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Verlag von Wilhelm Friedrich
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'Tibia Wüiurescu.
M. K.
Tiefe Sammlung enthält Ueberfeßungen von bereits
in rumänifcher Sprache niedergefchriebenen Märchen, die
jedoch nur einen kleinen Theil des. unerfchöpflichen SchaheZ *
bilden- der im Volke lebt. Die Originale derfelhen
find in dcr rumänifchen Literatur zerftreut. Die bedeutendfte
rumänifche Märchenfammlung ift die des Herrn V, Jfpirescu
welcher das 2.- 5.- 6.7 8.F 11.- 13.- 16.7 17. und 18. Mär
chen in vorliegendem Buehe entnommen find. Das 15. ift
au? der kleinen Sammlung des Herrn T, M. Arfenie; die
übrigen Märchen find aus verfchiedenen Jahrgängen der
Zeitfch'rift (l0n70kbjkj biterare überfeht. Unter diefen ent
ftammen der Feder deS Herrn J. Creanga 4- 9 und 19F
derjenigen des Herrn Miron Vompiliu das 10.; während 1,
3, 77 127 20 von Herrn SlaviciF der das 14, eigenZ für
diefe Sammlung rumänifch niedcrfchrieb- dem Volke nach
erzählt worden find. .
Inhalt.
Seite
wmqmQxp-wxcay Stan Bolovan . . . . . . ,
Jugend ohne Alter und .Leben ohne Tod . 16
. Die Zwillingsknaben mit dem goldenen Stern 3()
Das Beutelchen mit zwei Dreiern 42
. Das verwunfchene Schwein . 48
. Mogarzea und fein Sohn 67
. Die fchlaue Jleane . . . . . . '75
. Die Kaifertochter und der Fifcher . 89
. Iwan mit dem Ränzel 96
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QQUPWWBD . Waldröschen . . . , . . 118
Die Stimme des Todes . . . 133
Mutters Häuschen . . . 137
Tellerchen . .
. . . . . 153
Der arme Junge .- . . . . ,. . 167
Die Alte und der Alte , . 193
.
Der Erbfenkaifer . . . . . . . . 196
, .
Der Morgenftern und der Abendftern . 204
x18, Der Wundetvogel , . . . . . 213
19. Die zwei Stieffchweftern . . 228
20. Die Fee der Morgenröthe . 238
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Zinn ?holt-ran.
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_3_
feiner Erdenreife befand„ fpraeh er auch bei Stan ein. Er
reifte mit dem Apoftel VetruÖh und fie wurden mit großer
Freude wie werthe Gäfte in Stan's Haufe aufgenommen,
mit den beiten Speifen genährt und die guten Reden fehlten
weder von Seiten Stan?- noih von der feiner Frau. Chriftus
hatte gefehew daß fie gute Leute warem und als er die Hafer
fiicke wieder über die Schulter warß um weiterzugehem fragte
er Sram was er fich wünfche„ damit er ihm drei Wilnfche
erfüllen könne.
„Herß gieb mir Kinder!“ antwortete Stan.
„Was foll ich Dir weiter geben?“
„Kinder, Herr„ gieb mir Kinder!“
„Nimm Dich in Acht“, fagte ihm der Herm „fonft wer
den e-Z zu viel. Haft Du genug um fie zu erhalten?“
„Gieb mir nur, Hern und frage nach nichts weiter!“
Chriftus machte fich mit St. Peter auf,*Stan aber begleitete
fie bis zum Landweg damit fie nicht etwa den richtigen Weg
verlören und fich zwifchen den Feldern und Wäldern verirrten.
Als Stan wieder zu Haufe anlangte„ fand er das Hau-Z,
den Hof und den Garten voll von Kindern. Ein-Z» neben
dem andern„ und alle zufammen nicht weniger noch mehr
als hundert, Und keins war größer als das andere fondern
eines immer kleiner alcZ das andere, eins immer raufluftigen
immer kecker„ immer durchtriebener und immer fchreihalfiger
als das andere. Und der liebe Gottt ließ den Stan fühlen
und wiffen, daß fie alle ihm gehörten und fein wären.
„Herrgottl wie viele Du mein Gott!" rief er in ihrer
Mitte ftehend:
„Aber nicht zu viele Mann“„ fagte die Frau, auch ein
Häuflein mit dringend.
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_4_
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einem Feldef. das ausgerollt wie ein Kuchen da lagf eine
Hürde. An der Hürde ftanden fieben Schäfer, drinnen aber
lagerte im Schatten eine Schafheerde.
„Herr- fteh' mir beiC fagte Stan und ging auf die
Hürde zu7 um zu fehen. ob er mit Geduld und Ueberlegung
nicht hier ein Gefcha'ft machen könnte. Allmählich merkte
aber Stanj daß auch hier nicht viel mehr Hoffnung war
als er da gefunden, wo er bisher gewandert. Es war näm
lich fo: an jedem Tagef gerade um Mitternacht kam ein
wüthender Drache und nahm einen Widder. ein Schaf und
ein Lamm aus der Heerdef alfo je 3 Stück Vieh. Die
Milch aber von 77 Lämmlein brachte er der alten Drachin,
damit fie fich in ihr bade und fich verjiinge , . . Und die
Hirten waren darüber empört und beklagten fich in bitteren
Worten darüber. So daß Stan fah. daß er von hier nicht
gerade überreich beladen heimkehren würde zu den Kindern.
Ja, aber es giebt keinen mächtigere Sporn. als wenn
man feine Kinder daheim hungern ficht. Stan ging ein
Gedanke durch den Kopf. und er fagte in gewagter Rede:
„Und was würdet Ihr mir gebenx wenn ich Euch von dem
gierigen Drachen befreite?“
„Von drei Widdern fei einer der Deine, von den
Schafen immer das drittej von den Lümmern aber eins Dir
und zwei uns“. entgegneten die Hirten.
„Gutes Uebereinkommen'ß dachte Stan„ aber es beun
ruhigte ihn, daß es ihm allein zu fchwer werden möchte, die
Heerde nach Haus zu treiben!
f Damit hatte es aber noch keine Eile. Bis Mitternacht
blieb noch ein Stück Zeit. Und her-nach - aufrichtig ge
ftanden - wußte Stan auch noch nicht. wie er mit dem
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Drachen fertig werden follte. „Der Herrgott wird mir fchon
einen guten Gedanken fchicken", fagte er, dann zählte er
wiederum die Heerde„ um zu fehen. wie viel Stück ihm
bleiben wiirden.
Gerade um Mitternachty als Tag und Nacht einen
Augenblick des Kampfes müde, ftill ftandem fühlte Stan„ daß
er einen Anblick von etwas nie dagewefenem hätte. Es war
etwas was fich gar nicht fagen läßt. Nämlich fo fchrecklich,
als wenn ein Drachen kommt. Es war, als ob er Fels
fteine in die Bäume fchleudere und fo fich den Weg durch
die alten Hochwälder bahnte, So etwas, daß fogar Stan
zu Sinne war„ als thäte er gut den kürzeften Weg zu nehmen
und nicht weiter mit Drachen anzubinden. Ia„ aber zu
Haufe hungerten die Kinder! - “
„Ich Dich. oder Du mich t“ fagte fich Stan und blieb
da„ wo er gewefen warf am Rand der Hürde.
„Haltl“ rief Stan. als er den Drachen dicht an der
Heerde fah, und er rief es„ als ob er wer weiß wer fei.
„Hm“„ fagte der Drache „woher tauchft Du denn auf,
daß Du mich fo anfchreift?"
„Ich bin Stan Bolovan, der Nachts die Felfen frißt
und Tags weide ich auf den Bäumen der Hochwäldem und
wenn Du die Heerde anriihrfß fchneide ich Dir ein Kreuz
auf den Rücken und bade Dich in heiligem Waffer.“
Als der Drache folche Worte hörte„ hielt er mitten im
Wege an„ denn er fah, daß er feinen Mann gefunden.
„Vorher aber mußt Du Dich mit mir meffen'ß entgegnete
er fo mit halbem Munde.
„Ich mit Dir?" fagte Stan. „Hüte Dich vor dem
Worte das Dir entfchltipft ift. Mein Athem ift ftärker als
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..Ueberlaß ihn mir nur“. fagte fie. nachdem fie alles
erfahren. „durch meine Finger ift noch kein Menfch geglitten!“
Und fo blieb's bei dem. was abgemacht worden war.
Stan Bolovan war Knecht beim Teufel und feiner Mutter.
Viel auf einmal. ich weiß wirklich nicht. was dabei heraus? '
kommen wird, y
Am nächften Tage theilte die Drachin ihm Arbeit zu.
Sie follten fich in der Drachenwelt ein Zeichen geben mit*
einer fiebenfach eifenbefchlagenen Keule. Der Drache hob die
Keule auf und warf fie drei Meilen weit. darauf machte er
fich mit Stan auf. damit der fie auch drei Meilen weit.
oder wo möglich noch weiter würfe. Als Stan an der
Keule anlangte. fing er an. fie etwas beforgt zu befchauen.
Er fah. daß er mit allen feinen Kindern zufammen fie nicht
einmal vom Erdboden würde heben können.
..Was fiehft Du da?“ fragte ihn der Drache.
..Ja. fiehft Du. es ift eine fchöne Keule. Schad' um
fie“. entgegnete Stan,
..Wie? fchad' um fie?" fragte der Drache.
„Nur“. erwiderte Stan. ..weil Du fie. fürchte ich. Dein
Lebtag nicht mehr wiederfehen wirft. wenn ich fie werfe.
denn ich kenne meine Kraft."
..Fürcht' Dich nicht. wirf nur.“ fagte ihm der Drache.
..Wenn Du doch meinft. dann wollen wir erft hingehen
und uns für drei Tage was zu effen holen. *- denn. wenn
nicht mehr. fo werden wir drei Tage hinter ihr herzugehen
haben.“
Nach diefen Worten bekam auch der Drache Angft. aber
er glaubte doch nicht. daß e?- fo fchlimm fein würde wie
Stan fagte. Sie gingen alfo nach Haufe wegen der Eßwaaren.
_10_
obgleich es ihm gar nicht paßte„ daß Stan fein Jahr aus
diente, indem er nur der Keule nachliefe. Als fie wieder bei
der Keule anlangtem feßte fich Stan auf den Sack Eßwaaren
und blieb fo im Anfchauen des Mondes verfunken.
„Was machft Du?“ fragte der Drache,
„Ich warte nur, daß der Mond vorbeizieht.“
„Wes-halb?“
„Siehft Du denn nicht„ daß mir der Mond im Wege
fteht"„ fagte Stan. „Oder willft Du„ daß ich die Keule in
den Mond werfe?“
Jeßt begann der Drache fich ordentlich zu beunruhigen.
Es war eine Keule. die ihm vom Großvater überkommen
* war„ und er hätte fie durchaus nicht an den Mond ver
lieren mögen.
„Weißt Du was?“ fprach er, „Laß es lieber, wirf die
Keule nicht ich werde fie fihon werfen."
„Gewiß nicht„ da fei Gott vor!" fagte Stan, „warte
nur, daß der Mond vorüberziehtt"
Und dariiber entfpann fich nun ein langes Gefpräch
denn nur um fieben Säcke Dukaten hat Stan fich dazu ver
ftehen wollen, daß der Drache noch einmal die Keule warf.
„O weh- Muttery das ift ein gewaltiger Mann“, fprach
der Drache zu feiner Alten. „Ich habe ihn kaum darin
verhindern könnem daß er die Keule in den Mond warf."
Da fing auch die Drachin an„ fich zu beunruhigen. Denk'
nur mal an! Ob das ein Scherz wäre, wenn Jemand bis
in den Mond werfen kann! Drachin aus Drachenbrut war
fie„ aber am nächften Tag hat fie fich noch eine fchwerere
Sache ausdenken miiffen.
„Tragt Waffer“„ fagte fie in der Früh, dann gab fie
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jedem zwölf Büffel-Schläuche mit dem Befehl fie bis zum
Abend anzufüllen, und fie alle zugleich in's Haus zu bringen.
So gingen fie zu dem Steinbrunnem der Drache hatte
ehe man nur mit den Augen blinkt, alle zwölf Büffelhäute
gefüllt und war im Begriff fie zurückzubringen. Stan war
müde, er hatte kaum die leeren Schläuche fchleppen können.
Und Schauer zogen ihm durch die Aderm wenn er an die
vollen dachte. Was that er aber? Er zog eine abgenußte
Mefferklinge aus dem Gurt und fing an mit ihr die Erde
rund um den Brunnen herum zu rißen. '
„Was machft Du da?" fragte der Drache.
„Ich habe doch nicht Tinte gefoffen, daß ich mir die
Arbeit machef die Büffelfchlc'iuche mit Waffer zu füllen!" ent
gegnete Stan.
„Wie willft Du denn aber das Waffer in's Haus
bringen?“
„Wie'? So wie Du es fiehft", fagte Stan. „Ich nehme
den Brunnem Du!"
Hier blieb der Drache mit offenem Munde ftehen. Das
hätte er um Alles in der Welt nicht gewollt, weil der Brunnen
noch aus der Zeit feines Großvaters ftammte.
„Weißt Du was?“ fagte er beforgh „laß mich lieber
auch Deine Haute tragen!"
„Gewiß nicht„ da fei Gott vor'ß entgegnete Stan um
den Brunnen herum weiter grabend.
Und icht entfpann fich darüber ein langes Gefprüch,
und auch diesmal konnte der Drache nur mit fiebeu Sticken
Dukaten Stan befchwichtigen.
Am dritten Tage alfo an dem letztem fandte die Drachin
ihn in den Wald nach Holz.
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Ehe man eins„ zwei, drei gefagtx riß der Drache foviel
Bäume aus, wie Stan fein Leben lang nicht beifammen ge
fehenf und fchichtete fie auf einander. Stan begann aber fich
die Bäume zu befchauen und wählte die fchönften aus. Dar
auf kletterte er auf einen derfelben und band feinen Wipfel
mit einer wilden Weinrebe an den nächften Baum. Und
fo7 ohne etwas zu fprechen, band er immer einen fchönen
Baum an den anderen.
„Was machft Du da?“ fragte der Drache.
„Du fiehft ja. was ich macheC entgegnete Stan- ruhig
weiter arbeitend.
„Warum bindeft Du die Bäume aneinander.
„Siehf nur um mir keine unnöthige Arbeit zu machen.
indem ich einen nach dem anderen ausreiße“. fagte Stan.
„Aber wie willft Du fie nach Haufe bringen?“
„Ich bring den ganzen Wald. Duf kannft Du das nicht
verftehen?“ fagte Stan und knüpfte immer weiter.
Jept war den Drachen zu Muth als folle er Reißaus
nehmen und erft zu Haufe anhalten.
Er fürchtete fich aberf daß er plößlich merken würde.'
wie Stan ihm den ganzen Wald an den Kopf wiirfe.
Diesmal, weil es am Ende des Dienftjahres war, war
' des Hin- und Herredens kein Ende. Stan wollte fich weiter
gar nicht auf ein Gefpräch einlaffen. fondern hatte feinen
Kopf drauf verfeht, um jeden Preis den Wald auf den
Rücken zu nehmen.
„Weißt Du was f?“ fagte der Drache vor Furcht zitternd.
„Dein Lohn foll fiebenmal fieben Säcke Dukaten fein7 und
damit laß es gut fein.“
„Na„ fo fei's, weil ich fehe7 daß Du ein braver Kerl
_13_.
bift“. fagte Stan und traf mit dem Drachen das Ueberein
kommen. daß er auch für ihn das Holz trage.
Jeht *war das Jahr um, Stan beunruhigte fich nur
um Eins: wie er die vielen Dukaten nach Haufe fchleppen
follte.
Am Abend faß der Drache und feine Mutter im Ge
fpräch in der Stube. Stan horchte aber vom Flur aus auf
ihre Rede.
..Weh und Leid über uns“. fprach der Drache. ..diefer
Menfch bringt uns aus den Fugen. Gieb ihm Geld. gieb
ihm fogar noch mehr. nur damit wir ihn los werden.“
Ja. aber der Drachin kam es etwas auf's Geld an,
..Eins aber laß Dir gefagt fein.“ fprach fie. „Du mußt
diefen Menfchen heut Nacht umbringen.“
„Ich fürchte mich. Mutter“. entgegnete er erfchreckt.
..Darum forge Dich nicht“. fagte feine Mutter. ..Wenn
Du fiehft. daß er fchläft. nimm die Keule und fchlag ihn
gerade mitten auf die Stirn!“
So war es alfo abgemacht. Ja. aber Stan hatte
immer den guten Gedanken zur rechten Zeit. Als er fah.
daß der Drache und feine Mutter das Licht gelöfcht. nahm
er den Schweinetrog und legte ihn mit dem Boden nach
oben an feiner Statt. deckte ihn fchön mit dem zottigen
Bauernrock zu. er aber legte fich unter das Bett. dann be
gann er zu fchnarchen wie einer. der in tiefem Schlummer liegt.
Der Drache ging leife hinaus. näherte fich dem Bett.
hob die Keule und fchlag einmal dort hin. wo das Kopf
ende war, Der Trog fchallte hohl wieder. Stan ächzte
unter dem Bett. der Drache aber zog fich leife in die Stube
zurück.
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Innern! ohne ?chef uncl Yelien olinr Toll.
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_17 M
mit fich und gingen in das Haus des weifen Mannes. Als
der Alte fie von fern kommen fah. ging er ihnen entgegen
und fagte alfogleich:
..Seid willkommen! Aber was willft Du wiffen.
Kaifer? Der Wunfch. den Du hegft. wird Dir Trauer
bringen.“
„Ich bin nicht hier. um Dich danach zu fragen“.
fagte der Kaifer. ..fondern um zu wiffen. ob Du irgend
welche Kräuter haft. die Du uns geben kannft. damit wir
Kinder bekommen.“
„Die habe ich“. entgegnete der Alte. „aber Jhr werdet
nur ein Kind haben: Es wird ein fchöner. liebreizender
Knabe fein. und er wird Euch nicht erhalten bleiben.“
Nachdem der Kaifer und die Kaiferin die Heilkräuter
genommen. kehrten fie froh zum Valaft zurück. und nach
einigen Tagen fühlte fich die Kaiferin Mutter, Das ganze
Reich. der ganze Hof und alle Dienerfchaft freuten *fich diefes
Ereigniffes. Ehe aber noch die Stunde feiner Geburt kam.
begann das Kind ein Gefchrei. das keine Zauberkunft zum
Schweigen bringen konnte. Da fing der Kaifer an. ihm
alle Güter der Welt zu oerfprechen. aber es war keine Mög
lichkeit. ihn zu beruhigen.
