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GESCHICHTE

DER DEUTSCHEN NOVELLE


VON GOETHE BIS ZUR GEGENWART

VON

JOHANNES KLEIN
PROFESSOR FÜR NEUERE DEUTSCHE LITERATURGESCHICHTE

AN DER UNIVERSITÄT MARBURG

VIERTE, VERBESSERTE UND ERWEITERTE AUFLAGE

FRANZ STEINER VERLAG GMBH· WIESBADEN


1960
Inhalt
XX
· " S70 ,, D er T cm 1wlschlaf" 570, Sammlung „Stern über dem
570, ,,De, K l u tcnsLCJl1 . , ,· "
C h ans": ,, U ltra rno n tcs " ; ,,Dn G l ,lf l\,1rabcau 570) 570
2 Hans Franck · · · · · · · · · · · · · · · · · J 1· · ,;572 ·D: S" d . .
· (,,Deutsc1e
1 E rza"111
1 tun
st" 570 , ,, Das Osterhäschen" 571, ,,We c1en? , ,, 1e u see-
Insel" 572) 573
0
EINLEITUNG
D w ern er Ber gengruen · · · · · · · · · · · · .' h · " · 57°5 „D er ~p~ni; ch~
\:) ( ,Der Schacht" 57 4, ,,Die drei Falken" 57 4, ,,Das Feuerze1c en ,
Rosenstock" 576, ,,Das Hornunger Heimweh" 577) 577
WESEN UND ERSCHEINUNGSFORMEN
4 Heinrich Zillich · · · · · · · · · · · · · · · · · · · h·
· (,,Der Urlaub" 578, ,,Die gefangene Eiche" 578, ,,Der Säbel" 578, ,,Der baltisc e
DER DEUTSCHEN NOVELLE
Graf" 578) BEGRIFFSBESTIMMUNGEN, ABGRENZUNGEN GEGEN VERWANDTE FORMEN
580
5 Paul Alverdes . · · · · · · · · · · · .' · · ;, · · 1>·1: ;, 581 D' UND VERGLEICHE
·( D d F'edel" 581 Das Wort" 581, ,,Die Flucht 581, ,, _.,_1 ian , ,, ie
egen un 1 , " . " 83) 1. Europäische Herkunft
„ p 'n" 582 , ,, Das Zwiegesicht" 583, ,,Grimbarts Haus 5
1etzte e1 583
587
0

6. Karl Ude · · · · · · · · · · ·,, · · jy · R. · ·" Di~ Pferde auf Die ersten Vorläufer der europäischen Novelle sind die sogenannten l§j,o.graphien
( Das Ringen um die Franziscus-Legende 584, " ie ettung . ' " b " 588)
1i'lsenhöhe" 588, ,,Vierzehn 'Tännlein zu viel" 588, ,,Abenteuer im Dezem er der Troubadours. Diese knappen Lebensabrisse, von unbekannten Verfassern, die
589 die Situationen der Troubadour-Gedichte zu Lebensläufen fügen, sind ernst. Das
7. SteGf~n ~ndrp·es d' " 589 . H. ag. ia. M.on~" .590, :.D~s An~li~z". 59.1, ·,,Die .un~la~b~ lag in der Auffassung von der Minne. Die Geschichte des Jaufre Rudel etwa, entstan-
( aste 1m ara 1es , ,, , M eh d' b"
;ürdige Reise des Knaben Titus" 591, ,,Die Vermummten' 592, ,,Der ens en ie den vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, gibt die Liebesgeschichte Jaufres und der
594, ,,Wir sind Utopia" 594) Gräfin von Tripolis.
Der Liebende ist als Kreuzfahrer nach Tripolis gereist, um die Gräfin zu sehen und erkrankt
Siebenundzwanzigster Teil: Gertrud von le Fort tödlich. Die Gräfin hört von ihm; in ihren Armen bekommt er Gesicht und Gehör wieder,
so daß seine Sehnsucht sich noch erfüllt. Dann stirbt er ihr unter den Händen. Aus Schmerz
598
1. Struktur von Leben und Werk wird sie Nonne.
600
2 Die Letzte am Schafott" . . . · · Diese frühe Vorform der Novelle zeigt schon die Wendung zum persönlichen ,
602
3: '.'.Die Abberufung der Jungfrau von Barby" 603 Schicksal, die zum Grundzug der Novelle werden sollte, wenn auch die Konvention
4 Die Tochter Farinatas" · · · · · · · · · · · · ··
· (,,Die Tochter Farinatas" 604, ,,Das Gericht des Meeres" 605, ,,Die
Conso
· ,·ata;, 606
,
der hohen Minne unverkennbar bleibt. - Bezeichnend ist weiter die überraschende,
tragische Wendung des Schicksals: unmittelbar nach der Erfiillung kommt der Tod.
,,Plus ultra" 606) 607 -'- Auch die Prosaform ist in diesen „Biographien" schon erreicht.
5 Gelöschte Kerzen" . . . . , , · · · · Zu den Vorläufern der Novelle sind weiter die\ E~pla zu rechnen, knappe Ge-
· (,,Die Verfemte" 607, ,,Die Unschuldigen" 607) 609 schichten zur Erläuterung oder zur Belebung der 'r'redigt. Ohne daß in ihnen eine
6. ,,Am Tor des Himmels" 612 durchgängige Form sichtbar würde - sie sind Rohstoff -, sind in ihnen schon viele
7. ,Die Frau des Pilatus" . . , 616
8. '.,Der Turm der Beständigkeit" ,,, ngewöhnliche Geschehnisse gesammelt, die ebenso gut bestätigen wie die Aufmerk-
samkeit auf das Leben selbst lenken konnten.
Achtundzwanzigster Teil: Friedrich Franz von Unruh In der wirklichkeitsfrohen Renaissance entsteht dann recht eigentlich die Novelle. ,
622
Man begriff, daß man das Leben nicht mit Märchen und Fabeln zu schmücken
1. Struktur von Leben und Werk . , · · · · · · · · · · · · · 624 brauchte (wenn im Anfang auch Mischungen noch vorkamen), weil das Wunderbare
2. Das Formproblem der N ovelle , , · · · · · · · · · · · · · nicht von handgreiflichen Wundern abhängt. Darin lag der Realismus. Aber als man
(,,Die Kunst der Novelle" 624 f.) " 626 bestimmte Begebenheiten auf ein Ereignis auszurichten suchte, das auffällig war, er-
3 Das Trauerspiel des konsequenten Lebens: ,,Tresckow , · ·. · · · · . · 631 fand man die n'eue Kunstform. Das alles war keimhaft in den „Biographien" aus
· D' B "! · der über·gewalt· Novellen vom ersten und zweiten Weltkrieg
4. 1e ewa tigung · · h " 637) der Provence vorhanden, wurde aber bewußter ausgestaltet und unter eine andere
(,,Nach langen Jahren" 631, ,,Die jüngste Nacht" 635, ,,Die So nesmutter . . 637
Gesinnung gestellt. Die Novelle trug also alsbald ein Doppelgesicht. Sie entstand aus
5 Blick auf die Liebesnovellen · · · · · · · · · · · .· · ·.d · w· ·11· ;, 638)
· (,,Das Wagnis" 637, ,,Die Heimkehr" 637, ,,Vineta" 638, ,,Liebe w1 er i en dem Bedürfnis, Neues und Seltenes mitzuteilen; daher der Name: novella, Neuigkeit.
639
Vorläufiger Abschluß und Ausblick · · · · · · · · · · · Aber sie erreichte dabei eine fast lebensferne Form - wie das Gedicht!
641
Zeittafel I: Die Dichter: . . . · 643
Boccaccio, nicht der erste, aber der eigentliche Novellist Italiens und für die euro-
Zeittafel II: Die Jahre der Novellen 651 päische Geistesgeschichte der Begründer der Novelle, schilderte das Leben um des
Literatur 667 Lebens willen. Seine Geschichten hatten eine „Moral" im Sinn einer Pointe, aber sie
N ovellenregister war nicht immer moralisch, und die Grundhaltung war immoralisch, nämlich gleich-
Deutsche Herkunft 3
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
2 handelt, zu der ihm bestimmten Braut h , f .
so von se iner män nlid1 cn Sd1önhi t c-e11:1fgferu en'. u~ld beim Wiedersehen ist Leocadia eben-
gültig gegen sittliche Wertun gen. i n anmutigem Vortr:1g wollte Boccaccio weniger der . k
wir t. All h . ' ,gn
es, e1ßt es am Sdiluß · 1 b . f, ..en wie 1 irc . .
z.u c-stra hlen d c Sd10nhe1t
.. . auf ihn
inneren Formung des Menschen dienen als der schönen äußeren form . W cnn er trotz- . d d , ist 1er e1ge u1lrt durch d·e M di d H"
dem ein Bildner in jeder Hinsicht wurde, so bildete er den ästhetischen, nicht den sitt- BI utes, mit. em er kleine Luis den E rdb od en benetzt hatte. i a t es immels und des
Auch hier kommt ein Ringschluß u d . h . .
lichen Menschen. die mit Gewalt errungen und darum kn . emLe' gbe ~1me J?iale~tik vor. Aus der Liebe,
Das Modell einer echten Novelle wurde die berühmte Geschichte von Federigo und . 'eh . eme 1e e 1st wird die f . ·1r .
was m s1 wieder ein feiner Widerspruch . k"' ) , re~wi i?e, gesetzhdle
seinem Falken, aus der Paul Heyse später seine Novellentheorie entwickelt hat: (fixes hat hier freilich eine andere B d sem 1 obn~te . Das Leitmotiv des Kruzi-
Federigo Alberighi aus Florenz liebt die schöne Madonna Giovanna und opfert vergeblich .. . e eutung a s ei Boccacc· d L . .
a 111.en; es f uhrt mcht zum Gesdleh · h' d . 10 as eitmouv des
sein Vermögen, um ihr aufzufallen. Schließlich bleiben ihm nur ein kümmerlicher Meierhof F
b . . . . . ms m, son ern leitet von 'h s··h
ei ist sem religiös-sinnbildlicher Geh 1 ·m . . i m zur u ne. Da-
vom Motiv des Heilandes der die Wel: ~ wl tl~ . ite g~?eime Beziehung besteht
und sein Lieblingsfalke. Unerwartet besucht Madonna Giovanna den Verarmten, weil ihr
erkrankter Sohn nach dem Falken verlangt. Während sie überlegt, wie sie ihre Bitte anbrin-
gen soll, schlachtet er, weil er sonst nichts vorzusetzen hat, für sie den Falken und rührt sie das im Titel und am Schluß der No 11 u~ sei~ ut erlost hat, zu· jenem andern
durch dies größte Opfer so, daß sie die seine und er durch sie abermals Besitzer eines bedeu- faßt. Einmal ist darunter die Sin l"chvel 7 etont idst. ,,Blut" isr_ doppelsinnig aufge~
· . n 1 1.eit verstan en sodan b d" .
tenden Vermögens wird. auch gememt, die durch jenen Gewaltakt 11 . ,I . n ist a er ie Bmdung
Der Ringschluß sowie die geheime Dialektik der Darstellung sind kennzeichnend: - es ist in eine Rennbahn geraten und vbo .ch
zol~echn i~t.d m B~ld des blutenden Kindes
M . d G una si t i me ergentte d .
Federigo opfert sein Vermögen und gewinnt ein anderes; er opfert sein Liebstes und ot1v er ewalt wiederholt und zugl . h d d B' n wor en - wird das
gewinnt etwas Allerliebstes. Dies hat Anmut: es befriedigt die Neugier und den Macht; es spridlt den Großvater gleich eic as eDr . mdung ?egeben. Es hat geheime
. d' U 'd sam an. - ie Idee die d G hl"
Formsinn der Gesellschaft. - Bedeutsam ist das Leitmotiv des Falken; es führt zu ist
H ie nwi errufbarkeit
„ eh der geschlecht!"ch
I en
V ereimgung
. . ,Der Heil
as anze
d. Humsclf ießt,d
dem reizvollen zentralen Geschehnis hin: dem Opfer bei Giovannas Besuch. Die Idee, err; e~ enttaus t Leocadia nicht. Auffälli ist d b . . . an ist e er un
die das Ganze zusammenschließt, ist die Sicherheit, mit der das Liebesverlangen sein „Marquise von 0 ." Heinrich von Kleists ~ ß "ba ed ganz im Gegensatz etwa zur
Ziel erreid1t. - Nun sind die Geschichten des „Decamerone" in eine Rahmenhand- Wort mehr verloren wird. Mit der gesetzlich a E~ e~ as V ~~brechen Rodolfos kein
lung eingefügt: eine Gesellsdlaft junger Menschen, die vor der Pest geflüchtet sind, das Gesellschaftliche vereinigen sich auf d' en k ~-i~. es gelos~ht. Das Religiöse und
erzählt sie einander zur Ablenkung. Sie werden dadurch lebendig vorgebracht; der der Offentlichkeit unbekannt geblieben. ie n_i-ler ~hur igste Weise. Der Gewaltakt ist
, er gi t 111c t.
gesellschaftliche Zusammenhang verpflichtet, und das Heitere hebt sich gegen einen
Cervantes, bei dem Anekdotisches und Sch kh fl:
sehr ernsten Hintergrund ab. ist im allgemeinen folgerichtiger als Boccacci "':a~. a ~s durch:aus nodl ;orkom~1t,
Die Falken-Novelle ist eines der wenigen Beispiele -im „Decamerone", in denen formklare Novellen mit starkem Interesse a ~, ; . me!sten. semer Geschichten smd
die Grundformen der Novelle ganz rein erscheinen. Ein großer Teil seiner Geschich- Sinne sind sie „exemplarisch" geworden . In :iz::11et~1':11k:it d~s Lebens. In di.esem
ten sind Anekdoten, Schwänke, Märchen, Legenden. In der Entwicklung der franzö- alters am exemplum, am lehrreidlen Beis iel d . e~se i_st die Freude des Mittel-
sischen Novelle, auf die hier nicht einzugehen ist, sind die sinnlichen T hemen ähnlich Darstellung selbst, mit der modernen Fr!d; a;s e~nst wi~uge_r gewesen war als die
wie bei Boccaccio; zu einem bedeutsamen Teil wirkt er auch auf sie ein. Eine Wen- verbunden. Die Gattung der moralisdle E "hl Eig;.ngeheimms d~r Lebensvorgänge
dung tritt erst, wenn man auf die geschichtlichen Folgen sieht, durch die „Novelas für seine Novellen wählen w~llen - b'ldn rz~,_ ung - noch Kleist hat diesen Titel
ejemplares" des Cervantes ein. Daß Cervantes seine Leistung richtig einschätzte, zeigt D' L' . . 1 ete mn.
die Widmung an seinen Gönner; er stellt seine Novellen den besten an die Seite und ie mien, die von Boccaccio und Cervant h . .
Literatur deutlich zu verfolgen. Mit dem Aufbr:::it~sged en, smd 111 .der ~uropäisdlen
sdlickt dieser Wertung dann eine Außerung der Bescheidenheit nach. Auch Cervantes ten Häl.fl:e des 18. Jahrhunderts wurde auch die es euts<:hen Geistes m der zwei-
ist am italienisdlen Vorbild geschult; aber er betont das Sittliche in seiner Vorrede Denn die Versnovellen des deuts ·,_en M't 1 1 Novelle eme deutsche Kunstform.
ausdrücklich. Er nennt seine Geschichten lehrreich; es sei keine darunter, aus der sich ·d h b m i te a ters von denen „ d· R d
wir , a en literarisch bei uns keine Wirkung geh; bt. spater ie e e sein
nicht eine gute Lehre ziehen ließe. Wenn das Lesen dieser Geschichten in irgendje-
mandem einen bösen Wunsch oder Gedanken erzeugen könnte, würde er sich lieber
die Hand abhauen, mit der er sie schrieb, als sie herausgeben. 2. Deutsche Herkunfi
Als Modell einer Novelle mag hier „Die Madlt des Blutes" gelten.
Die sehr junge Leocadia, Tochter eines Edelmanns in Toledo, wird von dem jungen Edel- . I~ Deutsdlland sollte die Novelle den eselli d b 1
mann Rodolfo und seinen Freunden in einem überfall entführt. Er vergewaltigt die Ohn- sie m den romanisdlen Ländern geh bt h g gef o er e ehrenden Charakter, den
mächtige auf seinem Zimmer ; erwachend wehrt sie sich. Sie merkt sich Einrichtung und Lage Erdbeben in Frankreich eine Welle :on atte, ver ieren.'. Als nadl dem gesdlichtlidlen
des Zimmers und nimmt ein silbernes Kruzifix, für sie das Sinnbild des Herrn und Helfers, hereinbrach, konnte die deutsche Nove~at~~tro6'hhn uberf Europa und Deutsdlland
als sie einen Augenblick allein ist. Er geleitet sie, um sie loszuwerden, mit verbundenen gehen. Es war die Zeit nicht nur e ie is e~. ver olgten Wege nicht mehr
Augen hinaus. Sie kehrt zu den Eltern zurück. Sie wird Mutter. Nach Jahren verunglückt
ihr Kind, Luis; Rodolfos Vater sieht den Blutenden, eine .l\hnlichkeit bestürzt ihn, und er
~~l Boccaccio und später dem Ce~::~:\::;n~~t~:ut1::~r~~odellist1~e~tschlands
1

nimmt das Kind in sein H aus. Leocadia, die mit ihren Eltern dort den Kranken findet, er-
kennt jenes Zimmer wieder, eröffnet sich der Mutter Rodolfos und zeigt zum Beweise das
h~:ts~:ie!;~~~:s :~s::~;!~::;e1ie ~t:esf~l7~' Kleiskts un~ di:r;; ~ :
,• . e e1 nung ommt sdlon damals vor - ,
0
de:~~~:
Kruzifix. Rodolfo, seit jener Zeit in Italien, wird, ohne zu ahnen, daß es sich um Leocadia
4 Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle Außere Form
5
die Epoch e des Ri ngens gegen den größten und gefährlichsten Europäer: Napoleon. s~rcckdlichc N a0t und wurde erst am fo lgenden Mittag durch zufällig oberhalb voriiber-
Die Geschichte der deutschen Novelle wurde zur Geschichte künstlerisch gestalteter ge 1en e Bergsteiger gefunden und gerettet.
Schicksalsbegegnungen, weil das ungewöhnliche Ereignis und die Gewalt des Schick- : 17 ~ c1~ hier sk i·z~;cne Vorfall erre~te .in der Gegend ungeheures Aufsehen. Noch nach
sals zu täglichem Erlebnis wurden. Deshalb tritt bei uns die humoristische Novelle a .ren erza t man davon; die Frau lebe noch. So ist das Ereignis geO'eben · e
zurück, und die tragische überwiegt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, daß geben 1st auch das Leitmotiv: jene seltsame Warnung di'e der· Pa"cht „ b d, gd' -
'l d · d , er spurte un ie
eben jetzt die gesellschaftlichen Bindungen zu reißen begannen. Die Helden der deut- im g~~a e m en Untergang getrieben hat. Hier ist auch das was zur Fra"e reizt
schen Novelle sind weit individualistischer als die der romanischen Länder. Zugleich :Oabei. ist ~u dem Vorgang nichts hinzugetan . Welche Idee ergibt sich? b •

