vom Erhärtungs-
zustand (Hydratationsgrad, Reifegrad), vom zeitlichen Ver-
lauf der Beanspruchung, vom Grad der Verformungsbehin-
Bild 1. Primär- und Sekundärrisse derung sowie vom viskoelastischen Verhalten des Betons
Fig. 1. Primary and secondary cracks (Relaxation) beeinflusst.

Bild 2. Spannungszustand bei behinderter Temperaturverformung infolge ungleichmäßigen Abfließens der Hydratatioswärme
Fig. 2. State of stress at restraint temperature deformation due to unsteady flow of hydration heat

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 86 (2009), Heft 6 329
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Während lastabhängige Verformungen immer in Ver-


bindung mit Spannungen auftreten, werden lastunabhän-
gige Verformungen nur dann in Spannungen umgesetzt,
wenn sie teilweise oder vollständig behindert werden. Da-
bei werden Zwangspannungen und Eigenspannungen un-
terschieden.
Bild 5. Dünnes Bauteil mit Trennrissen unter einer zentri-
2 Verhalten des Betons unter Zugbeanspruchung schen Zugkraft
Fig. 5. Thin element with seperating cracks under centric
Die Forderung des Rissbreitennachweises belegt, dass die tension force
Breite der im Bauteil auftretenden Risse ein gewünschtes
Maß mit akzeptabler Wahrscheinlichkeit nicht überschrei-
tet. Es muss der infolge der Rissbildung entstandene Deh-
nungsunterschied zwischen Stahl und Beton in jedem Sta-
dium wirklichkeitsnah abgeschätzt werden. Unter der Zug-
beanspruchung können in Bezug auf den Dehnungsunter-
schied über die gesamte Länge des Bauteils drei Zustände
unterschieden werden:
– Der Dehnungsunterschied ist überall gleich Null. Das
Bauteil ist ungerissen (Zustand 1).
– Der Dehnungsunterschied ist nur bereichsweise vor-
handen (Bild 3). Man spricht vom Einzelriss.
– Der Dehnungsunterschied ist überall vorhanden (Bild 4).
Die Betonspannung kann maximal die Zugfestigkeit βbzm
erreichen. Dieser Zustand wird als Zustand der abgeschlos-
senen Rissbildung bezeichnet.
Bei dünnen Bauteilen umfasst die Wirkungszone der
Bewehrungslagen die gesamte Zugzone. Die Risse laufen
Bild 6. Durchgehende Primärrisse und Sekundärrisse bei
als Trennrisse durch die gesamte Zugzone (Bild 5).
einem dicken Bauteil
Fig. 6. Primary and secondary through-cracks in a thick
element

Bei dicken Bauteilen ist der Rissmechanismus dadurch


gekennzeichnet, dass neben den durchgehenden Primär-
rissen in der Randzone zusätzlich Sekundärrisse entstehen
(Bild 6).
Falls im Bauteil örtlich veränderliche Beanspruchun-
gen vorhanden sind, können im Bauteil gleichzeitig alle
drei genannten Zustände auftreten. Die Modellierung für
einen der genannten Zustände zeigt nur die Ober- oder
Untergrenze des Bauteilverhaltens. Dies muss besonders
bei der Abschätzung der Steifigkeit berücksichtigt werden.
In welchem Zustand (rissfrei, Einzelriss oder abge-
Bild 3. Dehnungsverlauf beim Einzelriss
schlossenes Rissbild) sich das Bauteil befindet, hängt al-
Fig. 3. Distribution of strain in a single crack
lein vom Zusammenspiel zwischen Bauteil und Beanspru-
chung ab. Die Art der Beanspruchung (Last oder Zwang)
spielt dabei keine Rolle, deshalb ist eine Unterscheidung
der Art der Beanspruchung bei der Bemessung nur inso-
fern sinnvoll, als die Bemessungsschnittgrößen (z. B. Riss-
schnittgrößen bei überwiegender Zwangbeanspruchung)
bestimmt werden müssen.
Wenn es auch nach wie vor sinnvoll ist, zwischen
Einzelrissbildung und abgeschlossenem Rissbild zu unter-
scheiden, so ist doch die übliche Definition der abgeschlos-
senen Rissbildung als des Zustands, bei dem sich weder
Rissabstand noch Rissanzahl ändern, nicht notwendig. Die
bisher üblicherweise verwendete Definition kennzeichnet
lediglich – wenn auch nur unscharf – die Beobachtungen
in Versuchen. Unscharf deshalb, weil sowohl praktisch als
Bild 4. Dehnungsverlauf bei abgeschlossenem Rißbild auch theoretisch bei steigender Belastung zusätzliche Risse
Fig. 4. Distribution of strain in stabilized crack pattern entstehen können. Für das Verständnis der mechanischen