..Schweig. Vaters Herzenskind“. fagte der Kaifer. ..denn
ich werde Dir diefes und jenes Kaiferreich geben; fchweig.
mein Sohn. denn ich werde Dir zur Gemahlin diefe oder
jene Kaifertochter geben.“ Endlich. als er fah. daß er
immer noch nicht aufhörte. fagte er ihm noch: ..Schweig. mein
Knabe. ich werde Dir die Jugend ohne Alter und das Leben
ohne Tod geben.“
Darauf fchwieg das Kind und kam zur Welt; aber die
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_18'_
Hofleute fchlugen die Pauken und bliefen die Trompeten.
und im ganzen Reiche herrfchte große Fröhlichkeit eine ganze
Woche lang.
Je mehr der Knabe wuchs. defto nachdenklicher und
finnender wurde er. Er ging in die Schulen und zu den
Vhilofophen. alle[ Gelehrfamkeit wurde ihm zueigen. fo
daß der Kaifer vor Freude ftarb und wieder auflebte.
Das ganze Reich war ftolz. daß es einen fo weifen
und wohlgebildeten Kaifer. gleichfam einen Kaifer Sa
lomon haben wiirde. Eines Tages aber. als das Kind ge
rade fein 15. Jahr vollendete. war der Kaifer mit allen
Herren und den Großen des Reiches bei Tifch und ver
gnügte fich. als der fchöne Prinz aufftand und fagte: .,Vater.
jeht ift die Zeit gekommen. jeht mußt Du mir das geben.
was Du mir *bei meiner Geburt verfprochen haft!“
Als der Kaifer folches hörte. betrübte er fich fehr
und fagte ihm: ..Aber mein Sohn. wie kann ich Dir
ein fo unerhörtes Ding geben? Und wenn ich es Dir da
mals verfprach. war es nur. um Dich zum Schweigen zu
bringen!“
..Wenn Du es mir nicht geben kannft. Vater. bin ich
gezwungen. die ganze Erde zu durchwandern. bis ich das
mir Verfprochene finde. deffentwegen ich zur Welt kam!“
Darauf fielen alle Herren und der Kaifer ihm zu Füßen
und baten ihn. das Reich nicht zu verlaffen. weil. wie die
Herren fagten. fein Vater jeht alt würde. und fie ihn auf
den Thron erheben und ihm die fchönfte Kaiferin unter der
Sonne zur Frau geben wollten.; aber es war unmöglich. fei
nen Entfchluß wankend zu machen. denn feft wie der Fels
beftand er auf feinen Worten. Als fein Vater aber alles
"19_
drei Tagen und drei Nächten ging die Kunde durch das
Land. daß Anna Korn gefammelt. gemahlen. gefiebt. ge
knetet und das Brad gebacken habe. fo wie fie es beim Erd
beerfuchen verfprochen hatte. Und nach wiederum drei Tagen
und drei Nächten ging die neue Kunde durch das Land. daß
Stana Leinfäden gefammelt. den Hanf gebrochen. gedörrt. .
gehechelt. zu Linnen gefponnen. das Linnen gewebt und
ihrem Gemahl das Hemd auf den Leib genäht habe. fo wie
fie es beim Erdbeerfuchen verfprochen hatte.
Nur Laptißa hatte noch nicht ihr Wort erfüllt. aber
nur mit der Zeit erfüllt fich Großes.
Als fich zum fiebenten Mal der fiebente Tag vollendete.
vom erften Tage der Hochzeit an gezählt. erfchien der
Kaiferfohn vor feinen Tapferen und dem anderen Hofftaat
mit freudigem Geficht und viel weicherer Stimme als bis
her und that kund und zu wiffen. daß er von jeht ab lange
Zeit nicht mehr feinen Hof verlaffen würde. weil das Herz
ihn zöge. Tag und Nacht bei feiner Gemahlin zu bleiben.
Und die Welt und das Land und das ganze Kaifer
reich freuten fich darauf. das zu fehen. was man noch nie
erblickt hatte.
Ja. aber Vieles gefchieht in der Welt. und unter dem
Vielen viel Gutes und viel Böfes!
Es hatte fich nämlich zugetragen. daß der Kaiferfohn
eine Stiefmutter hatte. und diefe eine fchb'nhaarige Tochter.
die fie mit in's Haus gebracht. da fie noch von ihrem erften
Gemahl war. Aber weh denen. die in folche Berwandtfchaft
gerathen! _
Die Stiefmütter hatte nun gedacht. daß ihre Tochter
Gemahlin des Kaifers und Kaiferin über das ganze Reich
werden foll. und nicht Milchweißchen. die Tochter des Hir
ten. Darum wollte fie es fo machen: wenn gefchah. was
Laptiha gefagt hatte. follte die Welt und der Kaiferfohn
glauben. daß es nicht fo wäre. wie es wirklich gefchehen und
wie es* vorher gefagt war.
Noch konnte fie aber ihren Plan nicht ausführen. weil
der Kaiferfohn Tag und Nacht bei feiner Gemahlin blieb.
Sie dachte aber. daß fo nach und nach. durch Rede und
Schlauheit. fie ihn davon abbringen könne. und dann blieb
Laptißa in ihrer Sorge. und dann wollte fie fchon dafür
forgen! 7
So mit ein paar Worten konnte fie den Kaiferfohn
aber nicht entfernen. Die Worte verwehten im Wind. und
alle Schlauheit blieb erfolglos. Die Zeit verging. der Tag
war nahe. fchon morgen. übermorgen konnte er dafein. und
der Kaiferfohn trennte fich nicht von feiner Gemahlin.
*Als die Stiefmütter fah. daß nichts anfäjlug. legte es
fich ihr wie ein Stein auf das Herz. und fie fchickte Nach
richt und Kunde ihrem Bruder. deffen Reich nahe lag. daß
er mit Soldaten und Helden kommen folle und den Kaifer
in den Krieg rufen. .
Dies war nun gut ausgedacht und. wie man fehen
wird. auch nicht vergeblich. Der Kaiferfohn fprang hoch
auf vor Zorn. als er die Kunde hörte. daß die Sol
daten des Feindes auf dem Wege feien um in fein Land
einzufallen. und daß werden folle. was lange nicht war
_nämlich eine Schlacht. eine furchtbare Schlacht. eine Schlacht
zwifchen zwei Kaifern. Da fah er. daß jeßt keine Hülfe mehr
fei. daß er t'hun müffe. was gethan werden mußte.
Denn fo find die Kaiferföhnel Wie gern fie auch die
3
_34_
Gemahlin behiiten. wie fehnfüchtig fie auch die Söhne erwar
ten: wenn fie von Krieg hören. dreht fich ihnen das Herz
ihm Leibe herum. fpringt ihnen das Gehirn im Kopf. trüben
fich ihnen die Augen. da laffen fie Frau und Kind in des
lieben Gottes Schuh und eilen wie der Wind in den Krieg,
Der Kaiferfohn brach auf wie die Gefahr. eilte wie
die Strafe Gottes. fchlug fich. wie er fich fchlug. wie nur
eben er fich fchlug. und war am dritten Tage bei Morgen
grauen wieder im kaiferlichen Hof. das Herz durch den
Kampf geftillt. aber voll ungeftillter Sehnfucht zu wiffen.
was gefchehen fei. feitdem er fortgezogen.
Und - fo war es gefchehen: Gerade am dritten Tage
im Morgengrauen. als die Sterne am Himmel verlöfchten.
als der Kaiferfohn nur drei Schritte von dem Thore feines
Palaftes entfernt war. ließ fich die Gabe des Herrn zur
Erde hinab. und es gefchah. wie Laptißa vorhergefagt: zwei
fchöne Knaben. Kaiferföhne. einer wie der andere. mit gol
denem Haar und dem goldenen Stern auf der Stirn.
Aber die Welt follte fie nicht fehen.
Die Stiefmutter. böfe wie ihre Gedanken waren. legte
fchnell zwei junge Hunde an Stelle der fchönen Knaben und
grub die Kinder mit dem goldenen Haar und dem Stern
auf der Stirn an der Ecke des Palaftes ein. gerade unter
den Fenftern des Kaifers.
Als der Kaiferfohn in den Palaft trat und hören und
fehen wollte. hörte er Nichts und fah nur die beiden Hünd
chen. welche von der Stiefmutter in Laptißas Bett gelegt
waren.
Viele Worte wurden nicht verloren. _Der Kaiferfohn
fah mit eigenen Augen. und das genügte. Laptißa hatte
_35 „
ihm niht Wort gehalten. und nun blieb nichts Anderes
übrig. als daß die Strafe fie träfe.
Der Kaiferfohn konnte niht anders. es zerriß fein Herz.
aber_er befahl. daß man die Kaiferin bis an die Bruft in
die Erde eingraben folle. damit fie fo in den Augen der
Welt bleibe zum Zeichen. was aus denen wird. die einen
Kaiferfohn betrügen wollen.
Am anderen Tage - da gefhah es nah dem Wunfhe
der Stiefmutterl Der Kaiferfohn vermählte fich zum zweiten
Mal. und wiederum dauerte die Freude der Hochzeit drei
Tage und drei Nähte.
Aber Gottes Segen ruht niht auf ungerehter That.
Die beiden Prinzen fanden keine Ruhe in der Erde,
Dort. wo fie begraben waren. wuhfen zwei fhöne Espen.
Als die Stiefmutter fie wuhfen fah. befahl fie. daß man fie
mit der Wurzel ausreiße, Der Kaifer aber fagte: „Laßt fie
wuhfen. fie gefallen mir vor dem Fenfter. Solhe Espen
habe ih noch nie gefehenl“
Und fo wuhfen die Espen. wuhfen fo. wie andere Espen
nicht wuhfen: an jedem Tage ein Iahr. in jeder Nacht ein
anderes Jahr. aber im Morgengrauen. wenn die Sterne am
Himmel verlöfhen. drei Jahre in einem Augenblick. Als drei
Tage und drei Nähte vollendet. waren die beiden Espen
fiolz und hoh und erhoben ihre Zweige bis an das Fenfter
des Kaifers. Und wenn der Wind ihre Zweige'bewegte.
laufhte der Kaifer und laufhte ganze Tage lang ihrem Gefliifter.
Die Stiefmütter ahnte. was es war. Hin und her
dahte fie. wie fie um jeden Preis die Espen vertilgen könnte.
Es war fhwer. aber der Frauen Wille preßt aus Stein Milh.
die Lift der Frauen befiegt die Helden; was Kraft niht
3*
vermag. vermögen füße Worte. und was diefe nicht können.
bewirken heuchlerifche Thränen.
Eines Morgens fcßte fich die Kaiferin auf den Rand
des Bettes zu ihrem Gemahl und fing an. ihn mit Zärtlichkeiten
und Liebesworten zu iiberfchütten. Es dauerte lange. ehe der
Faden riß. aber endlich - auch die Kaifer find ja Menfchen!
..Alfo gut“. fagte der Kaiferfohn fo mit halbem Munde.
..es fei nach Deinem Willen: laß die Espen abhauen; aber
aus einer foll ein Bett für mich. aus der anderen eines für
Dich gemacht werden.“
Die Kaiferin war damit zufrieden. Die Espen wurden
umgehauen. und es war noch nicht Nacht geworden. als die
Betten fertig in das Zimmer des Kaifers geftellt wurden,
Als der Kaiferfohn fich in das neue Bett legte. fchien
es ihm. als fei er hundertmal fchwerer geworden. und doch
fand er Ruhe. wie er fie noch nie gefunden; aber der Kaiferin
fchien es. als läge fie auf Neffeln und Dornen. fo daß fie
die ganze Nacht nicht fchlafen konnte.
Als der Kaifer eingefchlafen war. fingen die Betten an
zu krachen, Und aus diefem Krachen vernahm die Kaiferin
einen bekannten Sinn; es fchien ihr. als höre fie Worte. die
Niemand außer ihr verftand.
..Jft es Dir fchwer. Brüderlein?“ frug das eine der
Betten,
..Mini Nein. mir ift es nicht fchwer“. antwortete das
Bett. in dem der Kaifer fchlief. ..niir ift wohl. denn auf niir
ruht mein geliebter Vater!“ -
..Mir ift's fchwer“. fagte das andere Bett. ..denn auf
mir ruht eine böfe Seele!“
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Fifchlein lebend wie fie waren dem Kaifer als Gefchenk zu
überbringen.
..Bringt uns nicht dorthin. denn von daher kommen wir.
und dort ift unfer Berderben". fagte eines der Fifchchen,
..Aber was foll ich mit Euch machen?" fragte der Fifcher.
..Geh und fammele den Thau von den Blättern. laß
uns im Thau fchwimmen. leg uns an die Sonne und dann
komm nicht eher wieder. als bis die Sonnenftrahlen den
Thau von uns aufgefogen“. fagte das zweite Fifchchen.
Der Fifcher that. wie ihm geheißen. fammelte* den Thau
von den Blättern. ließ die Fifchlein im Thau fchwimnien.
legte fie in die Sonne und kam nicht eher wieder. als bis
die Sonne den Thau von ihnen aufgefogen hatte.
Aber was war gefchehen! Was erblickte er! Zwei
Knaben. fchöne Prinzen mit goldenem Haar und goldenem
Stern auf der Stirn. einer wie der andere. fo daß Jeder.
der fie fah. wiffen mußte. daß fie Zwillingsbrüder feien.
Die Kinder wuchfen fchnell. Jn jedem Tage ein Jahr
und in jeder Nacht ein anderes Jahr. aber im Morgengrauen.
wann die Sterne am Himmel verlöfchen. drei Jahre in einem
Augenblick. Und dann wuchfen fie. wie Andere nicht wachfen:
dreifach an Alter. dreifach an Kraft und dreifach, an Ber
ftand. Als drei Tage und drei Nächte vollendet waren.
waren fie zwölf Jahr an Alter. vier und zwanzig. an Kraft
und fechs und dreißig an Berftand.
..Jetzt laßt uns zu unferem Vater gehen". fagte einer
der Prinzen zu dem Fifcher.
Der Fifcher zog fie Beide fchön an. machte jedem eine
Lammfellmühe. welche die Knaben tief in das Geficht zogen.
damit Niemand das goldene Haar und den goldenen Stern
' auf der Stirn fehen folle. und führte dann die Prinzen zum
Kaiferhof.
Es war heller Tag. als fie bei Hofe anlangten. ..Wir
wollen den Kaifer iprechen“. fagte einer der Prinzen zu der
Wache. die bewaffnet an dem Thore des Palaftes ftand.
..Das geht niht. weil er gerade bei Tifh ift“. ant
wortete ihnen die Wahe,
..Gerade weil er bei Tifh fiht“. fagte der zweite Prinz.
durh das Thor eintretend.
Die Wahen liefen zufammen und wollten die Knaben
vom Hofe fortjagen. aber diefe gingen mitten durch fie hin
durh. wie Queckfilber durch die Finger. Mit drei Schritten
vorwärts und drei Schritten aufwärts ftanden fie vor dem
großen Saal. wo der Kaifer mit feinem Hofftaat fpeifte.
..Wir wollen eintreten“. fagte einer der Prinzen fcharf
zu den Dienern. die an der Thür ftanden.
„Das geht niht an“. erwiderte ein Diener.
..SW das wollen wir doch fehen. ob es angeht oder niht“.
rief der andere Prinz. die Diener rehts und links bei Seite
fchiebend,
Aber es waren der Diener viele und der Prinzen nur
zwei. Es wurde draußen ein Gedränge und ein Lärm. daß
es im Palaft wiederhallte.
..Was giebt es dort draußen?“ fragte der Kaifer erzürnt.
Die Prinzen hielten ein. als fie die Stimme ihres
Vaters hörten.
..Zwei Knaben wollen mit Gewalt eindringen“ fagte
ein Diener. zum Kaifer eintretend.
..Mit Gewalt? Wer will mit Gewalt in meinen
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Palaft eindringen? Wer find diefe Knaben?“ rief der Kaifer
in einem Athem,
..Wir wiffen es nicht. hoher Kaifer“. antwortete der
Diener. ..aber es muß eine befondere Bewandtniß mit ihnen
haben. denn die Knaben find ftark wie junge Löwen. fo
daß fie die Wache am Thor bewältigt haben und uns Allen
jetzt zu fchaffen machen. Und dann find fie ftolz. fie nehmen
nicht mal die Mühe vom Kopf.“ -
Der Kaifer wurde roth vor Zorn.
..Werft fie hinaus!“ rief er. „Heßt die Hunde auf fie!“
..Laßt nur. wir gehen auch fchon fo“. fagten die Prinzen.
über die harten Worte weinend. und gingen die Treppe wie
der hinunter.
Als fie aus dem There traten. hielt fie ein Diener an.
der athemlos ihnen nachgeeilt war.
..Der Kaifer hat befohlen. daß Ihr kommen follt. die
Kaiferin will Euch fehen!“
Die Prinzen bedaihten fich etwas. dann wandten fie
fich um. ftiegen die Treppen hinan und traten zum Kaifer
ein. die Mühen auf dem Kopf.
Da ftand eine lange. breite. gedeckte Tafel. und an der
felben faßen alle kaiferlichen Gäftez obenan am Tifch der
Kaifer und neben ihm die Kaiferin. auf zwölf feidenen Kiffen
ruhend.
Als die Prinzen eintraten. fiel eines der Kiffen. auf
denen die Kaiferin faßt zur Erde. Sie blieb nur auf elf Kiffen.
..Nehmt die Mühen vom Kopf!“ rief ein Höfling den
Prinzen zu.