aber suchte man nach Gegenkräften, die die erschütterte Ordnung wiederherstellten. . Es ist. eme. Grun~erfahrung, daß der Mensch handelt und doch ;;~ den Erei _ ,
In det deutschen Auffassung wurde das, was sich zufällig ereignet hatte, über die ~~sen ~tgenss.en wird .. Er steht zwischen Freiheit und Zwang, zwischen Macht u!d
romanischen Ansätze hinaus zu dem, was sich ewig ereignen kann, ohne daß man sein . nmac t, zwischen Smn und Unsinn. Einmal bestimmt er die Vorgänge· dann
Gesetz kennt. War die Novelle Boccaccios im Vortrag sachlich, in der Auffassung oft wieder brausen ~ie ~ber ihn hinweg. Er erlebt eine hintergründige Macht, die' Furcht
ironisch gewesen, hatte die Novelle des Cervantes oft ein feines Pathos bei sach- ~~:~ ~a~~b~rk~t,_ immer abe: Ehrfurch~ er:veckt. Die Wirklichkeit bringt Ereignisse
gerechter Schilderung, so wurde die deutsche Novelle sachlich im Vortrag, aber in 0
bl 'b ' ie . ur ihre Wucht ms überwirkliche zu ragen scheinen und doch wirklich
der Auffassung pathetisch. Das Schicksal fordert den Menschen heraus, aber auch ei en. ~chicksal und ?ufall tret~n in ein schwer durchschaubares Verhältnis „ Ein
umgekehrt: der Mensch wirft dem Schicksal den Fehdehandschuh hin wie Kleists Zufall wird, 1a er Sch'.cksal.e bestimmte, als Schickung aufgefaßt und zum Mittel-
Michael Kohlhaas. pEulnkbt .. Das Sfm?lose. wird smnvoll; es richtet wie ein Magnet die Eisenspäne alle
r e msse au dies Eme aus.
3. Innere Form So ist die Urform der Novelle das Leben selbst.
Wenn die Novelle aus c!em Trieb entstanden war, die Wirklichkeit zu erfassen, wo
4. Äußere Form
sie am auffälligsten ist, so wurde sie aus diesem Trieb auch wiedergeboren. Ein un-
gewöhnliches Ereignis zieht jeden Menschen an, und die Wirkungsbasis der Novelle 'chWr den 1:Jmkreis de: Kunstformen abschreitet, wird immer wieder überrascht daß
ist breit. Doch zieht der seltene Fall vor allem den Künstler an, weil ihm hier Dich- ; . er K~eJS dort scI:Iießt., wo höchste Kunst und tiefstes Leben einander beo-e~nen
tung gleichsam im Rohstoff begegnet: ein scharf begrenztes Begebnis, das schon .1e manc e~ ke?nt m semem Leben ein Mittelpunktsereignis - wer sch:ute i~
Hauptzüge der Gestaltung vorwegnimmt und durch das Außerordentliche zur semem Dasem mcht unwillkürlich nach Leitmotiven hin~ Unl weh ·
Frage reizt. Lebend' Id f hl r D' d . 1 . e, wenn semem
1e e.e e „ t. iese rei E .e~en~e sind zugleich die Grundformen der Novelle.
Ein solcher Fall, der dichterisch nicht behandelt worden ist, mag als Modell dienen: Man h~t sie fruh er~annt; freilich ist die Gestaltung vor der Erkenntnis da e-
Der Pächter einer bekannten Hütte in den Hohen Tauern hatte sie vor Ostern zu wesen, wie es so oft bei echter Kunst der Fall ist. · g
überholen, zeigte aber zur Verwunderung seiner Frau eine merkwürdige Unlust, aus Das zentrale Ge5ch..ehnisJ1eißt bei Goethe der mit seinem BI 1'ck f"r d' U f
seinem im Tal gelegenen Heimatdorf aufzubrechen. Schließlich gab er ihrem Drängen nach,
d D' eh d , ' u 1e r ormen
der mge au . e~. ~ovelle .eme Sonderform zuwies, die „unerhörte Begebenheit".
doch als sie aufbrachen, war es schneidend kalt. Sie waren noch von zwei Männern begleitet; er Ausdruck 1st gultig geb~1eben .. Tieck legte Wert auf den Wendepunkt des Ge~
ein Bote war auf Schiern vorausgeschickt zum Verwalter der Hütte, der im Klamm!, der
~tehers. P:ul Heyse ~ah die Beziehung zwischen „Eigensinn und Umständen der
letzten Felswand vor der Hütte, den Schnee wegschaufeln sollte. Die kleine Gruppe über-
nachtete, da sie bei der Kälte und dem hohen Schnee den Anstieg in einem Tage nidit
~~a u:re auf der emen. und dem Geschehnis auf der andern Seite. Storm dachte
erreichte, in einem Forsthaus, und hier machte der Pächter, wieder zur Verwunderung an Ah?liches: als er ~~n e,~nem „Lebenskonflikt" sprach, der „das Ganze bestimme
seiner Frau, sein Testament. Als sie am folgenden Morgen das Klamm! betreten sollten, und seme Teile org~nmer~ . Das wird ja in einem bestimmten Ereignis am deutlich-
eine steile, aber nicht schwierige Wand, die gewöhnlich im Sommer benutzt wurde, war ::ti·aPaul Ernst. memte, ~me Novelle müsse im Hauptpunkt „etwas Unvernünfl:iges"
der Schnee, wie erwartet, weggeschaufelt. Aber zur Überraschung der Gruppe weigerte sich . lten, .das sich als ".uberraschend und besonders ausweise". Diese Formulierun
der Pächter, den jetzt ziemlich gefahrlosen Anstieg zu unternehmen; er habe eine Ahnung; erinnert wiederum a? T1e~k, ?er von einem „isolierten Fall" geredet hatte. Die mo!
sie wollten über den Gletscher gehen. Dieser Weg war im Winter auf Schiern zwar weniger der~~ N?vellent.he~ne kreise_ immer wieder um die gleiche Beobachtung: daß das un-
bedenklich, da man langsam und ziemlich bequem über die Schneefelder an die Hütte gewohnlich~.Ere1gms auch mit ungewöhnlichen, zum wenigsten sonderbaren Menschen
herankommen konnte, aber er war viel weiter. Alle Einwendungen seiner Leute wies er ab. zusammenhangt. ·
Als sie über den Gletscher wanderten, setzte ein Schneesturm ein, der ihnen bald den Atem
. Das -;Ere_ignis kann nach innen verlegt werden, so daß an seine Stelle eine Hai tun
benahm; erst blieb der Träger, dann die Frau des Pächters zurück, und dieser wollte ihr
eben beistehen, als die Gruppe von einer Staublawine verschüttet wurde. Nach vielen Stun- trm, ~ie si':11 st~ndig :7er~chärft --:- etwa das Rechtsstreben des Michael Kohlhaas _g
r:r eme Situation! die sich ~usp1tzt. Hier sind die Möglichkeiten zu jener Verinner~
den erwachte die Frau halb im Schnee vergraben und begriff nach vergeblichen Rufen, daß
sie die einzige überlebende war. Ein junger Bernhardiner, den sie mitgenommen hatte und h bung angeleg~, d'.e dann die spätere Entwicklung der deutschen Novelle bestimmt
a :n (etwa bei Stifter).
der auf unerklärliche Weise verschont geblieb1;n war, wärmte sie, indem er sich an sie
drängte, denn sie konnte sich aus dem gefrorenen Schnee nicht befreien. So verbrad1te sie Tieck meint~ m~t dem „ Wendepunkt" die „Wendung der Geschichte den Punkt
in jetzt lautloser Stille, denn der Sturm war vorüber, unter sternenklarem Himmel. eine von welchem sie sich unerwartet völlig umkehrt und doch natürlich de:U Charakte;
Außere Form 7
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
6
nd den Umständen angemessen die Folgen entwickelt". Tieck sah aber nicht, daß ~ie Motive haben ihre bildliche Funktion verloren. Eine eigentliche Handlung haben
u. e Novelle zwar mehrere Wendepunkte, aber nur ein zentrales Ereignis haben diese Novellen kaum .
ki:nn. August Wilhelm _2ch~g!!, von dem er den Begriff „Wendepunkt" ha:, hatte I1;1 übr!gen gilt von ~en Leitmotiven, was von allen Motiven gilt: sie unter-
über zw·e[Jährzehnte vor ihm. geschrieben: ,, ... _die NovelJe ~eda:f entscheidend:r sche1.den s1~ nach de.n e1ge~tlichen, nämlich den treibenden, handlungsfördernden
Wendepunkte, so daß die Hauptmassen der Geschichte deutlich in di~ Augen fallen . Mouven (die Pf~rde 1m „Michael Kohlhaas") und den deutenden Motiven, die die
Da die Gleichsetzung von zentralem Ereignis und Wendep;1nkt auch' in der 1:1odernen Handlu.ng begleiten und erklären (der Schimmel in Storms „Schimmelreiter"; die
Forschung noch vorgekommen ist, muß über August Wilhelm Schlegel hinaus der Pferde 1'1: ,,Kohlhaas" übernehmen aber auch diese Funktion noch mit).
Unterschied betont werden. Im „Michael Kohlhaas" sind solche Wendepunkte der Ober die. Novellen-Idee schwankt das Urteil; die Bezeichnung fehlt. Goethe erwar-
Sturm auf die Tronkenburg, das Eingreifen Luthers, der mißglückte Schlichtungsver- tete noch in den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten", daß die Novellen
ch in Dresden Die unerhörte Begebenheit" ist der Kampf eines Einzelnen gegen ,,den Ver.sta~d ~?llig i~ Ruhe lie~en". Karl Rosenkranz behauptete sogar, das bewe-
:rnen Staat. - im „E;dbeben in Chili" sind Wendepunkte die Befreiung des Liebes- gende Prinzip dur'.e keine Idee sein; denn das schwäche die Zeichnung geschichtlichen
paares durch das Erdbeben und sein Untergang bei der Predigt im Dom, aber e~st Lebens. - ":'uch hier brachte erst Paul Heyse die Klärung. Er stellte fest, man müsse 1
dieser zweite ist das zent(ale Ereig~is. (Im „Kohll).aas" tritt eine solche sinnfällige den Inhalt einer guten Novelle in einen Satz zusammenfassen können. Das war zwar .
Konzentrierung merkwürdiger Weise nicht ein.) k~in~ Aussa~e üb~r die Idee, aber eine Handhabe, sie festzustellen. Heyse war durch
die u?erschnftamgen Zusammenfassungen aufmerksam geworden, die jeweils den
Nicht so deutlich sah man das Leitmotiv. Goethe meinte mit der „Einheit des Ge-
Geschichten des „Decamerone" voranstehen; die Inhaltsangabe der Falken-Novelle
dichts" die er forderte, 'vielleicht etwas Ähnliches, da ihm das Beispiel der Bal-
die o~en gegeb~n "."urde, i;t an eine solche Zusammenfassung angelehnt. Wie ma~
lade v~rgeschwebt haben mag. Die Ballade arbeitet ja mit Leitmotiven (davon
dergleichen tatsachhch zu einem Satz oder doch zu ganz wenigen Sätzen zusammen-
später), und Goethes berühmte „Novelle" hat ?as Leitmotiv. des Brandes; - Kleist
~iehen kann, zei~t.der berühmte Eingang zum „Kohlhaas". - Storm, der mit Heyse
verwendet es, ohne je darüber zu reden, und bei den Romantikern fehlt ei~e F~rmu-
in lebhaftem geistigen Austausch stand, wies dann etwas später mit den zitierten
lierung ebenso. Erst Paul Heyse gab die klassische Fassung,. als er das Leitmoti.; an
~or~,en v~n dem „Lebenskonflikt, der das Ganze bestimme und seine Teile organi-
Boccaccios erwähnter Falken-Novelle ablas; er nannte es einfach den „Falken . - siere wemgstens ebenso stark auf diese zusammenfassende Idee wie auf das zentrale
Die Unklarheit, die bis dahin über das Leitmotiv (am besten so zu nennen. zum
Geschehnis hin. - Damit ist schon vorweggenommen, wie eng verbunden überhaupt
Unterschied von anderen Motiven i~ den N~vellen) geherrscht hatt~ ~nd bei den die Formerscheinungen der Novelle sind.
späteren Angriffen auf Heyses Theorie auch wied~: aufka!11, _war erklarhch. De.nn es
Denn die Idee ist nicht nur inneres Element der Novelle, sondern auch formale
kann fehlen, so ziemlich oft bei Cervantes und haufig bei Tieck. Umgekehrt ~1bt es
Triebkraft. Sie vertieft nicht nur; sie faßt zusammen. Insofern ist sie nicht dasselbe
Stoffe die von Natur leitmotivisch bestimmt sind, z. B. die Gespensterges~nicht~n,
wie der Gehalt, sondern dessen Kern, wie sie zugleich der Ausgangspunkt der Deu-
weil s~lche Geister die unbehagliche Eigentümlichkeit haben, als leibhafte Leitmotive
t~ng !st. Sie is~ selten i?entisch mit vorausgeschickten Gesprächsgegenständen, wie
wiederzukommen. Kein Wunder, daß ein großer Teil al.ler ~ovellen aus Gespenst~r-
sie bei Boceace10 und seinen zahlreichen Nachahmern in den Rahmennovellen im-
geschichten besteht. Einen höheren Novellentyp stellen sie mcht da~; gele~en~hch v.:ird mer wieder vorkommen. C. F. Meyers „Hochzeit des Mönchs" stellt das Thema des
er dadurch erreicht, daß ein Einzelfall in ein Gesetz verwandelt wird. Die eigentliche
Berufs':e~sels voran. Das wäre im allgemeinen für ein Kunstwerk eine etwas magere
Vertiefung des „Falken"-Begriffs brachte Hermann Pongs, als er auf den Symbol-
Idee. Sie hegt denn auch tief r: es ist das Schicksal eines leidenschaftlichen Tempera-
wert des „Falken" - er nannte ihn ein „Dingsymbol" - hinwies .. Er forde:te 7
ments, dem der bannende Wille entzogen wurde und das nun in der echt novellisti-
statt der „Falkenfassade", die sich te~nisch lei?1t errei~en lä~t, daß die _ganze ein- sche~ Verkettung von Zwang und Schuld an seiner Maßlosigkeit zu Grunde geht.
prägsame Handlung - Heyse hatte sie als „Silhouette beze1~lmet - mit Symb~l-
Wie eng verknüpft das zentrale Ereignis, das Leitmotiv und die Idee sind, beweist
kraft erfüllt wird; das „Dingsymbol" wäre dann nur der deutlichste Ausdruck dafur.
d r „Kohlhaas". Es sei wiederholt, daß hier das zentrale Ereignis der Angriff eines
In der Tat ist damit ein Hinweis gegeben, wie man. Meis.terr.oyellen von Nove:len 7
Einzel~en, de_r dur0 Unrecht zur Verzweiflung getrieben wird, auf ein ganzes Staats-
minderen Ranges unterscheiden kann. Daß das Leitmotiv keineswegs als „Ding-
wesen 1st. Le1tmot1v, auch das sei wiederholt, sind die beiden Rappen, die ihm ge-
symbol" erscheinen muß, zeigen die „Wahlverwandts~aften", v.:o es al~ Formel und
~aubt. werden, Anlaß des Streites. Zunächst geht es nur um ihre Rückgabe. Dann tritt
als Vertauschung ursprünglicher Gruppierung~n ~rscheint. Au?11st _da~it .angedeute~,
1hr ~1genwert. zurück, weil ein .Miß:erhältnis zwischen Ursache und Folgen eingetre-
daß-. der „Falke" wohl die deutlichste und wichtigste, aber mcht die einzige Erschei-
ten .ist'. und sie werden zum Sinnbild. Nachdem die Handlung um die Rappen das
nungsform des Leitmotivs ist. Auch können mehrere vorkommen. . Ere1gms heraufbeschworen hat, geht es um ihre Rückgabe als sinnfällige Wiedergut-
Ein besonderer Fall sind die Leitmotive bei Th~mas Ma~n, denn ~an w~rd an m~chung, und daraus entwickeln sich neue Konflikte, die in die Katastrophe führen.
den gleichlautenden musikgeschichtlichen und mus1ktheoretiscI:ien Begr_iff erinn~rt:
,, Tonio Kröger", ,, Tristan", ,,Gladius De.i". ~i.er tr~ten zahlreiche Motive als St1m-
J? 1e I~ee aber ist diese: An einem Unrecht, das jedes Maß überschreitet, entzündet
sich eine Notwehr, die jedes Maß überschreitet. Die Entartung des Rechtes wie die
mungseinheiten nur wenige Male auf, Ja einige sind _durch auftretende Personen Entartung der Notwehr müssen gesühnt werden.
bezeichnet wie etwa in „Tonio Kröger" der Konsul, die Mutter, Inge, der Freund
Kleists „Kohlhaas" beweist, daß der Ausklang in der Frage zu den wesentlichen
Hans Hansen. Immer vertreten dieselben Wendungen eine musikalische Tonfolge.

