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Technische Universität Berlin

Institut für Luft- und Raumfahrt


Fachgebiet Luftfahrtantriebe
Prof. Dr.-Ing. Dieter Peitsch

Thermische Strömungsmaschinen II –
Auslegung von Turbomaschinen

Arbeitsumsetzung und Betriebsgrenzen


im Verdichter

 Einfluss der Inzidenz


 Verlustbeiwert
 Belastungskriterien
Optimierung /
Maximierung der Gitterbelastung im Verdichter

Ziel:
Minimierung der Stufenanzahl zur Erreichung des geforderten Druckverhältnisses

Randbedingungen:
 Stabile = ablösungsfreie Strömung
 Möglichst wenig Hardware (Gewicht & Kosten) = Schaufeln, Stufen

Mögliche Maßnahmen:
 Steigerung der Umlenkung bis zur Stabilitätsgrenze
 Steigerung der Inzidenz im Betrieb
 Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit = größeres Verzögerungspotential
 Trans- und Überschallverdichter
 ‚Controlled Diffusion Airfoil‘ (CDA-Profile)

TSM II – Auslegung von T/M: Arbeit und Belastungsgrenzen; WiSe 2021 / 2022 Seite 2
Inzidenzbehaftete Anströmung eines Verdichtergitters

Inzidenzfreie Positive Inzidenz der Negative Inzidenz der


Nominalanströmung Anströmung i>0 Anströmung i<0
(Brustinzidenz) (Rückeninzidenz)
 ‚Belastung‘  ‚Entlastung‘
 Gefahr der  Gefahr des Sperrens
Überlastung der bzw. der Ablösung
Profile mit Ablösung auf Druckseite
auf Saugseite

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Änderung der Druckverteilung mit der Inzidenz und
Teilungsverhältnis (Cumpsty)

 Deutliche Veränderung der Druckverteilung / Profilbelastung mit der Anströmung


 Verlagerung des Staupunktes an der Vorderkante (VK) bei Veränderung von Inzidenz
 Gitterkonfiguration: Einfluss der ‚Solidity‘ =s/t (Kehrwert der relativen Teilung)
 Große Bedeutung der Geometrie an der VK

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Änderung der Druckverteilung mit der Inzidenz für
NACA65, C4 und DCA (Cumpsty)

 Profilfamilien unterschiedlich
tolerant gegenüber
Änderungen in der
Anströmung
 Großer Einfluss der
Vorderkantengeometrie
(Nasenradius)
 Einfach herzustellende
Geometrien (z.B. DCA unten)
oft sehr empfindlich gegen
geänderte
DCA
Strömungsbedingungen

„Double Circular Arc‘:


Zusammenbruch der
Druckverteilung bei kleinen
Inzidenzveränderungen

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Bewertung der Gitterverluste:
Verlustpolare bei Inzidenz mit Verlustbeiwert  (oft auch )

 Ziel: Abschätzung der möglichen Inzidenzveränderung (= Betriebsbereich) relativ zur


Anströmung A im Auslegungspunkt
 Vereinfachtes Kriterium für die Festlegung der Betriebsgrenzen:
Verdopplung des Verlustbeiwerts des Auslegungsfalls
 Verlauf nicht (zwangsläufig) symmetrisch
 Konventionell nutzbarer Inzidenzbereich bei moderaten Machzahlen ca. 8-15 Grad

p -p 
  
t1 t2

 p -p t1 1

Konvention für
sinnvoll nutzbaren
Bereich: 2 A

A


i<0 i>0
A

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Grenzschichtcharakter: Übergang von laminar auf
turbulent auf einer ebenen Platte (White, 1991)

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Umlenkung  und Verlustbeiwert  für NACA 65 (10) 06

 Vergleich von Experiment und


Korrelationen
 Erreichte Umlenkung:
- Steigt mit zunehmender
Inzidenz (1 ) und fällt mit
Rückeninzidenz
- Erreicht irgendwann Maximum
und fällt dann drastisch ab
 Verluste steigen in beide
Richtungen

 Typisches Minimum für


Verlustbeiwert bei ca. 0,02
 Regel ‚Maximal doppelter
Verlustbeiwert‘ (i.e. ~0,04) führt
hier zu einem Gesamt-
Betriebsbereich hinsichtlich
Inzidenz von ca. 13°

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Betriebsbereich NACA zu CDA (Cumpsty)

 Controlled Diffusion Airfoils erreichen deutlich größeren Betriebsbereich bei ähnlichen


Verlustbeiwerten im Auslegungspunkt

p -p 
 
t1 t2

 p -p 
t1 1

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Strömung und Betriebsbereich bei unterschiedlichen
Anström-Machzahlen (Tiedemann, TU Berlin)
Ma = 0,55 Ma = 0,75 (Auslegung)
Ölanstrich
Saugseite

Relativer
Verlust-
beiwert

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Abhängigkeit des Betriebsbereiches von der
Anströmgeschwindigkeit (Grieb)

 Mit der Anström-Machzahl variiert:


- Zulässiger Betriebsbereich hinsichtlich Inzidenz
- Niveau des Verlustbeiwertes

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Wirkungsgrade verschiedener Profiltypen bei
steigender Anström-Machzahl

 Durch Beschleunigung auf Saugseite


wird ab Makrit in Anströmung Überschall
erreicht
 Konventionell führt das zu einem
Verdichtungsstoß auf der Saugseite mit
entsprechend hohen Verlusten
 CDA-Profile kontrollieren die
Verzögerung so, dass kein senkrechter
Stoß auftritt
 Ergebnis:
- Fläche der Druckverteilung
wird größer = größere
Kräfte
- Keine Stoß-Grenzschicht-
Interaktion = geringere
Verluste und weniger
Blockage des Gitterkanals

