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einer Operation an der grammatischen Charakteristik spre­


chen, d.h. von einer Erscheinung, die wesentlich abstrak­
ter ist. Es ist möglich, daß es sich gerade deshalb als
schwierig erweist, den Begriff der Konversion zu bestim­
men.
II

Bevor wir weitergehen, ist es notwendig, daß wir kurz ein


sehr allgemeines Problem behandeln: die Struktur des
sprachlichen Zeichens. Bereits seit Ferdinand de Saussure
gilt, daß das sprachliche Zeichen zwei Seiten hat, die
durch das Paar
<signifiant (Signifikantj, signifie (Signifikat}>
charakterisiert werden. Um jedoch das sprachliche Zeichen
vollständig zu charakterisieren - ein Morph, eine Wort­
form oder eine Wortverbindung - ist es unbedingt notwen­
dig, zumindest auf drei Dinge hinzuweisen: außer Signifi­
kant und Signifikat sind noch Kenntnisse über die Regeln
der syntagmatischen Kombinationsfähigkeit eines Zeichens
mit anderen Zeichen notwendig. Wir werden diese Kennt­
nisse S y n t a k t i k des Zeichens nennen. So können
wir sagen, daß ein sprachliches Zeichen aus drei Einhei­
ten besteht (= ein geordnetes Dreitupel):
Signifikant, Signifikat, Syntaktik
oder, unter Verwendung einfacher Symbole:
! =<x; 'X';�x> 7_
Es besagt wenig, wenn man angibt, daß das Segment ov im
Russischen das Signifikat 'pl.gen. ' hat; man muß auch an·
führen, daß dies eine Endung ist (und, sagen wir, nicht
ein Stamm oder ein Präfix), daß diese Endung nur bei
maskulinen Stämmen Verwendung findet und nicht auf Sibi·
lanten oder palatale Konsonanten folgt u.ä. Derartige
Kenntnisse, die eindeutig weder zum Signifikanten noch
zum Signifikat eines Zeichens gehören, bilden seine Syn­
taktik.
ov =< /of/; 'pl.gen. '; Endung bei maskulinen Stämmen,
folgt nicht auf Sibilanten und palatale Konsonante
II .Dekl.>.
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In den Syntaktiken sprachlicher Zeichen können Informatio­
nen auch anderer Art angeführt werden: Mitteilungen nicht
nur darüber, mit welchen Elementen sich ein Zeichen ver­
binden/ nicht verbinden kann, sondern auch darüber, was
mit dem Zeichen oder seinem syntagmatischen Partner bei
ihrer Verbindung vor sich geht. So muß man in Bezug
auf das Morph lob- 'Stirn' in der Syntaktik darauf hin­
weisen, daß bei einer Verbindung mit einem Nicht-Null-Ex­
ponenten für Numerus-Kasus in seinem Signifikanten /o/
schwindet: /lob/===9/lb-a/, im Gegensatz z.B. zu zob­
'Kropf'; außerdem muß man für dieses Morph das Genus
nachweisen, das die Form der kongruenten Adjektive und
des verbalen Prädikats im Präteritum bestimmt u.ä.
Zwischen der Syntaktik des sprachlichen Zeichens
einerseits und seinem signifiant und signifi' anderer­
seits besteht eine enge Beziehung, so daß hier nur sehr
grob Grenzlinien gezogen werden können. Genus und Be­
seeltheit der russischen Substantive sind ganz offenkun­
dig Elemente ihrer Syntaktik, jedoch korrelieren sowohl
Genus als auch insbesondere die Beseeltheit stark mit
der Stammsemantik, d.h. mit dem substantivischen Signi~·
fikat; sehr häufig ist es schwierig, das Problem zu
lösen, wo es zweckmäßiger ist, eine bestimmte Informa­
tion einzutragen: in die lexikalische Definition (= in
das Signifikat) eines Wortes oder in die Mitteilungen
über seine Kombinationsfähigkeit (= in die Syntaktik);
den Signifikanten von Morphen wie lob- kann man in derart
abstrakten Einheiten eintragen (z.B. L�B, wobei �==?/o/
vor einer Nullflexion und in einigen anderen Fällen - vor
den Suffixen -ov-, -ast-, wird), so daß ein Hinweis
auf die "Flüchtigkeit" in der Syntaktik überflüssig wird.
Wir wollen uns hier nicht weiter in diese äußerst interes­
santen, für uns aber nebensächlichen Fragen vertiefen.
Einstweilen müssen wir akzeptieren, daß in einem sprach­
lichen Zeichen eine voll qleichberechtigte Komponente
existiert, die "auf einer Ebene" mit dem Signifikanten
und dem Signifikat steht; die Syntaktik, die die sprach-
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liche, "grammatische" Kombinationsfähigkeit des Zeichens


