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Die Sprache
der Wirtschaft
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.
1. Auflage 2009
ISBN 978-3-531-16004-7
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................7
Christoph Moss
Sprache der Wirtschaftskrise oder Krise der Wirtschaftssprache?
Über das besondere Verhältnis von Ökonomie zu Linguistik ..............................9
Rudi Keller
Die Sprache der Geschäftsberichte: Was das Kommunikationsverhalten
eines Unternehmens über dessen Geist aussagt..................................................19
Matthias Dezes
Die Sprache der PR: Verständliche Kommunikation als
Gradmesser für Erfolg........................................................................................45
Bernd M. Samland
Die Sprache der Werbung: Ein schmaler Grat zwischen
Genialität und Blödsinn......................................................................................57
Bernd Ziesemer
Die Sprache der Wirtschaftspolitik: Abstrakt und
abgehoben ..........................................................................................................95
6 Inhalt
Daniel Schnettler
Die Sprache der Börse: Warum „Buy“ nicht unbedingt
„Kaufen“ bedeutet............................................................................................107
Marcus Reinmuth
Vertrauen und Wirtschaftssprache: Glaubwürdigkeit als Schlüssel für
erfolgreiche Unternehmenskommunikation .....................................................127
Gregor Halff
Globalisierung und Wirtschaftssprache: Skizze eines Forschungsfelds
und der Kommunikationspraxis .......................................................................147
Günther Zimmermann
Technik und Wirtschaftssprache: Einfache Texte als Ergebnis
komplexen Textwissens ...................................................................................179
Ökonomie dominiert unser Leben. Kaum eine Nachrichtensendung, die frei von
Wirtschaftsmeldungen wäre. Gleichzeitig erleben wir einen nie gekannten Kom-
munikationswettlauf: Schneller, kürzer, eindringlicher – wir bloggen, twittern,
surfen, telefonieren. Die Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts kommuniziert
intensiv und setzt dabei die Sprache ein.
Es waren diese Gedanken, die zur Idee eines Buches zur „Sprache der Wirt-
schaft“ führten. Was macht Wirtschaftssprache aus? Wer prägt sie, und wer
braucht sie? Und sind sich die Handelnden dieses Tuns überhaupt bewusst?
Ich habe in meinem bisherigen Berufsleben die Sprache der Wirtschaft aus
sehr unterschiedlichen Perspektiven erlebt: als Bankkaufmann, als Redakteur,
als Direktor einer Schule für Wirtschaftsjournalisten, als Professor und als Bera-
ter für Unternehmen. Auffallend dabei war, wie unterschiedlich die Organisati-
onen mit dem Thema Sprache umgehen. Während Journalisten etwa früh er-
kannt haben, dass Sprache für sie und ihre Redaktionen einen Erfolgsfaktor dar-
stellt, gehen die Unternehmen häufig noch sehr nachlässig mit diesem Thema
um. Allen voran das Führungspersonal hat in den vergangenen Jahren eine Spra-
che entwickelt, die fast schon einer Kunstform gleicht. Die Sprache der Mana-
ger ist eigenwillig, oft unverständlich und seltsam verklausuliert. Dies kann
nicht ohne Folgen für Glaubwürdigkeit und damit am Ende eben auch für Erfolg
bleiben.
Wirtschaftssprache führt Ökonomie und Linguistik zusammen. Sie vereinigt
Betriebswirtschaft mit Kommunikationswissenschaft. Die Sprache der Wirt-
schaft ist ein Querschnittsthema. Einen Herausgeberband wie den vorliegenden
zu planen, kommt also einem spannenden Experiment gleich. Schafft man es,
PR-Leute und Journalisten, Germanisten und Betriebswirte, Unternehmer und
Angestellte unter einen Hut zu bringen? Können sich Praktiker und Theoretiker
miteinander arrangieren?
Ja, und wie sie es können. In Singapur, Köln, Berlin und anderswo sind Bei-
träge entstanden, die Ausdruck hoher Motivation aller Beteiligten sind. Es muss
intrinsische Motivation gewesen sein, denn einen monetären Nutzen gibt es für
die Autoren nicht. Allein schon aus diesem Grund danke ich allen, die mir bei
diesem Projekt geholfen haben.
8 Vorwort
Dieser Dank schließt auch meine Frau Petra Moss mit ein. Sie arbeitet seit
vielen Jahren als leitende Redakteurin in einem großen Corporate Publishing
Verlag. Und sie war nicht nur bei diesem Projekt meine wichtigste Ratgeberin.
Möge dieses Buch den wissenschaftlichen Diskurs zur „Sprache der Wirt-
schaft“ vorantreiben. Und mögen seine Leser bei aller Ernsthaftigkeit des The-
mas gleichwohl Teil haben an dem Spaß, den dieses Buch schon bei der Erstel-
lung bereitet hat.
Wirtschaft und Sprache führen eine merkwürdige Ko-Existenz. Sie beeinflussen
sich gegenseitig, soviel ist sicher. Aber sie mögen sich nicht. Wer in einer deut-
schen Buchhandlung ein Wirtschaftsbuch kaufen will, geht automatisch in die
oberste Etage und sucht dann in einer abgelegenen Ecke. Wirtschaftsbücher
führen zwar Ökonomie und Linguistik auf ideale Weise zusammen, aber sie
bringen keinen nennenswerten Umsatz.
Auch der Wirtschaftsjournalismus ist nicht so bedeutungsvoll, wie es dem
ersten Augenschein nach wirkt. Die größte täglich erscheinende Wirtschaftszei-
tung dieser Republik, das Handelsblatt, erreicht gerade einmal die Auflage eines
beliebigen Regionalblattes. Eine Wirtschaftszeitung mag relevant sein, auch sie
mag Wirtschaft und Sprache klug miteinander in Einklang bringen, aber die
Kunden konsumieren lieber andere Medien.
Wie tief die Kluft zwischen Ökonomie und Linguistik ist, zeigt das Beispiel
des Schweizer Schriftstellers Urs Widmer. „Es ist pervers“ (Widmer 2007: 152),
sagte er einmal in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Die Sprache des
Kapitalismus habe „präfaschistische Beiklänge“ (Widmer 2007: 151). „Alle
Diktaturen, gipfelnd im Faschismus, suchen sprachliche Eindeutigkeit. Genau
darin ist ihnen die Sprache der Ökonomie verwandt: Sie sucht nach eindeutigen
Regelungen und gängelt das Sprachverhalten, freilich nicht durch Anordnung,
sondern durch stilles gegenseitiges Abgleichen. Und sie hat eine Eigenschaft,
die für alle korrupten Sprachen charakteristisch ist: Sie ist durch und durch
euphemistisch“ (Widmer 2007: 151).
Über diese Form der gedanklichen Zuspitzung lässt sich trefflich streiten.
Tatsache ist, dass das Zusammenspiel von Wirtschaft und Sprache häufig aus
einer Kette von Missverständnissen besteht. Gerade in der Sprache der Wirt-
schaftskrise zeigte sich die Krise der Wirtschaftssprache. Ein nie da gewesener
Verlust von Glaubwürdigkeit und Vertrauen umwehte in der Krise 2008/2009
ganze Branchen. Aber statt darauf zu reagieren, wandten sich viele Unterneh-
10 Christoph Moss
men fast schon hilflos an ihre Kunden. Sie behielten ihre unverständlichen Wer-
besprüche bei, formulierten Worthülsen und produzierten Plattitüden (vgl. Moss
2009: 9).
Ökonomie und Linguistik unter diesen Umständen miteinander in Einklang
zu bringen, scheint beinahe unmöglich. Aber es gibt handfeste Gründe, warum
genau dieser Versuch legitim ist. Sprache spielt in der Kommunikationsgesell-
schaft eine herausragende Rolle. Wenn die Wirtschaft sich also weiterentwi-
ckeln und weiterwachsen soll, dann muss sie sich mit Kommunikation ausei-
nandersetzen. Wollen Unternehmen und Kunden zueinanderfinden, dann geht
dies nur mit Sprache. Systemtheorie, Ökonomik – egal durch welche wissen-
schaftliche Brille wir den Sinn und Unsinn von Kommunikation betrachten: Die
Wirtschaft braucht die Sprache.
Aber gilt dies auch umgekehrt? Braucht Sprache die Wirtschaft? Urs Wid-
mer wird auf diese Frage eine sehr eindeutige Antwort finden. Tatsache ist, dass
Sprache sich immer auch im historischen Kontext mit der Wirtschaft verändert
hat. Handel, das Bereisen ferner Länder, der Austausch von Waren über Staats-
grenzen hinweg haben die Sprache beeinflusst und verändert. Dies gilt bis in die
heutige Zeit, und es lässt sich abendfüllend darüber diskutieren, ob die Globali-
sierung der Sprache eher nutzt oder eher schadet.
Das vorliegende Buch will den Versuch unternehmen, Wirtschaftssprache
von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten: Aus der Perspektive der
Unternehmen, die sich in Form von Geschäftsberichten, Public Relations und
Werbung an ihr Publikum wenden. Und aus der Perspektive der Interessengrup-
pen wie Journalisten, Politiker und Börsianer. Sie verfolgen unterschiedliche
Ziele und beeinflussen mit ihrem Tun das Wirtschaftssystem. All dies geschieht
unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen für Wirtschaftssprache:
Vertrauen, Globalisierung, Internet und Technik bilden den Rahmen für Kom-
munikation innerhalb der Wirtschaft.
Als Königsdisziplin der Unternehmenskommunikation wird dabei gern der
Geschäftsbericht angesehen. Der Germanist Rudi Keller zeigt in seinem Beitrag
zur Sprache der Geschäftsberichte, was das Kommunikationsverhalten eines
Unternehmens über dessen Geist aussagt. Wie kann ein Unternehmen kommu-
nizieren, dass es vertrauenswürdig ist? Keller diskutiert Symptome für Vertrau-
enswürdigkeit. Er gelangt zu der Erkenntnis, dass das bedeutendste Kennzei-
chen für Vertrauenswürdigkeit der konstruktive Umgang mit schlechten Nach-
richten sei.
An dieser Stelle knüpft Matthias Dezes an, Director der Frankfurter Kom-
munikationsberatung Financial Dynamics. In seinem Beitrag zur Sprache der
PR vertritt er die These, verständliche Kommunikation sei ein Gradmesser für
Erfolg. Auf dem Informationsmarkt sei der Kunde der Souverän. PR-Abtei-
Einleitung 11
lungen sollten folglich so kommunizieren, dass Anleger und Kunden das Unter-
nehmen positiv wahrnehmen. Die in der PR eingesetzte Sprache sei ein Resultat
vielfältiger Funktionen und Aufgaben. Um diese zu bewerkstelligen, bediene sie
sich unterschiedlicher Darstellungsformen. Ein großer Teil der Arbeit eines PR-
Beraters, sagt Dezes, werde wohl auch in Zukunft darin bestehen, Managern den
Sinn verständlicher Kommunikation zu verdeutlichen.
Einen „schmalen Grat zwischen Genialität und Blödsinn“ beschreibt Bernd
M. Samland in seinem Beitrag zur Sprache der Werbung. Samland ist Gründer
und Geschäftsführer der Endmark GmbH, einer Agentur, die sich darauf spezia-
lisiert hat, Markennamen zu entwickeln. Es sei Ziel der Werbung, dass der Pro-
duktname zum Teil des aktiven Wortschatzes der Zielgruppe werde: Mars statt
Schokoriegel, Bionade statt Limonade oder Porsche statt Sportwagen. Samland
zeigt auf, was gute „Claims“ von schlechten unterscheidet. Dabei steht auch die
Frage im Raum, ob Englisch immer die richtige Wahl zur Ansprache deutscher
Kunden ist. Samland bezweifelt dies. Die Muttersprache sei immer die emotio-
nalere Sprache.
Aber nicht nur Unternehmen sind Teil des Wirtschaftssystems. Auch ver-
schiedene Interessengruppen beeinflussen die Wirtschaftssprache. Barbara
Brandstetter und Steffen Range untersuchen in ihrem Beitrag die Sprache der
Journalisten. Beide Autoren arbeiten als Wirtschafts- und Finanzredakteure für
den Axel-Springer-Verlag. Und beide haben sich bereits wissenschaftlich mit
Sprache und Kommunikation auseinandergesetzt. In ihrem Beitrag schreiben sie
von der „Gefahr, arm in den Ausdrucksformen und banal in der Wortwahl zu
werden“. Sprache in den Medien sei Sprachschluderei und Sprachkritik zu-
gleich, sie biete Vorbilder und abschreckende Beispiele. So orientierten sich die
Redakteure auch in seriösen Medien zunehmend an der Sprache des Boulevard-
journalismus.
Brandstetter und Range benennen Trends, die kennzeichnend sind für die
Sprache der Journalisten. Die Ausdrucksweise der Redakteure wandle sich im
Gleichschritt mit der Gegenwartssprache. Einige Phänomene ließen sich aber
auch durch veränderte Produktionsbedingungen in den Redaktionen erklären,
sagen die Autoren.
Ähnlich wie Journalisten prägen auch Politiker die Sprache der Wirtschaft.
Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer fragt in seinem Beitrag zur Spra-
che der Wirtschaftspolitik, ob es eine oder gar mehrere Sprachen der Wirt-
schaftspolitik gibt. Die Sprache der deutschen Wirtschaftspolitik bediene sich
zwar noch ökonomischer Versatzstücke, insgesamt „durchsetzt sie sich aber
immer stärker mit Begriffen, die eigentlich aus der Sozialethik stammen oder
aus anderen Bereichen der Politik“, schreibt er. Die Kluft zur Sprache der Wirt-
schaft, die um zentrale Begriffe wie Wettbewerb und Markt kreist, vertiefe sich
12 Christoph Moss
damit immer mehr. Die Medien tragen nach Meinung des Wirtschaftsjourna-
listen eine große Mitschuld an dieser Entwicklung, vor allem die Fernsehsender.
Ökonomische Sachverhalte schafften es heute nur noch selten in die TV-Pro-
gramme.
Abgesehen von herausragenden Ereignissen, wie dem Zusammenbruch der
New Economy zu Beginn des Jahrtausends oder der Lehman-Pleite 2008,
könnte man hinzufügen. Viele Privatanleger meiden seitdem die Börse. Zu un-
berechenbar erscheint ihnen das Treiben auf dem Parkett. Die Sprache der Bör-
se ist eigenwillig und oft unverständlich. Diesem Phänomen geht der Wirt-
schaftsjournalist Daniel Schnettler auf den Grund. Er ist Reporter bei der Fi-
nanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Auf eindrucksvolle Weise zeigt er, wie ab-
surd die Sprache der Börse zuweilen ist.
„Kaufen“ ist am Aktienmarkt nicht gleich „kaufen“, schreibt Schnettler. In
einem nicht zu unterschätzenden Maße werden Aktien von Einschätzungen der
Analysten bewegt. Es gebe aber keine verbindlichen, bankübergreifenden Richt-
linien, welche Kriterien für diese Bewertung erfüllt sein müssen. Der Autor lie-
fert eine genaue Übersicht zur Sprache der Analysten, die zeigt, wie weit Öko-
nomie und Linguistik an manchen Stellen auseinanderdriften können.
Es stellt sich also die Frage, welche Rahmenbedingungen für das Zusam-
menspiel von Wirtschaft und Sprache gelten. Die Finanzkrise hat schließlich
eindrucksvoll gezeigt, wie dramatisch die Auswirkungen mangelnden Vertrau-
ens sind. Marcus Reinmuth diskutiert in seinem Beitrag den Zusammenhang
von Vertrauen und Wirtschaftssprache. Der studierte Germanist und Politik-
wissenschaftler betreut die europaweite Kommunikation innerhalb eines großen
Finanzdienstleistungskonzerns.
Er sieht Vertrauen als elementares Ordnungsprinzip und als grundlegende
Voraussetzung für Effizienz in funktional getrennten Gesellschaften. Ziel eines
Kommunikationsmanagers sei es, durch Glaubwürdigkeit in der Kommuni-
kation Vertrauen bei den Rezipienten dieser Kommunikation aufzubauen. Er
wolle also den Rezipienten durch die Kommunikation Symptome für seine
Glaubwürdigkeit erkennen lassen. Glaubwürdig zu kommunizieren und dadurch
Vertrauen zu schaffen sei kein einfaches Unterfangen: „Wird glaubwürdige
Kommunikation nicht durch entsprechendes Handeln eines Unternehmens und
seiner Akteure flankiert, ist ihr Einfluss begrenzt.“
Dieses Unterfangen wird umso anspruchsvoller, wenn man die internationale
und interkulturelle Dimension von Kommunikation mit in die Betrachtung zieht.
Gregor Halff, Professor für Corporate Communication an der Singapore Mana-
gement University, skizziert in seinem Beitrag das Forschungsfeld Globalisie-
rung und Wirtschaftssprache. Halff begründet ausführlich, weshalb gerade Un-
ternehmenskommunikation ein scharfes Verständnis von Globalisierung benö-
Einleitung 13
Zugegeben, es ist ein langer Weg. Aber vielleicht kann dieses Buch ja einen
kleinen Beitrag dazu leisten, zwischen den manchmal weit entfernten Sphären
Ökonomie und Linguistik zu vermitteln.
Literatur
Moss, Christoph (2009): Nonsens aus der Chefetage, in: Handelsblatt vom
14.01.2009, S. 9
Widmer, Urs (2007): „Es ist pervers” – Der Schweizer Schriftsteller Urs Wid-
mer über das Sprachregime des Kapitalismus und die Unterwerfungslust der
Manager“, in: Wirtschaftswoche Nr. 37, S. 150-152.
Kapitel I
Die Sprache der Unternehmen
Die Sprache der Geschäftsberichte:
Was das Kommunikationsverhalten eines Unternehmens
über dessen Geist aussagt
Rudi Keller
„Der Ton macht die Musik“, sagt eine bekannte deutsche Redensart. Sie will
ausdrücken: Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern vor allen
Dingen auch, wie man es sagt. Warum ist das so wichtig? Gilt das für jede Form
der Kommunikation, auch für Unternehmenskommunikation? Diese und damit
verwandte Fragen wollen wir in diesem Beitrag diskutieren. Um dies mit Ver-
stand tun zu können, müssen wir zunächst klären, was wir unter „Kommunikati-
on“ verstehen wollen. Den Terminus „Unternehmenskommunikation“ möchte
ich verwenden für jegliche Form der (offiziellen) Kommunikation eines Unter-
nehmens oder eines Mitglieds eines Unternehmens nach außen.
Als die Königsdisziplin der Unternehmenskommunikation wird gemeinhin
der Geschäftsbericht angesehen. Und da ich mich seit geraumer Zeit mit Ge-
schäftsberichten befasse – analysierend, beratend und bewertend – werden mei-
ne Beispiele auch ausschließlich aus diesem Bereich stammen. Dass ich auf die
interne Kommunikation innerhalb eines Unternehmen nicht eingehe, soll nicht
heißen, dass ich diese für uninteressant oder gar unwichtig hielte. Im Gegenteil,
ich halte die Aufmerksamkeit, die ihr geschenkt wird, für sträflich vernachläs-
sigt! Denn in ihr spiegelt sich nicht nur der „Geist“ eines Unternehmens – wie in
der externen Unternehmenskommunikation auch – in ihr wird er zu aller erst
etabliert. Doch, wie gesagt, das soll nicht das Thema dieses Beitrags sein. Wen-
den wir uns also zunächst dem Begriff der Kommunikation im Allgemeinen zu.
Der Begriff der Kommunikation ist seit geraumer Zeit in aller Munde. (Das war
nicht immer so; im Grimmschen Wörterbuch zum Beispiel, der bei weitem
umfangreichsten Wortschatzsammlung der deutschen Sprache, sucht man das
Stichwort „Kommunikation“ vergebens!) Mittlerweile aber ist uns allen be-
20 Rudi Keller
kannt: Kommunikation ist das A und O einer jeden Beziehung – auch der Be-
ziehung eines Unternehmens zu seiner Umgebung und seinen Anspruchsgrup-
pen. Was aber ist Kommunikation? Wissenschaftler streiten darüber, es gibt
zahllose Definitionen, aber eines ist sicher: Kommunikation ist ein Spezialfall
von Beeinflussung. Wann immer wir mit jemandem kommunizieren, versuchen
wir, auf unseren Kommunikationspartner in irgend einer Form einzuwirken; wir
wollen, dass er etwas erkennt, etwas Bestimmtes tut oder unterlässt, oder auch,
dass er eine bestimmte Empfindung erlebt. Dabei ist es wichtig, sich daran zu
erinnern, dass zu kommunizieren nicht nur ein bewusster Akt des Beeinflussens
ist, sondern dass es auch unbeabsichtigte Nebeneffekte gibt, die ebenfalls kom-
munikative Wirkung entfalten. Deshalb ist es nicht nur wichtig, was einer sagt,
sondern auch wie er es sagt. Das Was haben wir im Allgemeinen voll im Griff,
das Wie aber nur in Maßen – wenn überhaupt.
Die Art, wie ein Mensch kommuniziert, sein Kommunikationsstil im weitesten
Sinne, ist verräterisch!
Aber das gilt nicht nur für die Sprache; wir kommunizieren mit Mimik und
Gestik, mit Bildern, mit unserer äußeren Erscheinung ebenso wie mit der stilisti-
schen Wahl unserer Worte. Was für ein Individuum gilt, gilt in entsprechender
Weise auch für ein Unternehmen. Mit seiner Unternehmenskommunikation
zeigt es, „wes Geistes Kind“ es ist. Und genau deshalb ist es so wichtig, die
Form der Kommunikation in all ihren Facetten zu kultivieren.
Der Mensch zeigt „wes Geistes Kind“ er ist, einmal durch das, was er sagt
und – was gegebenenfalls noch viel wichtiger ist – durch die Art und Weise, wie
er es sagt. Diese Tatsache machen wir uns tagtäglich zunutze, im Allgemeinen,
ohne uns dessen bewusst zu werden: Wenn es an unserer Haustür klingelt und
ein Fremder vor der Tür steht, so müssen wir innerhalb kürzester Zeit ein ziem-
lich verlässliches Urteil – übrigens ein Vorurteil – darüber gebildet haben, um
was für eine Person es sich hier handelt. Wie gewinnen wir dieses? Durch ihr
Aussehen, ihren Habitus und ihre Sprache. Dabei ist die Sprache dieser Person
für unser Urteil viel verlässlicher als das Aussehen. Wie kommt das? Stellen Sie
sich für einen Augenblick vor, Sie sollten vom nächsten Montag an im Dienste
des Verfassungsschutzes als Undercover-Agent in die Skinheadszene eintau-
chen. Würde Ihnen das gelingen? Was das Äußere betrifft, so hätte eine durch-
schnittlich begabte Maskenbildnerin bei den meisten von uns wohl keine Prob-
leme, uns zu einem glaubhaften Skinhead zu trimmen. Aber eines würden Sie
höchstwahrscheinlich nicht schaffen: So zu reden wie man in der Skinheadszene
redet.
Die Sprache der Geschäftsberichte 21
Ein Mensch kann sich äußerlich leicht zu einem anderen machen, aber seine Art
zu reden ist sehr fest mit seiner Person verbunden. Die Sprache eines Menschen
ist ihm nicht äußerlich wie seine Kleidung oder Haartracht. Sie ist vielmehr Teil
seiner Persönlichkeit, die sich gebildet hat im Zuge seiner Sozialisation.
Um anders reden zu können als ich jetzt rede, muss ich meine Persönlichkeit
verändern, und das geht, wenn überhaupt, nur in einem sehr langen Prozess. Das
ist letztlich der Grund dafür, dass die Sprache eines Menschen tatsächlich verrä-
terisch ist. Gewiss, es gibt immer wieder begnadete Hochstapler, Heirats-
schwindler und sonstige Trickbetrüger. Aber das sind Sonderbegabungen. Wie
wir alle wissen, scheitern die meisten bei dem Versuch, mehr zu scheinen als zu
sein. Und das ist auch gut so, denn nur deshalb ist es möglich, mithilfe der Spra-
che Vertrauen aufzubauen – oder auch zu zerstören.
Das Wort Kommunikation wird in unserer Umgangssprache und auch in den
verschiedenen Fachsprachen sehr unterschiedlich verwendet. Menschen kom-
munizieren miteinander, Menschen kommunizieren mit Maschinen, Tiere kom-
munizieren, ebenso Billardkugeln oder die berühmten kommunizierenden Röh-
ren. Es ist nicht sinnvoll, nach einer Definition zu suchen, die all diese Ge-
brauchsweisen des Wortes Kommunikation abdeckt. Sie wäre extrem offen und
damit weitgehend nichtssagend. Ich will mich auf typisch menschliche Kom-
munikation beschränken, denn alles andere ist für unsere Zusammenhänge irre-
levant – und hier wiederum vornehmlich auf Kommunikation mittels Sprache.
Auch das Wort Sprache verwenden wir sehr heterogen. Wenn wir etwa von
„der Sprache“ des jungen Goethe reden, so meinen wir mit Sprache etwas völlig
anderes als wenn wir beispielsweise von „der deutschen Sprache“ reden. Im
zweiten Fall meinen wir damit die syntaktischen, semantischen und phonologi-
schen Konventionen, die diese Sprache ausmachen. In diesem Sinne heißt „eine
Sprache sprechen“, mit einem Bündel von Konventionen vertraut sein, nach
ihnen handeln können. (Dass „die deutsche Sprache“ ein sehr verdinglichendes
theoretisches Konstrukt ist, wird jedem sofort deutlich, der sich vergegenwär-
tigt, dass das Konventionenbündel, das wir gemeinhin so nennen, erstens indivi-
duell variiert und zweitens historisch ständig im Fluss ist.)
Mit „die Sprache des jungen Goethe“ meinen wir natürlich nicht das
Deutsch des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts, sondern die individuelle Art
und Weise, wie Goethe in seinen frühen literarischen Werken von dieser Spra-
che (im zweiten Sinne) Gebrauch gemacht hat. Ich will im weiteren Verlauf
dieses Beitrags diese Unreinheit der Begrifflichkeit tolerieren, um sie nicht
unnötig terminologisch zu überfrachten, und darauf bauen, dass der Leser aus
dem Kontext entschlüsseln kann, in welchem Sinne jeweils das Wort Sprache
verwendet wird. Wenn ich also beispielsweise sage, dass Sprache verräterisch
22 Rudi Keller
sei, so ist Sprache gemeint im Sinne von „die Art und Weise, wie jemand in
bestimmten Situationen von der (deutschen) Sprache Gebraucht macht“. Interes-
santer ist in unserem Zusammenhang der Begriff der (menschlichen) Kommuni-
kation, dem wir uns nun zuwenden wollen. Für unser Thema ist es sinnvoll,
zwei Typen von Kommunikation zu unterscheiden. Ich will sie „Kommunikati-
on im engeren Sinne“ und „Kommunikation im weiteren Sinne“ nennen.
Werfen wir zunächst einen kritischen Blick auf das derzeit wohl verbreitetste
Modell des Kommunizierens, das bekannt ist unter dem Namen „Kode-Modell“.
Es scheint den Status einer allgemeinen Common-Sense-Theorie zu haben. Nach
diesem Modell ist die Sprache eine Art Verpackung, die dazu dient, unsere
Gedanken versandfähig zu machen; der Vorgang des Kommunizierens ist einer
des Verschickens von Gedanken, die vor dem Versand in Sprache verpackt
worden sind. Es lässt sich etwa so formulieren:
Ein Mensch – bezeichnenderweise „Sender“ genannt – fasst einen Gedan-
ken, „enkodiert“ diesen in einen Satz der deutschen Sprache, sendet diesen über
einen „Kanal“, etwa die Luft, zu seinem Gesprächspartner, dem „Empfänger“,
der diesen Satz „dekodiert“ und so in den Besitz des Gedankens gelangt. Die-
sem Modell gemäß ist also Kommunikation die Lösung eines Transportpro-
blems. Was an diesem Modell unangemessen ist, werde ich gleich zeigen.
Zuvor aber will ich das Modell in Erinnerung rufen, das dem Transportmo-
dell des Kommunizierens zugrunde liegt, das informationstechnische Modell
von Shannon und Weaver (1976), das erstmals 1949 veröffentlicht wurde. Gra-
fisch wurde es von Weaver wie in Abbildung 1 dargestellt (vgl. Weaver 1976:
16). Um es klar zu sagen: An diesem Modell gibt es nichts auszusetzen, wenn
man es so interpretiert, wie Weaver es verstanden wissen wollte, nämlich als ein
allgemeines Modell der Nachrichtenübertragung, beispielsweise durch ein Tele-
fon. Weaver erläutert sein Modell wie folgt:
„Die Nachrichtenquelle wählt aus einer Menge von möglichen Nachrichten eine
gewünschte Nachricht aus [...] Die ausgewählte Nachricht kann aus geschriebenen
oder gesprochenen Worten oder aus Bildern, aus Musik usw. bestehen.
Der Sender übersetzt diese Nachricht in das Signal, welches dann über den Über-
tragungskanal vom Sender zum Empfänger übertragen wird. Im Fall der Telefonie
ist der Kanal ein Draht, das Signal ein sich ändernder elektrischer Strom in diesem
Draht; der Sender ist die Anlage (Telefonapparat usw.), die den Schalldruck der
Die Sprache der Geschäftsberichte 23
Wie wir hier deutlich sehen, handelt es sich bei Weavers Modell nicht um ein
Modell der Produktion und des Austauschs sprachlicher Zeichen, sondern um
ein Modell des Transports sprachlicher Zeichen mittels eines mechanischen
Senders. Die Nachrichtenquelle beim Telefonieren ist ein Mensch, und der Sen-
der, das Telefon, ist eine Art Übersetzungsmaschine, die Schallwellen in elektri-
sche Impulse übersetzt, bzw. solche in Schallwellen zurückübersetzt. Aus die-
sem angemessenen Modell der Sprachübertragung mithilfe eines Sende- und
Empfangsgeräts wird ein vollständig unangemessenes Modell, wenn man
gleichsam die Nachrichtenquelle und den Sender in den Kopf des kommunizie-
renden Menschen verlagert. Diesem unangemessenen Kommunikationsmodell
gemäß wählt der Mensch – in der Funktion als Sender – einen Gedanken aus
und enkodiert diesen in seine Sprache. Durch die Zuordnung von Gedanken zu
Sprache entsteht eine versandfertige Nachricht, die zum Empfänger geschickt
wird, der dann die Zuordnungsprozedur rückwärts vollzieht. Er dekodiert die
sprachlichen Zeichen, um so an den Gedanken zu gelangen.
Wenn wir versuchen, dafür ein Beispiel zu formulieren, wird an der Triviali-
tät unmittelbar deutlich, wie grotesk dieses Modell – als Modell der Mensch-zu-
Mensch-Kommunikation – ist:
24 Rudi Keller
Der Sprecher hat den Gedanken „Ich habe Durst“, enkodiert diesen in den deut-
schen Satz Ich habe Durst und sendet diesen seinem Gesprächspartner, dem Emp-
fänger. Dieser empfängt den Satz Ich habe Durst, dekodiert ihn und gelangt so zu
dem Gedanken „Ich habe Durst“.
Der zentrale Unterschied zu Weavers Modell ist folgender: Bei Weaver besteht
die „ausgewählte Nachricht [...] aus geschriebenen oder gesprochenen Worten
[...]“ (Weaver 1976: 16), und der Prozess des Enkodierens ist konzipiert, wie er
explizit sagt, als ein Prozess des Übersetzens. Während nach Weavers Modell
sprachliche Zeichen in Zeichen anderer Art – nämlich im Falle der Telefonie in
elektrische Impulse – übersetzt werden, sollen es nach dem linguistischen Sen-
der-Empfänger-Modell Gedanken sein, die in sprachliche Zeichen enkodiert
werden. „Das Modell baut auf die Ideologie“ schreibt Heringer, „dass Denken
vor Sprache sei und sozusagen primär. Es gebe einen Bedeutungsvorrat, aus
dem geschöpft wird, die einzelnen Bedeutungen würden dann sprachlich ko-
diert. Aber was genau sind sie vorher? Und wenn sie nicht auch schon sprach-
lich wären, dann könnte man sie nicht kodieren. Zum Kodieren gehört ein Kode.
[...] Normalerweise besteht ein Kode aus zwei Zeichensätzen, deren Elemente
einander eineindeutig zugeordnet sind“ (Heringer 2004: 14). Ein Kode ist eine
Anweisung der Art „Ersetze das Zeichen x durch das Zeichen y“.
Dass in unserem ausformulierten Beispiel der Ausdruck „Ich habe Durst“
viermal vorkommen muss, rührt daher, dass es so etwas wie sprachfreie Gedan-
ken nicht gibt. Man braucht die Sprache nicht nur, um den Gedanken auszudrü-
cken, man braucht sie bereits zum Denken! Denn wir denken in Kategorien,
zum Beispiel der des Durstes, und diese Kategorien erwerben wir im Zuge des
Erwerbs der Sprache, und wir verfügen über sie durch den Wortschatz unserer
Sprache. Das heißt keineswegs, dass wir nur in Kategorien denken können, für
die es in unserer Sprache ein Wort gibt, aber es heißt, dass wir nur das denken
können, was wir auch sprachlich ausdrücken können. Wir behaupten auch nicht,
dass Durst zu haben, den Besitz einer Sprache voraussetzt. Selbstverständlich
haben sowohl Tiere Durst als auch Babys, längst bevor sie über eine Sprache
verfügen. Wir reden also nicht über das Erlebnis des Durstes sondern vielmehr
über den Gedanken, der durch den Satz „ich habe Durst“ ausgedrückt wird.
Die Theorie, wir würden sozusagen erst denken und dann die Gedanken in
eine sprachliche Form „enkodieren“ gleicht der Theorie, wir würden erst eine
Addition durchführen und dann die Addition in die Sprache der Algebra und des
Dezimalsystems bringen. Man kann nicht rechnen ohne ein Zahlensystem und
ohne die Sprache der Algebra. Kopfrechnen ist Denken in der Sprache und da-
mit in den Kategorien der Algebra. Und wenn wir, was jedem geläufig ist, mit
der Sprache ringen und eine passende Formulierung suchen, so suchen wir nicht
Die Sprache der Geschäftsberichte 25
etwa einen passenden Satz für einen bereits fertig vorliegenden klaren Gedan-
ken, sondern wir versuchen einen klaren Gedanken zu bilden. Etwas verkürzt
kann man deshalb auch sagen: Der unklare Ausdruck eines Gedankens ist in der
Regel der Ausdruck eines unklaren Gedankens. Und genau das ist ein Grund
dafür, weshalb die Sprache eines Menschen zeigt, wes Geistes Kind er ist.
Die Sprache ist der Stoff, aus dem Gedanken sind und nicht Versandkarton der-
selben.
