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Studienjahr 2024 Sprachwissenschaft


4. Vorlesung Dr. Nahla Mohey
Sprachliches Zeichen

Nach dem Schweizer Sprachphilosophen Ferdinand de Saussure


(1857-1913) ist Sprache ein Zeichensystem.

Für Saussure besteht die Sprache aus Zeichen, welche Ideen


ausdrücken. Sprachliche Zeichen sind, laut ihm, materielle Einheiten, die
bestimmte Bedeutungen besitzen. D.h. ein sprachliches Zeichen
verbindet die Vorstellung, die der Mensch von einem Symbol hat, mit
dem Lautbild, das zu diesem Symbol gehört.

Sprachliche Zeichen sind unterteilbar in Signifikat (Bezeichnetes)


und Signifikant (Bezeichnendes). Diese Unterteilung wird
auch bilaterales oder zweiseitiges Zeichenmodell genannt:

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Das linguistische Zeichen hat nach Saussure (1916) zwei wesentliche
Eigenschaften:

a. Die Beziehung zwischen Bezeichnendes und Bezeichnetes ist


willkürlich (arbiträr), d. h. ohne interne, natürliche Motivation, und
gründet sich auf Konvention.

b. Die Lautgestalt (signifiant) ist linear auf der Zeitachse angeordnet.

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Ferdinand de Saussure - Langage, Langue und Parole /
Signifikant, Signifikat / Bedeutung

Langage, Langue und Parole

„Saussure unterscheidet bei der Sprache drei Aspekte, die er mit drei
unterschiedlichen Ausdrücken bezeichnet:

• Langage ist dabei die menschliche Sprache an sich, das biologische


Vermögen des Menschen zu sprechen;

• Langue verweist auf eine Sprache im Sinne einer bestimmten


Einzelsprache wie Französisch oder Deutsch, als ein abstraktes System
von Regeln, aber auch auf innersprachliche Systeme (Lautsprache
– Gebärdensprache);

• Parole ist das Sprechen, also der konkrete Akt des Sprachbenutzers,
der spezielle Sprachgebrauch.

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Zusammenfassung

Der vorwissenschaftliche Begriff von Sprache wird seit Saussure 1916 in


folgender Trichotomie gegliedert:

1. langage: eine Tätigkeit, die charakteristisch für die species


humana ist und der eine menschliche Fähigkeit zugrunde liegt;
2. langue: eine an eine bestimmte menschliche Gemeinschaft (im
einfachsten Fall ein Volk) gebundene historische Ausprägung der
Tätigkeit #1, also eine sozial und historisch bestimmte
traditionelle Weise, sie auszuüben;
3. parole: die jeweilige Ausübung dieser Tätigkeit, also
die Aktualisierung der Tätigkeit #1 gemäß den Konventionen
von #2.

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Sprachwissenschaft - was ist das?
Die Sprachwissenschaft als Wissenschaft

Die Sprachwissenschaft ist im Prinzip deskriptiv, nicht präskriptiv: sie will


nicht vorschreiben, was in einer Sprache ‚richtig‛ ist oder wie die Sprache
verwendet werden soll, sondern einfach beschreiben, wie die Sprache ist
(oder war) und wie sie von den SprecherInnen verwendet wird.

Die Sprachwissenschaft versteht sich, zumindest teilweise, als eine


empirische Wissenschaft: Sie will etwas über die wahrnehmbare
Wirklichkeit anhand von Experimenten und Beobachtungen sagen und
Ergebnisse liefern, die (zumindest im Prinzip) als wahr oder falsch
bewiesen werden können. Manche Richtungen und Schulen der
linguistischen Forschung kommen aber auch den nicht-empirischen
Wissenschaften (so wie Philosophie, Mathematik oder Logik) sehr nahe
und können theoretische Sprachwissenschaft genannt werden.