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Zusammenhänge ist die oben vorgestellte Definition, dass σs zulässige Spannungen in Abhängigkeit von d*s nach
überall Dehnungsunterschiede existieren, wesentlich hilf- Tafel 20
reicher, da dies bei der Modellierung berücksichtigt wer-
den muss [2]. ds ≥ d*s · fct,eff/fct,0
Bei dicken Bauteilen ist der Rissmechanismus dadurch
gekennzeichnet, dass neben den durchgehenden Primär- kc Beiwert zur Berücksichtigung der Spannungsvertei-
rissen in der Randzone zusätzlich Sekundärrisse entste- lung
hen (Bilder 5 und 6). Dies wird im DIN-Fachbericht 102, kc = 0,4 reine Biegung
II-4.4.2.2 über den Beiwert kc = 1,0 zentrischer Zwang
k Beiwert zur Berücksichtung von nichtlinear verteil-
k = 0,8 für h ≤ 300 ten Betonspannungen
k = 0,5 für h ≥ 800 k = 0,8
Ac,eff effektive Betonzugzone
und den modifizierten Stabdurchmesser d*s Act Fläche im Betonquerschnitt, die unmittelbar vor der
Erstrissbildung rechnerisch unter Zugspannungen
kc ⋅ k ⋅ h t ⋅ fct ,eff d*s ⋅ fct ,eff steht.
ds = d*s ⋅ ≥
4(h − d)fct 0 fct 0
Bei Verwendung eines langsam erhärtenden Zements mit
nur in unzureichendem Maße erfasst. geringer Hydratationswärmeentwicklung und entsprechen-
Der Beiwert k ist nur bis zu einer Größe von 0,8 zur den Maßnahmen einer thermischen Nachbehandlung darf
Berücksichtung von nichtlinear verteilten Eigenspannungen für den Nachweis des Abfließens der Hydratationswärme
gerechtfertigt. Werte zwischen 0,5 und 0,8 berücksichtigen die erforderliche Bewehrungsmenge jeweils um 10 % ab-
dagegen bei dicken Bauteilen bereits näherungsweise den gemindert werden. Abminderungsfaktor ist hierbei 0,9 · As.
Einfluss von Sekundärrissen.
Nach Auftreten des ersten Primärrisses unter einer 3.1 Empfehlung zur Wahl der effektiven Dicke deff
Zwangkraft entsteht eine Gruppe weiterer Sekundärrisse
in der Randzone. Die hierzu erforderliche Kraft ist kleiner Es wird für die praktische Anwendung empfohlen, die ef-
als die Kraft zur Erzeugung des nächsten durchgehenden fektive Dicke in Abhängigkeit der Bauteildicken gemäß
Primärrisses. Die Bildung von sekundären Rissen führt zu Bild 7 zu wählen, hierbei sind die Bauteildicken in d/(d – h)
einem Abbau der Zwangkraft [1]. dargestellt. Gleichzeitig muss beachtet werden, dass die ef-
fektive Betonfläche Ab,eff nicht größer ist als der Quotient
3 Bemessungsvorschlag aus der Zugkeilkraft F und der Zugfestigkeit β. Hiernach
ist das Verhältnis heff/d1 abschnittsweise linear abhängig
Die Grundlagen für den Bemessungsvorschlag sind in [2] vom Verhältnis h/d1. Für zentrischen Zug beispielsweise
ausführlich beschrieben. Für die Ermittlung der zur Bil-
dung der Sekundärrisse erforderlichen Risskraft wird das
Modell der effektiven Betonfläche

Ac,eff = deff · b

benutzt. Bei dieser Randzone handelt es sich um die be-


grenzte Wirkungszone einer Bewehrungslage. Bei dicken
Bauteilen kann die Mindestbewehrung durch Ausnutzung
des Zwangkraftabbaus infolge sekundärer Rissbilder abge-
mindert werden.
Es ist sicherzustellen, dass bei der Bildung eines Pri-
märrisses als Trennriss die Bewehrung nicht fließt. Daher
ist der größere der beiden Werte As1 oder As2 maßgebend.
fct ,eff ⋅ A c,eff
A s1 =
σs
(Beschränkung der Rissbreite der Sekundärrisse)
kc ⋅ k ⋅ fc,eff ⋅ A ct
A s2 =
0,9 ⋅ fyk
(Vermeidung des Fließens der Bewehrung im Trennriss)