Wie aber kommen denn meine Gedanken zum Adressaten? Die Antwort lautet:
Überhaupt nicht. Zu meinem Adressaten kommen lediglich die Geräusche, die
ich beim Sprechen erzeuge oder die grafischen Figuren, die ich beim Schreiben
zu Papier bringe. Meine Gedanken selbst bleiben, wo sie sind: in meinem Kopf.
Die realistische Alternative zum Transportmodell des Kommunizierens ist ein
Inferenzmodell, das heißt, ein Modell des interpretierenden Schließens. Kom-
munikation in dem hier interessierenden Sinne ist nicht die Lösung eines Trans-
portproblems, sondern die Lösung eines Beeinflussungsproblems. Wer kommu-
niziert, möchte den Anderen zu etwas Bestimmtem bringen. Betrachten wir zur
Erläuterung zwei Situationen, die sich äußerlich sehr ähnlich sind:
Situation 1: Eine Person sitzt im Auditorium eines Vortrags und muss vor Lange-
weile gähnen.
Situation 2: Eine Person wendet sich während eines Vortrags seiner Begleiterin zu
und macht eine Geste des Gähnens, um dieser deutlich zumachen, dass sie den Vor-
trag todlangweilig findet.
Worin besteht der Unterschied? In Situation 1 zeigt die Person ein Verhalten,
das zwar gegebenenfalls von Beobachtern als Zeichen der Langeweile interpre-
tiert werden kann, das aber nicht in der Absicht hervorgebracht wurde, diese
Interpretation hervorzurufen. In Situation 2 hingegen war dies genau die Ab-
sicht. Hierbei handelt es sich somit um einen kommunikativen Akt: Eine Person
tut etwas, um eine andere in einer ganz bestimmten Weise zu beeinflussen. Der
Gähnende will seine Begleiterin zu der Erkenntnis bringen, dass er sich tödlich
langweilt. In Situation 2 sind, anders als in 1, folgende drei Bedingungen erfüllt:
Kommunizieren im engeren Sinne heißt also: etwas tun in der Absicht, dass der
Adressat etwas Bestimmtes erkennen möge, und dass er außerdem merken mö-
ge, dass er ihm eben dies zu erkennen geben will.
(Gemeinhin will der Kommunizierende darüber hinaus, dass der Adressat auf-
grund dieser Erkenntnis etwas Bestimmtes tut.) Die dritte Bedingung ist not-
wendig, um zu verhindern, dass beispielsweise folgendes Szenario mit unter die
Definition fällt:
Ich habe Gäste, es ist bereits nachts um halb drei, und mir wäre lieb, wenn sie sich
allmählich auf den Heimweg machten. Da ich es als unhöflich empfände, sie offen
zu bitten, nach Hause zu gehen, gähne ich, in der Hoffnung, dass sie daraus den
Schluss ziehen mögen, dass ich müde bin und dies zum Anlass nehmen, aufzubre-
chen.
Nun kann man zu Recht fragen: Warum sollte man diesen Fall aus der Definiti-
on von „kommunizieren“ ausschließen wollen? Es ist doch dies auch eine Me-
thode, einem anderen etwas zu erkennen zu geben. Die Antwort lautet: Es ist
sinnvoll, zunächst einmal zu definieren, was kommunizieren im engeren Sinne
bedeutet, und zwar in dem Sinne, in dem wir kommunizieren, wenn wir ganz
normal mit jemandem reden. Alle anderen Formen des Kommunizierens – etwa
Formen verdeckten bzw. manipulativen Kommunizierens – kann man dann auf
der Folie der Definition des offenen und klaren Kommunizierens näher bestim-
men.
Zeichentheoretisch gesprochen setzt der Gähnende im ersten Falle, dem si-
mulierten Gähnen, ein Ikon als Kommunikationsmittel ein: Er nutzt das Wissen
der Adressatin, dass Gähnen ein Symptom von Müdigkeit ist. Durch die künstli-
che Simulation schafft er gleichsam ein Abbild dieses Symptoms, das heißt ein
Ikon eines Symptoms von Müdigkeit. Echtes Gähnen ist ein Symptom von Mü-
digkeit, offen simuliertes Gähnen ist ein Ikon des Symptoms von Müdigkeit.
Hätte unser Gähnender statt zu gähnen den Satz „Mein Gott, ist dieser Vortrag
1 Es handelt sich hierbei um eine verkürzte Fassung des so genannten Griceschen Grundmodells
(vgl. Meggle 1981)
Die Sprache der Geschäftsberichte 27
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick et al. 1969: 53) – diese
griffig formulierte These ist allgemein bekannt; sie stammt aus dem berühmten
Buch „Menschliche Kommunikation“ von Watzlawick, Beavin und Jackson.
Stimmt es wirklich, dass man das Kommunizieren nicht lassen kann? Wenn
Kommunikation notwendigerweise damit verbunden ist, dass der Kommunika-
tor eine Handlung vollzieht – nichts anderes besagt die erste Bedingung unserer
Definition – dann kann diese These nicht richtig sein, denn man kann es unter-
lassen zu handeln. (Wobei freilich eine Unterlassung unter bestimmten Bedin-
gungen selbst eine Handlung sein kann, für die man auch zur Rechenschaft
gezogen werden kann.) Watzlawick (u.a.) legen hier einen umfassenderen Be-
griff von Kommunikation zugrunde. In dieser prägnanten Form halte ich diese
These für überzogen, aber sie hat einen wahren Kern, der auch für unser Thema,
die Unternehmenskommunikation, von Belang ist. Dies will ich nun erläutern.
Zunächst muss man, um diese These adäquat einschätzen zu können, wissen,
dass die Autoren keine Linguisten waren, sondern Psychologen und Therapeu-
ten. Sie plausibilisieren ihre These mit folgendem Beispiel: „Der Mann im über-
füllten Wartesaal, der vor sich auf den Boden starrt oder mit geschlossenen
Augen dasitzt, teilt den anderen mit, daß er weder sprechen noch angesprochen
werden will, und gewöhnlich reagieren seine Nachbarn richtig darauf, indem sie
ihn in Ruhe lassen. Dies ist nicht weniger ein Kommunikationsaustausch als ein
28 Rudi Keller
ze“ und nicht „wegen des Gegensazzes“). Unterstellen wir also, dass beide Ver-
sionen prinzipiell möglich sind und auch tatsächlich häufig gebraucht werden.
Was also macht die Schönheit eines Kasus – hier des Genitivs – aus? Hat ein
Kasus eine ihm innewohnende Ästhetik? Diese Annahme wäre wohl absurd. Die
Antwort ist meines Erachtens folgende: Die ästhetische Wertung betrifft nicht
den Kasus selbst, denn ein Genitiv ist nichts, was Gegenstand eines ästhetischen
Werturteils sein kann. Vielmehr ziehen wir aus der Tatsache, dass ein Autor
diesen Kasus in dieser Situation gewählt hat, ganz bestimmte Schlüsse. Wir
werten die Wahl des Genitivs als ein Symptom dafür, dass der Autor bestimmte
Eigenschaften hat, die wir schätzen: als Symptom für Bildung, für eine be-
stimmte soziale Zugehörigkeit, für sprachliche Sorgfalt, oder was auch immer.
Umgekehrt werten wir die Wahl des Dativs (in dieser Situation) als Symptom
für Eigenschaften des Autors, die wir missbilligen. Wir unterziehen also in
Wahrheit nicht den Genitiv an sich einer ästhetischen Bewertung, sondern das,
was wir aus der Tatsache schließen, dass er von einer Person gewählt wurde.
Salopp gesagt: Gebildet zu sein ist „schön“, nicht der Genitiv; er ist lediglich ein
Symptom dafür, und das ist es, was wir an ihm schätzen. (Einige schätzen ihn
übrigens mittlerweile so sehr, dass sie ihn auch fälschlicherweise anstatt des
korrekten Dativs wählen: „gemäß unseres Planes“.)
Betrachten wir ein zweites Beispiel, ein stilistisches Phänomen, das allen
bekannt ist: das Bürokratendeutsch. Der folgende Satz stammt aus einem Ge-
schäftsbericht eines namhaften Unternehmens:
Es ist ein Leichtes, mit wenigen Mitteln ein solches Monstrum zu „entbürokrati-
sieren“:
Auch hier werden mir die meisten Leser beipflichten: Die entbürokratisierte
Variante liest sich besser und klingt „sympathischer“. Was aber macht die büro-
kratische Variante „unsympathisch“? Oft wird gesagt, Bürokratendeutsch sei
schwerer zu verstehen als nicht bürokratisch geschrieben Texte. Diese Ansicht
kann ich nicht generell bestätigen. Ob ein Text gut oder schlecht zu verstehen
ist, hängt von vielen Faktoren ab – etwa vom Wortschatz, von der Transparenz
Die Sprache der Geschäftsberichte 31
der Sätze, oder von der Struktur des Textaufbaus – aber eine substantivlastige,
unpersönliche Diktion macht einen Text nicht per se schwer verständlich. Ich
glaube, dass die Antwort auch hier in dem Symptomwert zu suchen ist: Behör-
den und sonstige Bürokratien stehen hierzulande nicht in dem Ruf, elegant,
kundenorientiert, freundlich und effizient zu sein. Und so liegt der Schluss nahe:
Wer schreibt wie eine Behörde, verhält sich auch wie eine Behörde. Dieser
Schluss mag in vielerlei Hinsicht falsch sein – es gibt mittlerweile Behörden, die
durchaus freundlich und effizient sind, und es gibt bürokratisch schreibende
Unternehmen, die sich beileibe nicht bürokratisch verhalten.
Wichtig ist nicht, ob ein symptomischer Schluss richtig oder falsch ist, wich-
tig allein ist, ob er gezogen wird. Es gilt also auch hier: Es sind nicht Wörter
oder syntaktische Konstruktionen, die sympathisch oder unsympathisch sind,
sondern es die menschlichen Eigenschaften, die aus dem Gebrauch der Wörter
und syntaktischen Konstruktionen erschlossen werden mittels des symptomi-
schen Schlusses. Generell lässt sich sagen:
Die Art und Weise, wie ein Mensch sich ausdrückt, kann interpretiert werden
als Symptom seiner Bildung, seiner politischen Überzeugung, seiner sozialen
oder regionalen Herkunft, seiner Intelligenz, seines Charmes, seines Witzes und
Humors, seiner Aufrichtigkeit, seiner fachlichen Kompetenz usw.
Was wir als Stil eines Textes wahrnehmen, ist nichts anderes als eine wilde
Gemengelage all der symptomischen Schlüsse, die wir aus der Art und Weise,
wie der Text geschrieben ist, ziehen können. Wer meines Vaters Auto schreibt,
lässt andere Schlüsse auf seine soziale Herkunft oder sein Bildungsniveau zu als
derjenige, der den Ausdruck meinem Vater sein Auto wählt. Die beiden Ausdrü-
cke unterscheiden sich nicht in ihrer Verständlichkeit, sondern lediglich in ih-
rem Symptompotenzial. Ihre stilistische Ästhetik ist eine abgeleitete.
Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Kommunizieren im engeren Sinne
heißt, intentional etwas tun in der Absicht, den anderen zu etwas zu bewegen,
und zwar dadurch, dass man ihm zu erkennen gibt, wozu man ihn bewegen
möchte. Im Normalfall, d. h. im Falle der sprachlichen Kommunikation, bedie-
nen sich der Kommunikator wie der Adressat des symbolischen Modus.4 Kom-
munikative Handlungen sind – wie alle anderen Handlungen auch (und wie
überhaupt alles auf der Welt) – zusätzlich offen für Interpretationen im symp-
tomischen Modus.
4 Auch das Reden „mit Händen und Füßen“ ist Kommunikation im engeren Sinne, allerdings im
ikonischen Modus.
32 Rudi Keller
Dass ein Autor so schreibt wie er schreibt, kann interpretiert werden als
Ausdruck seiner Bildung, seiner Eitelkeit, seiner Kompetenz, seiner Dummheit,
seiner sozialen Herkunft, seiner Vertrauenswürdigkeit und vieles anderen mehr.
Wer dies beim Schreiben reflektiert, wird versuchen, seine Texte so zu gestal-
ten, dass die symptomische Interpretation zu seinen Gunsten ausfällt. Initiierte
Symptome sind freilich keine wirklichen Symptome mehr – aber es gibt ein
Kontinuum: Wenn ich meinen kurpfälzischen Akzent etwas verstärkt durch-
scheinen lasse, so würde ich dies immer noch als Symptom durchgehen lassen.
Wenn ich aber einen schwäbischen Akzent imitiere, um meinen Gesprächspart-
ner über meine regionale Herkunft zu täuschen, so ist das so wenig ein Sym-
ptom, wie das oben erwähnte Gähnen, um die Gäste zum Aufbruch zu bewegen.
Ein Gesunder, der bei der ärztlichen Untersuchung eine Krankheit simuliert,
zeigt keine wirklichen Symptome. Dennoch kommuniziert er im symptomischen
Modus. Eine besondere Rolle spielt der symptomische Modus der Kommunika-
tion beim Vertrauen. Dies will ich im nächsten Kapitel zeigen.
4 Vertrauenskommunikation
Jeder kommunikative Akt eines Unternehmens, der nach außen gerichtet ist,
sollte getragen sein von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Es ist eine Bin-
senweisheit: Vertrauen ist das wertvollste soziale Kapital, über das ein Unter-
nehmen verfügen kann. Und jeder weiß, dass es ein langfristiges, schwieriges
Geschäft ist, Vertrauen aufzubauen, während die Dauer eines Wimpernschlags
ausreicht, um es zu verspielen. Wichtig ist also zu fragen: Wie kann man kom-
munizieren, dass man vertrauenswürdig ist? Dieser Frage wollen wir uns als
nächstes widmen.5
Bevor wir uns dieser Frage zuwenden, will ich zunächst die typischen Ei-
genschaften einer sogenannten Vertrauenssituation aufzeigen. Eine Vertrauens-
situation ist ein Spezialfall einer Risikosituation. Sie ist dadurch gekennzeich-
net, dass eine Person, der Vertrauensgeber, eine Wahl trifft, die ihn verletzlich
macht für Entscheidungen eines anderen, des Vertrauensnehmers, die er nicht
kontrollieren kann. Wer in ein Taxi einsteigt, begibt sich in eine solche Situation
ebenso wie der, der eine Aktie kauft oder sich in eine Universität einschreibt.
Um die allgemeine Struktur einer Vertrauenssituation deutlich zu machen, will
ich ein einfaches Beispiel geben:
Herr Schmidt, ein älterer Herr, möchte zwei Brezeln haben, es ist ihm aber zu
beschwerlich, selbst zum Bäcker zu gehen. Vor seiner Haustür sieht er zufällig
einen ihm unbekannten Jungen – nennen wir ihn Paul – im Alter von ungefähr
zwölf Jahren. Herr Schmidt ruft Paul zu sich und macht ihm folgendes Angebot:
„Möchtest du für mich zum Bäcker laufen und mir zwei Brezeln holen? Hier hast
du 2 Euro. Eine Brezel kostet 75 Cent. Was übrig bleibt, darfst du behalten. Wenn
du die Brezeln hast, klingelst du hier bei ‚Schmidt’.
Die Vertrauenssituation
Vertrauensgabe Misstrauen
Erfüllung Enttäuschung
Warum dies? Der Anreiz, sich mit den 2 Euro aus dem Staub zu machen,
besteht für Paul nur dann, wenn er die vorliegende Vertrauenssituation als
einmalige Gelegenheit betrachtet. Wenn er darauf spekuliert, dass sich eine
solche Gelegenheit für ihn öfter bietet, ist es die langfristig profitablere Wahl,
das Vertrauen zu erfüllen. Mit anderen Worten: Wenn Paul die gegebene
Vertrauenssituation als einmaliges Spiel betrachtet, so ist die Verlockung groß,
das Vertrauen zu enttäuschen; betrachtet er sie hingegen als den Beginn eines
mehrfachen Spiels, so ist der Anreiz, das Vertrauen zu erfüllen, größer. Das ist
unter anderem der Grund, weshalb wir einem ambulanten Straßenhändler
gemeinhin weniger vertrauen als dem Besitzer eines alteingesessenen Ladens,
und ein langfristig denkendes Unternehmen vertrauenserweckender ist als eines,
das auf kurzfristige Gewinne spekuliert. Und das ist auch der Grund, weshalb es
für Paul nützlich sein kann, Herrn Schmidt zu sagen, dass er ganz in seiner
Nachbarschaft wohnt. Denn das könnte Herr Schmitt als Symptom dafür werten,
dass Paul an einer nachhaltigen Wertentwicklung und an Kundenbindung
interessiert ist, nicht am schnellen Euro.
Vertrauen haben heißt, die rationale Erwartung hegen, dass in einer Vertrau-
enssituation, wie der oben dargestellten, der Vertrauensnehmer B den linken Ast
des Vertrauensbaums wählt, und zwar (unter anderem) deshalb, weil der Ver-
trauensgeber A dem Vertrauensnehmer B in den für die Vertrauenssituation rele-
vanten Bereichen gemeinsame Werte unterstellt. Bisweilen genügt ein Lächeln
oder ein treuer Blick – vor allem dann, wenn das Risiko relativ gering ist. Meist
aber benötigen wir komplexere Informationen, wie ich im folgenden zeigen
möchte. Auf jeden Fall aber: Die Werteerwartung braucht eine Basis. Und die
besteht im Falle der Unternehmenskommunikation aus Eigenschaften des Tex-
tes. Doch dazu kommen wir später.
Ich habe die Geschichte von Paul und Herrn Schmidt so ausführlich erzählt,
weil man an ihr sehr schön die dilemmatische Struktur einer Vertrauenssituation
verdeutlichen kann. Wir haben gesehen, dass Paul für Herrn Schmidt die Risiko-
einschätzung kalkulierbarer gestalten und damit die Vertrauensvergabe erleich-
tern kann durch eine kommunikative Maßnahme: „Ich wohne ganz in Ihrer Nä-
he.“ Damit gibt er ihm im Grunde genommen ein kleines Indiz für einen mög-
lichen gemeinsamen Wert: Nachbarn haut man nicht übers Ohr. Warum aber
sollte ihm Herr Schmidt Glauben schenken? Paul könnte ja anderswo wohnen
und lügen! Es stellt sich also bezüglich der Information, die Paul gibt, das
Problem der Glaubwürdigkeit – und: Glaubwürdigkeit ist Vertrauenswürdigkeit
auf dem Feld der Kommunikation.
Jede Kommunikationssituation, auch die, die im Dienste der Vertrauens-
bildung steht, ist selbst wieder eine Vertrauenssituation: Wenn ich meinem
Gesprächspartner Glauben schenke, so haben wir normalerweise, wenn er
36 Rudi Keller
ehrlich ist, beide einen Nutzen. Wenn ich aber jemandem glaube, der lügt, so hat
er (zunächst einmal) den Nutzen und mir bleibt der Schaden. Daraus aber folgt:
Jedes Unternehmen hat es, so wie unser fiktiver Paul, bei seiner Unternehmens-
kommunikation mit einem zweifachen Vertrauensproblem zu tun, mit einem,
das das Geschäft betrifft, und einem, das die Kommunikation über das Geschäft
betrifft. Das erste Fazit lautet:
Nun könnte einer auf die Idee kommen: Nichts ist einfacher als das! Ich rede
nicht um den heißen Brei, sondern sage meinem Adressaten offen: „Ich bin
ehrlich und vertrauenswürdig!“ Aber auch dieser Weg ist verschlossen, und
zwar aus zwei Gründen, einem logischen und einem linguistisch-pragmatischen.
Der logische besteht in der prinzipiellen Reflexivität einer solchen Aussage.
Wer sagt, dass er ehrlich ist, garantiert nicht, dass eben diese Aussage nicht
gelogen ist. Daraus folgt: Dass ich ehrlich bin, kann ich nicht sagen, es muss
sich zeigen. Aber selbst wenn sich die Ehrlichkeit der Ehrlichkeitsbehauptung
garantieren ließe, könnte man es nicht äußern. Das hat pragmatische Gründe,
denen wir uns nun kurz widmen wollen.
Es gibt eine Reihe von Tugenden, von denen man nicht ohne weiteres sagen
kann, dass man über sie verfügt. Denn dadurch, dass man das sagt, erzeugt man
einen Konflikt zwischen dem symbolischen Modus und dem symptomischen
Modus der Kommunikation. Betrachten wir beispielsweise die folgenden drei
Aussagen: Ich bin intelligent. Ich bin sympathisch. Ich bin vertrauenswürdig.
Kein intelligenter, sympathischer und vertrauenswürdiger Mensch würde im
normalen Leben so etwas von sich behaupten. Aber warum eigentlich nicht? Ist
es falsche Bescheidenheit? Ein intelligenter Mensch sagt doch nichts Falsches,
wenn er von sich behauptet, er sei intelligent. Der Grund ist folgender: Es gilt
hierzulande nicht als Zeichen von Intelligenz, von sich selbst zu sagen, man sei
intelligent. Es gilt vielmehr als Zeichen von Überheblichkeit. Nun schließen
sich, wie man weiß, Intelligenz und Überheblichkeit nicht aus; aber etwas zu
tun, was bekanntermaßen als Zeichen von Überheblichkeit gilt, ist kein Zeichen
von Intelligenz.
Vereinfacht gesagt: Es ist ziemlich dumm, von sich selbst zu sagen, man sei
intelligent. Hier kommen die beiden genannten Modi der Kommunikation in
Konflikt. Im symbolischen Modus kann der Adressat erschließen, dass der
Die Sprache der Geschäftsberichte 37
Wer sagt, dass er ehrlich und vertrauenswürdig ist, zeigt damit, dass es Gründe
gibt, eben daran zu zweifeln. Wenn man zeigen will, dass man ehrlich und ver-
trauenswürdig ist, so sollte man Dinge tun, die Symptome von Ehrlichkeit und
Vertrauenswürdigkeit sind, und alles unterlassen, was Zweifel daran begründen
könnte.
Wir haben gesehen: Kommunikative Akte, die im Dienste des Vertrauens ste-
hen, müssen für Ihre eigene Vertrauenswürdigkeit sorgen. Aber sie können es
nicht dadurch tun, dass sie die Vertrauenswürdigkeit explizit feststellen. Viel-
mehr müssen die Texte selbst über Merkmale verfügen, die als Symptome für
Vertrauenswürdigkeit interpretiert werden können. Und sie müssen möglichst
frei sein von solchen Merkmalen, die als Symptome mangelnder Vertrauens-
würdigkeit interpretiert werden können. Wir wollen sie positive und negative
Vertrauenswürdigkeitssymptome nennen.
8 Das ist eine Reformulierung der Maxime der Relation von Grice; siehe Grice 1975/1979.
38 Rudi Keller
9 Marcus Reinmuth (2006) führt eine Fülle von Indikatoren der Glaubwürdigkeit auf.
10 Mehr zu diesen und anderen Textbeispielen in Keller 2006
Die Sprache der Geschäftsberichte 39
interpretieren, die für die An- bzw. Abwesenheit derselben sprechen. Im persön-
lichen Kontakt können dies Merkmale aus sämtlichen Bereichen des Aussehens
und Verhaltens sein, die Mimik und Gestik, die Kleidung, das Auto oder das
Fahrrad, der Schmuck, die Frisur und vieles andere mehr. Aber auch im persön-
lichen Kontakt ist ein Symptombereich unschlagbar in Bezug auf Zuverlässig-
keit: sein sprachliches Verhalten. Wir haben es auf saloppe Weise bereits zu
Beginn gesagt: Die Sprache eines Menschen, zeigt, wes Geistes Kind er ist. In
der schriftlichen Kommunikation – und darum geht es uns hier in erster Linie –
ist dies oft die einzige Quelle, aus der wir symptomatische Schlüsse ziehen
können, und darauf wollen wir uns nun konzentrieren.
Wir wollen an nur wenigen Beispielen exemplifizieren, welche Texteigen-
schaften als Symptome angesehen werden können für die An- bzw. Abwesen-
heit der vier Persönlichkeitsmerkmale, die wiederum Symptome für Vertrau-
enswürdigkeit sind. Wir suchen also nach textlichen Symptomen für menschli-
che Symptome für Vertrauenswürdigkeit, oder, was nicht minder wichtig ist,
nach Symptomen, die Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit begründen.
Kompetenz
11 Sämtliche Textbeispiele sind authentisch, das heißt sie sind alle Geschäftsberichten deutscher
börsennotierter Kapitalgesellschaften entnommen. Ich habe, um keines der zitierten
Unternehmen bloßzustellen, die zitierten Textpassagen jedoch so verändert, dass die Quelle –
vor allem wenn es sich um ein Negativbeispiel handelt – nicht offensichtlich ist. Vorsichts-
halber möchte ich jedoch festhalten: Aus einer als Beispiel zitierten Textpassage lässt sich
nicht auf die Qualität des gesamten Geschäftsberichts schließen, weder auf eine negative noch
auf eine positive.
40 Rudi Keller
Was ist daran so verkehrt? Es ist die Tatsache, dass der Autor offenbar nicht den
Unterschied zwischen einer Strategie und einem frommen Wunsche kennt. Pro-
fitabel zu wachsen ist ein Unternehmensziel (eines übrigens, das sämtlichen
Unternehmen dieser Erde gemeinsam sein dürfte und deshalb ungeeignet ist,
besonders hervorgehoben zu werden) – und wenn man sich profitables Wachs-
tum zum Ziel gesetzt hat, dann braucht man eine geeignete Strategie, um es zu
erreichen. Eine Strategie ist ein (langfristiger) Handlungsplan im Dienste eines
übergeordneten Ziels, der Entscheidungsprinzipien – so genannte Strategeme –
enthält für unvorhergesehene bzw. unvorhersehbare Entscheidungssituationen.
Wer dokumentiert, dass er nicht weiß, was eine Strategie ist, lädt zu dem
Schluss ein, dass er auch keine hat. Ein schwächeres Symptom strategischer
Inkompetenz liefert folgender Satz aus dem Brief eines Vorstandsvorsitzenden
an seine Aktionäre:
„Bei der Umsetzung unserer strategischen Ziele sind wir 2006 bereits ein gutes
Stück vorangekommen.“
Dieser Satz macht deutlich, dass sein Autor entweder ebenfalls nicht weiß, was
der Unterschied zwischen einer Strategie und einem Ziel ist, oder dass er die
Bedeutung des Wortes Umsetzung nicht kennt. Umsetzen lassen sich Projekte,
Pläne und Strategien, nicht aber Ziele – so „strategisch“ sie auch sein mögen.
Zielen kann man näher kommen oder man kann sie erreichen, und zwar da-
durch, dass man Strategien umsetzt. Diese Beispiele machen deutlich, dass sich
Symptome für mangelnde Kompetenz oft auch als Symptome für intellektuelle
Defizite interpretieren lassen.
Intelligenz
Der Autor weiß offensichtlich nicht, was das Verb schwanken bedeutet. Denn in
diesem Fall schwankte nichts, sondern das Neugeschäft ist in den drei
genannten Ländern lediglich unterschiedlich stark gewachsen. Ein anderes
Die Sprache der Geschäftsberichte 41
„Vorrausetzung ist, dass sie (die Vorstandmitglieder R.K.) zum Ablauf einer
dreijährigen Sperrfrist zwei Erfolgsziele erreicht haben: Das absolute Erfolgsziel ist
abhängig von der Kursentwicklung der Aktie über den Verlauf der Sperrfrist, das
relative Erfolgsziel von der Performance der Aktie im Verhältnis zu Dow Jones
Euro STOXX Total Return Index.“
Hier versteht der Autor offenbar nicht, dass es nicht die Ziele sind, die von den
Aktienkursen abhängen, sondern der definierte Erfolgsfall. Eine Fundgrube für
Indizien intellektueller Defizite stellen die Risikoberichte dar. Es gibt Unter-
nehmen, die sprechen beispielsweise von ihren potenziellen Risiken. Was soll
ein potenzielles Risiko sein? Eines, das bestehen könnte, aber tatsächlich nicht
besteht? Hier verwechselt der Autor offenbar Risiken mit Schadensfällen. Wenn
ich mit dem Auto auf einer stark befahrenen Autobahn fahre, habe ich nicht das
potenzielle Risiko, einen Unfall zu geraten, sondern das tatsächliche! Potenziell
ist der Unfall, aktuell ist das Risiko.
Ehrlichkeit
Und ein anderes verblüfft den Leser mit der lakonischen Feststellung:
„Neue gesetzliche Vorgaben haben auch für unsere Gruppe einen entscheidenden
Einfluss auf die rechtlichen Rahmenbedingungen.“
Sympathie
Welche Textmerkmale können den Leser zu dem Eindruck verleiten, dass der
Autor nicht besonders sympathisch ist? Das ist zugegebenermaßen eine schwie-
rig zu beantwortende Frage, weil die Kategorie „sympathisch“ so vage und so
subjektiv ist. Dennoch gibt es ohne Zweifel Texte, die auf die meisten Leser
eben diesen Eindruck machen. Vergleichen wir die folgenden beiden Textpas-
sagen; die erste ist wörtlich einem Geschäftsbericht entnommen, die zweite ist
meine Reformulierung:
1. „Hintergrund der nur geringen Risikoposition ist das Schwergewicht der Leis-
tungserbringung im Euroraum und damit die weitestgehende Fakturierung der
durch die XY AG erbrachten Leistung in Euro.“
2. Wir haben nur ein sehr geringes Währungsrisiko, weil wir den größten Teil unse-
rer Geschäfte im Euroraum tätigen und somit in Euro fakturieren.
Worin besteht der Unterschied? Der erste Text ist relativ schwer zu verstehen,
der zweite mühelos. Der erste Text ist unpersönlich formuliert, der zweite im
persönlichen wir-Stil. Der erste Text ist in bürokratischem Substantivstil formu-
liert, der zweite in einem entspannten Alltagsstil. Das Entscheidende scheint mir
aber zu sein: Der erste Text erweckt den Eindruck, als habe sich der Autor be-
müht, einen äußerst schlichten Sachverhalt unnötig kompliziert „aufzumotzen“.
Er ist ein Beispiel für missglücktes sprachliches Imponiergehabe. Und das
macht ihn unsympathisch. Es dürfte auch keinen Leser geben, der es sympa-
thisch findet, wenn er einen Text nicht versteht, weil er so formuliert ist, dass
man ihn nicht verstehen kann. Man sollte dem Leser nie das Gefühl vermitteln,
geistig überfordert zu sein. Dieses Gefühl erzeugt die folgende Textpassage:
Bei der Berechnung des verwässerten Ergebnisses je Aktie wird das den Inhabern
von Stammaktien der Muttergesellschaft zuzurechnende Ergebnis durch die ge-
wichtete durchschnittliche Anzahl der während des Jahres im Umlauf befindlichen
Stammaktien (mit Ausnahme der zurückgekauften, eigenen Aktien der Gesell-
schaft) sowie die gewichtete durchschnittliche Anzahl der Stammaktien, die bei der
Umwandlung von allen potenziell verwässerten Stammaktien in Stammaktien aus-
gegeben werden, geteilt.
Die Sprache der Geschäftsberichte 43
6 Ausblick
Ich will zum Abschluss noch ein Wort zu den positiven Symptomen der
Vertrauenswürdigkeit sagen. Wie gesagt, es ist leichter, Vertrauen zu zerstören
als welches aufzubauen. Entsprechend gibt es deutlich mehr Negativsymptome
als positive. Zunächst einmal ist alles geeignet, Vertrauen zu bilden, das als
Zeichen besonderer fachlicher und intellektueller Kompetenz gilt. Auf sprach-
licher Ebene eines Geschäftsberichts drückt sich intellektuelle Kompetenz durch
einen seriösen, funktional angemessenen Stil aus. Die Kunst besteht meines
Erachtens darin, eine Ebene von Literarizität zu treffen, die stilistisch ein wenig
höher angesiedelt ist als der normale Geschäftsstil, nicht aber eitel klingt.
Das wirksamste Indiz für Vertrauenswürdigkeit ist jedoch der konstruktive
Umgang mit bad news. In einer sehr großen Anzahl von Geschäftsberichten
wird von negativen Ereignissen nicht berichtet. Dass in einer komplexen
Institution, wie einem großen Unternehmen, das ganze Jahr über alles nach
Wunsch und Plan gelaufen sein soll, ist so unwahrscheinlich, dass eben dies
einer besonderen Erläuterung bedürfte. Viele Unternehmen berichten beispiels-
weise, dass die Ertragsentwicklung in der Region XY hinter den Erwartungen
zurückgeblieben sei und geben als Begründung an: „infolge eines weiter
verschärften Wettbewerbs und gestiegener Rohstoffpreise“. Dies mag zwar ein
Zeichen von Ehrlichkeit sein, aber auch eines von Hilflosigkeit, und diese
Kombination spricht eben auch nicht für Vertrauenswürdigkeit. Denn im
Grunde sagt das Unternehmen damit etwas sehr Triviales: „Wenn der
Wettbewerb nicht so scharf gewesen wäre und unsere Kosten nicht so hoch
wären, hätten wir höhere Erträge erwirtschaftet.“ Und dies wiederum lässt den
Schluss zu, dass das Unternehmen keine Strategie hat, die Situation in Zukunft
zum Besseren zu wenden. Vertrauensfördernd ist die Offenlegung negativer
Ereignisse freilich besonders dann, wenn deutlich ist, dass diese unter
Bedingungen der Freiwilligkeit geschieht (vgl. Frank 1992: 98f). Mit anderen
Worten, die Maxime lautet: „Lege eigene Missgeschicke offen, die du
erfolgreich hättest verbergen können.“ Mit schlechten Nachrichten konstruktiv
und damit vertrauenserweckend umgehen heißt, sie offen anzusprechen, sie
kompetent zu analysieren, die Schwächen zu diagnostizieren und daraus Schritte
für die Zukunft abzuleiten. So zeigt sich strategische Kompetenz, ein
wesentliches Merkmal der Vertrauenswürdigkeit.
Ich sagte eingangs, dass die Sprache eines Menschen auf zweifache Weise
zeige, wes Geistes Kind er ist. Was für das Individuum gilt, trifft in
übertragenem Sinn auch auf ein Unternehmen und den Geist eines Unterneh-
mens zu. Das kommunikative Verhalten ist ein Spiegel des Geistes sowohl im
symbolischen Modus als auch im symptomischen Modus. Jeder, der versucht,
44 Rudi Keller
Literatur
Lobreden für herausragende PR-Arbeit haben in der Regel eins gemeinsam: Sie
betonen, wie verständlich die Preisträger ihre Botschaften formuliert haben.
Egal ob beim „Deutschen PR Preis“, bei den „PR Report Awards“ oder beim
„Goldenen Apfel“ des Bundesverbands deutscher Pressesprecher – sie alle ho-
norieren klare Kommunikation. Auf dem Informationsmarkt ist der Kunde der
Souverän. Er bestimmt über Erfolg und Misserfolg von Kommunikation. Und
oft genug fällt er ein eindeutiges Urteil: Erfolgreich ist, wer verständlich kom-
muniziert.