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Was ist und wozu dient Sprachwissenschaft?
Sprachwissenschaft ist, wie der Name sagt, Wissenschaft von der
Sprache. Dasselbe meint der Terminus "Linguistik" (lat. lingua "Zunge,
Sprache").

Was ist Linguistik?

Linguistik/Sprachwissenschaft ist die wissenschaftliche Untersuchung


menschlicher Sprache, ihrer Struktur, ihrer Geschichte, ihres Erwerbs und
ihres Gebrauchs in der Kommunikation.

In der Systemlinguistik werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede


zwischen Sprachen erforscht sowie systematische Beschreibungen von
Einzelsprachen, z.B. dem Englischen, erarbeitet. Die Systemlinguistik
gliedert sich in folgende Bereiche:

▪ Phonetik und Phonologie - die Erforschung sprachlicher Laute und ihrer


Regeln
▪ Morphologie - Wortbildung und Wortstruktur
▪ Syntax - Satzbau
▪ Semantik - Bedeutungslehre
▪ Pragmatik - Gebrauch von Sprache

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Darüber hinaus gibt es viele Bereiche in der Linguistik, die sich mit der
Entwicklung und dem Gebrauch der Sprache beschäftigen. Zum Beispiel
erforschen SprachwissenschaftlerInnen wie Sprachen erlernt werden, wie
sich Sprachen verändern und wie sie in Produktion und Verständnis oder
von unterschiedlichen sozialen und ethnischen Gruppen gebraucht werden.

Diese Fragen werden in den folgenden Bereichen untersucht:

▪ Historische Sprachwissenschaft/Diachronie - Geschichte und Wandel


von Sprache
▪ Soziolinguistik- Sprachgebrauch in sozialen Kontexten
▪ Psycholinguistik - Sprachverarbeitung in Produktion und Verständnis
▪ Neurolinguistik - Sprache im Gehirn
▪ Spracherwerb und Bilingualismus - Erwerb von Sprache(n) durch Kinder
und Erwachsene
▪ Anthropologische Linguistik - Sprache in verschiedenen ethnischen
Kontexten
▪ Dialektologie - sprachinterne Variation
▪ Computerlinguistik - Sprache als formaler Algorithmus

Die Sprachwissenschaft steht im Dialog mit vielen anderen Fächern und


Disziplinen in den Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften, z.B.

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Philosophie, Psychologie, Literaturwissenschaft, Sprachdidaktik und
Pädagogik, Soziologie, Biologie, Informatik und Lebenswissenschaften.
Durch das Studium der Sprachwissenschaft entdecken Sie spannende
Dinge über Sprache, die nützlich sind für das Sprachenlernen, das
Unterrichten von Sprachen und die Kommunikation.

Teilgebiete der Sprachwissenschaft

• nach Strukturebene
• Die kleinsten Bestandteile: Laute – Phonetik, Phonologie
• Morpheme – Morphologie (Formenlehre)
• Sätze und Satzteile – Syntax (Satzlehre)
• Ganze Texte und Gespräche: Stilistik; Textlinguistik; Diskursforschung,
Gesprächsforschung...
• Bedeutung (Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit): Semantik
• Verwendung(en) der Sprache (Beziehung zwischen Sprache und
sozialen, zwischenmenschlichen Handlungen): Pragmatik

• nach Methoden und Annäherungen


• empirisch, deskriptiv-ethnographisch, funktional / theoretisch,
philosophisch-logisch, formalistisch
• qualitativ / quantitativ (Korpuslinguistik, statistische Studien)

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• nach Anwendung
• theoretische und deskriptive (‚reine‛) Linguistik
• angewandte Linguistik: Sprachunterrichtsforschung, Translatologie,
Theorie und Forschung der Sprachplanung und Sprachpolitik, forensische
(Rechts-, juristische) Linguistik, klinisch-pathologische Linguistik (z.B.
Forschung und Therapie von Sprachstörungen), Computerlinguistik
(Entwicklung von Sprachtechnologien) ...

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