..Die Kopfbedeckung ift dem Menfchen ein Zeichen der
Würde. Wir wünfchen zu fein. was wir* find.“
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„Nun ja!“ rief der Kaifer. befänftigt durch die goldenen
Laute. die aus dem Munde des Knaben tönten. ..Bleibt. wie
Ihr feid. aber wer feid Ihr denn? Woher kommt Ihr. und
was wünfcht Ihr?“
..Wir find zwei Zwillingsknaben. zwei Sprößlinge eines
Stammes. der entzwei gebrochen. halb in der Erde. halb an
der Spitze der Tafel ift; wir kommen daher. von woher wir
ausgegangen. und find dort angelangt. woher wir kommen;
wir haben einen weiten Weg gehabt. wir haben im Säufeln des
Windes gefprochen. dem Holze Stimme gegeben. wir haben in
den Wellen des Waffers gefungen. aber jeßt wollen wir Dir mit
Menfchenfprache ein Lied fingen. was Du kennft. ohne es zu wiffen.“
Der Kaiferin entfiel ein zweites Kiffen.
..Laß fie' mit ihren Dummheiten heimgehenl“ fagte fie
zu ihrem Gemahl,
„O nein. laß fie fingen“. antwortete der Kaifer. „Du
haft fie nur fehen wollen. ich aber wünfche fie zu hören. '
Singt. Ihr Knaben!“
Die Kaiferin fchwieg. aber die Prinzen begannen die
Gefchichte ihres Lebens zu fingen.
..Es war einmal ein Kaifer“. begannen, die Prinzen: ein
drittes Kiffen entfiel der Kaiferin.
Als die Prinzen den Auszug des Kaiferfohns in den
Krieg erzählten. entfielen der Kaiferin drei Kiffen auf einmal.
Als die Prinzen ihr Lied beendet hatten. war kein einzig
Kiffen mehr unter der Kaiferin; als fie aber ihre Mühen
vom Kopf nahmen und ihr goldenes Haar und den goldenen
Stern auf der Stirn zeigten. hielten die Gäfte. die Hofleute
und der Kaifer fich die Augen zu. damit fie nicht geblendet
würden von fo viel Glanz. *
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gerade recht. der nähme ihn auf die Hörner. und wir
wären ihn los.“ Der Kutfcher ergriff wiederum den Hahn
und warf ihn in die Viehheerde, Da hätteft Du die Freude
unferes Hahns fehen follen! Wie der die Stiere. die Ochfen.
die Kühe und Kälber einfchluckte. bis er die ganze Heerde
verfchluckt hatte. und fein Bauch fo groß wie ein Berg ge
worden war. 'Dann ging er wieder ans Fenfter. breitete
feine Flügel vor die Sonne. fo daß er das Zimmer des
Herrn verdunkelte. und begann von Neuem:
Kikerikieh. Herr. Kikerikück.
Gebt mir's Beutelchen zurück.
Als der Herr auch dies noch fah. plahte er vor Aerger
und wußte nicht. was er anfangen follte. um den Hahn los
zu werden. So ftand er alfo da und dachte nach. bis ihm
etwas einfiel:
„Ich werde ihn in die Geldkannner fperren. Vielleicht
wird er nach den Dukaten fchlucken. ihm einer im Halfe
ftecken bleiben und er dran erfticken. fo wäre ich ihn los!“
Gefagt. gethan. er nimmt den Hahn und wirft ihn in
die Geldkammer! Der Hahn fchluckt darauf alles Geld ein
und läßt alle Kaften leer zurück. Dann geht er auch von
da heraus. begiebt fich ans Fenfter des Herrn und beginnt
wiederum:
Kikerikieh. Herr. Kikerikück.
Gebt mir's Beutelchen zurück.
/.
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funkelten ihr die Augen im Kopfe und fie plahte faft vor
Aerger.
..Alterhen“. fagte fie. ..gieb mir auh ein paar Dukaten.“
..Laß Dir die Luft danach vergehen. Alte; als ih Dih
um Eier bat. weißt Du noh. was Du mir da geantwortet
, haft? Ießt prügle Du auh Deine Henne durh. damit fie
Dir Dukaten bringt. denn ih hab' den Hahn geprügelt. und
fich. was er mir gebraht hat!“
Darauf ging die Alte in den Hühnerftall. fchüttelte die
Henne. nahm fie beim Schwanz und verfehte ihr eine Traht
Prügel. daß man vor Mitleid hätte weinen können. Als
die arme Henne aus den Händen der Alten entkommen war.
entflo'h fie auf die Landftraße. Und als fie fo des Weges
ging. fand fie auh ein Perlhen und fchluckte es ein. dann
kehrte fie fhleunigft nah Haufe. zur Alten zurück und fing fhon
vorm Thor ihr Gackgack an. Die Alte lief ihr freudig ent
gegen. Die Henne fprang übers Thor. lief fhnell an der Alten
vorbei und fehte fich ins Neft; nah fo einer Stunde fprang
fie gackernd vom Neft herunter. Drauf ging die Alte eilig
nahfehen. was ihr die Henne gelegt. Als fie aber in's Neft
fhaute. was fah fie? Ein Glasperlhen! Die Henne hatte
ein Glasperlhen gelegt! Als die Alte nun merkte. daß die
Henne fie zum Narren gehabt hatte. fing fie an fie zu prü
geln und prügelte fie. bis fie fie todtgeprügelt hatte. Und fo
blieb die dumme Alte arm wie eine Kirhenmaus. Von
jeßt an kann fie gebratene Nihtshen und goldene Wartein
weilchen ftatt der Eier effen. denn fie hat die Henne ver
höhnt und fie gemordet. ohne daß fie im Geringften
fhuldig war.
Der Alte aber war fehr reih; er hatte fih große Häufer
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niht auf die Dornen. die fie fih in die Füße trat. niht
auf die Shmerzen. die fie erlitt. wenn fie an irgend
einen Stein ftieß.
Zuleht gelangte fie an eine grüne fhöne Wiefe. am
Rande eines Waldes. Jetzt erheiterte fih ihr Herz. als fie
die Blumen und das weihe Gras fah. Sie ftand ftill und
ruhte fih ein wenig aus. Als fie dann die Vögel zu Zwei
und Zwei auf den Zweigen der Bäume fah. gedahte fie
fehnfühtigft ihres Mannes und fing bitterlih zu weinen an.
nahm dann das Kind in den Arm. das Bündelhen mit den
Knohen auf die Schulter und machte fih wiederum auf.
Sie trat in den Wald, Sie fhaute weder auf das
fhöne. grüne Gras. das ihre Füße ftreihelte. weder hörte fie
die Vögel. die zwitfcherten. daß fie Einen betäuben konnten.
noh fuhte fie die Blumen. die fih zwifhen dem dihten Ge
fträuh verfteckten. fondern fie ging behutfam weiter durh
den Wald. Jhr fhien es. als müffe dies der Wald fein. '
in dem ihr Gatte wohne. nah den Merkmalen. die ihr die
Mutter des Windes über ihn mitgetheilt hatte.
Drei Tage und drei Nähte durhfuhte fie den Wald
und konnte nihts finden. So gebrohen vor Müdigkeit war
fie. daß fie umfiel und einen Tag und eine Nacht liegen blieb.
ohne fih zu rühren. ohne etwas zu trinken oder zu effen.
Zuletzt nahm fie alle ihr Kraft zufammen. ftand auf. und fo
herumfhwankend. verfuhte fie vorwärts zu kommen. indem
fie fih auf ihren Stab ftühte; aber es war ihr unmöglih.
denn auh der Stab hatte fih abgeweßt. fo daß er ihr von
keinem Ruhen mehr fein konnte. Aber aus Mitleid mit dem
Kinde. das keine Milh mehr in ihrer Bruft fand. aus
Sehnfuht nah dem Manne. den fie mit Gottvertrauen fuhte.
ging fie vorwärts. fo gut fie konnte. Sie hatte kaum zehn
Shritt gemaht. als fie in einem Dickiht eine Art Haus
erblickte. wie die Mutter des Windes es ihr befchrieben hatte.
Sie mahte fih dahin auf und konnte kaum bis dahin ge
langen. Dies Haus hatte weder Fenfter noh Thür. Denk
Dir an. die Thür war oben drauf! Sie ging rundherum.
keine Treppe war zu fehen!
Was follte fie mahen. Sie wollte hinein. Sie dachte
und bedahte. verfuhte hinaufzuklettern. vergebens. Sie ftand
und ftand. ganz niedergefchlagen darüber. daß fie jeht fo zu
fagen am Ufer noch ertrinken folle. Da erinnerte fie fih an
die Hühnerknöhelhen. die fie fo weiten Weg gefchleppt hatte.
und fagte fih: fo ganz ohne Grund werden fie mir niht
Alle gefagt haben. diefe Knöchelhen aufzuheben. fondern fie
werden mir jeßt von großem Ruhen in der Noth fein.
Dann holte fie die Knöhelhen aus dem Bündel heraus.
bedahte fih etwas. nahm zwei von ihnen. legte diefelben an
einander und fah. daß fie wie durch ein Wunder klebten.
Dann that fie noh einen Knohen und noch einen drauf
und fah. daß auh diefe feftklebten. So mahte fie aus
den Knöhelhen zwei Stangen. fo groß wie das Haus. ftühte
fie an das Haus. eine Spanne von einander entfernt. Dar
auf fehte fie wieder Stück an Stück die anderen Knöhelhen
zufammen und mahte kleine Stäbe. legte einen jeden quer
über die großen Stangen. wie die Stufen einer Leiter. und
diefe Stufen klebten auh an. Und fo fügte fie eine nah
der andern hinzu bis oben hinauf. So wie fie eine Stufe
angefügt. ftieg fie auh auf diefelbe. Dann die nähfte. bis
fie am Ziel war. Aber gerade oben am Ende der Leiter
».
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Nahdem er fie fih geholt. fragte er. wie 'er fie wieder
an Ort und Stelle bringen könnte. fie feßten es ihm aus
einander. in der Hoffnung. daß er fie dann aus ihrer Pein
erlöfen würde.
..Ihr werdet viele Menfhen fo gequält haben. daß fie
ihr Leben lang Todespein gelitten haben; geduldet Euh nun
auh einmal eine Naht. der Himmel wird wahrhaftig niht
gleih darum einftürzen.“
Darauf mahte er fih mit den Shafen und mit Mo
garzea's Seele auf den Weg; die Elfen aber jammerten fo.
daß es Einem das Herz vor Mitleid zerreißen konnte. Als er
zu Haufe ankam. fuhr Mogarzea ihn hart an. daß er fih
fo verfpätet habe. Als einzige Antwort fagte ihm der
Knabe. fih auf den Rücken zu legen; kletterte dann auf feine
Bruft und fprang ein paar Mal drauf hin und her. bis.
haft Du niht gefehen. die faule Seele. die die Elfen in ihn
gehext. herausfuhr und er ihm die feine zum Einfhlucken
gab; Mund und Nafe hielt er ihm mit den Händen zu. gab
ihm das Waffer. das in der Flafhe gewefen war. zu trin
ken und legte ihm ein Pflafter auf. das er von den Elfen
mitgenommen hatte. '
Kaum hatte er es ordentlih aufgelegt. als Mogarzea
plöhlih wie ein Reh in die Höhe fprang und fagte:
„Ob Du mein Sohn bift oder niht. was willft Du von
mir aus Dank für das. was Du mir angethan?“
„Sag' mir. wo der Milhfee ift. und wie ih es an
fangen foll. um eine der drei Feen. die dort find. zur Frau
zu nehmen. und laß mih für immer Dein Sohn fein.“
Er nahm die Wünfhe des Knaben an und fie fehten
fih zu Tifh. ohne daß er fih noh wunderte. woher die
Schafe fo viel Milch gaben; fie vergnügten fich mit Jodeln.
Gefängen und Tänzen die ganze Nacht.
*Als fie fahen. daß der Tag. ohne daß fie geruht
hatten. herannahte. befchloffen fie. fich zufammen aufzu
niachen und die angeführten Elfen aufzufuchen; was .fie auch
thaten, Als Mogarzea fie fah. nahm er den Baum mit
ihnen auf den Rücken und machte fich nach feines Vaters
Reich auf. wo Alles voller Freuden war. als er muthig und
guter Dinge. wie früher. heimkehrte. Er aber zeigte feinen
Retter. der mit den Schafen hinter ihm herkam.
Alle dankten dem Knaben für feine Schlauheit und da
für. daß er Mogarzea von dem Unglück befreit hatte. Drei
Tage lang währte die Fröhlichkeit im Palaft.
Nachdem diefe drei Tage vergangen. nahm der Knabe
Mogarzea bei Seite und fagte ihm: '
„Ich will jeht aufbrechen; bitte. fage mir. wo der Süß
milchfee ift. und fo Gott will. komme ich mit meiner Frau
zurück.“
Mogarzea verfuchte erft. ihn zurück zu halten. als er
aber fah. daß er fich vergebens den Mund müde redete.
theilte er ihm mit. was er gehört hatte. denn gefehen hatte
er nichts. wegen der Elfen.
Der Knabe nahm feine Flöte und einige Zehrung mit
auf den Weg. brach auf und ging und ging drei Sommer
tage bis zum Abend. da gelangte er an den Milchfee. der
in dem Reiche einer Fee lag. Am nächften Morgen in aller
Frühe begann er am Rande des Sees auf der Flöte zu
blafen als er was erblickte? eine fchöne Fee. deren Haar
ganz und gar aus Gold. und deren Kleider fo koftbar. wie
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Alles gethan. fo nahm fie das Krüglein und mahte fih auf.
um bald wiederzukommen.
Als fie am Hofe anlangte. ftürzte fie athemlos in den
Keller und fprah zum Ober-Kellermeifter:
..Um Gottes willen! hörft Du niht. wie der Kaifer Dih
ruft? Mah und fieh zu. was los ift. wie und aus welchem
Grunde!“ Der Kellermeifter nahm feine Beine in die Hand
und entfernte fih fo fhnell. wie auf kaiferlihen Befehl.
Jleane füllte fih ihren Krug mit Wein. goß. was übrig blieb
in den Keller und eilte dann nah Haufe.
Die Kaiferföhne fandten zum dritten Male wiederum
Kunde den zwei Kaifertöhtern. daß fie Jleanefhicken möh
ten. wie fie fie noh nie gefhickt hätten. Die Kaifertöhter
ftellten fih diesmal alle Beide krank. riefen ihre Shwefter
zu fih und fagten ihr. daß fie nur gefund werden könnten.
wenn Jleane ihnen zwei Aepfel von denen der Kaiferföhne
brähte.
..Meine lieben Schweftern“. fprah Jleane zu ihnen. ..für
Euh gehe ih auh durh Waffer und durh Feuer. wie viel
lieber zu den kaiferlihen Helden“. Sie nahm darauf das
Krüglein und mahte fih auf. um zu finden. zu nehmen. zu
bringen und die lieben Shweftern vom Tode zu erretten.
Als der jüngfte Kaiferfohn erfahren hatte. daß Jleane
zu ihm in den Garten kommen würde. um die goldenen
Aepfel zu ftehlen. befahl er. daß falls Jemand im Garten
ein Wehklagen hören follte. er fih niht erdreiften dürfe hin
zugehen. fondern den. der da wehklagen würde. folle man
in Frieden wehklagen laffen. Darauf nahm er große Meffer
und Säbel und Speere und viele andere Dinge. verfteckte
fie in die Erde unter dem Apfelbaum mit den goldenen
Aepfeln; verfteckte fie fo. daß nur die fharfen Spihen aus
der Erde herausragten. Nahdem er damit fertig war. ver
barg er fih in einem Gebüfh und wartete auf Ileane.
Ileane kam an das Gartenthor. und als fie die großen
Löwen fah. die dort Wahe hielten. warf fie jedem von ihnen
ein Stück Fleifh vor: die Löwen fingen anfich darum zu
reißen. und Ileane ging zum Apfelbaum. trat vorfihtig zwifhen
den Meffern. Säbeln. Speeren und den anderen Dingen hin
durch und erklomm den Baum.
..Mög's Dir gut bekommen. Shwefterlein“. fagte jeht
der Kaiferfohn. ..Ih freue mih. Dih bei mir zu fehen.“
..Mein ift die Freude“. entgegnete Ileane. ..denn ih
habe einen fhönen und muthigen kaiferlihen Helden zum
Genoffen. Komm. fteig auf den Baum undhilf mir Aepfel
pflücken für meine lieben Shweftern. die todtkrank find und
fie verlangt haben.“
Mehr wollte der Kaiferfohn niht. er hatte die Abfiht.
Ileane vom Baum in die Meffer zu ziehen.
..Du bift gut. Ileane“. fprah er. ..fei noh beffer und
reih mir die Hand. um mir in den Baum zu helfen!“
..Bös ift Dein Gedanke“. dahte Ileane. ..aber Dir foll
er zum Unheil werden!“ fie gab ihm die Hand. zog ihn
am Stamm bis in die Zweige und ließ ihn dann zwi
fhen die Meffer. Säbel. Speere und andere folhe Dinge.
fallen. die zu ihrem Verderb bereitet waren.
..Da haft Du's“. fagte fie darauf. ..damit Du auh
wiffeft. was Du im Sinn hätteft l“
Der Held mit der fhwarzen Seele begann zu rufen
und zu wehklagen. - ja. aber Niemand kam. um ihm zu
helfen. fondern man ließ ihn. nah feinem eigenen Befehl.
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in Frieden wehklagen. und er mußte geduldig die fhrecklichen
Shmerzen ertragen.
Jleane nahm ihre Aepfel. brahte fie nah Haufe. gab
fie ihren Shweftern. kehrte dann zum kaiferlihen Hof zurück
und fagte den Knehten. fie follten hingehen und ihren Herrn
aus der großen Gefahr befreien.
Der Kaiferfohn. fo fhmählih verhöhnt. fhickte zu
der berühmteften Hexe im Lande. damit fie zu ihm käme und'
ihm ein Heilmittel für feine Wunden gäbe. Jleane war aber
vorher zu der Hexe gegangen. hatte ihr viel Geld gegeben.
damit fie. Jleane. an ihrer Statt als Hexe hingehen dürfe.
