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Berechnungsansätze RTJ-Verbindungen 201

November 2020

Vorwort
Vorliegende Berechnungsansätze gelten unter Mitwirkung der Geometrien für Flansche nach ASME B16.5
und metallische Dichtungen nach ASME B16.20.

Die Berechnungsansätze gelten weiterhin unter Verwendung des Berechnungsmodells EN1591-1 und bei
Nutzung des Berechnungsprogramms Temes fl.cal.

Modifikationen am Berechnungsmodell EN1591-1 werden nur in den Punkten vorgenommen, die aufgrund
fehlender gesicherter Eingabewerte oder vom Berechnungsmodell für Dichtverbindungen mit
Flachdichtungen nach EN 1514 oder EN 12560 nicht abgedeckt werden.

Alle Modifikationen sind als Erweiterung des Berechnungsmodells zu betrachten, die sich sowohl an den
Grundlagen der Dichtungsauslegung als auch an Versuchsergebnissen (z.B. AMTEC) oder praktischen
Erfahrungen (EIT GmbH) orientieren.

1. Grundlagen
1.1 Die Berechnung von Dichtverbindungen basiert immer auf folgenden Berechnungsansätzen:

- Die Dichtung muss immer mit einer bestimmten Mindestflächenpressung beaufschlagt

werden, um ein Austreten des Mediums zu unterbinden.

- Die Dichtkraft für den drucklosen Zustand muss immer mindestens um den Betrag erhöht
werden, der z.B. über Druck oder Temperaturwechsel dichtungsentlastend wirkt.

- Die Dichtung darf nicht über einen Maximalwert belastet werden, da die Dichtung sonst
zerstört wird.

- Liegt die Dichtung im Kraft-Hauptschluss und die Flanschverbindung wird durch Schrauben
verspannt, entsteht ein Biegemoment MB in den Flanschen mit dem Hebelarm von
Dichtungsmitte bis Schraubenmitte.

- Dem Biegemoment wird ein Widerstandsmoment WB der Flanschblätter entgegengesetzt.

- Die von den Schrauben aufzunehmende Zugkraft wird üblicherweise über ein Gewinde oder
eine direkte Einleitung mittels Dehnzylindern eingeleitet.

- Die zwischen den Dichtflächen verspannte Dichtung setzt der auf sie einwirkenden Dichtkraft
einen Widerstand in Form des Elastizitätsmoduls entgegen.

- Es werden die Zustände Einbau, Prüfung und Betrieb betrachtet.

Schutzvermerk: Vorliegendes Dokument ist das geistige Eigentum der Ernst Industrietechnik GmbH. Dieses Dokument darf
nur mit Genehmigung der Ernst Industrietechnik GmbH verwendet und weiterverbreitet werden. Eine Weiterverbreitung ist nur
unter Angabe der Quelle „EIT GmbH“ zulässig.

Ernst Industrietechnik GmbH – Tel +49 34976 38 04 92 – www.ernst-industrietechnik.de – info@ernst-industrietechnik.de

 1.2 Rechnerische Nachweise

- Dichtheit: Nachweis, dass in keinem betrachteten Zustand die Dichtpressung der Dichtung
unter die Mindestdichtpressung abfällt

- Festigkeit der Schrauben: Die aufgebrachte Schraubenkraft unterschreitet für jeden

betrachteten Zustand die Kraft, die den tragenden Querschnitt über den Wert Rp0,2 bzw.
Rp0,2T belasten würde. Bei Schrauben mit durchgehendem Gewinde ist der
Spannungsquerschnitt nach DIN13 anzusetzen, bei Dehnschaftschrauben der Querschnitt
des Dehnschafts.

- Festigkeit der Flansche: Die aufgebrachte Schraubenkraft unterschreitet für jeden

betrachteten Zustand die Kraft, die den Flanschquerschnitt des schwächeren Flansches
über den Wert aus MB/WB belasten würde.

- Alle Berechnungen werden unter Beachtung regelwerkskonformer Sicherheitsbeiwerte

durchgeführt.

2. Übertragung auf RTJ-Verbindungen

2.1 Erweiterung des Berechnungsmodells auf RTJ-Verbindungen

Die oben genannten Ansätze sind für die Berechnung von RTJ-Verbindungen nur über eine
Weiterentwicklung anwendbar, da das Berechnungsmodell als Grundlage Dichtungen mit konstanter
Breite und definierter Entlastungskurve nach EN 13555 annimmt, die aber auf RTJ-Dichtungen nur
eingeschränkt übertragbar sind.