charakterisiert. Es ist wichtig zu vermerken, daß die
Syntaktik nur die Kombinationsfähigkeit von Zeichen an­
gibt, die durch die S p r a c h e und nicht durch
irgendwelche außersprachlichen Faktoren festgelegt wird.
"Die Nichtkombinationsfähigkeit" (oder "anomale Kombina­
tionsfähigkeit") von Wörtern in widersprüchlichen,
wissentlich falschen, absurden und ähnlichen Ausdrücken
läßt sich als Nichtverbindungsfähigkeit von Signifikaten
auf Grund bestimmter universaler, nicht an eine konkrete
Sprache gebundener Gesetze allgemeinsemantischen Charak-
ters erklären 8 : vergl. CerneZo necto beZoe 'Schwarz
V V

hob sich etwas Weißes ab'; Sest' iz trech devodek 'Sechs


von drei Mädchen', MuditeZ'no geteropZanovaja skovorodk a
iz reZevantnosti 'Die qualvoll heteroplane Bratpfanne
aus Relevanz'und derartige jarostno spjaSCie idei 'wü�
tend schlafende Ideen'. Eine derartige Nichtkombina­
tionsfähigkeit (unzulässige Kombination) kann und darf
nicht in der Beschreibung dieser oder jener konkreten
Sprache, d.h. in den Syntaktiken ihrer Zeichen, gerecht­
fertigt werden. Die Unmöglichkeit von Verbindungen wie
*dlja uvidet' 'für sehen' jedoch resultiert nicht aus
der Bedeutung der entsprechenden Wörter oder aus der
Kenntnis der Fakten der Realität; daß eine solche Kombi­
nation im Russischen nicht möglich ist, ist einfach
durch die Eigenschaft der russischen Sprache begründet,
keine Kombinationen "Präposition + Infinitiv" zuzulassen,
während z.B. im Französischen und Spanischen Kombinatio­
nen vieler (jedoch nicht aller!) Präpositionen mit dem
Infinitiv möglich sind: a partager, de lire, sans parler,
pour voir u.ä.; nur in der Syntaktik werden derartige
Erscheinungen widergespiegelt 9 . Somit wird durch die
Syntaktik die ausschließlich sprachliche (grammatische
- im weitesten Sinne dieses Wortes) Kombinatorik eines
Zeichens beschrieben.
Es ist offensichtlich, daß die Haupttypen von Informa­
tionen. die zur Svntaktik qehören: Wortart; syntaktische
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subklasse; Typ des Paradigmas (= Kombinationsfähigkeit
mit bestimmten Affixen); Genus und (syntaktische) Be­
seeltheit bei Substantiven; Rektion (vor allem beim
verb aber auch bei anderen Wortgruppen) u.ä. praktisch
seit langem von der Linguistik verwendet werden. Das
problem besteht in der Anerkennung ihres gemeinsamen
theoretischen Status als selbständige Komponente sprach­
licher Zeichen - als die Syntaktik.
Wenn man unsere Darstellung des sprachlichen Zeichens
als ein Dreitupel, bestehend aus
<signifikant; Signifikat; Syntaktik>
akzeptiert, so ergibt sich die Möglichkeit, alle denkba­
ren morphologischen Mittel natürlicher Sprachen deduktiv
zu ermitteln; hierzu werden wir nun übergehen.
Es sei ein bestimmtes Minimalzeichen r d-h, Pin Mnrnh .
-� ·--�--
- · - -.1..- --· .,

das außerdem ein Stamm ist:

� = < A; I Af ; L A> O

In diesem Zusarnmenhang erhebt sich die Frage: wie kann


man an :A: ein zweites Signifikat ;B' anfügen und zwar
11 morphologisch", d. h. so, daß 1) das aus dieser Kombina­
tion resultierende Signifikat 'A + B' das Signifikat
e 1 n e r W o r t f o r rn W ist, und 2) daß diese
Anfügung obligatorisch auf der äußeren formalen Seite
des entsprechenden Textes zum Ausdruck kommt, indem sie
bestimmte wahrnehmbare Veränderungen in ihm bewirkt (so­
gar außerhalb der Wortform�)? Es soll zum Beispiel
'A' = 'ugol' ('Ecke 1) und 'B' = 1 pl' sein; wir müssen eine
Wortform mit dem Signifikat 'Ecken' erhalten, die so
gestaltet ist, daß an ihr oder an dem Text, in dem sie
Verwendung findet, erkennbar ist, daß 'Ecken' und nicht
'Ecke' gemeint ist. Wir sehen nur zwei Klassen von Mitteln,
um dies durchzuführen.
I. Man kann an A ein zweites einzelnes Zeichen B anfü­
;en, dessen Signifikant entweder eine Phonemkette /B/ oder
�in Prosodem - Ton, Betonung (Akzent), •.. ist; im speziel­
len Fall kann hierbei auch ein Nullsignifikant auftreten.
re nachdem, wodurch B verkörpert wird, ergibt sich:
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- wenn B ein Affix ist, eine A f f i g i e r u n g;
- wenn B kein Affix ist, eine K o m p o s i t i o n
(wenn B ein Stamm ist, ein Stammkompositum oder
eine Inkorporation; wenn B eine Wortform ist, eine
Wortkomposition);
II. Wir können an�, oder genauer gesagt, an sei­
nem Signifikanten oder seiner Syntaktik, eine bestimmte
Operation Q durchführen. Hierbei sind zwei Typen mög­
lich:
II.1. Q ist eine Operation (= eine Regel) zur Ver­
änderung des Signifikanten eines Zeichens A. Derartige
Operationen können wir M o d i f i k a t i o n e n
nennen; hierbei unterscheiden wir:
- wenn O die Form X==;>Y hat, wobei X und Y konkrete
Phoneme, Phonernketten oder Prosodeme sind, dann ist o
eine s i g n i f i k a t i v e A 1 t e r n a t i o n
oder A p o p h o n i e;
-·• wenn O die T"'1
r orm L..e \t\J
/ .... \
.1.

flac., wobei i die genaue oder


1

in bestimmter Weise veränderte Kopie des Signifikanten


A oder eines bestimmten Teils von ihm ist, dann ist O
eine W i e d e r h o 1 u n g (in erster Linie eine
R e d u p l i k a t i o n).
II.2. 0 ist eine Operation (= Regel) zur Veränderung
der Syntaktik des Zeichens A; wir schlagen vor, solche
Operationen K o n v e r s i o n e n zu nennen.
Andere morphologische Mittel kann es im Rahmen des
methodischen Herangehens, das wir vorgeschlagen haben,
nicht geben.
Zum Schluß dieses Abschnittes vermerken wir, daß der­
artige Operationen, die Träger einer Bedeutung sind, als
vollwertige sprachliche Zeichen im Sinne der Definition
(s.o.) gedeutet werden können. Man kann tatsächlich die
englische Apophonie /Ü/====;;,/i/ (symbolisch:�/Il/==9/I/)
als Dreitupel vorstellen:
�/Ü/�/i/ =< /Ü/�/I/1 1 pl 1; goose„ tooth>,
d.h. daß hier ein Zeichen vorliegt, dessen Signifikant
weder /Ü/ noch /i/ ist, sondern die Regel der Ersetzung
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von /Ü/ durch /i/, das Signifikat ist 'pl' und die Syn­
taktik - der Hinweis auf zwei Stämme, bei denen diese
Apophonie erst Anwendung finden kann.
Eine derartige Beschreibung ist auch für Konversionen
aes Englischen möglich:
(9) �, = <
S�V, schwach; 'einer Wirkung aussetzen ... ';
c, > I

wobei c 1 die Bedingungen (die Stammtypen) an­


gibt, für die diese Konversion möglich ist
(Typ a bomb - to bomb);
(1o)�2 = < >,
V==i?S, x; 'derjenige, welcher.•. '; c 2
wobei x der morphologische Typ des resultie­
renden Substantivs ist und c2 die Typen von
Verbalstämmen, die diese Konversion gestatten,
darstellt (to swot - a swot);
(11)�3 =< v�s, x; 'ein Quant ... '; c3>, .. 1o
to kiss - a kiss, to Zook - a Zook u.a.
Auf diese Weise führt unsere methodisches Herangehen zur
Postulierung von in höherem Maße abstrakten Signifikanten
und den entsprechenden sprachlichen Zeichen neuen Typs.
III

Bei der Erörterung des Begriffs der Konversion durch


Srnirnickij und seine Gegner entstand noch eine ganze
Reihe von zusätzlichen Forderungen, denen ein Paar
vorn Typ (a) bomb - (to) bomb gerecht werden müßte, damit
man es als Konversion bezeichnen kann.Nachfolgend führen
wir einige dieser Forderungen auf:
1) die Glieder eines Konversionspaares müssen zu ver­
schiedenen Wortarten gehören (A.I.Smirnickij lehn­
te diese Bedingung als nicht obligatorisch ab
(Smirnickij 1956: 81));
2) die Ausgangsformen der Glieder eines Konversions­
paares müssen immer identisch sein (Zluktenko 1958}
- (auch diese Bedingung wurde von A.I.Smirnickij
nicht akzeptiert (Smirnickij 1956: 68-80}};
3) die Glieder eines Konversionspaares sind immer ver-

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