1 Herausforderung Verständlichkeit
In der Unternehmenskommunikation wird Verständlichkeit zum Gradmesser für
Erfolg und Misserfolg (vgl. Moss 2008b: 48ff.). Schlechte Sprache ist Ressour-
cenverschwendung. Experten schätzen den Schaden, der in der deutschen Wirt-
schaft durch unverständliche Texte entsteht, auf jährlich eine Milliarde Euro.
Der Braunschweiger Sprachwissenschaftler Günther Zimmermann hält diese
Summe für „deutlich untertrieben“ (Zimmermann 2007: 9). Wer einen Kunden
ansprechen wolle, müsse ihn überzeugend ansprechen, sagt er. Schon vor drei
Jahrzehnten fanden Wissenschaftler in den USA heraus, dass etwa 40 Prozent
des Marktwerts börsennotierter Unternehmen von deren Kommunikationsarbeit
abhängt.
Bisweilen sind es simple Begriffe, die den Wert einer Aktie beeinflussen
können. So haben die Psychologen Adam J. Alter und Daniel M. Oppenheimer
ermittelt, dass neu emittierte Aktien mit leicht aussprechbarem Namen nach
dem Börsengang im ersten Jahr deutlich besser laufen als andere. Und zwar
unabhängig davon, wie sich ihre Geschäfte im Vergleich zu Firmen mit weniger
eingängigen Namen entwickeln (vgl. Alter/Oppenheimer 2006: 9371f). Bemer-
kenswert: Zu dem gleichen Ergebnis kamen Alter und Oppenheimer auch in
46 Matthias Dezes
Bezug auf die Aktiencodes von Aktien, die an der New York Stock Exchange
(NYSE) notiert waren. Papiere, deren Börsen-Kürzel leicht auszusprechen war,
hatten in den ersten zwölf Monaten nach Emission in der Regel schneller an
Wert zugelegt als solche, deren Kürzel als schwer aussprechbar eingestuft wur-
den.
Für die PR-Abteilungen ist damit die wichtigste Aufgabe definiert: Sie sol-
len so kommunizieren, dass Anleger und Kunden das Unternehmen positiv
wahrnehmen. Viele Unternehmen aber scheitern an der hohen Hürde Verständ-
lichkeit. Sie erwecken den Eindruck, als wollten sie vor allem imponieren, aber
nicht informieren. Der Medienanalysedienst Dow Jones Insight untersuchte fast
28.000 Pressemitteilungen für das Branchenmagazin pressesprecher (vgl. Graf
2008). In einem Drittel der untersuchten Texte fand sich mindestens einer der
folgenden Begriffe wieder:
Was etwa zeichnet ein „gut aufgestelltes Unternehmen“ aus, das teures Geld für
Stellenanzeigen ausgibt, um potenzielle Bewerber mit solchen Worthülsen zu
bombardieren? Warum soll ein „fokussierter“ Anbieter besser sein als ein Kon-
kurrent, der ohne diese Phrase auskommt? Jeder Landschaftsgärtner könnte von
sich behaupten, ein „gut aufgestellter“ Dienstleister im Facility-Business zu ein.
Und jeder Metzgermeister dürfte sich mit Fug und Recht als „fokussierter“
Anbieter von Fleischwaren anpreisen. Er wird es aber nicht tun, weil die Kun-
den kopfschüttelnd aus dem Laden rennen würden. Dort aber, wo sich Unter-
nehmen räumlich und emotional von ihren Kunden entfernen, drucken sie Fir-
menbroschüren voller nichtssagender Formulierungen. Pointiert ausgedrückt
klingt das etwa so (in Anlehnung an Moss 2008a):
Kunden, Leser oder Aktionäre spüren schnell, ob der Vertreter eines Unterneh-
mens offen und direkt mit ihnen spricht, oder ob er sich hinter einer Ansamm-
lung von Kunstwörtern versteckt. Die Sprachwissenschaft kann längst nachwei-
sen, dass ein und dieselbe Botschaft unterschiedliche Rückschlüsse auf Charak-
ter und Kompetenz eines Managers zulässt. Und dies hängt nur davon ab, wie
der Sprechende seine Sätze strukturiert (vgl. dazu die Untersuchung von Rein-
muth 2006). Selten haben Manager in der Öffentlichkeit so geringe Anerken-
nung erfahren wie derzeit. Und dies liegt nicht immer nur an den vermeintlich
bösen Medien, die besonders gern die schlechten Nachrichten in den Mittel-
punkt ihrer Berichterstattung rücken. Die Frage, ob ein Vorstandsvorsitzender
sympathisch, kompetent und glaubwürdig erscheint, kann er selbst beantworten.
Er ist der oberste Unternehmenskommunikator. Sein Erscheinungsbild steht in
engem Zusammenhang zum Image der Firma. Und er selbst muss entscheiden,
ob er klar und deutlich sprechen möchte, oder aber verschachtelt und unver-
ständlich.
2 Kommunikative Ausgangslage
Nicht alle Menschen, die den Worten eines Managers lauschen, haben auch die
Kompetenz, ihn zu verstehen. Die finanzielle Allgemeinbildung der Deutschen
beispielsweise ist schlecht (vgl. Moss 2004). Viele Menschen begreifen gar
nicht, was ein Gesprächspartner meint, wenn er über Rentenfonds oder Divi-
dendenrenditen spricht. Dahinter steckt ein ernsthaftes Bildungsproblem. Die
deutschen Schulen haben das Thema Wirtschaft über Jahre hinweg viel zu pas-
siv begleitet. Erst in jüngerer Zeit spürt man, dass Politiker und Lehrer glei-
chermaßen diesen Mangel erkannt haben und ihn beheben wollen.
Doch dies ist nicht der einzige Umstand, den Kommunikatoren bei ihrer Ar-
beit häufig ignorieren (vgl. Moss 2008b). Auch die Fremdsprachenkenntnisse
der Deutschen werden gern überschätzt. Unternehmen lieben Anglizismen, aber
diese Liebe wird nicht immer erwidert. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs steht
die englische Sprache als Synonym für Freiheit und Neuanfang in Deutschland.
Aber angloamerikanische Fachbegriffe, Modewörter und Werbesprüche treffen
auf ein häufig verwirrtes Publikum. Es bringt also nichts, die Menschen mit
Denglisch zu konfrontieren, jener viel diskutierten Mischung aus Deutsch und
Englisch. Zumindest dann nicht, wenn Unternehmen ernsthaft informieren wol-
len.
Diese Einschränkung ist wichtig. Denn natürlich gibt es Situationen, in de-
nen ein Unternehmen gar nicht hemmungslos offen informieren kann oder will.
Und natürlich ist es ein zulässiges Mittel, Botschaften bewusst frei zu formulie-
48 Matthias Dezes
ren, um der Phantasie ihren Raum zu geben. Sprache ist Ausdruck einer gesell-
schaftlichen Entwicklung. Lebensgefühl, Kultur und Weltoffenheit müssen auch
in Worten ihren Ausdruck finden. Die manchmal harte preußisch-präzise Spra-
che ist dazu oft schlechter geeignet als das weiche Englisch.
Wer erfolgreich sein will, muss seinen Markt eben kennen. Autohersteller,
Finanzdienstleister, Einzelhändler – sie alle orientieren sich an den Wünschen
ihrer Kunden. Auch auf dem Markt für Kommunikation gelten diese Regeln.
Viele Unternehmen verbreiten Neuigkeiten, die interessant und wichtig sind,
aber gleichzeitig auch schlecht strukturiert und unverständlich. Zahlensalat,
komplizierte Satzkonstruktionen und Fachbegriffe, die niemand erklärt – wen
wundert es, dass ein großer Teil dieser Mitteilungen unbeachtet bleibt?
„Ich hoffe, Sie trauen mir nicht ernsthaft zu, dass mich solche eher oberflächlichen
Absichten antreiben. Zu den Zahlen kann ich nur sagen: Wir haben einen Beschluss
über den Abbau von 8500 Arbeitsplätzen, der jetzt umgesetzt wird. Diese
Umsetzung läuft auf Basis unserer Vereinbarung zur Zukunftssicherung. Daran
halten wir fest.“ (Der Spiegel, 1/2006 vom 02.01.2006: „Wir sind ein bisschen spät
dran“, S. 72).
„Hier geht es um die Verwendung von Spesen, die in der Tat nicht kontrolliert
worden sind. Teilweise hatten wir dazu auch kein Recht, da dem Betriebsrat
vertrauliche Spesen im Betriebsverfassungsgesetz zugesichert werden. So, wie das
System von einzelnen Personen – ich betone einzelnen! – dann ausgenutzt worden
ist, war das natürlich vom Gesetzgeber und auch von uns nicht gemeint.“
(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, vom 25.12.2005: „Die Schlamperei ist
immer schlimmer geworden“, S. 38).
Auch hier machen Bazil und Piwinger Botschaften zwischen den Zeilen aus, die
entscheidend dazu beitragen, die Vorwürfe von der Unternehmensführung ins-
gesamt auf andere Personen sowie auf die Begleitumstände umzulenken: „Un-
sere Hände waren gebunden; schließlich hatten wir kein Kontrollrecht, wir ste-
hen mit dem Gesetzgeber auf einer Seite; die verantwortlichen Manager haben
auf eigene Faust gehandelt; damit haben wir nichts zu tun“ (Bazil/ Piwinger: 4).
Der Grat, auf dem sich Pischetsrieder in diesem Interview bewegte, war außer-
ordentlich schmal: Auf der einen Seite musste er der Unterstellung entgegen-
treten, die Vorgänge, die zum VW-Skandal führten, geduldet zu haben. Auf der
anderen Seite hätten bloße Beteuerungen, von nichts gewusst zu haben, den Ein-
druck erweckt, Pischetsrieder habe den Konzern nicht im Griff. Welche Haupt-
versammlung sollte einem solchen Vorstand jemals Entlastung geben?
Auch Pischetsrieder zieht es vor, über Themen zu sprechen. Auch er durch-
kreuzt – wie Zetsche – geschickt den Grundsatz: Wer fragt, der führt, indem er
über ein wichtiges Thema spricht: die legalen Kontrollmöglichkeiten des Vor-
stands und ihre Grenzen.
Für beide Autohersteller stand sehr viel auf dem Spiel, als ihre Vorstands-
Chefs sich im Interview äußerten. Die Argumente sowohl von Daimler-Vor-
standschef Zetsche als auch die des damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden
Pischetsrieder waren klar, eindeutig und schnörkellos formuliert. Zudem waren
sie so geschickt aufgebaut, dass sie wichtige Botschaften transportieren konnten.
Ein Interview im Spiegel oder in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
lässt dem Interviewpartner kaum eine Möglichkeit, sich hinter inhaltsleeren
Phrasen zu verbergen. Ein Politiker oder Manager muss sich darüber im Klaren
sein, was er sagen will und wie er es sagen will, bevor er einem Interview zu-
stimmt.
Die Sprache der PR 55
6 Ausblick
An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein: Wenn Unternehmen in harten
Situationen auf klare Sprache setzen, warum tun sie es nicht grundsätzlich?
Senden sie mit einer intern angewandten Corporate Speech, die mit teilweise
künstlichen Wortschöpfungen und dem reglementierten Gebrauch einzelner
Begriffe Spracherziehung betreiben will, letzten Endes nicht das Signal aus,
dass das Mitgeteilte eigentlich unerheblich ist? Denn wenn es wirklich etwas
Entscheidendes zu sagen gibt, schalten die Vorstände ja von selbst auf Klar-
deutsch um.
Verständliche Kommunikation setzt Verständnis voraus. Ein großer Teil der
Arbeit eines PR-Beraters wird auch in Zukunft darin bestehen, Managern den
Sinn verständlicher Kommunikation zu verdeutlichen. Das wichtigste Argument
dabei sollte sein, dass verständliche Sprache ein wesentlicher Erfolgsfaktor auf
dem Markt für Unternehmenskommunikation ist.
Literatur
Werbesprache ist ein weites Feld. Es beginnt bei der Wahl des Markennamens,
geht über die Slogans, im Fachdeutsch „Claims“ genannt, über Produktbeschrei-
bungen, Anzeigentexte und Werbebriefe bis hin zur generellen Wortwahl eines
Unternehmens in der Kommunikation mit seinen Kunden. Diese Kommunikati-
on in allen Bereichen hat ein gemeinsames Ziel, nämlich dass sich der Kunde
(egal ob Endverbraucher oder potentieller Geschäftspartner) für das Produkt
oder die Dienstleistung des Absenders entscheidet und nicht für die der jeweili-
gen Wettbewerber. Das ist aber gar nicht so einfach, da sich die meisten Produk-
te und Dienstleistungen gar nicht großartig von denen der Wettbewerber unter-
scheiden. Somit gilt der wichtigste werbliche Spracheinsatz zunächst dem Na-
men des Produktes oder der Dienstleistung, die man anbietet.
Dabei sollte das ideale Ziel darin liegen, diesen Namen zum Teil des aktiven
Wortschatzes seiner jeweiligen Zielgruppe zu machen. Es macht eben einen Un-
terschied, ob jemand einen Schokoriegel oder ein Mars verlangt, eine Limonade
oder eine Bionade bestellt oder einen Sportwagen statt eines Porsche nachfragt
– besonders für die jeweiligen Markenhersteller.
Bei der Namenswahl kann man viele Fehler machen, vor allem durch mangel-
hafte Recherche nach älteren, bereits existierenden identischen und ähnlichen
Marken (die schnell zu Existenz bedrohenden rechtlichen Problemen führen
können) oder durch Übersetzungsfauxpas beim Umgang mit Fremdsprachen
und fremdsprachigen Zielgruppen. Beides lässt sich durch entsprechende pro-
fessionelle Überprüfungen vermeiden. Fehler bei der Kreation gibt es in Sachen
Namenswahl vor allem in vier Punkten:
x zu beschreibend = nicht monopolisierbar
x zu viele vermeintliche positive Attribute im Namen = nicht authentisch
58 Bernd M. Samland
Zu beschreibend: Fitness Company und Fitness First klingen gut, können aber
von jedem genutzt werden (z. B. als Meier – die Fitness Company); Fitcom ist
besser, weil der Name schützbar ist (und somit anderen untersagt werden kann,
diesen Begriff markengemäß zu benutzen). Ebenso ist ein Bier-Cola-Mix ver-
ständlich, aber markenmäßig austauschbar, Mixery und Bibop hingegen sind
auch Bier-Cola-Mixgetränke, durch ihre Namen aber einzigartig. Ein Medien-
zentrum klingt toll, hat aber heute jede mittlere Kreisstadt. Ein Coloneum gibt es
nur in Köln, trotzdem ist es in ganz Deutschland bekannt.
Klang und Schriftbild eines Markennamens sind wichtiger als seine ur-
sprüngliche semantische Bedeutung.
Abkürzungen und Zahlen: Ein Name verleiht nicht nur einer Person, sondern
auch einer Marke „Persönlichkeit“. Diese kann aufgebaut, verändert oder eben
auch zerstört werden. Produkte ohne richtige Namen können in der Regel weni-
ger Persönlichkeit entfalten. Das passiert, wenn man dem Produkt zum Beispiel
lediglich eine Nummer gibt. Die Automodelle von Peugeot der Jahrgänge 2008
und 2009 heißen beispielsweise: 207, 207 CC, 207 SW, 407, 4007, 2007, 807,
608, 208, 308CC, 308 SW und 3008; eine Kollektion, die eine große deutsche
Autozeitschrift treffend mit „Nummernsalat“ betitelte.
Etwas mehr Persönlichkeit kann sich bei über viele Jahre hinweg gelernten
und verständlich aufgebauten Zahlensystemen entwickeln. Ein Beispiel sind die
3er, 5er- und 7er-Reihen von BMW. Allerdings werden mit dieser Art von
Bezeichnungen auch Chancen vergeben, besonders dann, wenn ein völlig
neuartiges Produkt auf den Markt kommt. Bleiben wir bei den Bayerischen Mo-
torenwerken: Im Abstand von 45 Jahren brachten diese zwei – für ihre Zeit
völlig neuartige – Produkte in den Handel. Bei dem ersten handelte es sich 1955
um einen Kleinstwagen, der die Tür auf der Vorderseite hatte. Es war die Isetta,
60 Bernd M. Samland
ein Name, der noch heute, über 40 Jahre nach dem Verschwinden aus dem
Programm, jedem Autointeressierten ein Begriff ist.
Im Jahr 2000 brachte BMW wiederum eine absolute Innovation auf den
Markt: einen Motorroller mit Dach. Dieses bereits vier Jahre später wieder
eingestellte Fahrzeug trug den Namen C1. Ob diese Abkürzung jemals einen
ähnlichen Kultstatus erreichen kann wie Isetta, darf – unabhängig von der
Popularität des Produktes selbst – stark bezweifelt werden. (Der Markenname
C1 wurde übrigens von Citroën gekauft und bezeichnet jetzt einen Kleinwagen.)
Sofern Abkürzungen nicht gerade ein wohlklingendes Akronym darstellen
wie etwa Haribo für Ha-ns Ri-egel Bo-nn (dessen Auflösung die Kunden aber
gar nicht kennen müssen), sind Namen, die nur aus Initialen, Abkürzungen und
Zahlen bestehen:
x schwer zu merken
x in verschiedenen Fach- und Landessprachen mit unterschiedlichen Be-
deutungen belegt
x in der Regel nicht „suchmaschinentauglich“ im Internet
Wie erkennt man einen guten Namen? Es gibt zwar keine Garantieformel für
Erfolg, aber eine Formel, mit der man die wichtigsten Fehler vermeiden kann.
Das ist die so genannte SUPER-Formel (vgl. Samland 2006: 90). Mit ihr kann
man in englischer Form Namensvorschläge überprüfen, indem man fragt: Ist
dieser Name:
Sofern diese fünf Fragen alle klar mit „ja“ beantwortet werden können, sind auf
jeden Fall die gröbsten Fehler vermieden worden.
Der Konsument denkt nicht über Namen nach! Markennamen wirken in den
meisten Fällen implizit und nicht über die Bedeutung der Lexeme, aus denen sie
sich zusammensetzen.
Die Sprache der Werbung 61
Während der Name der Marke den Grundbaustein ihrer Identität bildet und
damit unveränderlich ist, kann man mit Claims die Positionierung justieren. Für
den Begriff „Claim“ gibt es keine direkte, allgemein anerkannte deutsche Über-
setzung. Claim wird häufig als Synonym für „Slogan“ benutzt, wenn es auch
unter dem Gesichtspunkt der Herleitung und Nutzung des Begriffes leicht unter-
schiedliche Nuancen gibt.
Die Bezeichnung Slogan leitet sich vom schottisch-gälischen sluagh-ghairm
(ausgesprochen slogoam) ab, was soviel wie Kriegsgeschrei oder Schlachtruf
bedeutet. Der Terminus Claim heißt wörtlich übersetzt Anspruch, Behauptung
aber auch Bekenntnis. Hierzulande ist der Begriff nicht zuletzt bekannt aus alten
Westernfilmen, in denen Grundstücksansprüche geltend gemacht wurden, indem
man „seinen Claim absteckte“. Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Claims.
Zum einen unterscheidet man:
x den Dachmarken-Claim (oder Corporate Claim) für den langfristigen
Einsatz (z.B. Audi: Vorsprung durch Technik)
x den Produkt-Claim (oder Submarken Claim) für den mittelfristigen
Einsatz (z.B. Audi TT: Driven by Instinct)
x den Kampagnen-Claim für kurzfristige Einsätze (z. B. die Audi-Kam-
pagne: Erster mit Quattro)
Braucht man unbedingt Claims? Die Antwort auf diese Frage von einem Autor,
der selbst Claims entwickelt, mag erstaunen: Sie lautet nämlich NEIN. Man
braucht nicht in jedem Fall einen Claim, um erfolgreich am Markt zu sein.
Claims können sehr hilfreich sein, aber ein schlechter Claim ist immer schlech-
ter als gar kein Claim. Es gibt erfolgreiche Unternehmen, die auch viel werben,
ohne einen Claim zu benutzen. Zu diesen Unternehmen zählt der Einzel-
handelsdiscounter ALDI, der alle seine Anzeigen lediglich mit der Zeile über-
schreibt ALDI informiert, was definitiv keinen Claim darstellt.
Gute Claims zeichnen sich vor allem dadurch aus, etwas im Sinne der Marke
zu bewirken. Das gelingt insbesondere dann, wenn Claims auf andere – marken-
unabhängige (Lebens-)Situationen – übertragen werden können und die Marke
dennoch davon positiv profitiert. Wohnst du noch, oder lebst du schon (Ikea)
gehört sicher ebenso dazu wie nicht immer, aber immer öfter (Clausthaler) oder
quadratisch, praktisch, gut (Ritter Sport).
Die positive Wirkung erkennt man vor allem dann, wenn man diese Claims
mit „nichtssagenden Claims“ vergleicht. C&A warb zum Beispiel lange mit dem
Spruch Fashion for Living und Miele wirbt mit immer besser. Das klingt beides
nett, ist aber dermaßen austauschbar, dass niemand einen dieser Claims bewusst
zitieren wird, auch wenn immer besser unterschiedlich interpretiert werden
kann. Beide Sprüche lassen sich der Kategorie „überflüssig“ zuordnen. Ähnlich
banal klingt scheinbar der Volkswagen-Claim das Auto – allerdings nur in
Deutschland. Global wirkt der überall eingesetzte Claim geradezu ideal, vermit-
telt er doch so auf verständliche Art die deutsche Herkunft und das damit ver-
bundene „German Engineering“.
Ein anderes Qualitätsmerkmal eines guten Claims ist Zeitlosigkeit und
positive Penetranz. Hier spielen die Sprachmelodie, der Sprachrhythmus und
gegebenenfalls auch der damit verbundene Reim eine wichtige Rolle. Haribo
macht Kinder froh und Erwachsene ebenso zählt zu diesen Klassikern. Und wie
erfolgreich das Reim-Prinzip wirkt, sieht man unter anderem daran, dass Haribo
auf der einen Seite zu den bekanntesten Marken zählt, auf der anderen Seite
aber sich der in den Haribo-Spots kräftigst umworbene Begriff Goldbären
immer noch nicht vollständig durchsetzen konnte. Der Volksmund spricht wie-
terhin gerne von Gummibärchen, wenn die kleinen, bunten teddyhaften Süßig-
Die Sprache der Werbung 63
keiten von Haribo gemeint sind. Ähnlich stark sind gereimte Claim-Klassiker
wie Willst Du viel, spül mit Pril oder auch Do you yahoo? Allerdings macht ein
Reim allein noch keinen guten Claim aus (ganz zu schweigen von den eher im
regionalen Bereich anzutreffenden Dauerbrennern von Futtern wie bei Muttern
oder Döner macht schöner).
ein unerwartetes Element enthält, eher auf als eine (erwartete) Standardaussage:
Also lieber Normal ist das nicht (Freenet Claim) anstatt „Das ist nicht normal“
und lieber Aus Deutschlands feinem Saftladen (Merziger) als etwa „Aus
Deutschlands bester Obstpresserei“.
Für die Kreation guter Claims gibt es verschiedene Strategien aber keine
Patentrezepte. Einige der wichtigsten Modelle sollen kurz mit Ihren Vor- und
Nachteilen beleuchtet werden:
Bekannte Sprüche in neuem Kleid: Das ist eine der ältesten, aber immer noch
gern genutzten Claim-Kreations-Strategien. So wird aus Ende gut – alles gut
bei C&A: Preise gut – alles gut, aus Goethes Hier bin ich Mensch, hier darf
ich’s sein (Faust) beim Drogeristen DM: Hier bin ich Mensch, hier kauf’ ich ein.
In derartigen „Umwidmungen“ liegt eine große Gefahr. Denn wenn man einen
dieser Sprüche hört, denkt man in erster Linie meist an den Originalspruch und
nicht an die betreffende Marke. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bei dem Claim
Nichts ist unmöglich an Toyota denken, ist wesentlich höher als dass Sie bei
Preise gut – alles gut an C&A denken.
Dass man auch eine Niedrigpreis-Positionierung in nachhaltigeren Claims
ausdrücken kann, beweist zum Beispiel die Marke Ratiopharm mit dem Claim:
Gute Preise. Gute Besserung.
Was einem sehr bekannt vorkommt, lässt einen oft eher an das Bekannte denken
– als an das Neue, das damit beworben werden soll.
Wortspiele und -spielereien: Ein weiteres probates Mittel zur Claim-Kreation ist
die Arbeit mit Wortspielen, z. B. mit Ambiguitäten und der Abänderung erwar-
teter Wortfolgen. Das beginnt mit leichten Doppeldeutigkeiten, wie Die könnte
Ihrem Slip so passen! (Alldays Slipeinlagen), geht über Nichts bewegt Sie wie
ein Citroën bis zu Alles Gute (Kabel 1) oder Kleb’ Dir eine (Deutsches Tapeten
Institut). Wenn ein derartiges Wortspiel, wie diese Beispiele zeigen, intelligent,
humorvoll und nicht zu kompliziert konstruiert wird, dann kann man damit eine
gute Werbewirkung erreichen.
Sofern allerdings eine derartige Claim-Herleitung zur Verballhornung
einlädt, kann das die Marke beschädigen. 2006 warb die zur Metro-Gruppe
gehörende Kaufhauskette Real offensiv mit dem Claim: Besorg’s Dir doch
einfach! Da dauerte es nicht lange, und der Spruch wurde auf Plakaten und
Werbetafeln handschriftlich mit dem Wort „selbst“ ergänzt.
Je mehr man bei einem Claim nachdenken muss, desto weniger wirkt er.
Die Sprache der Werbung 65
Direkte Aufforderungen: Früher waren sie ein Balanceakt zwischen dem oftmals
als anbiedernd empfundenen „Du“ und dem distanzierenden „Sie“, die Claims
mit direkten Aufforderungen an die jeweilige Zielgruppe. Heute dominieren
ganz klar die „Du-Claims“, wobei in manchen Fällen die Grenze zwischen
Marke und Claim wie z. B. bei Du darfst gar nicht so einfach zu ziehen ist. Die
Aufforderungen beziehen sich allerdings meist auf die angesprochene Person (z.
B. Canon. You can.) oder sonstige Fähigkeiten und Gefühlswelten, selten auf
direkte Kaufaufforderungen, es sei denn, diese verstecken sich in anderen
Formulierungen: z. B. in Ruf doch mal an (Deutsche Telekom).
Einer der bekanntesten deutschen Werbesprüche in der Zeit zwischen den bei-
den Weltkriegen lautete: Aus gutem Grund ist Juno rund. Um diese Zigaretten-
werbung inhaltlich zu verstehen, muss man wissen, dass vor 1945 die meisten
Zigaretten a) filterlos, b) aus heimischen oder orientalischen Tabaken und c)
oval waren. Juno war die erste stark beworbene Zigarette, die zum einen rund
war und zum anderen amerikanischen Virginia-Tabak enthielt.
Das Geniale an diesem Spruch ist die Tatsache, dass man beim Nach-
sprechen die Lippen ähnlich rund formen muss, wie beim Ziehen an einer
(„runden“) Zigarette. Im Zeitalter der Nikotinbekämpfung und der Tabakwer-
beverbote ist es wahrscheinlich eher schwer zu verstehen, dass Zigaretten-
werbung überhaupt in der Lage war, Begehrlichkeiten zu wecken. Aber wenn
ein Spruch ein direktes Verlangen zu erzeugen vermochte, dann war es der
Juno-Spruch. Zwei weitere Erkenntnisse können wir aus dieser Ikone der
Werbesprüche ziehen:
Ein Reim fördert die Prägnanz und Erinnerungsfähigkeit! Ein guter Werbe-
spruch muss keinen logischen Sinn machen (denn warum Juno denn rund ist,
erklärt der Klassiker eben nicht).
Wer anfängt, Claims nach ihren inhaltlichen Aussagen zu bewerten oder gar zu
konstruieren, hat schon verloren. Die meisten guten Claims machen vom reinen
Wortlaut her semantisch wenig Sinn, sind aber dennoch sinnvoll.
Ein weiteres klassisches Stilmittel ist das Wecken allgemeiner Begehrlich-
keiten. Wenn wir bei Zigaretten bleiben, so stand die Marke Peter Stuyvesant
bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht etwa für Rauchgenuss
und schon gar nicht für Tabakqualm, sondern für: Den Duft der großen weiten
Welt.
Das war allerdings zu einer Zeit, in der Fernreisen nur einer Minderheit
zugänglich waren und würde heute, abgesehen von der Ächtung des Rauchens,
nicht mehr funktionieren. Das Prinzip aber, Wünsche und Begehrlichkeiten zu
wecken, die nur in einem sehr indirekten Bezug zum Produkt stehen, die gibt es
heute auch noch, wie man zum Beispiel am Bacardi-Feeling sehen kann.
Die beste Lektion aus der Betrachtung erfolgreicher Claim-Klassiker lernt
man, wenn man sich ihr jeweiliges Wettbewerbsumfeld anschaut. Wenn man
68 Bernd M. Samland
zum Beispiel den Claim Pack den Tiger in den Tank von Esso aus den sechziger
Jahren betrachtet, wird einem die Absurdität der Aussage kaum noch bewusst,
weil man sie gelernt hat und weil der Claim zur Kampagne passte, in der immer
ein Tiger vorkam. Dennoch war die Werbeaussage so anders als die aller
anderen Mineralölfirmen, die mit Zusatzstoffen, Oktanzahlen oder Motorsport
warben. Kein anderer wollte aber ein Tier in den Tank stecken und gerade das
machte den Claim und damit die Marke so unverwechselbar.
Oftmals überschätzt wird der Faktor „Gefallen“; ob ein Claim gefällt oder nicht,
ist weit weniger relevant als gemeinhin angenommen. Die inzwischen abge-
setzte Aussage Geiz ist geil von Saturn zum Beispiel muss man nicht mögen
und auch die dahinter stehende Einstellung nicht teilen; dennoch kann man dem
Claim eine letztendlich positive Wirkung bescheinigen. Er ist klar, deutlich und
laut; er positioniert das Unternehmen eindeutig als preiswert und lässt sich auch
auf andere Lebensbereiche übertragen. Ähnliches gilt für den konzerneigenen
Wettbewerber Media Markt mit Ich bin doch nicht blöd. Beide Claims wurden
innerhalb und außerhalb der Werbeszene sehr kontrovers diskutiert, sogar von
der „Geiz-Ist-Geil-Generation“ wurde zwischenzeitlich schon gesprochen. Da
macht sich ein „Any-PR-is-good-PR-Effekt“ bemerkbar, denn wenn ein Claim
zum Gesprächsstoff wird, produziert er zumindest schon einmal zusätzliche
Aufmerksamkeit. Aber genau wie „any PR“ keineswegs immer „good“ ist, kann
ein wenig durchdachter Claim auch schnell nach hinten losgehen. Als zum Bei-
spiel die Grünen bei der Bundestagswahl 2002 mit dem Claim Grün wirkt
antraten, gab es recht bald eine Internetseite gruen-wuergt.de.
Der bisherige Niedrig-Niveau-Rekord für nationale Claims gehört wahr-
scheinlich der irischen Fluggesellschaft Ryanair mit dem Claim Scheiß auf den
Preis. Dieser Claim kratzt deutlich an der Toleranzgrenze; denn wer „auf etwas
sch…“, der verachtet etwas und Verachtung und positive Markenbildung
harmonieren nicht miteinander. Die Tatsache, dass dieser Claim auch schnell
wieder abgesetzt wurde, deutet darauf hin, dass es auch – unabhängig von
Protesten – eine Art Selbstregulierung gibt. Wer sich sprachlich des untersten
Niveaus bedient, darf sich nicht wundern, dass dies auch Effekte auf das Niveau
seiner Zielgruppe haben kann. Eine Provokation durch einen Claim ist in der
Regel gut, weil sie Aufmerksamkeit herstellt, allerdings ist es besser durch
„Anders-als-erwartet-sein“ zu provozieren als durch Fäkalsprache.
Die Sprache der Werbung 69
Zwischen Genialität und Blödsinn liegt in der Werbesprache nur ein schmaler
Grat. Fest steht: Die Grunderkenntnisse und -regeln, die für Claims gelten, sind
im gleichen Maße mit unterschiedlichen Akzenten auf die gesamte werbliche
Kommunikation zu übertragen. Sie lassen sich in den sieben goldenen Regeln
der Werbesprache zusammenfassen:
Regel 1: Es gibt immer nur einen Kunden (in der werblichen Ansprache)
Nicht nur für Namen und Claims sondern für das gesamte Repertoire der
Werbesprache gilt: eigene Terminologien schaffen Markenidentität. So sind die
einen Krankenkassen eben nichts anderes als Krankenkassen, aber die AOK ist
die Gesundheitskasse, die einen gehen auf die Toilette, und die anderen besu-
chen ein Sanifair-Center, und manche verkaufen Süßkirschen, andere haben die
Piemont-Kirsche.
Niemand kauft ein Auto nur deshalb, weil PS, Verbrauch und Preis im
günstigsten Verhältnis zueinander stehen. Deshalb nutze die Sprache, um Bilder
und Welten in den Köpfen Deiner Zielgruppe entstehen zu lassen. Dabei ist es
erlaubt, an die so genannten „niederen Gefühle“ zu appellieren; denn auch wenn
es keiner zugibt: Sex sells und andere neidisch zu machen, macht Spaß!
Richtig erfolgreiche Werbung polarisiert. Wer es allen recht machen will, hat
schon verloren. Man muss nicht künstlich provozieren, um zu polarisieren. Ich
70 Bernd M. Samland
muss also meiner Werbeaussage ein klares Ziel vorausschicken. Wenn ich einen
Sportwagen verkaufen will, der stark, aggressiv und laut ist, darf ich das auch
sagen. In diesem Zusammenhang Umweltschutz- und Klimaargumente einzu-
bauen, ist unauthentisch und wirkt auch so. Vielleicht möchte ja tatsächlich
jemand, der ein Automobil mit über 400 PS kauft, etwas für die Umwelt tun,
dann aber bestimmt nicht mit dem Kauf jenes Wagens.
Die Welt ist schon kompliziert genug. Einfache Sätze mit klaren Aussagen (die
nicht immer logisch sein müssen, aber gerne emotional sein dürfen) wirken:
Alles Müller, oder was?
Mit Fremdsprachen kann man viel verschleiern; oft kaschiert man damit aber
nur Phantasielosigkeit und mangelnde Kreativität. Englisch kann Sinn haben,
aber wer es nicht schafft, in der eigenen Sprache zu begeistern, schafft dies in
den allermeisten Fällen erst Recht nicht mit einer Fremdsprache!