- Bei Dichtungen erfordert der Ansatz eines E-Moduls eine Gegendichtfläche, die vollflächig
wirkt. RTJ-Dichtungen liegen jedoch in einer abgeschrägten Nut, bei der ein Teil der
Dichtung in Achsrichtung ohne Flächenbelastung bleibt. Da der Widerstand bei RTJ-
Dichtungen nur über die vektorielle Kraft aus der Schräge der RTJ-Nut kommt, muss der
eingegebene E-Modul eigentlich deutlich kleiner sein als der des Stahls der Dichtung, da der
elastische Widerstand abzüglich des Fließverhaltens als Berechnungswert angesetzt
müsste. Das macht sich erfahrungsgemäß besonders bei der Berechnung mit kleinen
Dichtungsdurchmessern bei hohen Temperaturen bemerkbar.

- Da es bei RTJ-Dichtungen keine vollflächige Auflage gibt, kann die Dichtung unter Belastung
weiter verformt werden, so dass sich die tragende Dichtfläche mit steigender Belastung
verbreitert und die Fläche zwischen Dichtung und Nut undefiniert ist.

- Eine Überlastung der Dichtung ist nicht möglich, da sich die Dichtfläche bei ovalen RTJ-
Dichtungen mit steigender Verpressung vergrößert bzw. sich bei oktogonalen Dichtungen
die Schrägen aneinander anpassen.

- Die Dichtfläche prägt sich sowohl an der Dichtung als auch in der Nut aus. Abflachungen
führen auch zur Werkstoffverfestigung, so dass die Werkstoffkennwerte (Härte) der Dichtung
nur bis zum Einbau messbar sind.

- Unter Temperatureinfluss verändert sich das Verhalten der Dichtung noch einmal. Alle
Bauteile erwärmen sich, dehnen sich aus und die Dichtung wird durch die
Wärmeausdehnung der Flansche und die langsamere Aufheizung der Bolzen noch einmal
höher belastet.

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 2.2 Wirksame Berechnungsansätze

Um sinnvolle Berechnungsergebnisse bei der Berechnung von RTJ-Verbindungen zu bekommen,

müssen folgende Ansätze getroffen werden:

- Dichtungskennwerte ähnlich einem Entlastungsversuch von Flachdichtungen sind aufgrund

fehlender Flächenpressungen (undefinierte Dichtflächenbreiten können nicht ins Verhältnis
zur Dichtkraft gesetzt werden) und eines nicht ermittelbaren E-Moduls nicht verfügbar.

- Aufgrund der Ausprägung einer Dichtfläche, beginnend in Linienform, die mit steigender
Belastung immer breiter wird, kann man als Wert für die Mindestflächenpressung Qsmin =
210 MPa ansetzen – als Richtwert, dass bei etwa diesem Wert die plastische Verformung
bei Edelstahl einsetzt.

- Die zulässige Flächenpressung kann beliebig hoch gewählt werden. Durch die Verbreiterung
der Dichtfläche stellt sich bei ovalen RTJ-Dichtungen etwa der Wert von Rp1,0T ein. Der
Ansatz hoher zulässiger Flächenpressungen dient nur dazu, dass das Programm keine
Fehlermeldung ausgibt. (Bezug auf Versuche zur Dichtungscharakteristik von RTJ-
Dichtungen der Firma AMTEC)

2.3 Berechnungsgang:

Berechnungen von RTJ-Verbindungen mit dem Programm Temes fl.cal führen aus unserer
Erfahrung nicht immer zu plausiblen Ergebnissen. Plausibilität bedeutet in diesem Fall, dass die
zulässigen Kräfte und Momente im gleichen Bereich wie bei der Verwendung von anderen
Dichtungstypen liegen müssen, da sich weder die geometrischen von Schrauben, Muttern oder
Flanschen ändern und da auch die Belastungsansätze wie Biegemomente oder Werkstoffverhalten
gleich bleiben.

Daher ist es sinnvoll, in einem ersten Schritt die Berechnung mit einer Dichtung durchzuführen, bei
der es bezüglich des Berechnungsmodells keine Einschränkungen gibt.

2.3.1 Berechnung der Dichtverbindung ohne Berücksichtigung der RTJ-Dichtung, indem

anstelle der RTJ-Dichtung eine Kammprofildichtung in den Berechnungsgang
eingesetzt wird. Innen- und Außendurchmesser der Kammprofildichtung werden
dabei identisch der Maße der RTJ-Dichtung genommen. Auf diesem Weg ist die
Biegesteifigkeit der Flansche und die maximal zulässige Schraubenkraft zu ermitteln

Der nachfolgende Berechnungsgang mit der RTJ-Dichtung muss im Berechnungsergebnis auf etwa
den gleichen Wert für zulässige Schraubenkräfte oder das Anzugsmoment kommen.