Dabei ist:
fct,eff wirksame Zugfestigkeit des Betons zum betrachte-
ten Zeitpunkt
fct,eff = fctm Bild 7. Empfehlung zur Wahl der effektiven Dicke deff
Abfließen der Hydratationswärme: 0,5 fctm Fig. 7. Proposal for the choice of the effective concrete area

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verbleibt ab dem Verhältnis h/d1 ≥ 30 der Wert für heff/d1


konstant bei 5,0. Das bedeutet, bei dicken Bauteilen wird
maximal das 5-fache des Randabstands der rissbeschrän-
kenden Bewehrung als wirksame Betonzugzone angesetzt.
Für die Ermittlung der erforderlichen Bewehrung ist
die zulässige Spannung bei Brückenwiderlagern nach Ta-
belle 4.120 des DIN-Fachberichts 102 Betonbrücken zu
entnehmen. Für sonstige andere Bauwerke sind die Nor-
men DIN 1045-1 oder EC 2 maßgebend.

3.2 Zur Bestimmung der Schnittgrößen für den Nachweis


der Rissbreitenbeschränkung

Die Bestimmung der Zwangkraft ist schwierig, da einer-


seits die Größe der Zwangverformungen schwer zu erfas-
sen ist und andererseits die Zwangkraft nicht nur von der
Steifigkeit des zu betrachtenden Bauteils, sondern auch
von dessen Randbedingungen und somit von den Steifig-
keiten der umgebenden Bauteile abhängig ist. Darüber
hinaus reicht eine globale Betrachtung des gesamten Sys-
Bild 8. Verformungs- und Spannungsverläufe in einer Wand
tems oft nicht aus. Es muss zusätzlich die lokale Verfor-
unter zentrischer Zwangbeanspruchung
mungsbehinderung der einzelnen Teile innerhalb eines Fig. 8. Gradient of deformation and stress in a wall under
Tragwerks betrachtet werden. axial restraint deformation
Als einfaches Beispiel ist dafür der Kastenträger zu
nennen. Außer Zwang aus dem gesamten System muss der
Zwang zwischen dickem Steg und dünnem Gurt berück- – In Abhängigkeit vom Verhältnis ᐉ/h ist die Verformung
sichtigt werden. erzeugende Zwangkraft nur ein Teil der gesamten Zugkraft
Im Folgenden wird die Bestimmung der Zwangkraft (Bild 9b). Die Spannungsverteilung über die Wandhöhe
der Wände auf fertiggestellten Fundamenten erläutert. In ist ebenfalls von dem Verhältnis ᐉ/h abhängig. Je kleiner
der Regel sind die Wände dem zentrischen Zwang infolge dieses Verhältnis ist, umso unwahrscheinlicher ist, dass die
Abfließens der Hydratationswärme bzw. infolge Schwin- Risse bis zur Wandkrone durchlaufen. Bei der Bemessung
dens unterworfen. Da bei jungem Beton die Rissbildung einer Wand kann man in der Regel drei verschiedene Be-
mit einem Temperaturunterschied von ca. 7 bis 10 Kelvin reiche unterscheiden (Bild 9a). Im ersten Bereich (Höhe h1)
auftritt, kann davon ausgegangen werden, dass der Zwang wird die Rissbildung durch den Zwangaufbau zwischen
infolge Schwindens nur in seltenen Fällen die maßgebende Wand und Fundament gesteuert. Im zweiten Bereich (h2)
Rolle spielt. Je dicker die Wand oder je größer ihr E-Modul, erfolgt die Begrenzung der Rissbreite mittels der Beweh-
desto größer ist die Zwangkraft. Die zentrische Zwangkraft rung. In Abhängigkeit der Wandgeometrie kann es dazu
pro 1 m Wandhöhe bei einer Wand mit einer Dicke b kann kommen, dass im dritten Bereich (h3) die wirksame Zwang-
angegeben werden zu: verformung nicht ausreichend ist, um die Risskraft aufzu-
bauen.
Zw = εtot · Eb · b = b · βbz