Wenn die Stärke einer Marke darin liegt, sich von anderen zu unterscheiden, gilt
dies umso mehr für die sie begleitende Werbesprache. Anders sein erfordert
Mut, und nur Mut führt zum Erfolg. Anders sein um jeden Preis, ist allerdings
garantiert nicht der richtige Weg, aber man kann gerade in der Werbung nicht
jede Idee durch eine Marktforschung absichern. Wer sich immer sicher sein
will, sollte Beamter werden und kein Werbetexter. Denn: Gute Werbetexter
halten sich an Regeln, geniale Texter brechen sie regelmäßig!
Die Sprache der Werbung 71
Literatur
Samland, Bernd M. (2006), Unverwechselbar. Name, Claim & Marke, Planegg/
München.
Gillies, Constantin (2002), Griechischer Gott als Zungenbrecher. Viele Kunden
wissen Namen wie „Phaeton“, aber auch „O2“ oder „Allure“ nicht auszu-
sprechen, in: Financial Times Deutschland vom 29.07.2002, S. 29.
Kapitel II
Die Sprache der Interessengruppen
Die Sprache der Journalisten:
Von der Gefahr, arm in den Ausdrucksformen und
banal in der Wortwahl zu werden
Barbara Brandstetter und Steffen Range
Sprache in den Medien ist Sprachschluderei und Sprachkritik zugleich, sie bietet
Vorbilder und abschreckende Beispiele (vgl. Elitz 2000: 143). Was gute Zei-
tungssprache auszeichnet, darüber streiten die Journalisten heute allerdings
weniger als noch vor einer Generation; es ist sogar schwarz auf weiß nachzule-
sen. Viele Redaktionen haben sich ambitionierte Stilbücher mit goldenen Re-
geln gegeben – oder führen zumindest schwarze Listen mit unerwünschten
Phrasen. Diese Stilfibeln sind durchwirkt mit Lehrsätzen des Sprachkritikers
Wolf Schneider. „Es ist nicht unseriös, kurzweilig zu schreiben; es ist lediglich
deutsch, dies nicht einzusehen.“ Dieses Zitat Schneiders hat die Financial Times
Deutschland ihrem Stilbuch vorangestellt, während die Welt am Sonntag ihren
Autoren einbläut: „Wir schreiben keine Schachtelsätze […] Hauptsachen gehö-
ren in Hauptsätze.“
Im Folgenden werden Trends benannt, die die aktuelle Sprache der Journalisten
kennzeichnen. Die Skizze muss sich auf neuere Entwicklungen oder Auffällig-
keiten beschränken. Prinzipielle Charakteristika, Verirrungen, Stärken und
Schwächen der Pressesprache sind in der einschlägigen Literatur erschöpfend
behandelt worden und werden im Rahmen dieses Beitrags nicht erneut referiert.
Die Fallbeispiele stammen aus der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung, der Financial Times Deutschland, dem Handelsblatt und
der Welt. Die Betrachtung konzentriert sich auf das Ressort Wirtschaft, in dem
alle relevanten Trends zu finden sind.
Satzlänge
Die Journalisten schreiben kürzere Sätze als früher. Die Tendenz zur
Verkürzung der Satzlänge lässt sich generell für die deutsche Schriftsprache
feststellen. Sie schlägt sich in der Zeitungssprache aber besonders nieder (vgl.
Lüger 1995: 22ff.; Piirainen/Airismäki 1987: 187). Einfachsätze, Reihen ver-
bundener Hauptsätze und einfache Satzgefüge aus Haupt- und Nebensatz sind
zu einem Kennzeichen moderner Pressesprache geworden. Bandwurmsätze mit
mehr als 20 Wörtern finden sich heute viel seltener in den Zeitungen als noch
vor 25 Jahren. Selbst im Wirtschaftsteil, der für Schachtelsätze und
„Silbenschleppzüge“ (Piirainen/Airismäki 1987: 241ff.) berüchtigt war, fassen
sich die Journalisten nun kurz:
„Die Autos stehen schmucklos auf dem Stand. Dieser wirkt sehr minimalistisch.
Statt aufwendiger Besprechungskabinen stehen nur ein paar Tische und Stühle
herum. Immerhin ist der Stand ausgeleuchtet.“ (Süddeutsche Zeitung, 13.01.2009:
20)
„Und noch klarer war, wen keine Schuld trifft: den Präsidenten.“ (Financial Times
Deutschland, 13.01.2009: 1)
„Im Gegenteil: Eine Erholung der Rohstoffpreise von dem jetzt extrem niedrigen
Niveau würde gar die Sorgen vor einer Deflation zerstreuen.“ (Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 13.01.2009: 17)
„Schnell reagieren, hohes Risiko gehen – das können die Langfinger.“ (Handels-
blatt, 15.01.2009: 29)
„Sie nimmt 50 Milliarden Euro in die Hand, nicht etwa, um dieses Land zu
gestalten – sondern um seine Strukturen zu erhalten.“ (Süddeutsche Zeitung
17.01.2009: 23)
Der „Cliffhanger“ am Ende des Vorspanns gehört zum festen Repertoire des
Online-Journalismus. Er bricht mit der jahrzehntealten Tradition, zu Beginn der
Nachricht Antwort auf die wichtigsten der so genannten W-Fragen geben (vgl.
Wilke 2001). Eine rätselhafte Andeutung soll Neugier wecken und zum Klicken
80 Barbara Brandstetter und Steffen Range
animieren, ohne dem Leser die Pointe oder den Ausgang des Geschehens zu
verraten.
Nominalstil
Kürzere Sätze haben ihren Preis: Sie gehen einher mit einem Vordringen des
Nominalstils. Vor allem Wirtschaftsjournalisten reihen gerne Substantive an-
einander – ein Verstoß gegen Forderungen journalistischer Leitfäden, den
Nominalstil möglichst zu vermeiden. Oft flankieren Hilfs- oder Modalverben
(haben, werden, sein, müssen, dürfen, können, wollen) die Substantive. Das
kraftvolle Verb verliert im Zeitungsdeutsch an Bedeutung. Eine Spielart des
Nominalstils sind Phrasen, auf die typischerweise ein Substantiv folgt (in
Sachen, mit Blick auf, sorgen für).
Der Nominalstil charakterisiert nicht nur die Sprache der Journalisten,
sondern kennzeichnet die bevorzugte Ausdrucksweise der Gegenwart. Er steht
im scharfen Kontrast zum Verbalstil des 19. Jahrhunderts. Die Forschung
spricht auch von einem „Verfall der verbalen Ausdrucksweise“ (Lüger 1995:
25f.).
„Auf jeden Fall trug die Relativierung der Bundesbank-Macht dazu bei, dass
Trichet seine Zurückhaltung gegenüber der Aufgabe staatlicher Geldsouveränität
aufgab.“ (Handelsblatt, 15.01.2009: 10)
„Mit der in den 70er Jahren einsetzenden Flut von Schuhimporten hatte das
Unternehmen eine Fertigungsstätte nach der anderen schließen müssen.“
(Süddeutsche Zeitung, 13.01.2009: 21)
Eintagswörter
Viele Journalisten haben den Genitiv aufgegeben. Statt des Genitivs benutzen
sie den Dativ (wegen dem Unfall statt wegen des Unfalls). Sie verwenden
Komposita (Minister-Beschluss statt Beschluss der Minister) oder bilden den
Genitiv mit Hilfe des Wortes „von“ (das Werk von Goethe). Die weit verbreitete
Abneigung gegen den Genitiv erklärt sich auch dadurch, dass er oft in Zusam-
menhang mit Wörtern auftritt, die als altertümlich empfunden werden oder für
den abgeschmackten Sprachstil der Amtsstuben stehen (anlässlich, angesichts,
behufs, binnen, eingedenk, eingangs, habhaft, ob, qua, seitens, teilhaft, über-
drüssig, vermittels, vonseiten, zwecks).
Auf dem Rückzug ist auch das Futur. Die grammatisch korrekte Bildung
einer auf die Zukunft bezogenen Äußerung mit Hilfe des Futurs (werden in
Kombination mit einem Infinitiv) taucht in der Umgangssprache, und damit
Die Sprache der Journalisten 83
auch in der Pressesprache, kaum noch auf. An seine Stelle tritt der Indikativ
Präsens (Er kommt morgen statt Er wird morgen kommen). Das ist wiederum
Folge des Strebens nach Kürze – ein zusätzliches „werden“ am Satzbeginn oder
Satzende ist aus Sicht der Redakteure überflüssig. Forscher begründen das
Versickern des Futurs aber auch mit dem Bewusstseinswandel der Journalisten,
also dem „Verlust des Wissensanspruchs“ (Ramge 1996: 341).
Nur noch wenige Redakteure wähnen sich auf Augenhöhe mit Politikern
oder Managern, die wenigsten treibt ein missionarischer Aufklärungs- oder
Veränderungswille (vgl. Weischenberg 2006: 12). Sie definieren sich eher als
Vermittler zwischen der Sphäre der Manager und Politiker und der Welt der
Leser. Dieser Bewusstseinswandel hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss
auf den Journalismus, weil damit zwangsläufig eine Veränderung der Sprache
einhergehen muss.
Galt das Futur I in Kommentaren vor 1970 noch als probates Stilmittel, so
meiden Journalisten dieses Tempus heute. Verglichen mit dem neutralen
Präsens betont das Futur Sachaussagen. Sätze im Futur können auch als Auffor-
derung aufgefasst werden („Du wirst Deine Suppe essen“). Dies wirkt im heute
dominierenden prosaischen Sprachgebrauch pathetisch und belehrend, schlimm-
stenfalls sogar anmaßend. Das illustrieren folgende Beispiele aus der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung von 1966:
„Diese Koalition wird sich an das Wort ihres Regierungschefs gebunden fühlen
müssen, daß in ihr nichts ‚vertuscht’ (wird) […]“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung,
14.12.1966)
„Dort muß er überdies mit seinem Kompagnon Brandt, der sich schlechthin nicht
bloß als Erfüllungsgehilfen wird begreifen können, in Übereinstimmung bleiben.“
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.12.1966)
Keineswegs sind die Medien dafür verantwortlich, dass Genitiv und Futur
verschwinden. Die Pressesprache reflektiert bloß die Umgangssprache. Die
Zeitung trägt durch Nicht-Verwendung dieser Formen dennoch dazu bei, dass
die Sprache verarmt. Journalisten setzen einen Teufelskreis in Gang, indem sie
ihren Lesern selten gebrauchte Wörter oder unübliche grammatische Formen
ersparen. Fest steht, dass der „rapide Abbau des deutschen Flexionssystems“
(Schmitz 2004: 29) ohne die Massenmedien langsamer verlaufen würde.
84 Barbara Brandstetter und Steffen Range
Fremdwörter
Fachsprache
„Um dies zu beheben, wird die EZB vom übernächsten Mittwoch an den Zins der
Einlagenfaszilität wieder auf ,aktuellen Leitzins minus 100 Basispunkte‘ herab-
setzen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.01.2009: 17)
„Zwar beträgt die Verzinsung für die Euro-Tranche 10,25 Prozent und für die
Dollar-Tranche 10,5 Prozent.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.01.2009:19)
Vor allem wegen der Fachwörter wächst der deutsche Wortschatz. Täglich
kommen neue Begriffe hinzu (vgl. Best 2000: 39). Nur selten gelingen
Journalisten geniale Übersetzungen. Zumeist orientieren sie sich an Wortwahl
und Vokabular ihrer Quellen. Die Zeitung passt sich bestimmten Lebensge-
bieten an, über die berichtet wird, und übernimmt deren „beschädigtes und
korruptes Sprachgut“ (Dovifat/Wilke 1976: 162).
Plastikwörter
Eng verwandt mit den Fachwörtern sind die „Plastikwörter“. Diese rund 40
international gleichermaßen gebräuchlichen Begriffe bevölkern die Politik- und
Wirtschaftsteile aller Zeitungen. Sie sind fester Bestandteil der Sprache von
Politikern und Amtsträgern, gehören aber auch zum Wortschatz der
Journalisten. Gemeint sind Wörter wie Entwicklung, Struktur, Ausbau,
Dienstleistungen, Faktor, Funktion, darstellen, verfolgen, zuordnen, konsequent,
hochrangig, Arbeitskraft, Energie, Grundbedürfnis, Lebensstandard, Qualität,
Prozess, Ressource, Strategie, System, Wachstum, Wert, Versorgung, Zukunft.
„Diese Entwicklung vollzieht sich für Sony-Ericsson vor dem Hintergrund eines
derzeit schwächelnden Geschäfts mit Handys.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung,
17.01.2009: 15)
„Sie hoffen, dass der Sturm nicht so heftig wird, Reisen als eine Art
Grundbedürfnis gesehen wird.“ (Die Welt, 12.12.08: 16)
Mündlichkeit
Schriftsprache und Umgangssprache nähern einander an. Dieser Trend ist nicht
allein in der Presse zu beobachten, sondern auch in der Literatur und in Alltags-
situationen – etwa auf Schildern, Speisekarten oder Handzetteln. Wissenschaft-
ler sprechen von einem „Ausgleich zwischen gesprochener und geschriebener
Sprache“ (Bär 2000: 24ff.). Dieser Einfluss ist weitreichend. Er erstreckt sich
auf die Wortwahl, den Wortschatz und sogar auf die Grammatik. Texte, die in
den Print-Redaktionen als „gut lesbar“ beurteilt werden, bedienen sich heute
vieler Elemente, die früher dem Radiojournalismus zugeordnet wurden. Auf die
gesprochene Sprache geht das Bestreben zurück, Satzklammern zu vermeiden
(bevorzugt wird die Formulierung: „Die Sonne geht nicht unter in meinem
Reich“ statt „Die Sonne geht in meinem Reich nicht unter“). Diese
grammatische Veränderung ist möglichweise auch der Satzstellung im
Englischen geschuldet – und damit ein eingesickerter Anglizismus („Warum
hast Du nicht angerufen gestern Abend?“ statt „Warum hast Du gestern Abend
nicht angerufen?“).
Ausklammerung ist auch in der Pressesprache erwünscht. So heißt es im
Stilbuch der Welt am Sonntag: „Was zusammengehört, darf nicht mehr als drei
Sekunden Lesedauer auseinandergerissen werden. Das sind zwölf Silben, mehr
nicht.“ Auch im schriftlichen Wortschatz machen sich Elemente der gespro-
chenen Sprache breit. Schöpferisch sind die Wortbildungen, auf -o (Realo), i/y
(Yuppie, Ossi) sowie Kurzwörter ohne Ableitungssuffix (Prof für Professor, Alk
für Alkohol), die sich mittlerweile in Zeitungsartikeln finden.
Weiteres Kennzeichen des Sprachwandels ist der Ausgleich zwischen den
Stilebenen. Die Unterschiede zwischen einer gehobenen Schriftsprache und
einer laxeren gesprochenen Sprache verwischen – zu Lasten der früheren feine-
ren Schriftsprache. Ehemals als derb, schmutzig oder unanständig empfundene
Wörter werden salonfähig (Hure, schwul, geil).
Nach einer Studie der Gesellschaft für deutsche Sprache werden Worte wie
Idiot und Scheiße mittlerweile im Alltag akzeptiert, Begriffe wie Titten und
88 Barbara Brandstetter und Steffen Range
„Und, ach ja, die Batteriehersteller sollen an ihrer Leistung arbeiten.“ (Financial
Times Deutschland, 13.01.2009:1)
„A propos Abstimmung: Auch die Politik hat die neuen Möglichkeiten entdeckt.“
(Handelsblatt, 17.01.2009: 11)
„Deswegen mag er die Jammerer nicht. Und die Anbiederer, die seitenlange E-
Mails schreiben und dabei für jede Lappalie ihren Chef in Kopie setzen. Kurz bitte,
effizient und vor allem: schnell. Zack, zack.“ (Süddeutsche Zeitung, 17.01.2009:
24)
Die Öffnung für Einflüsse aus der Mündlichkeit verschafft der Pressesprache
neue Ausdrucksmöglichkeiten, lässt sie aber auch profan und armselig
erscheinen.
Übertreibung
„Immerhin bleibt uns der größte Blödsinn erspart – die Reichensteuer der SPD und
das Verstaatlichungsprogramm der CDU für die deutsche Industrie.“ (Handelsblatt,
14.01.2009: 1)
Ansprache
Die direkte Ansprache der Leser war in der Vergangenheit ein Tabu in seriösen
Tageszeitungen. Sie blieb den Magazinen vorbehalten. Zeitungsjournalisten
plagten sich mit Synonymen, um die als unfein verschrienen Imperative zu ver-
meiden. In Verbrauchertexten war stereotyp vom Kunden oder Verbraucher die
Rede, bei Techniktipps wurde der Adressat wechselweise und aseptisch als
Nutzer oder Anwender bezeichnet. Ab und zu verirrte sich das ungeliebte man in
Artikel. Heute sind die Redaktionen unverkrampfter. Viele Redaktionen spre-
chen ihre Leser inzwischen direkt an. Dies mag dem Trend zur aggressiveren
Vermarktung von Themen und Thesen geschuldet sein – in dieser Hinsicht
haben die Redaktionen der Tageszeitungen von Illustrierten und privaten Fern-
sehsendern gelernt.
„Fass! Mich! An! Kunden wollen erst anfassen, dann kaufen: Taktile Erlebnisse
werden im Handel immer wichtiger.“ (Handelsblatt, 15.01.2009: 19)
90 Barbara Brandstetter und Steffen Range
Die direkte Ansprache ist möglicherweise auch eine Rückkopplung aus dem
Internet. Online haben die Redaktionen gute Erfahrungen gemacht mit der
Adressierung von Lesern, indem sie die drögen Schlagzeilen der Tageszeitungs-
artikel veränderten und durch Imperative ersetzten.
Auch das früher verpönte Fragezeichen taucht im Wirtschaftsteil häufiger
auf. Das korrespondiert mit Leserbefragungen. So förderte die Meinungsfor-
schung zutage, dass eine provokante Frage den Leser ebenso in den Text ziehen
kann wie eine spannende Aussage.
„Was verschleiert den Blick auf die Zukunft? Ist es Hektik? Mangelnder Mut?
Resignation?“ (Süddeutsche Zeitung, 17.01.2009: 23)
„Doch was wäre mit einer noch rascheren Zinssenkung gewonnen außer vielleicht
einem kurzfristigen Hoffnungshüpfer der Börsen?“ (Die Welt, 16.01.2009: 9)
„Wo soll das enden? Je lauter an den Märkten die Kreditblasen platzen, umso
größer werden die Rettungspakete, die panische Regierungen schüren.“ (FAZ,
17.01.2009: 9)
„,Wie leben die Deutschen, Herr Professor?’“ (Welt am Sonntag, 02.09.2007: 42)
Verstärkt bringen Redaktionen nun auch Artikel, die als Frage- und Antwort-
Dialog aufgebaut sind (Zehn Fragen zu…, Die wichtigsten Antworten zu…, Die
wichtigsten Fragen zu…). Ratschläge werden also nicht mehr in Form eines
durchgeschriebenen Artikels erteilt, sondern in Textfetzen. Dieses Format
schneidet sowohl in Umfragen unter Zeitungslesern als auch in Quotenmessun-
gen gut ab (Strompreiserhöhungen, Gaspreiserhöhungen, Gerichtsurteile, politi-
sche Grundsatzentscheidungen).
deren Aufgabe nicht in erster Linie darin besteht, Artikel zu schreiben, sondern
Inhalte zu verwalten. Ein- und derselbe Text wird über verschiedene Kanäle
verbreitet – Wochenmagazin, Zeitung und Internet kommen in vielen Redak-
tionen mittlerweile aus einer Hand. Weniger Redakteure sollen mehr Seiten
füllen, bestenfalls sogar mehrere Zeitungen mit ein und demselben Text
bestücken.
Die frühere Kernaufgabe, Recherchieren und Schreiben, tritt zugunsten
mannigfacher Produktionsaufgaben in den Hintergrund (vgl. Weischenberg
2006). Die Verbreitung und Inszenierung von Inhalten wird ebenso wichtig wie
die Erstellung von Texten. An die Stelle der Edelfedern und Reporter treten
Generalisten, die zunehmend auch aus dem Material der Nachrichtenagenturen
schöpfen. Dadurch diffundieren Marotten aus der Agentursprache in Artikel der
Zeitungen und Online-Portale, vor allem der Nominalstil.
Architektonisch findet die Industrialisierung des Zeitungsmachens ihren
Ausdruck im Newsroom, einem Großraumbüro mit 30, 40 oder 50 Arbeits-
plätzen. Dort konfektionieren Produktionsredakteure die Artikel der Reporter
für verschiedene Marken. Wie gezeigt, wird in dieser Schaltzentrale die früher
strenge Trennung zwischen regionaler und überregionaler Tageszeitung, Maga-
zin und Internet auch räumlich aufgehoben. Sprache und Themenauswahl
befruchten einander und nähern sich an, Gegensätze werden nivelliert.
Als Erfolgsmaßstab für das Verkaufen von Informationen stützen sich seit
wenigen Jahren auch Zeitungsjournalisten auf Einschaltquoten. Derzeit sind
zwei Messmethoden verbreitet. Readerscan ermittelt die Lesequoten in der Zei-
tung. Bei diesem Verfahren markieren repräsentativ ausgewählte Leser mit
einem elektronischen Stift, was sie gelesen haben und an welchen Stellen im
Text sie ausgestiegen sind. Das zweite Messverfahren sind die Klickraten im In-
ternet. Mit gravierenden Folgen für die Auswahl und Platzierung von Themen:
Viele Nachrichten werden nach Einschaltquote priorisiert statt nach Relevanz
(vgl. Range/Schweins 2007). Selbst in den Internetablegern seriöser Zeitungen
beugen sich Redakteure häufig dem Massengeschmack und dem Diktat der
Quote. „Im Internet-Zeitalter liegen auch in der Journalistik Schwarzbrot und
Kuchen auf einem Tablett, lassen sich die Medienangebote nicht mehr ohne
weiteres in getrennten Schubladen unterbringen“ (Weischenberg 2001: 40).
Erfahrungen aus Online beeinflussen in zunehmendem Maße die Sprache
und Nachrichtenauswahl der gedruckten Zeitungen, zumal Online- und
Printredaktion oft in einem gemeinsamen Newsroom arbeiten. „Wer versucht,
Information, Wissen, Unterhaltung, Erbauung an ein Massenpublikum heranzu-
bringen, kann wohl nicht umhin, sich auch sprachlich anzupassen an das Niveau
dieser Massen“ (Straßner 1991: 227).
92 Barbara Brandstetter und Steffen Range
4 Zusammenfassung
Ziel dieser Skizze war es zu zeigen, wie sich die Sprache der Journalisten zu
Beginn der 21. Jahrhunderts verändert. Vier Megatrends kennzeichnen die
Entwicklung der Pressesprache:
x Erstens verwischt die Grenze zwischen Schriftlichkeit und Mündlich-
keit. Wörter der gesprochenen Sprache nisten sich im Schriftdeutsch
ein, die Unterschiede zwischen einer gehobenen Schriftsprache und ei-
ner laxeren gesprochenen Sprache verschwinden zusehends.
x Zweitens transportieren Journalisten ihre Information in immer dichte-
rer und geraffter Form. Sie verwenden Substantive, verstümmelte Sät-
ze, verklumpte Satzkonstruktionen und zusammengesetzte Wörter, um
mehr Fakten auf weniger Raum unterzubringen.
x Drittens brechen sich Sprache und Stilmittel des Boulevardjournalis-
mus Bahn. Sätze werden kürzer, Superlative, Imperative, Wertungen
nehmen zu.
x Viertens gewinnen Fachsprachen, aber auch inhaltsleere Plastikwörter
an Bedeutung.
Das Deutsche verfügt über einen Grundwortschatz von 300.000 bis 500.000
Wörtern. Die genaue Zahl lässt sich schwer schätzen, weil ständig neue Wörter
gebildet oder aus Fremdsprachen aufgenommen werden, andere wiederum in
Vergessenheit geraten. Jeden Tag kommen unter dem Strich aber wohl mehr
neue Wörter hinzu als alte verschwinden. Gerade Fachsprachen bereichern die
deutschen Wörterbücher (vgl. Best 2000: 39).
Das ist die gute Botschaft: Die deutsche Sprache lebt, sie ist offen für neue
Einflüsse und entwickelt sich weiter. Ein Befund allerdings sollte gerade
Journalisten zu denken geben: Fast zwei Drittel der Deutschen sind der Mei-
nung, das die deutsche Sprache immer mehr zu verkommen droht (vgl. Gesell-
schaft für Deutsche Sprache 2008: 4). Vielleicht hat auch Püschel Recht, wenn
er schreibt: „Manches von dem, was heute als degoutant abgestempelt wird,
kann der Normalfall in der Zeitung von Morgen werden“ (Püschel 1998: 45).
Literatur
Gibt es eine Sprache der Wirtschaftspolitik? Oder vielleicht mehrere Sprachen
der Wirtschaftspolitik? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Zweifellos
spielt beispielsweise das jährliche Jahresgutachten der fünf Weisen mit seinen
wirtschaftspolitischen Empfehlungen eine erkennbare Rolle im Berliner Politik-
betrieb. Die Sprache der berühmten blauen Bände, die seit Mitte der Sechziger-
jahre erscheinen, treibt ökonomische Laien aber leicht in die Verzweiflung –
vom Daten- und Statistikapparat der Jahresgutachten ganz zu schweigen.
Die Wirtschaftsforscher bedienen sich der gängigen Fachtermini ihrer Zunft mit
Wörtern wie „Bruttowertschöpfung“ oder „Grenzkosten“. Aber ist das wirklich
die Sprache der Wirtschaftspolitik? Es ist wohl eher die Fachsprache der Öko-
nomie. Deshalb dringt sie auch kaum in die Sphäre der allgemeinen Politik
durch. Politiker aller Couleur untermauern ihre Argumente zwar gern mit Ver-
satzstücken aus solchen Dokumenten. Aber gleich mehrere Bundeswirtschafts-
minister bekannten, sie hätten die Gutachten in Wahrheit niemals gelesen.
Die Umsetzung ihrer Empfehlungen gehörte in der Geschichte der Bundes-
republik Deutschland zu den absoluten Ausnahmen. Die Parlamentarier ignorie-
ren die Beschlüsse der fünf Weisen fast völlig. Und außerhalb der Fachöffent-
lichkeit spielen sie keinerlei Rolle. Die Sprache der Wirtschaftspolitik prägen
sie nicht.
Oder nehmen wir die Sprache der Unternehmen, die vor allem durch
betriebswirtschaftliche Termini bestimmt wird. Im Zeitalter der Globalisierung
setzen sich hier immer mehr englische Begriffe durch wie zum Beispiel „Ebit“
(Earnings before Interest and Taxes = Gewinne vor Zinsen und Steuern) oder
„Return on Investment“ (Investitionsrendite). Die Fachsprache der Unterneh-
men reicht nicht zuletzt deshalb so gut wie überhaupt nicht in die Sphäre des
96 Bernd Ziesemer
Zwischen der modernen Ökonomie und der Wirtschaftspolitik ist eine Ferne
entstanden, die früher undenkbar gewesen wäre. Historisch waren die Wirt-
schaftswissenschaften ja ausdrücklich als „politische Ökonomie“ entstanden.
Adam Smith betrachtete sie ganz selbstverständlich als „a branch of science of a
statesman or legislator“. Niemand sollte seiner Meinung nach ohne Kenntnisse
der Ökonomie in einem Parlament sitzen. Der ehemalige Pfarrer Robert Malthus
Die Sprache der Wirtschaftspolitik 97
besetzte 1805 am College der East India Company in Haileybury den ersten
Lehrstuhl für „politische Ökonomie“ mit dem erklärten Ziel, sie als notwendi-
gen Bestandteil der modernen Staatswissenschaften zu etablieren.
In Deutschland definierte sich die Wirtschaftswissenschaft im 19. Jahrhun-
dert noch bewusst als „Nationalökonomie“. Sie sollte die theoretischen Grund-
lagen für eine fortschrittliche Rolle des Staates in der Wirtschaft liefern. Ökono-
mie und Rechtswissenschaften wurden deshalb zum Teil an den gleichen Fakul-
täten gelehrt. Heute wäre das undenkbar: Die moderne Ökonomie sperrt sich
gegen eine unmittelbare Nutzanwendung für die Politik. Mit ihrem hohen Grad
der Mathematisierung, mit ihrem neuen Fokus auf Laborexperimente und Ver-
haltensforschung, mit Disziplinen wie Spieltheorie oder Neuroökonomie ent-
fernt sie sich immer weiter von der Wirtschaftspolitik. Damit fehlen der Wirt-
schaftspolitik zugleich die notwendigen theoretischen Fundamente, um sich ge-
gen den ausgreifenden Raumanspruch anderer Politiken, vor allem der Sozialpo-
litik, zu verteidigen.
Eine eigene Sprache der Wirtschaftspolitik war noch in Ansätzen in den
Siebziger- und Achtzigerjahren erkennbar, man denke nur an Otto Graf Lambs-
dorff und sein berühmtes Wendepapier von 1982, das den Machtwechsel von
der sozialliberalen zur christlich-liberalen Koalition einleitete. In der Folge ging
in der öffentlichen Wahrnehmung das Gewicht einer spezifisch ökonomischen
Sichtweise der Dinge aber kontinuierlich zurück. Während der langen Regie-
rungszeit Helmut Kohls spielten wirtschaftspolitische Fragen stets nur eine Ne-
benrolle, der Bundeskanzler interessierte sich nicht für Ökonomie und fühlte
sich nicht wohl im Gespräch über wirtschaftspolitische Fragen. Wirtschaftspoli-
tik war für Kohl eher der Knecht der allgemeinen Politik, ohne Anspruch auf
eine eigene Bedeutung. Die Sprachlosigkeit der Wirtschaftspolitik war in der
langen Regierungszeit Kohls sprichwörtlich. Und nach ihm kam es in dieser
Hinsicht zu keiner Wende. Spätestens seit 2003 ist Gerechtigkeit oder soziale
Gerechtigkeit zum zentralen Begriff der wirtschaftspolitischen Debatte in
Deutschland geworden. Dadurch veränderte sich die Sprache der Wirtschaftspo-
litik fundamental.
Die Agenda 2010 des damaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder
und der anschließende hoch emotionalisierte Streit über die Hartz-IV-Reformen
führten zu einem Paradigmenwechsel in der öffentlichen Diskussion, deren
Folgen bis heute spürbar sind. Dabei ist „Gerechtigkeit“ ein Wort, „das fast alles
heißen kann, eben deshalb fast nichts besagt“, wie der Sprachkritiker Wolf
Schneider zu recht bemerkte (Schneider 2005: 56). Trotzdem trug der
Kampfbegriff letztlich maßgeblich zum Ende der Regierung Schröder, der
Etablierung der Linkspartei als fünfter Kraft im parlamentarischen System der
Bundesrepublik Deutschland und damit zur Veränderung des gesamten politi-
98 Bernd Ziesemer
schen Kräftespiels im Lande bei. Die Entwicklung der letzten Jahre bestätigte
die Behauptung Schneiders eindrücklich: „Abstrakta (verwandeln) das Gesell-
schaftsspiel der Sprache in harte, manchmal Welt verändernde Gesellschaftspo-
litik“ (Schneider 2005: 137).
Die Sprache der deutschen Wirtschaftspolitik bedient sich zwar noch ökonomi-
scher Versatzstücke – man denke nur an die wiederkehrenden Rituale der offi-
ziellen Konjunkturdebatten. Insgesamt durchsetzt sie sich aber immer stärker
mit Begriffen, die eigentlich aus der Sozialethik stammen oder aus anderen
Bereichen der Politik. Die Kluft zur Sprache der Wirtschaft, die um zentrale Be-
griffe wie Wettbewerb und Markt kreist, vertieft sich damit immer mehr. Und
diese Entwicklung beschränkt sich keineswegs, wie man annehmen könnte, auf
das linke Parteienspektrum. Gerade auch in der CDU/CSU verdrängt der Wär-
mestrom des Sozialen zunehmend die von vielen als kalt empfundene Logik der
Ökonomie. Wir erleben die „Sozialdemokratisierung“ des gesamten Parteien-
spektrums.
Als Musterbeispiel dafür kann der Stellvertretende CDU-Vorsitzende und
nordrheinwestfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gelten. Ludwig Erhard
vertrat noch entschieden die Meinung, die Marktwirtschaft sei aus sich heraus
sozial – nichts anderes war mit seinem Begriff der sozialen Marktwirtschaft
gemeint. Rüttgers rückt stattdessen seit geraumer Zeit den „solidarischen Sozial-
staat“ (Rüttgers 2007: 145) ins Zentrum der marktwirtschaftlichen Ordnung:
„Wenn wir die soziale Marktwirtschaft also zukunftsfest machen wollen, dann
müssen wir die ordnungspolitischen Grundsätze der Marktwirtschaft ergänzen
um ordnungspolitische Grundsätze eines solidarischen Sozialstaats“ (Rüttgers
2007: 152). Sind Marktwirtschaft und Sozialstaat erst einmal ordungspolitisch
auf den gleich Rang erhoben, bieten sich Kompromisse aller Art fast automa-
tisch an, um die Sphäre des „reinen Marktes“ einzuschränken.
Was Rüttgers in seinem Buch theoretisch begründet, prägt inzwischen mehr
oder weniger die ganze Programmatik seiner Partei – mit weitgehenden Folgen
für den gesamten politischen Diskurs in Deutschland: Vier von fünf Fraktionen
des Bundestags argumentieren in der Wirtschaftspolitik über weite Strecken mit
einem Instrumentarium der sozialen Überhöhung. Lediglich die FDP grenzt sich
davon noch rhetorisch ab, bemüht sich allerdings inzwischen auch, sich nicht
dem Vorwurf der „sozialen Kälte“ auszusetzen, der in Deutschland als tödlich
gilt. Dadurch bekommt die gesamte wirtschaftspolitische Debatte in Deutsch-
land von vorneherein einen sozialen Drall: Ökonomische Vernunft bedarf nach
Die Sprache der Wirtschaftspolitik 99
Nun haben weder die Ökonomen noch die Anhänger einer freiheitlichen Wirt-
schaftsordnung jemals behauptet, der Markt könne auch die „letzten Fragen“ der
Menschheit nach Glück, Gemeinschaft oder dem Glauben an etwas Höheres be-
antworten. Aber schon Adam Smith, der sich selbst ja zuvörderst als Moral-
philosoph und erst danach als Ökonom sah, führte in seinen Schriften den Be-
weis, dass sich einzelne ökonomische Interessen durch den Markt sehr wohl
zum Nutzen und Frommen aller entfalten können. Wo Erhard unsere Wirt-
schaftsordnung für sozial hielt, eben weil sie auf den Markt setzt, wird von der
CDU heute das Soziale gegen den Markt gesetzt und zum Korrektiv aller erzka-
pitalistischen Übel ernannt.