So kam alfo Jleane als Hexe an den Kaiferhof. Sie befahl
dann. daß man die Haut_ eines Büffels nehme. fie drei Tage
und drei Nähte in gefalzenes Effigfauer lege. fie dann heraus
ziehe und den verwundeten Jüngling in fie wickle. Die
Wunden brannten dem Kaiferfohne darauf aber noh
fhlimmer und feine Schmerzen wurden noh unerträgliher.
Als er nun fah. daß es gar fhleht um ihn ftand. fhickte
er zu einem Priefter. damit der ihm das Herz erleichtere.
ehe er ftürbe. und das Abendmahl gäbe. Aber Jleane
war auh niht faul! fie ging zum Priefter. gab ihm viel
Geld und bewog ihn dazu. fie an feiner Statt dorthin zu
fhicken. So gelangte Jleane als Priefter an den Kaiferhof.
Als Jleane an das Bett des Kaiferfohnes trat. ftand
er an der Schwelle des Todes. es waren nur noh drei
Athemzüge in ihm.
..Mein Sohn“.'fprah die verpriefterte Jleane. ..Du haft
mich zu Dir gerufen. um mir Deine Sünden zu beihten.
Denke alfo an die Stunde des Todes und fage mir Alles.
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und dem Apfel. Sie zeigte ihm nur die Blume. und auch
die war halb verwelkt. Der Kaifer fagte nihts. fondern
ging zu feiner zweiten Tohter. Diefe zeigte ihm nur das
Vögelhen; und auh das war halb verkümmert. Der Kaifer
fagte wiederum nihts. fondern ging wortlos zu feiner jüngften
Tohter. der klugen Jleane.
Als der Kaifer den.Apfel auf Jleane's Shrank fah.
hätte er ihn faft mit den Augen verfpeift. fo fhön war er.
..Wo haft Du die Blume hingefteckt. und was haft Du mit
dem Vögelhen gemaht?“ fragt er Jleanen.
Jleane antwortete nihts. fondern eilte zu ihren Shweftern
und brachte eine frifhe Blume und ein munteres Vögelhen mit.
..Mögeft Du gedeihen. mein Töhterhen“. fagte der Kaifer.
..jeht fehe ih. daß Du mir die Treue bewahrt haft!“
Von Jleanen ging der Kaifer wieder zu feiner zweiten
Tohter und darauf zu der älteften.
Als er fie nah den drei Sahen. die er ihnen anver
traut hatte. fragte. holten fie fhnell Vogel. Blume und Apfel
von Jleanen. Ja. aber der liebe Herrgott läßt keine Lügen
durhgehen: bei ihnen verwelkte die Blume. war der Vogel
traurig. und nur der Apfel blieb frifh. rothbackig und zum
Einbeißen.
Als der Kaifer dies fah. verftand er Alles: er befahl
darum. daß man die beiden älteren Mädhen bis an die
Bruft in die Erde eingrübe und fie fo ließe. damit fie von
der Härte einer kaiferlihen Strafe Kunde gäben. Jleane
aber lobte er. küßte fie und führte mit ihr'gute. kaiferlihe
Rede und fagte ihr: ..Mögeft Du viel Glück haben. meine
Tohter.“denn Du haft Deine Pflihttreue erfüllt.“
Nahdem _der jüngfte Sohn des Nahbarkaifers genefen.
/
beftieg er fein Pferd und mahte fich auf. um Ileane zur Frau
zu begehren. Der alte Kaifer. Ileane's Vater. fagte ihm in
väterliher Rede. nahdem er ihm kund gethan. mit welher
Abficht er gekommen fei:
..Mein Sohn und Held. geh und frage Ileanen; was
fie will. foll mit Gottes Hülfe gefhehen.“
Ileane aber fagte kein Wort. fondern ließ es gefhehen.
daß der angeführte Held fie küßte, Da verftand der Kaifer
die ganze Sache und fprah: ..Meine lieben Kinder. ih merke.
daß es fo hat fein follen. daß Ihr Mann und Frau würdet;
möge es alfo zu Eurem Beften fein!“
Viel Zeit verging niht. bis Ileane fih mit dem
muthigen. fhönen. heldenhaften und kaiferlihen Jüngling
vermählte. und man rihtete ihnen eine Hohzeit her. von der
die Kunde durh fiebeu Länder ging. Ia wohl! Aber
Ileane hatte niht vergeffen. was der Kaiferfohn Böfes im
Sinne trug; fie wußte. daß er für die erfte Naht nah der
Bermählung etwas gegen fie im Shilde führte. Drum befahl
fie. daß man ihr eine Puppe aus Zucker anfertige. gerade
fo groß wie fie felbft war. mit Gefiht. Augen. Lippen und der
* ganzen Gefialt Ileane's. Als aber die Puppe fertig war.
verfteckte fie diefelbe in dem Bett. in dem fie in jener Naht
fhlafen follte.
Am Abend. als die Verwandten und Freunde fih zur
Ruhe gelegt und auh Ileane fhlafen gegangen war. fprah
der Kaiferfohn alfo zu feiner Braut:
..Liebe Ileane. warte noch ein Weilhen. ih komme
gleih.“ Darauf ging er aus dem Zimmer.
Ileane befann fih niht lange. fprang aus dem Bett.
-._ 88_
Llll.
hie. eIhrieertnrhtuf.uncl cler Lie-cher.
1x.
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_99
bitte ich Dih. befprih mir diefes Ränzel. damit ih Jeden.
den ih will. hinein ftecken kann. und daß _er ohne meine
Einwilligung niht mehr heraus kann!“
Der liebe Gott befprach darauf lähelnd das Ränzel
nach Iwan's Wunfh und fagte dann:
..Iwan. wenn es Dir einmal überdrüffig wird durh
die Welt zu wandern. dann komm und klopfe an meine
Thür. es foll Dir niht leid werden.“
..Mit Freuden. Herr. ih werde fogleih kommen“. fagte
Iwan. ..Für den Augenblick will ih aber erft gehen und
fehen. ob mir niht etwas in das Ränzel tröpfelt.“
Dies fagend. fhlug er fih rehts in's Feld. in der
Rihtung einiger großer Gebäude. die. noh kaum erkennbar.
vor ihm auf der Spihe einer Anhöhe lagen. Und Iwan
ging und ging. bis er gegen Abend bei diefem Gehöfte an
langte. Als er angekommen. trat er in den Hof. ließ fih
vor den Herrn fiihren und bat ihn um Aufnahme. Von
diefem Herrn hieß es. daß er etwas geizig fei; als er Iwan
aber in des Kaifers Rocke fah. konnte er niht gut anders
und befahl fo halb gegen feinen Willen einem Diener. daß er
Iwan etwas zu effen gebe und ihn dann in einem unbewohn
ten Zimmer einquartire. wo er alle Gäfte unterbrahte. die fo
ungeladen kamen. Der Diener befolgte feines Herrn Befehl.
nahm Iwan. gab ihm etwas zu effen und brahte ihn dann
an den beftimmten Ort zur Nahtru'he.
..Wenn dem niht die Ruhe in die Nafe fährt“. dahte
der Hofherr fo bei fih. nahdem er. foviel wie durchaus nöthig
war. geredet. ..Ih weiß. daß er die Naht was zu thun
bekommt. Wir wollen fehen. wer der ftärkere ift. Ent
weder er die Teufel oder die Teufel ihn!“
7 el'
'A'
_100
Schultern und wußten niht. was fie auf fo fonderbare Frage '
antworten follten.
..Das kann nur der heilige Nikolaus wiffen“. fagte Iwan
und holte fein Heiligenbildhen heraus und küßte es rechts
und links. Und darauf. o Wunder. fah Iwan fih plöhlih
am Thor des Paradiefes. Und ohne Weiteres fing er fo
gleih an. aus Leibeskräften an's Thor zu klopfen. Da
fragte der heilige Petrus von Innen:
..Wer ift da?“ ..Ih.“ „Wer ih?“ „Iwan“ „Und
was willft Du?“ „Giebt's Tabak?“ ..Giebt's niht!“ ..Giebt's
Schnaps?“ „Giebt's nicht!“ „Giebt's Mufikanten?“ ..Giebt's
niht. Iwan. was bohrft Du mih mit Fragen an!“
..Wo finde ich diefe Dinge?“
..In der Hölle. Iwan. niht hier!“
„Himmel. was für 7ne blanke Armuth hier im Paradies“.
fagte Iwan. Und er ließ fih in kein Gefpräh weiter ein.
fondern marfhirte direkt zur Hölle. Er wußte fhon. wie
fih die Wege fhlängeln. denn er ging niht lange. fon
dern ftand auh bald vor dem Thor der Hölle. Und
allfogleih klopfte er an das Thor und rief:
..Heh. *giebt's Tabak?“
..Giebt's“. entgegnete Jemand von Innen.
..Giebt's Shnaps!“
..Giebt's l“
„Giebt's Mufikanten!“
..Na. ich dähte doh. fo viel Du willft.“
..G*ut. gut! Das ift hier was für mih. maht fhnell
auf“. fagte Iwan trampelnd und fih die Hände reibend. Der
Teufel an der Pforte dahte. es wäre irgend ein alter Stamm
*ü*
_106
fie fhlagen! Den Jwan hat fie bis über die Ohren
abgeknabbert. Woher bift aber Du fo mager geworden.
Gevatter?“
..Durh Deine Güte. Jwan! Jeht hoffe ih. daß Du mih
niht wieder der Verdammniß ausfeht. fondern mih zum lieben
Gott hineinläßt. denn ih habe fehr wihtige Gefhäfte bei ihm.“
..J. warum niht gar. Laß Dir die Luft danah noch
ein Weilhen vergehen; die Welt wird niht gleih umkommen,
Möhteft Du Dih niht etwa auf ein Plauderftündhen
einlaffen?“
..Weißt Du aber. Jwan. daß Du gar zu übermüthig
wirft?“
„So fteht Dir der Sinn? Du nimmft mih wieder fo
billig? Pafholl. hinein in das Ränzel. Gevatter!“
Der Tod zwängte fih wieder in das Ränzel. und Jwan
hing ihn wie zum Dörren auf und fagte:
..Halt zum Narren. wen Du willft. aber den Jwan nicht!“
Der liebe Gott aber wußte um all dies. er wollte jedoch
- den Jwan auh mal fih einen Spaß mahen laffen. niht
immer nur den Tod. denn der hatte in feinem Leben auh
fhon fo Manhes ausgefreffen!
..Oeffne mal. heiliger Petrus“. fagte Iwan und klopfte
dabei an die Thür.
Der heilige Petrus öffnete. und Jwan trat wieder vor
den lieben Gott hin und fagte:
..Herr. der Tod fragt. was Du weiter befiehlft. Und.
fei niht böfe. er ift gar zu ungeduldig und hart. wenn ih
fo fagen darf. Er fiht wie auf Kohlen und will augen
blicklih Befheid haben.“
..Bring ihm den Befheid. Jwan. daß von jeht ab drei
_111
.Jahre lang nur junge Leute fterben follen und die folgenden
drei Jahre nur ungezogene Kinder.“
..Gut. Herr“. fagte Iwan. fih bis zur Erde verneigend.
..Jh gehe. um ihm zu fagen. was Du befohlen“. und fowie
Iwan vor das Thor kommt. holt er den Tod aus dem
Ränzel und fagt: ..Der Herrgott hat befohlen. daß Du von
jeht ab drei Jahre lang nur jungen Wald verzehren follft.
und die drei folgenden Jahre nur junge Sprößlinge. Weiden.
Gerten. Ruthen und derlei Sahen; an den alten Wald rühr'
niht. fonft giebt's was. Haft Du verftanden. Gevatter?
Vorwärts. mah Dih dran. fo lange ih Dih feh. und thu
Deine Shuldigkeit gewiffenhaft.“
Der Tod verfhluckte feinen Aerger. fhritt durh die
Wiefen. Haine und das Dickiht. über die Maßen betrübt.
Und ob er's wollte oder niht. fing er an bald am jungen
Holz zu nagen. bald Gerten und Ruthen zu fheeren. daß
ihm die Zähne klapperten und die Hüften und der Nacken
weh thaten. wenn er fich oben zu den hohen Pappeln ftreckte
und dann fih zu den Wurzeln der Gebüfhe nah zarten
Zweigen bückte. 'Er quälte fih auch. was er mußte. der
Arme. Shließlih plagte fih der Tod drei Jahre hinter
einander fo und dann wieder drei Jahre. und nahdem fih
ihm die fehs Jahre Zwangsarbeit erfüllt hatten. mahte er
fih wiederum zum lieben Gott auf. um zu fehen. was er
ihm zu befehlen hätte. Kein Zweifel. Gevatter Tod wußte.
was ihn erwartete. aber was war dabei zu thun?
..Das Ränzel! Mög's Donnerwetter drein fahren“.
fagte der Tod und ging zum Paradies. als wär's zum Galgen.
..Jh weiß niht. was ih über den Herrgott fagen foll. daß
ih mih niht verfündige. Ih glaub7 beinah. daß auh er
_112
Obhut des Todes. der ihm nah drei Tagen die Seele rauben
follte.
Als Jwan allein geblieben war. verfiel er auf trübe
Gedanken; er war über die Maßen traurig. daß ihm der
liebe Gott das Ränzel fortgenommen hatte. und daß er noh
dazu fterben follte.
..Nun werde ih mir mal überlegen. was ih davon ge
habt habe. daß ih auf diefer Welt gelebt“. fagte Jwan.
..Jm Heer war ih. aber mir nur zur Qual. wohin ih mih
auh wandte. fhleht ging's mir überall. Und bis heute
wanderte ih fo herum. ohne Zweck und Ziel. Jh ging in's
Paradies. von dort zur Hölle. und von der Hölle wiederum
zum Paradiefe. Und gerade jetzt. wo mir's darauf ankommt.
habe ih keinen Troft. Was in aller Welt dahte ih im
Paradies zu holen! So geht es dem. der es mit dem Teufel
verdirbt; hier im armfeligen Paradiefe ift das Wort am
rehten Plahe: ..Leeres Geprahle. leihte Waare!“ Man hat
den Beutel voll und vermißt Alles. Schlimmer geftraft
könnte man gar niht werden. Shnaps giebt's niht. Tabak
giebt's niht. Mufikanten find niht. Shmauferei ift niht.
nihts giebt's! Nur noh drei Tage habe ih zu leben. und
dann. Jwant - bift Du vom Erdboden verfhwunden!
Könnt' ih niht noh irgend einen Streih ausführen. fo
lange es noh Zeit ift?“
Shließlih fteht Jwan noh einen Augenblick fo da. den
Kopf in die Hand geftüht. als ihm plöhlih etwas einfällt:
..Still. jeßt habe ih's! Was draus wird. mag über mih
kommen. unifonft wird's niht fein. aber für mih kommt jeßt
Alles auf Eins hinaus!“ Und Jwan begiebt fih allfogleih
mit feinen beiden Bahen er weiß fhon wohin. und kauft
-115
i,
7,-
_1]6
gut warft in diefer Welt. Geh mal bei Seite. damit ih's
Dir. Narr der Du bift. einmal zeige!“
Jwan kletterte aus dem Sarge und ftand demüthig bei
Seite, Der Tod aber. der die Güte hatte. Jwan zu belehren.
legte fih in den Sarg. mit dem Gefiht nah oben. grad
geftreckten Beinen. die Hände auf der Bruft und die Augen
gefhloffen. dann fagte er:
„Sieh. Jwan. fo mußt Du Dih hinlegen.“
Jwan verlor keine Zeit. fondern klapp! warf er den
Deckel drüber. verfhloß ihn mit dem Shloß. und. troß aller
Bitten des Todes. lud er fih den Sarg auf den Rücken.
feßte ihn auf ein großes. fließendes Waffer und fagte:
..So. jeht hat die liebe Seele Ruh. Jeht ziehe heim.
Und mögeft Du aus dem Sarge auferftehen. wenn Dih die
Großmutter aus dem Grabe holt. Mir hat der liebe Gott
um Deinetwillen das Ränzel genommen. zu guter Leht hab'
ih's Dir aber heimgezahlt.“
..Shan nur. Herr“. fagte der Apoftel Petrus lahend.
„fhau. was Dein Jwan wieder angeftiftet hat! Das muß
doh wahr bleiben: wer Jwan den kleinen Finger giebt. dem
nimmt er die ganze Hand.“
Als der Herrgott nun fah. wie weit Jwan's Unver
fhämtheit ging. fing er auh an. fih ein wenig über feine
Streihe zu wundern. Und fo gab der liebe Gott Befehl.
den Sarg dort. wo er war. aufzumahen. damit der Tod
auf's Trockene käme und fih auh einmal an Jwan rähen
könne. Und allfogleih gefhah es fo. und als Jwan auh
niht im Traum daran *dahte. daß er den Tod nohmals mit
Augen fehen würde. da ftand er ihm plöhlih gegen
über und fagte ihm:
-117
L.
aWulüröerlxen.
W
ging hinaus und mahte fih auf den Weg. Und er wan
derte. wanderte und wanderte weiter durh Reich und Welt.
wie's Gott gefällt. Hört. Jhr guten Leute. ih fag' lauter Wahr
heit heute. Und er wanderte. bis er in einen dihten Wald
kam. der wie vermauert fhien fo diht war er. Und
Baum war mit Baum verfhlungen. Geftränh mit Ge
ftränh. fo daß durh das dihte Laub das Sonnenliht
niht einmal fo viel wie durh ein Nadelöhr dringen konnte. Als
der Alte einen fo ungeheuerlihen Wald fah. fhlng er drei
Kreuze gen Often. dreimal fiel er nieder. auh gen Often. und
trat dann mit großem Weh hinein. Wie lange er durh den
Wald getappt ift und wie lange niht. kann ih niht wiffen.
eins weiß ich aber. daß er eines Tages an den Eingang
einer Höhle gelangte. Die Höhle war hundert und taufendmal
dunkler als der tiefe Wald; fo wie Nahts. wenn man die
Augen zudrückt. nämlih fo dunkel. wie es in endlofen Höhlen
zu fein pflegt. Der Alte bekreuzte fih noh drei Mal. fiel
einige Male auf die Kniee nieder und bog dann mit Gottes
Hülfe bei einem Felfenvorfprung ein. Er ging ungefähr
einen Shuß weit. als er auh ein Liht in einer Einhöhlung
fah. Er näherte fih und näherte fih. und glaubte feinen
Augen niht. als er das fah. was dort am Liht ftand.