Diese Zwangkraft muss aber bei Wänden nicht und über


die gesamte Wandhöhe abgedeckt werden.
Um die verschiedenen Bereiche einer Wand zu identi-
fizieren, wurde eine umfangreiche FE-Untersuchung durch-
geführt [2]. Hierbei wird auf der sicheren Seite liegend an-
genommen, dass das Fundament biege- und dehnstarr ist.
In Bild 9a ist die auf vollen Zwang bezogene Span-
nung des Querschnitts in der Wandmitte dargestellt. Man
erkennt, dass der Aufbau der Zwangkraft deutlich vom
Verhältnis ᐉ/h abhängig ist. Bei kleinerem ᐉ/h ist der Be-
reich, in dem sich der volle Zwang aufbauen kann, vernach-
lässigbar klein.
Entsprechend beschreibt das Bild 9b die Verformbar-
keit der Wände. Bei kleinem ᐉ/h wird die Verformung
nicht so stark behindert wie bei großem ᐉ/h. Hierbei sind
εzw,tot die aufgebrachte Gesamtzwangdehnung und εzw,f die
in Abhängigkeit der Wandgeometrie ungehinderte Dehnung.
Aus diesen beiden Bildern kann folgende Empfehlung Bild 9a. Unterschiedliche Bereiche für die Bemessung der
für die Abdeckung der zentrischen Zugkraft abgeleitet wer- Wände auf Fundament
den: Fig. 9a. Different zones for the design of walls on foundation

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– Geht man mit dem Verhältnis h1/h in die Kurve in


Bild 9b und stellt fest, dass die zwangerzeugende Verfor-
mung im restlichen Teil der Wand nicht zur Rissbildung
führt, εzw,w . Eb ≤ βbz, so kann in diesem restlichen Teil
ebenfalls die reduzierte Bewehrung eingelegt werden.
– Wenn die zwangerzeugende Verformung außerhalb der
Höhe h1 ausreicht, um die Rissbildung zu erzeugen, so soll
die Mindestbewehrung unter Berücksichtigung der Riss-
breitenbeschränkung eingelegt werden.
– Für den ersten und den dritten Bereich ist eine Mindest-
bewehrung
0,4 ⋅ fctm ( t ) ⋅ k ⋅ A ct
As =
zu  ⋅ σ s
und für den zweiten Bereich eine Mindestbewehrung für
zentrischen Zwang
fctm ( t ) ⋅ k ⋅ A ct
As =
zu  ⋅ σ s
vorzusehen [5].
– Bei gleichzeitiger Einwirkung von Last und Zwang muss
Bild 9b. Bezogene Spannung des Querschnitts in Wandmitte unterschieden werden, ob eine Überlagerung notwendig
Fig. 9b. Stress of the cross-section in the middle of the wall ist. In Heft 400 DAfStb wird empfohlen, eine Überlage-
rung zwischen Last und Zwang erst dann durchzuführen,
wenn die Zwangdehnung größer als 0,8 ‰ ist.

3.3 Diagramme zur direkten Bemessung [1]

Im Folgenden wird am Beispiel einer Widerlagerwand der


Bemessungsvorschlag erläutert und mit der derzeit gülti-
gen Regelung des DIN-Fachbericht 102 verglichen. Ermit-
telt wird die erforderliche Mindestbewehrung in Abhän-
gigkeit von der Wanddicke bei frühem Zwang (Abfließen
der Hydratationswärme).

Beispiel Widerlager:
Beton C 30/37
fet,eff = fctm = 0,30 · f 2/3
fck
fct,eff = 2,9 MN/m2
0,5 fct,eff = 1,45 MN/m2

Betonstahl BSt 500


fyk = 500 N/mm2
ds = 12 bis 25 mm

Wandgeometrie
b = 0,30 bis 3,00 m
d1 = 5,5 cm (Horizontalbewehrung außenliegend)

