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1 RECHT PRAKTISCH

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„Optische Mängel“ - Viel Lärm um Nichts oder


Rechtsanspruch?
Kleiner Mangel - großer Aufwand? sich aber nicht nach den Kosten für eine
Mangelbeseitigung. Ob Aufwendungen für die
Es liegt in der Natur der Sache, dass Auftraggeber Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, beurteilt sich
und Auftragnehmer unterschiedliche Auffassungen nach den Grundsätzen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB.
haben, wenn es um kleinere oder sogenannte Unverhältnismäßigkeit kann der Auftragnehmer nur dann
„optische Mängel“ und den damit im einwenden, wenn der mit der Nachbesserung erzielte
Zusammenhang stehenden Beseitigungsaufwand Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in
geht. keinem vernünftigen Verhältnis zu dem aufzuwendenden
Mangelbeseitigungsarbeiten und den damit einher
Das Thema ist nicht neu. Aus der bereits vorliegenden gehenden Kosten steht (vgl. BGH, BauR 2006, S. 382
Rechtsprechung ist folgendes zu entnehmen: Wenn ein und BauR 1997, S. 638). Für die Unverhältnismäßigkeit
Werk mangelhaft erstellt wurde, treffen den muss also ein objektiv geringes Interesse des
Auftragnehmer zunächst Nacherfüllungspflichten, ggf. Auftraggebers an einer mangelfreien Vertragsleistung
aber auch anstelle dieser Schadenersatzansprüche. einem ganz erheblichen unangemessenen
Ein Mangel stellt eine Abweichung der Ist- Mangelbeseitigungsaufwand des Auftragnehmers
Beschaffenheit von der vorauszusetzenden Soll- gegenüberstehen (vgl. BGH, BauR 2006, S. 382). Der
Beschaffenheit dar und dieses Ungleichgewicht hat der BGH hat in der Vergangenheit immer deutlich gemacht,
Auftragnehmer zu beseitigen. Er hat dabei die Wahl. dass auch äußerst kostspielige Nachbesserungen vom
Nach § 635 Abs. 3 BGB kann der Unternehmer die Auftragnehmer gefordert werden können. Auch wenn
Nacherfüllung verweigern, wenn sie unmöglich oder nur der Aufwand z.B. für die Aufbringung der geschuldeten
mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Wärmedämmung für den Auftragnehmer beträchtlich ist,
Bei Werkverträgen, die auf der Grundlage der VOB/B hat der Auftraggeber gleichwohl einen Anspruch auf die
abgeschlossen wurden, kann der Auftraggeber nach § Herstellung des geschuldeten Werks. Dass dies mit
13 Abs. 6 VOB/B die Vergütung entsprechend mindern erheblichem Mehraufwand verbunden ist, hat allein der
bzw. im Falle der vollständigen Auszahlung des Auftragnehmer zu vertreten, sofern er grob fahrlässig
Werklohnes, den Minderungsbetrag einfordern, wenn falsche Wärmedämmplatten verwendet hat, so das OLG
eine Nachbesserung unmöglich ist oder der Frankfurt im Jahre 2013 (Urteil vom 12.07.2013 – 24 U
Auftragnehmer die Mangelbeseitigung wegen eines 143/12). Eine Mangelbeseitigung kann selbst dann nicht
unzumutbar hohen Aufwandes abgelehnt hat. verweigert werden, wenn die Nachbesserungskosten
den ursprünglichen Werklohn um ein Vielfaches
Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung übersteigen. Entscheidend ist, welchen Nutzen der
Auftraggeber aus der Nachbesserung zieht. In der
Ob Unmöglichkeit vorliegt, richtet sich nicht nach den Praxis kann man sich von der Grundregel leiten lassen:
subjektiven Möglichkeiten des Auftragnehmers und liegt eine spürbare Funktionsbeeinträchtigung vor, kann
schon gar nicht nach seiner Auslegung des Begriffs regelmäßig Nachbesserung verlangt werden.
„Unmöglichkeit“, sondern nach objektiven Kriterien. Es
muss unabhängig vom Willen und Vermögen des Einordnung von „optischen Mängeln“
Mangelverursachers unmöglich sein, den Mangel zu
beseitigen. Hierbei geht es also um die Frage, ob es Zu Recht hat die Rechtsprechung im Auge, dass von
auch für andere Unternehmen objektiv unmöglich ist, einer Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung
den aufgetretenen Mangel zu beseitigen. Wird eine gesprochen werden muss, wenn es um Mängel geht, die
Sperrung gegen aufsteigende Nässe in einem die Gebrauchsfähigkeit der Leistung so gut wie nicht
Fundament vergessen, dürfte es nach Errichtung des beeinträchtigen, sich lediglich in der Optik auswirken
Hauses unmöglich sein, diese Sperrung in das und deren Beseitigung ganz erhebliche Kosten nach
Fundament einzubringen. Es bedarf immer der sich ziehen würde. Deshalb ist bei optischen Mängeln,
Beurteilung des konkreten Einzelfalles. Insbesondere die zwar das äußere Erscheinungsbild des Werkes,
Sachverständige müssen das berücksichtigen, wenn sie nicht aber dessen Funktion beeinträchtigen, eine
die objektiv völlige oder teilweise Unmöglichkeit einer Gesamtabwägung auf der Basis des § 635 Abs. 3 BGB
Mangelbeseitigung einzuschätzen haben. vorzunehmen, um „Unverhältnismäßigkeit“ zu beurteilen.
Hier geht es um die Frage, ob der Auftraggeber ein
Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse
an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des
Ein Auftragnehmer kann anbieten, Vergütung Werkes hat. Rosterscheinungen am Gehäuse eines
entsprechend mindern, wenn die Mangelbeseitigung Heizkessels werden nicht zum Anspruch auf einen
unverhältnismäßig ist. Die Unverhältnismäßigkeit richtet neuen Heizkessel führen. Nur geringfügige Kratzer an