Konservative und Wirtschaftsliberale setzen vor die Entbürokratisierung der
Politik die Entbürokratisierung der Sprache. Sie verzichten auf das ganze Voka-
bular der linken Innerlichkeit (auch die CDU ist nun für eine „lebendige Erin-
nerungskultur“) und pseudomoderne Reformitis (auch die CDU entdeckt nun
die „aktive“ Familienplanung).
Sie gebrauchen die Sprache der Wirtschaftspolitik da, wo es um Wirtschafts-
politik geht. Sie verschweigen Interessengegensätze nicht (zum Beispiel zwi-
schen Ökonomie und Ökologie), sondern thematisieren sie um inhaltlicher Klar-
heit willen. Sie nennen Umverteilungspolitik beim Namen statt sie romantisch
zu überhöhen. Sie fordern von der Politik ein praktisches Bekenntnis zu den
wichtigsten Triebfedern wirtschaftlichen Fortschritts – zu Wettbewerb,
Leistungsfähigkeit, Unternehmerinitiative und technischer Innovation.
Aber lassen sich mit solchen Begriffen auch demokratische Wahlen gewin-
nen? Angela Merkel meint: Nein. Deshalb setzt nicht nur sie darauf, die Diskus-
sion über ökonomische Zusammenhänge eher aus dem Zentrum der politischen
Auseinandersetzung zu verdrängen. Wahlen lassen sich, davon sind tief im In-
nersten praktisch alle Parteien in Deutschland überzeugt, eher mit anderen The-
men gewinnen – vor allem mit Versprechungen auf weitere staatliche
Leistungen.
Die Sprache der Wirtschaftspolitik 103
Die Medien tragen eine große Mitschuld an dieser Entwicklung, vor allem die
Fernsehsender. Ökonomische Sachverhalte schaffen es sehr selten in die
Programme. Und die Talkshows verarbeiten wirtschaftspolitische Inhalte nur in
pervertierter Form. Der Ökonom Ulrich van Suntum (2006: 17ff.) hat in diesem
Zusammenhang den Begriff Christiansen Economics geprägt und sich dabei
keineswegs nur auf die lange Zeit sehr populäre Sonntagsabends-Talkshow
„Sabine Christiansen“ bezogen, sondern auf ein ganzes Genre. Nach Meinung
van Suntums bietet das Fernsehen eine merkwürdige Mischung aus starken
Behauptungen und schwachen Fakten, halbem Wissen und ganzem Unsinn,
wenn es um ökonomische Fragen geht. Ähnlich sieht es der renommierte Wirt-
schaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn: In den Talkshows siege immer die
„Ökonomik des ersten Augenscheins“. Den heftigsten Beifall kassiert derjenige
Diskutant, der die Ressentiments des Publikums am besten bediene. Man könnte
auch sagen: Der gesunde Menschenverstand, der bekanntlich stets die populär-
sten Vorurteile seiner Zeit enthält, triumphiert in solchen Fernsehsendungen
immer über eine sachlich-ökonomische Argumentation.
Interessanterweise tauchen in solchen Talkshows „mit der Regelmäßigkeit
des Ungeheuers von Loch Ness“ (van Suntum) Thesen auf, die in der seriösen
wissenschaftlichen Diskussion eigentlich von niemandem mehr vertreten
werden. Das gilt beispielsweise für die sogenannte Kaufkrafttheorie der Löhne,
ein Lieblingsthema von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, den beiden Medien-
stars der äußersten Linken. Nach diesem Irrglauben wären Lohnerhöhungen
selbst bei hoher Arbeitslosigkeit überhaupt nicht schädlich, da sie ja mehr Kauf-
kraft generieren und damit die gesamtgesellschaftliche Nachfrage anheizen –
höhere Löhne finanzierten sich sozusagen von selbst. Was in dieser schönen
Theorie bekanntlich fehlt: Höhere Löhne werden nicht von der gesamten
Gesellschaft bezahlt oder gar dem Staat, sondern von einzelnen privaten
Unternehmen, die höhere Kosten am Markt erst einmal über höhere Preise
ausgleichen müssen. Dabei konkurrieren sie in der Regel schon lange nicht
mehr nur in den starren Grenzen einer nationalen Volkswirtschaft miteinander,
sondern auch mit vielen anderen globalen Anbietern. Wenn die Kaufkraft in
Deutschland steigt, profitieren davon also keineswegs automatisch auch
deutsche Firmen. Nicht einmal der „Erfinder“ der Nachfragepolitik, Maynard
Keynes, habe jemals solchen Unsinn vertreten wie Lafontaines Kaufkraft-
theorie, bemerkte deshalb zu recht van Suntum. Das ganze Gedankengebilde sei
deshalb nichts anderes als Christiansen Economics und außerhalb des deutschen
Fernsehens nirgends auf der Welt mehr zu bewundern.
104 Bernd Ziesemer
tisierung der sächsischen Betriebe entpuppte sich also in Wirklichkeit als das,
was man schamhaft als Re-Kommunalisierung bezeichnet, was faktisch aber
einer Verstaatlichung gleichkommt. Im konkreten Fall wanderte also lediglich
ein Staatsunternehmen in die Hände eines anderen Staatsunternehmens. Noch
absurder wird die Geschichte dadurch, dass Gelsenwasser über hundert Jahre
lang tatsächlich ein privates Unternehmen war – bevor der private Mehrheits-
eigentümer von Gelsenwasser, die EON AG, vom Bundeskartellamt zum Ver-
kauf dieser Beteiligung gezwungen wurde. Von Privatisierung konnte bei die-
sem ganzen Unternehmenstausch also gleich in doppelter Hinsicht keine Rede
sein.
Auch in der Debatte über die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte
gingen die Medien den Politikern immer wieder auf den Leim, weil sie nicht
kritisch mit der Sprache der Wirtschaftspolitik umgehen. Als die Große Koali-
tion unter Merkel 2005 antrat, um das wuchernde Etatdefizit zu reduzieren,
setzte sie fast ausschließlich auf Steuererhöhungen. Einige dieser Belastungen
für den Bürger, beispielsweise die Senkung der Pendlerpauschale, verkauften
die Pressestrategen des Finanzministeriums und des Bundeskanzleramts jedoch
mehr oder weniger erfolgreich als Sparaktion des Staates. Dabei stiegen ja die
Steuerlasten des Bürgers, der Staat sparte bei seinen eigenen Ausgaben keinen
Cent ein. Eigentlich versteht jeder normale Mensch unter einsparen, seine eige-
nen Ausgaben zu reduzieren. Kein Kind würde beispielsweise von einer Ein-
sparaktion sprechen, wenn es bei den Eltern eine Erhöhung des Taschengelds
durchsetzt.
Die Entscheidung des Bundesfinanzministers erhöhte die Einnahmen der
Bundesregierung – und damit auch die Staatsquote (also den Anteil des Staats
am gesamten Volkseinkommen) zulasten der Bürger. Wirklich einschneidende
Ausgabenkürzungen gab es im Bundeshaushalt unter der Großen Koalition
nicht. Trotzdem setzte sich in den meisten Zeitungen, egal welcher Couleur,
schnell der Begriff Sparhaushalt durch. Dabei ging es um keine politische
Kleinigkeit: Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte,
die Angela Merkel ebenfalls zum Amtsantritt dekretiert hatte, stand die Regie-
rung bereits als „Steuererhöhungskabinett“ in der Kritik. Da kam es der
Bundeskanzlerin sehr gelegen, wenn in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck
entstand, der Staat spare nun wenigstens an anderen Ecken des Bundeshaushalts
wirklich. Leider sind solche Beispiele keine Ausnahmen, sondern entsprechen
fast schon der Regel in der wirtschaftspolitischen Debatte.
106 Bernd Ziesemer
Literatur
Daniel Schnettler
Seit dem Zusammenbruch der New Economy, spätestens aber seit Ausweitung
der Wirtschaftskrise 2009 meiden viele Privatanleger die Börse. Zu unbere-
chenbar, zu unverständlich erscheint ihnen das Treiben auf dem Parkett. Und
mit dieser Einschätzung liegen sie gar nicht mal so falsch (vgl. Kladroba 2002;
Schuster 2002).
Die Börse hat eine ganz eigene Sprache. Wer hat nicht schon einmal von
Bulle und Bär, von Hausse und Baisse gehört? Das sind die Optimisten und
Pessimisten an der Börse, eine Phase von Kursgewinnen und Kursverlusten.
Solche Begriffe lassen sich leicht in einem Lexikon nachschlagen. Schwieriger
wird es schon, wenn das Fachwort von vornherein gar nicht als solches zu
erkennen ist: Empfiehlt beispielsweise ein Analyst, die Aktie zu „kaufen“, so
kann er doch etwas ganz anderes damit meinen als ein Kollege, der „buy“ sagt.
Eine weitere Stolperfalle sind Feinheiten in der Formulierung, über die ein
Uneingeweihter schnell hinwegliest, bei denen ein alter Börsenhase aber spitze
Ohren bekommt. Hatte etwa ein Unternehmen bislang immer davon gesprochen,
den Umsatz auf mindestens 1 Milliarde Euro steigern zu wollen und in der
neuesten Mitteilung sind es nur noch 1 Milliarde Euro, dann kann das die Aktie
schneller in den Keller ziehen, als der Privatanleger den vermeintlich kleinen
Unterschied erkannt hat.
1 Simple Börsensprache
Dieser Text soll etwas Licht in das Börsendunkel bringen. Eine Garantie für
gute Geschäfte ist das freilich nicht. Denn die Sprache der Börse zu verstehen,
ist das eine, einen guten Riecher für das richtige Investment zu haben, das
andere. Und den haben selbst viele langgediente Börsianer nicht. Spätestens der
108 Daniel Schnettler
2 Verwirrende Analystensprache
lungen geben da kaum die Gedanken des Experten wider, sondern sind nur ein
vager Anhaltspunkt. Sie sind deshalb wie die Testnoten in Auto- oder Compu-
terzeitschriften mit Vorsicht zu genießen.
Die Tücke bei der Analystensprache liegt wie so oft im Detail. Dabei ist es
noch vergleichsweise einfach, die grundlegende Aussage der Analysten zu
verstehen, obgleich nicht alle Kreditinstitute das gängige Schema Kaufen – Hal-
ten – Verkaufen verwenden oder im Englischen Buy – Hold – Sell. Einige Ban-
ken sind von diesem dreigliedrigen System abgewichen und fügen Zwischen-
stufen ein wie Akkumulieren auf der Gewinnerseite oder Reduzieren auf der
Verliererseite, um in diesem fünfgliedrigen System feiner abstufen zu können.
Auch ein Strong Buy gibt es als Ergänzung nach oben hin. Andere Häuser
wiederum nutzen eine gänzlich andere Nomenklatur wie Übergewichten –
Neutral – Untergewichten oder Outperform – Neutral – Underperform. Auch
Mischformen aus all diesen Ausdrücken finden sich.
Doch selbst derjenige, der die verschiedenen Begrifflichkeiten in die richtige
Reihenfolge bringt, ist noch nicht am Ziel. Denn eine Kaufempfehlung – egal,
wie sie nun heißt – ist nicht gleich eine Kaufempfehlung. Es gibt keine verbind-
lichen, bankübergreifenden Richtlinien, welche Kriterien für diese Bewertung
erfüllt sein müssen. Jedes Institut hat sein eigenes Schema und ändert es
zwischendrin auch mal. Eine genaue Übersicht findet sich am Ende dieses
Beitrags in den Tabellen 1 bis 8.
Die vordringlichste Frage, die es zu beantworten gilt, ist: Woran bemisst der
Analyst sein Urteil? Im einfachsten Fall meint eine Kaufempfehlung, dass die
Aktie steigt und der Anleger somit einen Gewinn erzielt. Für eine Verkaufs-
empfehlung gilt das Entsprechende. Dies ist die sogenannte „absolute“ Betrach-
tung. Daneben gibt es die „relative“ Betrachtung. Hier stellt der Analyst sein
Urteil in Relation zu einem Vergleichswert, beispielsweise einem großen Bör-
senindex wie dem Deutschen Aktienindex (Dax) oder einer Branche. Dann be-
deutet eine Kaufempfehlung, dass sich die Aktie besser als der Vergleichs-
maßstab entwickeln wird. Das sagt aber erst einmal noch nichts darüber aus, ob
der Analyst am Ende auch einen Gewinn für den Anleger erwartet, denn der
vergleichbare Index könnte ja fallen.
Angesichts zweier Unbekannter – der einzelnen Aktie und dem
Vergleichswert – ist die „relative“ Betrachtung also für den Anleger intranspa-
renter. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht immer klar ist, wie der Analyst
etwa die vergleichbare Branche abgrenzt. Trotz dieser Problematik wird die
„relative“ Betrachtung gerne von den Banken gewählt, da sie allgemeine Markt-
schwankungen und sogar einen starken Börseneinbruch aufgrund einer Finanz-
krise mit abdeckt. Sie bietet für den Analysten also eine höhere Sicherheit in
seinem Urteil.
110 Daniel Schnettler
Bei ihrer Empfehlung lassen viele Analysten neben der Kursbewegung der
Aktie auch die Dividende einfließen. Dann ist von einem Gesamtertrag oder
von einem Gesamtverlust die Rede. Besonders bei Wertpapieren mit hoher Aus-
schüttung ist dies zu berücksichtigen. Denn je höher die erwartete Dividende,
desto niedriger muss der Kursanstieg sein, damit der Analyst zum Kaufen rät.
Die Dividende wird jedoch in Deutschland nur einmal jährlich ausgeschüttet,
weshalb sich solche Empfehlungen für kurzfristig denkende Anleger kaum eig-
nen. In den USA dagegen erfolgt die Ausschüttung vierteljährlich.
Ohnehin ist bei den Empfehlungen der vorausgesetzte Zeithorizont zu
beachten, denn auch dieser unterscheidet sich je nach Institut. Während der eine
Analyst mit seinem Urteil einen merklichen Gewinn oder Verlust schon in drei
Monaten voraussagt, gibt sich der Kollege von der anderen Bank zwei Jahre
Zeit bis zum Erreichen seines gesteckten Ziels. Manche Experten wollen sich
auch gar nicht festlegen, bis wann denn ihre Prophezeiung eintritt – was derlei
Empfehlungen ad absurdum führt.
Bleibt die qualitative Aussage der Analysteneinschätzung. Hier gibt es die
größten Unterschiede. Während die eine Bank mit einer Kaufempfehlung nicht
mehr ausdrücken will, als dass sich die Aktie besser als der Markt entwickelt,
gibt die andere klare prozentuale Zielgrößen vor, die jedoch – welch Wunder –
auch keinerlei Normen unterliegen. Bei der genossenschaftlichen DZ Bank etwa
reicht ein erwarteter Kursanstieg von mehr als 5 Prozent aus, um das Prädikat
Kaufen zu vergeben. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hingegen
will für das gleiche Urteil am Ende ein doppelt so gutes Abschneiden sehen.
Selbes Problem bei der Empfehlung Halten: Während der DZ-Analyst mit die-
sem Urteil auch einen Verlust von bis zu 5 Prozent einkalkuliert, erwartet sein
LBBW-Kollege mindestens eine schwarze Null. Und während bei der DZ Bank
ein Kursverlust von mehr als 5 Prozent erwartet wird, wenn das Urteil Verkau-
fen lautet, reicht bei der LBBW für eine derartige Empfehlung schon der
Verdacht, es könnte minimal in den roten Bereich gehen.
Die Beispiele für solcherlei Differenzen ließen sich beliebig fortführen.
Richtig verwirrend wird es aber, wenn ein und dieselbe Bank mit ihren Empfeh-
lungen Unterschiedliches ausdrückt. Das macht etwa die US-amerikanische
Citigroup. Bei ihr gibt es gleich vier Buy- und Hold-Varianten: Je nach Risiko-
einstufung der Aktie erwarten die Analysten einen Gesamtertrag aus Kursan-
stieg und Dividende von unter 10 Prozent bis über 35 Prozent. Die Einschätzung
freilich, wie risikoreich eine Aktie ist, trifft die Citigroup selbst.
Angesichts des „Wildwuchses der Analystenbewertungen“ (Schnell 2005:
34), wie es einmal das Handelsblatt nannte, kommt von Aktionärsschützern
schon seit einiger Zeit Kritik. Zu wenig transparent seien die Empfehlungen,
heißt es. Abhilfe ist jedoch keine in Sicht. Die deutsche Analystenvereinigung
Die Sprache der Börse 111
DVFA hat ihren Mitgliedern lediglich ins Stammbuch geschrieben, dass sie die
Grundlagen ihres Urteils benennen sollen. Die Form – drei- oder fünfstufiges
Bewertungssystem, prozentuale Schritte, Zeithorizont, relative oder absolute
Betrachtung – stellt der Verband den Analysten frei (vgl. DVFA 2006).
Privatanleger sollten sich deshalb nicht auf das verknappende Urteil
verlassen, sondern lieber die vollständige Begründung des Analysten lesen, for-
dern Aktionärsvertreter wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbe-
sitz. Das bewahrt laut Ulrike Malmendier und Devin Shanthikumar auch davor,
den allzu positiven Empfehlungen der Analysten auf den Leim zu gehen. In
ihrer Studie „Do Security Analysts speak in two tongues?“ (2007) fanden die
beiden Wissenschaftler heraus, dass Bankexperten dazu neigen, Unternehmen
zu gut zu benoten, um sich bei ihnen einzuschmeicheln.
Denn die Kreditinstitute verdienen mit den Aktiengesellschaften auf vielfäl-
tige Weise Geld: durch Börsengänge, Kapitalerhöhungen, die Ausgabe von An-
leihen oder Hilfe bei Übernahmen. Keine Bank will es da riskieren, durch eine
unschöne Note einen Kunden zu verlieren. Gegenüber mächtigen institutio-
nellen Investoren wie Fondsgesellschaften oder Versicherungen aber äußern
sich die Analysten laut der Studie verhaltener zu den Aussichten der Unterneh-
men. Diese Klientel schaut nicht auf die Urteile Kaufen oder Verkaufen, sondern
ist an detaillierten Berichten interessiert (vgl. Storbeck 2007: 9).
3 Unklare Unternehmenssprache
Doch egal, wie und auf welche Weise die Analysten nun urteilen, Grundlage all
ihrer Überlegungen sind die Aussagen der Unternehmen. Und auch diese geben
sich gerne mal unklar – im besten Falle aus Schludrigkeit, im schlimmsten Falle
aus dem Wunsch heraus, Analysten und Anleger in die Irre zu führen.
Besonders brisant sind schwammige Aussagen bei der Prognose. Hier kann
schon eine kleine Abweichung von der sonst üblichen Sprachregelung zu
Kursausschlägen an der Börse führen. Es ist nun mal ein Unterschied, ob die
Rendite bei mindestens 10 Prozent herauskommen soll oder bei rund 10 Pro-
zent. Passieren solche Schnitzer des öfteren, droht ein Vertrauensverlust. Wie
gefährlich das sein kann, schildern die „Grundsätze für effektive Finanz-
kommunikation“ der DVFA: „Nur wenn die Kommunikation von Unternehmen
an Investoren und Finanzanalysten glaubwürdig, d.h. als authentisch und
wahrhaftig wahrgenommen wird, werden Investoren auch langfristig in ein
Unternehmen investieren“ (DVFA 2008: 2). Deshalb fordert der Verband eine
„einheitliche Sprachregelung bei sensiblen Themen“ (DVFA 2008: 5).
112 Daniel Schnettler
Ein Beispiel für eine freimütige Auslegung der Prognose gab Epcos ab, ein
Hersteller elektronischer Bauelemente, der ehedem aus dem Siemens-Konzern
hervorgegangen ist. Das Unternehmen verwirrte im Laufe seines Geschäfts-
jahres 2007/2008, das im September endete, mit gleich vier verschiedenen Aus-
legungen der nach Firmenlesart selben Prognose. Im November wollte Epcos
laut einer morgens versandten Mitteilung im „mittleren einstelligen Prozent-
bereich“ (Epcos 2007: 8) wachsen. Der Konzernchef konkretisierte das auf der
anschließenden Pressekonferenz auf „5 bis 6 Prozent“. Auf der Hauptversamm-
lung im Februar war dann von „mindestens 5 Prozent“ die Rede. Im Juli
schließlich kassierte das Unternehmen sein Ziel einer „Umsatzsteigerung von 4
bis 6 Prozent“ (Epcos 2008: 6).
Nun mag man sagen, es sei kleinlich, auf den – zugegebenermaßen immer
nur leicht – abgewandelten prozentualen Prognosen herumzureiten. In absoluten
Zahlen zeigt sich aber die Problematik: Beim geringsten genannten Wachstum
hätte das Umsatzplus von Epcos bei 58 Millionen Euro gelegen, beim höchsten
wären es dagegen schon 86 Millionen Euro gewesen. Tatsächlich stieg der Um-
satz dann um 3 Prozent auf 1,478 Milliarden Euro – was für die meisten Anleger
aber auch egal war, da die Münchener zwischenzeitlich vom japanischen Elek-
tronikkonzern TDK geschluckt worden waren.
Ein anderes Beispiel für eine missglückte Kommunikation mit dem
Finanzmarkt lieferte Mitte 2008 der Roboter- und Anlagenbauer Kuka. Das Un-
ternehmen beließ seine prozentuale Wachstumsprognose zwar gleich, änderte
aber ohne weitere Erläuterung die Basis: Vom Umsatz schwenkte Kuka auf den
Auftragseingang um (vgl. Kuka 2008a: 4f.; Kuka 2008b: 3). Dabei fordert der
DVFA: „Einmal kommunizierte Ziele werden weiter verfolgt“ (DVFA 2008:
18). Will heißen: Ist eine Prognose im Markt, kann sie zwar geändert werden,
aber nur mit klarer Ansage und Begründung. Ein klammheimliches Fallen-
lassen, Aufweichen oder Abändern ist in den Augen der Analystenorganisation
tabu.
Die häufigste Unart ist das schlichte Verschweigen einst verkündeter Ziele.
Zurück zu Epcos: In der morgendlichen Pressemitteilung zu den Halbjahres-
Zahlen 2007/2008 hatte das Unternehmen seine Umsatzerwartungen ausgeklam-
mert. Auf Nachfrage sagte ein Sprecher, das alte Ziel sei fallengelassen worden,
ein neues gebe es nicht. Gut drei Stunden später äußerte sich der Finanzchef –
und bekannte sich ohne weitere Erläuterung zu der ehedem aufgestellten Prog-
nose. Dabei sind auch hier die DVFA-Forderungen eindeutig: „Die Gültigkeit
der Zielsetzungen und Prognosen sowie Veränderungen und Modifikationen
sollten proaktiv angesprochen werden“ (DVFA 2008: 18).
Wie kleinlich Börsianer in ihren Formulierungen sein können, zeigt der
Unterschied zwischen den Begriffen Ziel und Prognose. Zwar werden sie im
Die Sprache der Börse 113
Scharfe Reaktionen werden an der Börse aber ganz häufig nicht durch offizielle
Mitteilungen ausgelöst, sondern durch Gerüchte. Vor allem an Freitagen, wenn
die Nachrichtenlage dünn und das Wochenende nahe ist, kochen diese hoch.
Zumeist werden die Gerüchte mit der eindeutigen Absicht gestreut, den Kurs
nach oben oder unten zu treiben, um selbst Kasse zu machen. Kurznachrichten
mit dem Schlagwort Rumor machen dann unter den Marktteilnehmern die
Runde.
In den meisten Fällen ist nichts dran an den Gerüchten, die sich in der Regel
um angebliche Übernahmen drehen. Denn hier sind die größten Kursausschläge
zu erwarten. Entscheidend dafür, ob die Anleger dem Gerücht Glauben schen-
ken, ist die Reaktion der betroffenen Unternehmen. In der Regel äußern sich
diese gar nicht mit der Begründung „Gerüchte kommentieren wir grundsätzlich
nicht“. Ein klares Dementi oder gar eine Bestätigung sind eher die Ausnahme.
Doch auch aus einer fehlenden Äußerung können Anleger Rückschlüsse
ziehen. So kann in der Sprache der Börse aus einem „Kein Kommentar“ schnell
114 Daniel Schnettler
ein „Ja, stimmt“ werden, wie der DVFA plastisch darstellt: „Dementiert bei-
spielsweise ein Unternehmen regelmäßig Gerüchte, in einem Fall aber nicht,
könnten Marktteilnehmer davon ausgehen, dass dieses Gerücht einen Wahr-
heitsgehalt hat“ (DVFA 2008: 9). Haben sich die Gerüchte verfestigt – entweder
durch die Reaktion des Unternehmens oder eine zweite Quelle –, werden in der
Börsensprache daraus Spekulationen. Und nicht selten entwickeln sich aus
diesen Spekulationen vermeintliche Tatsachen, bleiben sie nur lange genug un-
widersprochen stehen. „Ein nachlässiger Umgang mit Gerüchten kann zu uner-
warteten Kursbewegungen führen“ (DVFA 2008: 9).
5 Ausblick
Scheu vor der Börse und ihrer Sprache wäre trotz aller Feinheiten und ihren oft-
mals großen Auswirkungen unangebracht. Da sich auch viele Laien – Kleinan-
leger zumeist – auf dem Parkett tummeln, mühen sich doch viele Fachleute in
den Banken um eine allgemein verständliche Ausdrucksweise und verzichten
auf allzu viel Börsenlatein. Sollte dennoch einmal etwas unverständlich bleiben,
kann die Devise nur lauten: Finger weg von dem Geschäft!
Bank of
America auf zwölf Monate, relative Betrachtung zum Markt
Urteil Bedeutung
Buy Gesamtertrag entwickelt sich überdurchschnittlich
Neutral Gesamtertrag entwickelt sich im Einklang mit dem Markt
Sell Gesamtertrag entwickelt sich unterdurchschnittlich
Barclays
Capital auf zwölf Monate, relative Betrachtung zur Branche
Overweight Aktie entwickelt sich besser als die Branche
Equal Weight Aktie entwickelt sich im Einklang mit der Branche
Underweight Aktie entwickelt sich schlechter als die Branche
Dresdner
Kleinwort auf zwölf Monate, absolute Betrachtung
Buy Aktie steigt um mehr als 10 Prozent
Add Aktie steigt um 5 bis 10 Prozent
Hold Aktie steigt oder fällt um bis zu 5 Prozent
Reduce Aktie fällt um 5 bis 10 Prozent
Sell Aktie fällt um mehr als 10 Prozent
HSBC
Trinkaus &
Burkhardt auf zwei Jahre, relative Betrachtung zum Markt
Overweight Aktie entwickelt sich besser als der Markt
Neutral Aktie entwickelt sich im Einklang mit dem Markt
Underweight Aktie entwickelt sich schlechter als der Markt
Independent
Research auf sechs Monate, absolute Betrachtung
Kaufen Aktie steigt um mehr als 15 Prozent
Akkumulieren Aktie steigt um bis zu 15 Prozent
Reduzieren Aktie fällt um bis zu 15 Prozent
Verkaufen Aktie fällt um mehr als 15 Prozent
Landesbank
Berlin auf sechs bis zwölf Monate, absolute Betrachtung
Kaufen Aktie steigt um mehr als 10 Prozent
Halten Aktie steigt oder fällt um bis zu 10 Prozent
Verkaufen Aktie fällt um mehr als 10 Prozent
Bankhaus
Lampe auf zwölf Monate, absolute Betrachtung
Kaufen Aktie steigt um mehr als 10 Prozent
Halten Aktie steigt um bis zu 10 Prozent
Verkaufen Aktie fällt
Merck
Finck & Co. Auf sechs Monate, absolute Betrachtung
Buy Aktie steigt um mehr als 10 Prozent
Hold Aktie steigt um bis zu 10 Prozent oder fällt um bis zu 5
Prozent
Sell Aktie fällt um mehr als 5 Prozent
Société
Générale auf zwölf Monate, relative Betrachtung zum Index
Buy Aktie entwickelt sich mehr als 10 Prozent besser als der
Index
Hold Aktie entwickelt sich weitgehend im Einklang mit dem
Index
Sell Aktie entwickelt sich mehr als 10 Prozent schlechter als
der Index
Literatur
Marcus Reinmuth
Menschen legen ihr Wohl, ihr Geld oder sogar ihr Leben Tag für Tag in die
Hände Anderer, nur auf der Basis von Vertrauen – dies gilt im besonderen Maße
für das ökonomische System. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen würde nie-
mand seine Arbeitskraft gegen bedrucktes Papier oder eine Zahl im Computer
einer Bank eintauschen; schon gar niemand würde seine Waren dafür hergeben.
Ohne Vertrauen käme kein Anleger auf die Idee, seine Altersversorgung von
den Entscheidungen des Managements einer Aktiengesellschaft abhängig zu
machen oder ein Produkt zu kaufen, das er bislang nur aus der Werbung kennt.
Verwunderlich ist die grundlegende Bedeutung von Vertrauen durchaus, denn
es ist alles andere als eine kalkulierbare und stete Größe: Wird es einmal ent-
täuscht oder auch nur übermäßig in Anspruch genommen, verschwindet es oft
unwiederbringlich. Es wiederherzustellen ist mindestens schwer, wenn nicht
unmöglich, denn missbrauchtes Vertrauen brennt sich schmerzhaft tief ins Ge-
dächtnis des Hintergangenen ein. Die große Bedeutung aber auch die Instabilität
von Vertrauen wird schon bei der Verwendung des Begriffs in der deutschen
Sprache deutlich: Vertrauen kann eine Basis oder ein Fundament sein, man kann
darauf bauen. Gleichzeitig kann es allerdings auch aufgeweicht oder erschüttert
werden. Offensichtlich macht Vertrauen verletzlich – schließlich kann es selbst
verletzt oder missbraucht werden. Kurz: Vertrauen ist in höchstem Maße ris-
kant!
Ist man als vertrauensvoller Mensch der Dumme? Der amerikanische Psycholo-
ge Julian Rotter würde vehement widersprechen: Wer anderen vertraut, so stell-
te er bei seiner Forschungstätigkeit fest, der gewinnt seinerseits Vertrauen – und
128 Marcus Reinmuth
Wie schon in den einleitenden Sätzen deutlich wurde, erfordert das Wirtschafts-
system grundsätzlich Vertrauen, da der tatsächliche Wert von Geld, Aktien oder
anderen Trägern von Zahlen und Daten natürlich nichts mit dem Materialwert –
zum Beispiel eines Geldscheins – zu tun hat. Das Vertrauen einiger Menschen,
dass sie für ihren Geldschein einen entsprechenden Gegenwert einfordern kön-
nen, ist immerhin so groß, dass sie ein überaus starkes emotionales Verhältnis
zu eben diesem Papier aufbauen können. Schwindet das Vertrauen in das Wirt-
schaftssystem, so ist es in seiner Existenz bedroht.
Vertrauen ist in funktional getrennten Gesellschaften aber auch eine grund-
legende Voraussetzung für Effizienz. Dies gilt umso mehr in Teilen der Gesell-
schaft, in denen Geld oder Macht in die Hände von Spezialisten gelegt wird.
Vertrauen ist die Qualität, die es ermöglicht, dass Manager das Geld abwesender
Investoren oder Eigentümer ihrer eigenen Strategie folgend einsetzen können.
Von Expertentum geprägte Gesellschaften sind nur dann hocheffizient und fort-
schrittlich, wenn sie eben nicht mit unangemessen großen und kostspieligen
Überwachungsmechanismen einhergehen. Im Gegenzug wird Vertrauen be-
lohnt, da auf dessen Basis eigenverantwortliches Handeln und Kreativität gedei-
hen. Vertrauen spart nicht nur das Geld für den sonst notwendigen Absiche-
rungsaufwand, es stärkt die Leistungs- und Reaktionsfähigkeit eines Unterneh-
mens. Ohne Vertrauen wird es hingegen immer schwerfälliger, Prüfungs- und
Kontrollinstanzen würden binnen kürzester Zeit erhebliche Ressourcen ver-
schlingen und viele Produktivprozesse würden ohne Vertrauen gar nicht erst
stattfinden.
Doch nicht nur die Trennung von funktionaler Verantwortung verlangt nach
gegenseitigem Vertrauen der Akteure: Eine zunehmende strukturelle und pro-
zessuale Dezentralisierung verhindert althergebrachte Kontrollmechanismen,
unpersönliche Kommunikationsprozesse, die aus neuen Technologien resultie-
ren, erschweren es, Urteile zu fällen. Insgesamt lässt sich außerdem ein Wandel
der Unternehmenskultur in modernen Wirtschaftssystemen konstatieren, in der
Loyalität und nachhaltige Bindungen nicht mehr den Stellenwert vergangener
130 Marcus Reinmuth
Tage haben, weil Mitarbeitende oft nach wenigen Jahren zu anderen Arbeitge-
bern wechseln. Der Erhalt und die Schaffung von Vertrauen ermöglichen des-
halb innerhalb von Unternehmen (oder Organisationen im Allgemeinen) funkti-
onierende Prozesse.
Auch in der Beziehung eines Unternehmens zu seiner Umwelt ist Vertrauen
notwendig. Es liegt auf der Hand, dass alle Akteure in einem Umfeld wirtschaft-
lichen Austauschs Vertrauen benötigen, denn es ist von allen wesentlichen
Merkmalen von Vertrauenssituationen geprägt. Die Akteure stehen einer extre-
men Komplexität gegenüber, die schon aus Gründen des Kostendrucks – resul-
tierend aus dem Wettbewerb – nicht durch allzu teure Sicherungsmechanismen
reduziert werden kann. „Risiko“ ist zudem ein Begriff, der unternehmerisches
Handeln charakterisiert; nur wo Risiko existiert, da sind auch Chancen. Man-
gelndes Vertrauen dagegen bewirkt eine erhebliche Steigerung der Transakti-
onskosten. Dass ein Kunde ein gewisses Maß an Vertrauen aufbringen muss, um
ein Produkt zu kaufen, liegt auf der Hand. Doch auch und besonders in der
Kommunikation zu (potenziellen) Investoren kann Vertrauen als Schlüsselkate-
gorie und als substanzielles Ziel (vgl. Janik 2002) verstanden werden. Vertrauen
bewegt Menschen dazu, ihr Geld in ein Unternehmen zu investieren; es hat also
einen direkten Einfluss auf den Wert des Unternehmens. Auf diese Art schafft
Vertrauen Liquidität. In seinem gesellschaftlichen und politischen Umfeld kann
ein Unternehmen durch ein vertrauensgeprägtes Image Handlungsspielräume
erwirken und für Identifikation sorgen. Für ein vertrauensvolles Unternehmen
arbeiten die meisten gut ausgebildeten Menschen lieber, was in der Zukunft, in
der es immer schwieriger sein wird, kompetente Mitarbeitende zu finden, ein
Schlüssel zum Unternehmenserfolg sein wird.
