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Jg, H 9 Spruchbeilage Nr 230-233

or- 230. - §§ 1304, 1310 ABGB, §§ 38, 76 StVO 232. - § 1325 ABGB
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Kein Mitverschulden eines /3 Jahre alten Kindes, das bei Grün- Der aus dem § 1325 ABGB abzuleitende Begriff
ere licht auf dem Schutzweg die Fahrbahn überqueren will und da- higkeit deckt sich nicht mit der me:di•~in1sclh.-i;1hv·sio•1o~nsc:hen
'le- bei von einem einbiegenden Kraftfahrer niedergestoßen wird. Arbeitsfähigkeit.
;1e- OGH 26. 1. 1979, 8 Ob 247 /78. OGH 23. 12. 1978,
Je- Der RevWerber meint, es widerspräche 1eg11cr1en
1d. Zutreffend ist das BerG davon ausgegangen, daß gern
pien des Schadenersatzrechtes, dem Kl, der
11m § 38 Abs 4 StVO die Lenker einbiegender Fahrzeuge jene
Unfall zu 20% erwerbsvermindert war, auf
em Fußgänger, welche die Fahrbahn iS der für sie geltenden
durch den Unfall eingetretenen totalen
em Regelung (§ 76 Abs 3 StVO) überqueren, weder behindern
100% der erhobenen Ansprüche zuzuerkennen.
laß noch gefährden dürfen. Daß dieses Gefährdungsverbot nur
das objektive Ausmaß der durch den Unfall emgetretem~n
m- zugunsten jener Fußgänger normiert sei, die schon im Mo-
Erwerbsminderung ankomme, hätte das BerG nur einer
3e- ment des Überspringens der Fußgängerampel auf grün mit
Klagsstattgebung im Ausmaß von 80% der erhobenen An-
len dem überqueren beginnen, ist - entgegen den RevAusfüh-
sprüche kommen dürfen.
rungen - dem Gesetz nicht zu entnehmen. Insoweit die Rev
zugunsten des LKW -Lenkers die Annahme zugrundelegen Mit diesen Ausführungen verkennt jedoch der RevWer-
ten will, dieser habe den Kl auf dem Schutzweg vor dem Unfall ber, daß mit dem aus § 1325 ABGB abzuleitenden Begriff
:ler nicht sehen können, genügt es, sie auf die Bindewirkung der Erwerbsfähigkeit nicht die medizinisch-physiologische
tde des verurteilenden Straferk zu verweisen. Der LKW-Lenker Arbeitsfähigkeit gemeint ist. Unter Erwerbsfähigkeit iS des
:ler wurde vom Strafgericht deshalb verurteilt, weil er infolge Gesetzes ist vielmehr die Fähigkeit zu verstehen, in einer
zu von Unvorsichtigkeit und Unaufmerksamkeit den bei der Ausbildung, den Anlagen und der bisherigen Tätigkeit
>en Grünlicht auf dem Schutzweg überquerenden Kl mit sei- entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen
:ler nem Fahrzeug niederstieß und verletzte. Damit ist klarge- (Koziol, Haftpflichtrecht II, 106; ähnlich Lorber, Zum
:ler stellt, daß der LKW-Lenker bei Anwendung der gebotenen Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit, 0 JZ 1971,
its- Vorsicht und Aufmerksamkeit die Verletzung des Kl hätte 291 und Hillinger, Zum Begriff der „Minderung der Er-
:ler vermeiden können. werbsfähigkeit" nach § 1325 ABGB, OJZ 1970, 511). Der
len OGH hat in Einklang mit diesem Schrifttum wiederholt
Nach österr Recht sind zwar auch Unmündige nicht ausgesprochen, daß bei der Beurteilung des Verlustes oder
zu
notwendig deliktsunfähig, es ist jedoch ein Verschulden bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht von der medizi-
len
ihnen - wie das BerG zutreffend und in Übereinstimmung nisch-physiologischen Arbeitsfähigkeit, sondern von der
mit der Rechtsprechung des OGH dargelegt hat - nur aus- wirtschaftlichen Erwerbsfähigkeit auszugehen sei (ZVR
nahmsweise möglich, nämlich dann, wenn ihnen im Einzel- 1963/68, ZVR 1975/166 ua; zuletzt 2 Ob 127/78). Die bei-
fall ein solches zur Last gelegt werden kann. Entgegen den den Begriffe decken sich nicht. Es kann sein, daß trotz Be-
RevAusführungen hat sich das kl Kind keineswegs über einträchtigung der medizinisch-physiologischen Arbeitsfä-