Ein alter Einfiedler! Ganz alt war er. fo alt wie der liebe
Gott. Und hatte einen weißen Bart. der bis zu den Knieen
reihte. und feine Augenbrauen. wenn er fie zitternd gegen
das Liht hob und wieder herunterließ. befchatteten die
ganze Höhle.
So ftand der Einfiedler wie eine Steinfäule. die Augen
in ein Pfalmenbuh gebohrt. auf das er die Ellbogen ftühte.
und das mit großen. rothen Zeihen befprenkelt war. alt.
-121
alt war es. Gott der Herr allein weiß. aus welher Zeit es
ftammte; und auf einem breiten Stein leuhtete mit rother
"Flamme und blauem Rauh. dick wie ein Gewölk. eine gelbe
Wahskerze. Als er fih dem betenden Heiligen näherte.
immer wieder in die Kniee fallend. fprah der Greis:
„Guten Abend. heiliger Vater!“
Der Einfiedler war fo vertieft in feine Litanei. daß er
nihts hörte. Darauf rief unfer Alter noh lauter. Der
Einfiedler rührte fih niht. fondern mahte mit der Krücke
*nur ein Zeihen. daß er zur Seite treten follte. So blieb
der Alte abfeits ftehen. bis der Einfiedler fein Gebet vollendet.
Als er damit zu Ende war. hob er feine Augenbrauen in
'die Höhe und fprah:
..Mein Sohn. was fuhft Du hier bei mir in diefer
.öden und dunklen Behaufung? Seit fo vielen Jahrhunderten
von Zeiten fahen meine Augen kein menfhlihes Gefiht und
jeht befängt mih Verwunderung. was Deine Shritte hierher
hat lenken können.“
Der Greis erwiderte:
..Ih küffe Eure Rehte. Nun. mein Elend hat mih
hierher geführt. So viele Jahre lebe ih fhon mit meiner
Frau. und fie hat mir kein Kind gefhenkt. und ih möhte.
'daß nah mir ein Sproß zurückbliebe. fo wie ih das ver
klärte Antlih des Herrn zu fehen wünfche.“
Darauf nahm der Einfiedler einen Apfel. und nahdem
er ihn geheiligt und gefegnet. fhnitt er ihn in zwei Theile
und fagte:
..Nimm diefe beiden Hälften des Apfels; diefe gieb der
Alten. und diefe follft Du effen. und geh mit Gott und irre
niht mehr fo in der Welt umher.“
-- 122 -
er fie in's Neft gefeht. flog der Greif wieder davon. Die
Jungen aber fhauten mitleidig und liebevoll auf die Kleine.
und anftatt fie zu effen. fingen fie an. ihr weihe Brotkrüm
hen aufzuheben. mahten ihr ein Lager und bedeckten fie mit
ihren Flügeln. damit die Morgenkühle fie niht erreihe.
Jeht muß ih Euh erzählen. daß in jenem fhrecklihen
Walde. in einem Brunnen mit lauter Giftwaffer. ein Lind
wurm mit zwölf Köpfen lebte. und diefer Brunnen *war niht
fern von dem Baum. auf deffen Wipfel das Neft der Greife
ruhte. Diefer fhrecklihe Lindwurm ließ die kleinen Greife
nie groß und kräftig auswahfen. fondern jedesmal wenn
der Greif Junge bekommen hatte. und diefe fo ungefähr flügge
werden follten. ftreckte er zwei Feuerköpfe aus und endete
ihre jungen Lebenstage. fodaß der arme. bedauerlihe Greif.
feitdem er fih am Leben kannte. noh niht dazu hatte ge
langen können. auh nur eins feiner Jungen ausfliegen zu
fehen. Da alfo jeht die Jungen groß geworden waren und
das Tagesliht erwarteten. um in den weiten Hohwald und
die Bergwelt zu fliegen. fiehe. da läßt fih um Mitternaht
fo ein Raufhen im Waffer des Brunnens hören. und was
läßt fih blicken beim Glanz des Mondes. der durh die
Zweige der Bäume fhimmert? Zwei rothe Feuerköpfe. die
fih dem Neft zuwenden und ein Heulen und Gebrüll an
ftimmen. daß die Berge in ihrem Grunde erzittern. und die
Thäler wie Mulden. die man wiegt. hin und her wanken.
Plöhlih. wie man mit den Augen blinkt. erfchüttern und er
zittern die Gefüge des Himmels und der Erde und in einer
Goldwolke erfheint der Erzengel mit dem Shwert in der Hand
und zuckt wie ein Blih hernieder; und gerade wie der Lindwurm
die jungen Greife packen will. zuckt der Engel das Shwert
_125
von Often nah Wefien und wiederum von Weften nah Often.
und mit göttlichen Streihen fheert er die zwei Köpfe
herunter. als ob man einen Löffel Waffer trinkt. Darauf
kamen zwei noh furhtbarere zum Vorfhein. auh; fie
wurden zu Stücken zerhauen. Wiederum kamen zwei hervor.
auh fie fahen ihr Ende. Und fo fort mit den zwölf Köpfen.
Und der Wald und das Thal wurden ein Moraft von ge
ronnenem' Blut und Gift; und die Köpfe ftießen fih an dem
Baum. der das Neft trug. fo daß die Blätter von den
Zweigen fielen. zehn Meilen im Umkreis. Darauf nahm der
Engel Bafilikumkraut. und mit Waffer. das im Paradiefe vor
neun Jahren geweiht worden war. befprengte er die vier
Gegenden der Welt. und die Blutlahen zogen fih alle auf
einen Fleck zufammen und die Köpfe verloren die Befinnung.
und die Erde öffnete fih und verfhluckte fie und alles Blut.
fo daß der Wald wieder fauber und hell wurde. wie der
liebe Gott ihn uns hat werden laffen.
Als der Greif mit dem Morgengrauen zugleih erfhien
und feine Jungen heil im Neft fhlafen. den verfluhten Brun
nen aber vom Erdboden verfhwunden fand. ftieß er einen
Shrei der Freude aus. fo daß die Erde auf neun Meilen
erzitterte und erbebte.
Darauf weckte er feine Jungen und fragte:
„Sagt mir fhnell. Ihr Herzhen. wer hat mir diefe
große Wohlthat erweifen können?“
Die Jungen fhüttelten den Kopf und fagten: ..Wir
wiffen nihts. denn wir haben die ganze Naht füß ge
fhlafen!“
Als der Greif fih darauf umfah. fiel fein Blick auf
das Mädhen. deren Goldhaar und Sternenaugen in der
-126
_128
_130
würde der Kaifer bis zum Tode als feinen Rath halten und
der ganze Hof würde ihn ehren. Sieh da: ein altes. lahmes
Weib. mit einem Buckel auf dem Rücken und fo viel Haaren auf
dem Kopf wie - auf der flahen Hand: ..Jh bin die.
welhe das Mädhen aus dem Walde des Brunnens mit den
zwei Bäumen bringen kann.“ Die Herolde fahen das alte
Weib an und brahen in ein Gelähter aus.
..Bift Du aus dem Höllenreih. Du Vogelfheuhe von
Weib?“ fagte ein Herold. ..Wer in der Waldhexe Namen hat
Dih uns in den Weg gebraht. denn jetzt muß es uns
fhleht gehen. Sher Dih aus unfern Augen fort.“
Die Alte aber blieb dabei. daß fie das Mädhen aus
dem Walde bringen könne. Und fie hielt fih an die Herolde.
wie die Klette an die Shafe.
Darauf fagte der Aeltefte unter den Herolden: ..Helden.
nehmt fie mit. denn der Kaifer hat klar genug gefagt. wer
fih rühmt. feinen Befehl ausführen zu können. den follen
wir an den Hof bringen. fei es. wer es auh fei; nehmt die
Alte und feht fie in den Wagen.“ *
Und fie nahmen die alte Frau und vorwärts mit ihr zu Hofe.
„Du haft Dih gerühmt. daß Du das Mädhen aus
dem Walde bringen könnteft?“ fprah der Kaifer vom Kaifer
thron herab.
..Du follft leben. Majeftät. Ja. ih mahe mih anheifhig.“
..So mach' Dich an's Werk!“
..Das laß der Alten ihre Sorge fein. aber gieb mir
einen Keffel und einen Dreifuß.“ Und man gab ihr fhnell
einen Keffel und einen Dreifuß. und fo machte fih die Alte
auf den Weg. hinter dem Jagdtroß des Kaifers immer mit
dem Munde plappernd und dem Keffel klappernd. wie es die
/:
_131
xi.
..Und fehen die Menfhen den. der fie ruft *9“. fragte er weiter.
..Wie follten fie ihn niht fehen?“ entgegnete man ihm.
Darauf konnte er fih niht genug über die Dummheit
der Leute wundern. die dem. der fie ruft. folgen. wenn fie
doh wüßten. daß fie dort blieben. wohin er fie brähte. Und
er kehrte nah Haufe zurück. nahm fein ganzes Vermögen.
Frau und Kinder und ging. um fih da niederzulaffen. wo
die Menfhen niht fterben. fondern wo ein gewiffer Jemand
fie ruft. und Jeder der diefem gewiffen Jemand folgt. niht zurück
kommt; dabei hatte er den feften Entfhluß. daß er und die
Seinen nie irgend Jemandem. wer es auh fei. der fie riefe.
folgen würden.
So alfo. nahdem er fih niedergelaffen und alle feine
Angelegenheiten in Ordnung gebracht hatte. rieth er feiner
Frau und den Seinen allen. auf keinen Fall irgend Jeman»
dem. der fie rufen möhte. zu folgen. wenn fie. wie er fagte.
niht fterben wollten, *
Sie gaben fih alfo dem Wohlleben hin und brahten
fo einige Jahre zu. Eines Tages. als fie Alle vergnüglich
in ihrem Haufe faßen. begann feine Frau plößlih zu rufen:
..Jh komme fhön. ih komme fhön!“ - '
Und fie fuhte nah ihrer Pelzjacke im Zimmer herum.
Unfer Mann fprang fogleih auf. nahm fie bei der Hand.
hielt fie feft und begann ihr Vorwürfe zu mahen:
..So hörft Du auf meine Rathfhläge? Bleib hier.
wenn Du niht fterben willft!“
.,Hörft Du denn niht. wie der mih ruft? Jh will
nur zufehen. was er will. und kehre gleih zurück.“
Und fie fhlug um fih. um fih aus ihres Mannes
Händen frei zu mahen und dorthin zu gehen.
--c
.
_135
fanden fie nihts; es fhien. als fei dort. feitdem die Welt
ftand. nur eine weite Ebene gewefen. und von da an begannen
'die Menfhen in der Gegend auh zu fterben. wie in der
ganzen Welt.
xu,
:Muttern (Zilina-:hem
_138
Und dann fagt man. daß es niht gerade gut ift. wennx
Einer Alles ift. das Unterfte zu Oberft kommt und das
Kind das Haus regiert, Hänshen wuhs von einem Tag;
zum andern. je größer er wurde. defto raufluftiger. kroh
köpfiger. folglih um fo eigenwilliger.
So war wirklih manhmal. nein. um ganz wahr zu.
fein. es war fogar fe'hr oft Aerger im Haufe. des Kindes
wegen. Hänshen kriegte jeden Tag irgend ein hartes Wort:
zu hören; da es fih aber herausgeftellt. daß Worte keinen
Eindruck mahten. feßte es auh manhmal eine Strafe..
Ja. aber Hänshen war doh immer der Siebente. Wer
ftrafte. litt darunter. aber niht wer beftraft wurde. Wenn.
der Vater das Hänshen fhlug. trocknete die Mutter ihm
die Thränen ab; wenn die Mutter ihn aber fhlug. trug fie
Sorge. daß der Vater es niht erfuhr. Shlehtes Beifpiel.
für die Jugend. wenn das Kind den Topf zerfchlägt. die*
Mutter aber fih daran macht. die Sherben aufzufammeln..
dann fteht's fhlimm. dann thut man gut. kein Wort mehr
darüber zu verlieren,
Und fo kam es auh! Hänshen wurde das ungehor
*famfte Kind; Ungehorfam räht fih aber an dem Ungehor
famen. Wenn unfer Mann das Hänshen was lehren wollte
und ihm fagte: ..Liebes Hänshen. fhau. fo mah' es. fo ift es gut..
fo fpannt man die Ohfen vor den Karren. fo fhlägt man den
Nagel in's Rad. fo trägt man den Sack“ und Anderes. lauter*
nüßlihe Lehren. ftand Hänshen der Sinn nah was Ande
rem. und er fagte: ..Ah. laß mih.“ Und fo von ..Ah. laß.
mih“ zu ..Ah. laß mih“ wurde Hänshen ein großer Hans.,
ohne auh nur fo viel gelernt zu haben. daß der Pflug.
-139
Sterzen hat. die Mühle kein Mörfer ift und die Kuh kein
Ohs. Und damit wird er's niht weit bringen!
Eines Tages mahte fih unfer Mann bereit. um auf
den Jahrmarkt zu fahren. Alles war fertig. nur ein Stift
war noh niht durch's Joh gefteckt.
„Vater“. fagte Hänshen. ..ih komme mit Dir!“
..Du wirft fhön zu Haus bleiben. damit Du Dih niht
auf dem Markte verlierft“. antwortete ihm fein Vater.
..Jh will mitt'.- ..ih nehm7 Dih niht“. - ..ih will.
_ ..ih nehm7 Dih niht!“
Jeder weiß. wie die dreiften Kinder find. Gerade wenn
man ihnen fagt. daß es eine Hirfhkuh ift. wollen fie fie mit
Maht bei den Hörnern greifen.
Hänshen brauchte man nur zu fagen. er folle zu Haufe
bleiben. um in ihm die Sehnfuht zum Fortgehen zu wecken.
Unfer Mann konnte niht anders; er fehte alfo Häns
hen auf den Leiterwagen und fuhr mit ihm zu Markt.
..Hörft Du“. fagte er ihm. ..nun bleib' aber hübfh
diht bei mir!“
..Ia. Vater“. entgegnete Hänshen. zum erften Mal.
fo lange man denken konnte. folgfam.
Und bis zum Rande des Dorfes faß Hänshen wie
feftgenagelt hinten im Karren.
Am Ende des Dorfes ftreckte er einen Fuß aus . . .
fo zwei Shah weit weiter den anderen. Darauf hob er
den Kopf in die Höhe und begann um fih zu fhauen. Zu
guter Lehr ftand er auf. ftüßte fih auf das Seitenbrett des
Karrens und betrachtete die Räder, Er konnte gar niht
verftehen. wie fih fo ein Rad von felbft bewegte. wie
eine Speihe fo der andern naheilte. immer vorwärts lief.
_140
ohne fih vom Fleck zu bewegen. ja. ohne nur unter feiner
Nafe fort zu kommen.
Sie kamen in den Wald. Mutterföhnhen Hans ftreckte
die Nafe in die Höhe und blieb fo mit offenem Munde.
Die Bäume rehts und links mahten fih auf und davon
und liefen. aus aller Maht. immer einer nah dem andern.
Das konnte niht mit rehten Dingen zugehen. Mutters
Hänshen fprang eins. zwei. drei aus dem Wagen und fühlte
wieder den Boden unter feinen Füßen.
Doh wieder blieb er mit offenem Munde ftehen. Jeht
hielten die Bäume ftill. aber der Leiterwagen bewegte fich.
ging davon. immer weiter und weiter.
„Hör' Vater. halt an. damit ih fehen kann. wie fich
die Räder drehen“. rief er nah einer Weile.
Jeht ftanden ihm aber die Haare zu Berge. Aus zehn
Rihtungen hörte er fih felbft rufen. aber fein Vater fuhr
weiter. ohne auf fein Rufen zu ahten. „Vater“. rief er noh
einmal. und noh einmal hörte er es zehnmal wieder. Häns
hen erfhrak fehr und fah ein. daß es nirgends fo gut fei
wie zu Haufe. drum fing er an heim zu laufen.
Man fah nur eine Staubwolke hinter ihm. Er rannte
und rannte heimwärts. bis er einen falfhen Weg einfhlug.
Da fieh nun Einer an. wie fhlimm es ift. wenn die
Unerfahrenen niht auf den Rath der Gefheiteren hören!
Hänshen hatte fhleht gethan. nah Haufe laufen zu wollen.
wenn er doh den Weg durh den Wald niht wußte.
Er lief lange fo fort. dann allmälig langfamer. fhließ
lih ging er. aber immer durh Wald und Wald. über die
Wiefe und wieder durh den Wald. wieder über die Wiefe.
_141
-Hänshen bei den Ohren. trug ihn hinaus und klopfte ihn
ordentlih durh. damit er es. folange er lebe. niht wieder
vergeffe. daß man am Karren nur die Ahfe und das Wagen
geftell fhmiert.
Mutters Hänshen . . . . na. was follte er mahen.
*er mußte es aushalten und dann aufmerken. damit er einen
Wagen fhmieren lernte.
Nahdem der Karren gefhmiert war. wurden die Ohfen
eingefpannt. der Herr fehte fih vorn hin. Hänshen aber
wie ein Häufhen Unglück hinten in den Leiterwagen und
fhluchzte noh hin und wieder auf vom vielen Weinen; der
Arme! ..Ießt fhweig“. fprah fein Herr hart. ..daß ih keinen
Mucks mehr von Dir höre!“ Das war das lehte Wort.
darauf fuhren fie ab. Hänshen faß hinten im Wagen
mäuschenftill. er hatte fogar Angft. Athem zu holen, Shließ
lih wurde ihm das doh langweilig. So fing er wieder
an. auf das Rad zu fhauen. Jetzt war er aber gewißigter.
Er wunderte fih weder über das Rad noh über die Bäume,
Aber er fah wieder etwas. was er niht begreifen konnte.
So oft er auh ein Rad fih drehen gefehen hatte. war ihm
doh nie aufgefallen. daß der Nagel vom Rad herunter
fpränge. Jeßt ging der Leiterwagen einmal über einen großen
Stein und klirr! fprang der Nagel aus der Ahfe und fiel zu
Boden. Es war hübfh anzufehen. aber begreifen that er es
niht. Er hätte feinen Herrn fhon fragen mögen. aber der
hatte ihm ja Shweigen befohlen!