Die erforderliche Bewehrung zur Begrenzung der Riss-


Bild 9c. Anteil der zwangerzeugenden Verformung in Ab-
breite nach dem Bemessungsvorschlag kann aus den Dia-
hängigkeit von ᐉ/h
grammen in den Bildern 10 und 11 direkt abgelesen wer-
Fig. 9c. Portion of the restraint deformation for the formation
of restraint force in dependence on the ratio ᐉ/h den [1].
Weiter erfolgt der Vergleich der Bemessungsergebnisse
nach derzeitiger Regelung des DIN-FB 102 auf der Grund-
– Bedenkt man, dass Wand und Fundament schubfest mit- lage der Risstheorie für dünne Bauteile und dem Bemes-
einander verbunden sind und die Risse immer vom Wand- sungsvorschlag für dicke Wände beispielhaft für ds = 20 mm.
fuß ausgehen, kann, auf der sicheren Seite liegend, die Höhe, Zusätzlich ist der Vergleich mit der Bemessung nach [3]
die in der reduzierten Mindestbewehrung möglich ist, wie aufgeführt worden, wobei in [3] auch ein Näherungsvor-
folgt berechnet werden: schlag für die Bemessung von dicken Bauteilen enthalten
ist. Dabei wird die effektive Randzone kontinuierlich auf
w ca w cal
h1 = tan 60° ⋅ = 0,60 ⋅ eine maximale Dicke von 50 cm begrenzt.
a t ⋅ ΔTN a t ⋅ ΔTN

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Bild 10. Erforderliche Bewehrung zur Beschränkung der Rissbreite auf wk = 0,2 mm C 30/37, d1 = 5,5 cm (horizontale Be-
wehrung außenliegend)
Fig. 10. Required reinforcement for crack limitation to wk = 0,2 mm C 30/37, d1 = 5,5 cm (horizontal external reinforcement)

1) Regelung nach DIN-Fachbericht 102 Betonbrücken


2) Bemessung nach [3], Risstheorie für dünne Bauteile, ohne Abminderung für L-Zement
2*) Bemessung nach [3] mit Näherung für dicke Bauteile, ohne Abminderung für L-Zement
2**) Bemessung nach [3] mit Näherung für dicke Bauteile, zusätzliche Abminderung für L-Zement
3) Bemessungsvorschlag für dicke Bauteile nach Bild 10
3*) Bemessungsvorschlag für dicke Bauteile nach Bild 10 mit Abminderung für Betontechnologie und Nachbehandlung (0,9 · 0,9 · as)

Bild 11. Vergleich der erforderlichen Bewehrung zur Beschränkung der Rissbreite C 30/37, ds = 20 mm, d1 = 5,5 cm (horizon-
tale Bewehrung außenliegend)
Fig. 11. Comparison of the required reinforcement for crack limitation C 30/37, ds = 20 mm, d1 = 5,5 cm (horizontal external
reinforcement); 1) Regulations according to “DIN Fachbericht 102 Betonbrücken”, 2) Design according to [3], crack theorie
for thin elements, without reduction for L-cement, 2*) Design according to [3] with adaption for thick elements, without
reduction for L-cement, 2**) Design according to [3] with approximation for thick elements, supplementary reduction for
L-cement, 3) Design proposal for thick elements according to fig. 10, 3*) Design proposal for thick elements according to
fig. 10 with reduction for concrete technology and concrete curing (0,9 · 0,9 · as)

Die Bemessung nach dem vorgeschlagenen Bemes- Ab einer Wanddicke von ca. 1,60 m bleibt im Unterschied
sungskonzept ergibt gegenüber der derzeit gültigen Rege- zur DIN-Fb 102-Regelung die erforderliche Bewehrungs-
lung nach DIN 1045-1 bzw. DIN-Fb 102 deutlich geringere menge konstant. Dies ist auf die Begrenzung der mitwirken-
Bewehrungsmengen, insbesondere bei dicken Bauteilen. den Randzone bei der Sekundärrissbildung auf max. 5 d1

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zurückzuführen. Ab einer Wanddicke von 2,60 m steigt die nung möglich ist, wird eine Kühlung des Betons erfor-
erforderliche Bewehrungsmenge aufgrund des zu führen- derlich.
den Doppelnachweises wieder an, da hier der Nachweis
für den Primärriss für die Bemessung maßgebend wird. 4 Fernbahntunnel Berlin
Der Vergleich mit der in der Praxis sehr häufig ange-
wendeten Rissbreitenbeschränkung nach Meyer [3] ergibt Hier wird als Beispiel der Senkkasten für den Fernbahn-
eine gute Übereinstimmung der erforderlichen Bewehrungs- tunnel in Berlin, Gleisdreieck, kurz erläutert: Das Bauwerk
mengen sowohl dem Verlauf als auch der Größe nach, ins- ist ein Teilstück des Nord-Süd-Tunnels der neuen Fernbahn-
besondere dann, wenn die Abminderungsmöglichkeiten für trasse der DB AG im Zentralen Bereich Berlins. Das hier
Zementart und Nachbehandlung voll ausgeschöpft werden. betrachtete Bauteil ist eine Längswand eines Senkkastens.
Die Erfahrungen bei der Anwendung von [3] in der Praxis Die Wand von 1,20 m Dicke und 4,70 m Höhe wird durch
haben gezeigt, dass die zulässigen Rissbreiten nur selten die sehr steife Sohlplatte (d = 1,80 m) und wegen ihrer gro-
überschritten wurden. ßen Länge (ca. 40 m) extrem gezwängt (Bild 12).
Wenn die Temperatur und die Spannungsberech- Zur Reduzierung der Zwangbeanspruchung hatte die
nungen nicht hinnehmbar sind und keine Fugenanord- Firma HOCHTIEF eine Spannungsberechnung mit einem