,
Abgrenzung: Novelle und Erzählung 9
8 Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
Plänen zur Verbesserung des Parkes ergeben, und endlich in den Zügen des Kindes, die
Wirkun gen der N ovelle zählen kann . D enn wenn Kohlhaas sein Unrecht in gewiss.er den geistigen Ehebruch verraten. Der tragisd1e Schluß wandelt die neue Zuordnung noch
Weise sühnt so ist doch das Unrecht an ihm nicht eigentlich gut gemacht. Das Mit- einmal ab. - Die Idee aber, die eine ganz kl eistische Verwirrung des L iebesgefühls
einander de; drei Grundformen schafft eine formale Geschlossenheit, aber nicht immer : zeigt, liegt im Widerspruch zwischen seelisd1er und sinnlid1er Liebe. D ie Liebesverw irru ng
eine gehaltliche. - C. F. Meyer zeigte freilich in der „Versuchung des Pescara", daß steigt auf aus der elementaren Wahllosigkeit und gerät in Konflikt mit dem Gesetz der
vor der Selbstbesiegung des sittlichen Menschen auch die Frage verstummen kann. Seele. Umgekehrt folgt die Verwirrung doch auch aus einem Gesetz seelischer Zusammenge-
hörigkeit und vermeidet die Wahllosigkeit des Triebs. Noch in dieser seltsamen Verkehrung
bildet sich jene Umschichtung ab, die in der Formel für die Wahlverwandtschaften angegeben
5. Abgrenzung: Novelle und Roman
ist, - wieder ein klarer Fall, wie stark die Formelemente ineinander arbeiten.
Die Eigenart der Novelle wird deutlicher, wenn man sie gegen verwandte epische All das hat durchaus novellistischen Grundriß - Heyse nannte es „Silhouette", wodurch
Formen abgrenzt. Abgesehen von dem Unterschied des Umfangs, den man gelegent- denn ein achtbares Fremdwort mehr in das Gespräch geriete. - Nur die Aufschwellung
des zweiten Teils der „Wahlverwandtschaften" mit ihren abseits spielenden Vorgängen
lich für den wichtigsten gehalten hat, ergeben sich Wesens-Grenzen.
verhinderte, daß dies Werk eine unserer tragischen Meisternovellen wurde.
Im Roman bedeutet die innere Entwicklung ebenso viel wie die Handlung mar-
kanter Art. In der Novelle ist in markanter Handlung die innere Entwicklung kon- Ein verwandtes, aber formkünstlerisch noch klarer gebildetes Werk sind „Die
Möbel des Herrn Berthelemy" von Victor Meyer-Eckhardt, der nicht zufällig mit
zentriert.
Im Roman entwickelt sich ein Charakter durch Verwicklungen. In der Novelle bedeutenden Novellensammlungen hervorgetreten ist.
bricht die Entwicklung durch die Verwicklung eher ab. Wie in der Novelle scheint ein Ereignis in der Mitte z.u stehen. Die Französische Revolu-
Der Roman geht aus von dem, was der Mensch ist, die Novelle von dem, was am tion hat Herrn Berthelemy seine Möbel geraubt, und sie geben das Leitmotiv her, diesmal
wirklich ein „Dingsymbol", einen „Falken". Bei dem Bestreben, seine Möbel wiederzube-
Menschen geschieht. kommen, gerät Berthelemy in einen Liebeskonflikt und macht langsam die Wandlung vom
J,Der Roman betont das Erlebnis, die Novelle das Begebnis. selbstgenügsamen, ästhetischen Menschen zum innerlichen durch. Hier wird das Ereignis,
1/ Der Roman verknüpft mehrere Handlungen, die Novelle hat eine Handlung . . das zentral sdiien, überholt durch ein neues (und damit als bloßer Wendepunkt enthüllt).
Der Roman spiegelt in einzelnen Schicksalen die Welt, die Novelle den Ausschnitt Berthelemy setzt sich dem Tode aus und erringt damit die Liebe und das Leben doch noch.
der Welt. Damit ist also die Mitte erreicht, und zugleich ist die konzentrierende Idee gegeben. - Aus
Der Roman findet das Gesetz. Die Novelle sucht es und geht dabei gern vom der Novelle wird durch die seelische Entwicklung und vor allem Wandlung der Roman.
Zuf~ll aus. Ähnlich hat Meyer-Eckhardt in seinem riesigen Roman-Epos um Friedrich II. von
Der Roman will Fragen beantworten. Die Novelle läßt sie offen. Hohenstaufen: ,,Der Herr des Endes" gearbeitet. Solche Umwandlungen der Novelle
Goethes Wilhelm Meister findet nach Umwegen, durch die sein Schicksal mit den Lebens- in den Roman kommen nur bei starken Formbegabungen vor. Der Roman, dessen
schickungen anderer verbunden wird, die Haltung der Entsagung. - Kleists Kohl~aas Formgesetze noch nicht festgelegt sind, weil sie sich immer noch entwickeln, leiht in
findet nach unerhörten Leiden, die sein Schicksal von dem der anderen trennen, den trotzigen solchen Fällen die Grundgestalt von der kleineren epischen Schwester, und sie zeigt
Tod. sich überlegen.
Goethes Wilhelm Meister legt einen weiten Weg zurück, der durch ~ragen der ganze.n
menschlichen Existenz führt. - Kleists Kohlhaas geht eine kurze Straße. Die Welt ~rleb~n wir 6. Abgrenzung: Novelle und Erzählung
nur im Ausschnitt, auch nicht die Gesetze des Geschehens, sondern die Frage, die die Ge-
schehnisse stellen. Die Übergänge vom Roman zur Novelle sind deutliche Ausnahmefälle. Die Über-
Und doch verharrt man auch nach dem Lesen einer Novelle oft in Erschütterung gänge von der Erzählung zur Novelle scheinen nur in Ausnahmefällen deutlich.
und ahnt etwas von ewin-en Zusammenhängen wie beim bedeutenden Roman. Aber Der Meister: Heinrich von Kleist, hat seine Novellen „Erzählungen" genannt. Der
über diese Zusammenhä;ge bewahrt die Novelle meist Schweigen. Ist es anders, so Unterschied ist selten betont worden; auch die moderne Forschung vernachlässigt
verliert sie einen guten Teil ihrer Wirkung. . . . ihn. - In der Zeit der Romantik zog K. F. Solger die Grenze ähnlich, wie man sie
Die Grenzen zwischen Roman und Novelle sind klar, obwohl em Prakt1ker wie zum Roman zieht: in der Erzählung bilde sich der Charakter durch die Situation als
Willibald Alexis glaubte, man könne Novelle und Roman ineinander verwan.de~n. allgemein menschlicher Vorgang; die N xell betone die Begebenheit. Doch war
Immerhin gibt es Übergänge. Das bekannte, schon von Heyse angemerkte Be1sp1el damit etwas Wesentliches schon gesagt. Wilhelm ~tt,der se16er em fähiger Novel-
sind Goethes „Wahlverwandtschaften". list war, deutete an, daß die Erzählung die natürliche Reihenfolge der Geschehnisse
Das zentrale Geschehnis ist hier ein Sonderfall: die Trennung zweier Paare und ihre festhalte, während die Novelle sie verändere. Das heißt: die Konzentrierung durch
Kombination zu einem neuen Doppelpaar. Dies ist zugleich der Konflikt, :'o~ de~ aus .das elnen Mittelpunktskonflikt fehlt oder tritt doch sehr zurück.
Gan ze sich organisiert, im Sinne Storms. Da ein schlagarriges Gesch 7hms im Smn eines Die Erzählung steht zwischen Roman und Novelle. Mit dem Roman teilt sie den
entscheideqden Wendepunktes schwer festzustellen ist - es gibt an sich mc~rere Wende- Reichtum der Handlung, aber nicht die Verknüpfung verschiedener Handlungs-
punkte -, hat man es hier mit jener Verdeckung zu tun, von der schon die Re~e war: umkreise. - Mit der Novelle teilt sie die Kürze der Szenen, aber nicht deren Aus-
mit der Verschärfun<> einer Haltung und der Zuspitzung einer Situation. - Das Leitmot~v, richtung auf einen Mittelpunkt.
die Formel, durch deren Anwendung es mit dem Geschehnis fast zusain:me~fällt, . wird Mit dem Roman teilt sie die seelische Entwicklung, aber nicht deren Ausdeh-
verdeutlicht im Besuch des ehebrecherischen Paares, während der Lagen, die sich bei den
10
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
Abgrenzung: Novelle und Anekdote 11
n~ng. - Wie die Novelle liebt sie das Erei · ·
mch~ das zentrale. gms, aber mcht das besondere und auch
in der „Morgenlandfahrt" die Erkenntnis des großen Dienstes im Reich des Geistes. Eine
Die Novelle erhöht den Vor an u d . . Doppelex istenz kommt frei lich auch hier vor: H . H. der Berichter und der Diener Leo
nimmt die Vorgänge, wie sie sinJ u~d ; ver.tie~ seme. Bedeutung. Die Erzählung werden zum Schluß eines. Aber dies wirkt sich auf den Aufbau in keiner Weise aus; er
kann sie dergleichen ohne Störun' traum~:n si~ ei~mal ms Phantastische schweift, so bleibt frei und leicht gefügt.
gun~en neigt die Novelle zum H!roischen :it~fu~~f· In den deutlichsten Ausprä- Nun gibt es Fälle genug, die der allgemeinen Unsicherheit über die Grenzen zwi-
Die Novelle weist immer dieselben ' rza ung zum Idyllischen. schen Novelle und Erzählung recht geben. Aber gerade dort liegt oft eine Unzu-
b~weglicher und ohne durchgehendes G~::~~n~en. F°;m?esetze auf. Die Erzählung ist länglichkeit im Künstlerischen vor. Die Erzählung steht mit ihrem Reichtum an Fein-
Die Kraft der Novelle liegt in den Gru dl' '. sie ~~ ~rm fast so frei wie der Roman. heiten und der verhältnismäßigen Kürze durchaus der Novelle gleich. »Mozart auf der
Novellentypen ähneln. Die Eigenart d:r ~m~?· ie si?1 auch bei den verschiedensten Reise nach Prag" von Eduard Mörike, eine Erzählung solcher Art, ist ein Beweis dafür.
'?Au~ der Mappe meines Urgroßvaters" ::ahlung hegt o~ in feinen Einzelheiten. Es kommt aber vor, daß die Erzählung nur eine mißratene Novelle ist. Schon „Lorenz
weil die Geschichte des Dr A
. .
. d eh n Adalbert Stifter ist eine Erzählu
knüpfung mit andern Handiung~~umstkm . ur bmehrere. Erlebnisse geführt, eine
D
. as Ereignis des seltsamen Winters in de
reisen a er vermiede
. ..
. d
n wir .
v::~ Scheibenhart" von Wilhelm Raabe steht in solchem Verdacht.
„Ein Geheimnis", auch von Wilhelm Raabe, stellt die Goldmacherei des Italieners Vinacche
in die Mitte der Darstellung, also etwas „Unerhörtes". Aber weder die Stunde, wo die Ver-
s~ch in ~ristall-Landschaften verwand~lten :ehd/en:ald~ u~ter ein:m Regen vereisten und wandlung in Gold glückt, noch der Augenblick der Gefährdung durch die neidische staat-
rtta ~erliert, und neben jener dritten, in d;r er si e :n er .zene, m der Augustin Marga- liche Macht wird dargestellt. Die Konzentrierung ist ausgeblieben.
~at e1?e Sonderbedeutung (und markant sind . e w1edergewmn~. Jedes markante Begebnis Die Erzählung hat das Gedichthafte der Novelle nicht. Y
~erw1egt das andere. Zeigt der seltsame Wint:1e /ur Anach d:r mne~en Bedeutung), keines Ober den schwierigen Grenzfall, der sich in den leitmotivisch meisterhaften und
ensch und Land bewährt so zei t d. r e? rzt, wie er se1ne Verbundenheit mit
garita wiedergewinnt, bewährt er !ein;e
monumentalen Grundlinien fehlen.
:~ene der E_1fersucht seine Leidenschaft; als er Mar-
e1fe und St11le. Jede Szene ist voller Schönheit. Die
im zentralen Geschehnis unauffälligen Prosadichtungen Eichendorffs, Stifters und
Storms findet, sei später geredet.
Es ist aufschlußreich, daß Stifter diese Erz"hl . .
wollte; er wurde aber nicht d . f . a ung m. emen Roman umformen 7. Abgrenzung: Novelle und Anekdote
Romans nicht aus. amit ertig. Der Stoff reichte für die Breite eines
Die Anekdote steht der Novelle noch näher als die Erzählung, weil es sich hier
Die nächsten Beispiele seien dem W k W'lh um ein einziges, scharf in der Mitte stehendes Geschehnis handelt und weil das Er- ~ 1
Meister der Novelle war der aber edr . i elm Raabes entnommen, der auch ein eignis wie in der Novelle entscheidet. Boccaccio hat den Unterschied noch nicht ge-
·
d en L eistungen gegeben 'hat. gera e m der Erz"hl a ung eme · semer· kennzeichnen- kannt; seine Novellen zeigenoft'4!.nekdotische Zuspitzung auf eine Pointe, die dem
,,Lorenz Scheibenhart" ist eine Erzähl . Hörer oder einer Figur der Geschichte selber genug tut. Witz, Streich, geistreiche oder
satz ist da: der Haß Scheibenharts auf ue~g m1Mt buntedn Vorgängen. Ein novellistischer· An- bloß kluge Lösungen spielen eine Rolle. Als Friedrich Schlegel über Boccaccioschrieb,
und dem er zweimal . .
wieder begegnet A men eh b 'Jdann , er ih m d'ie Ge1·ie bte genommen hat
den Abs~luß. Aber Scheibenharts Schidtsa~ im
nung mit der Geliebten stehen kaum , z
ID::iß~e~. U?tergan~ der untreuen Geliebten
~gJahngen Krieg und die letzte Begeg-
machte er den Untemnied auch nicht, und noch Wilhelm Schäfer glaubte Novellen
geschrieben zu haben, als er seine Anekdoten veröffentlichte. Diese Tatsache ist
lebnisse auf das entscheidende E . . ml usfammen ang, weder dadurch daß solche Er übrigens beinahe eine Anekdote.
. re1gms a s au den A d ck d . , - Dennoch ist der Unterschied da, und zwar deutlich, ist auch von der wissenschaft-
no eh d urch le1tmotivische Bindung Raab bus ~ er tnneren Mitte hinstrebten
Das gleiche gilt für das Werkehe~ A ednen~ es eze1chnender Weise ein „Lebensbild". lichen Forschung anerkannt. Aus der Abgrenzung ergibt sich unter Umständen ein
wo die Häufung der Ereignisse noch ~eh~s auef%lltb;nsbuche .des ~chulmeisters Michel Haas", Urteil über die Rangstufe eines erzählerischen Kunstwerkes.
„Der Student von Wittenberg" . N 11 ·. agegen ist die ebenfalls frühe Geschichte
ung lu"ckl I'ch en Geliebten
· · d .
.
.
das Profileme
der Dove e1•1weil bder. Untergang des Studenten und der
eigms as Le1tmot1v des Brennens tritt D' Id
arste ung est1mm d d'
kl " . en un zu 1esem zentralen Er-
1 Die Novelle hat mehrere kennzeichnende Momente, die auf ein Hauptmoment I
bezogen sind. Die Anekdote kennt nur eines.
Die Novelle stellt ein Geschehnis gegen einen Hintergrund, der mehr ist als das
.J
. 1e ee er art sich vo lb
In den späten Erzählungen Raabe . " n se st. Ereignis. Die Anekdote charakterisiert bloß einen Augenblick und stellt ihn höchstens
zessin Fisch", ,,Villa Schönow" ist dieetwa „Wunmgel ' ''.Deutscher Adel", ,,Prin- gegen den Hintergrund einer Zeit oder eines bestimmten Lebensabschnittes bei
lungen und Novellen im Werk desselb ~ .z ;tlung au.~geghch:ner. Wie sich Erzäh- einem bestimmten Menschen. (Man denke an die Anekdoten um den Alten Fritz.)
Hermann Hesses. en i ters ablosen, zeigt auch die Dichtung Die Novelle endet gern mit einer Frage, auch wenn sie nicht ausgesprochen wird.
,,Klein und Wagner" ist durch die D l . Der Anekdote ist eine gute Antwort wichtiger als alle Fragen.
ner nennt und in ein anderes Ich üb oppe hxmenl des Helden, Klein, der sich dann Wa<>- Bei der Novelle wird zum Schicksal, was an einem Menschen geschieht. Die Person
letzter Sommer" oder „Die Morgenla:~}~f~/nd:u t, n~~ellistisch ausgerichtet. ,,Klingso;s tritt zurück. - Bei der Anekdote wird, was geschieht, bloß bezeichnend für den
und größeren Erlebnisse der Helden m' eh R g~~e~ lugen lose und leicht die kleineren Menschen oder eine besondere Menschenart. Die Person tritt hervor!
und Träumen, und all dies wird geb~nd;: J:rch ea ist.1s l ~s u~d ~hantastisches, Geschehnis In der Novelle geht es um das Menschengeschick, in der Anekdote um des Men-
Helden und dann durch das Ziel Dies z· l . . zwe1e~ e1: namhch durch das Erleben des schen Geschicklichkeit oder, in bedeutenden Fällen, um charakteristische Züge.
. ie ist m „Klmgsors letztem Sommer" der Tod,
Die Novelle kommt von der Wirklichkeit her und strebt bis an die Grenze des
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle Abgrenzung: Novelle und Schwank 13
12
Unerhörten und Wunderbaren. - Di e Anekdote kommt ebenso von der WirklichkeJt Schwank ist älter als die Novelle; es ist umstritten und jedenfalls höchst zweifelhaft,
her. Aber das Wunderbare liebt sie nicht, eher das Wunderliche. (Man denke an die ob er zu deren Vorformen gerechnet werden darf.
: Mit dem Begriff „Novelle" ist im übrigen eine eindeutig epische Form gemeint,
Anekdoten um den Lizentiaten Glasmann bei Cervantes.)
Die Novelle hält bei aller Grenzberührung mit dem Wunderbaren diese Grenze mit dem Begriff „Schwank" mehr ein Inhalt; er kann episch, auch dramatisch, sogar
des Wirklichen ein. - Die Anekdote schneidet das Wirkliche zu, wie es ihr für ihre lyrisch ausgedrückt sein (der Fall des Bänkelsangs u. a.) : Hier interessiert nur die
epische Ausprägung.
Pointe paßt. .. .
Würde man beide in die nächstverwandten Formen verwandeln, so ergabe sich Wie die Anekdote ist der Schwank bei Boccaccio vertreten. Die berühmte Ring-
statt der Novelle das Gedicht, statt der Anekdote der Witz. Damit ist angedeutet, fabel ist ein solcher Fall, zugleich das Beispiel einer ausgesponnenen Anekdote. Im
welche von beiden der echten Kunst näher steht. Die Anekdote ist auch entsprechend Schwank überwiegt die Handlung stärker als in der Anekdote, wo ihr Anteil sehr
verschieden sein kann. Der Soherz zielt nicht auf den Wortwitz, obwohl das mit-
später literarisch geworden.
Kleist hat seine „Anekdote aus dem letzten preußischen Krieg~" mit Recht so gena~.n~,
spielen kann, sondern auf Drastik und Behagen.
weil eine einzelne Tollkühnheit berichtet wird. Einer nimmt es mit der gesamte.n franz?si- Die Novelle ist aus der Nachbarschaft von Anekdote und Schwank zu einer
schen Vorhut auf. Dabei kommen bezeichnende Züge dieses sowie überhaupt (das ist gem~mt) eigenen Kunstgattung herangewachsen. Die Anekdote ist ihr zögernd gefolgt. Der
des preußischen Soldaten heraus, und das witzige Fra~e- und Antwortspie_l fe~lt auch nicht. Schwank hat sich am wenigsten entwicklungsfähig erwiesen.
Der „Kohlhaas" ist schon darin eine Novelle, daß sich der 1:aupt.zug: em Ei~z~lner gegen Die Novelle lebt vorwiegend vom Ernst, der Schwank vom Scherz. - Die Novelle
eine übermacht, wiederholt und daß er unvergleichbar ernster ist. Die charakten~t1Sche H~rt- hat, wenn sie humoristisch wird, einen liebevoll-ernsthaften Hintergrund. Der
näckigkeit des Kohlhaas wird also nicht an einem einzigen Vor!all, sondern. an eme~ S_chi<:'t- Schwank, der bloß humoristisch ist, neigt zur Lieblosigkeit. Doch solange er echten
sal sichtbar. Die zahlreichen Reden sind dramatisch zugespitzt, abe_r ni~mal~ witzig im Humor hat, wird er die Grenze noch einhalten. \
üblichen Sinn. Das würde die Einheit der Darstellung nur stören. Dann zeigt sich der Sub-
Die Novelle zieht auch bedenkliche Vorgänge heran, um an ihnen die Fragen des
stanzunterschied. . d eh (d · Lebens aufzuweisen. Der Schwank neigt überhaupt zu bedenklichen Vorgängen und
Wilhelm Schäfers „Anekdoten", deren Fortsetzung er mit em~r An euts ?ng ~nn eme
Eindeutschung ist es ja nicht) ,,Histörchen" genannt hat, sind oft im <?attu_ngssmne rei?· ,,D'.:r lebt von der Problemlosigkeit.
König in der Klippschule" aus dem „Wendekreis neuer Anekdoten" ist nicht nur typisch fur Die Novelle ist in sich geschlossen. Es gibt keinen Novellenkreis um denselben
die Anekdote um eine geschichtliche Persönlichkeit, sondern auch d?rch. ~as Frage- ~n~ Ant- Menschen. Auch der Schwank kann geschlossen sein. Aber seine Motive wollen sich
wort-Spiel, das hier der Lehrer und ehemalige Feldwebel vor dem msp1z.1erenden K~nig auf- auch sonst ausleben, und so bilden sich Gruppen von Schwänken um bestimmte Figu-
führt: Wo sind wir? - In der Schule. - Wo ist die Schule? - In Berlm. - Wo liegt Ber- ren (der Pfaffe Ameis, der Pfaffe vom Kahlenberg, Eulenspiegel, die Schildbürger).
lin? _ Im Königreich Preußen. - Wo liegt das. Königreich Preußen? - In Deutschland .. - Hierin ähnelt der Schwank der Anekdote. Wenn er, wie in den kleinen Epen des
Wo liegt Deutschland? - In Europa. - Wo hegt Europa? - Auf der Erde. ---: Wo )iegt
späten Mittelalters, gelegentlich novellistische Technik annimmt, so darf dies nicht
die Erde? _ In der Welt. _ Wo liegt die Welt? - In Gottes Hand. - Der m1ßtra~1sche
König dem Klagen über diesen Unterricht zu Ohren gekommen waren und ~er bei 1er irreführen.
Frag/ Wo liegt die Welt? - besonders neugierig au~ die Antv.:ort gewesen war, ist auf seme Das Streben nach dem Außerordentlichen führt die Novelle bis an die Grenze des
Art ergriffen, und der ehemalige· Feldwebel darf weiter unterrichten. Unfaßbaren, und den Schwank führt es zum Lügenmärchen (Münchhausen). Als
Viele sogenannte „Anekdoten" bei Wilhelm Schäfer ab~r sind über da~ Charak- äußerste Möglichkeiten kommen also bei der Novelle das Streben nach einer über-
teristische oder auch bloß Witzige hinaus so sehr gegen einen gro_ßen Hintergrund wirklichen Wahrheit und beim Schwank die Lust an der Lüge heraus. Auch hier
gestellt daß sie in einen anderen Bereich hineinwachsen; davon wird noch zu spre- zeugt die Entartung von der Art.
chen sein. Schon in der erwähnten Anekdote deutet sich dergleichen an. Manche aber Die Novelle gehört zur Dichtung, der Schwank zur Literatur.
gehören in die junge Welt der ~urzgeschich:e. . . _ Wenn die Novelle sinkt, entartet sie zu einer formal gut gearbeiteten Unterhal-
Um diesen Abschnitt zu schließen: Es gibt Novellen, die man in Dramen um tungslektüre. Wenn der Schwank sinkt, wird er zur Zote. Auch hier zeugt die Ent-
denken kann. Eine Anekdote kann man nur in eine Sz.ene. umdenken. . artung von der Art.
Um eine Novelle zu schaffen, muß einer ein reicher Geist sein. Um eine Anekdote Die einstige Nähe der Novelle zum Schwank ist aber m der humoristischen
zu leisten braucht er unter Umständen bloß geistreich zu sein. Novelle noch zu merken.
Eine Novelle wird durch Routine zerstört. Bei einer Anekdote stört die Rou- Gottfried Kellers „Schmied seines Glückes" aus den „Leuten von Seldwyla" hat eine
l tine nicht.
8. Abgrenzung: Novelle und Schwank
achwankhafte Lieblosigkeit. Die Fabel ist derb bis an die Grenze der Zote. Der Leser
empfindet gegen den Helden Johann Kabys die Schadenfreude, die für die Wirkung des
S?1wa~ks bezeichnend ist. Doch wird das Unmoralische genial in eine - Moral umgebogen,
di~ wirklich einen sittlichen Hintergrund hat. Der Satz: jeder sei seines Glückes Schmied, ·
Der Schwank hat, wie die Anekdote, der Novelle einmal sehr n~he g~stand~n ..?er wir? z_um spöttischen Leitmotiv und erreicht im zentralen, wenn auch fast verschwiegenen
Ausgangspunkt: Wirkung auf einen geselligen Kreis, also das Un~iteransche, 1st ahn- E~~1g01s: dem Ehebruch, seine peinliche Umkehrung. Der Held wird zum Schmied seines Un-
lich. Aber bei der Novelle laufen ästhetische und gesellschaftliche Form parallel. gluckes. So sind die schwankhaften Züge durch klare Form und Vertiefung des Gehalts ins
N ovellistische gerettet.
Beim Schwank ist dies Verhältnis sehr locker, meist ist es sogar bedeutungslos. Der
Abgrenzung: Novelle und Märchen 15
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
14
den Armen Spielmann Grillparzers, in der Legende die H eilige Elisabeth! Man
. d M Schuß von der Ka nzel" stellt sogar einen anekdotischen
d
· d fd 11Fer· d'manMitte.eycrs
z Conra " . · 1 eh· ß k llt kann nich t vergleichen.
w1s 1en a m ie
Der Pfarrer Wertmüller, m das P1sro cns 1e en vernarrt, n~
b Gott mit roßem Schalle" unter der Kanzel das he1m- - Die Novelle geht gern vom Zweifel aus, die Legende vom Glauben.
Die Novelle endet oft in Ungewißheit, die Legende in Gewißheit.
ttdig~rl:;::a:!it;o(~~:f1t:te~:;k:~:ii:i:.dl~:~ ~:m!~~s!sä~~:\t::rfe u:t;f~:~ Die Novelle beschäftigt sich mit dem Unheil, die Legende mit dem Heil.
nenme ist um i.ese n . Vertiefun und weil die Handlung gegen den Hmter- Die Novelle liebt das Unerhörte, die Legende die Erhörung.
Werkchen durch die psycholo.g1sdle lk s ese:en ist Damit bekommt sie im wörtlid1en Sinn
grund Hei?er La~dsd'!1aft
etwas mtergrun 1ges.
~! ;1~:~1~0 si~d gals Leitm~tiv benutzt, der anekdotische Vorfall ist
. ..
Ein legendarischer Schluß wirkt bei einer Novelle peinlich wie ein überredungs-
versuch; an Goethes „WahlverwandtschaA:en" ist er das Schwächste. Wo die Legende
das zentrale Ereignis. Ober die Id;~ spat~\ntwickeln die Parodie einer Revolution um die in der modernen deutschen Novellistik sich gehalten hat, ist sie ironisch verwendet
Wi.lhelm Raa.bes „Gänse vo~ ~tz:t Falke" ist - die Gans, der Sturm auf den Pfand- wie in Gottfried Kellers „Sieben Legenden" und R. G. Bindings „Legenden der Zeit".
Befre1.ung der 7mg~sperrt~n Ganse, ~nd '\st das zentrale Ereignis. Aber abgründig wird das Deutlicher ließ sich das Verhältnis zwischen ihnen nicht kennzeichnen.
stall, m dem die Ganse e'.?gespderrtD , d Menschen nadl Freiheit aussagt; wird ihm der
kch ·1 t as uber en rang es 11. Abgrenzung: Novelle und Märchen
WA er en,.dlwe1 ~.sffe ewt so tobt er sich an läroerlichen Gegenständen aus.
usweg ni t geo n , , • d F T h
Die Novelle ist die vornehme Schwester des Schw~~ks:. Sie. ist a~s er ami ie er- Tieck hat einmal den Ursprung der Novelle im Märchen gesucht und damit Ver-
. t nur noch eine entfernte Famihenahnhchkeit. wirrung gestiA:et. Denn er verkannte das Gesetz, nach dem die Novelle angetreten
ausgewa ehsen un d zeig
ist. Die Nähe zwischen Novelle und Märchen ist ebenso groß, wie die Grenze zwi-
9 . Anmerkung: Novelle und Facetie schen ihnen scharf ist.