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einer Scheibe oder kaum auffallende Verschmutzungen, berücksichtigen, weil er zur Abwehr von
Schönheitsfehler an der Unterseite einer Armatur oder Mängelansprüchen im Einzelnen Tatsachen vortragen
auch die geringfügige Überschreitung von muss, mit denen er den unverhältnismäßig hohen
Maßtoleranzen ohne Funktionsbeeinträchtigung zählen Mangelbeseitigungsaufwand begründet. Der
hierunter. Das kann sich aber bei einem 100.000-Euro- Auftragnehmer muss weiterhin unmißverständlich seine
Bad anders darstellen, als bei einem 10.000-Euro-Bad. Ablehnung äußern und auf eben diese Tatsachen der
Je höher dieses Leistungsinteresse an einem Unverhältnismäßigkeit stützen. Nur dann kann er den
makellosen Erscheinungsbild der Werkleistung beim Weg einer Minderung gehen.
Auftraggeber anzusetzen ist, umso weniger kann der
Werkunternehmer mit seinem Einwand aus § 635 Abs. 3 Fazit
BGB gehört werden. Berührt der nur geringfügige
Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit seinem
des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die diesbezüglich einschlägigen Urteil (Az. I-21 U 23/14)
„Wertschätzung“ gegenüber dem Werk beeinträchtigt eine für die Praxis gute Zusammenfassung vorgelegt:
wird, bestehen Chancen, die Mangelbeseitigung „Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an
abzulehnen. Sind vertraglich zugesicherte einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags, kann
Eigenschaften nicht eingehalten, wird man bei ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung
Verletzung nicht von Unzumutbarkeit reden können. wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht
verweigern. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist
„Optische“ Mängel und nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf
ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu
Abnahmeverweigerung dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller
Ein ungeliebtes Praxisproblem ist die Verweigerung der Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben
Abnahme wegen „optischer“ Mängel. darstellt. Von Bedeutung ist auch, ob und in welchem
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass selbstverständlich Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet hat.
auch optische Mängel zu Ansprüchen aus dem Je erheblicher der Mangel ist, umso weniger Rücksicht
Gewährleistungsrecht führen können. Es handelt sich in ist auf die den (vertragsuntreuen) Werkunternehmer
der Regel um eine Abweichung vom vertraglich belastenden Kosten der Nacherfüllung zu nehmen. Da
geschuldeten Leistungssoll, bzw. um eine – u.U. auch der Besteller regelmäßig ein starkes Interesse an der
nur kleine - Einschränkung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des von dem Unternehmer
Gebrauchsfähigkeit. Die Abnahmeregelung in § 640 Abs. geschuldeten Werkes hat, die Herstellung und Lieferung
1 Satz 2 BGB besagt aber, dass wegen unwesentlicher zu den Primärpflichten des Auftragnehmers gehört,
Mängel die Abnahme nicht verweigert werden kann. führen Mängel, durch die die Funktionsfähigkeit des
Über die „Wesentlichkeit“ von Mängeln wird in der Praxis Werkes spürbar beeinträchtigt wird, regelmäßig dazu,
trefflich gestritten. Im Einzelfall wird wesentlicher Mangel dass eine Verweigerung der Nachbesserung unter
bestimmt nach Art, Umfang und Auswirkungen. Es Verweis auf die hohen Kosten unberechtigt ist. Dies
kommt bei der Beurteilung von bedeutet indessen nicht, dass bei Mängeln, die lediglich
Abnahmeverweigerungen auf die Zumutbarkeitsgrenze das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werkes
aus objektiver Sicht im Verhältnis zwischen dem betreffen, also bei Schönheitsfehlern oder optischen
Vertragszweck und dem erbrachten Erfolg an. Mängeln, die die Funktionsfähigkeit im eigentlichen
Unwesentlich ist ein Mangel, wenn er in seiner Sinne unberührt lassen, regelmäßig der Einwand der zu
Bedeutung so weit zurücktritt, dass es unter Abwägung hohen und damit unverhältnismäßigen Aufwendungen
der beiderseitigen Interessen für den Auftraggeber als der Nachbesserung durch den Unternehmer Erfolg hat.
zumutbar angesehen werden kann, abzunehmen. Abzustellen ist vielmehr auch bei solchen Mängeln
Davon dürfte bei Schönheitsfehlern grundsätzlich darauf, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht
auszugehen sein. Eine Abnahmverweigerung allein nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch
wegen des Vorliegens von optischen Mängeln ist einwandfreien Herstellung des Werkes hat.“
problematisch. (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2014,
Az.: I-21 U 23/14)
Grad des Verschuldens ist zu berücksichtigen
Viele Handwerker wünschen sich generell für optische
Mängel, dass mit einem (möglichst kleinen) Abzug vom
Werklohn die Mangeleinreden erledigt werden könnten. Autor:
Dieser Wunsch geht selten auf. Vor allem dann, wenn
der Auftragnehmer den Mangel grob fahrlässig
herbeigeführt hat, wird er sich auf Unverhältnismäßigkeit Rechtsanwalt

nicht berufen können. Gleiches gilt, wenn er entgegen Dr. jur. Hans-Michael Dimanski
den vertraglichen Vereinbarungen vorsätzlich ein Tel.: (0391) 53 55 96-16
billigeres, minderwertigeres Material eingebaut hat. E-Mail: dimanski@ra-dp.de
Will sich der Auftragnehmer auf Unverhältnismäßigkeit
berufen, muss der Grad des Verschuldens am Mangel
geringfügig sein. Das hat der Auftragnehmer zu

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