Insgesamt gibt es also – wenn an dieser Stelle eine Bewertung erlaubt ist –
viele gute Gründe für Vertrauen. Doch wie schafft ein Unternehmen Vertrauen?
Unstrittig ist, dass zum Beispiel hohe Produktqualität und nachhaltiges Handeln
eine wesentliche Voraussetzung sind. Zusammengehalten, angestoßen und be-
gleitet werden alle auf Vertrauen ruhenden Prozesse allerdings durch eine
hochwertige, strategische und planvolle Unternehmenskommunikation. Sie
zeigt, „wes Geistes Kind“ (Keller) das kommunizierende Unternehmen ist. Und
sie stellt Informationen zur Verfügung, die Handlungen auf der Basis von Ver-
trauen ermöglichen. Welche sprachlichen Besonderheiten diese Kommunikation
aufweisen muss, um als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, ist eine der
wichtigsten Fragen für die Kommunikationsverantwortlichen der Unternehmen.
Vertrauen und Wirtschaftssprache 131
1 Für eine detaillierte Betrachtung des Vertrauensbegriffes siehe etwa Lahno (2002).
132 Marcus Reinmuth
Die Art und Weise, wie wir uns ausdrücken – und warum wir uns gerade so und
nicht anders ausdrücken – ist zwar willkürlich, jedoch alles andere als zufällig.
Unser Ausdrucksmodus unterliegt der Willkür unserer Gedanken, ist also Resul-
tat und Spiegel unseres Denkens. Denn der Ausdruck eines Gedankens kann
sprachlich nur über einen Stil realisiert werden, oder genauer: Der Ausdruck
eines Gedankens erfolgt immer im Gewand eines durch den Kommunikator
bestimmten Stils. „Den Stil verbessern – das heißt den Gedanken verbessern,
und gar nichts weiter“, kommentierte Nietzsche diesen Zusammenhang. Mögli-
cherweise ist „schlechter“ Stil nicht zwingend der Ausdruck „schlechter“ Ge-
Vertrauen und Wirtschaftssprache 133
danken – wohl aber ist er ein Hinweis auf sie. Und deshalb lassen sich durch den
Stil Rückschlüsse auf die Gedanken des Kommunikators und über seine intel-
lektuellen Fähigkeiten auf seine Glaubwürdigkeit ziehen. Dies bedeutet jedoch
auch: Es gibt keine Äußerungen, die absolut Stil-los sind. Auch wenn dieser
Begriff umgangssprachlich eine nicht unerhebliche Durchdringung erreicht, so
ist er im pragmalinguistischen Sinne irreführend. Wenn eine Äußerung ihren
Stil als Ausdruck der Gedanken erhält, dann kann sie nicht stillos, sondern
höchstens in einem Stil der stilistischen Unauffälligkeit produziert werden (vgl.
Göttert/Jungen 2004: 33).
Unauffälligkeit ist unter Umständen derjenige Modus, der die bestmögliche
Wirkung im Geiste eines bestimmten Kommunikationsziels verspricht. Und
damit wird deutlich, dass der Stil auch immer der Zielorientierung des Kommu-
nikators Rechnung trägt. Ausrichten muss er seinen Stil jedoch vor allem am
Rezipienten, der Hinweise auf Glaubwürdigkeit erhalten soll. Hierzu nutzt der
Rezipient – bewusst und unbewusst – alle Merkmale, die ihm zur Verfügung
stehen. „Dass ein Autor so schreibt wie er schreibt, kann interpretiert werden als
Ausdruck seiner Bildung, seiner Eitelkeit, seiner Kompetenz, seiner Dummheit,
seiner sozialen Herkunft, seiner Vertrauenswürdigkeit und vieles anderen mehr“
(Keller 2006b: 12). Dies gilt auch für den Fall, dass die Interpretation dieser
Symptome intentional von Kommunikator beabsichtigt war und diese somit
keine „echten“ Symptome mehr darstellen: Die Kommunikation erfolgt dennoch
innerhalb eines „symptomatischen Modus“ (vgl. Keller 2006b: 11). Die Frage,
die sich der Kommunikationsmanager stellt, lautet: Wie kommuniziere ich sti-
listisch und inhaltlich auf eine Art und Weise, die im Rezipienten am ehesten
das bewirkt, was ich erreichen möchte? Ein sprachlich begabter Kommunikator
tut dies schon aufgrund seiner Erfahrung und seiner Ausbildung auf eine gewiss
nicht erfolglose Art. Das Wissen um systematisch entwickelte Glaubwürdig-
keitsindikatoren und deren Wirkprinzipien hilft dennoch, sprachliche Kommu-
nikation zu optimieren.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren: Kommunikation kann Glaubwür-
digkeit und Vertrauen nicht erzeugen, indem der Kommunikator explizit darauf
hinweist, glaub- und vertrauenswürdig zu sein. Die Kommunikation selbst muss
über Merkmale verfügen, die für die Vertrauenswürdigkeit des Kommunikators
sprechen, die als Symptome für Glaubwürdigkeit interpretiert werden können.
Gleichzeitig muss die Kommunikation möglichst frei sein von solchen Merkma-
len, die sich als das genaue Gegenteil deuten lassen.
134 Marcus Reinmuth
Von Aristoteles über die moderne Jurisprudenz bis hin zum betrogenen Ehe-
mann: Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit von (Aus-) Reden können sichtbare
Merkmale herangezogen werden, so genannte Glaubwürdigkeitsindikatoren. Es
handelt sich also um Merkmale, die das (Sprech-) Verhalten eines Kommunika-
tors auf eine interpretierbare Art auffällig erscheinen lassen. Um als linguisti-
sche Glaubwürdigkeitindikatoren zu gelten, müssen sie eine zumindest tenden-
ziell homogene Wirkung auf die Glaubwürdigkeitsbeurteilung haben. Im Laufe
der Zeit haben sich verschiedene wissenschaftliche Herangehensweisen zur
Betrachtung der Glaubwürdigkeitsbeurteilung entwickelt, die jeweils einzelne
Beiträge auch für eine Liste von sprachlichen Glaubwürdigkeitsindikatoren
leisten. Nach Köhnken (1990) lassen sich die drei Hauptrichtungen unterschei-
den:
x Die verhaltensorientierte Glaubwürdigkeitsbeurteilung versucht im
Verhalten des Kommunikators Indikatoren festzumachen, die auf wah-
re oder falsche Aussagen hinweisen.
x Die inhaltsorientierte Glaubwürdigkeitsbeurteilung wird als Teilbe-
reich der forensischen Aussagepsychologie betrachtet. In deren Zent-
rum steht die Betrachtung von auffälligen Details in der Aussage eines
Kommunikators.
x In der Forschung zur quellen- und kontextorientierten Glaubwürdig-
keitsbeurteilung geht es darum, aufgrund welcher Mechanismen Rezi-
pienten einem Kommunikator oder dessen Aussage Vertrauenswürdig-
keit zuschreiben.
Aus den drei unterschiedlichen Ansätzen wiederum lassen sich linguistisch
verwertbare Indikatoren ableiten. Es ist unmöglich, den einzelnen Indikatoren
ein festes Potenzial zuzuweisen, mit dem sich die Glaubwürdigkeit eines Textes
mathematisch berechnen ließe. Glaubwürdigkeit und daraus resultierendes Ver-
trauen sind letztendlich nichts weiter als Begriffe, die komplexe Phänomene
beschreiben, welche im Detail zu erklären die menschliche Sprache möglicher-
weise nicht hinreichend ist. Zu viele andere Phänomene und Prozesse sind betei-
ligt, als dass sich ein schlüssiges und abgrenzbares Bild ergeben würde. Eine
Kategorisierung findet sich dennoch in vielen Betrachtung der Phänomene
„Glaubwürdigkeit“ und „Vertrauen“ – mit unterschiedlichen Schwerpunkten
und Gliederungen. Eine eindeutige Kategorisierung ist allerdings offenbar
schwer möglich, da einzelne Glaubwürdigkeitsindikatoren unterschiedlich wir-
ken und da – je nach Quelle – auch „Vertrauenswürdigkeit“ oder „Glaubwür-
digkeit“ als Kategorien des jeweils anderen Phänomens herangezogen werden.
In der bisherigen Glaubwürdigkeitsforschung treten allerdings immer wieder
Vertrauen und Wirtschaftssprache 135
Verständlichkeit/Rezeptionsfreundlichkeit
Die Verständlichkeit eines Textes spielt schon deshalb für die Zuschreibung von
Glaubwürdigkeit eine große Rolle, da sich durch sie über eine leichtere Inhalts-
verarbeitung, einen niedrigeren kognitiven Aufwand, eine höhere Memorabilität
und ein gesteigertes Rezeptionsvergnügen wiederum alle anderen Glaubwürdig-
keitsfaktoren realisieren lassen. Welche Merkmale lassen Sprache verständlich
und rezeptionsfreundlich werden? Die Indikatoren hierzu sind überlange oder
verschachtelte Sätze oder eine den Leser nicht überfordernde Fachterminologie.
Doch auch inhaltliche Aspekte wie der Abstraktionsgrad einer Aussage oder
eine widerspruchsfreie Argumentation wirken sich auf die Verständlichkeit
eines Textes aus. Ein weiterer Aspekt für die Verständlichkeit ist auch die
Strukturiertheit der Kommunikation, die sich auf allen Ebenen – Textebene,
Textteil und Satz – manifestiert. Kurz: All jene Merkmale, die wir aus diversen
Ratgebern zu „gutem“ Deutsch kennen, spielen beim Zuschreibungsprozess eine
Rolle. Wir schreiben Glaubwürdigkeit also dann zu, wenn eine Mitteilung einen
entsprechenden Zuschreibungsprozess nicht schon von vornherein durch man-
gelnde Verständlichkeit unmöglich macht. Werfen wir aber dennoch einen Blick
auf einige Beispiele, die das Grundprinzip persuasiver und glaubwürdiger
Kommunikation verständlicher werden lassen.
Länge der Mitteilung: Schon Plato rühmte sich damit, dass „niemand dassel-
be kürzer sagen“ könne als er. Die besten Reden – so feixte Willy Brandt –
seien nach den nicht gehaltenen und scharfen die kurzen, und Anton Pawlo-
witsch Tchechov beschrieb die Kürze als die „Schwester des Talents“. Dennoch
136 Marcus Reinmuth
ist es nicht immer uneingeschränkt so, dass in der „Kürze die Würze“ liegt, denn
die Vollständigkeit der zugrunde liegenden Informationen ist für die Zuschrei-
bung von Glaubwürdigkeit relevant. Ziel einer angemessenen Sprache ist es
deshalb nicht, einen Sachverhalt möglichst kurz zu fassen, wenn dies auf Kosten
des Verständnisses geschieht. Nicht absolute, exakt messbare Kürze ist das
erstrebenswerte Ziel, sondern eine der Aussage und dem Rezipienten angemes-
sene Ökonomie des Ausdruckes. Weitschweifigkeit und unnötige Umschreibun-
gen sollten vermieden werden; sobald die Aussage dabei jedoch an Inhalt und
Sinn verliert, ist dem auf Glaubwürdigkeit bedachten Kommunikator ein Bären-
dienst erwiesen.
Satzzeichen und Satzbau: Der variantenreiche Einsatz von Satzzeichen kann
zur Verständlichkeit eines Textes beitragen und für Lesefluss sorgen. Außerdem
erlauben verschiedene Satzzeichen, wie Parenthesen oder korrekt angewendete
Doppelpunkte, logische und argumentative Operationen. Dabei ist weniger
Kreativität gefragt denn handwerkliches Können. Den meisten Rezipienten dürf-
te eine eintönige Setzung von Satzzeichen nicht negativ auffallen, ein etwas
beherzterer Umgang mit Satzzeichen jenseits des simplen Punktes birgt jedoch
Potenzial, die Verständlichkeit zu fördern und den Lesefluss bei einem geringe-
ren kognitiven Aufwand für den Rezipienten zu unterstützen. Auch die Satzkon-
struktion hat Einfluss auf die Verständlichkeit, denn überlange Sätze, umständ-
liche Satzkonstruktionen und komplexe Satzverschachtelungen erhöhen den
kognitiven Aufwand bei der Rezeption eines Textes, ohne zwangsläufig einen
echten Fehler im linguistischen Sinne darzustellen.
Fachterminologie: Ein Fachbegriff, der von dem einen als selbstverständlich
angesehen wird, wird von einem anderen Rezipienten nicht verstanden. Fach-
wörter haben den Vorteil, einen bestimmen – und unter Umständen sehr kom-
plexen – Sachverhalt für eine bestimmte Rezipientenschaft mit einem Begriff
erfassen und beschreiben zu können. Sie dienen nicht dazu, etwas so zu para-
phrasieren, dass dabei eine einfache und verständliche Lösung zugunsten eines
unverständlichen Satzes mit zahllosen Fachtermini übergangen wird. Die Ter-
minologie muss also auf den Rezipienten abgestimmt sein; ein angemessener
Gebrauch von Fachterminologie kann das Verständnis fördern, ein nicht ange-
messener kann es verhindern.
Metaphorik: Bildhafte Sprache kann als einer der prominenteren sprachli-
chen Glaubwürdigkeitsindikatoren gewertet werden, da er an gleich mehreren
Stellen Schlüsselkategorien der Zuschreibung berührt: Eine bildhafte Sprache
verweist auf einen intelligenten und kompetenten Kommunikator und erleichtert
die Verständlichkeit eines Sinnzusammenhanges. Darüber hinaus vermindern
sprachliche Bilder den kognitiven Aufwand bei der Erfassung komplexer Sach-
Vertrauen und Wirtschaftssprache 137
Kompetenz
2
Kohärenz ist ein in der Textwissenschaft zentraler Begriff, anhand dessen sich ein Text erst
gegenüber anderen sprachlichen Gebilden ohne Textstatus abgrenzen lässt, also ein Kriterium
der Textualität. Kohäsion ist im Gegensatz zur Kohärenz in der üblichen Lesart allerdings
tatsächlich ein Textmerkmal, denn es beschreibt grammatische bzw. syntaktische Elemente,
die Textteile zu einem Text werden lassen.
138 Marcus Reinmuth
Objektivität/Aufrichtigkeit
„Mach dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer Guten“, sagte Hajo
Friedrichs, um die Ansprüche an die Glaubwürdigkeit und die Integrität journa-
listischen Arbeitens zu bekräftigen. Denn glaubwürdige Kommunikation, das
wusste er, gelingt nur, wenn der Leser oder der Fernsehzuschauer beim Kom-
munikator keine Hinweise auf Opportunismus oder den Versuch entdeckt, den
Rezipienten von der eigenen Meinung zu überzeugen. Objektiv wirkt Kommu-
nikation dann, wenn sie nichts zu verschleiern versucht und einer schlüssigen
Argumentation folgt. Auch dazu betrachten wir wieder einige Indikatoren:
Detailgrad: Obwohl wir diesen Indikator schon unter dem Stichwort „Kom-
petenz“ betrachtet haben, lohnt auch ein Blick auf seine Bedeutung im Zusam-
menhang mit der wahrgenommenen Aufrichtigkeit. Denn der Teufel steckt
Vertrauen und Wirtschaftssprache 139
Sympathie/(Text-)Attraktivität
auch wenn sich Aussagen als falsch entpuppen sollten. Diese Verantwortlichkeit
ist es, die einen personalen Kommunikator in Haftung nimmt, ihm jedoch
gleichzeitig die Zuschreibung Glaubwürdigkeit erleichtert: Jemand, der mit
seinem Namen und als Person etwas von sich gibt, der glaubt entweder an das,
was er sagt (und ist damit glaubwürdig) oder sagt absichtlich die Unwahrheit
(und ist durch seine Personalität sanktionierbar).
Duktus: Einer der wichtigsten Glaubwürdigkeitsindikatoren in Bezug auf die
tatsächliche Textattraktivität ist der Duktus der Kommunikation. Dieser wird
geprägt durch die charakteristischen Merkmale der Sprache eines Kommunika-
tors. So steht außer Frage, dass Merkmale wie Substantivierungen, Partizipial-
attribute, Genitivverkettungen oder passivische Satzkonstruktionen einen eher
trockenen, bürokratischen Duktus erzeugen; eine lebendige und bildhafte Spra-
che wird hingegen durch narrative Elemente oder treffende Metaphern erzeugt.
Glaubwürdig ist hier, was passt: Es sollten keine widersprüchlichen Signale
entstehen (siehe Kanaldiskrepanzen), und der Duktus sollte mit dem Image des
Unternehmens harmonieren. Insgesamt aber lässt sich feststellen, dass ein büro-
kratischer Sprachcharakter unverständlicher, unsympathischer, unpersönlicher
und damit auch unglaubwürdiger wirkt.
Humor: Humor ist zweifellos ein Indikator für einen wachen Geist und einen
geschickten Kommunikator. Der französische Schriftsteller Paul Valéry drückte
diesen Umstand mit einem Augenzwinkern und dem folgenden Satz aus: „Erns-
te Menschen haben selten Ideen, ideenreiche sind nie ernst.“ Abgesehen davon,
dass Humor ein Anzeichen für Intelligenz und damit indirekt für allgemeine
Kompetenz sein kann, erleichtert dieser Indikator aber eine Zuschreibung von
Glaubwürdigkeit auch durch die Herstellung von Ähnlichkeit zwischen Kom-
munikator und Rezipient. Allerdings ist der Einsatz von humorvollen Äußerun-
gen gewagt: An unpassender Stelle kann er als unseriös und äußerst vertrauens-
zerstörend wahrgenommen werden. Auch hier entscheiden wieder Kommunika-
tionsanlass und Zielgruppe über Nutzen und Schaden des Glaubwürdigkeitsin-
dikators.
Ressourcen erlangen und Produkte verkaufen; durch Vertrauen wächst ihr Wert
an der Börse, und aufgrund von Vertrauen finden sie neue Mitarbeitende. Diese
Kraft hat Vertrauen, indem es Komplexität reduziert, Kosten senkt und die Zu-
stimmung zu Inhalten erleichtert.
Um glaubwürdig zu sein, sollte Sprache Symptome für die Faktoren „Ver-
ständlichkeit/Rezeptionsfreundlichkeit“, „Kompetenz“, „Objektivität/Aufrich-
tigkeit“ und „Sympathie/(Text-)Attraktivität“ beinhalten. Um dies zu erreichen
stehen dem Kommunikator zahlreiche Mittel zur Verfügung, die vom Rezipien-
ten bei der Zuschreibung von Glaubwürdigkeit als Indikatoren herangezogen
werden. Wenn der Kommunikator diese Indikatoren kennt und zielgerichtet
einsetzt, kann er also die Glaubwürdigkeit seiner Kommunikation steigern und
so Vertrauen schaffen. Um diese Indikatoren angemessen einzusetzen, muss der
Kommunikator bei der Produktion und Planung seiner Arbeit vor allem den
Rezipienten im Auge behalten: Er muss den Rezipienten respektieren, ihn ernst
nehmen und ihn unterhalten. Noch wichtiger aber ist es in Bezug auf die
Glaubwürdigkeit, dass der Kommunikator den Rezipienten kennt, ihn richtig
einschätzt und so kommuniziert, wie es im speziellen Falle sinnvoll ist.
Sprechen wir abschließend – wie man aus dem Jiddischen entlehnt sagt – Ta-
cheles: Glaubwürdigkeit hat rein gar nichts mit Wahrheit zu tun (denn sie wird
auch Lügnern zugeschrieben) – Sprache dafür sehr viel mit Manipulation. Wer
Vertrauen in der Wirtschaftswelt als Mechanismus zur Reduktion von Komple-
xität erkennt, wird es auch – ganz ohne auf den gesellschaftlichen Nutzen oder
die philosophische oder moralische Qualität Rücksicht genommen zu haben –
zweckhaft einsetzen. Und Zweckhaftigkeit wiederum entspringt in einem öko-
nomischen System nicht etwa Altruismus sondern Gewinnstreben. Die Professi-
onalisierung einer auf Vertrauenserwerb ausgelegten glaubwürdigen Kommuni-
kation folgt diesem Ziel selbstverständlich ebenso.
Ist glaubwürdige Kommunikation also Manipulation? Die Antwort lautet na-
türlich: Ja – denn jede Kommunikation ist, zumindest wenn es nur um das Ima-
ge des Kommunikators und seine Beziehung zum Rezipienten geht, persuasiv
und damit manipulativ. Manipulation findet aber auch jenseits jeder persuasiven
Anstrengung statt, da Kommunikation immer auf den Rezipienten wirkt – be-
wusst wie unbewusst. Auch wenn ich mein Gegenüber nicht von irgendetwas
überzeugen möchte – ich möchte immer von mir als Person oder Unternehmen
überzeugen! Die einzige Möglichkeit einer Manipulation durch Kommunikation
zu entgehen, ist, der Kommunikation selbst zu entgehen. Aber noch einmal:
144 Marcus Reinmuth
3 Für seine explorative Untersuchung und den damit verbundenen Herausforderungen siehe etwa
Reinmuth 2006.
Vertrauen und Wirtschaftssprache 145
Literatur
Der Begriff Globalisierung ist eigentlich ein bisschen kitschig. Denn er täuscht
vor, dass es eine beruhigende, spezifische Form gibt für den unspezifischen,
beunruhigenden Eindruck der grenzüberschreitenden Veränderungen, deren stei-
gende Zahl, deren Beschleunigung und deren gegenseitige Abhängigkeit. Be-
reits vor- und populärwissenschaftlich hängen Kommunikation und Globalisie-
rung doppelt miteinander zusammen: Einerseits macht Globalisierung jene
Kommunikation global erfolgreich, die sich mit ihr auseinandersetzt, wie etwa
der Bestseller „No Logo“ von Naomi Klein, in dem die Machtlosigkeit von Na-
tionen und Verbrauchern angesichts von transnationalen Marken kritisiert wird.
Umgekehrt ist der Begriff Globalisierung selbst das Ergebnis von Kommunika-
tion: Das internationale Nachrichtenmagazin The Economist prägte ihn 1959,
während das World Economic Forum in Davos jährlich und die Kolumne von
Thomas Friedman in der New York Times wöchentlich den internationalen Dis-
kurs über Globalisierung aufrechterhalten. Kitsch ist affirmativ und provoziert
daher. Etwa wenn die deutsche Ausgabe der Le Monde Diplomatique schreibt
„unter Globalisierung wird inzwischen vor allem die unumgängliche, irreversib-
le und alternativlose Marktfreiheit der Unternehmen verstanden“ (Le Monde
Diplomatique 2002: 6).
1 Perspektiven und Bewertungen des Globalisierungsbegriffs
term capital flows, international flows of workers and humanity generally, and
flows of technology” (Bhagwati 2004: 3), bzw. als „the closer integration of the
countries and peoples of the world which has been brought about by the enor-
mous reduction of costs of transportation and communication“ (Stiglitz 2002:
9). Normativ trennen sie jedoch Welten, und der ehemalige Chefvolkswirt der
Weltbank Stiglitz hält dem erstaunt fragenden Inder Bhagwati („Why are the
critics of globalization agitated“ , ebda.) vor: „The rules of the game that govern
globalization are unfair […] Making globalization work will not be easy“
(ebda.).
Sozialwissenschaftliche Ansätze – wie etwa von John Ralston Saul – sind brei-
ter angelegt und weisen häufig sowohl den Anspruch der Ökonomie als auch der
Globalisierung an sich zurück: „At the heart of the problem lies the Globalist
idea of viewing society through an economic prism. In practical terms this has
meant demoting the values – ethical and moral – of community in favour of the
certainty that humans are primarily driven by self-interest“ (Ralston Saul 2005:
97). Affirmativere Sozialwissenschaftler wie Waters oder Giddens begrüßen die
Globalisierung u.a. weil diese nicht nur ökonomische sondern auch kulturelle
Chancen biete und Verbindungsweisen zwischen verschiedenen gesellschaftli-
chen Kontexten oder Regionen über die Erdoberfläche vernetzt werden (vgl.
Giddens 1999: 85).
Auch öffentliche Meinung über Globalisierung (zumindest in den sogenann-
ten westlichen Kulturen) bewegt sich etwa wie ein Halbmond in diesem Positio-
nierungskreuz (vgl. Abbildung 1): Es finden sich Mehrheiten mit einer gesell-
schaftlichen (statt wirtschaftlichen) Perspektive und einer globalsierungskriti-
schen Einstellung.
2 Unternehmenskommunikation braucht Verständnis von Globalisierung
x Singapore Airlines
x Singapore Telecom
x DBS
x United Overseas Bank
x Overseas Chinese Banking Corporation
x Exxon Mobil
x General Electric
x Microsoft
x Citigroup
x AT&T
x Southwest Airlines
x DaimlerChrysler (später Daimler)
x Allianz
x Volkswagen
x Siemens
x Deutsche Telekom
Zugrunde lag ein handlungstheoretisches Verständnis von Kommunikation (vgl.
Renckstorf 1977): Unternehmenslenker (und/oder stellvertretend ihre Kommu-
nikationsfachleute) richten ihre Aussagen funktional danach aus, wie diese der
Steuerung des Unternehmens und seiner Wertschöpfung dienen. Diese sozial-
wissenschaftlichen Annahmen sind eng verwandt mit der ökonomischen Agen-
cy Theorie, in der angenommen wird, dass CEOs rational und eigenmotiviert
den Wert und die Effizienz des ihnen anvertrauten Unternehmens mehren (vgl.
Eisenhardt 1989).
Das bedeutet, dass die Inhalte der Unternehmensmedien und -kommunika-
tion hier als das Ergebnis von bewussten Entscheidungen gelten. In dieser
Untersuchung wurden daher andere Einflussfaktoren nicht berücksichtigt, wie
Persönlichkeit, ethnische Zugehörigkeit, Selbstbild des CEO/Vorstandsvor-
sitzenden, kulturelle Spezifika der Branche sowie des Unternehmens usw. Diese
Faktoren und ihre Interdependenz müssten in einem späteren multivariaten
Forschungsdesign erfasst werden. Ebenso typisch handlungstheoretisch unter-
stellt wurde, dass CEOs/Vorstandsvorsitzende (wie alle Menschen) zur
Beobachtung ihres – etwa – kulturellen Umfelds willens und fähig sind, um die
Funktionalität ihres eigenen Handelns zu erhöhen. Unternehmenskommunikati-
on gilt hier somit als das Handlungsergebnis von Beobachtungen und aus ihnen
abgeleiteten Entscheidungen.
Dies gilt insbesondere für Geschäftsberichte. Denn diese müssen wie kein
anderes Unternehmensmedium alle internen und externen Zielgruppen in allen
kulturellen Umfeldern des Unternehmens unter genau festgelegten Rechtsanfor-
152 Gregor Halff
derungen bedienen. Also müssen insbesondere das Verständnis und die Bewer-
tung von Globalisierung in den Briefen an die Aktionäre im In- und Ausland
gleichermaßen ausgeprägt sein, um für das Unternehmen mit seinem polykul-
turellen Umfeld (und ebensolcher Binnenorganisation!) nützlich zu sein.
Abbildung 2 gibt einen Überblick über den Forschungszusammenhang:
Leider sind nahezu alle Modelle und empirischen Studien über interkulturelle
Kommunikation nicht handlungstheoretisch. Sie beschreiben eben nicht das
Kommunikationshandeln von einzelnen Menschen (CEOs oder anderen) vor
dem Hintergrund von kulturellen Werten einer Gesellschaft. Sie beschreiben
stattdessen ausschließlich jene kulturellen Werte und unterstellen dabei deren
Einwirkung auf das Handeln des Menschen. Modelle der interkulturellen Kom-
munikation haben eine vergleichende, globale Vogelperspektive auf Werte und
Normen. Der bekannteste, in Wissenschaft und Praxis meist genutzte und em-
Globalisierung und Wirtschaftssprache 153
pirisch am besten erforschte Ansatz stammt von Geert Hofstede (1980, 2001).
Dieser niederländische Soziologie untersucht seit fast dreißig Jahren (ursprüng-
lich durch Befragungen unter den weltweiten Mitarbeitern des IBM-Konzerns),
wie die Nationen der Welt sich anhand von vier Dimensionen unterscheiden:
x Unsicherheitsvermeidung – werden Risiken und Ambivalenzen als Be-
drohung oder als Herausforderung empfunden?
x Machtdistanz – werden Unterschiede in gesellschaftlicher Stellung ak-
zeptiert oder nicht?
x Maskulinität/Femininität – ist eine Gesellschaft durch männliche Ei-
genschaften (wie etwa Leistung, Wettbewerb) oder weibliche Eigen-
schaften (wie etwa Mitgefühl oder Toleranz) gekennzeichnet?
x Individualismus/Kollektivismus – hat das Individuum oder seine Grup-
pe(n) die Priorität in einer Gesellschaft?
Hofstede hat fast alle Länder der Welt nach repräsentativen Erhebungen mit den
oben gennannten Dimensionen indiziert, darunter auch die drei Länder dieser
Untersuchung. Die USA sind demnach ein Land mit geringem Kollektivismus
(also hohem Individualismus) und mittlerer Unsicherheitsvermeidung, Singapur
ist gekennzeichnet durch hohen Kollektivismus und geringe Unsicherheitsver-
meidung, Deutschland ist dagegen stark unsicherheitsvermeidend und hat einen
mittleren Kollektivismus.
Die multidisziplinäre Gruppe um den amerikanischen Organisationsforscher
Robert House (2004) hat die Kulturen dieser Welt (10 Cluster, in denen
insgesamt 62 Länder zusammengefasst sind) nach den dort jeweils gängigen
und akzeptierten Verhaltenweisen für Führungskräfte gekennzeichnet: In ihrer
empirisch validierten GLOBE-Studie zählen die USA zu den Anglo-Ländern,
deren Führungsverhalten mit niedrigem bis mittlerem Kollektivismus geprägt
ist, Singapur gehört zum Cluster konfuzianisches Asien, wo Führungsverhalten
stark kollektivistisch ist, deutsche Führungskräfte handeln im germanischen
Europa stark unsicherheitsvermeidend. GLOBE trennt Kollektivismus noch
weiter in institutionellen Kollektivismus („collective distribution of resources
within and/or collective action by the organization“) und in-group Kollekti-
vismus („the degree to which individuals express [...] pride, loyalty and
cohesiveness in their organizations“) (Javidan 2006: 69f.). Laut Hofstede und
der GLOBE-Studie liegen die drei hier untersuchten Länder also in jeweils
unterschiedlichen Dimensionen vorne, wie Tabelle 1 zeigt:
154 Gregor Halff
Kollektivismus Unsicherheitsvermeidung
USA Platz 2 Platz 2
Singapur Platz 1 Platz 3
Deutschland Platz 3 Platz 1
H1:
Die Aussagen der Briefe an die Aktionäre unterscheiden sich bezüglich der
Merkmale „institutioneller Kollektivismus“, „in-group Kollektivismus“ und
„Unsicherheitsvermeidung“.
H2
Diese Unterschiede in den Texten spiegeln die Unterschiede zwischen den
Heimatkulturen der Konzerne wider.
H2.1
Die Ausprägungen von „in-group Kollektivismus“ in den Briefen an die
Aktionäre spiegeln die Unterschiede zwischen den Heimatkulturen wider: Die
singapurischen Briefe haben die relativ höchsten Werte gefolgt von den
deutschen und den amerikanischen Briefen.
Globalisierung und Wirtschaftssprache 155
H2.2
Die Ausprägungen von „institutionellem Kollektivismus“ in den Briefen an die
Aktionäre spiegeln die Unterschiede zwischen den Heimatkulturen wider: Die
singapurischen Briefe haben die relativ höchsten Werte gefolgt von den
deutschen und den amerikanischen Briefen.
H2.3
Die Ausprägungen von „Unsicherheitsvermeidung“ in den Briefen an die Aktio-
näre spiegeln die Unterschiede zwischen den Heimatkulturen wider: Die
deutschen Briefe haben die relativ höchsten Werte gefolgt von den ameri-
kanischen und den singapurischen Briefen.
“We have to bear in mind however that the increasing uncertainty surrounding
global economics and politics can affect our business” (DaimlerChrysler 2002).
Globalisierung und Wirtschaftssprache 157
“Allianz has fundamentally changed its approach. We have our risks under control”
(Allianz 2005).
“The advantages of this lie in substantial cost savings based on use of the same
components worldwide across different segments” (Volkswagen 2003).
“We strive to offer our employees […] secure jobs” (Volkswagen 2007).
“To deliver this growth promise, our staff members pledged their commitment to
being supportive, proactive, open and thorough in all our customer interactions”
(United Overseas Bank 2003).
“Our staff will rally behind the Company in full support, as they have done so many
times before” (Singapore Airlines 2003).
“As we expand, our goal is to ensure that we leverage our people and our growing
economies of scale. While it is not going to be easy, we will strive as ‘One Bank,
One Team’ in all the countries that we are moving into” (DBS 2005).
“The long, hard work by thousands of people across the Singapore Airlines Group
[…] paid off” (Singapore Airlines 2007-2008).
Kollektivismus kommt dagegen in den deutschen Briefen so gut wie nicht vor,
nur vereinzelt wird das gemeinsame Durchhalten gewürdigt. Etwa:
“We will make our T a seal of quality representing both the services of the indivi-
dual divisions and the value of the group as a whole…We, the employees of
Deutsche Telekom, will do all we can do to achieve this goal” (Deutsche Telekom
2003).
“The business of 2003 also demonstrates the ability of the company as a whole to
carry out the decisions that were necessary to restore its competitiveness” (Allianz
2003).
In den Briefen an die Aktionäre der amerikanischen Firmen finden sich dagegen
keine kulturspezifischen Auffälligkeiten wenn Globalisierung erwähnt oder er-
läutert wurde. Diese kulturelle Neutralität bei den Dimensionen „Kollekti-
vismus“ und „Unsicherheitsvermeidung“ überrascht nicht und unterstützt die
Hypothesen. Denn immerhin liegen die USA hier zwischen Singapur und
Deutschland im relativen Mittelfeld, und die amerikanischen CEOs richten sich
ebenfalls an ihr heimatkulturelles Umfeld. Induktiv fällt daneben auf, dass die
amerikanischen CEOs sich ausdrücklich an die Anleger, also Eigentümer des
Unternehmens wenden:
“Your company turned in a strong performance…This made us once again the most
profitable company in the United States” (Exxon Mobil 2001).
“We never shy away from investing in your Company because we are pretty good
at it” (GE 2004).
“We apologized to our regulators for these matters and we also apologize to you,
our owners” (Citigroup 2004).