Nah einiger Zeit löfte fih auh die Leihfe los. Hänshen
glaubte jetzt zu verftehen. warum. Gleih. bumbs fiel auch
die Leihfe herunter und blieb hinter dem Karren zurück.
Hänshen fuhr zufammen und wollte etwas fagen. er fah
-144_
aber feinen Herrn an und erinnerte fih von Neuem. daß,
ihm Stillfhweigen befohlen war. Eins verftand er aber:
wenn die Leihfe dem Nagel zu Liebe gefallen war. würde
auh das Rad der Leihfe zu Liebe abgehen. Und das hatte
er kaum ganz verftanden. als auh knirfh! das Rad in
den Staub fiel und hinter dem Wagen zurückblieb.
Ein Weilhen ging der Karren noch auf drei Rädern
weiter. dann. pardauß. fhlug er um. fo daß die Deihfel
mitten entzwei brah. Jetzt ftand die Sahe fhleht!
..Da haben wir's“. rief Hänshen erfhreckt. ..habe ih's
niht gefagt. daß es uns fo ergehen würde?“
Wir wollen weiter keine Worte verlieren! Der Aerger!
Mitten im Wege mit zerbrohener Deihfel. niht da und niht
dort! Das ift kein Spaß. Unfer Mann nahm Hänshen vor
und klopfte ihn noh einmal ordentlih durh. dann ließ er
ihn in Gottes Namen laufen. damit er ihm niht noh mehr*
Aerger mache. Er hatte eigentlih niht Reht. denn er hatte*
ihm ja felbft den Mund verboten. Aber auh Mutters
Hänshen war niht ohne Shuld. hätte er fih immer den
Befehlen gefügt. würde er bislang fhon gelernt haben. auf
was fih fo ein Befehl erftreckte. Er war zu gehorfam.
eigenfinnig gehorfam. Und das ift auh niht gut.
Der Mann that. was er konnte. um fih fortzuhelfen.
Hänshen aber blieb wieder zu Fuß. fo auf dem Wege.
niht rehts noh links.
Ah und weh über ihn. ih weiß wirklih niht. was er
than foll! Er fhlug einen Weg ein. den er niht kannte. und
hoffte nah Haufe zu gelangen. Und wieder ging er über
Wiefen und durh Wälder. ging lange Zeit. bis ihn die Füße
kaum noh trugen. Diesmal fand er ein Dorf auf einer
- 145
fhönen Wiefe. vor dem Dorfe aber einen Mann. der eine
Heerde Shafe weidete. '
..Guten Tag. Gevatter!“
..Dank fhön. mögeft Du groß wahfen. mein Sohn.“
Ein Wort gab das andere und kurz und gut erzählte
Hänshen den Manne Alles. von Anfang bis zu Ende. wie
es gewefen. wie's ihm ergangen. der Mann aber freute fih
feiner. weil er gerade einen Shäferjungen branhte. der ihm
die kleine Shafheerde auf die Wiefe treiben. zum Waffer
führen und fie hüten follte. damit fie fih niht mit anderen
Heerden vermengte. Denn es war eine befondere Sorte von
Shafen. und er hätte um nihts in der Welt gewollt. daß
fih ihre Art verdürbe. Solhe Shafe. hieß es. gäbe es nur
bei einem berühmten Kaifer. von dem unfer Mann ein Zuht
lämmhen bekommen hatte. Es waren alfo Shafe. wie - wir
können uns vorftellen. wie fhön. da fie von kaiferliher
Herkunft waren!
Kurzum auh Hänshen freute fih. weil er fih wieder im
Glücke fah. Sie verftändigten fih alfo. und Mutters Hänshen
wurde Shäferjunge; ..Du hüteft alfo die Shafe den ganzen.
lieben. langen Tag. führft fie in's Thal zur Tränke. wenn
es aber dunkel wird. treibft Du fie in die Hürde, Wenn
es Dir kalt fheint. mahft Du Feuer am Eingang der Hürde
und wärmft Dih. und damit die Shafe niht frieren. treibft
Du fie dann auh in die Hürde.“
So fprah der Mann. und Hänshen fagte. daß er es
genau fo mahen würde. _
Solang es Tag war. ging Hänshen den Shafen
nah. wenn er Durft hatte. führte er fie zur Tränke. wie es
aber dunkel wurde. führte er fie in die Hürde.
10
- 146
_147
-151
mit beiden Händen den Schwanz des Wolfes und hält ihn
aus Leibeskräften feft. Der Wolf erfhrickt jeht auh. ergreift
die Fluht. und zieht das Faß nah fih. Und nun follteft
*Du folh ein Wunder fehen: immer holter die Polter. er fhlägt
an die Bäume. den Berg hinauf. das Thal hinunter. Der
Wolf läuft. das Faß ihm nah. Hänshen hält den Shwanz
feft und ihm nah. daß es eine Freude ift! Plöhlih. Holter
'die Polter. ftößt fih das Faß an eine Wand und platzt
auseinander. Der Wolf rennt weiter. Hänshen aber fieht
fih auf einmal zu Haufe. und hält mit beiden Händen den
*Shwanz des Wolfes feft. der an der Wurzel abgeriffen war.
So erging es Mutters Hänshen.
Wer es weiter weiß. der möge es weiter erzählen!
AUX.
Teller-pferd
>WW
fhickft. kann ich Brod und Salz niht mehr von einem Teller*
mit Dir effen.“
..Wo foll ih ihn aber hinbringen. Frau? Laß ihn
doh noh etwas älter werden. fo gründet er fein eigenes
Haus.“
..Jh weiß nur das. was ih Dir gefagt. Wähle!“
Als der Mann fah. daß er mit der Frau niht fertig_
werden konnte. fagte er zu dem Jungen:
..Vaters lieber Junge. Du ftehft. daß ih alt bin. Jh
kann niht mehr fo viel arbeiten. daß ih keine Hülfe nöthig,
hätte. Deine Mutter will Dih niht mehr hier fehen. So
geh Du hin. wohin Dih der Herr führen wird. um Dir
Dein täglih Brod zu erarbeiten. und wenn der da droben
will. werde ih hin und wieder kommen. um Dih zu fehen.
wenn ih irgend kann.“
..Das fehe ih auh. Väterhen. daß diefe Stiefmutter
mih niht mit Augen fehen kann. und ih weiß niht war
um? Jh bin ihr nie ungehorfam gewefen. habe Alles ge
than. was fie mir gefagt hat. aber vergebens. fie kann mih
niht ausftehen. So geh ih. Vater. wohin mir Gott räth.
und werde arbeiten. Jh werde mir fhon das täglihe
Brod verdienen. denn wahrhaftig! niht umfonft bin ih ein
tühtiger Junge. Und wenn Jhr könnt. befuht mih mal.
Vater. denn feht. ih fühle. daß ih mih vor Sehnfuht nah
Euh verzehren werde.“
..Geh gefund. Vaters lieber Sohn. und der Herr
helfe Dir!“
..Auf gefundes Wiederfehen. Väterlein,“ Und der arme
Junge ging aus dem väterlihen Haufe mit Thränen auf
-155
x
L
“er
_163
Tag. den der Herr werden ließ. an dem er niht denen. die
Hülfe nöthig hatten. irgend eine Wohlthat erwies.
Es kam dahin. daß in der Gegend auh niht ein einziger
Armer blieb.
Die Kunde von dem Reihthum und der Mildherzigkeit
des Sohnes jenes Alten drang bis zum Kaiferhof, Und da
der Kaifer eine fehr kluge und fhöne Tohter hatte. fhickte
er Bewerber zum Sohn des Alten.
Wie der Junge hörte. daß der Kaifer ihn zum Shwieger
fohn wünfhte. wunderte er fih. Als er dann an den kaiferlihen
Hof gerufen wurde. ging er hin und benahm fih mit viel
Anftand und Würde. fo daß es dem Kaifer durhaus niht
leid that. ein Auge auf ihn geworfen zu haben.
Die Kaifertohter gewann ihn lieb. weil er hübfh. ftolz
und ein aufgeweckter Rumänen-Junge war.
Dann. nahdem fie unter fih einig geworden waren.
hielten fie eine Hohzeit. von der die Kunde durh's ganze
Land ging.
Auh der Vater des Jungen war dort.
Nahdem die Tänze und Beluftigungen der Hohzeit be
endet waren und ein Jeder nah Haufe gegangen. fehte
der Alte nah der von den Vätern überkommenen Sitte in
das Zimmer. in dem der Shwiegerfohn und die Braut
fhlafen follten. ein Brot. fo weiß wie das Antlih Ehrifti.
Darauf ging auh er fort. um fih niederzulegen.
Jn der Naht gefhieht was? Der Shwiegerfohn des
Kaifers fieht plöhlih den Drahen vor fih. der einen Kiefer
am oberen Thürfims. den anderen an der Shwelle unten
hat und dem jungen Burfhen fagt. daß er wegen ihrer Ab
mahung gekommen fei. und daß er ihm jetzt Die zum Ver
_165
fpeifen geben möge. die fih neben ihm befände. und die er
wie fein Augenliht liebe.
Der Sohn des Alten. der längft die Abmahung ver
geffen hatte. wußte niht. was er thun follte. Er durfte fih
niht auf den Drahen ftürzen und ihn morden. weil er
wußte. daß ihre Abmahung fo lautete; fein Vater hatte ihm
oft gefagt. daß wenn man fein Wort gegeben. man auh
feine Seele verpfändet habe. Aber das Herz ließ ihn auh
wieder niht feine Geliebte hingeben. damit der Drahe fie
verfpeife!
Als er fih fo mit Gedanken quälte. was er wohl mahen
folle. um weder fein Wort zu brehen. noh feine Braut hin
zugeben. fing das Brot auf dem Tifhe an zu fpringen und
fagte:
..He. Drahe. ih bin gefäet worden. bin gewahfen. mit
der Sihel gemäht. in Bündel gebunden worden und hab's
ertragen. ertrag Du's jeht auh und geh in die Pfüßen der
Meere.“
Der Drahe ftand und wartete. Das Brot fprah
wiederum:
..Darauf hat man mich in die Sheuer gebraht. Pferde
haben mih getreten. man hat mih gefiebt und zur Mühle
gebraht. ertrag Du's auh. wie ih's ertragen. und geh. daß
wir Deinen Namen niht mehr hören.“
Der Drahe wartete noh immer und feine Zungen
fpielten in feinem Munde herum wie Blihe. Der Shwieger
fohn und die Braut fhwiegen ganz ftill. Das Brot fprah
wiederum:
..Dann hat man mih gemahlen. und nahdem hat man
- 166 -
mih nah Haufe gebraht. gefiebt. mit Waffer geknetet.
in den Backofen gefteckt und gebacken. daß mir die Augen
faft aus dem Kopf gefprungen wären. und ih hab's er
tragen! Ertrage Du's auh. Du verfluchter Drahe. der plaßen
mög'!“
Der Knall. der ertönte. als der Drahe plahte. war fo
groß. daß Alle im kaiferlihen Palaft davon erwahten. Als
fie hinkamen. was fahen fie? Ein Unthier von Drahen.
geplaht und aufgefhliht. Und fo groß war es. daß Alle
fih davor erfhraken.
Sie nahmen daher das Aas und trugen es aus der
Burg heraus und überlieferten es den Raben. Darauf er
zählte der Shwiegerfohn dem Kaifer die ganze Bewandtniß.
Als die Leute im Palafte das hörten. dankten fie Alle
Gott. daß er folh ein Wunder bewirkt und die Kaifer
kinder mit heiler Haut und Knohen hatte davon kommen
laffen.
Darauf lebten fie in Frieden und Freude und thaten
überall Gutes. und wenn fie niht geftorben find. fo mögen
fie am Ende heute noh leben.
Jh fhwang mih auf den Sattel dann.
Damit ih's Euh erzählen kann.
All(
hier i anne hung-j.
_179
auh diesmal auf die Unterftüßung der Wespen und Fifhe. legte
fih an einen Quell. und fowie er getrunken. fhlief er auh gleih ein.
Als er aufwahte. war es heller Tag. nur war die Sonne
noh niht aufgegangen. Er bewegte das Haar. die Wespen
aber kamen mit der Nahriht. daß die Heerde niht auf der
Erdoberflähe fei. er rieb die Fifhfhuppe. aber die Fifhe
fagten. daß fie auh niht unter dem Waffer fei; da nahm
er in feiner Verzweiflung die Kralle des Maulwurfs und
krahte mit ihr auf dem Boden.
Ieht hätteft Du das Wunder fhauen follen! Die
Wespen fummten. die Fifhe wü'hlten'alles Waffer auf. die
Maulwürfe aber begannen die. Erde zu durhdringen. fie zu
durhfurhen. als ob fie fie ganz zu Muß mahen wollten.
Als die erften Sonnenftrahlen “die Wipfel der Pappelu vor
der Hütte berührten. zog die Heerde wie gejagte Shatten
auf den armen Jungen zu; wollte fie.-in's Waffer. fheuhten
fie die Fifhe. fuhten fie fich in der Erde zu verbergen. ver
trieben fie die kralligen Maulwürfe. und fo mußten fie dahin
gehen. wohin die Wespen fie führten.
Der arme Junge dankte für die Hülfe und kehrte heim.
gerade als die Sonne die Hütte befhien.
Die Alte fah ihn zornig an und fagte nihts mehr.
Aber jetzt kam es drauf an! Das Jahr war um.
und der arme Junge begann fih hinter den Ohren zu
krauen. wei( er niht wußte. welhes Pferd aus der Heerde
er *wählen folle.
So geht's dem Uebereilten! Die Waldhexe hätte ihm
dies wahrfheinlih auh noh fagen können. hätte er fie niht
fo fhnell verlaffen. Jetzt ging er auf's Gerathewohl los.
Und dann dachte er. was er auch träfe. fhleht käme er doh
12*
18()
niht weg. denn auf jeden Fall war's auf langem Wege immer
beffer zu Pferde als zu Fuß. Außerdem hatte er die Pferde
der Alten rennen gefehen und wußte. daß es lauter Pferde.
keine Shindmähren waren.
So ging er alfo durch die Heerde. und wie er ging.
ftieß er auf ein krankes Füllen. mit dem er Mitleid hatte.
weil er es fo nngepflegt ausfah; aber es fiel ihm niht ein.
gerade diefes zu wählen. Soviel er fich aber wandte und
drehte. immer blieb er bei diefem ftehen. denn er war gar
zu gutherzig feiner Art nah und fagte fih. wenn er auh
niht viel mit ihm anftellen könne. erweife er doh wenigftens
einem armen Thiere etwas Gutes.
..Wer weiß“. fagte er fih. ..wenn ih es kämme. bürfte
und ftriegle. wird i-omöglich noh ein gutes Pferd aus ihm.“
So wählte er d *s und entfhloß fih. als Zugabe noh
die'Tafhe zu ftehlen. in der fih Kamm. Bürfte und Striegel
befanden. damit er fein Pferd gut beforgen könne.
Die Alte wurde giftig-grün. als fie hörte. daß er fih
dies gewählt. weil dies das Bewußte war. Aber was konnte
fie ihm thun? Sie mußte Wort halten. Sie rieth ihm
nur. fih ein anderes. befferes anszufuhen. fagte ihm. er
wiirde bald ohne Pferd bleiben. und daß für guten Dienft
fich ein guter Lohn gebühre; ,fhließlih gab fie es ihm
jedoh.
Aber eine Hexe bleibt immer eine alte Hexe. und fo'wie
der arme Junge zu Pferde geftiegen. Abfhied genommen und
davon geritten. ging fie an den großen Keffel. ftellte ihn ab und
beftieg den Dreifuß. dann verwandelte fie fih in Gefiht und
Haltung und eilte mit der Shnelligkeit des Fluhes ihm
181
werde ih Dih fo fiihren. wie noh nie ein Held vom dies
feitigen Geftade zum jenfeitigen gelangt ift. denn ih habe
dort auh eine Shwefter. die ih zu fuhen ausgehe.“
Der arme Junge war betäubt von der Windeseile. mit
der das Pferd über den Wald hinflog und fih darauf auf das
jenfeitige Geftade herabließ durh eine große Oeffnung in dem
andern Theil des Waldes. Als er zu fih kam. befand er fih
auf dem jenfeitigen Geftade. feinem Pferde gegenüber. das
fih jeßt einmal fhüttelte. zum zweiten Male. fich in einen
fhönen Prinzen mit langen Locken verwandelte und fprah:
..Wohin Du auh geheft. möge das Glück Dein Gefährte
fein. denn Du haft mih aus dem Zauber befreit. in welhen
mich die Waldhexe gebannt hatte. Erfahre. daß ih der Sohn
'des rothen Kaifers bin und mih aufgemaht hatte. um meine
Shwefter zu fuhen; am Rande eines Waldes aber fand ih
die Waldhexe und die klagte mir. daß fie niht mehr gehen
könne und bat mih. fie auf dem Rücken zu tragen; als ih
fie aber aus Mitleid hatte auf mih fteigen laffen. verwandelte
fie mih in ein Pferd und verdammte mih dazu. Pferd zu
bleiben. bis ein Held fih meiner erbarme und mih beftiege.
damit ih ihn auf's jenfeitige Geftade trüge; dort follte ih
meine menfhliche Geftalt wiedergewinnen.“
Der arme Junge freute fih fhrecklih. daß er nun niht
mehr allein war. Er nahm das Kleiebrot. brah es entzwei
und gab die eine Hälfte dem Kaiferfohn. damit fie Brüder
auf Leben und Tod feien. und diefelbe Sehnfuht fie Beide trüge.
Der Kaiferfohn koftete vom Brote. und wie er davon
aß. wuhs feine Kraft und feine Liebe.
Sie erzählten fih ihre Erlebniffe und gingen dann
geradeaus vorwärts.
*183
der andern Welt. wenn man ihn hörte. und er entquoll einer
Frauenftimme. Der arme Junge und der Kaiferfohn horhten
niht lange. fondern fprangen auf und eilten dahin. woher
ihnen der Gefang kam.