a)

b)

Bild 12. Fernbahn Berlin Senkkasten; a) Übersicht und Schnitt, b) Bauablauf


Fig. 12. Railway Berlin caisson; a) overview and section, b) construction process

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Rohrinnenkühlsystem vorgesehen. Es handelt sich um Hydratationswärmeentwicklung und das wirksame Beton-


mehrere gleichartige Tunnelwände, die bis zu 15 m in das alter bestimmt. Die im Bauwerk nach 48 Stunden (wirksa-
Grundwasser ragen. Am ersten Wandbauteil wurden die mes Betonalter in der Wand im Mittel ca. 70 Stunden) ge-
Berechnungsannahmen von der TU Braunschweig, Institut messene Zugdehnung von 0,6 ‰ liegt über der Bruchdeh-
für Massivbau (iBMB), messtechnisch hinsichtlich Tempe- nung aus den Eignungsprüfungen. Eine Rissbildung kann
ratur-, Dehnungs- und Spannungsverlauf überprüft. Außer- somit nicht vollständig ausgeschlossen werden.
dem wurden die Werkstoffeigenschaften des jungen Betons
ermittelt. 5 Vergleich von Messergebnissen und Rechnung [9]
Die Wärmeentwicklung wurde am Beton adiabatisch
gemessen. Die Messwerte überschreiten die Rechenannah- Die Messungen haben gezeigt, dass durch die Bauteilküh-
men geringfügig. lung die Wärmeentwicklung im Bauteil begrenzt werden
Für die Nachweise für den Grenzzustand der Ge- konnte. Durch die homogene Temperaturverteilung ist in
brauchsfähigkeit des jungen Betonbauteils wurden wirklich- den Bauteilquerschnitten nicht mit großen Eigenspannun-
keitsnahe Spannungsberechnungen mit dem Programm gen zu rechnen. Die Festigkeitsentwicklung wird durch den
Heat 2,5 D von der ausführenden Firma HOCHTIEF AG Temperaturverlauf beschleunigt, so dass die geforderte Be-
durchgeführt. Dabei wurden u. a. folgenden Randbedingun- tonfestigkeit eines B 35 früher erreicht wird.
gen zugrunde gelegt: Der untere Wandbereich ist stark verformungsbehin-
– Umgebungsbedingungen: Sommer dert. In der Kühlperiode stellen sich Zugspannungen ein,
– Lufttemperatur 19,5 ± 4,5 K die die Zugfestigkeit des Betons erreichen. Frühe Rissbil-
– Sonneneinstrahlung entfällt wegen Folienabdeckung dung kann nicht ausgeschlossen werden. Besonders betrof-
– Frischbetontemperatur 24 K fen ist der Bereich zwischen 50 cm und 150 cm über der
– Altbetontemperatur 19 K Betonsohle, da hier durch die Lage der Kühlrohre die Kühl-
– Bodentemperatur 16 K wirkung am stärksten ist.
– Bettungsmodul Boden c = 8000,0 kN/m3 Unmittelbar oberhalb der Sohle sind die Zwangspan-
– Temperaturkühlwasser ca. 10 °C nungen am geringsten. Hier ist die Temperaturentwicklung
In den Bildern 13 und 14 werden die Ergebnisse gra- insgesamt kleiner, und der Einfluss der Kühlung macht sich
phisch dargestellt. weniger stark bemerkbar, so dass sich ein relativ konstan-
Die größte Rissgefahr besteht am Ende der Kühlphase. ter Temperaturverlauf ergibt.
Hier treten die größten Zugdehnungen auf. Im Zuge der Die rechnerisch ermittelten Spannungsverläufe in
Eignungsprüfungen wurde die Entwicklung der Festig- Bild 14 sowie die Verformungen infolge Last in Bild 13
keiten und Verformungen ermittelt. Außerdem wurden die zeigen übereinstimmend, dass der Aufbau der Zugbean-

