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Charakteristische psychische
Krankheitsmerkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die charakteristischen psychischen Krankheitsmerkmale der
Schizophrenie zu klassifizieren: nach dem Positiv-Negativ-Konzept, nach den Symptomen der
akuten und chronischen Schizophrenie, nach häufig auftretenden Symptomen oder im Sinne der
Erstrangsymptome nach Kurt Schneider.
Die Symptome der Schizophrenie können in die zwei Gruppen der Positiv- und Negativ-
Symptome eingeteilt werden. Dabei sind die Positivsymptome solche, die bei einem akuten
Schub der Erkrankung besonders deutlich zutage treten, und die Negativsymptome solche, die
häufig als ein zeitlich überdauerndes Merkmal der Krankheit imponieren. Als Negativsymptome
gelten die so genannten „sechs A“ nach Andreasen:
Affektverflachung, Alogie (Sprachverarmung), Abulie/Apathie (Willenlosigkeit), Anhedonie (Unfähi
gkeit, positive Gefühle zu empfinden), Aufmerksamkeitsstörungen und Asozialität (Störung der
Kontaktfähigkeit).[16] Die häufigsten Positivsymptome
sind: Wahn, Halluzinationen, Denkstörungen und Ich-Erlebnisstörungen. Obwohl das dichotome
Modell der Schizophrenie, das Nancy Andreasen in dieser Arbeit vorgestellt hat, einer kritischen
Überprüfung nicht standhielt, war die Einführung des Positiv-Negativ-Konzeptes in der
Schizophrenieforschung überaus erfolgreich.
Wenn man nach Tim Crow die Schizophrenie in Typ-I- und Typ-II-Schizophrenie unterteilt, dann
ergibt sich eine Ordnung der Symptome danach, ob sie vorwiegend in der akuten oder in der
chronischen Phase auftreten.[17] Die häufigsten Symptome der akuten Phase sind u. a.: Mangel
an Krankheitseinsicht, akustische Halluzinationen und Wahn. Die häufigsten Symptome der
chronischen Phase sind u. a.: sozialer Rückzug, Antriebsarmut und Sprachverarmung. Diese
Klassifikation der Schizophrenie konnte aber in nachfolgenden empirischen Untersuchungen
nicht repliziert werden.
Operationalisierte Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Um eine operationalisierte Diagnostik für eine Erkrankung vornehmen zu können braucht man
zwei Dinge: erstens diagnostische Kriterien, also Symptome, Zeichen, Befunde, Zeit- und
Verlaufskriterien im Sinne von Einschluss- und Ausschlusskriterien; zweitens Entscheidungs- und
Verknüpfungsregeln für diese Kriterien.
Die Symptomkriterien werden in Lehrbüchern der Psychopathologie oder in den Handbüchern
und Manualen zu psychiatrischen Skalen genau beschrieben und sind oftmals vom alltäglichen
Sprachgebrauch verschieden. Die benutzen Begriffe, wie „Episode“ oder „Störung“ unterliegen
ebenfalls genauen Definitionen und dürfen nicht mit Alltagsbegriffen verwechselt werden. Die
Operationalisierung erfolgt unterschiedlich streng, für Forschungszwecke etwa werden strengere
Kriterien angelegt.
Für die Schizophrenie unterscheidet der ICD-Katalog allgemeine diagnostische Kriterien für die
Schizophrenie und einen Ausschlussvorbehalt. Dann werden diagnostische Kriterien für die
Subtypen der Erkrankung (paranoid, hebephren, kataton und undifferenziert) vorgeschrieben,
sowie für die postschizophrene Depression, das schizophrene Residuum und die Schizophrenia
simplex. Außerdem werden Regeln für die Verlaufsbilder angegeben.
Der diagnostische Algorithmus zur Schizophrenie sieht gemäß ICD-10 folgendes vor. Es wird
zuerst ein Zeitkriterium definiert: Die Symptome müssen mindestens einen Monat kontinuierlich
vorliegen. Sodann werden zwei Reihen von Symptomgruppen definiert. Die erste Reihe umfasst
die Symptomgruppen 1 – 4 Die zweite Reihe umfasst die Symptomgruppen 5 – 9. Dabei stimmt
die Symptomgruppe 1 – 4 nach dem ICD-10 inhaltlich weitgehend mit den Erstrangsymptomen
nach Kurt Schneider überein.
