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Existenzformen (Erscheinungsformen) der Sprache

Eine Sprache ist nicht etwas in jeder Hinsicht Einheitliches. Unterschiedliche Bedingungen und
Bedürfnisse der sprachlichen Kommunikation führen zu verschiedenartigen Differenzierungen. In der
Linguistik wird von verschiedenen Erscheinungsformen (Existenzformen) einer Sprache gesprochen.
Die Gesichtspunkte, unter denen die Aufgliederung erfolgt, sind
- der territoriale Gesichtspunkt (Geltungsbereich)
- der soziale Gesichtspunkt (gesellschaftlicher Träger)
- der Äußerungsaspekt (gesprochene oder geschriebene Sprache)
Diese Aspekte sind jedoch nicht jeweils auf die eine oder die andere Erscheinungsform beschränkt,
sondern sie überdecken sich gegenseitig. Bei der Einteilung der Erscheinungsformen der Sprache
entscheidet ihre Dominanz. So dominiert z.B. bei der Mundart der territoriale Aspekt.
Die Erscheinungsform der Sprache, die als Verständigungsmittel innerhalb der gesamten
Sprachgemeinschaft fungiert, wird oft die Gemeinsprache oder Standardsprache genannt. Sie ist
allgemeingültig, für alle Gesellschaftsgruppen und in allen Teilen des Sprachgebietes verständlich, sie
entspricht den Kommunikationsbedürfnissen der gesamten Gesellschaft und ist zum Ausdruck aller
Inhalte geeignet. Sie charakterisiert sich durch eine einheitliche lautliche, grammatische und
lexikalische Norm, die in (Aussprache)Wörterbüchern, Grammatiken usw.) kodifiziert ist. Die Norm
tritt in einer gesprochenen und in einer geschriebenen Variante (als Sprechnorm und Schriftnorm) auf.
Mundart und Dialekt werden heute meist synonym gebraucht. Darunter versteht man die auf wenige
oder einzelne Ortschaften beschränkte, landschaftlich gebundene Form der gesprochenen Sprache. Sie
unterscheidet sich von anderen Mundarten und von der Standardsprache in allen Sprachbereichen
(Lautebene, Wortbeugung, Wortschatz, Satzbau und Idiomatik). Es ist also eine lokale oder regionale
Sprachvarietät. In einem Lande gibt es oft viele Mundarten, die sich durch größere oder geringere
Besonderheiten unterscheiden. Früher wurde unter einem Dialekt eine sprachwissenschaftliche
Abstraktion verstanden, die die sprachlichen Gemeinsamkeiten einer Reihe von Mundarten
bezeichnete. Es gibt auch eine andere Interpretation: Mundart bezieht sich auf die gesprochene Sprache
– in ihrer spezifischen regionalen Ausprägung (die Art und Weise, wie die Worte ausgesprochen
werden). Diese Art der Aussprache ist „angeboren“ und sozusagen unbewusst. Manchmal werden
Dialekte als großräumiger den kleinräumigeren Mundarten gegenübergestellt.
Umgangssprache – ist eine überregionale Form der vorwiegend gesprochenen Sprache. Es ist die am
meisten verbreitete Form des heutigen mündlichen Sprachgebrauchs. Es ist die Sprache des Alltags,
also ein Ausgleichprodukt zwischen Mundart einerseits und Standardsprache andererseits. Sie weist
verschiedene Schichten auf – eine, die den Mundarten noch verhältnismäßig nahe steht, und weitere
Schichten, die sich der Standardsprache immer stärker annähern.
Die Gliederung der Sprachgemeinschaft in soziale Gruppen, also die Betrachtung der Sprache nach
dem Träger, liegt zugrunde, wenn von Gruppen-, Standes-, Fach- oder Berufssprachen die Rede ist.
Dabei handelt es sich niemals um selbständige Sprachen, sondern weitgehend um Sonderwortschätze,
d.h. spezielle Merkmale oder Nuancen des allgemeinen Wortbestandes und der Phraseologie (feste
Redewendungen). Die verschiedenen sozialen Gruppen treffen aus dem allgemeinen Wortbestand der
Gemeinsprache eine unterschiedliche Auswahl: benutzen bestimmte Wörter und Wendungen mit
Vorliebe, meiden andere, bilden besondere Ausdrücke, übernehmen fremdes Sprachgut oder
verwenden manche Wörter und Wendungen in einer Bedeutung, die nicht selten vom allgemeinen
Gebrauch abweicht. Sie schaffen sich auf diese Weise einen Sonderwortschatz.