Und dies erblickten fie: an einem Theil des Shloffes
war ein Glasthurm. in diefem Glasthurm aber faß ein
Mädhen und fpann und fang und weinte. ihre Thränen aber
verwandelten fich beim Herabfallen allfogleih in Perlen.
Und dies Mädhen war fo fhön. daß zwei Männer. wären
fie in der Welt gewefen. fih ihretwegen umgebraht hätten.
Wie die beiden Helden fie erblickten. blieben fie regungslos
ftehen und fhauten fie fehnfühtig an. das Mädhen aber
hörte zu fpinnen auf. fang niht mehr und weinte niht.
fondern fah fie verwundert an.
Dies aber war von keinem der Beiden die Shwefter.
und wie es fo zu gefhehen pflegt. meinte der arme Junge.
fie fei die Shwefter des Kaiferfohnes. der Kaiferfohn aber.
fie fei die Shwefter des armen Jungen.
..Jh bleibe hier“. fagte der arme Junge. ..gehe Du aber
hin und befreie meine Shwefter. um fie zur Frau zu nehmen.“
..Nein. ih bleibe hier“. antwortete der Kaiferfohn. ..gehe
Du hin und befreie meine Shwefter. denn diefe hier nehme
ih zur Frau.“ .
Jeht kommt's drauf an! Als fie verftanden. daß diefes
fhöne Mädhen von keinem der Beiden die Shwefter war.
griffen die fhönen Helden an die Shwerter. im Begriff fih
mit ihnen zu bekämpfen. wie fih Männer zu bekämpfen
pflegen. wenn fie etwas unter fih theilen müffen.
..Haltet ein“. fprah das fhöne Mädchen. ..überftürzt
Euh niht. Sucht erft beffer nah. ob ih wirklih das bin.
- 185 -
was ich Euh erfheine. oder ob ich am Ende nur ein Schatten
bin? Jh bin das körperlofe Mädhen. das erft verkörpert
wird in diefer Welt. wenn der Drahe mih von dem andern
Geftade geraubt haben wird. So wie Ihr mih jeht feht.
werde ih dann auh fein. werde fpinnen. fingen und weinen.
denn ih werde an meine Mutter denken. die fpinnt. fingt
und weint; und fo fpinnen. fingen und weinen auch Eure
Shweftern. die von den beiden älteren Brüdern des Drahen.
der dies Shloß beherrfht. geraubt worden find.“
Als fie dies hörten. wollten die beiden Helden davon
gehen. um niht mehr Zeit unterwegs zu verlieren.
..Haltet ein und überftürzt Euh niht.“ fagte ihnen wieder
das körperlofe Mädhen. ..Ihr denkt wohl gar. daß Ihr den
Drahen fo durh den bloßen Willen befiegen werdet? Eurer
harren große Dinge. Mih hat die alte Drahin hierher ge
feht. damit ich ihren jüngften Sohn immer anfporne. weil es
gefhrieben fteht. daß alle drei Brüder zu gleiher Zeit Hohzeit
mahen follen. Die beiden älteften Brüder halten Eure
Shweftern gefangen. können mit ihnen aber erft Hohzeit
mahen. wenn der jüngfte Sohn mih geraubt haben wird.
So .oft er von der Jagd heimkehrt. hält er dort an. wo
Ihr jeht fteht. fieht mih mit Sehnfuht an. dann rihtet er
feine Waffen her. füttert fein Pferd mit glühenden Kohlen.
aber kann fih doh noh niht auf den Weg mahen. weil
meine Zeit noh niht gekommen ift. Drum bleibt und
befiegt ihn hier. damit er mih niht etwa raube. wäh
rend Jhr unterwegs feid und Ihr dann zu fpät zu Euren
Shweftern kommt. Aber ahtet auf Eins: Ihr könnt ihn
außerhalb feines Hofes niht befiegen. weil er unfihtbar ift.
Wenn er nah Haufe zurückkehrt. wirft er darum feinen
_186
daß wenn fie niht gutwillig käme. er fie mit Gewalt nehmen
würde. denn fie hielt die Hand an dem gefährlihen Nagel.
und es war keine Möglihkeit fie zu befänftigen.
Das follte alfo heißen. daß es ihnen an den Kragen gehen
würde. wenn fie den Drahen abwarteten. denn fie waren zwei.
nur zwei Perfonen. und wenn der Eine das Shloß an den
Angeln des Thores hielt. der Andere den Drahen mitten
im Hof erwartete. war Keiner da. der fie vor dem bewußten
Nagel befchühen könne.
..Laß mih nur“. fagte der arme Junge. der feitdem
er die Kaifertohter gefehen ganz ih weiß niht wie geworden
war. außerordentlih wüthend. ..Entweder ih ihn. oder er mih!“
Wie man fie'ht. hatte er fih entfhloffen. den Drahen
fogar auf freiem Felde zu bekämpfen. wo er ihn niht fehen
konnte. eine unerhörte Sahe. feitdem die Märhenprinzen
mit Drahenkindern kämpfen; denn wenn es fhwer ift. einen
Drahen zu befiegen. fo ift es doppelt fhwer. ihn. wenn er
unfihtbar ift. zu befiegen. und daran hatte auh noh nie
.Jemand gedaht.
Der Kaiferfohn und des armen Jungen Shwefter ver
fteckten fih darum in einen Graben neben dem Shloß. damit
'der Drahen fie niht fähe; der arme Junge aber ftellte fih
ein bischen an's Thor und wartete. daß der Drahen feinen
Streitkolben würfe. damit er gezwungen wäre. fih-ihm zu
nähern. denn wenn er keinen Streitkolben mehr hätte. würde
»er gezwungen fein. entweder mit dem Shwerte oder mit der
,Fauft zu kämpfen.
Viel Zeit verging niht. bis krah! der Streitkolben
an das eifenbefhlagene Thor fhlug. aber auh der arme
Junge war nicht faul. er fhlug auf das andere Thor ein
-191
und rannte mit dem Thor und Allem heraus und ließ das
Shloß hinter fih zufammenftürzen.
..Komm'. wenn Du den Muth haft. jeht zum Borfhein“.
rief er darauf und glaubte. daß der Drahe etwas antworten
wiirde und fih dabei verrathen, .
Der Drahe aber fühlte. daß er feinen Mann gefunden
habe. und dahte garniht daran zu fprehen. fondern näherte
fih unfihtbar. zog das Shwert heraus und zückte es gerade
nah des armen Jungen Kopf. um ihn abzuhauen. aber der
Hieb theilte nur feinen Kinnbacken in zwei Theile.
Das fhmerzte den armen Jungen. aber es freute ihn
auh. weil er jetzt wußte. wo er feinen Feind zu fuhen
habe; fo ftürzte er fih auf die Gegend los. aus der ihm
der fhwere Shlag gekommen war. und fhlug zu und fühlte.
daß er in's Fleifh getroffen. und fhlug wieder und fühlte
wieder. daß er getroffen hatte. und fo fü'hrte er kleine. fhnelle
Stöße. mit denen er den Drahen vor feines Shwertes
Spiße hertrieb. Plößlih aber fühlte er. daß er niht mehr
traf. daß der Drahe feinem Säbel entronnen fei. und er
blieb zufammengekauert. wie der. der niht weiß. woher ihm
jeht der Shlag kommen wird. ftehen.
Der Drahe zielte noh einmal gerade auf den Kopf
des armen Jungen. und wie er zuhaute. fhlug er ihm das
rehte Ohr ab.
..Das werde ih Dir heimzahlen“. rief der arme Junge
und ftürzte fih von Neuem auf ihn. Jetzt waren aber feine
Kräfte fhon fehr gefhwäht. und er traf den Drahen nur
hin und wieder und verlor ihn nah kurzer Zeit aus Säbelweite.
Die Kaifertohter fah von oben ihrem Kampfe zu aus
dem heil gebliebenen Thurm. und wie fie fhaute. wunderte
-- 192 -
fie fih über des armen Jungen Heldenmnth; jeht aber. als
fie fah. daß der Drahe den dritten Schlag nah des armen
Jungen Kopf rihtete. rief fie: ..Lieber Held. wende Dih
nah rehts und fpeie dreimal aus. damit Du ihn mit Augen
fehen kannft.“
Als der arme Junge dies hörte. fühlte er fih hundert
und taufendmal ftärker. als er gewefen war. und wie er fih
nah rehts wandte und ansfpie und den Drahen erblickte.
ftürzte er fih auf ihn; nmfaßte ihn mit feinen Armen und
drückte ihn fo. daß er ihm die Knohen zerquetfhte und ihn
dann maufetodt wegfhleudcrte.
Darauf verloren der Kaiferfohn und der arme Junge
keine Zeit mehr. fondern mahten fih reifefertig. Die Kaifer
tohter küßte den armen Jungen und augenblicklih heilte das
Ohr an und das Kinn zu. fo daß er noch fhöner als zuvor
war. Darauf gingen der arme Junge und der Kaiferfohn
in die Ställe des Drahen. die fih verfteckt unter den Grund
veften des zufammengeftürzten Shloffes befanden. ein Jeder
nahm ein bezaubertes Pferd. beftieg es. hob feine Braut
darauf. und fo eilten fie nah Haufe.
Wäre der rothe K aifer nur ein gewöhnliher Menfh gewefen.
würde er fih fchon gefreut haben. er war aber außerdem ein
Kaifer! Er theilte fein Reih zwifhen feinen Sohn und feiner
Tohter Gemahl; darauf ging der armeJunge und 'holte fih feine
arme Mutter. und nahdem auh fie gekommen war. wurde
eine Hohzeit hergerihtet. Himmel! was für eine Hohzeit.
von der die Leute reden werden. fo lange die Welt fteht.
Jh fhwang mih in den Sattel dann.
Damit ih's Euh erzählen kann.
-' 193 _
xu,
Es war einmal ein Alter und eine Alte. die hatten bis
in ihr Alter niht ein einziges Kind gehabt. und das
kam ihnen fhwer an. weil fie gar keine Hülfe hatten. niht
einmal um das Feuer anzumahen; denn wenn fie vom
Felde kamen. mußten fie zuerft damit beginnen. Feuer anzu
zünden. und dann das Effen herrihten.
Eines Tages. als fie fih fo mühten und mit einander
beriethen. befhloffen fie. fih nah Kindern umzufehen. was
dann auh gefhah.
Der Alte fhlug einen Weg ein. die Alte einen andern.
um irgendwo ein Kind zu finden.
Der Alte traf auf feinem Wege einen Hund. die Alte
eine Maus. Als fie einander begegneten. fragte die Alte:
..Alter. was haft Du gefunden?“
„Ein Hündhen! Und Du. Alte?“
..Ein Mäushen.“ -
Sie kamen jeßt überein. das Mäuschen als Kind an
zunehmen und das Hündhen fortzujagen. und fo kehrte der
Alte mit der Alten und dem Mäuschen vergnügt nah Haufe
zurück. weil fie nun gefunden. was fie gefuht. nämlih ein Kind.
Zu Haufe angelangt. begann die Alte Feuer anzumahen;
dann fehte fie den Topf mit faurer Buttermilh zum
13
- 194 *
7.»
WFK
/
_-195
18*
_196
Lil),
her Wii-entfernen.
der Hoffnung. daß fih Jemand finden würde. ehe das Kind
zur Welt käme. der ihm fagen könnte. was er thun folle.
So mahten fie fih auf. damit der rothe Mann ihm
die Viehheerden zeige. die er befaß. und feine Paläfte. _die
niht fern davon lagen. Darauf brahten fie den Kuhhirten.
Shweinehirten. Shäfern und Knehten bei. was fie zu fagen
hätten. wenn Jemand fie frage. wem die Heerden gehörten.
Des Kaifers Shwiegerfohn kehrte darauf in den
Palaft zurück und fagte. daß er feine Frau am folgenden
Tage in fein Haus führen würde. Unterwegs aber auf dem
Felde begegnete er , einem alten Manne. "Als er fah.
wie alt und fhwah derfelbe war. hatte er Mitleid mit
ihm und wollte ihm ein_ Almofen geben. Der Alte nahm
nihts an. bat ihn aber. ihn in feinen Dieuft treten
zu laffen. es wiirde fein Shadeu niht fein. Er fagte
ja. Als der Kaifer hörte. daß fein Shwiegerfohn fih in
fein eigenes Shloß begeben wollte. gab er vor Freuden den
Befehl. Alles großartig herzurihten. um ihn mit kaiferlihen
Ehren zu begleiten.
Am folgenden Tage war daher der ganze Hof voll
Herren. Soldaten und allerhand Gefolge, Alle Reifevorbe
reitungen hatte der alte Mann getroffen. der in die Dienfte
des Kaiferfhwiegerfohnes getreten war; er fagte. er fei der
Haushofmeifter des Erbfenkaifers. und Alle lobten ihn wegen
feiner Mannhaftigkeit. Würde und feines Fleißes.
Der Kaifer war guter Dinge und mahte fih mit der
Kaiferin. dem Erbfenkaifer und deffen Frau nah den Be
fihungen feines Shwiegerfohnes auf. Der alte Kneht ging
voran und brahte Alles. was nöthig war. in gute Ordnung.
Nur der arme Erbfenkaifer war bleih und muthlos. als
_200_
»W
- 201 m
zeugt haben. Ieht fage-ich Dir. daß ih Dir noch größere
Dienfte leiften kann.“
„Sprihft Du wahr. Alter?“ fragte der Erbfenkaifer.
.,Zweifle niht daran. keinen Augenblick. Herr! Um
eines bitte ih Dih noh: laß mih diefe Naht in irgend
einem Eckhen des Zimmers. in dem Du fhläfft. zubringen.
fei's auh hinter der Thür. Ferner rathe ih Dir. antworte
niht ein Wörtlein. wer Dih auh mit Namen ruft. oder
wie groß der Lärm auch fei. der gemaht wird.“
..So foll es fein!“ fagte der Erbfenkaifer. Und fo
gefchah es auh.
*Nahdem fie fih niedergelegt und das Liht gelöfht
hatten. hörten fie ein dumpfes Geräufh wie das eines fih
nähernden Unwetters. Dann fagte eine heifere. rauhe Stimme:
..Erbfenkaifer. Erbfenkaifer !“
..Was wünfchft Du?“ entgegnete der Alte.
..Dih rufe ih niht“. antwortete es. ..ih rufe den
Erbfenkaifer.“
..Das ift ganz dasfelbe“. erwiderte der Alte. ..mein
Herr fhläft. er ift müde“.
Darauf hörte man den Lärm vieler Stimmen. als ob
fih Jemand zankte! Dann vernahm man wiederum die erfte
Stimme: ..Erbfenkaifer. Erbfenkaifer!“
..Was giebt's ?“ erwiederte der Alte.
..Was ift Eins?“
..Der Mond ift Eins“.
..Du bift's. Herr?“
..Berfte. Teufel!“
Darauf hörte man ein Wehklagen. als ob die ganze
Hölle draußen wäre. und eine andere Stimme fagte:
-- 202 -
ALU.
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*) Bufujok: Bafiliumkraut,
**) Siminok: Eeapbaliom, Kahenpföthen.
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fie auf der Welt waren. Wenn der Wind wehte und die
Blätter bewegte. horchten fie auf ihr Gefäufel. und ihnen
fhien es. als ob die Kaiferin einherginge und ihr Seiden
kleid nach fih fhleppte. Dann fehten fie fih auf das weiche
Gras in den Shatten eines großen Baumes. Hier fingen
fie an zu überlegen und fih zu berathen. wie fie die Jagd
beginnen follten. Sie wollten nur wilde Beftien erlegen.
Die Vögel. die um fie herumhüpften und fih auf die Zweige
des Baumes fetzten. beachteten fie gar niht; ihnen that es
leid. fih mit ihnen abzugeben. aber ihrem Gezwitfher hörten
fie gern zu. Es war. als ob die Vögel etwas davon merkten.
denn fie hatten keine Shen. fondern fangen fogar. als follte
ihnen die Kehle zerfpringen; die Nahtigallen flöteten aber nur
aus dem Kropfe. damit ihr Gefang füßer fei. Und als fie
fo daftanden und fih berathfhlagten. überkam den Kaifer
fohn folh eine Mattigkeit. daß er niht aufreht ftehen konnte.
und er legte feinen Kopf in Siniinokis Shoß und bat ihn.
ihm ein wenig den Kopf zu krauen.
Nahdem er ihm gekraut. was zu trauen war. hielt
Siminok damit ein und fagte:
..Was ift das auf Deinem Kopf. Bruder Bufujok?“
..Was foll da fein? Weiß ih. wonah Du fragft. Bruder
Siminok?“ .
..Shau mal an“. entgegnete Siminok. ..zwei Haarfträhneu
auf Deinem Kopfe find zufammengeknotet.“
..Wie ift das möglih?“ fagte Bufujok. Dies ärgerte
Bufujok nun fo. daß er befhloß. in die weite Welt zu gehen.
..Bruder Siminok“. fagte er. ..ih gehe in die weite
Welt. weil ih niht begreifen kann. warum die Mutter mir
zwei Haare verknotet hat. als fie mir am Kopf herumfuhte!“
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..Hör'. Bruder Bufujok“. entgegnete ihm Siminok. ..nimm
Verftand an und thu fo etwas niht; denn wenn die Kai
ferin das Haar geknotet hat. glaub' doh niht. daß es in
böfer Abfiht gefhah!“
Bufujok aber blieb unwandelbar bei feinem Entfhluße.
und als er Abfhied von Siminok nahm. fagte er ihm;
..Nimm dies Tuh. Bruder Siminok. wenn Du drei
Blutstropfen auf ihm fiehft. dann wiffe. daß ih todt
bin.“ -
..Möge der Herr Dir beiftehen. Bruder Bufujok. daß es
Dir wohl ergehe; ih aber bitte Dih noh einmal. bei meiner
Liebe. bleib!“ *
..Unmöglih“. entgegnete Bufujok.
Dann umarmten fie fih und Bufujok mahte fih auf
den Weg; Siminok aber blieb und fhaute ihm begierig nah.
bis er ihn aus den Augen verlor.
Siminok kehrte nah Haufe zurück und erzählte Alles.
was fih zugetragen hatte.