. · der späteren Renaissance, hat mit dem Novellentyp, den l Die Novelle reicht an die Grenze des überwirklichen; die Legende überschreitet
Die Faceue stammt aus d' Pointe emeinsam und ist formaler als der Schwank, diese Grenze 1m Sinn der Religion, das Märchen nach der Seite des Wunderbaren
Boccaccio ges<;haffen hat, nur ieBe ebnisg ist zum bloßen Anlaß geworden, de~ Witz überhaupt.
~ag~rer als die tne;do;;; ~:~tsch:n Literatur ist sie eine Kuriosität ohne W~rkung Die Novelle hat es mit einer Welt zu tun, hinter der eine zweite höchstens geahnt
ist ~ie Hauptsa e.. n . f und Ernst" und bei den Humanisten). Für die Ge- wird. Das Märchen hat es mit zwei Welten zu schaffen. In der zweiten, der wunder-
ge~heben (md Pauls „Stimlle spielt sie keine Rolle, ebensowenig für die deutsche baren, die von Geistern beherrscht ist, wirclaieerste erfüllt und (nach Petschs tref-
schichte der . euts .en o;.e Aber sie schaut einmal in sie hinein: im Werk C. F. fender Beobachtung) so, wie sie für das unbefriedigte Menschenherz sein soll. Dabei
ErzählkuDnst iHm lwdeiterenPl::~~s im Nonnenkloster" ist der Facetist Poggio. muß von dem selten gewordenen tragischen Typ des Märchens abgesehen werden.
Meyers er e von „ b fi d . . Die Novelle geht auf ein Ereignis zu, aber das Ereignis ist nicht das Ziel, um das
· · K "d' des Plautus in einem Frauenkloster e n en, 1st eme
Daß sich ausgerechnet d1.e ?.m; i:n E von ihrem leichtbeschwingten Spott zeigt sich es geht. - Das Märchen strebt auf das lösende Geschehnis zu, und das Glück ist
Pikanterie, die einer F~.cet~e .wur 11g i.st. d twas 'ttlidlste Buch des Klosters ausliefern soll, das Ziel.
audl darin daß die i\bussm, a s sie as u?s1 Die Novelle hat es mit dem Geheimnis des Daseins zu tun. Es läßt sich erlebbar (
. ' . 'b . · weiß nidlt wer er 1st.
Pogg.1os Fa:eu~n g1 t, .sie. d eine Ausnahme und berührt nicht einmal den eigent- machen, aber nicht lösen. Das Märchen hat es gerne mit Rätseln zu tun, und Rätsel i
Diese Einwirkung ist m essen werden gelöst.
liehen Charakter dieser Novelle. In der Novelle steht der Mensch auf sich, im Märchen in der Hilfe von Mächten.
Die Novelle hat einen gedichthaA:en Zuschnitt durch die Straffheit des Baus. Das
JO. Abgrenzung: Novelle und Legende Märchen bekommt ihn über scheinbare Abschweifungen hinweg durch den Grund-
ß immer wiederholt werden - bis an die Grenze gehen sinn, ein Schicksal befriedigend zu enden. Dem zentralen Ereignis in der Novelle
Da die NdoveWll~ kl'ches :~ das überwirkliche rührt, ist sie die Nachbarin der Le- entspricht die oA: hinausgeschobene, dann erreichte Erfüllung im Märchen. Dem Leit-
kann, wo as ir i e motiv der Novelle entspricht die Formel des Märchens (vgi. ,,Spieglein, Spieglein
gende. . . T während die Legende ein" Stoff-Typ ist. Sie an der Wand ... " mit den verhängnisvollen Schicksalsverknüpfungen im Märchen
Aber ~ie .Novelle ist em Form-
läßt sich m Jeder Gattung gest.aklten..
ci~
novellistische Legende ist im Mittelalter vor-
. d zu ihr Aber der Stoff der Legende
von Schneewittchen). Dem inneren, gedichthaA:en Pathos der Novelle entspricht
häufig genug ein Übergang zu - eingestreuten - Gedichten, wenn man auch über
d die Romanu neigte wie er . ffl'ch b den künstlerischen Wert solcher Einlagen streiten kann. Im Märchen zeigt sich .Ähn-
ge kommen, un , f b d' d' Novelle ihrer Herkunft gemäß auch sto i e-
widerspricht den Au ga en, ie ie liches in den - ebenfalls formelhaA:en - Versen.
kommen hat. . d' G des überwirklichen. Die Legende überschreitet Die Romantik neigte an sich schon zur Mischung aller Formen, weil dies zu ihrem \
Die Novelle reicht an ie renze Weltbild gehörte. Sie schätzte Novelle und Märchen gleichermaßen; es wäre merk-
. D d h sehen ihre Charaktere anders aus. . .
dies~ G~enz~i : ur\ine Charakterbewährung darstellen, auch wenn der Smn nicht würdig gewesen, wenn sie nicht in die - merkwürdige Mischung von beiden hinein-
Die ~ve e ~nn . D' Le ende setzt eine solche Sicherung voraus. Man ver· geraten wäre.
metaphy~isch gesi0e.rt isMt. ~ gdie ins Opfer hineinwachsen, in der Novelle etw~ Man braucht dafür nicht so tolle und unerfreuliche Beispiele anzuführen wie Achim von
gleiche einfache, gut1ge ens en, .
16 Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
Abgrenzung: Novelle und Kur~geschichte
17
Arnims »Isabella von .i'i.gypten, Karls V. erste Jugendliebe", wo der historisch klingende
Titel durch ein e wilde Phantastik wid erlegt wird ... Es genügen Hinweise auf E. T. A. Hoff- Eigenart, nämlich eine gewisse Helle und N"ch h · ·
, k , .
Bo d en l os1g . u tern e1t sowie die Erfahrung einer
manns Novellenmärchen (n id1t Märchennovellen) wie "Der goldene Topf". e1t 1m Knsenzeitalter das Wesen eh d' F
macht und erhellt hat. au ieser orm erst ge~chid1rlich ge-
Daß das Märchenhafte auch in igentliche Novellen hinübergreifen kann, ohne sie zu
Märchen zu machen, zeigt Brentanos "Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen An-
nerl" . Hier fliegt der abgeschlagene Kopf des Jägers Jürge gegen Annerl und beißt sich in
deren Schürze fest; das Richtbeil bewegt sich vor Annerl. Solche Züge des Schauermärchens
~tfi! ~
t ; t ~}!fü eUt;~n~ oz;e;l~~~s~e~i~n~r~~~I~~: t~:~r~pu~::eis~is~~; ~~l~r;}n
e1 ~ em tle er ntersch1ed. Gewiß ist die Novelle Bo ·
i:~:~~
·
weisen auf das künftige Schicksal Annerls voraus. als die Novelle Kleists das helle Lebensgef"hl B . ccacc10ds etwas ganz anderes
Der eigenartigste Grenzfall, wahrhaft eine Märchennovelle, ist aber "Peter Schlemihls h . f ' u occacc10s von em tragischen Kl .
se ~ weit ent ernt. Aber beide sind nicht zufällig d eh d' 1 'eh e1sts
wundersame Geschichte" von Chamisso. Hier ist der Sonderfall ganz novellenhaft, die Begeg-
P~!1chtet,. und sie .hätten sie nicht gewählt, wenn nicht e~~as ~:rfi e~ ed Ur!orm ver-
nungen Schlemihls aber führen tief ins Märchenreich, ja vertraute Märchenthemen wie das
von den Siebenmeilenstiefeln werden aufgenommen. ware. Dies Verbm~ende ist die Beziehung zu einem unzweifelh:ft:~ nnagewese~
bens, und nur aus ihm entsteht echte Form - G 'ß . d'
;f . des Le
Im ganzen aber ist die Grenze zwischen Novelle und Märchen so eindeutig, daß All p · ewi 1st ie Kurzgeschichte Edgar
eine Novelle, die ins Wunderbare hinüberführt, damit auch ihren Novellencharakter .an o.es etwas ~anz anderes als die Kurzgeschichte Wilhel eh"
verliert. Die Novelle kann auf ihr Wesen: die Problematik des Lebens zu sehen, nicht gle~chsw?se rombantis~e Lebensgefühl Poes von dem illusionslo:n Swtite:1% ~~ ..?r-
verzichten; das märchenhafte Fabulieren ist ihr wesensfremd. Das Kunstmärchen ge- welt ent ernt. A er beide haben nicht zufälli zu derselb S „ f . . a ers
sie hätten sie nicht unwillkürlich gewählt g 'eh en Gpat ?rm gegriffen, und
hört nicht in die Geschichte der deutschen Novelle. „ D' . , wenn m t etwas emeinsames dag
ware. ies Gememsame ist der Zweifel am s· d L b d . ewesen
. mn es e ens un aus ih k" 'eh
12. Abgrenzung: Novelle und Kurzgeschichte zwar Spielarten von Formen ergeben, aber keine echte For~ meh E ~ o~en s1
gemeint, daß dieser Zweifel schon ein Unglaube wäre· U gl b r. -~st n~. t etwa
Unter allen Abgrenzungsmöglichkeiten ist die zwischen Novelle und Kurzge- Aber die Nähe zur Verzweiflung ist nicht zu leugnen' w:s ~~e eKverm chte.tch ie Form.
1
den Beg ·ff S · 1 • f h ·
schichte die schwierigste, weil sich der Typ der Kurzgeschichte am spätesten heraus- n „ pie art au zune men, - von echter Form eh hurzges h
i te - um
·
gebildet hat. Man kann die Novelle nicht ohne ihre Herkunft aus Italien und der Novelle. Man muß allerdings zugeben daß hier vom no... eh at, F at sie :.on der
Renaissance denken. Man wird die Kurzgeschichte nicht ohne ihre Herkunft aus den geurteilt wird. Die amerikanische Ent~icklung kann s:~rrowpao1hsl de~ or~gef~hll.hcher
angelsächsischen Ländern und aus der anbrechenden abendländischen Krise denken Spätf K eh 'eh " . . . 1ese e1gentum 1 e
d orm ";rzges ~ ;e mit emer eigenen, noch unbenannten Frühform verbinden
dürfen. Die Novelle stammt aus einer Epoche der abendländischen Geistesgeschichte, un etwas ~ues s .~ en. Die Romanik z. B. ist ja auch eine frühe Kunst und
in der es einen Stil gab, und wo Stil ist, ist formbildende Kraft. Die Kurzgeschichte to:mt ;on e~~er s~atJn her, nämlich von der ausgehenden Antike. - Indessen
dagegen kommt aus einer. Zeit, in der man schon die Wahl zwischen den verschie- .a .~n wir es . 1er mit er deutschen Entwicklung zu tun; die amerikanische f
densten Stilen, aber keinen verpflichtenden mehr hatte; die formbildenden Kräfte s1e;;ber.Poe hmausgekommen sein sollte, ist Angelegenheit der Amerikaner ' so ern
waren fragwürdig geworden. Die Kurzgeschichte ist daher sozusagen erblich belastet; 'eh un is~ "~tzgeschichte" ja eigentlich ein deutscher Begriff. Zunächst h~ndelt e
sie ist in der Gefahr der Stillosigkeit. Die Dinge komplizieren sich noch dadurch, daß s! um em ersetzungs-Lehnwort. Das entsprechende englische Wort ist beka s
von den angelsächsischen Ländern ja nur eines, England, eindeutig zur abendländi- lieh „short story", und das ist der Begriff für - Novelle'" Novel" . d B n~tff-
schen Kultur gehört, während das andere, Nordamerika, zwar im 19. Jahrhundert f ür „Roman". Das vorbildliche Durcheinander da~ also her. rsch" t ist erd. egn
ihr noch zuzurechnen ist, aber unter anderen Vorbedingungen steht; dabei ist die li eh . d d eh T . . ' ' wenn man ie eng-
Entstehung einer neuen, eigenen Kultur nicht zu verkennen und wird im 20. Jahr- n:in:1:1: s:fbe:U;~1::im:i::~~~g;; :i;,;t~t,d~~rrscht a~ch inh der engl(;chen _Ter-
hundert deutlicher. Mit der Kurzgeschichte kommt also ein fremdes Formelement gleich eh d ' man mit „s Ort story zwei un
. e, wenn au verwan te Gattungen bündelte. Mit dem Be riff der h "-
in die Geschichte unserer Erzählkunst; fremd ist es einmal, weil es bereits aus der Zeit !a so~: der "~~rt shortstory" suchte man das Problem zu bew1ltigen. itneo~;:~~i;
der Stilauflösung stammt, fremd aber auch, weil es nur teilweise noch die Voraus-
~~e:;ie~. erre1 t. Auf dem Felde des Begriffswirrwarrs blüht der Weizen der
setzungen der abendländischen Formerscheinungen hat. Wenn bisher immer wieder
das Gleichnis der Familienverwandtschaft zwischen den klein-epischen und den
groß-epischen Formen, mehr oder weniger ironisch, anwendbar war, so könnte man
in diesem Fall sagen, daß die Kurzgeschichte ein illegitimes Kind der Novelle ist.
Die Herkunft der Novelle aus Italien und der Renaissance sagt nun nicht, daß die
beweist. J:~r~~n:: ~
zu~ü~Odie deutsche Entwicklung ist der Begriff der Kurzgeschichte nach der Wende
erst zum Be"'.ußtse~n gekommen, obwohl das Beispiel Hebbels
durch clie beiden Wef;k~:ge"'.ese~ istd Nicht zu unterschätzen ist, daß Nordamerika
novellistische Urform nicht auch vorher und in andern Ländern möglich gewesen hineinstieß und daß die ge /~eh~~ e~tschen geographischen und geistigen Raum
wäre. Es ist damit aber gesagt, daß durch Italien und die Renaissance das Wesen stärker auf unsere Erzähltnugnestsa. sis ~ k uhrzgeschichte gerade durch diesen Vorgang
dieser Form geschichtlich geworden, daß es damit besonders deutlich geworden ist. D . . emgew1r t at.
er Boccaccio der Kurzgeschichte und auch ihr Th .
Und die Herkunft der Kurzgeschichte aus den angelsächsischen Ländern und aus der Allan Poe, ein Boccaccio freilich nur als der geschichtf[~e:uff"l~~ret1k; wal r Edgbar
abendländischen Krise sagt ebensowenig, daß es vorher oder in andern Ländern ganz und gar nicht was die . l'ch L b f d a igste esta ter, a er
keine Kurzgeschichten gegeben hätte. Es ist nur damit gesagt, daß die angelsächsische unserer bedeutends;en Noveltf;~nl b e . eflenßs reu e ange~t. ~oe ist sicher von einem
• eem u t gewesen, namhch von E , T , Hoffmann.
Abgrenzung: Novelle und Kurzgeschichte
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
18 ~hr . erschreckt durch ihren Stundenschi d' 19
ist"11ihrd Schlag· so eindringlich ' daß d as aFgesrgetrieb
ie s?nst wahrhaft
· fröhliche Gesellschan. J d
rr. e esma
1
Es ist dabei gleichgültig, durch welche literarischen Kanäle dieser Einfluß stattgefun- a eht ann die Gesellschaft · doch . d 1 e ~men Augenblick stockt. Ein Fr" 1 b
den hat, es ist nicht einmal entscheidend, ob Poe die Hoffmannschen - oder einige f tss chi"agen nicht
na
. ' JC esma auch w rd
mehr. Jetzt erst fäll . i
"b oste n e-
es u cr:"'unden, nur bei den Mitter-
Hoffmannsche - Novellen selber oder nur Inhaltsauszüge gekannt hat. Poe hat die der ·11 des
d Roten Todes entspricht · Man war t e~hne w:ahrhaft unheimliche
I r di z. Maske auf , d'1e genau
Beziehung zu Hoffmann nicht umsonst so entschieden geleugnet; er muß Gründe w1 en unverschämten
. Gast, der I'h m den Smn . de ganzeF e1t ausgewichen
. · Prinz p rospero
dazu gehabt haben, und. einer der wichtigsten ist in solchen Fällen immer, daß ein rot z.usammen. ~1e Maske war der Rote Tod selbst~s estes vernichtet, erstechen, bricht aber
Autor für die Einschätzung seiner Eigenart fürchtet, aber nicht sicher, daß es ihm um
Diese Gesduchte ist vom Schluß aus eh . b
literargeschichtliche Klärung geht. Daß er unabhängig sein will, beweist manchmal, entgeht dem Tode nicht· er ist plo"t l'chges. rie en und scharf durchkomponiert. Man
· ' z i mitten unter d G" ·
verweisen auf das Motiv des Todes - der Z en a~ten. Die Stundenschläge
daßWenner es aber
nicht der
ist. erste Kurzgeschichtler von einem Novellisten herkommt, verrät
~ovellentechnik in die Kurzgesch'ch eh husa~menhang ist uralt; hier schaut die
sich schon, wie nahe die Bereiche von Novelle und Kurzgeschichte aneinander gren- mcht ; dafür ist die Kurzgeschicht: nf~;~a . ;rein ...Innere Entwicklung aber gibt es
zen, und es ist zu erwarten, daß die Grenzen sich immer wieder verwischen werden. wenn es sich um einen so markant f , ies ware eher noch Sache der Novelle
Poe betonte 1842 in einer Besprechung von Hawthornes „Romantischen Erzählun- an den Eindruck des Unausweichli~eor~en ttfbau ~andelt. Man hat von Anfan~
gen", daß eine Kurzgeschichte von einem Brennpunkte ausgehen müsse und daß Ton Poe den Boccaccio der Kurzgeschicht n. as e e? wird gebrochen. - Wir hatten
und Atmosphäre schon vom ersten, unerhört wichtigen Satz ab zu wahren seien. Das sogar ein Motiv Boccaccios auf. es tt gJ?a~rcili,Die Maske des Roten Todes" nimmt
könnte man aber von jeder gut geformten Novelle ebenso sagen. Wenn er allerdings daß die Rahmenhandlung des D. ec s ie "ud td vor der Pest; es sei daran erinnert
weiter sagt: die Lösung müsse zwingend sein, alles müsse von Anfang an auf sie hin- 'dt „ amerone a urdt b · . ,
es i ten dadurch erst möglidt d Ab esttmmt ist und die einzelnen
zielen, so deutet er den ersten Unterschied zur Novelle an; denn in ihr ist die Lösung
keineswegs von vorneherein sichtbar, ja sie erfolgt of\: so überraschend, daß Tieck
G dt
No".ellisten und dem Kurzgeschich;e:~
mutigen Entfaltung des Wortes und d
;~i
Bo er w.e!dt.~r Un~ersdtied zwischen dem
l~~acc10 fuhrt diese Fludtt zu einer an-
nicht zufällig seine einseitige Auffassung vom Wendepunkt verkünden konnte. Poe Furcht wird überwunden Bei· p "ßel~ gese .igen Anstandes; sie gelingt auch. di'e
weist indirekt darauf hin, daß sich in dieser Form der Kurzgeschichte ein Erlebnis · · · · oe mi ingt die Fl eh d' p · '
as ist smnb1ldlidt für die andere Erkennt i . d u t; . te est ist unausweichlich.
spiegelt: daß der Lauf der Dinge unausweichlich ist, daß der Mensch ihm ohnmächtig D
des Schreckens, das bei Boccaccio in den Hi:t er Tod Is~ una.usweichlidt. Das Bild
gegenübersteht, und damit verrät sich eine bedenkliche Wandlung des Weltgefühls. ernster Untergrund für die heiteren Lebe sb'l;gr~r~bgedrangt ist und als solches ein
Man darf nicht behaupten, daß es amerikanisch ist; hier wirkt die europäische Er- gang. Eine Gesellschaft die hier noch " b n ~ der e1 t, beherrscht bei Poe den Vor-
müdung auf einen Mann hinüber, der durch seine Veranlagung besonders empfänglich "h ' u erwm en ka 'b .
ver .o nt, aber der Hohn ist grauenhaft M . d nn, ?1 t es mdtt mehr; sie wird
für sie war. - Das Unerbittliche, überhelle im Verlauf einer Handlung organisiert h
schm~ten. Alfred Rethels erinnert. . an wir an die Totentänze in den Holz-
den gesamten Stil bis in den einzelnen Satz hinein; Poe war ein Meister darin, das
Unerbittliche ins Unheimliche zu verwandeln. Ahnliches ist auch von späteren Theo- bel'Wie dieser Typ der Kurzgesch1'cht e m
ie b'ig h erausgegriffenes Beispiel aus
. D eutschla d E"
eine z . n
.
mgang gefunden hat, zeigt ein
retikern wie Bliss Perry, J. Berg Esenwein gesagt worden. Immer wieder führt aber W"h d d r e1tung
unmittelbar an die Novelle heran, daß eine Handlung oder ein Charakter im Mittel- .. a ren er Zeit des Nationalsozialismus in . .
schone Apothekerin durch ihre Eigenart und b ~euts.chland wirkt eine junge auffallend
punkt stehen müssen. Man hat (Ebing) nicht ohne Recht gesagt, daß die Kurzge- m~n? um sich. Sie ist von Schwermut ü ver rem.t e.me b.esondere Atmosphär~ und Stirn-
schichte gleichsam von rückwärts gearbeitet werde, nämlich von der Lösung bzw. von mit ihr umgeht, fühlt eine Ahnung wie ~~;sta~te~; sie ist teilweise jüdischer Herkunft Wer
der Katastrophe her. Auch das wäre freilich kein eindeutiger Unterschied zur Novel- Mcnsch~n ~us brennendem Hause retten w.ill e~ emem ~ombenan_gri~, als sie einen hilflosen
lentechnik; er liegt eben darin, daß man diese Lösung von vorneherein spürt oder doc!'1 h~imhch selber eine Hilfsbedürftige und' daoh:mt sie um: Wie sie als hilfreiche Gestalt,
so is~ sie auch ~estorben und hat ihr Schicksal crfü~l;om Schicksal überschattet, gelebt hatte,
sogar
Umkennt.
Verwechslungen zu vermeiden, haben Theoretiker wie Brander Matthews 1931 Hier fehlt eme der tedtnischen (wenn eh . .
wie auch Charles Sears Baldwin den Unterschied zwischen Kurzgeschichte und No- ten;er Novelle, d~s Leitmotiv, und das a:ent;:t~ve;tt~tenden) Ei~entümlichkei-
ra~ ung, sondern ist von Anfan an vor . es e ~1s kommt mcht als über-
vellette betont. ~1ederholung. Man hat es mit efnem kna~eze1ch{e~. Es gibt keine charakteristische
In diesem Sinne wäre Kleists "Bettelweib von Locarno" mit seinem typischen Leitmotiv :
der Gespenstererscheinung, und dem zentralen Ereignis: dem Untergang des hartherzigen
Schloßherrn, eine Novellette zu nennen, also eine typische, bloß sehr kurz gefaßte Novelle,
o.;e daß e~ne Ausmalung versucht würde u;~nd' eE:ns- l~n.d Charakterbild zu tun,
ni. ~ .auf eme Überraschung gearbeitet Da dt1e mze e1ten der Darstellung sind
aber keine Kurzgeschichte. Immerhin weist qas Katastrophenhafl:e, das allzu große Mißver- wir . 'm ~ndschicksal bestätigt. . s s on von Poe betonte Charakterbild
hältnis zwischen Ursache und Folge, zwis\llen geringfügiger Schuld und schrecklicher Vergel-
Wie diese Form bei uns literarisch d .
tung über den Bereich der echten Novelle schon heimlich hinaus.
Dagegen setzt Edgar Allan Poe in der "Maske des roten Todes" gleich an den Anfang
einige Sätze, die die schreckliche Wirkung der Pest schildern. Sie zeigt sich in scharlachroten
;!;r:~:~:~:;· !!~f{: !t:~~ff~und ~i1~:i: Sec~ä}set; ::::~~t at~eni:: ~~;et:rt::i::
::nt des _zufälligen Titels „Anek~o::2t~~:°~~er1:~o~ar die nadtträgliche Anerken-
Flecken am ganzen Körper, besonders im Gesicht, gleich Brandmalen. Der Prinz Prospero
lädt seine Freunde auf sein Schloß und entzieht sie der Pest. Er feiert ein rauschendes Fest. •• ewe1s, daß die Leistung wichtiger ist alti~r ~.ite\)!~~er
· " m fls zutreffend
etzten erwiesen,
D-Zug-Wagen".
Die Innenräume des Schlosses werden mit sachlichen Einzelheiten geschildert. Eine Ebenholz·
Abgrenzung: Novelle und Kurzgeschichte
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen N ovelle
20 alle glauben es, nur weil er Erfol h b . 21
Eir: f) 7.11g übcrL1hrt ein juni;(;, Pferd uPri h:-ilt. Ute Vors1cllun.,, er Zug h'itte entgleisen Verweilen in der
. Waldstirn mung, g.1ste;escha arf
t hat.
Eo Die
· dKonzentrierun<>
T . ,.,. bei sehe'mb arem
können, hat _die Fahrgäste des letzten Wagens crschr~ckt, und mehrere von ihn en sprechen ten Kurzgeschichte: Bruch im Lebensgef"hl . " ist er yp crncr gcd:inklicli vertief
über den Tod. Die verschiedensten menschlichen Typen werden sichtbar, eine junge Mutter,
Um abermals Beispiele zu gebe . ud . .
ein lebenslustige r Student, ein Geistlicher, der als einziger die Warnung begriffen hat. Auch auf die frühesten
die unscheinbare Gestalt eines Arbeiters wird erwähnt, der die Bremsen nachgesehen hat. " deutschen
. Kurz ges
n,ch1?ch enenzuruckgeg
i ten e~? ganz.es
ff Leben
D' aufgerollt
. wird , sei.
ten " ove11en Friedrich Hebbels E d . n en. ies smd die sogena
Dann wird zur Weiterfahrt gepfiffen, aber der letzte Wagen ist stehen geblieben, ohne daß N dieses frühe Auftauch . d s w~r as V~rd1enst einer Arbeit von Ebin nn:
erst auf
jemand es gemerkt hat, und während die Gespräche noch um das unheimliche Thema krei- haben. .. . . en es urzgesch1chtentyps aufmerksam gemach g,t zu
zu
sen, fährt der nächste fahrplanmäßige D-Zug auf den Wagen auf, und alle Fahrgäste werden
Das erste Stuck 1st „Die Kuh".
in den Tod gerissen.
Wilhelm Schäfer knüpft an einen wirklichen Vorfall an; das ist wohl der Grund,
~r~ ~:~.a:~t~·ci:::·::::i.t:t.:~.J:t:i:··::-:·~.~:~.:.::.:. !.\:":;';,:.!·~::::~~~
. Der Bauer Andreas wartet auf eine K h d' .
weshalb diese Geschichte häufig als echte Anekdote einbezogen wurde. Zudem knüpft
er an die bekannte Warnung an, man solle nicht im letzten D-Zug-Wagen fahren. 'che1?e· E er Bauer schleudert das Kind in. eine a enfVllorgang nach und verbrennt die
Klaus Doderer hat zuerst diese Geschichte für die Kurzgeschichte in Anspruch ge- s1 1m ntsetzen über das was e m utan
d K eh ' r getan hat D' b a gegen. die Wand und er h''angt
nommen. - Wesentlich ist der unmittelbare Einsatz, der Beginn mitten in einem elr ne t Hans, kommen im Schrecken üb
ammen auf.
d tGe echen Heimkehrenden, die Frau und
er as es ehene um und das Ha h ·
Gespräch. Gleich zu Anfang auch erleben die Fahrgäste den tödlichen Schrecken.
F . L 'd ' us ge t m
Damit ist schon das Ende vorbereitet, und die Zeit zwischen dem fast tödlichen und
D ie e1 enschaft
Katastrophe herbei. beschwört
Der Menschein ~b Eldementarmacht herauf, diese wieder führt d'
dem tödlichen Vorfall wird mit Gesprächen gefüllt, die in die unheimliche Stimmung 'eh . g1 t as Recht z l 1e
passen. Die Ahnlichkeit der Struktur mit derjenigen, die sich an Poes „Maske des angt es m t wieder Die Kra"ft d' f ' u gesta ten, aus der Hand u11d
· db,
1~n, s1? · e, 1e er ent esselt h h er-
Roten Todes" zeigte, ist auffallend. Auch hier wird der Bruch sichtbar. In einer Zeit, lmd. Ein Leben zerbricht ohne d ß d at? o n.e es zu ahnen und zu w0I-
in der das Lebensgefühl unsicher geworden ist, wirkt die Katastrophe sinnlos grausam.
1
h1er viel von der Qual seines ei en~n L a er. Sm? sichtbar würde. Hebbel hat
Manchmal wird der Augenblick zur Schau eines ganzen Lebens überdehnt. Schon Letzte gesagt, denn dann gäbe esg . Debens ve~smnb1ldet. Er hat damit nicht d
d ru"ckt, d'
. ie Goethe im. zweiten Teil
semedes ramen" mcht
. ' a ber er h at eme
. Gefahr aus as
e-
die „Foltern" von Poe haben etwas davon (obwohl hier die Befreier kommen und
den Mann retten, der von der Inquisition verurteilt worden war). h,t, E, "' die ~,d,nhthoit du,d, d" Nif~~" ,n de, Gen,lt de, So,ge mkö,p:n
,,Das fremde Fräulein", wieder eine sogenannte „Anekdote" von Wilhelm Schäfer, schil- W~nn nun diese Kurzgeschichte den Ablauf .
dert, wie ein junges Mädchen die Ruine der Burg Lahneck ersteigt, ganz erfüllt von Sonne d:trg~ das .zchwei.te Stück: ,,Barbier Zitterlein"e1~~se:a:z~n LeTbens zusammenraffte,
und Leben. Aber sie findet den Weg das zerfallene Gemäuer hinab nicht mehr. Niemand in . e en .m t m der Zusammendrän . n ern yp. Denn hier zieht
der "fiefe achtet auf ihre Winke und ihre schwach hörbaren Rufe. So verhungert sie dort seinen Stationen
. . vorbei · gung zu wenigen Augenblic:ken , so n dern m
.
oben und kostet das qualvolle Ende voraus. Sie sieht ihre Angehörigen, sieht ihr Leben. Nach
Jahren findet man ihr Gerippe.
Hier wird der Lebensbruch, von dem Klaus Doderer spricht, besonders deutlich. ;:'.',~:7;:,!~:\:.::::;!~•:;:;,:::r!~::•:;;::~:b:;:~s!~J,;·~~;·J,;;.~::"a,:"i!!
. Der Barbier Zttterlein hat seine Frau h .