“We regret these losses to all our shareholders and thank you for your continued
faith in Citi’s Unparalleled franchise” (Citigroup 2007).
doch diese eigenen kulturellen Raster der Analyse selbst nur unzureichend be-
obachten. Diese und weitere methodische und analytische Probleme sind nur
durch weitere Forschung lösbar. Diese sollte (gemäß der Handlungstheorie)
aufdecken, wie das handelnde Subjekt (also die Führungskraft), dessen Selbst-
bild, Rollenselbstverständnis und Umweltbeobachtung für seine Kommunika-
tion handlungsrelevant werden.
Was aber bedeuten die bisherigen Ergebnisse für die Wirtschaftssprache und
die Praxis der Unternehmenskommunikation von und mit Vorständen? Einer-
seits möchte man ihnen raten „weiter so!“, denn in allen drei untersuchten
Ländern scheint sich diese Kommunikation erfolgreich am eigenen Kulturkreis
auszurichten und so verstanden zu werden. Das bedeutet aber auch, dass aus den
Konzernen keine Lösung erwartet werden kann für das (analytische wie norma-
tive) Bedeutungsvakuum hinter dem Begriff „Globalisierung“. Es wird so nie
ein globales Verständnis von Globalisierung geben. Dieses Vakuum droht dann
dysfunktional zu werden, wenn die weltwirtschaftliche und weltgesellschaft-
liche Verflechtung weiter voranschreitet.
Bislang liegt Deutschland im AT-Kearney-Ranking dieser Verflechtung nur
an 18. Stelle (Singapur an 1., die USA an 3. Stelle). Sobald Deutschland in die-
sem Ranking einen höheren Platz einnimmt, wird deutsche Unternehmens- und
Führungskräftekommunikation von immer mehr transkulturellen Zielgruppen
verstanden werden müssen. Dann wird es sich lohnen, vom kulturneutralen
Kommunikationsstil der Amerikaner zu lernen. Dies ist eine Entwicklung, die
im Alltag vieler Konzerne schon stattfindet und beispielsweise durch eine ge-
meinsame MBA- oder Business-School-Sozialisation von Managern gefördert
wird. Eine globalisierte Welt wird nicht immer amerikanischer (wie ideologi-
sche Globalisierungskritiker, beispielsweise Attac, gerne behaupten). Aber ame-
rikanische Unternehmenskommunikation ist globalisierungsfähiger, weil sie –
neben dem Englischen als lingua franca der Globalisierung – auch eine Aus-
drucksweise nutzt, die mit vielen Kulturen kompatibel ist.
Literatur
Dass einmal Suchmaschinen wie Google an die Stelle von Redaktionen treten
und Orientierung über das Internet bieten könnten, galt den meisten Journalisten
noch vor wenigen Jahren als unrealistisch (vgl. Neuberger 2000: 311). Heute
sind Suchmaschinen zugleich Partner und Konkurrenten für verlegerisch moti-
vierte Webangebote. Für die meisten Internetnutzer jedenfalls sind sie Orientie-
rungshilfe sowie Startpunkt jeder Recherche und Nutzung im Internet. „Aus
dem ‚mal schauen, was es gibt’ ist längst ein ,ich suche es heraus‘ geworden.
Der einstige Flaneur im Netz googelt heutzutage“ (Krug et al. 2005: 18ff.).
Online-Nutzer suchen gezielt nach Informationen, aber eben nicht ausschließ-
lich so, dass sie direkt bestimmte Online-Publikationen wie Spiegel Online,
Stern.de oder Handelsblatt.com ansteuern, sondern über eine Suchmaschine –
meistens Google – das Netz durchstöbern (vgl. Schweins 2008: 201ff.).
Jeder siebte Nutzer hat laut einer Studie des Marktforschungsinstituts
Internet World Stats keine Ahnung, was er machen würde, wenn es Google
plötzlich nicht mehr gäbe. 63 Prozent der Nutzer würden Google sehr vermis-
sen, 27 Prozent der Nutzer würde das Suchportal eher fehlen. 4,3 Prozent der
Online-Nutzer würden so lange warten, bis Google wieder verfügbar wäre (vgl.
Reischl 2008b: 13). „Macht das Internet doof?“ titelte im August 2008 der
Spiegel und zitierte Michael Crichton mit den Worten: „In der Informationsge-
sellschaft denkt keiner mehr nach. Wir erwarteten, dass wir Papier aus unserem
Leben verbannen, stattdessen haben wir die Gedanken verbannt“ (Hornig et al.
2008: 89). Journalisten treten im Ringen um Aufmerksamkeit und Relevanz
nicht mehr gegen andere Journalisten, PR-Abteilungen oder Privatleute an, son-
dern auch gegen Maschinen und mathematische Rechenformeln (vgl. Range/
Schweins 2007: 48ff.). Je besser eine Geschichte von Suchmaschinen gefunden
wird, desto häufiger wird sie gelesen. Im Gegensatz zum Rollenverhältnis von
Sender zu Empfänger, wie es etwa bei den klassischen Medien TV oder Print
der Fall ist, nehmen die Rezipienten bei der Internetnutzung aktiv Einfluss auf
die Programmgestaltung. Sie selektieren ihre Quellen und nutzen zu diesem
162 Christoph Moss und Roland Schweins
Für die meisten Internet-Nutzer sind Suchmaschinen der Startpunkt fast jeder
Recherche im Internet. Bei den Suchmaschinen dominiert Google inzwischen
den Markt. 1,4 Milliarden Menschen sind laut Internet World Stats im Netz,
rund 60 Prozent von ihnen verwenden zur Orientierung Google (vgl. Reischl
2008a: 13ff.). In Deutschland kommt Google auf einen Nutzungsanteil von rund
90 Prozent. Nur jeder zehnte Bundesbürger bedient sich Alternativen wie
Yahoo!, altavista oder Web.de. Das Unternehmen Microsoft misst dem Segment
„Suchmaschine“ eine solch hohe Bedeutung zu, dass es im Mai 2009 selbst ein
Suchportal startete – mit dem Namen Bing. Im Folgenden wird gezeigt, welchen
Stellenwert heute Suchmaschinen einnehmen, wie sich Redakteure und Leser an
das Instrument der Suchmaschine – vor allem Google – gewöhnen und wie sie
mit dem Instrument der Suchmaschine arbeiten, um Leser und somit relevante
Reichweiten zu erzielen.
Gleichgültig, ob nach Artikeln, nach Produkten oder örtlichen Adressen
gesucht wird: Für jede kommerzielle Site wird es immer wichtiger, in den
Suchmaschinen gefunden zu werden (vgl. Berlecon Research 2005: 5). Der im
Netz zu Berühmtheit gelangte Film Epic der amerikanischen Journalisten Robin
Sloan und Matt Thompson entwirft das düstere Szenario eines übermächtigen
Datenkraken, der – basierend auf Computer-Algorithmen und ganz ohne Redak-
Internet und Wirtschaftssprache 163
tion – aus dem Content, der im Netz verfügbar ist, ein individuell auf jeden
Nutzer abgestimmtes Informations- und Unterhaltungsprogramm liefert (vgl.
Sloan/Thompson 2004). Von Computern erstellte Nachrichten-Angebote sind
heute keine Utopie mehr. Angebote wie Google News etwa durchsuchen mehr
als 3500 journalistische Quellen, davon 700 deutschsprachige. Sie stellen daraus
eine Sammlung an Schlagzeilen zusammen (vgl. Range/Schweins 2007: 48f.).
Dies geschieht mithilfe von Such-Algorithmen, ohne dass Journalisten re-
daktionell in Themenauswahl und -gewichtung eingreifen würden. Durch eine
Nachrichtensuche im Internet umgeht der Anwender die Selektionsleistung der
Journalisten. Auch bei journalistischen Angeboten selbst kommen heute Tech-
nologien zum Einsatz, die der Gewichtung durch den Redakteur vorgreifen. Die
New York Times online etwa erkennt anhand der eindeutigen IP-Adresse des
Computers, wo sich ein Leser aufhält und bietet ihm via Geotagging eine
entsprechende Auswahl von Nachrichten an.
Auch deutsche Zeitungsverlage experimentieren mit einer Navigation über
Landkarten. Mit dem Start des Portals DerWesten.de Ende Oktober 2007 wurde
erstmals das Geotagging auf einer Zeitungswebsite eingeführt. Nachrichten,
Veranstaltungen und die Onlineaktivität anderer Nutzer werden direkt über
Landkarten angezeigt. So kann jeder Leser nach eigenen Auswahlkriterien er-
kennen, was gerade in seiner Umgebung passiert. Jedem Computer ist eindeutig
eine IP-Adresse zugewiesen. Auf diese Weise lässt sich erkennen, von wo ein
Leser das Internet ansteuert mit dem Effekt, dass der Rechner ihm vorwiegend
Artikel anzeigt, die für seinen Lebensmittelpunkt relevant sind – seien es Sport-
berichte, Gastro-Tipps oder lokale Nachrichten.
Ein weiterer Vorstoß, den der Suchmaschinenbetreiber Google zum Ärger
von Zeitungen und Verlegern gemacht hat, ist das Projekt Google News Archive.
Damit will Google alle Zeitungen der Welt online präsentieren. Das Angebot
erinnert stark an die E-Paper von Zeitungen. Nur: Es ist komplett durchsuchbar.
Künftig sollen diese Zeitungsseiten bei der üblichen Suche mit Google News
Archive versehen werden. Der Nutzer erhält online das richtige Layout der
Blätter, Anzeigen inklusive (vgl. Knüwer 2008).
Genau wie bei Google News werden Verleger und Redaktionen nicht darum
herumkommen zu kooperieren. Zeitungen verdienen ihre Margen im Anzeigen-
markt mit einem hohen Maß an Intransparenz. Ihre Verkaufsargumente von
Haptik, Zielgruppentreffsicherheit und Größe könnten spätestens mit Google
News Archive Search gnadenlos vergleichbar werden. Daran wird sich wohl
eine Diskussion um das Urheberrecht anschließen. Sie wird von dem Vorwurf
ausgehen, dass Google Inhalte verbreite, die geistiges Eigentum seien. Solche
Vorbehalte werden aber ebenso schnell verstummen wie im Jahr 2005, als
Google im Rahmen des Projektes Google Print ohne Genehmigung Bücher
164 Christoph Moss und Roland Schweins
digitalisierte und heftige Proteste bei Autoren und Verlegern auslöste. Viele
Zeitungshäuser mit schrumpfenden Auflagen werden schon bald neue
Einnahmequellen wittern, wenn sie mit dem Branchenriesen gemeinsame Sache
machen. Die Opportunitätskosten dürften für Verlagsmanager nur schwerlich
einzuschätzen und zu kalkulieren sein. Dazu kommt: Schon heute bringen die
meisten Archive den Verlagen kaum Einnahmen. Noch erzielen diese zumindest
über professionelle Datenbanken wie Genios nennenswerte Beträge. Doch auch
Anbieter wie Genios dürften mittelfristig erhebliche Probleme bekommen, wenn
ihr Kerngeschäft – das Vorhalten von Archivmaterial – im Netz quasi kostenfrei
erschließbar ist.
Dem Unternehmen Google Schmarotzertum vorzuwerfen, weil es sich bei
der automatischen Gewichtung von Suchergebnissen aus redaktionellen Beiträ-
gen speist, entspräche nur der halben Wahrheit. Zwar teilt Google seine Werbe-
einnahmen mit Ausnahme des neuen Projektes Google Archive nicht mit den
Verlagen. Eine Nennung bei Google News an prominenter Stelle wirkt sich aber
spürbar auf die Reichweite des betroffenen Nachrichten-Anbieters aus und
bringt daher Nutzer auf die Site, die ohne das Vehikel Google News möglicher-
weise niemals auf das Nachrichten-Portal aufmerksam geworden wären.
Spätestens seit der in den Jahren 2006 und 2007 von verschiedenen Verle-
gern ausgerufenen Online-Offensive geht diese Entwicklung sogar noch einen
Schritt weiter: Redaktionelle Angebote bewerben ihre Artikel bei Google – sie
kaufen Leser und damit Reichweiten ein. In der Praxis werden dazu so genannte
Google Adwords ersteigert mit relevanten Begriffen, die bei einem Suchvorgang
dazu führen, das inmitten der werblichen Google-Anzeigen auch Anzeigen ste-
hen, die für redaktionelle Artikel werben.
Es entsteht eine Art Arbitrage-Geschäft: Redaktionen werben für bestimmte
Begriffe wie Börse, Wirtschaft, Finanzkrise oder Kreditkonditionen. Dafür zah-
len sie pro Seitenbesuch (Visit) bei Google zwischen 6 und 15 Cent. Die daraus
erzielten, durchschnittlich bis zu fünf Klicks (Pageviews) veräußern sie dann auf
Basis deutlich höherer Tausenderkontaktpreise (zwischen 15 und 60 Euro) an
Werbetreibende weiter.
Nicht mehr der Inhalt steht im Vordergrund, sondern der Handel mit
Reichweiten. Schon vor zehn Jahren hieß es, Verlage müssten Community
Organizer und Redakteure müssten Content Manager werden (vgl. Schütz 2008:
33). Wer dabei die größten Budgets in Reichweiten und so genannte Google-
Optimierung investiert, der hat auch die größte Leserschar. Dieses Geschäft
uferte im Sommer 2008 dermaßen aus, dass etwa Süddeutsche-Chefredakteur
Hans-Jürgen Jakobs eine „Konvention über statthafte und unstatthafte Maßnah-
men für redaktionelle Suchmaschinenoptimierung“ forderte (vgl. Pimpl 2008:
29). Experten schätzen den Datenfluss, den Nachrichtenseiten über Google &
Internet und Wirtschaftssprache 165
Co. erzielen, auf inzwischen bis zu 50 Prozent. Als Vorreiter gilt Welt online.
Das Portal steigerte seine Zugriffe von September 2006 bis September 2008 von
weniger als 30 Millionen Pageviews auf rund 160 Millionen Pageviews (vgl.
IVW 2008). Das Phänomen ist nicht neu. Das Online-Angebot des Magazins
Wirtschaftswoche kaufte jahrelang Klicks und damit Leser beim Konkurrenten
Finanztreff.de ein. Ihm gleich tat es das öffentlich-rechtliche Angebot
boerse.ard.de (vgl. Range/Schweins 2007: 59f.).
Aus journalistischer Sicht werfen die automatisierten News-Sites und das
Gebaren redaktioneller Websites, Reichweiten und Klicks einzukaufen, große
Probleme auf. Insbesondere scheinen die Suchergebnisse nicht ausgewogen zu
sein. Je populärer Sites sind, desto weiter oben werden sie aufgelistet. Diese
Glaubwürdigkeit wird etwa durch die Anzahl der Links ermittelt, die auf die
entsprechende Site zeigen. Dadurch fällt es neuen oder kleinen Anbietern
schwer, auf einen der vorderen Plätze zu gelangen. Nischenanbieter geraten
durch diese Praxis ins Hintertreffen. Zudem erschließt sich dem unbedarften
Nutzer nicht, welche Probleme sich bei der Treffsicherheit der Ergebnislisten
ergeben (vgl. Röhle 2006: 2).
Angebote wie Google News leisten somit einer Vereinheitlichung der Top-
themen Vorschub: Eine populistische, massenkompatible Themenauswahl wird
belohnt. Nischenthemen und originelle Ansätze treten in den Hintergrund.
Informationen rücken aufgrund technischer Kriterien – also Aktualität und
Anzahl der Nennung auf verschiedenen Sites – und nicht aufgrund qualitativer
Kriterien in den Vordergrund. Technische Selektionsroutinen haben somit in
großen Teilen menschliche Entscheidungen abgelöst (vgl. Beiler/Zenker 2006:
4). Die Diskussion darüber ist noch nicht beendet. So argumentiert etwa
Christian Riedel, Chefredakteur von Chip Online, dass Suchmaschinen die
Nutzer liefern, die mit klaren Bedürfnissen auf die redaktionellen Seiten
gelangen; diese Besucher seien daher genau so wichtig wie die regelmäßigen
Leser (vgl. Pimpl, 2008: 29). Kritiker hingegen klagen, dass durch die Be-
schränkung auf mathematische Berechnungen Suchmaschinen den Niedergang
der Originalität in Stil, Sprache und Themenauswahl fördern (vgl. Range/
Schweins 2007: 50ff.).
Feuilletonistische Überschriften sind im Netz wenig gefragt. Ironische oder
witzige Vorspänne, die nicht direkt auf den Punkt kommen, fallen durchs
Raster. Beispielsweise ist Google News nicht in der Lage, eine Überschrift vom
Format „Entzauberter Hype“ dem Thema „Niedergang von virtuellen Online-
Communities“ zuzuordnen. Ebenso wenig wird eine Suchmaschine einen Nutzer
auf den Artikel „Angelas Fehler“ lenken, wenn dieser nach „Merkel und
Kilometerpauschale“ sucht. Eine aussagekräftige Headline kann demnach nur
lauten: „Kanzlerin Angela Merkel versagt bei der Neugestaltung der Kilometer-
166 Christoph Moss und Roland Schweins
Ziel der suchmaschinenoptimierten Schreibe ist es also, möglichst oft und pro-
minent auf automatisch generierten Nachrichten-Sites wie beispielsweise
Google News aufzutauchen.
„Unglaublich effizient“
http://www.bild.de/BILD/ratgeber/geld-karriere/2008/03/26/kinder-und-
karriere/frauen-in-die-chefetage.html
„Keine Kompromisse! So bringen Sie Kind und Job unter einen Hut.“
Aber es ist nicht die Überschrift allein, die aus einem Redakteur einen pro-
fessionellen Autor von suchmaschinenoptimierten Texten macht. So muss sein
Beitrag im Verhältnis zu den Bildern und Grafiken auf der Seite lang genug
sein. Der Google-Mechanismus – auch als Googlebot bezeichnet – soll diesen ja
als relevant einordnen und vernünftig auslesen können. Der textliche Anteil auf
der Seite sollte folglich überwiegen.
Über die optimale Keyword-Dichte streiten die Suchmaschinenoptimierer.
Einige raten zu einer Keyword-Dichte der wichtigsten Begriffe von einem bis
maximal drei Prozent im Textanteil. Andere gehen von zwei bis fünf Prozent
aus. Keywords sind in diesem Falle die Wörter, die auch ein Suchmaschinen-
benutzer in das Abfragefeld eintippt – er wird selten nach Börse suchen, sondern
eher nach Aktien. Weniger nach Vorstand, sondern vielmehr nach Chef. Bei
langen Texten wird empfohlen, jedes Keyword maximal zehnmal zu verwenden
– und ansonsten semantisch ähnliche Worte zu setzen.
Auch für die Aufbereitung von Bildern, die dem Text zugeordnet werden,
gibt es ganz klare Regeln. Da eine Suchmaschine auf die Bezeichnung und
Betitelung von Bildern anspringt, ist es wichtig, dass der Redakteur darauf
achtet, aussagekräftige Alternativtexte zu setzen – also die Texte, die als
kleines, gelbes Fenster aufgehen, wenn man mit der Maus über ein Bild fährt.
Die dazu gehörenden Attribute – so genannte Alt Tags – sollten nicht nur
sinnvoll gesetzt werden, sondern ebenfalls für den Text und Kontext wichtige
Keywords enthalten. Zudem sollten sie die Funktion des Bildes erklären. Das
168 Christoph Moss und Roland Schweins
Foto sollte im Regelfall kein Symbolbild sein, sondern eindeutig zum Inhalt
passen. Der Redakteur sollte dann noch idealerweise berücksichtigen, dass auch
die Schlüsselbegriffe, die er in Alternativtexten nennt, zur Keyword-Dichte
zählen.
Auch die technische Gestaltung und der unter einem redaktionellen Angebot
liegende sogenannte Quellcode sollten besonderen Anforderungen entsprechen,
um von Suchmaschinen gut ausgelesen werden zu können. Dazu werden so
genannte Meta-Tags eingesetzt. Sie beschreiben, worum es auf der eigenen
Website überhaupt geht. Ob die Meta-Tags in ausreichender Form vorhanden
sind, kann man etwa bei dem Portal www.seitwert.de prüfen. Auch hier gilt:
Nicht zu wenige und nicht zu viele der Deskriptionen einsetzen. Außerdem
müssen die Beschreibungen stimmig sein.
Wichtig ist somit, dass eine Webseite bereits im Programmiercode eine Be-
schreibung hat, die individuell genug ist, um sich von konkurrierenden Angebo-
ten abheben zu können, und die gleichzeitig den Inhalt der Seite widerspiegelt.
Die bisherigen Ausführungen haben eines bereits deutlich gezeigt: Wer sich für
die Entwicklung der deutschen Sprache interessiert, darf das Internet nicht igno-
rieren. Auch die Verfasser von Weblogs entwickeln eine eigene Sprache mit
spezifischen Darstellungsformen. Diese Blogs sind aufgrund ihrer einfach struk-
turierten Programmierweise von Suchmaschinen viel leichter zu erfassen als
komplexe Nachrichtenportale. Ein hoher Anteil der nicht redaktionell gebunde-
nen Blogger interpretiert die eigene Rolle inzwischen als journalistisch.
Auch wenn die meisten Blogger diesem Anspruch nicht gerecht werden, so
steht außer Zweifel, dass den klassischen Medien durch die neuen Darstellungs-
formen in der Masse der Angebote weitere Konkurrenz erwächst. Blogger ken-
nen im Regelfall weder den Aufbau einer klassischen Geschichte noch das
Zwei-Quellen-Prinzip. Dennoch schreiben sie täglich unverblümt ihre Eindrü-
cke und Gedanken nieder. Sie publizieren in einer Vielfalt und einem Umfang,
dass zahlreiche Recherchen im Netz im Aufruf der Angebote von Weblogs
münden. Redakteuren, Chefredakteuren und Verlegern wird ein Teil ihrer Macht
und Deutungshoheit genommen. Zahlreiche Einflüsse der Umgangssprache – im
Mitmachnetz ist ein jeder der Publizierende – greifen Platz. Im Zweifel wird ein
Suchender in Google eingeben „Pille“ und dann auf ein Blog stoßen, anstatt auf
einen redaktionellen Bericht über die neue Strategie von Apotheken. Der Grund:
Die Suchabfrage und die Laienberichterstattung liegen häufig enger zusammen
als Suchvorgang und redaktionelle Analyse.
Aus diesem Grund wurde an der International School of Management eine
Untersuchung zur Sprache der Weblogs durchgeführt. Sie ging von der Grund-
annahme aus, dass Blogs eine inhaltliche Ähnlichkeit zu journalistischen Kom-
mentaren aufweisen. Oft scheinen sie dieselbe, aufklärende Funktion zu haben
Internet und Wirtschaftssprache 171
wie der gedruckte Leitartikel eines Chefredakteurs. Die Studie sollte somit
sprachliche Unterschiede zwischen Weblogs und journalistischen Kommentaren
in Zeitungen und Zeitschriften herausfiltern.1
Weblogs sind zunächst Online-Tagebücher. Sie können aber darüber hinaus
weitergehende Funktionen einnehmen. Diese Art des persönlichen Publizierens
ist in Deutschland sehr populär geworden. Einige Blogs erreichen mehr als
100.000 Seitenabrufe im Monat. Das Verhältnis zwischen Weblogs und Journa-
lismus ist angespannt. So befragte News aktuell, eine Tochtergesellschaft der
Deutschen Presseagentur, knapp 1200 Journalisten zu ihrer Einstellung im
Mitmach-Netz. Ergebnis: Nur jeder dritte Mitarbeiter einer Redaktion hielt das
interaktive Netz für journalistisch relevant (vgl. Moss 2007: 9). Neue Kommu-
nikationsformen spielen im Redaktionsalltag kaum eine Rolle. Die Idee der
Blogs lässt die meisten Redakteure weitgehend unberührt. 87 Prozent der Be-
fragten gaben an, nicht in einem Weblog zu kommentieren. Auch als Quelle
oder als Hilfe bei der journalistischen Themenfindung nutzten die befragten
Journalisten das Weblog kaum.
Christoph Neuberger, Christian Nuernbergk und Melanie Rischke haben
mehrere Studien zu Weblogs und Journalismus ausgewertet. Ihr Fazit klingt
wenig schmeichelhaft für die Internet-Autoren: „Blogger sind auch in ihrer
Gesamtheit kaum in der Lage, kontinuierlich, thematisch universell und aktuell
zu berichten und vor allem zu recherchieren“ (Neuberger et al. 2007: 110). Es
gebe also keine Konkurrenz zwischen Weblogs und professionellem Journalis-
mus, sondern viel mehr eine „komplementäre Beziehung“ (Neuberger et al.
2007: 110). Besonders hart geht Siegfried Weischenberg mit den Bloggern ins
Gericht: „Bei der Beobachtung der (deutschen) Szene fällt zunächst auf, dass
eine nicht unwichtige Gruppe unter den Bloggern nichts anderes tut, als sich an
den herkömmlichen Medien und seinem Journalismus, den sie unterirdisch
findet, abzuarbeiten; dies sind die neuen Medienkritiker. Als Büchsenspanner
der Szene wirken dabei einige Journalisten, die hier mit einem gewissen Guru-
Appeal ein bisschen ‚off the record’ aus ihrem aufregenden Berufsleben plau-
dern und ansonsten einen Teil ihres kommunikativen Adrenalins ausschütten,
und zwar sehr bewusst. Einer von ihnen sagt, dass er bei seiner Zeitung mit dem
Florett unterwegs sei und in seinem Blog schon mal, wörtlich, ,die Stalinorgel’
benutze. Ein anderer, der inzwischen so etwas wie Kultstatus in der
,Blogosphäre’ erlangt hat, sieht die Blogs ebenfalls als Waffe; bei ihm ist es
aber die Kalaschnikow“ (Weischenberg 2008).
1 Die zentralen Ergebnisse dieser Studie sind als Discussion Paper an der International School of Management
veröffentlicht worden (vgl. Moss 2008).
172 Christoph Moss und Roland Schweins
4 Studie zu Weblogs
Ziel der Untersuchung war es, einen Beitrag zur Diskussion zu leisten, ob sich
Weblogs durch sprachliche Besonderheiten auszeichnen. Für die Studie
„Sprachliche Merkmale von Weblogs“ wurden 500 Weblogs verglichen mit 500
journalistischen Zeitungs- und Zeitschriftenkommentaren. Grundlage für die
Auswahl der Blogs war das Ranking in den „Deutschen Blogcharts“ vom 3. Ok-
tober 2007. Dieses Ranking erscheint einmal pro Woche. Es wertet aus, wie oft
in den sechs Monaten zuvor ein Link auf einen bestimmten Blog gesetzt wurde.
Dieses Kriterium gilt als Ausweis der Popularität eines Weblog-Anbieters. Die
„Deutschen Blogcharts“ beziehen sich auf Zahlen der Internet-Suchmaschine
Technorati.
Ausgewertet wurden je fünfzig Texte der zehn erstplatzierten Anbieter. Die-
se Texte waren bis zum Termin 3. Oktober 2007 erschienen. Folgende Weblogs
wurden untersucht: Bildblog, Spreeblick, Law Blog, Stefan Niggemeier, Netzpo-
litik.org, Indiskretion Ehrensache, Software Guide, Werbeblogger, Blogbar und
Dataloo. Zusätzlich wurden Informationen zur Herkunft der Blog-Autoren zu-
sammengetragen. Verglichen wurden die Weblog-Texte mit journalistischen
Kommentaren aus zehn deutschsprachigen Leitmedien. Auch diese Texte waren
bis zum 3. Oktober erschienen. Pro Medium wurden analog zur Anzahl der
Blogs jeweils fünfzig Texte ausgewertet. Kommentare, Leitartikel und Editori-
als dieser Medien flossen in die Untersuchung ein: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Handelsblatt, Der Tagesspiegel,
Frankfurter Rundschau, TAZ Nord, Die Zeit, Wirtschaftswoche sowie Der Spie-
gel. Untersucht wurden die reinen Textanteile ohne Überschriften. Gerade Web-
logs leben davon, dass Nutzer die gelesenen Texte mit eigenen Kommentierun-
gen versehen. Diese Einträge wurden nicht gewertet. Erfasst wurden folgende
Merkmale:
1. Aus wievielen Wörtern besteht der Text? Damit sollte die Grundge-
samtheit abgesteckt werden.
2. Wieviele Anglizismen beinhaltet der Text? Anglizismen sind Wörter,
die einen englischsprachigen Ursprung haben (zum Beispiel Outsour-
cing oder Handy). Dies muss nicht bedeuten, dass diese Begriffe in der
deutschen Sprache demselben Sinn entsprechend verwendet werden
wie in der englischen.
3. Wie oft verwenden die Texte ein Fragezeichen? Eine solche Erfassung
kann Hinweise auf die Stilistik geben.
4. Wie oft tauchen Ausrufezeichen in den Texten auf? Ausrufezeichen
können ein Hinweis auf eine bestimmte Motivation des Autors sein,
den eigenen Aussagen ein zusätzliches Gewicht zu geben.
Internet und Wirtschaftssprache 173
5. Wie oft wird das Wort ich benutzt? Die Verwendung des ich ist Aus-
druck einer bestimmten Stilistik. Der Autor, so die Vermutung, gibt der
eigenen Persönlichkeit ein stärkeres Gewicht, als wenn er auf die aus-
drückliche Verwendung des ich verzichtet.
6. Wie oft wird der Begriff mir verwendet? Mir ist ein Reflexivpronomen.
Es ist ein Fürwort, das Rückbezug nimmt. In diesem Fall nimmt das
Reflexivpronomen Bezug auf die Person des Verfassers. Auch hier las-
sen sich also Hinweise erkennen, ob der Autor die eigene Person wich-
tiger einschätzt im Vergleich zu einem Verfasser, der auf das mir ver-
zichtet.
7. Wie oft wird das Wort mich gezählt? Mich ist ebenfalls ein Reflexiv-
pronomen. Es ist ein Fürwort, das Rückbezug nimmt. In diesem Fall
nimmt das Reflexivpronomen Bezug auf die Person des Verfassers.
Auch hier lassen sich also Hinweise erkennen, ob der Autor die eigene
Person wichtiger einschätzt im Vergleich zu einem Verfasser, der auf
das mich verzichtet.
8. Wie oft wird der Begriff mein benutzt? Das mein ist ein Possessivpro-
nomen. Es ist ein Fürwort, das einen Besitz anzeigt. In diesem Fall
handelt es sich um den Besitz des Autors. Auch das Wort mein liefert
damit Hinweise darauf, ob der Verfasser die eigene Person wichtiger
einschätzt als ein Autor, der auf das mein verzichtet.
Insgesamt wurden mehr als 350.000 Wörter erfasst. Folgende zentralen Er-
kenntnisse lassen sich gewinnen (vgl. Tabelle 1 und 2):
x Die Texte in den Zeitungskommentaren sind im Durchschnitt etwa
doppelt so lang sind wie die untersuchten Blogeinträge.
x Blogger verwenden besonders gern Begriffe englischer Herkunft – sta-
tistisch gesehen viermal so häufig wie Verfasser von gedruckten
Kommentaren. Pro Blog-Eintrag werden damit im Schnitt mehr als
acht solcher Anglizismen gezählt.
x Fragezeichen als stilistisches Mittel finden traditionell Anwendung im
Journalismus und – wie die Studie zeigt – auch in Weblogs. Die unter-
suchten Texte weisen keine auffälligen Unterschiede auf.
x Blogger neigen dazu, die Wichtigkeit ihrer Aussagen nachdrücklich zu
betonen. Nahezu doppelt so oft wie Journalisten von Zeitungen oder
Zeitschriften unterstreichen sie ihre Feststellungen mit einem Ausrufe-
zeichen.
174 Christoph Moss und Roland Schweins
Gesamt 123 215 4 080 581 229 1 111 203 178 296
1. FAZ 39 231 58 81 3 1 1 0 1
2. Süddeutsche Zeitung 38 743 67 66 8 5 1 2 0
3. Die Welt 11 950 70 31 1 1 0 0 0
4. Handelsblatt 22 003 168 55 2 1 0 0 0
5. Der Tagesspiegel 18 288 62 72 12 8 4 3 2
Frankfurter
6. Rundschau 11 452 37 25 5 0 0 0 0
7. TAZ Nord 24 879 113 76 34 99 17 22 4
8. Die Zeit 39 409 31 181 22 5 1 1 9
9. Wirtschaftswoche 25 524 415 83 29 11 9 3 2
10. Der Spiegel 6 614 25 12 1 7 0 0 2
Wer ein Weblog verfasst, stellt gern die eigene Person in den Vordergrund.
Mehr als achtmal so häufig wie in einem vergleichbaren journalistischen Text
taucht in Blogs das Wort ich auf. Verwandte Begriffe wie mir, mich und mein
weisen eine ähnliche Tendenz auf. Hinzu kommt ein Hang, die eigenen Aus-
sagen mit einem Ausrufezeichen zu versehen. Diese Ich-Bezogenheit liegt in der
Natur der Weblogs, die zunächst als Internet-Tagebücher definiert sind. Und in
jedem Tagebuch spielt das Ich des Schreibers eine herausragende Rolle. Im
Journalismus dagegen gilt es traditionell als unfein und als stillos, die Person
des Autors in den Mittelpunkt zu rücken. Der Journalist soll kommentieren,
einordnen und informieren. Aber er soll sich selbst als Persönlichkeit zurück-
nehmen. Das Wort ich soll er dabei vermeiden – ähnlich übrigens wie das Aus-
rufezeichen. So lernen es Journalistenschüler seit Generationen.
Auffallend allerdings ist der Hang, Anglizismen zu verwenden. Dies dürfte
mit den Inhalten der Texte zusammenhängen. Sie sind sehr häufig technisch
geprägt und drehen sich oft um den Schwerpunkt Internet und Medien. Dies
begründet sich dadurch, dass weitaus mehr technikaffine Menschen ein Weblog
führen als Menschen, die sich für andere Themen begeistern – ein Trend, der in
176 Christoph Moss und Roland Schweins
den kommenden Monaten und Jahren rückläufig sein dürfte, weil das Internet
zum selbstverständlichen Medium auch für Menschen wird, die nicht technik-
affin sind.
Die erfolgreichsten Blogger in Deutschland jedenfalls sind professionelle
Kommunikatoren. Anders als vielfach wahrgenommen, sind zumindest die
erfolgreichen Verfasser von Weblogs nahezu ausnahmslos Berufsautoren aus
Journalismus, Public Relations, Werbung oder Informationstechnologie. Die
Studie zeigt, dass sie eine eigene Stilform entwickeln. Es gibt kommentierende
Blogs, die mit dem journalistischen Kommentar gleichgesetzt werden können.
Aber es gibt auch Weblogs, die eher einer Kurzgeschichte ähneln. Mit Journalis-
mus haben diese Beiträge nichts zu tun.
