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Rezension: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.1978, S.

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Holzhey, Helmut: Esoterik und Exoterik der Philosophie

In den letzten Jahren sind allein im deutschsprachigen.Raum mehrere hundert Beiträge erschienen, die in
irgendeiner Form zu der Frage Stellung nahmen "Wozu Philosophie?". -- Plastischer läßt sich auf die
Legitimationskrise, in die die Philosophie geraten ist, kaum hinweisen als, durch diese Anmerkung Walter Ch.
Zimmeriis in diesem Buch. Damit ist schon beinahe die Frage beantwortet, was ihn und Helmut Holzhey bewogen
hat, einen umfangreichen Band herauszugeben, der den mehreren hundert Titeln achtzehn weitere hinzufügt.

Der Band ist keine Aufsatzsammlung, die lediglich durch ein Vorwort und zwei Buchdeckel zusammengehalten
wird. Die Herausgeber und Autoren haben sich auf ein Konzept geeinigt und ein vorbildliches Stück Teamarbeit
geleistet. Sie haben die Frage nach der Selbstbestimmung der Philosophie, die ja zu uferlosem Räsonieren einlädt,
präzisiert und historisch und systematisch unter dem einen Aspekt behandelt; Esoterik und Esoterik der Philosophie.

Das heißt: ist philosophische Erkenntnis nach Art der Geheimwissenschaften nur wenigen Menschen zugänglich?
Oder ist sie so beschaffen, daß jedermann sie erwerben kann, vorausgesetzt, er hat Fleiß und gesunden Verstand?
Da beide Fragen immer wieder bejaht worden sind (und zwar, weil sie sich als bestimmte Konsequenz einer Theorie
gleichsam von selbst ergaben), hat sich die als landläufige Meinung herausgebildet, daß esoterische
Selbstbehauptung und exoterische Zerstörung des philosophischen Erkenntnisprivilegs einander unversöhnlich
gegenüberstehen. Tatsächlich ist diese Alternative im Streit zwischen der positivistischen Ideologiekritik und der
dialektischen Sozialphilosophie aktuell geblieben, wenngleich die Auseinandersetzung vieles von ihrer Brisanz
verloren hat.

Vermittlung zwischen beiden Formen des philosophischen Selbstverständnisses ist auch das Ziel dieser Arbeit. Es
geht um den Nachweis, daß der Ort der Philosophie zwischen beiden Polen zu bestimmen ist. Hinter der starren
Alternative verbirgt sich, wie die Herausgeber, meinen, nichts anderes als ein, wenn auch altehrwürdiger
philosophischer Mythos. Auf der ersten Seite fällt auch schon das Stichwort von der Entmythologisierung, die
notwendig sei. Und die Herausgeber empfehlen, dieses Stichwort als roten Faden bei der Lektüre der einzelnen
Beiträge im Auge zu behalten.

Diese Empfehlung soll hier nicht wiederholt werden. Als exemplarische Untersuchungen unter
philosophiehistorischem oder auch literaturwissenschaftlichem Gesichtspunkt liest man die Aufsätze mit Gewinn.
Wechselt man die Optik und liest sie als Beitrag zur philosophischen Selbstbestimmung, dann geht von der Lektüre
eine ganz bestimmte Langeweile aus. Der Verdacht wird zur Gewißheit, daß es wohl das beste ist, die Frage "Wozu
Philosophie?" (auch wenn sie modifiziert wird zu der Frage "Wozu noch Philosophie?") auf sich beruhen zu lassen.
Vermutlich erledigt sie sich in der Arbeit "am Stoff" von selbst. Schließlich ist ohne ausdrückliche Thematisierung
dieser Frage etwa in der Sprachphilosophie, Ethik, Anthropologie wirklicher Erkenntnisfortschritt erzielt worden.
Von der Wozu-Philosophie ist gleiches nicht zu erwarten. Ja, die isolierte Selbstreflexion läuft Gefahr, eine Sentenz
des sonderbaren Ambrose Bierce zu bestätigen, nach der "die Philosophie eine Strecke mit vielen Wegen ist, die
von Nirgendwo zu Nichts führt".

HELMUT RATH

Helmut Holzhey, Walter Ch. Zimmerli (Hrsg.): "Esoterik und Exoterik der Philosophie". Beiträge zu Geschichte
und Sinn philosophischer Selbstbestimmung. Verlag Schwabe & Co., Basel/Stuttgart 1977, 409 S.,Ln., 80,-
DM.

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