Was sich hier vollzieht, ist unerbittlich. Das Sinnbild der toten Welt: die Ruine,
wirkt von Anfang an, wenn auch nicht so auffällig in der Technik, wie man sie in ::t:,::~":.t::.;i;:t~beI1:n~;· .~r"~;;;,~.:::~ ~:;.;;:!1,"1:!·t:::,:,'."'w:t :!'7..~:h:;
e men e? Unsi~erheit einen Gesellen nehme es o~ts wegen seines Alters und seiner zu-
der Kurzgeschichte „Im letzten D -Zug-Wagen" beobachten könnte. Gesellen „lieben wird, und er behält Rech n muß, Sieht er voraus, daß die Tochter d'
Zuspitzung auf einen Augenblick (wie in der „Maske des Roten Todes" und der
Kurzgeschichte „Im letzten D-Zug-Wagen") steht der Aufrollung eines ganzen Le- ~:°m::;1:!;u:
E'
das ~aBus. N ach Jahren ~e::~/:e;;;:e;u:;d~e~stöß~nchund Verwi~f~:~
- em ett er. r mzw1s en verheirateten
bens gegenüber. Ein Beispiel für den ersteren Typus ist „Die Eberjagd" von Ernst 1
Jünger; hier ist sogar im wesentlichen der Augenblick allein gegeben. m Bettler ist er immer e
~einen wirklichen Besitz. ~~sedna,s d Le1:nberw:illIeidenschaftlich besitzen, aber es gibt
Bei einer Eberjagd rast unerwartet ein Keiler zwischen Richard und einem Eleven durch; 1St - eh "b . ' 1e ste !St nur g l'ie hen. D er Name Zitterlein
füh s hon u erdeuthch - sinnbildlich· .. d'e
in der Verwirrung durch das großartige Bild des freien ungebändigten Tieres schießt der
Eleve, wie es scheint, blindlings und zu spät und wird vom Förster Moosbrugger barsch zu- ~
viel;:i: ~md Mord vorbei - ein bei Herbe~ef;a~.. fi Le~ns~ngst: Die Handlung
rechtgewiesen. Doch der Eleve hat genau getroffen und wird der Held des Tages. Er muß atan t ~1 em Mord geendet; es wäre dan au ges. ot1v. Die Novelle hätte
schildern - und schildert anschaulich -, wie der Kernschuß gelang. Richard, so heißt es ObedendiD1e Kurzgeschichte dagegen füh t ~.der .Typ :11:er Charakternovelle ent-
dann wörtlich, ,,lernte hier zum ersten Male, daß Tatsachen die Umstände verändern, die zu an ;ras u~gsmomente durch; sie ist vo: ie eme . Lm1e folgerichtig und ohne
ihnen führten - das rüttelte an seiner idealen Welt", e:eiegt. fte Wesensgeschichte Zitterleins wirdo~nterem auf .Entwicklungslosigkeit
Der Eingang führt in medias res: ,,Die Schützen hatten sich längs der Schneise auf- bene:n/Jzenen aus seinem Bett!erleben unJn. ur~en ~?ck1teln als ,Vorgeschichte
gestellt." Dann wird ein Wachtraum Richards geschildert, in dem er sich wie gelähmt Gesch'ch esen zu Ende gedacht m semer u kehr wird dann sein
vorkommt. Der Augenblick der Lähmung folgt wirklich, ihm folgt der Moment des 1 1 ten wie · d'iese machen es· ver „ dl' eh
Bruchs. Ein ungeheuerlicher Widerspruch wird anerkannt: der Eleve weiß als Erfolg ung von Kurzgeschichten in den s;n 1 ' chdaß M~rtin Rockenbach in seiner
„ egen na Orplid" einst die Kurzgeschichte
einer Absicht und Fertigkeit hinzustellen, was Zufall war. Er glaubt es selbst, und
Abgrenzung: Novelle und Kurzgeschichte
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle d'. '
22
K.,,mophe fü, die Kung~d,id,,
Liebespaar" hat eine feinere Tragik
als d~ssen „Kuh" . as
t ~.d,eb~ es~roh"Barbier 23
fass ~n so)l. "Beethoven und das
Zmerlcin" oder vollends
als einen „Fünfminuten-Roman" gekennzeichnet hat. Er hat damit nur einen Typ