Zum Abschluss wird Ausschlussvorbehalt definiert. Eine Schizophrenie soll nicht diagnostiziert
werden, wenn die Symptomkonstellation eher auf ausgeprägte manische oder depressive
Zustände schließen lässt. (Differenzialdiagnose resp. Differenzialtypologie nach K. Schneider
gegen andere „endogene Psychosen“) oder wenn eine somatische Gehirnerkrankung vorliegt
(Tumor) oder wenn Hinweise für Intoxikationen oder Substanzentzug als Ursache für die
Symptome vorliegen (Differenzialdiagnose gegen körperlich bedingte Störungen = „organische
Psychosen“).
Der Algorithmus lautet dann: Wenn ein eindeutiges Symptom der Symptomgruppe 1 – 4 oder
zwei eindeutige Symptome der Symptomgruppen 5 – 9 mindestens einen Monat kontinuierlich
vorliegen und sich keine Ausschlusskriterien finden, darf die Diagnose einer Schizophrenie
gestellt werden.
Für die Schizophrenie wird dann noch die Krankheit den Subtypen nach dem ICD zugeordnet
und das Verlaufsbild mit Hilfe von acht verschiedenen Regeln klassifiziert. Eine operationalisierte
ICD-Diagnose der Schizophrenie kann dann etwa so aussehen:
Wenn ein Patient über mindestens einen Monat einen kulturell unangemessenen Wahn zeigt
(Symptom der Symptomgruppe 1 – 4),
Wenn Symptome der anderen Subtypen im Hintergrund stehen (z. B. katatone Symptome),
Wenn die Ausschlusskriterien erfüllt sind,
Wenn die Symptome schubförmig über mehrere Jahre immer wieder aufgetreten sind und
Wenn der Patient zwischen den akuten Krankheitsphasen symptomfrei oder symptomarm
war, lautet die Diagnose:
o Paranoide Schizophrenie (Subtyp Nr. 1) F 20. 0
o Episodisch remittierend (Verlaufskriterium Nr. 3). x3.
Die vollständige Notation heißt dann: Paranoide Schizophrenie, episodisch remittierend (ICD-10
F 20. 03)
Komorbidität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit dem Begriff der Komorbidität meint man das gemeinsame Auftreten verschiedener
Erkrankungen. Die Diagnoseregeln des ICD-10 fordern, dass man kein Symptom unterschlägt,
weil es nicht zu einer Diagnose passt, sondern so viele Diagnosen stellt, wie zur Abbildung aller
gefundenen Symptome notwendig sind. Dieses Vorgehen ist keineswegs selbstverständlich, was
erst im Vergleich mit historischen Konzepten, etwa Karl Jaspers Schichtenregeln klar wird.
In den modernen Diagnosesystemen geht man von solchen, zwar naheliegenden, aber dennoch
empirisch nicht belegbaren Vorannahmen ab. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Patienten mit mehreren Erkrankungen sind schwerer erkrankt und ihre Prognose ist
ungünstiger.
Die Komorbidität kann Hinweise auf die Ätiologie einer Erkrankung geben.
Wenn man die Schichtenregel verlässt, ändern sich die Prävalenzzahlen: Bestimmte
Diagnosen treten dann häufiger auf.
Die Einführung des Konzeptes der Komorbidität hat ergeben, dass bestimmte Erkrankungen
(beispielsweise Sucht oder Persönlichkeitsstörungen) häufig kombiniert auftreten. Dieses
Phänomen wird unterschiedlich erklärt, etwa so, dass komorbide Erkrankungen Folge einer
bestimmten anderen Erkrankung seien (Beispiel: Sucht als Folge der Angst), dass die
Komorbidität auf gemeinsame Ursachen verschiedener Erkrankungen hinweist (Beispiel: Angst
und Depression) oder dass die Komorbidität ein Artefakt aufgrund unscharfer diagnostischer
Kriterien oder fehlerhafter Diagnosealgorithmen sei (Beispiel: abhängige Persönlichkeit und
soziale Phobie).