er- grundlegende Verkehrsregeln hinweggesetzt, sondern mit higkeit die wirtschaftliche Erwerbsfähigkeit im vollen Um-
reil der in Aussicht genommenen Überquerung der Fahrbahn fange erhalten bleibt, etwa wenn ein Angestellter trotz einer
m- zugewartet, bis die Fußgängerampel grün zeigte. Wenn das durch schwere Beinverletzung abstrakt eingetretenen
le" 72 '3 Jahre alte Kind dann bei Grünlicht auf dem Schutzweg 30%igen Invalidität in.der Lage bleibt, seinen sitzenden Be-
;e- in der festgestellten Weise die Fahrbahn zu überqueren be- ruf im vollen Umfang auszuüben; andererseits aber kann
ren gann, ohne vorsorglich in Rechnung zu stellen, daß der auch eine geringe Minderung der medizinischen Arbeitsfä-
die LKW es 2 Sekunden später auf dem Schutzweg überrollen higkeit die Möglichkeit, einen zumutbaren Beruf auszuü-
VR könnte, dann kann hierin ein seine Mithaftung rechtferti- ben, stark beeinträchtigen oder gar beseitigen, wie das von
len gendes Mitverschulden nicht erblickt werden. K o z i o 1, aaO 107 angeführte Beispiel eines Pianisten, dem
ihr ein Finger verkrüppelt wird, zeigt.
231. - § 1304 ABGB, § 5 StVO Auf die Frage, ob bei der Bemessung des aus einer Kör-
e1- 1. Den Fahrgast, dem eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtig-
perverletzung entstandenen Schadens auch von einer ab-
als keit des Lenkers bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar ist strakten Schadensberechnung ausgegangen werden könnte
:ler oder sein muß und der sich trotzdem einem solchen Fahrer an- (Koziol aaO I 23; II 104ff; vgl 2 Ob 200177 und 2 Ob
m- vertraut, trifft ein Mitverschulden, wenn er bei einem von die- 34/78), braucht nicht eingegangen zu werden, weil den
m- sem Fahrer verschuldeten Verkehrsunfall zu Schaden kommt; es Klagsbehauptungen eine subjektiv-konkrete Schadensbe-
ige ist nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob der Fahr- rechnung zugrunde liegt. Der Kl hat bewiesen, daß er vor
{Ül gast nach der Erfahrung des täglichen Lebens damit rechnen dem Unfall trotz schicksalsbedingter Vorschäden in der
;e- mußte, daß der Fahrzeuglenker nicht mehr voll fahrtüchtig sein Lage war, sich seinen Unterhalt als Land- und Sägearbeiter
;en könnte; Zweifel daran, ob diese Annahme gerechtfertigt sei, ge- zu verdienen, durch den Unfall aber erwerbsunfähig ge-
sie hen zu Lasten des Fahrzeuglenkers und der Personen, die für worden ist. Bei Vergleich der Lage des Kl vor und nach
,te,
das Verhalten des Lenkers einzustehen haben, weil diese für ein dem Unfall hat das BerG zutreffend darauf wel-
:ler Eigenverschulden des geschädigten Fahrgastes beweispflichtig
che Einkünfte er bei Ausnützung seiner
a:rt sind.
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
:ler pflichtrecht 16 , 144; vgl§ 1293 ABGB) gezogen
tan 2. Die Frage, ob der Fahrgast von einer derartigen Alkoholisie- rechtlichen Beurteilung durch das BerG ist daher em
:ies rung Kenntnis hatte, ist Tatfrage; hingegen ist die Beurteilung, Rechtsirrtum nicht zu erkennen.
tet ob er bei gehöriger Aufmerksamkeit die Alkoholisierung des
)r- Lenkers hätte erkennen müssen, Rechtsfrage.
233. - § 1325 ABGB
Je- OGH 30. 1. 1979, 2 Ob 214/78.
>en Angemessenheit eines Schmerzengeldes von S 180.000.- bei
Anmerkung der Schriftleitung: Mit dieser E hält der schwersten Verletzungen mit Lebensgefahr, Ua1uertol2:en.
OGH an seiner in zahlreichen Vorentscheidungen ausgedrückten samt 163tägigem Spitalsaufenthalt und 50%iger Mi·nr1.~r111no
~en Rechtsansicht fest (vgl zB zu RS 1 ZVR 1975/ 45 und zu RS 2 Erwerbsfähigkeit.
ZVR 1976/10). OGH 21. 11. 1978, 8 Ob 184/78.

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