erfaßt.
Der äußere Umfang spielt in der Kurzgeschichtentheorie keine entscheidende Wie schwer aber Kurzgeschichte und N
nur das erste Buch über die deutsche Ku ovelle .zu unterscheiden sind, bewies nicht
Rolle mehr, obwohl man in Nordamerika sogar bis zur Bezifferung der Worte ge- alle forn~alen Eigentümlichkeiten der N:;:11sch;.:hte .(von H ans Adolf Ebing), das
gangen ist. Dies Letztere braucht nicht einmal oberflächlich zu sein; es stammt ein- nah.~ und sich auf den zweifelhaften Be 'ff e. ur die ~urzgeschichte in Anspruch
fach aus der Zeitungspraxis, und dort kommt man aus drucktechnischen Gründen zuruckzog. (Es war durch H ermann p ongs gn längst
emer „art-e1genen"
eh . deutschen No ve11 e
um solche Forderungen nicht herum.
Sehr aufhellend für das Wesen der Kurzgeschichte ist nun deren Abgrenzung gegen
die Anekdote. Schon Martin Rockenbach hatte sich in dem erwähnten Zusammen-
d eh N
Begriffsbestimmung zeigt sich au:~
euts e ovelle eine Sonderent 'cl 1 na gewiesen worden daß die
t ~ngd g;nomm~n ?atte.) Die Schwierigkeit der
nur Kurzgeschichten bringt oft genarm, . a Netwa m emer führenden Zeitschrift die
hang darum bemüht: die Anekdote sei die Erzählung einer pointierten Handlung, d h · · ' ug reme ovellen k · '
er s ort ~tones smd überhaupt Novelle . v~r ommen. Em großer Teil
während die Kurzgeschichte ein Leben als Ganzes erzähle. Da Rockenbach, wie ge- Ken~er wie H. H. Borcherdt nach d ~ im G~ttungssmn, und als vor Jahren ein
sagt, hiermit nur einen Typ gegen die Anekdote absetzen konnte, griff Klaus Doderet Begriff „Kurzgeschichte" noch für übe~.. ~tersch1e.d gefragt wurde, hielt dieser den
weiter, als er die geschichtlichen Zusammenhänge der Anekdote und die Auflösungen Das mag ein Beispiel unterstütze:r it1? d'mi\guten Gründen.
in der Pointe gegen den Lebensbruch in der Kurzgeschichte absetzte; die Kurzge- Day'.' v~~ 0 .. Henry. . s ist ie s ort story vom "Thanksgiving-
schichte kennt keine Pointe. Sie berichtet, so ließe sich weiter sagen, den Vorgang
reiner als die Anekdote, denn Anekdote ist niemals reiner Vorgang. Unverkennbar H1er ladt
glückliche sichemeinmal
Reicher
satteinen
essen Akrmen Ezum Erndt~dankfest regelmäßig ein dam1't d U
nahe steht ihr aber der Typ der Kurzgeschichte, der einen Augenblick in die Mitte d R 'eh ann. r setzt ies G h h . ' er n-
er e1 e - selber verarmt ist. Schließlich muß e ewo n e1t auch noch fort, als er -
stellt. Aber die Anekdote gibt die Situation kurz, die Kurzgeschichte ausführlich. um den Armen diesen einen Tag 'cl er große Entbehrungen auf sich h
~
v h''l , „
m 1t zu enttausmen D A . ne men
Die Anekdote zielt auf eine Verblüffung, die Kurzgeschichte auf eine Erschütterung. sere . er tmsse gekommen und nimmt die Ein! d . er rme ist aber inzwischen in bes~
Von hier aus müssen Wilhelm Schäfers „Anekdoten" nochmals gesehen werden. u~ ihn mmt zu enttäusmen. Die seltsame Ver ~ ungen des vermeintlichen Reimen nur an
Dann zeigt sich nämlich, daß manche tatsächlich einen anekdotischen Kern haben, b.~1 de~ abermals gefeierten Dankfest an den F:i1c:klung kommt heraus, als der einst Reich;
aber zu Kurzgeschichten ausgebaut sind. Wenn man einbezieht, daß ja auch Novellen dlosung ist humoristisch .· der ,, Arm e" ist
. kran k weil
gen erdess. eh
Hungers zusammenbrimt. Die Auf -
1 „b
em entgegengesetzen Grund. ' u ergessen hat, der „Reime" aus
einen anekdotischen Kern haben können, braucht das freilich nicht zu verwundern.
„Beethoven und das Liebespaar" ist um die bekannte Anekdote herum entwickelt, daß Die Variation des gleichen Gesch h . .
k~ar~r Form. Dies sowie die Umkehr:nms:s. verbmd~t L.eitmotiv und Ereignis in
Beethoven, durch plaudernde Zuhörer bei seinem Spiel gereizt, mit dem Satz abbrach: ,,Für
solche Schweine spiele ich nicht!" Damit ist der historische Typ vertreten; der Vorfall ist die m
echten
der Feinheit des beschenkenden
Novelle gegeben.
J f
eist uf die .lei~t zu erschließende Idee,
erzens iegt. Hier smd alle Merkmale einer
kennzeichnend für Beethovens Selbstgefühl als Künstler. Er zeigt der Gesellschaft, für die
noch immer die Kunst eine Unterhaltung ist, daß man vor der Kunst zu schweigen hat,
Wilhelm Schäfer hat daraus einen Augenblick der Entscheidung gemacht. Beethoven will Zuweilen ergibt sich ein Unterschied .
d.urch die Gestaltungsweise. In Hans Fra::schen Novelle u~d Kurzgeschichte nur
die Tochter des adligen Hauses, in dem er spielt, überraschen. Er weiß um ihre Verehrung bei eme Geschichte „Lüge?" in der e· "h l'chs Sammlung „Zeitenprisma" findet sich
menschlicher schöner Kühle. In der Sonate Nr. 16 will er darstellen, wie eine Naturkraft R .. G. Bindings „Opferga~g" und in ii \ n i er' Gegenstand behandelt wird wie in
gebändigt wird, offenbar ein Geständnis, wie er sein Gefühl für die Tochter künstlerisch ver-
wandelt hat. Aber diese so persönliche Beziehung wirkt sich völlig anders aus, als Beethoven Die letzteren beiden sind aber No t1 i Strauß bekannter Schöpfung „Der Schleier"
D' ve en. . ·
gedacht hat. Denn ein junger Kaufmannssohn, der sie liebt, wie auch sie ihn liebt, wird . ie Erzählerin erlebt mit ihr M
durch das Spiel erregt und aufgerufen wie sie. Es reißt ihn hin, wenn auch nur in Flüster- emer
m' .Verwund ung dah.ms1echt,
. em zweiten
den ann nach demf "hl'
Liebe Ersten W
Abeltkrie g, a1s er an den Folgen
worten, seine Liebe zu bekennen. Und dies verletzt Beethoven im tiefsten. Er bricht mit v::s:n~r Franzdösin, .die er offenbar tiefer geliebt s: a~ :rgd. ~r im Todeskampf sprimt er
den erwähnten Worten ab; das Paar, das zu einander getreten ist, steht inmitten der pein- d wimmen as Bild der Gattin und d Od s ie eigene Frau. Dem Sterbenden
lichen Stille wie nackt, und sie gehen still, aber nun sicher, hinaus. Das offene Bekenntnis ist U:~ er einst in der Liebesnamt von der ~:u· ett;, Er sprjmt ein französisches Liebeslied
geleistet; bisher hatte der Bürgerliche keine Hoffnung gehabt, die Adlige zu erringen. Die oe J,'~~g;" h,'.'? muß. Aof ,eh, Flehen ,p,\';.!~:•:,;;;:. du '; mk Ode,~, gosp.od,e~
Tochter lehnt die spätere Widmung der Sonate an sie ab: auch die größte Kunst des größten d eh ie ranzosm und dom als sie selbe s· h utterte rau es fur ihn zu Ende ·
o . auf andere, auf smmerzlime Weise inrd ' \ atbden Gdeliebten .verloren und besitzt ih~
Meisters sei nur eine Dienerin des Lebens. . Em Leben rollt . k er ter estun e. Log sie vor ihm?
Aus der Anekdote ist hier deshalb eine Kurzgeschichte geworden, weil der poin-
A m urzen Sze e "b k
tierte Vorgang verwandelt ist. Die Entscheidung ist eine doppelte: einmal bringt sie mug.enblick des Bruchs. Eine N~v:ll:o~~t::· 'ollz~triert aduf den einen furchtbaren
für das Liebespaar die Erfüllung, zum anderen zwingt sie Beethoven zu ~rne~ter otiv gemacht und die beiden . d vie e1 t aus em Liebeslied das Leit-
Entsagung. Hier liegt der Lebensbruch. Das Tragische ist, daß Beethoven mit seiner , l~e Weise verbunden. Die A~/:1„ er ~ars~ellung getrennten Liebeserlebnisse auf
Musik für andere geleistet hat, was ihm selber versagt bleibt. Das wird mit Ver- en~s r.~orden. Als Idee hätte si~r:r~~;n ~r gc~rbestun.de W:äre das zentrale Er-
haltenheit dargestellt. Nur Anfang und Schluß verraten, wie Beethoven zu diesem rug uge war, wie die Verwandlung d e~ a. . er zdweite ~iebesfrühling ebenso-
er attm m O ette eme Lüge war, weil im
Mädchen steht, und auch hier bleibt der Dichter sparsam.
Im übrigen mag das Beispiel zeigen, daß man den Begriff des Lebensbruchs und
Abgrenzung: Novelle und Skizze
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle N eh ·1 . . 25
24 o_ g1 t mit Emschränkung, was vielleicht auß r .
vell e ist. gut, wenn sie etwas Obcrrascl1enc1es. l1at Ee Geltung geraten wird : Eine No-
Liebeserlebnis die Person voll erfaßt wird und doch mehr ergriffen w ird als sie wenn sie gut 1st.. · ·me "-urzges 11·1te ist u.. b errasclicnd,
l' . cl ·c1 ·
allein. So haben beide Frauen etwas ursprünglich Frühlingshaftes verkörpert. Aber
zugleich wird das Fragwürdige in diesem Zwiespalt empfunden. 13. Abgrenzung: Novelle und Skizze
Die Kurzgeschichte, die all das enthält, geht anders vor als die Novelle. Sie läßt
,l
schon in den ersten Worten anklingen, was sich in der Sterbestunde abgespielt hat; Die Skizze interessiert in diesem Zusammenhan . .
Formen gehört und gelegentlich den T d k . \n?, weil sie zu den klein-epi schen
ein Leben wird in diesem einen Augenblick zusammengerafft. Der Vortrag, der schon ist ein Begriff der bildenden Kunst· dypB er "ffe1.m .a ten N?velle annimmt. ,,Skizze"
bei der Novelle etwas Gespanntes hat, wird hier aufs äußerste gespannt. Man könnte · u·· b ngen
im · auch gattungsmäßig "eh , er begnd 1st m der . L I t eratur nur g1e1chmshaft
· ·
statt von „Spannung" überhaupt von „Ballung" reden. keine Gedichtskizze· dramatisch nS1k. t ge kun en, wemgstens nur teilweise. Es gib~
Solche Grenzfälle ändern freilich nichts daran, daß es den Strukturunterschied . d d" ' e izzen ommen vo eh . b
sm ;_ 1~ erzählerische Skizze bricht durch sob ld d" r,. au wenn sie. edeutungslos
zwischen Novelle und Kurzgeschichte gibt und daß er sich beweisen läßt. In mancher Das ist m der Frühzeit des deut eh R 'r a ie E~ndru:kskunst sich entwickelt.
Hinsicht hat die Kurzgeschichte das Erbe der Novelle radikalisiert. Wenn schon bei überschneidet; dies wieder ist ds1·e eEn chea 1s?1usd, der _sich mit der späten Romantik
der Novelle gegenüber dem Roman die Entwicklung zurücktritt, so daß man Bewäh- · · po e, m er die K ch"ch h
arum ist em Zusammenhang z . eh b "d urzges I te ochkommt.
rung des Charakters gegen Entwicklung setzen konnte, so fehlt die Entwicklung in D · · wis en e1 en vermutet d ·
ausse:zung ist eme Erschütterung des Welt- und d wo:. en; gememsame Vor-
der Kurzgeschichte ganz. Wenn schon die Novelle in der modernen, besonders in der turahsmus und des Jmpressionism . d" e~ Formgefuhls. Während des Na-
deutschen Entwicklung das Tragische bevorzugt und auf Katastrophen ausgerichtet kein Zufall, daß die der Skizze s:s n~mmt ie Neigung zur Skizze zu. Es ist auch
ist, so übersteigert die Kurzgeschichte gern in den Schrecken, ja in die Sinnlosigkeit, Meister deutscher Eindruckskunst na ~~e;;andte. Studie von einem der frühesten
auf alle Fälle in Richtung des Lebensbruchs. Und wenn die Novelle durch das zen- form verwendet wird ( Studien': ho~ a. _ert Sufter,. als Gleiclmis einer Erzähl-
trale Ereignis so weitgehend gekennzeichnet ist, so betont die -Kurzgeschichte wenig- bänden). ,, e1 en e1mge von Sufters wichtigsten Novellen-
stens in ihrem einen Typ dies Ereignis bis zu dem Grad, daß sich auch ihre Kürze
daraus erklärt. - Und wenn die Novelle gern mit einer unausgesprochenen Frage Skizze kann zweierlei sein: entweder Entwurf in d . . .
(wenn auch oft nicht ausgeführte ) B'ld ' em die Umrisse emes geplanten
endet, so neigt die Kurzgeschichte geradezu zu einem Nein. selbständiges Bild, das in großen Un . I es lvlorweg genommen werden, oder ein
Wie die Novelle, - davon wird später zu reden sein - weist auch die Kurzge-
A
··h mnssen a es Wese t!'ch
us u rung aber verzichtet. In der erst B d
f
~ I e zeigt,
· f .
au Jede nähere
schichte die Hauptausprägungen von Charakter- und. Schicksalsgeschichte auf; aber zählkunst keine große Rolle· i'n d e~ e keutung spielt die Skizze in unserer Er-
. eh . , er zweiten ommt · "f .
die letztere dürfte überwiegen. ep1s en Leistungen Theodor Storms s1· d B . . 1 sd1e o ter vor. Die frühen klein-
Wenn man mutatis mutandis - auch davon wird noch zu reden sein - eine No- "f · d
tl ters m er Formgestaltung erh bl'ch
n . e1sp1e. e af"
ur, wa ren d'ie Studien"
"h d
velle in ein Drama umdenken könnte, eine Anekdote in eine Szene, so eine Kurzge- ssem,
· wes h a lb Sufl:er
· e 1 weiter
dennom diesen B 'ff reimen E
. s wir · d spater
.. "
zu untersumen
egn vorangestellt hat
schichte in einen Einakter. b ,,Posthuma" . d von
. Theodor Storm sch"ld . em
1 ert wie . M'" dch . f .
Wenn aber, und wieder ist an der Entartung die Art zu erkennen, die Novelle ent-
tt~tte~ hw1r ' wie Tage und Jahreszeiten mit wechsel da L~chn au emem Armenfriedhof
artet, so wird sie zu einer Angelegenheit der raffinierten Form. Das gilt öfter für ra z1~ en und endlich eine Mondnacht k . n en. ~ tern und Blumen über das
.das Schaffen E. T. A. Hoffmanns. Wenn die Kurzgeschichte entartet, so paßt sie nur ~ause sich herüberstiehlt, um einen Kranz ::i;i;_t,
m der :m Junger Mann aus vornehmem
in die Zeitung und nicht einmal in die beste. mn:.~ng s_tcigt. die Vorgeschichte herauf. Einst h:;en auf ~hr.hGrab Z? legen. Aus seiner Er-
Die Novelle kann von der Dichtung zur bloßen Literatur herabsinken; es ist in ges amt, ihr mcht gesagt, daß er sie liebte N ~e er ~1t 1. r gespielt und sich ihrer doch
ihrer Geschichte oft vorgekommen. Die Kurzgeschichte aber ist überhaupt nur litera- Dies wirkt . d" V .' un sie tot ist, liebt er sie.
wie ie orwegnahme emer größ L . .
risch möglich geworden. Sie ist nicht wie die Novelle aus einem natürlichen geselligen ers~en Art. Eine Handlung läßt sich aus der E .eren e1stung? wie eine Skizze der
Kreis entstanden. Sie ist, gemäß ihrer späten Entstehung, auf Zeitungsfeuilletons. weiteres ~ntwickeln. Ein soziales Motiv taucht n~neJungb 1es Jung~n Mensmen ohne
Magazine usw. angewiesen. Sie hat sich entwickelt, weil der moderne Mensch nicht gegnen wird. au ' as e1 Storm immer wieder be-
mehr die Zeit fand, große Erzählwerke zu lesen und weil die formbetonte Novelle . ,,Im Saal" von Theodor Stor .I . .
fe1er. Der Täufling hat den Nam~/~1e t m emem norddeutschen Bürgerhaus. Es ist Tauf-
immer noch Ansprüche stellte.. ,!~ an Stelle des Saals ein Garten lag e:~ro.ßm~tter ~rhalten. Diese erzählt von einer Zeit
Es kommt vor, daß ein Novellist vom Dichter zum Literaten herabsteigt. Und es
sa und ein Gast des Vaters ein ·u, ie sie emst, em Kind noch, baumelnd in der Laub~
kommt· immer öfter vor, daß ein Kurzgeschichtler vom Literaten zum Dichter
:au~el, und am Abend durfte si/ b;ig~is~auf;an~h zu . ihr kam. Der gaukelte sie in die
emporsteigt. T sie wurden ein Paar. Wie einst und . ne en 1 m sitzen. Nach Jahren kam er wieder
Die Novelle ist die letzte Prosaform gewesen, die zum Gedicht neigte. Der ,..aube baumeln und auf der Schaukel mk,tldemselben Namen wird wieder ein Kind in de;
Roman war die erste, die vom Gedicht wegführte. Die Kurzgeschichte ist in dieser Ver h gau e n.
Entwicklungsreihe die letzte, und bei ihr beginnt sich der Ring zu schließen. Denn . gangenHandlun
e1mhaften e 11 g~u" ß en. SI'cl1 ' d er Rmg
eit und Zukunft . des Gesmehens smließt sich Zur
wenn sie künstlerisch so straff geformt wird, muß sie zum Gedicht zurückkehren. andlung entwickelt ~iJ ~e ~ SICh die keimha.ft novellistische Motivführung.' Die
im usammenhang mit der Rahmenerzählung. Das Thema
Die Novelle strebt zu einer Tiefe, die nicht von vorneherein erkennbar ist. Die
Kurzgeschichte strebt zur überschaubaren Fläche.
-
D er Sonderfall der Versnovelle
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle ·1 d' . 27
26 wei es ie Welt der Wirklichkeit verläßt D üb . . .
ist die Kinderliebe, die bei Storm immer wieder erscheinen wird. Ein Nebenthema Grenze berührt sondern die Gr . d. bas erwirkbche wird also nicht an der
. l ' enze wir ü erschritten S0 d · d d'
ist im Streitgespräch am Schluß angedeutet: der Gegensatz zwischen Bürgertum und emer fü le verschlungen, wie sie . ,. . .· ann sm 1e Motive in
Adel. Skizzenhaft sind die Züge von Storms Novellistik vorhanden, aber ein zentra- sind nicht auf epische Sichtbark ~ur m lmcr musikalisd1cn Vielfalt möglim ist. Sie
les Geschehnis fehlt. Man vermißt es nicht. Man darf diese kleine Geschichte dem reize. - Die Ballade rückt aber e~:/Nnge egllt, sofndern auf musikalisme Stimmungs-
. R'm f ove e so ort nahe we d' S .
zweiten Skizzentyp zurechnen. Würde daraus eine größere Darstellung entwickelt, m t tung au episme Ansmaulichkeit ein eh .. ' nn. ie . ttmmungsreize
so würde sie keineswegs sicher zu einer Novelle ausreichen, vielleicht kaum zu einer chen des Ibykus" der Fall ist. ges rankt werden, wie es m den „Krani-