Die Kaiferin war außer fih vor Herzeleid. Sie rang
die Hände und weinte. daß Gott fih erbarme! Aber fie wußte
nihts zu thun und tröftete fih etwas dnrh Siminok's An
blick. Nah einiger Zeit holte diefer das Tuh heraus.
fhaute es an und fah drei Tropfen Blut darauf. Da
fagte er:
..Ah. mein Bruder ift geftorben! Jh gehe hin. um
ihn zu fuhen.“ -
Und er nahm fih Reifezehrung mit und mahte fih
auf. um ihn zu fahen. Er kam durh Städte und Dörfer.
durhmaß Felder und Wälder. wanderte und wanderte. bis
er an ein kleines Hans kam. Dort begegnete er einer alten
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Frau. und die frug er nah feinem Bruder. “Die Alte fagte
ihm. daß derfelbe der Shwiegerfohn des Kaifers. der in'
jenen Gegenden 'herrfhe. geworden fei. - '
Als Siminok an den Palaft diefes Kaifers gelangte.
glaubte deffen Tohter. fowie fie ihn erblickte. daß er ihr
Gemahl fei. und lief ihm entgegen. Er fagte: ..Ih bin der
Bruder Deines Gemahls; ih habe gehört. daß er umge
kommen ift. und bin hier. um über feinen Aufenthalt etwas
zu erfahren.“
„Das kann ih niht glauben!“ fagte die Kaifertohter.
..Du bift mein Gemahl. und ih weiß niht. warum Du Dih
jeßt verftellft. Jft meine Treue etwa auf eine Probe ge
ftellt worden. und habe ih Dih hintergangen ?“
..Nihts von alledem. Sondern ih fage Dir mit reinem
Gewiffen. daß ih niht Dein Gemahl bin.“
Sie wollte das durhaus niht glauben. Da fagte er:
..Der Herrgott foll die Wahrheit beweifen. Wer von
uns beiden im Jrrthum ift. den foll das Shwert. das dort
am Nagel hängt. einkerbeu.“
Und augenblicklih fprang das Shwert herab und ver
lehte das Mädhen am Finger. Darauf glaubte fie ihm
denn und bewirthete Siminok. wie es ihm gebührte. _
Am nähften Tage erfuhr er. daß Bufujok auf die
Jagd gegangen und noh niht heimgekehrt fei, So beftieg
er auh ein Pferd. nahm Windhunde und ritt feinem Bruder
nah. in die Gegend. in die er gegangen war. Er ritt und
ritt und gelangte in einen Wald. wo er der Waldhexe be
gegnete. Sowie er fie erblickte. er ihr nah und verfolgte
fie! Sie entfloh. er ihr nah. bis die Waldhexe einfah. daß
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..x-ar:- »
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fie keinen Ausweg hatte. fih auf einen hohen Baum fhwang
und fo entkam.
Siminok ftieg ab. band das Pferd an einen Baum.
mahte Feuer an. holte die Eßwaaren heraus und begann
am Feuer gelagert zu effen. wobei er den Windhunden auh
immer etwas zuwarf.
..O weh. o weh. mir ift fo kalt“. fagte die Waldhexe.
..mir klappern die Zähne.“
..Steig herab“. entgegnete ihr Siminok. ..wärme Dih
am Feuer.“
..Jh ängftige mih vor den Hunden“. fagte fie,
..Fürhte Dih niht. die thun Dir nihts.“
..Wenn Du mir einen Gefallen thun willf ““. fagte fie.
..nimm eine Strähne meines Haarzopfs und binde Deine
Hunde damit feft!"
Er fteckte die Haarfträhne in's Feuer.
..Pfui. wie fhleht rieht die Strähne. die ih Dir ge
geben und die Du in's Feuer gefteckt haft!“
..Mah'. daß D11 von hier fortkommft“. antwortete ihr
Siminok ..und fhwahe niht mehr Unfinn. Einer der Wind
hunde ift mit dem Shwanz ein] Bishen an's Feuer ge
kommen und hat fih angefengt. darum rieht es fo fhleht.
Wenn Du frierft. komm herab und wärme Dih. wenn nicht.
halt Deinen Shnabel und laß mih in Ruh.“
Da glaubte fie ihm. ftieg herab. näherte fih dem Feuer
und fagte:
..Jh habe Hunger!“
..Was foll ih Dir zu effen geben? Nimm. was Du
willft von dem. was ih habe.“
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von ihnen fo ftark auf den Kopf. daß fie Beide todt blieben.
Der Stein des jüngften Kaiferfohnes aber fiel vor ihm nieder.
Viele hatten fih angefammelt. um diefes Gottesurtheil
mit anzufehen. Nahdem die Hohzeit gefeiert war und
der Kaifer feinen Sohn mit der Hühnermagd verheirathet
hatte. ftieg er vom Throne herab und fehte feinen Sohn
darauf. der. wenn er noh lebt. noh heutigen Tags
regiert.
Auh ih war bei diefen Vorfällen zugegen und erzähle
fie jeht denen. die fein anfhorhen.
LTL.
wenn dann der Alte nah Haufe kam. ging der Mund der
Alten wie ein Mühlrad. die Stieftohter hätte ihr niht ge
horht. fie wäre dreift. faul. fhlehter Art. bald Diefes. bald
Jenes. er müffe fie aus dem Haufe entfernen. in den Dienft
fhicken. wohin er wolle. es wäre keine Möglihkeit. fie zu
behalten. weil-fie auh ihre Tohter verderben könnte.
Der Alte war ein Maulaffe oder. wie man zu fagen
pflegt. er ftand unter dem Pantoffel. Alles. was fie fagte. war
heilig. Seinem Herzen nah hätte der arme Alte vielleiht
noh etwas gefagt. aber jeht hatte die Henne im Haufe zu
krähen begonnen. und der Hahn galt gar nihts mehr; wäre
es ihm aber eingefallen. fie übertrumpfen zu wollen. hätten
die Alte und die Tochter ihn fhon zu Kreuz kriehen ge
maht. Eines Tages. als der Alte fehr erbittert war über
das. was ihm feine Frau gefagt hatte. rief er das Mädhen
zu fih und fagte:
..Liebes Kind. hör'. was mir Deine Mutter immer fagt.
daß Du ihr niht gehorhft. daß Du eine böfe Zunge haft.
fhleht bift. und daß es niht möglih ift. daß Du noh
länger in meinem Haufe bleibft; drum gehe Du dahin. wo
hin Dih der Herr führen wird. damit hier im Haufe niht
mehr foviel Gezänk Deinetwegen ift. Aber als Vater rathe
ih Dir. daß. wohin Du auh gehft. Du gehorfam. demüthig
und arbeitfam feieft. denn hier bei mir ift Dir noh Alles fo
hingegangen. die elterlihe Güte kam Dir zu Statten. aber
zwifhen Fremden kannft Du auf Gott weiß was für Arten
Menfhen ftoßen. die Dir niht foviel nahfehen werden. wie
wir Dir nahgefehen haben.“
Als das arme Mädhen alfo fah. daß die Stiefmutter
und ihre Tohter fie um jeden Preis aus dem Haufe ent
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von der Seite kam. etwas. von dem er niht wußte. was
es fei. Ein Waffer. aber es ift niht wie Waffer. denn
es fheint niht auf der Erde zu fließen. fondern auf irgend
eine Art zu fliegen. oder was es fonft thut! - Genug. daß
es keine Spur hinterläßt. und niht in die Höhe fliegt . . .
So etwas. was niht ift!
..Weh mir!“ rief Petru.
..Halte Dih und wehre Dih. fteh niht ftill“. fagte der
Braune. und weiter fagte er nihts mehr. denn das Waffer
füllte ihm den Mund an.
Der Kampf begann von Neuem. Petru fhlug um
fih einen Tag und eine Nacht. ohn' Unterlaß. ohne daß er
gewußt hätte auf was. und kämpfte ohne zu wiffen mit
wem. Als das Morgengrauen des nähften Tages anbrah.
fühlte er. wie feine Füße erlahmten.
„Jeßt geh' ih zu Grunde!“ rief er. etwas ärgerlih;
doh darum begann er fih doppelt zufammen zu nehmen
und fhlug noh kräftiger.. . . Die Sonne ging am Himmel
auf. das Waffer verfhwand. ohne daß man wußte wie und
wann.
..Hol' Athem!“ fprah der Braune. ..hol' Athem. denn
Du haft niht viel Zeit zu verlieren. Die Welwa kommt
gleih wieder.“
Petru fagte nihts mehr. denn der Arme wußte gar niht
mehr. was er vor Müdigkeit thun follte. Er fehte fih alfo
beffer in den Sattel. faßte das Shwert beffer und erwartete
fo vorbereitet. daß herankam. was er fih nähern fah.
So etwas. ih weiß niht wie? wie wenn der Menfh
träumt. daß er etwas fieht. das hat. was es niht hat. und
niht hat. was es hat . . . fo erfhien dem Petru jeht die
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zen. aber Petra gab niht nah. Der Schweiß raun ihm
herunter. er trocknete ihn mit dem Aermel und ritt eilig
weiter. Was die Hitze anlangt. heiß hätte es noch fein
können. es war aber ein anderer Umftand. _der Petra
mehr quälte. Am Wege. immer einen guten Steinwurf
von einander entfernt. lagen kühle Thäler. mit kalten
durftlöfhenden Quellen. Wenn Petra auf fie fhaute. fühlte
er. daß ihm das Herz verdorrte und die Zunge im Munde
vertrocknete vor Durft. An den Quellen ftanden Lilien.
Veilhen und Rofen in weihem Gras und auf ihnen rahten
fhöne Mädhen. fo fhön. Himmel. wie fie gar niht fhöner
fein können. Petra hätte am liebften die Augen gefhloffen.
um fo verführerifhe Dinge gar nicht mehr zu fehen.
..Komm. Held. komm zur Kühlung. komm. laß Dih von
uns zerftreaen!“ lockten ihn die Mädhen an.
Petra fhüttelte mit dem Kopfe und fagte nihts mehr.
denn ihm war auh die Sprahe abhanden gekommen.
Lange ritten fie fo. fehr lange, Plöhlih fühlten fie.
daß die Hiße etwas nahzalaffen begann. in der Ferne
auf einem .Hügel wurde eine Hütte fihtbar. Hier wohnte
die heilige Donnerstag. Petra nähert fih ihr. Als fie bei
nahe angelangt waren. kam ihnen die heilige Donnerstag ent
gegen and bewillkommnete Petra.
Petra dankte ihr. wie es Brauh ift unter ange
fehenen und gefitteten Leuten; darauf ließen fie fi in
ein Gefpräh ein. wie es Leute. die fih noh nie gefehen
haben. zu thün pflegen, Petra brahte Kunde von der
heiligen Mittwoh. fprah von feinen Erlebniffen und von
dem Ziel. zu dem er fih aufgemaht. und fagte ihr dann Lebe
wohl. denn er hatte wahrhaftig keine Zeit zu verlieren. Denn.
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wer weiß. wie weit er noh bis zur Fee der Morgenröthe
hatte!
..Bleib ein wenig. daß ih Dir noch ein Wort fage“.
fprah die heilige Donnerstag. ..Jeht kommft Du in das
Reih der heiligen Freitagk): gehe auh zu ihr heran und
fage ihr. daß ih ihr Gefundheit und Glück wünfhen laffe.
Wenn Du dann heimkehrft. komm wieder zu mir. dann will
ih .Dir etwas geben. was Dir von Nahen fein wird.“
Petra dankte für ihre Worte und für Alles und ritt
weiter.
Kaum ritt er fo lange. wie eine Pfeife Tabak brennt.
als er auh in ein neues Land kam, l
Hier war es niht heiß und auh niht kalt. fondern
fo zwifhen Beiden. wie's im Frühling ift. wenn die Lämmer
entwöhnt werden. Petra begann jeht behaglih aufzuathmen.
er war aber in einer Haide. nur Sand und Difteln,
..Was kann dies fein?“ fragte Petra. als er etwas einem
Haufe Aehnlihes. aber weit. fehr weit weg erblickte; da ge
rade. wo fein Auge das Ende der leeren Haide fah.
..Das ift das Haas der heiligen Freitag“. antwortete
der Braune. ..wenn wir zureiten. können wir es noh vor
völliger Dunkelheit erreihen.“
So gefhah es auh. Die Naht brah herein. und
unfer Held näherte'fih langfam dem entfernten Haufe.
Auf der Haide erblickte man eine große Anzahl Gefpenfter.
die fih rehts. links. vor und hinter Petra jagten.
..Aengftige Dich niht“. fagte der Braune, Es find die
als fie beide fhläfrig zu werden begannen. ..Bei der Fee der
Morgenröthe ift ein Brunnen? wer aus dem Waffer diefes
Brunnens trinkt. der erblüht wie die Rofe und das Veilhen.
Bringe mir einen Krug davon. und ih werde mih Dir dank:
bar zu erweifen wiffen. Die Sache ift fhwer! das weiß
der Himmel! Das Reih der Fee der Morgenröthe ift von
allerhand wilden Thieren und fhrecklihen Drahen bewaht.
Jh will Dir aber noh etwas fagen und Dir auh etwas
geben.“
Nahdem die heilige Freitag fo gefprohen. ging fie an
einen von allen Seiten mit Eifen befhlagenen Shrank. und
zog aus ihm eine kleine. ganz kleine Flöte heraus.
..Siehft Du diefe Flöte“. fagte fie dem Petru. ..ein alter
Greis hat fie mir gegeben. als ih noh jung war. Wer
den Ton diefer ,Flöte hört. der fhläft ein und fhläft.
bis er ihn niht mehr hört. Nimm Du die Flöte und
blafe auf ihr. fo lange du im Reih der Fee der Morgen
röthe bift. Niemand wird Dir ein Leid anhaben. denn Alle
werden fhlafen.“
Petru fagte jeht. was er zu thun vorhabe. Die heilige
Freitag freute fih noh mehr. Weiter fprahen fie niht
mehr viel. Wie follten fie auh noh. war doh die Mitter
naht vorüber. fhon reihlih vorüber.
Petru fagte ..Gute Naht“. fteckte die Flöte in das
Futteral und ging auf den Boden des Haufes. um auh
endlih einmal zu fhlafen.
Als die Morgenröthe anbrah. war Petru fhon wah;
der Morgenftern war noh niht ordentlih am Himmel
heraufgekommen. als er fhon aufgeftanden war. Er
nahm eine große Krippe. füllte fie mit glühenden Kohlen.
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mehr: das weiß ja die ganze Welt. daß der Hof der Fee
der Morgenröthe kein alltäglih Ding fein kann! Rund
herum verfteinerte Feen. Bäume mit Goldblättern und Blumen
aus Perlen und Edelfteinen. Säulen aus Sonnenftrahlen.
glatt wie Espen; Stufen. leuhtend und weih wie die Lager
ftätten von Kaifertöhtern. und eine füße. einfchläfernde Luft.
Jh will nicht einmal fagen. daß nur der Stall. -in dem
die Pferde der heiligen Sonne ftanden. fhöner war. als das
Shloß des größten Kaifers diefer Welt. So war es alfo
bei der Fee der Morgenröthe. and es hätte ja auh gar
niht anders fein können. Wie hätte es etwa fein follen?
Petra ftieg die Stufen hinauf und trat in's Shloß.
Die erften zwölf Zimmer waren mit Leinwand bekleidet. die
nähften mit Seide. ihnen folgten zwölf mit'Silber und zwölf mit
Gold. Petra ging fhnell durch alle ahtandvierzig: dann fand
er die Fee der Morgenröthe im neunundvierzigften Zimmer.
welhes das fhönfte von Allen war.
Es war groß. breit und hoh. wie eine der fhönften
Kirhen. Die Wände waren rund herum mit allen Ar
ten von Seiden und wunderbaren Dingen bedeckt. unten.
auf dem Boden. wo man mit den Füßen hintritt. war etwas.
ih weiß niht was. leuhtend wie ein Spiegel und weich
wie Kiffen und außerdem waren aoh viele. viele fhöne
Dinge _da. wie es fo bei einer Fee der Morgenröthe fein
muß. Wo follte es denn fhön fein. wenn niht bei ihr!
Wie gefagt. den( Petra ftand der Athem ftill. als er fah.
daß er fih in Mitten fo farhtbar fhöner Dinge befand.
Mitten in diefer Kirhe. oder was es fonft war. fah
Petra den berühmten Brunnen. am deffentwillen er fo viele
Welten weiten Weg zurückgelegt. ein Brunnen. wiealle Brunnen
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guter Worte. mit Honig auf den Lippen. Der Braune nur
war traurig. er allein ließ den Kopf zur Erde hängen.
Nahdem die Brüder lange über den alten Kaifer. über
das Land und Petru's Weg gefprohen. begann Florea die
Stirn in Falten zu ziehen.
..Bruder Petru! Die Welt ift fhleht: wäre es niht
beffer. wenn Du uns das Waffer gäbeft. damit wir es
triigen ?“ fo fagte der böfe Bruder. ..Dir kommt man ent
gegen. über uns weiß aber Niemand etwas. woher wir
kommen. wohin wir gehen und was wir bringen.“
..Ja wohl“. fagte Eoftan. ..Florea fpriht vernünftig.“
Petru fhüttelte einmal. zweimal mit dem Kopfe. dann
fagte er feinen Brüdern von der Bewandtniß. die es mit
feinem Tuhe habe. Die beiden Brüder fahen jetzt. daß es
für Petru nur einen Tod gäbe; Florea begann darum auf
den Sattel zu fhlagen. und meinte die Stute.
So an drei Steinwürfe von da war ein Brunnen mit
kalten. klarem Waffer.
..Haft Du niht Durft. Eoftan?“ fragte Florea. Eoftan
mit dem Auge zuwinkend.
„Ja“. entgegnete Eoftan und verftand. was und wie es
fein follte. ..Komm. Petru. laß uns erft einmal unfern
Durft löfchen. und dann wollen wir uns mit Gott auf den
Weg mahen. Wir wollen hinter Dir hergehen. um Dih
vor Aergerniß und Gefahr zu befhirmen.“
Geh niht. Petru. geh' niht. fonft ergeht es Dir fhleht!
Der Braune wieherte einmal. Ja. aber Petru verftand
ihn niht.
Was gefhah darauf? Was follte gefhehen? Nihts
ift gefhehen! -
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