2.3.2 Einsetzen der Werte für die RTJ-Dichtung in den Berechnungsgang: Da es sich um
die gleichen geometrischen Verhältnisse wie bei der Kammprofildichtung handelt,
können die Eingabewerte, die nicht definiert sind, derart manipuliert werden, bis das
Berechnungsergebnis für die zulässigen Kräfte identisch dem unter Ansatz der
Kammprofildichtung ist.

2.3.3 Bei den Ergebnissen sind Abweichungen bei der Mindestdichtkraft zu erwarten. Da
die Montagevorgaben jedoch auf der Verwendung der maximal zulässigen Werte
basieren, sind diese Abweichungen ohne Bedeutung.

Als weiteren Richtwert für die Plausibilität des Berechnungsergebnisses kann man berechnen:

zulässige Schraubenkraft F = Rp0,2 x Spannungsquerschnitt Schraube x 0,7 … 0,9

Damit erhält man einen guten überschläglichen Wert, in welchem Kraftbereich das
Berechnungsergebnis der Berechnung nach EN1591-1 sinnvollerweise liegt.

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 3. Sicherheitsbeiwerte
Da die EN1591-1 selbst keine Sicherheitsbeiwerte vorgibt, empfehlen wir den Ansatz gemäß
VDIN2505.

3.1 Flansche

Punkt 5.3.2: Einbau und Prüfung: S=1,1 / Betrieb: S=1,5

3.2 Schrauben

Nach Tabelle 6.2

Starrschrauben: Schrauben mit Kopf oder Schrauben in den Flansch eingeschraubt

Einbau und Prüfung: S=1,3 / Betrieb: S=1,8

Dehnschaftschrauben: Schrauben DIN2510/3 mit Muttern DIN2510/5

Einbau und Prüfung: S=1,1 / Betrieb: S=1,5

Schrauben mit durchgängigem Gewinde

Einbau und Prüfung: S=1,3 / Betrieb: S=1,8

Hier ist jedoch zulässig: Einbau und Prüfung: S=1,1 / Betrieb: S=1,5, wenn die Klemmlänge der
Schrauben > 2x Nenndurchmesser ist. Diese reduzierten Sicherheitsbeiwerte sollten jedoch nur bei
gerolltem und nicht bei geschnittenem Gewinde angesetzt werden.

4. Schraubenauslastung
Als Einstellkraft für die Flanschverbindung ist die maximal zulässige Schraubenkraft anzusetzen. Die
Dichtpressung kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Schraube als das elastische Element der
Dichtverbindung möglichst hoch ausgelastet ist. Die aufgebrachte Schraubenkraft dehnt die
Schraube. Die Rückstellkraft – also das Bestreben, in die Ursprungslänge zurückzugehen – ist somit
die wirksame Kraft, die auf die Dichtung einwirkt.

Da sich die RTJ-Dichtung nach dem Einbau wie ein extrem hochviskoses Material verhält, dass
unter Einwirkung der Schraubenkraft in den ersten Stunden noch etwas fließt, empfiehlt es sich, die
Schraubenkraft bei der Montage mit einem Hydraulikschrauber mit etwa 95% einzustellen und ca. 4-
6 Stunden später noch einmal mit 100% nachzuspannen. So umgeht man, beim späteren erneuten
Aufbringen von 100% ein zu hohes Abreißmoment überwinden zu müssen. Beim Einsatz des
Bolzendehnverfahrens können sowohl bei der Montage als auch dem Nachspannen 100%
aufgebracht werden, da dieses Verfahren weitgehend reibungsfrei arbeitet.

5. Dichtungsänderung oval / oktogonal

Der Austausch einer oktogonalen RTJ-Dichtung gegen eine ovale ist problemlos möglich, da sich die
RTJ-Nut nicht verändert und sich bei einer Abdichtung mit einer oktogonalen Dichtung die
Dichtflächen zwar anpassen, aber nicht verformen bzw. nahezu keine Deformation der Oberfläche in
der Nut entsteht.

Umgekehrt ist es nur möglich, eine ovale Dichtung gegen eine oktogonale auszutauschen, wenn
man die Dichtfläche der Nut vor dem Einsatz der geänderten Dichtung überarbeitet. Ovale
Dichtungen wirken durch ihre Verformung und Anpassung, verformen aber auch immer die
Gegendichtfläche in der Nut. Ohne Überarbeitung hätte die oktogonale Dichtung keine definierte
Dichtfläche.

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