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Beispiele von Verlustpolaren für verschiedene
Dicken der Profilnase bei Ma~0,5 (Carter, 1961)

 Smith: ‚Dünne‘ Vorderkanten


= großer Betriebsbereich???
 Scheinbarer Widerspruch zu
Erfahrung, z.B. Turbinenprofile
mit ‚dicker‘ Vorderkante haben
großen Betriebsbereich
 Fragestellungen:
- Wie muss Vorderkante
gestaltet sein, um Verluste
über einen großen
Betriebsbereich klein zu
halten? Stichwort: ‚Spikes‘
- Ändert sich die Auslegung
einer optimalen
Vorderkantengeometrie mit
der Anström-
geschwindigkeit?

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Einfluss der Kompressibilität auf die Ausbildung der
Vorderkantenumströmung (Goodhead, 2010)

 Kompressibilität führt zu deutlicher Veränderung der Stromlinien


 Durch starke Gradienten bei der Vorderkantenumströmung wird
Grenzschichtausbildung stark verändert

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Die Relevanz der Vorderkante bei Verdichterprofilen

 Übergang von kreisförmigen auf elliptische


Vorderkante mit dem Ziel der Vermeidung des
Grenzschichtumschlags im vorderen Bereich
der Saugseite

 Weitere Verbesserung der elliptischen


Vorderkante zur Vermeidung von ‚Spikes‘
 Robustes Design erforderlich zur
Berücksichtigung von Fertigungsabweichungen
und geometrische Veränderungen im Betrieb
(Erosion etc.)

Goodhand & Miller (Whittle Lab, 2010)

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Belastungskriterien eines Verdichtergitters

Wichtig: Relevante Strömungsgeschwindigkeit: Rotor = Relativ / Stator = Absolut


1. DeHaller-Zahl oder ‚Verzögerungsverhältnis‘: w2 / w1 > 0,7 bzw. c3 / c2 > 0,7
- berücksichtigt Strömungsablösung an Gehäuse und Nabe
- Verzögerung soll maximal 30% der Anströmgeschwindigkeit betragen

2. Belastungszahl (der Turbomaschinen): wu / u < 0,5 bzw. cu / u < 0,5
- Belastungszahlen gibt es in vielen Definitionen je nach Anwendungsfall, einige
z.B. abhängig vom Auftriebsbeiwert des Profils
- Limitiert zulässige Umlenkung und berücksichtigt Ablösegefahr an der
Profiloberfläche
- Bei Turbomaschinen spielt Umfangsgeschwindigkeit große Rolle zur Stabilisierung
der Strömung, daher ist sie hier auch Bezugsgröße
- Änderung der Umfangskomponente der Strömungsgeschwindigkeit nicht stärker
als 50% der vorliegenden Umfangsgeschwindigkeit
- In dieser Definitionsweise lässt sich die Belastungszahl direkt aus überlagerten
Geschwindigkeitsdreiecken ablesen
- Radialverdichter können aufgrund der durch die Fliehkraft stabilisierten Strömung
die Belastungszahl deutlich überschreiten, z.B. durch Vorwärtskrümmung. ABER:
Drastische Reduzierung des Wirkungsgrades durch Ablösegebiete

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3. Der Diffusionsfaktor nach Lieblein (1956 ff.): 1. Version

 Ziel:
Entwicklung eines allgemeingültigen Parameters unabhängig von Profilgeometrie
 Experimentelle Untersuchung mit NACA-, C- und DCA-Profilen
 ‚Designpunkt‘ war Inzidenz mit minimalem Verlustkoeffizienten
 Limitierung von möglicher Umlenkung und Druckaufbau durch Grenzschicht auf
Saugseite

Erster Ansatz:
 Definition des ‚Local Diffusion Factor‘
 Schwierig in der Bestimmung ohne CFD

 wmax - w2 
' Lokaler Diffusionsfaktor' : Dloc   
 w max 
wmax : Max. Geschwindi gkeit auf Profiloberfläche
w2 : Mittlere Abströmge schwindigk eit

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3. Der Diffusionsfaktor nach Lieblein (1956 ff.): 2. Version

 Zweiter Ansatz:
Beurteilung an Hand der resultierenden Grenzschichtdicke (= Strömungsstabilität)
 Vorteilhafte Kombination von DeHaller-Zahl und Belastungszahl PLUS der wichtigen
Gittergröße Teilungsverhältnis (je kleiner die relative Teilung, desto besser ist
Strömungsführung)
 Vereinfachung der Bestimmung durch Nutzung von
An- und Abströmgeschwindigkeiten, die sehr gut messbar sind

 w2  wu t
' Diffusionsfaktor DF' : DF  1     0,5
 w 1  2  w 1 s

Anwachsende
Grenzschichtdicke =
Steigende Gefahr
der Ablösung

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Zusammenhang der beiden Definitionen des
Diffusionsfaktors nach Lieblein

 ‚Fast‘ linearer Zusammenhang der beiden Kenngrößen für variable Inzidenz


 Rückeninzidenz: Kleinere Umlenkung  Kleinere Diffusionszahl
 Niveau des lokalen DF sehr unterschiedlich: kein geeigneter Parameter hinsichtlich
Allgemeingültigkeit, i.e. unabhängig von der gewählten Profilgeometrie

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