Bild 13. Vertikales Dehnungsprofil DPV, lastabhängige Verformung, zeitlicher Verlauf


Fig. 13. Vertical strain distribution from restraint stresses vs. time

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Bild 14. Rechnerischer Verlauf der Bauteilspannungen, ohne Relaxationseinfluss (oben), mit Relaxation (unten)
Fig. 14. Calculated restraint stresses vs. time, without relaxation (above), with relaxation (below)

spruchung von der Länge der Kühlperiode abhängig ist. stieg ergäbe sich eine unkritische Beanspruchung, die
Ein frühzeitiges Beenden der Zwangskühlung im Beton- durch eine weitere Kühlphase abgebaut werden kann.
alter von ca. 36 Stunden verringert die Zwangbeanspru- Kritische Zugspannungen wären dann unwahrschein-
chung der Wand. Durch den folgenden Temperaturan- lich [9].

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Bild 15. Mindestbewehrung in schwindbehinderten Bauteilen


Fig. 15. Minimum reinforcement in elements restrained by shrinkage

Literatur Massivbau und Brandschutz, iBMB der TU Braunschweig,


[1] Mauer, R., Tue, N. V., Haveresch, H., Arnold, A.: Rissbreiten Heft 153 (2001).
bei dicken Wänden. Bauingenieur 80 (2005), H. 10. [10] Beton Kalender 2005 Teil 2, Abschnitt „Beton“ von Rein-
[2] König, G., Tue, N. V.: Grundlagen und Bemessungshilfen hardt, H. W., Verlag Ernst & Sohn, Berlin.
für die Rissbreitenbeschränkung im Stahlbeton und Spann- [11] DIN 1045-1: Tragwerke aus Stahlbeton und Spannbeton,
beton, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 466 (1996), Juli 2001.
Beuth Verlag, Berlin. [12] DIN-Fachbericht 102; Brücken, April 2001.
[3] Meyer, G.: Rissbreitenbeschränkung nach DIN 1045-1 – [13] Schießl, P.: Grundlagen der Neuregelung zur Beschrän-
Diagramme zur direkten Bemessung nach der neuen Nor- kung der Rissbreite, in Deutscher Ausschuss für Stahlbeton –
mengeneration, Verlag Bau + Technik, Düsseldorf 2007. Erläuterungen zu DIN 1045/1988, Heft 400 (1994).
[4] Röhling, S.: Zwangsspannungen infolge Hydratationswärme, [14] Rostásy, F. S., Krauß, M., Budelmann, H.: Planungswerk-
Verlag: Bau + Technik, Düsseldorf 2005. zeug zur Kontrolle der frühen Rißbildung in massigen Beton-
[5] König, G., Tue, N. V.: Grundlagen des Stahlbetons, Bemes- bauteilen – Teile 1–7. Bautechnik 79 (2002), H. 7–12.
sung nach DIN 1045-1, Teubner-Verlag, Stuttgart 2003.
[6] Onken, P., Rostásy, F.: Wirksame Betonzugfestigkeit im Autor dieses Beitrages:
Bauwerk bei früh einsetzendem Temperaturzwang, Deutscher Dipl.-Ing. Ali Arslan (†), ehem. Harzer Straße 19, 12059 Berlin
Ausschuss für Stahlbeton, Heft 449 (1995) Beuth Verlag, Ber-
lin.
[7] Schneider, K.-J. (Hrsg.): Bautabellen, 14. Auflage 2002, Wer-
ner-Verlag, Düsseldorf.
[8] DBV Sachstandsbericht: Beschränkung von Temperaturris- Anm. d. Red.: Wir bedauern, mitteilen zu müssen, dass
sen im Beton, Okt. 1996. Herr Arslan nach Einreichung und Annahme des Manu-
[9] Laube, M., Rusack, T.: Anwendung, Verifizieren und Mes- skripts für diesen Beitrag am 26. November 2008 im
sen am Beispiel Fernbahntunnel Berlin, Institut für Baustoffe, 71. Lebensjahr verstorben ist.

338 Bautechnik 86 (2009), Heft 6

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