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178 Christoph Moss und Roland Schweins
„Wenn etwas leicht zu lesen ist, dann war es schwer zu schreiben.“ (Enrique Jard,
albanischer Schriftsteller)
Ich besuche den Pressesprecher eines Unternehmens. Vor Beginn der Unterre-
dung bittet er mich um etwas Geduld. Er habe gerade auf einem Zettel eine
wichtige Mitteilung von seinem Geschäftsführer erhalten, die aber „nicht so
ganz klar“ sei. Nach sieben Minuten kommt er zurück. Sein Kommentar zu der
Mitteilung: „Das soll nun ein Mensch verstehen …!“
Ich habe mich nach dem Gespräch gefragt, was wohl das Unternehmen
sieben Minuten eines Top-Managers und seines Gesprächspartners kosten.
Kommunikationsstörungen dieser Art sind nicht selten. So berichtet die Braun-
schweiger Zeitung vom 10.3.2004 über die Bilanzpressekonferenz der Volks-
wagen AG. Da ist von indirektem Personal und positiver Netto-Liquidität die
Rede. Die „versammelte Weltpresse“ rätselt. Der Vorstandsvorsitzende sieht
sich schließlich genötigt, die Lösung dieser und anderer Journalisten- und
Aktionärsfragen zur Chefsache zu machen.
Sprache wird, wenn sie überhaupt ins Blickfeld gerät, geringschätzig den soft
factors zugeordnet. Ihr kommt höchstens eine „Enabling-Funktion“ zu. Die
Sprache ist kein Werttreiber; sie ist ein Nice to have, aber in keinem
Kommunikations-Controlling bilanziert, in keine Balanced Scorecard oder gar
Communications-Scorecard einbezogen. Und sie ist auch nicht Gegenstand von
Change Management oder Total Quality Management. Wie lässt sich diese
Geringschätzung der Sprache erklären?
Ich habe den Eindruck, dass sich niemand betroffen fühlt. Die Autoren
unverständlicher Texte sind allesamt der festen Überzeugung: „So würde ich nie
schreiben.“ Diese Einstellung ist gut nachvollziehbar. Jeder, der spricht oder
schreibt, geht davon aus, dass er gut verständlich kommuniziert. Warum? Er
Technik und Wirtschaftssprache 181
hält sich für hinreichend intelligent, und außerdem hat er in der Schule Deutsch
gelernt. Außerdem hat seine Sprachkompetenz (soweit bekannt) in der Vergan-
genheit keine größeren „Betriebsunfälle“ verursacht. Diese Argumente gelten
für ihn, selbst wenn alle oben geschilderten Tatsachen und die Hilferufe der
Medien dokumentieren, dass die angenommenen Qualifikationen offensichtlich
nicht ausreichen.
Autoren, die so argumentieren, verkennen, dass sie ohne Überprüfung gar
nicht wissen können, ob ihre Leser verstanden haben oder besser, inwieweit sie
verstanden haben. In unseren empirischen Untersuchungen gab es Versuchsper-
sonen, die fest davon überzeugt waren, einen Text gut verstanden zu haben, sie
waren allerdings einem „Pseudoverstehen“ aufgesessen (vgl. Zimmermann
1992). Eine Überprüfung des Verstehens findet zumeist nicht statt, weil die Hö-
rer und Leser solcher Texte sich hüten einzugestehen, dass sie nicht verstanden
haben. Denn Nicht-Verstehen wird in unserer Gesellschaft mit einem Mangel an
Intelligenz assoziiert und mit Geringschätzung geahndet. Ein wichtiger Grund
für die Vernachlässigung sprachlicher Qualitäten ist sicher auch, dass der
Schreibprozess häufig nicht als Bestandteil der Fachkompetenz angesehen wird,
sondern als lästiges Additum, das zudem noch Mühe bereitet (vgl. Schmalen
1989: 27).
Die landläufige Meinung zum Vorgang des Verstehens besagt: der Inhalt des
Textes wird vom Empfänger so, wie der Sender ihn geschickt hat, aufgenom-
men und automatisch im Gedächtnis abgelegt. So wie eine Datei auf der
Festplatte eines Rechners. Das ist die sogenannte „Paket-Metapher“ von Kom-
munikation: ein Informationspaket wird vom Sender zum Empfänger geschickt
und von diesem unverändert aufgenommen. Diese Vorstellung ist korrekturbe-
dürftig: Wir können eine Botschaft nur aufnehmen, wenn unser Gedächtnis da-
rauf vorbereitet ist, das heißt wenn wir über ein bestimmtes Sprach- und Welt-
wissen verfügen, das es uns erlaubt, die Botschaft „einzuverleiben“. Inwieweit
das der Fall ist, können Sie anhand des folgenden Textes selbst überprüfen:
Den Text haben Sie nur verstanden, weil Sie in Ihrem Gedächtnis Schemata von
Wörtern und Wortfolgen gespeichert haben, die Sie konstruktiv mit dem verbin-
den konnten, was auf dem Papier steht. Der Text für sich genommen ist unver-
ständlich. Wir nehmen also einen Text nie als solchen auf und nicht so, wie er
vom Sender gemeint war, sondern so, wie wir ihn aufgrund unseres Vorwissens,
unserer Interessen, Ziele und Strategien (re-)konstruiert haben. Also immer ganz
individuell und damit natürlich auch Irrtümern, Missverständnissen und Täu-
182 Günther Zimmermann
zerstört (vgl. Nickl 2001: 7). Schwerverständlichkeit gilt als ein besonderes
Merkmal technischer Texte, weil diese
x fachsprachlich geprägt sind (wenn auch mit gleitenden Übergängen zur
Gemeinsprache),
x eine zunehmende Komplexität unserer technologischen Zivilisation
auch sprachlich bewältigen müssen und
x bei der Vermittlung mit der Problematik einer Experten-Laien-Kom-
munikation konfrontiert sind. Das Wissen der Experten ist nämlich in
fachspezifischen Kategorien geordnet, und es kann deshalb schwer
fallen, dieses Wissen in laienverständliche Kategorien zu transfor-
mieren und aus Praxiskontexten heraus neu zu strukturieren (vgl.
Bromme 1992).
Deshalb haben etwa Sprachwissenschaftler vorgeschlagen, den Anwendern in
den Betrieben Expertenwissen nicht in Reinform zu vermitteln, sondern von den
Bedarfen und Problemlösungserwartungen der Praxis her einzubringen. Dieses
Wissen sollte als eine Hilfe zur Selbsthilfe vermittelt werden (vgl.
Schmitt/Heidtmann 2005).
In den Medien werden als Beleg für die These der Schwerverständlichkeit
häufig belustigende Texte südostasiatischer Provenienz angeführt. Solche Texte
sind allerdings mittlerweile eher die Ausnahme und daher weniger proble-
matisch. Die eigentlichen „Corpora delicti“ sind die von deutschen Autoren
verfassten Informationen und Instruktionen. Also Beispiele wie diese:
Anmerkung: Metallteile, die von aktiven Metallteilen durch mit dem Schutzleiter
verbundene Metallteile, und Metallteile, die von aktiven Metallteilen durch
doppelte Isolierung oder verstärkte Isolierung getrennt sind, gelten im Sinne dieser
Anforderung nicht als Teile, die im Falle eines Fehlers der Isolierung unter
Spannung stehen können (aus der Europanorm EN 60598).
Der Wortschatz
genannt (vgl. Schmalen 1989). Solche Ausdrücke sind häufig auch mehrdeutig:
ESP ist nicht nur ein elektronisches Stabilitätsprogramm für Kraftfahrzeuge,
sondern auch eine Zweizonen-Klima-Automatik (von Fiat), aber auch eine Anti-
schock-Funktion bei CD-Playern und ein Encapsulating Security Payload zur
Sicherstellung von Authentisierung, Integrität und Vertraulichkeit von IP-Pake-
ten (Internet Protocol Datagram). Ein solches Beispiel einer Bezeichnung, die
unterschiedliche Begriffe wiedergibt, ist technikwidrig, wenn es zutrifft, dass
„die Technik die Sprache zur festen Konvention drängt, zur Eindeutigkeit ...“
(Korn 2002: 4). Solche Benennungen konterkarieren damit auch alle Bemühun-
gen der Normenvereinigungen und Normenausschüsse, die Sprache so eindeutig
zu machen, dass einem Begriff nur eine Bezeichnung zugeordnet ist.
Der Satzbau
Fachsprachen besitzen keine spezielle Syntax; sie bedienen sich der gemein-
sprachlichen syntaktischen Mittel, allerdings in einer spezifischen Verteilung.
Es scheinen folgende Tendenzen in der kommunikativen Funktion zu gelten
(vgl. von Hahn 1983: 111):
x Anonymisierung
x Spezifizierung
x Komprimierung
x Passivierung
Anonymisierung bedeutet, dass Personalformen wie ich umgangen werden. Die
Spezifizierung äußert sich in Adverbialbestimmungen und Präpositionen wie
einigermaßen, angesichts, im Hinblick auf. Komprimierung oder Ausdrucks-
ökonomie sind häufig verbunden mit einer hohen Informationsdichte. Ein Bei-
spiel sind Nominalisierungen (bei Einsatz von mit Elektroniktools bestückten
Sicherungssystemen). Mit solchen Methoden kann man viel Information in ei-
nem Satz unterbringen; er wird dann aber schwerer verständlich. Satzger (1999:
76) sieht in dem undifferenzierten Streben nach Kürze und der daraus folgenden
sprachlich zu dichten Informationspräsentation „eine der entscheidenden Ursa-
chen für Unzulänglichkeiten von Bedienungsanleitungen“. In die Kategorie
„Ausdrucksökonomie“ gehören auch die Anweisungs-Infinitive: Frischwasser-
behälter füllen (statt Füllen Sie den Frischwasserbehälter). So überrascht es
nicht, dass 15,4 Prozent aller Sätze in technischen Texten Ellipsen (also unvoll-
ständige Sätze) sind (Hartung 1992, zit. in Nickl 2001: 33). Dementsprechend
werden ausführliche Anweisungen durch Kurzformulierungen ersetzt.
186 Günther Zimmermann
Statt:
Achtung: Berühren Sie bitte nicht blanke, Strom führende Kabel. Die
Lamellensicherungen einer Steckdose dürfen Sie nur auswechseln, wenn der
Netzschalter aus ist.
Zum Beispiel:
Achtung!
Blanke, Strom führende Kabel nicht berühren!
Vor Auswechseln der Lamellensicherungen einer Steckdose: Netzschalter auf
Aus!
Die Satzlänge
Der Satz enthält nur neun Wörter, ist aber (wegen der hohen Informationsdichte
und Schachtelsatzstruktur) schwer verständlich. Von Bedeutung ist auch, wie
gut verständlich der Wortschatz ist, wie umfangreich das Vorwissen und wie
groß das Lese-Interesse und die Lesegeübtheit. Schließlich können längere
Sätze gut verständlich sein, wenn sie Aufzählungscharakter haben, gut geglie-
dert sind oder die Nebensätze in einer logischen Abfolge stehen und keine
Schachtelsatzstruktur aufweisen.
Die Satz-Komplexität
Die folgende Satzkarikatur ist in gewissem Sinne typisch für die Tendenz der
deutschen Sprache zum „Schachtelsatz“.
Der,
der den,
der den Pfahl,
der auf dem Weg nach Braunschweig stand,
umgeworfen hat,
anzeigt,
erhält eine Belohnung.
188 Günther Zimmermann
Diesen Satzbau hat schon vor über 100 Jahren Mark Twain in seiner Schrift A
Connecticut Yankee in King Arthur's Court persifliert: „Whenever the literary
German dives into a sentence, that is the last you are going to see of him till he
emerges on the other side of his Atlantic, with his verb in his mouth.“ Ein
Beispiel für eine solche Verbalklammer in technischen Texten:
Der Einschub von bei Eingabe bis beim linearen Auslesen umfasst 15 Wörter
mit einer hohen Informationsdichte, die das Kurzzeitgedächtnis übermäßig be-
lasten. Dabei lassen sich Schachtelsatzstrukturen relativ leicht vermeiden, ohne
den Inhalt substanziell zu verändern:
Wird bei der Diagnose der Einparkhilfe beim Auslesen der Messwerteblöcke 1 und
2 (Sensorabstand) immer der Wert 453 cm angezeigt, unabhängig vom tatsäch-
lichen Abstand zum Hindernis, so ist die Diagnose mit dem Testgerät 2318
durchzuführen oder auf dem 1332-Tester die aktuelle Softwareversion zu
installieren.
Der Textaufbau
Intuitiv könnte man annehmen, dass ein einfacher Wortschatz die wichtigste
Eigenschaft gut verständlicher Texte sei. Und so beschränken sich auch viele
populäre Ratgeber auf den Wortschatz. Das Thema „Verständlichkeit der Spra-
Technik und Wirtschaftssprache 189
che“ reduziert sich dann zum Beispiel auf Corporate Wording (vgl. Sauer 2002:
40ff.). Und wenn Experten aufgefordert werden, ihre Texte leichter verständlich
zu formulieren, tun das 84 Prozent im Bereich „Einfachheit“, das heißt sie er-
setzen zum Beispiel Fachausdrücke durch leichter verständliche Bezeichnungen.
Sie ändern aber nicht die Struktur ihres Textes (vgl. Jucks 2001: 223).
Untersuchungen zeigen hingegen, dass die Textstruktur die für die Verständ-
lichkeit eines Textes wichtigste Dimension ist (vgl. Christmann/Groeben 1996).
Dementsprechend gehört „das Stiften von Kohärenz [Sinnzusammenhang] zu
den anspruchsvollsten Geschäften der Textproduktion“ (Bachmann 2002: 103).
Das leuchtet unmittelbar ein, denn wenn ein Text voller Gedankensprünge und
kein roter Faden zu erkennen ist, „geht alles durcheinander“, und es fällt
schwer, die Botschaft zu verstehen. Ein guter Textaufbau zeigt sich einerseits im
Sinnzusammenhang des Textes (der Kohärenz) und andererseits in der äußeren
Gestalt, dem Layout, das den Sinnzusammenhang „nach außen“ komplettiert.
In der Sprachwissenschaft wird unterschieden zwischen einer globalen und
einer lokalen Kohärenz. Die globale Kohärenz bezieht sich auf den Gesamtauf-
bau des Textes. Ergeben also die Hauptüberschrift und die Zwischenüber-
schriften und Unterüberschriften vertikal ein sinnvolles Ganzes?
Ein anderer Aspekt der globalen Kohärenz ist die Superstruktur des Textes.
Bei der Textsorte „Kochrezept“ zum Beispiel finden wir fast immer die
Aufteilung in die Aufzählung der Zutaten und anschließend die Herstellungsan-
weisungen. Diese Aufteilung, die unabhängig vom Inhalt eines Textes gilt, ist
die Superstruktur der Textsorte. Bei der Textsorte „Brief“ haben wir die Super-
struktur Anrede – Inhaltsteil – Abrede. Die Superstruktur ist also eine Art
„Platzanweisungsvorschrift“: An dieser Stelle wird – unabhängig vom Inhalt –
folgende Information platziert. Und bei einer bestimmten Textsorte erwarten wir
auch an einer bestimmten Stelle eine bestimmte Information. Wenn wir zum
Beispiel eine Überschrift „Restaurantbesuch“ lesen, erwarten wir eine bestimm-
te Reihenfolge der Abläufe, zum Beispiel Eintreten – Zuweisung eines Platzes –
Übergabe der Speisenkarte usw. Und beim Einbau eines Bauteils erwarten wir
eine bestimmte sach- und handlungslogische Reihenfolge.
Die lokale Verknüpfung des Textes fragt danach, ob ein Satz logisch an den
vorhergehenden anschließt. Ist der rote Faden der Gedankenführung von einem
Satz zum folgenden sichtbar? Von einem Absatz zum nächsten? Oder gibt es
Gedankensprünge, so dass die Kohärenz nicht mehr gewährleistet ist? Ein
Beispiel für lokale Kohärenz (aus dem Tagesspiegel vom 8. April 2006):
Weil der Markt in Deutschland annähernd gesättigt ist, erwägt das Unternehmen die
Expansion ins Ausland. Hier sieht der Printus-Chef kein großes Potential mehr:
Etwas intensiver wird in Offenburg derzeit jedoch über die Option der Auslands-
expansion nachgedacht.
190 Günther Zimmermann
Das Wort Ausland am Ende des ersten Satzes lässt erwarten, dass sich das Wort
hier zu Beginn des zweiten Satzes auf Ausland bezieht. Gemeint ist aber in
Deutschland. Wieso – fragt sich der Leser – erwägt die Firma die Expansion ins
Ausland, wenn sie hier (also im Ausland) kein großes Potential mehr sieht? Die
Verwirrung wird durch die Konjunktion jedoch im Folgesatz noch verstärkt:
Wenn sich hier auf Deutschland bezöge, müsste die Konjunktion deshalb (als
Begründung) folgen. Eine leichter verständliche Version könnte zum Beispiel so
lauten:
Weil der Markt in Deutschland annähernd gesättigt ist, erwägt das Unternehmen die
Expansion ins Ausland. Hier in Deutschland sieht der Printus-Chef kein großes
Potential mehr. Etwas intensiver wird in Offenburg deshalb über die Option der
Auslandsexpansion nachgedacht.
Wir gingen in den Zoo. Es waren große Affen im Käfig. Mein Onkel war auch
dabei.
Ich habe mich für drei Jahre zu den Soldaten verpflichtet. Jetzt werde ich Vater.
Kann ich das noch rückgängig machen?
Die beiden Sätze zeigen, dass zum „Sinnzusammenhang“ auch eine anwender-
freundliche Anordnung von Sätzen oder Teilsätzen gehört. Eine ablaufwidrige
Anordnung kann in technischen Texten gravierende Folgen haben:
Drücken sie „ESC“, wenn Sie das Programm verlassen möchten, ohne Ihre Daten
zu speichern.
Es gibt Anwender, die einen Satz nicht bis zum Ende lesen, sondern nur so weit,
wie sie glauben, dass sie die gelesene Instruktion verstanden haben (im vorlie-
genden Fall bis verlassen möchten). Wenn nun Informationen, die für die Aus-
führung der Instruktion wichtig sind (ohne Ihre Daten zu speichern), erst später
folgen, kann das unangenehme Konsequenzen haben. Der vorliegende Satz
sollte daher besser so lauten:
Wenn Sie das Programm verlassen möchten, ohne Ihre Daten zu speichern, drücken
Sie „ESC“.
1. Das Melbos-Gerät für die elektrische Anlage ist mit einem Fehlerspeicher
ausgestattet.
2. Treten Störungen in den überwachten Bauteilen auf, werden diese mit Angabe
der Fehlerart im Fehlerspeicher gespeichert.
3. Die Ausgabe der abgespeicherten Fehler erfolgt nach Einleitung der
Fehleranzeige Seite 7.
4. Dieser Fehlerspeicher muss nach der Fehlerbeseitigung gelöscht werden.
5. Fehler wie zeitweise auftretende Leitungsunterbrechungen oder
Wackelkontakte werden wie folgt gespeichert und angezeigt: …
Lokale Kohärenz: Satz 1 endet mit der Phrase mit einem Fehlerspeicher aus-
gestattet. Das Schema „Fehlerspeicher“ generiert die Erwartung, im Folgesatz
werde eine Aussage zum Thema „Fehlerspeicher“ folgen. Tatsächlich aber be-
ginnt der Folgesatz mit Störungen in den überwachten Bauteilen. In einem
solchen Fall ist der Leser gezwungen, eine Kohärenz selbst herzustellen, und
zwar über Zusatzgedanken, mit denen er versucht, doch noch einen Sinnzu-
sammenhang herzustellen, zum Beispiel: Bauteile werden überwacht, und wenn
Störungen auftreten, werden diese in einem Fehlerspeicher abgelegt. Diese
Informationen folgen aber erst am Ende des zweiten Satzes. Das Wort diese in
Satz 2 bezieht sich auf Bauteile; gemeint sind allerdings die Störungen. Hier
muss der Leser erst durch Suchprozesse im Text den richtigen Sinnzusam-
menhang herstellen.
Satz 3 weist einige Eigenschaften auf, die das Verständnis erschweren
können: Er ist im Nominalstil geschrieben: die Ausgabe erfolgt nach Einleitung
der Fehleranzeige. Die Abfolge der Satzteile ist „verkehrt“: Tatsächlich wird
erst die Fehleranzeige eingeleitet und dann werden die Fehler ausgegeben. In
Satz 4 ist das Wort dieser unangemessen. Von einem Fehlerspeicher war in Satz
3 ja nicht die Rede. Hier liegt also ein weiterer Kohärenzmangel vor.
Globale Kohärenz: Satz 5 ist falsch platziert: Dort geht es um Speicherung.
Die kann nicht erst nach Löschen des Fehlerspeichers behandelt werden. Satz 5
ist zwischen 2 und 3 anzuordnen. Der Gesamttext könnte verbessert so lauten:
1. Das Melbos-Gerät für die elektrische Anlage ist mit einem Fehler-
speicher ausgestattet.
2. Welche Funktion hat dieser Fehlerspeicher?
Er registriert Störungen in den überwachten Bauteilen und speichert
sie als Fehler ab.
Außerdem gibt er die Art des Fehlers an.
3. Fehler wie zeitweise auftretende Leitungsunterbrechungen oder Wackelkontakte
werden wie folgt gespeichert und angezeigt: …
4. Wenn Sie sich die Fehler ausgeben lassen wollen, leiten Sie bitte die
Fehleranzeige ein Seite 7
192 Günther Zimmermann
Der Druck nimmt zu: Test-Institute und Rating-Agenturen, aber auch Internetfo-
ren, Blogs und Podcasts verbreiten Informationen über Firmen und Produkte in
zunehmender Geschwindigkeit, auch über das Maß an Verständlichkeit der
Texte. Und Verbraucherverbände und -initiativen reagieren mit immer mehr
Aktionen und Kritik auf ein unzugängliches Techniker-Rotwelsch. Mit erhebli-
chen Folgen für das Firmen-Image.
Für die Firma selbst sind die Vorteile einer laienverständlichen Sprache be-
trächtlich. Verständliche technische Anleitungen können den Kundendienst ent-
lasten. Sie minimieren auch den Einarbeitungs- und Schulungsaufwand für neue
Mitarbeiter. Verständlich formulierte Produktinformationen machen E-Mail-
Anfragen und Telefonate mit dem Call-Center überflüssig. Das führt zu erhebli-
chen Einsparpotentialen. Schäden und Kosten, die aus mangelhaften Anleitun-
gen entstehen können, werden vermieden. Die Süddeutsche Zeitung beziffert
diese Schäden auf „mehr als 20 Milliarden Euro“. Jede dritte Firma registriert
Schäden durch Fehlbedienung, jede siebte Umsatzeinbußen von drei bis mehr
als 10 Prozent.
Demgegenüber können ansprechende und gut verständliche technische Texte
als Visitenkarte eines Unternehmens gelten. Sie sind (als kundenorientierte
Unternehmensbotschaften) wichtiger Teil der Corporate Identity. Sie lassen sich
zudem als erfolgreiches Marketing-Instrument einsetzen. Wie stellen wir uns als
Firma dar? Wie definieren wir unsere Beziehung zu den Kunden? Im Sprachstil,
in dem Maß, wie wir uns bemühen, gut verstanden zu werden, manifestieren
sich gleichgültige, gegebenenfalls manipulative, oder eben wertschätzende und
kundenfreundliche Orientierungen.
Angesichts einer immer unübersichtlicher und komplizierter werdenden
Welt spielen bei vielen Menschen die Faktoren Sicherheit und Einfachheit eine
bestimmende Rolle. Und so hat sich auch in der Kommunikation ein neuer
Trend durchgesetzt. Die Trendforscher sprechen von der „neuen Einfachheit“.
Angesagt ist eine klare, einfache und gut verständliche Sprache. Sie wird die
Zukunft unserer Kommunikation bestimmen. Das ist übrigens besonders beher-
zigenswert angesichts einer Generation 55 plus, die demnächst die Hälfte der
Kunden ausmachen wird, eine potente Klientel, die in schrumpfenden Märkten
eine herausgehobene Bedeutung erhalten wird.
196 Günther Zimmermann
7 Ein Fazit
Die bisherigen Ausführungen mögen deutlich gemacht haben, dass Technik und
Wirtschaftssprache in einem ganz besonderen Verhältnis zueinander stehen.
Wer technische Texte kompetent schreiben will, muss über eine Reihe von
Qualifikationen verfügen. Göpferich (1998: 4f.) hat sie zusammengefasst:
Neben einer guten Kenntnis des zu beschreibenden Produkts brauchen
technische Autoren eine überzeugende Formulierungskompetenz. Sie beruht
nicht allein auf Begabung, sondern auf einem wissenschaftlich fundierten Hin-
tergrund. Sie brauchen Kenntnisse aus Kommunikationstheorie, Linguistik, Di-
daktik, Psychologie, Kognitionswissenschaft und Verständlichkeitsforschung.
Darüber hinaus sind Kenntnisse und praktische Fähigkeiten aus unterschied-
lichen Bereichen erforderlich: Illustrations- und Visualisierungstechniken, Orga-
nisations-, Planungs- und Überwachungsfähigkeiten und damit Kenntnisse aus
Betriebswirtschaftslehre, Organisationslehre, Projektmanagement, Kostenrech-
nung und Kalkulation. Und schließlich sind die täglich verwendeten Hilfsmittel
und Techniken wie Textverarbeitung, Graphikprogramme, Scannen, Bildbear-
beitung, Desktop-Publishing und Autorensysteme Grundvoraussetzung für eine
erfolgreiche berufliche Arbeit.
Um Klardeutsch auch in technischen Texten zu schreiben, bedarf es also
einer komplexen Schlüsselqualifikation, die niemandem in die Wiege gelegt
wurde und die auch nicht vom Himmel fällt. Sie muss erworben und trainiert
werden.
Literatur
Antos, Gerd; Wichter, Sigurd (Hrsg.) (2005): Wissenstransfer durch Sprache als
gesellschaftliches Problem, Frankfurt am Main, S. 295-306.
Arntz, Reiner, Picht, Heribert & Felix Mayer (2004): Einführung in die
Terminologiearbeit, Hildesheim.
Bachmann, Thomas (2002): Kohäsion und Kohärenz: Indikatoren für Schreib-
entwicklung, Innsbruck, Wien, München.
Baumert, Andreas (2003): Professionell texten, München.
Bromme, Rainer (1992): Der Lehrer als Experte. Zur Psychologie des
professionellen Wissens, Bern.
Christmann, Ursula; Groeben, Norbert (1996): Textverstehen, Textverständlich-
keit – ein Forschungsüberblick unter Anwendungsperspektive, in: Krings,
Hans P. (Hrsg.), S. 129-189.
Technik und Wirtschaftssprache 197
Barbara Brandstetter, Dr., geboren 1973, arbeitet seit 2003 als Wirtschafts-
und Finanzredakteurin bei der Tageszeitung Die Welt. Seit 2006 leitet sie
den Bereich Verbraucherfinanzen der Welt-Gruppe. 2001 bis 2003 Wirt-
schaftsvolontariat an der Axel-Springer-Journalistenschule. Seit 2006 ist sie
als Dozentin an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft
und am Institut für Verbraucherjournalismus an der Hochschule Calw, seit
2009 an der Axel Springer Akademie tätig. Barbara Brandstetter studierte in
Hamburg Volkswirtschaftslehre (VWL), Französisch und Journalistik (Ab-
schluss: M.A.). 2008 Promotion an der Universität Hamburg („Gemeinsa-
mes Europa? Die Metaphorik von Wirtschaftsberichten in deutsch- und
französischsprachigen Printmedien“).
Kontakt via E-Mail: brandstetter.barbara@web.de
Matthias Dezes, M.A., geboren 1966, ist Director in der auf Finanzunterneh-
men und Transaktionen spezialisierten Kommunikationsberatung Financial
Dynamics in Frankfurt am Main. Zuvor war er vier Jahre lang Presse-
sprecher der Citibank in Düsseldorf sowie zwei Jahre lang Redakteur in der
Redaktion Finanzen bei der Financial Times Deutschland. Erfahrungen in
der Automobil- und Zulieferbranche sammelte er in einer fünfjährigen Bera-
tertätigkeit unter anderem für die damalige Adam Opel AG. Der gelernte
Journalist studierte Politikwissenschaft, Amerikanistik und Völkerrecht in
Passau, Seattle und Bonn.
Kontakt via E-Mail:m.dezes@abfd.de
Gregor Halff, Prof. Dr., geboren 1970, ist Professor für Corporate Communica-
tion an der Singapore Management University (Singapur) und Honorarpro-
fessor an der International School of Management (Dortmund/Frankfurt).
Zuvor war der niederländische Kommunikationswissenschaftler geschäfts-
führender Gesellschafter bei der globalen Kommunikationsagentur Publicis,
wo er weiterhin internationale Konzerne und Marken berät.
Kontakt via E-Mail: gregorhalff@smu.edu.sg
200 Die Autorinnen und Autoren
Rudi Keller, Prof. Dr., geboren 1942, war von 1978 bis 2008 als Universi-
tätsprofessor für Germanistische Linguistik am Germanistischen Seminar
der Heinrich-Heine-Universität tätig. Seither ist er im Ruhestand. Seine Bü-
cher „Sprachwandel – von der unsichtbaren Hand in der Sprache“ und „Zei-
chentheorie“ wurden in mehrere Sprachen übersetzt. In den letzten Jahren
hat er sich ein neues Betätigungsfeld erarbeitet: die Unternehmenskommuni-
kation. 2006 ist das Buch „Der Geschäftsbericht“ erschienen. Professor
Keller ist Juror des Prüfsegments „Sprache“ im Rahmen des Wettbewerbs
„Der beste Geschäftsbericht“, der jedes Jahr von der Zeitschrift manager
magazin durchgeführt wird.
Kontakt via E-Mail: keller@phil-fak.uni-duesseldorf.de
Christoph Moss, Prof. Dr., geboren 1967, ist Professor für Unternehmenskom-
munikation an der International School of Management in Dortmund und
Frankfurt. Seit 2007 leitet er den Studiengang „Communications & Marke-
ting“. Nach seinem Volontariat arbeitete er zwölf Jahre lang als Wirtschafts-
redakteur, unter anderem beim Handelsblatt. Zuletzt war er Direktor der Ge-
org-von-Holtzbrinckschule für Wirtschaftsjournalisten. Der gelernte Bank-
kaufmann hat an der Universität Passau Betriebswirtschaftslehre studiert.
Seine Doktorarbeit am Journalistikinstitut der Universität Dortmund trägt
den Titel „Die Organisation der Zeitungsredaktion“. Gemeinsam mit Jürgen
Heinrich erschien 2006 sein Buch „Wirtschaftsjournalistik“ im VS-Verlag.
Moss berät Unternehmen und veranstaltet Sprachseminare.
Kontakt via E-Mail: info@christoph-moss.de
Steffen Range, M.A., geboren 1972, leitet das Team Wirtschaft und Finanzen
bei Welt Online. Er studierte Geschichte, Politische Wissenschaft und Wirt-
schaftsgeschichte an der RWTH Aachen. Nach Tätigkeit als Pressesprecher
der Abfallwirtschaft Aachen Volontariat in der Verlagsgruppe Handelsblatt.
2003 bis 2005 Leiter der Online-Redaktion der Wirtschaftswoche. 2006 bis
2008 Blattmacher in der Wirtschaftsredaktion von Welt und Welt am Sonn-
tag, seit 2008 Teamleiter bei Welt Online. Mehrere Veröffentlichungen, un-
ter anderem zusammen mit Roland Schweins das Gutachten „Klicks, Quo-
ten, Reizwörter: Nachrichten-Sites im Internet“.
Kontakt via E-Mail: range.steffen@web.de
Marcus Reinmuth, Dr., geboren 1976, sammelte bei seiner Tätigkeit für ver-
schiedene international operierende Unternehmen Erfahrung im strategi-
schen Kommunikationsmanagement. Derzeit betreut er die europaweite in-
terne und externe Kommunikation für eine Geschäftseinheit eines weltweit
Die Autorinnen und Autoren 201
Bernd M. Samland, M.A., geboren 1959, ist Gründer und Geschäftsführer der
Endmark GmbH, einer der führenden Agenturen für Benennungsmarketing
in Europa mit Sitz in Köln und Wien. Der Politik-, Kommunikations- und
Sprachwissenschaftler studierte an der Universität Trier und University of
Kansas. Vor seiner Selbstständigkeit war er u. a. Marketing- und Pressechef
von RTL-Radio, Geschäftsführer der Deutschlandfunk-Marketing GmbH und
Kommunikationsdirektor des TV-Senders VOX. Samland verantwortet die
Entwicklung zahlreicher internationaler Markennamen und Werbeclaims. Er
ist u. a. Lehrbeauftragter der Universität zu Köln.
Kontakt via E-Mail: bernd.samland@endmark.de
Daniel Schnettler, M.A., geboren 1978, ist Historiker, Politologe und Medien-
wissenschaftler. Heute arbeitet er als Reporter bei der Finanz-Nachrichten-
agentur dpa-AFX in Frankfurt. Themenschwerpunkte sind Banken und Ma-
schinenbau. Das journalistische Handwerk gelernt hat er durch freie Mit-
arbeit bei diversen Zeitungen und Magazinen. Nach dem Studium absol-
vierte er ein Volontariat an der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirt-
schaftsjournalisten. Anschließend arbeitete er zwei Jahre lang in der Online-
Redaktion des Handelsblatts und war dort für die Unternehmensberichter-
stattung verantwortlich.
Kontakt via E-Mail: info@daniel-schnettler.de
Bernd Ziesemer, geboren 1953, ist Chefredakteur des Handelsblatts und Autor
zahlreicher Sachbücher („Die Neidfalle“, „Eine kurze Geschichte der ökono-
mischen Unvernunft“). Nach Politik-Studium, Hamburger Journalisten-
Schule Gruner + Jahr/Die Zeit, arbeitete Ziesemer lange Zeit als Korrespon-
dent in Russland und Japan.
Kontakt via E-Mail: ziesemer@handelsblatt.com
Günther Zimmermann, Prof. Dr., geboren 1935, ist Professor für Spracher-
werbsforschung an der Technischen Universität Braunschweig. Seit 1980 hat
er sich in Forschung und Lehre auf das Thema „Textverständlichkeit/Text-
verstehen“ konzentriert und bei zahlreichen Firmen gearbeitet (z. B. Volks-
wagen/Audi, Banken und Versicherungen, Neckermann, Management
Circle, Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland). 2004 Gründung der
Firma lingua@MEDIA. Seit 1992 betreut er das Studienfach „Didaktik der
Technischen Texte“ an der FH in Wolfsburg. Buchpublikation: „Texte
schreiben: einfach – klar – verständlich. BusinessVillage, Göttingen 2005.
Kontakt via E-Mail: zimm@linguaetMEDIA.de