Erzählung. Umgekehrt neigen alle Novellen die da Sm .


Anders geartet sind die eingehenden Schilderungen in Skizzen wie „Ein Tod" aus ehe sind aus Balladen entstanden., Brent s ~n~· letonen, der Ballade zu. Man-
der Sammlung Holz' und Schlafs „Papa Hamlet". Hier widerspricht die Genauigkeit dem schönen Annerl" hat solche Hinterg:~o~ ''. ;~ id te vom braven Kasperl und
der Eindruckskunst der Skizzenhaftigkeit, aber daß, stellvertretend, nur eine deut- levhuus" und „Eekenhof" sind nach B 11 dun e, b e.o or Storms „Fest auf Haders-
a a en gear eitet.
liche Impression herausgegriffen wird, entspricht ihr wieder. Im „Fest auf Haderslevhuus" sind d ' M' .
Wieder anders geartet sind die Skizzen Franz Kafkas wie „Ein Landarzt", über- novellistischen Zusammenhangs gesa h ife .mkneszenen so lyrisch gefärbt, daß sie trotz des
. T" . ng a t wir en und die Le't · L' b
haupt die Beispiele aus der gleichnamigen Sammlung. überklare Augenblicke werden wie one gegen einander, lösen sich strophisch ab' 'eh i ~ot!ve te e und Tod spielen
herausgegriffen, deren Verbindung aber traumhaft ist. Selbst so folgerichtig durch- In der „Judenbuche" der Annette von D ,Hu~l hs1 ff schlteßhch zu finden .
h" fi f . d eh roste- u s o tauchen T d d
geführte Darstellungen wie „In der Strafkolonie" bewahren das Skizzenhafte im so au g au ' sm au mit so ausgeprägten Schauer- d . o es- un Mordmotiv
man an den Urschauer der Ballade erinnert wird. un Sturmsummungen verbunden, daß
literarischen Sinn: sie sind wirklich Skizzen statt eines großen Welt- und Lebens-
bildes, Entwürfe, die gleichwohl in sich bleiben; sie sind, wenn der widersprüchliche Dennoch bleiben. Novelle und Ballade durch die
Ausdruck erlaubt ist, Welt-Skizzen. Gerade daß Einzelnes ausgeführt ist, anderes Versrhythmus gesmieden. Das ist keine Äußerlichkeit. strophische Bindung und den
bloß angedeutet, daß wiederum folgerichtig Durchgeführtes für ein größeres Bild
stehen muß, das nicht ausgeführt werden kann, verrät das Wesen dieser literarischen 15. Der Sonderfall der Versnovelle
Gebilde. Auch sie wären nicht möglich gewesen in einer Zeit, die noch ein festes Welt-
In der Ballade mit novellistisme z cl1 • "b
und Lebensbild, die noch eine klare Form hatte. geistesgeschimtlich) romantism '? US n~tt ~ erwiegt
.
noch die urtümlich (nicht
erlaubt. In der Novelle mit ~a~=~itlung, ;1e ;1~e (!,ters~reitung der Wirklichkeit
14. Abgrenzung: Novelle und Ballade Gesinnung, die das Wirklime an der sG em i;; Ü~
u ~rw!egt nom die realistische
Die Ballade steht fast im Bezirk der Novelle und ist überdies viel älter. Auch in Das Beispiel der „Kraniche des Ib k:s:~~e es erwir~hchen festhält.
ihr geht es um ein zentrales Ereignis. Das Ereignis wird durch szenische oder lied- in denen trotzdem die gebundene R[d . eutet d~r~uf hm, daß es Sonderfälle gibt,
hafte Wiederholungen vorbereitet und unterstrichen. Das ist ein motivischer Zug, ja, ausgehenden Mittelalter erklären siee e!le r~:llis~~che Struktur bloß verhüllt. Im
oft genug heben sich Leitmotive heraus. Ebenso ergibt sich eine konzentrierende Idee. Deutschland als dichterisches Mittel se~; hetr~ i:. ungebundene Rede war in
In Schillers „Kranichen des Ibykus" ziehen erst die Kraniche über den wanderndeilf Sänger Vom kleinen Epos zur Novelle führt hie/:i: .. ~ rlater aner~annt als in Italien.
zum Roman. a n 1 er Weg wie vom großen Epos
hin, und er begrüßt sie als „befreundete Scharen". Dann werden die Kraniche Anlaß zum
Selbstverrat des einen Mörders. Das ist ein typischer Fall von novellistischer Linienführung. ,,Der arme Heinrich" von Hartmann von A . .
Das Leitmotiv kreist um das zentrale Ereignis: die Sühne für den Mord an Ibykus. Die Idee, zugleich zentrales Ereignis der Heilung· d V ue .:t tnn ~odern, daß der Wendepunkt,
die zugleich den Inhalt in einen Satz zusammenfassen läßt, ist die immanente Gerechtigkeit, c:bens, nach innen verlegt wird Da W. der derzt ~ es Rmers auf das Opfer des Mäd-
die den Mörder zum Werkzeug des Gerichtes über ihn macht. das Mittelalterliche an dieser Diciltu s ; ; er e!" dH;1lung vom Aussatz bleibt zwar; es ist
Man hat Schillers Balladen mit Recht Versnovellen genannt. Wenn dies Beispiel es m?glich ist. Der ziemlich straffe 1~sch:i:te~ wir 1 .;f 'iJunderbaren so ~e!t entkleidet, wie
Die „Herzmäre" von Konrad v W" b at g e1 . a s etwas Novelltsusches . .
demnach nicht unbedingt stellvertretend ist, so dürfte es die „Lenore" von Gottfried Das Leitmotiv ist da ein Falke" o1 ;:;z. urdg vermeidet auch den Rest des Wunderbaren
August Bürger um so mehr sein. z ·
d
zentralen Geschehnis'. als r R' : as. otF1v es Herzens. Die Wendung wird wieder zu~
e Itter semer rau das Herz d f b
Balladisch-sängerhaft sind hier eine Reihe von Motiven verschlungen, die einen gemein- u essen gegeben hat bricht ihr d H b . . es erne verstor enen Geliebten
samen Grundton haben. In ihnen ist das Leitmotiv verborgen: die Begegnung von Tod und lVeben kann. Die Seh~sucht die de;sMe::~ a ~.~ im t~ef~~n,h:"'eil sie ohne den Geliebten nicht
Leben. Die Liebe, von Lenore sinnlich als das Leben erschaut, gilt einem Toten und reißt in erdinglichung gefunden. , en u er sem maus führt, hat ihre erzählerische
den Tod°. Aus dem Totenreich aber schaut die unüberwindliche Ewigkeit noch im Gericht.
Daher die vergeblichen Warnungen der Mutter, als Lenore aus Sehnsudn nach dem verschol- Einweiter
aber großer Teilalsder
nichts kn:ogenafnten VS~sn~vellen .~es a~sgehenden Mittelalters ist
lenen Geliebten die ewige Liebe lästert. Als der Geliebte doch noch kommt, erfüllt sich der sehen Zuschnitt haben F ppd ge orWm~e wanke, mogen sie auch äußerlich novellisti-
Tod mit gespenstischem Leben, und als der Reiter sich als ein Toter und als der Tod enthüllt,
ist das zentrale Geschehnis erreicht. - Die Idee ist, der Volkstümlichkeit dieser Ballade ent-
bish'lil zur zotigen Ei· dreu ·e kam, . ' an . der übertölp elung, an der z·we1'd eutigkeit
1tz
sprechend, einfach, eine christliche Lehre, und sie wird auch am Schluß ausgesprochen. und verweisen diese G;b.1~t1g e1~ ze1g~n ~1knedn Boccaccio in deutscher Vergröberung
In der F . 1 e aus em ezir er Novelle als echter Kunstform
Bürgers „Lenore" zeigt die Verwandtschaft zwischen Novelle und Ballade, ~u- „ rau mit dem Sperber" erblickt die unwissende junge Nonne einen Rit;er mit
gleich aber die Verschiedenheit. Zunächst wäre das Thema novellistisch nicht möglich,
Vergleich: Novelle und Drama 29
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
28 schwer um das Drama
gleich zwischen Novell egerun"en
und <>Dr. B'is '?
. d',Re mlloderns~e Forschung hinein hat der Ver-
einem Sperber und wünsd1t sich das Tier. Sie kann es haben, wenn sie ihre Minne dafür I d f .. . ama eine . 0 e ge~p1elt
gibt. Ahnungslos, was Minne ist, gibt sie ihre Uns,.hu\d her. Als sie von ihrer Muhme über n er ra nzos1schen Novellistik J .. 18 1 1 .
dramatischem Dialog Das ist nicht es ·1·ch
Ja 1rd·:un<lcrts finden sich Auflös unge n in
ihre Torheit .aufgeklärt worden ist, will sie den Sperber zurückgeben, um ihre Minne und . d d . erstaun 1 . ie Nähe A kd d
damit ihre Unschuld wiederzubekommen. Der Ritter nutzt die Lage abermals aus. m enen as Gespräch wichtig k 'l zu ne ote un Schwank
.. . war, onnte so ehe Verwechsl d G '
Der Sperber wäre also ein - ,,Falke", aber das ~reignis liegt nur in einer über- gunst1gen. Goethe ahmte diese Ver , eh eh . ung er attungen be-
einige Novellen in Akte auf. m1s ung na ' und T1eck übertrieb sie: er teilte
tölpelung. Man suche an dieser - nicht ohne raffinierte Zurückhaltung berichteten -
Geschichte die Idee! Sie hat keine. Man erkennt die Eigenart des feineren zotigen Unse~ größter Novellist, Heinrich von Kl . . .
Dramatiker. Hier ist bewiesen daß b . d ;ist, war zugleich emer unserer größten ,
Witzes: eine Lage wird konstruiert. Die Dummheit der Nonne grenzt an Schwach-
sinn; die Natur hat mit dem Schamgefühl genügend Intelligenz verbunden, um eine können. Aber gerade bei Kleist' fehlen :~l~e ;::ie~us derselben Wurzel sta~men
denken. Da er auf beiden Gebiete M . slun.gen ganz, und das gibt zu
solche Ahnungslosigkeit, zumal nach der Aufklärung, unglaubwürdig zu machen. in Thomas Manns Novellensammt ei~ter ra:, unterschied er deutlich. Wenn man
Man sollte aufhören, Produkte dieser Art, wie sie im sogenannten „Gesamtaben- tisches Drama wie Fiorenza" finduntg fem se r mt~ressantes, aber nicht eben drama-
teuer" reichlich vertreten sind, als Novellen zu bezeichnen. d ß . " e , ragt man sich ob f" chl
a er eme verkappte Novelle darin s h ( f" 'd. er es ur so s echt hielt,
In der modernen Dichtung ist di~ Versnovelle wiedergekehrt, weil man die Un- wäre), oder ob er von der Novelle f a . was ur ie .Novelle kein Kompliment
terschiede zwischen Novelle und Ballade nicht verstanden hatte. er sie in eine andere Gattung übert orm kerne so undeutliche Vorstellung hatte, daß
In Schillers „Ring des Polykrates" wird die Erfahrung des beängstigend großen Glückes deutung der Handlung sowie der:~z~. f7nte. N(bovelle und. Drama haben die Be-
in die Mitte gestellt und durch das Leitmotiv des Rings unterstrichen, der - es ist die be- noch die Zuspitzung im Dialo · ip e ung zw. Zentnerung) und höchstens
stürzendste Erfahrung - im Magen des Fisches zu Polykrates zurückkommt, Auch die Idee im „Kohlhaas" ! Aber das Ge;p;;;ems~m: ~an de1;ke an die lebha_f ten Gespräche
wird zum Schluß ausgesagt. Einfach die Personen zu nennen und~~ i\ e; ersehen Verlauf embezogen sein.
In Schillers Balladen wird die Grenze des Wirklichen berührt, aber gewahrt. Da- buch eines Dramas, ist künstlerisch unmön1il r~. e e ~olgen zu l~sse~ wie im Text-
gegen sind die Balladen der Annette von Droste-Hülshoff wenigstens zum Teil ganz werden; also müssen sie sich organisch g d . I~se Satze sollen Ja mcht aufgeführt
eigenartige Sonderfälle. Sie haben echt balladische Züge: die Spannungsweite der rakterisierung der Personen ergeben a_us e~ ~P~f~n !fandlu.ng und aus der Cha-
Themen, die Überschreitung der Grenzen zwischen Wirklichkeit, Unwirklichkeit und stört das epische Gefüge Tieck w '. wiGe esch ei ck eist_ immer ist. Alles andere zer-
Oberwirklichkeit, die Stimmungsreize. Anderseits nehmen gerade diese Stimmungen . . ar im es ma unsicher und . eh d. F
wemger aus romantischem Weltgefühl als aus Eff k h . m!s te ie ormen
auch epische Eigentümlichkeiten an: die feine Beobachtung des Impressionismus sind diese unorganische Vermischung auffall d d :1t ascherei .. Bei Go~the aber ist
der Ballade fremd. Gelegentlich wird der Typ der Versnovelle erreicht. der Rahmenhandlung mit ihren Gesp "chen hun wo nur aus emem Mißverständnis
Im „Geierpfiff" ist der Pfiff zunächst das Signal der Räuber, falls ihnen Gefahr droht. . ra st emen zu erklären ·
Dann, als ein unschuldiger Mensch in ihre Hände fallen soll, pfeift ein echter Geier, und die D enn d ie Grenzen zwischen Novell dD . . .
und Dramatik wie zwischen d e ~n Mrama smd dieselben wie zwischen Epik
Räuber fliehen, statt anzugreifen. Leitmotiv und Ereignis sind organisch verbunden. Der ' en weiten öglichkeite · lb
Vorgang ist seltsam, fast wunderbar; man ahnt die Idee einer immanenten Gerechtigkeit: un d d cn engen, aber umso stärkeren d er unm1tte . lb aren nWas mltte
hörbarer Darstellung
d eh b
das Signal der Warnung wirkt sich im Sinn eines höheren Schutzes aus. Aber das ist in
der Ahnung belassen, das Wirkliche eingehalten.
wer den so11 ' verlangt andere Struktur al d
soll. So ist die Diskussion über Novell s /ri ·. . ar un s au ar
was bloß mnerl1ch vorgestellt werden
Bei der dichterischen Kraft der Droste wird man sich hüten müssen, diese Vers- mit interessanten Vergleichen. Währen~ ~rie A~ama befremdl~ch, ~ine. bloße Spielerei
novellen, zu denen auch „Die Vergeltung" gehört, für unzünftige Balladen zu halten. men hatten, empfindliche über än b 'eh grenzunge~, d17 wir bisher vorzuneh-
sich hier nicht um Ab renzun g ge eze1 neten ~nd diskutierbar waren, kann es
Hier ist ein Typ entstanden, der für sich steht, der aber aus dem romantischen Glau-
terschiede sind eleme;tar un~' ~~~d;[.? bli°ß ~m emen Vergleich handeln. Die Un-
ben an die Wechselbeziehung zwischen Diesseits und Jenseits lebt. Auf die Geschichte
denke an den erschütter;den Fall O unst er, . er sie nicht erkennt, scheitert. Man
unserer Novelle ist er ohne Einfluß geblieben. Weit mehr als im ausgehenden Mittel-
gemeint und doch eine N 11 . D tto ~~d":1gs! Der „Erbförster" ist als Drama
alter, da bei uns die Prosaform als dichterisch noch unbekannt war, verrät die ge- . S . ove e, " as Fraulem von Scud " E T A H ff
bundene Rede heute auch eine innere Form. Sie zielt auf einen bestimmten Vortrag, eme p1tzennovelle wird von Ott L d . l ery . . . o manns,
So ist der Erbför~ter" . G o u d wig a s Drama "Cardillac" mißverstanden
setzt eine andere Art der inneren Sammlung beim Hörer voraus als die Prosanovelle.
~rimaner die Fehler nach:eise:g~:~;~ ~es Schulunter~icht! geworden, dem jede;
So wird die moderne Versnovelle, in der sich sogar Paul Heyse noch versucht hat, r1sche Kuriosität. ' so ist der „Cardillac vergessen, eine litera-
trotz ihrer unmittelbaren Verwandtschaft mit der Prosanovelle geschichtlich, wenn
auch als Außenseiterin, der Ballade zugerechnet werden müssen. Das Drama. zedigt· d'ie N otwendigkeit. Die Novelle zeigt die Not
Im D rama 1st
Im Drama ist da:s Sch'ck ld
G:s~:hene:~e ld en .stellvertreten~, in. der ~ovelle
· ist es isoliert.
16. Vergleich: Novelle und Drama
unterliegt selbst die Gerechtigke't ~ po~ischcherhGerecht1gkeit geleitet. In der Novelle
Die Verwandschaft zwischen Novelle und Drama wurde schon von den Roman- Wenn . . i em es e en.
tikern festgestellt. Storm sah in der modernen Novelle die dichterische Leistung, die im »Prmzen von Homburg" der p rmz . wegen seines Verhaltens m der Schlacht
das Drama ersetzt hat. C. F. Meyer hat seihe Novellen oft als Dramen geplant und
--
Aufbautypen der deutschen Novelle 31
30 f Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
"ß . denn die Schlacht ist gewonnen, und der keiten die Mitte hält wie etwa das Schauspiel zwischen Tragödie und Lustspiel, noch
verhaftet wird, so liegt darin etwas Ungema es,. ewissem Sinne Zufall ; notwendig war seltener als die hu moristische Novelle. Das hängt mit der Struktur der N ovell e zu-
Prinz hat sich eingesetzt. Aber der dE;/olg ':a[. ~~ i otwendigkeit, die das Leben gestalten sammen: sie braucht die Zuspitzung. "Viola tricolor " von Storm wäre weniger wirk-
die Wahrung der M~nneszucht. Un 'k ies~::::/ richtet sich nicht nach der Tat, sondern nach sam, wenn das Werk nicht hart an der Tragik vorbeiführte.
muß, verletzt der Pnnz. Der Dramau er . Strukturtypen im Sinn der Motivierung sind Charakter- und Schicksalsnovelle. Frei-
ihren Voraussetzu~gen. • d erwähnte Mißverhältnis zwisd1en Ur~ache und ~~r- lich sind gerade im Novellenbereich Charakter und Schicksal zwei Seiten derselben
Wenn dagegen im ~Kohlhaa.s a~. li er Ver uickung von Umständen, die dann freilich Sache. Der „Kohlhaas " betont mehr den Charakter, das „Erdbeben in Chili" mehr
kung eintritt, so geschieht das m zurld g Ab q nach den Voraussetzungen der Tat kann
den Charakter des Kohlhaas heraus or ei:l er Kohlhaas ausging, wohl aber nach seinen das übermächtige Schicksal, aber der Charakter fordert Schicksal heraus, umgekehrt
nicht gefragt werden, weil das Unrech~. ~~cht von . .. Schicksal den Charakter. - Eine Abart der Charakternovelle ist die Typennovelle
Taten selbst. Das wäre im Drama unmog ~ . " . d schaubar. Was die Möglid1ke1ten uber- Gottfried Kellers, eine Abart der Schicksalsnovelle die sozial betonte, wie man sie
Die Vorgänge im "Prinzen von Hom urg sm Die Vorgänge im "Kohlhaas" aber über- seit der „Judenbuche" der Droste immer wieder findet: der Charakter ist durch so-
steigt: die Schlacht, ist durch ~auerscha; erset~t. Theatralisch wäre ein Zuschnitt denk- ziale Umstände bedingt, denen er schwer entrinnt. Nichtsdestoweniger bleibt er Cha-
steigen die Möglichkeiten unmittelbarer „ adrste ufnd\r Bühne umso peinlicher empfunden. rakter, und niemals läßt sich die Novelle ihr Vorrecht nehmen: die Behandlung
.
bar. Aber das mner i unange messene wur e au
!'eh Schicksalsdrama (m· d em d'ie
des Sonderfalls.
. . eh dem sogenannten . . K hl
Selbst die Beziehungen zw1s en . . R de zu stehen scheinen wie im " o - Fragen wir nach geschlossener und offener Form, so ist zu sagen, daß Geschlossen-
Voraussetzungen der. Tat ebenso7:1gD:n Jie Novelle verquickt Schicksal u~d echte heit eigentlich zum Wesen der Novelle gehört, nämlich was ihre Form angeht, daß
haas") und Novelle smd unv.:esent 1 b L und was Schicksal, was Schuld ist, ent- anderseits aber Offnung ebenso zu ihrem Wesen gehört, nämlich, was die Lebensfrage
Schuld gemäß dem Doppelsinn des e ens, betrifft. Diese Spannung in solch außerordentlicher Schärfe entspricht eben dem W e-
scheidet sie nicht immer. sen der Novelle.
Daß man wirklich von „geschlossener" - d. h. zugleich innerer - Form reden
kann, ist hier sehr selten. C. F. Meyers „Versuchung des Pescar<1." weist in diese Rich-
tung durch das ungewöhnliche Maß an Sinngebung. Aber weit früher ist schon
17. Strukturtypen der Novelle Goethes „Novelle" die deutlichste Leistung. Hier trägt sich das zu, was Novellen sich
eigentlich ihrer Natur nach selten gestatten: eine Frage wird ganz beantwortet.
.. . Urt en - im Sinne der Gattungs-Richtungen „Offene" innere Form zeigt das Erlöschen in Stifters „Hochwald", die Frage am
Strukturtypen - man kon~te sagen .. chyp pannte und die lyrische Novelle. Für Ende von „Hans und Heinz Kirch" oder das Ungewisse in Storms „Halligfahrt". Bei
sind die . ep1s
· eh geb"an d'ig t e, die . dramaus ges . Conrad Ferdinand Meyer zu nennen, der Markantheit, die das Geschehnis im allgemeinen verlangt (bei Stifter liegen die
die episch gebändigte Novell~ smd Na~en ";'t anschaut oder plastisch erhöht, oder Dinge, wie wir sehen werden, freilich anders), wird solche Offnung erst nach dem Ge-
der gleichmäßig klar ~~ b~richte~l we~ucl/;:~l Ernst, der eine kalenderges~lüchten- schehnis, selten in seiner Andeutung gewagt werden. Und auch in „Hans und Heinz
Paul Heyse, für den Ahnhche~ ~1 t, . esa t daß ein C. F. Meyer nicht auch Kirch" ist die Frage am Schluß': ,,Wo aber ist Heinz Kirch geblieben?" mehr ein Erre-
mäßige Einfachheit sucht. Damit isc_chnicht ek~:"a g _:, Für die dramatisch gespannte gungsmittel. Die Vision, die Hans Kirch von dem Ertrunkenen gehabt hat, deutet ja
. eh G t ltung erre1 en onnte. d eh d'ie an, was aus ihm geworden ist. ·- Letztlich sind die Unterscheidungen von geschlos-
stark d ramaus e es a . d. inwieweit gerade hier enno
Novelle ist Heinrich von Kleist ste11:'ertreten. , . - sener und offener Form bei der Novelle nicht wesentlich, so aufschlußreich sie in Son-
eh ·d d · t wird zu zeigen sem. derfällen auch sein mögen.
epische Leistung so ents e1 en z5 '. h N velle Der Ausdruck stammt von Pau 1
Auffälliger ist der Typ der yrisc en o dt Der innere Widerspruch, der in den
Heyse un d wur d e zuers t auf Storm 11 "angewan
l' . t ·heute weniger groß a1s zur ze1t,
· da 18. Aufbautypen der deutschen Novelle
Ausdrücken „lyrisch" und ,,~ovewre {!~' ~:aiger haben gelehrt, die Gattungs~icl:-
pie besonderen Aufbautypen ergeben sich in der Geschichte der Novelle nach den
der Ausdruck. au!kam! Fors er d' G ttungsausprägungen. Das zentrale Ereignis
tungen für w1chuger zu hal:en ~~~ ie E a. . e sind hier mit Nietzsche zu reden, beiden auffälligsten Erscheinungen: der Rahmennovelle und der Einzelnovelle. Wenn
wird nach innen verlegt; die g.ro tedn rFe1gnikss nst dieser Dichtungen - die Urfor- die Einzelnovelle in eine Rahmenhandlung eingefügt ist, heißt sie „Binnennovelle".
unsere su'11sten Stun d en. Angesichts ker orm usie nicht anders bezeichnen. . D'1e w1'eh- Wenn man unsern Gesichtspunkt anerkennt, daß die Novelle eine Urform des
men der Novelle sind vorhanden - d an~ ~al Novelle sind Eichendorff, Storm, Erzählens ist, kann die Rahmennovelle (in der früheren Begriffsbildung meist „Rah-
tigsten Namen für die Gestaltung ~ y;1sM:~ Dauthendey. menerzählung" genannt) nicht die charakteristisd1e Gestalt der Novelle sein, wie Fritz
Stifter, Ferdinan~ vo~ Saar, Thor:: ::m' Leben sind die tragische und die humori- Lo~emann meint. Sie ist schon früher dagewesen, nur literarisd1 nicht festgehalten,
Strukturtypen im Smn der. Hat . ~ d' N men fast aller Novellisten seit Goethe Wemgstens nid1t so eindrucksvoll und geschichtlid1 folgenreich, wie sie in den berühm-
stische Novelle. Für die t~a~ische ~ ie . a Gottfried Keller und Wilhelm Raabe. ten Rahmennovellen seit Boccaccio auftritt. Die literarische Form der Rahmennovelle
t freilich nur Spiegelung eines echten, im Leben beobachteten Erzählvorgangs, ja,
zu nennen, für die humonsusche: a~end.w1~ovelle die zwischen beiden Möglich-
Die letztere ist selten. - Dagegen ist ie · '
Aufbautypen der deutschen Novelle
Wese n und E rsch einungsfo rm en der deutschen Novelle
32 ist) . - Die Verquickung von Rahmen- . 33
hängt. noch mit. der Gcst:il t des öffendi ch..:n Erzählers n 1s!lmmen, wie er nicht nur in
zw ar vo rstc.llcn,
. ' Cl. ß Clu_nd
d:i.ß ein bcg:i.bt f ßi~'.1enhandlung ist literarisch ,. es la"'ßt S!C
LI scrz:i.hlc . d . 1 . h
.h
südlichen Ländern hiü1fig zu treff en '.var . lnsofern weist. also auch diese Ra hmenform ortrag entwickelt hätte aber d ie Ab . l 1· .11 -'. I e1g c1c cn auch im lcbend1·g
·
V hl d ' s1c 1t 1c1cett LI d K d cn
ri.od1 auf das Leben zurück und ist darauf angewiesen, literarisch et.was vo rzu täuschen ist wo nur em einsam Schreibenden möglich. , 1 uns t er Ver- und Entflechtun g
oder doch zu ersetzen, was unmittelbar nicht mehr gegeben werden konnte. Anderseits Am vertrautesten
. ist der Ty p d er em . f aeh en Rah 11
liegt in der Gestaltung der Rahmenhandlung etwas Künstlerisches, eine besondere o tln:mungsmittel und eine Mö lichkeit „ m.ennove ~· Dann ist der Rahmen
bl ß S
nahezubringen. In der Regel ist d Bg . h ' . naturhch zu wirken oder das Erzählt
Absicht der Zusammenfassung, die bei den öffentlichen Erzählern selten vorgekommen .. . er enc ter m der R h h e
sein dürfte. Kann doch, wie beobachtet worden ist (vergl. Benno v. Wiese), die Rah- an ung personhd1 beteiligt sei es d ß . d a men andlung an der Binnen-
h dl ·eh '
wenn au " m t unbedingt , als H auptperson im , a er m er Ichf
. ,, Ge orm " b · h
menhandlung sogar einen Ausgleich zu den Binnennovellen nach Form und Gehalt eh eh h ench tet und unmittelb ar,
" r- orm erzählt wird und das Ges h h s e en ste t, sei es daß in der
bedeuten. E F liebte die einfache Rahmen c eilen nur als ein beobachtetes erscheint Theod
Storm
N id1t jede Rahmenhandlung ist übrigens eine Rahmennovelle. Rahmenhandlung . eh . nove e· man de k p 1 . or
iegt no e1~ besonderer Reiz darin, daß ~un" eh n e a~ " o e Poppenspäler". Hier
a . bst n~~ eme Gestalt der Rahmenhand-
kann ein einfacher, verbindender Vorgang sein, der weiter nid1ts will, als eine Auf- !lung, und wiederum nicht als Haupt
reihung von Binnennovellen zu rechtfertigen. Und er kann zu einer Handlung von .. 1·ich p au1' d er Erzahler.. . de Rperson, mit ete1hgt am B'mnengeschehen scheint .
markanter eigener Bedeutung führen. Der Ausdruck „Rahmennovelle" ist also doppel- nam m h
r a men andlu h ( ··h d ,
deutig. Er kann besagen, daß es sich um eine Bündelung von Novellen handelt, die a men an ung selber vorträgt J. S .. . ng wa ren derjenige der diese
h h dl . .
Raus rau, 1e bisher in der Ral ' a torm personlich · t) D . '
durch eine Rahmenhandlung lose gekoppelt werden. Und er kann bedeuten, daß die 1 F
P au~tgesta d 1men h an dl ung ·is h· ann stellt sich heraus , daß
ten der Binnengeschichte war. wemg ervorgetreten war, eine der
Rahmenhandlung eine selbständige novellistische Bedeutung hat. H 1
Eine bloße Bündelung liegt in Arnims „Wintergarten" vor (in dem übrigens auch . einfache Rahmennovelle k ann auch so m 1 ·· d" d
.Die
die Binnengeschichten keine novellistische Form erreichen); hier ist der Rahmen nur p iz1erteren Form auftauchen wen11 n·· 1·ch' d" er {":'ur ig as klingt, in einer kom-
!f 1 . d ' am 1 ie an sich . h . 1· h
ein Vorwand . Der Typ der sinnvollen Zusammenfassung ist viel älter; Boccaccio hat au. gespa · h wir . Stel!vertrete11d f··ur d"1esen T yp 1. t S em e1t ic . e Rahmenhandl ung
hl ten
ihn schon, nad1 ihm Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten". E. T. A. ,e za re1c ~n Unterbrechungen innerhalb de s torms „Schimmelreiter". Durch
dz::ec~t, "'.as 111 den Bündelnovellen nach Art rdRahmenhandlung wird nicht das be-
Hoffmanns „Geschichten der Serapionsbrüder" nehmen eine Mittelstellung ein. Die
namhch em Jeweils neuer Ansatz zu neuen Bm . es ,Decamerone"
ch"ch - ganz natürl1"ch 1s. t,
geistreichen Gespräche der „Brüder" haben eigenen Wert, wenn aud1, trotz ihrer Leb-
an ung setzt sich fort und ble1"bt m . s1"eh eb enso
nen_ges
e h . 11· hten, . sondern
. die Rahmen-
haftigkeit, nicht immer Handlungswert, aber häufig sind sie doch nur Vorwände, um hau dl. er er Vortrag fällt dad h d m e1t ic wie die Binnenhandl
eine Novelle als Beispiel fi.ir eine eben gegebene These zu berichten. d eh .Ab f eh d urc ganz an ers a 1 b . . ung
er em a en Rahmennovelle (b . d kl . us a s e1 Jener „einfachsten" F
So bedeutsam bei Boccaccio die Rahmenhandlung als Möglichkeit des Stillerwerdens za··hl ens u.. b ngens
. nicht selten abere1 .er1 eme u n t er brech ungen zur Belebung des orm Er
und der Formrettung gegenüber einer turbulenten, durch die Pest verwirrten Welt des Berichtes wird unruhige; d" Eme1t von struktureller Bedeutung sind)· der At -
ist - sie kann weit schärfer profiliert werden. Das ist der Fall im „Sinngedicht" Gott- G d , 1e rwartung ges E , em
run satz des „Fortsetzung folgt" d d pannter. s steckt bereits etwas vom
fried Kellers, wo die Rahmenhandlung ihre eigene Spannung hat und auch ihren der k"unst
' 1ens . eh e Wert des S h" es .mo ernen
. F em·11 R
eigenen Ausgang, zu dem die berichteten Binnennovellen freilich entscheidend bei- . ,, c imme1re1ters" dadurdl eton-
nich b omans
"h .darin
, ' obsch on
tragen; in diesem Fall sind sogar die Binnengeschid1ten gegenüber der Rahmenhand- Eme Form, die eigentlich vom Roman „ t eru rt wird.
n~~elle. gelegentlich auf: das vor eblich herubergenommen ist, taucht in der Rahmen-
lung manchmal zweitrangig. :;-1ckbhck. In der Rahmenhandh~ng sin~ Jagebuch .o1er der fiktive Lebensbericht und
Sehr selten kommt es freilich vor, daß die Rahmenhandlung als deutliche Rahmen-
novelle überhaupt überwiegt. Brentanos Humoreske „Die mehreren W ehmüller"
Smnenhandlung erst wichtig werden /111~
~t1v1sche Ansätze gegeben, die in der
ütbo~ms anderer Novelle Im Schloß"--: de~ a. von Storms „Aquis submersus" In
rigens auch für den T" A ':1r er emgeschobene Tagebuchbericht - .
nimmt eine Sonderstellung ein.
Häufiger, wenn auch nicht eben oft, sind Rahmen- und Binnennovelle so ineinander od;, bosse,, eines Gehei,;'.~i,::~ • qms subme,sus" gilt - '"' Lösung eines Rö,:ei:
verwirkt, daß sich die eine im Verlauf und Ausklang der anderen vollendet. Dafür ist
E. T . A. Hoffmanns Humoreske „Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde" ein ehr selten ist der Typ der h . r h
:v~~~bli~e innere Schau, ebenf:ih ~clt~-~ahme~novel~~- Hier wird der Bericht als
treffendes Beispiel; hier kommen dieselben Personen in Rahmen- und Binnenhand-
enhm~{ses gegeben, ohne daß dazu der ~scling 1111es R~ts~ls ~der Aufhellung eines
lung vor. Weniger ausgeprägt, aber reizvoll ist der Fall :von Kellers „Landvogt von
Greifensee" . Offensichtlich reizt diese Art Verquickung besonders den Humoristen
m1n. un? bemüht wird. So ist Storn:s ~up atz un . die F1gurenwelt einer Rah-
fechtb1st diese Möglichkeit nicht zufällig so ~~;lle. ,,~1~ D~pp~lgänger" angelegt;
im Dichter. Daß es auch anders sein kann, be eist freilich C. F. Meyers „Hochzeit des . arste. e en ' sie ist namlich künstlerisch die
Mönchs". Aber das ist ein Sonderfall; hi r dienen die unausgesprochenen, aber von
dem Erzähler, Dante, scharf beobachteten Spannungen unter den Personen der Rah- 'det Lockemann
ritz . ) der d"lC Summe dieser M„ rd k .
·:-;u~~ f:,~;;:~:::~g lhn~:t;enn;!:u:ne~i:;;.:::;':t~:;:~J:'-1'':;.t'::,~~
.
/ menhandlung dazu, eine echte Binnennovelle zu entwickeln. Die Spannungen zwischen
den Personen der Rahmen}:iandlung kommen wohl zum Ausdruck, aber nicht zurn
Austrag. Deshalb entsteht hier aus der Rahmenhandlung keine Rahmennovelle (ob- - mit Recht - für den zyklischenaia~ese Be~nffszbestimm;-1ng zu binden, be-
men emen weck (1m Fall des· „D eca-
wohl das Ganze der T yp einer Rahmennovelle im oben gekennzeichneten ersten Sinn