Fachsprachen sind Sonderwortschätze verschiedener Berufe sowie der einzelnen Zweige der Technik
und der Wissenschaften (für Berufe wird auch der Ausdruck – Berufssprachen benutzt).
Sprache und Sprechen
Mit dem deutschen Wort Sprache kann eine „Einzelsprache” gemeint sein oder aber auch „das
Sprechen”. Auf die Notwendigkeit dieser Unterscheidung hat besonders eindringlich Ferdinand de
Saussure aufmerksam gemacht durch seine Entgegensetzung von langue (die Sprache, das
Sprachsystem) und parole (der Bereich des Sprachgebrauchs, der Äußerungen und Texte). Saussure
war ein bedeutender Schweizer Sprachwissenschaftler und einer der einflussreichsten Autoren der
strukturalistischen Linguistik des 20. Jahrhunderts.
Langue bezeichnet Sprache als ein System von Zeichen, die zueinander in festen Beziehungen stehen,
sich gegenseitig bedingen. Langue stellt die Ressourcen (notwendige Grundlage für einen bestimmten
Zweck) zur Verfügung, die allen Sprachäußerungen zugrunde liegen. In deren Bildung spielen aber
auch viele andere Faktoren eine Rolle, nicht nur sprachliche: z.B. Absichten, soziale Gegebenheiten,
Stimmungen. Die Sprache hat sozialen Charakter, weil sie vollständig nur in der Masse aller Sprecher
einer Sprachgemeinschaft existiert. Das Individuum muss sie lernen und kann sie allein nicht
verändern.
Parole, auch Sprechen oder Rede ist die Realisierung der langue in individuellen Sprechereignissen;
ein konkreter Sprechakt. Es ist also die Aktivierung des Sprachsystems durch das Individuum in der
Sprachrealisation, d.h. im konkreten Gebrauch der Sprache, sei es beim Sprechen oder beim Schreiben.
Parole ist abhängig von den zum Sprechen und Hören notwendigen menschlichen Organen.
Langage ist die Bezeichnung für langue und parole, die sich gegenseitig bedingen. Der langue wird
aber der Vorrang gegeben, weil die Sprachfähigkeit bleiben kann, auch wenn die zum Hervorbringen
der Sprache notwendigen Organe gestört sind. Ebenso können tote Sprachen erforscht werden.
Eine ähnliche Teilung führte Noam Chomsky, ein berühmter amerikanischer Linguist durch. Er gilt als
der Begründer der modernen Linguistik und einer der Gründerväter der Kognitionswissenschaften. Bei
ihm gibt es auch eine Zweiteilung, und zwar Kompetenz und Performanz.
Linguistische Kompetenz (Sprachkompetenz) ist die Gesamtheit der linguistischen Kenntnisse eines
Muttersprachlers. Diese Kenntnisse befähigen ihn dazu, alle richtigen Sätze der betreffenden Sprache
zu erzeugen und damit auch beliebige neue, vorher nicht gehörte Sätze nach den grammatischen Regeln
zu bilden, allen Sätzen Strukturen zuzuordnen und auf Grund der Grammatik darüber zu entscheiden,
ob ein gegebener Satz grammatisch richtig ist bzw. ob und in welchem Grade er grammatisch abweicht.
Performanz (Sprachverwendung) ist die Verwendung des in Form einer Generativen Grammatik
gegebenen Sprachsystems zur Bildung von Sätzen und Äußerungen in konkreten Situationen zum
Zweck der Kommunikation. Die Performanz wird bei Chomsky der Sprachkompetenz starr
gegenübergestellt.
Die Existenz der langue ist eine notwendige Voraussetzung für die parole. Gäbe es dieses System
nicht, könnten die Sprecher die Sprache nicht zur Kommunikation benutzen. Parole ist die historische
Voraussetzung der langue, ist ihr Instrument und zugleich aber auch ihr Produkt. Die langue kann nur
studiert werden auf der Basis aktueller Äußerungen (parole), aus denen das System deduziert wird.

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