'
.. . Aufbautypen der deutschen Novelle
Wesen und Erscheinungsformen der deutschen Novelle
34
merone" wäre dies die Absonderung von der verwirrten Gesellschaftsordnung) und
begunsugt
. . . ·]werden.
von 111
1
. . Die R ah mens1tuat1on
n1 ~1t, stc
. . . · d
ist ohne ßezieh un g . ist _;a f'
_l aber sie
. -!St
. technisiert · man 35
. ·!
Antwortsp1el zwischen Sender und I-I~ um e1zal1 ten Vorga ng, weil es ei:1 f- rag~~nc1dt
spricht daher .vom „Zweckrahmen". Für die Einzelrahmung hebt er deren Aufgabe en Sender anon bl 'b . rern ntc1t geben kan d d .. un
hervor, die Glaubwürdigkeit des Erzählers zu stützen und redet daher von „legitimie- dtun und in . ym ei .t. Insofern ist der Rundfunk a n un . er Horerkreis für
rendem Rahmen". Er sagt aber ausdrücklich, daß deshalb nicht jede zyklische Rahmung
Zweckrahmung, oder jede Einzelrahmung legitimierend ist. Dergleichen überschneidet
sog;, di, No~::t:: t!I ~:,~~P:f,d,r F,uille<on Ab,~~n~u:,,;;;~;:rc:;:d,~n, Zei-
ha tten geben müssen: die u . er ;u.~geren Zeit schon als literar· h r . er, was
sich oft und ist auch austauschbar.
,d,,,u~.' Hiec fühn die T,;;::::t1bm, h.o,bm Ecühlung. Das soll ,:,:'n ')\',"gdung
Lockemann erwähnt, daß der Novellenrahmen „von den gesellschaftlichen Bedin- etwas langst Verlorenes
. wieder' he1er au
sofv1ele
- un seedlische
· d Verluste verlangt
. hat ,icdotchunterl-
auc1
gungen der Zeit und Situation seiner Entstehung abhängig" ist. Er schränkt freilich G h hene. W ort wirkt als d as ge1esene
gesproc · 1 t1e
;e ermann weiß , w1·e vie . fer das
.
ein: ,,in gewisser Weise". Wir würden sagen: die soziologischen Beziehungen sind so
deutlich, daß man an der Rahmenbildung ein Stück Geschichte der Novelle ablesen
kann. Am deutlichsten erscheint unter deutschen Novellen die ursprüngliche soziolo-
e en wu· nun zu den Typen der Ein „

~::f!:rt!rt~~Je~:;~~~, te er i; Kleists ~.~~r;~~n~bi:,s::tstt i::~ ein,f achste Form


gische Gegebenheit des Novellen-Erzählens in den „Venezianischen Novellen" Gaudys. Vom'.g sold,ec Novdl,~':i:,,;:l ::' ~m, üb'.csichtlid,, Hmdlu:;;:olg:~'t:rt
Hier - und es ist kein Zufall, daß es sich um ein südliches Land, um Italien handelt, gearbeitet sem kann beweist G h zie ungsreich und kunstvoll mot' . eh d her
aber ein östliches wäre ebenso möglich - tritt sogar ein öffentlicher Erzähler auf, dem folgericht' T '.. oet es „Novelle" _ p 1 ivis urc -
. b1gen. yp haufig, etwa in „L'Arrabiata". au Heyse verwendet diesen
Gaudy dann die folgenden Geschichten in den Mund legt. Diese Entstehungsform ist
offensichtlich älter als die andere, die wir aus „Tausendundeiner Nacht" un,d aus dem Emen ere1ts
w:esentlichen
anderen Eindruck
Momentes hervor·
. . .
r%t die ~mfache ~ovelle bei Vorschalt .
„Decamerone" kennen; denn beide, namentlich die letztere, beschränken den Kreis ms vorweggenommen um nach man mal wird auf diese Weise das zentral . ung emes
der Zuhörer und setzen eine höher nivellierte Gesellschaft voraus. Wir haben bei l.i,b« dies, Focm; in An,,tz,n isc ::;;: D~cs«llung wi<d,; meich, ,u wect~"iti'h·
Gaudy wie bei Boccaccio bloß noch die erwähnte literarische Spiegelung. Immerhin. rist sie . charakteristisch
.. . . ausge b'ld · Man
i et. on im
k „Kohlhaas"
'eh . da ' in der " M arqmse
. von
. Oeist"
haben diese Spiegelungen, sei es, daß sie sich auf das volkstümliche, ~ei es, daß sie sich iteransch ware; sie entspricht . G . a~n Ill t emmal sagen daß . . .
auf das gesellschaftliche Erzählen beziehen, sehr lange eine unmittelbare Beziehung gendes. in nuce vorwegz une h men
im undegenteil
dann demem natürlichen Bed ur
.. ' f ms,
. etwas
sie typ1sd1
Erre-
zum Leben. Es gab bis zur Wende des 20. Jahrhunderts im volkstümlichen Bereich . zu dem Gesd1eh ms
ten, wie es . k am. en atemanhaltenden Zuh"orern zu bench- .
immer noch die abendlichen Zusammenkünfte - ihre vertrauteste Form ist die Spinn-
ertegendhsten Au~~nblicke der Novelle führ:r ~ on mit d.en ersten Sätzen in einen der
stube, aber auch die Barbierstube erfüllte oft eine ähnliche Funktion -, auf denen · 1 em
Von diesem Typ we1c1t . · anderer ab d eh .
man sich die Zeit mit Erzählen vertrieb. Ein solcher Kreis, wenn er auch zur Novelle ge raue en, ,,zuruckblendet" f . , ann, um emen modernen A d
nicht als Vorwand benutzt wird, kommt noch im „Weihnachtsfund" bei Hermann
Kurz vor. Und es gab ·im 18. und 19. Jahrhundert n~ch die abgeiegenen Schlösser mit
~·rtlung ,uf ein noch wid;,'.;,:,~,~~,:ni~'°'f. tugmblicl, hmnfühn un':I d::: J;~
b:han1:ft!e;e e~zählt Kleist im „E;dbeben ~:12~ili~;h~.vel~a7'~tes ~rei?nis hinführt.
p,m unuch,hungsb,düdcigon Gesdl,d,,fr, wi, ,i, so ofr in den Novellen und En•h· A d' h yp.1st unverkennbar, aber die Abwa dl. ie b n i 1ke1t mit dem vorher
lungen bei Tieck und der Marie von Ebner-Eschenbach sichtbar wird, aber uns bereits
n ie e emahge Aufgabe de 1 n ung e enso.
aus den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten" Goethes vertraut ist. Mit dem .. 1em
~ar . usw. - erinnert es immer
r rnappe n Erza"h[ un~, Beispiele zu brin en - .
Zusammenbruch einer in sich geschlossenen, sei es bäuerlichen, sei es adligen, sei es
bürgerlichen Gesellschaft, fiel die Voraussetzung derartiger Zusammenkünfte aus. So
t:" An vonngescdh und di, ,:;:~i1;';,'~n bem~m« Themen ,n:,mein :::::1::
vone e~:;nert deutlich an die der Rahmenno::it.a s Beis~iele ge~eben werden. Die
sehr bereits im 18. und 19. Jahrhundert die literarische Spiegelung an die Stelle des Thema· 1:1 „Grenzfall der gerahmten Novelle" , man konnte hier auch mit Recht
in R,h;,,:;e~;;:;ensi,u"ion isc nich'. d,. Abges:1::d,;,~ !br t .g,h~ nuc um da,
unmittelbaren Erzählens auch trat - die Spiegelung wäre nicht vorgekommen, wenn
das ursprüngliche Bild aus dem Leben nicht noch dagewesen wäre. Dergleichen gibt es 0
nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in typischer und gültiger Form. Deshalb schwinden B~u<h,ung msges:~t•hchm,I ~o ''.ngdeim wecdm - ;in 'f 1~"/mn,nnovellon
die Rahmennovellen seit dem 19. Jahrhundert rasch dahin, rascher als die rahmen- bei Dich . . en ist - , ist dieser T b ·K l a ' er nun aus der
wieder te~n,d~1e sich ähnlicher· Formen bedi! e1 . a ebn~ergeschichten beliebt oder
lose Einzelnovelle, die ja jederzeit in lebendigem Bericht möglich ist, sich aber auch
ohne Spiegelungen an einen bloßen Leserkreis wenden kann. - Doch auch die Einzel-
novelre in Almanachen des 19. Jahrhunderts, in volkstümlichen Kalendern und endlich
ste t ie „Moral" am S 11 ß „ nen wie ei Paul Ernst
:~tsd, is, dec Unw,d,iod';: d,!u;x~:'pi;';;;;;;:• i~'. das von B;demun~:
Aus d R n
H'

mgangsbemerkungen nicht
:b:~
in Zeitschriften oder gar Zeitungen unterliegt dem Verfall wie die Rahmennovelle;
nur erholt sie sich immer wieder, auch im Kampf mit der Kurzgeschichte noch, weil sie andluner omanfor . m h eru"b ergenoinmen ist die Bri f . .
eh Dg tur. schembar auf; in Wirklichkeit h . e nov~lle. Die Briefe stücken die
von jeher auf den stillen Leser gerechnet hatte. Sie kann,. ohne gesellschaftliche Rah-
llst~n ~eu1· r ~stl E. T . A. Hoffmanns Novell;e Dt es1eSfolgdenchtig durch alle Teilstücke
men-Situationen aufzunehmen, Vorfälle aus dem täglichen Leben selbst heute spiee Auch d' . " r an mann" · d · .
auffangen. Wie weit der Rundfunk, der ja Millionen gleichgearteter, aber in jeder mmer" gehört .hierh !~ er?re1fende Geschichte von Ricard emes er emdrucks-
Hörerfamilie wiederum abgeschlossener Hörerkreise voraussetzt, eine ältere, natür- ula" bei M . er. Khnhche Funktion erfüllt d' T b a Buch: ,,Der letzte
.ane v. Ebner-Eschenbach, von uns nicht besproc
ie agl1en).
e uchnovelle (,,Komtesse
liche Erzählsituation wiederherstellen kann, ist eine reizvolle Frage. Aber auch in
diesem Fall wird sich nur die Einzelnovelle erneuern bzw. in ihrer Wiederentstehung
überblick über die Formgeschichte der deutschen Novelle 37
d deutsch en Novelle
scheinungsfonnen er war immer noch zu gering, als daß sich eine Art erzählerischer Freigeis terei daraus
Wesen un d Er b · h · t
36 . \' - . rendcn R ahm enn ovelle a sie t, IS cnt,vicke!t hätte. All es Un gewöhnli che, Skandalöse (das Zoti ge interessiert hi er nicht)
der nur äußerli chen komp 1z1e . d I wenn solche Vorschal- blieb im Typischen - ein Grund , weshalb es sich zum Exe mpel, zur Mahnung, zur
Wenn man v?n Novelle. Daher sm ' auC1 . . Hoff -

tunge1: und
0
t
Einfachhei~ ;;iJ:~:t:~~;:~, so kompliterte 1:!n~~u~!e~cliw~:~~e~~!~:~ovelle,
Antonie" verwendet, selte~. " . ntome GI rund auch ohne die Rahmen-
Erziehung eignete. Eine wirkliche Aufklärungsbewegung wie in Italien oder Frank-
reid1 (wo sie dann unterdrüdn wurde) gab es in Deutschland nicht. lli.he.i::. bl.ieb alles
mann m er " .h d ß sie mit gutem · d H nd- Erzählerische_zwe.ckgebunden,jn den Ansd1auungskreis des Christentums gebannt.
steht aber so ddeutlikch hautf sH1c'1e'r :ers:::nken sich meh:ere Hlandlung(sszeS1te;1o:)nerw:isen Dem deutschen Bürgertum fehlteäiicFi der freiz ügige Umgang mit hod1kultivierten
h an dlung abge fruc b't a · r Unübersichth'chke1t, · wie · die Adelskreisen (abgesehen davon, daß gerade diese damals verfielen), und so konnte es
. Aus
. egung
F 11 .·eh ·die wesentliche
lungsmomente ast is zu . d ist daß auch m diesem a si . wenig künstlerische Übung übernehmen und verwandeln. ~ r Grenzbereich von )(
wird, höchst kunstvoll: En~_s cheidr leich~ in ihrem Kern wiederzugeben ist. den Bürgertum und Adel wäre ein besonderer Nährboden für die Formkunst der Novelle 1 \
gewesen; die Geschichte des deutschen Meistergesangs zeigt aber deutlich, daß sich
Handlung als e i. n e empragt :;wicklungsstadien der No~~lle - und dar;~~::nig-
?s. witfb:;:1:~(ü~:~hd~e~!mgeschich:e der Nove~.1~ :;~t:~~:r Novellen. zu
dieser Vermittlungsversuch nur mangelhaft entwickelte. So sind Leistungen, auf die
wir anspielten, wie der „Arme Heinrich" im Hochmittelalter, ohne Nachfolge geblie-
J
1
wir im . auffallender Unterschied m . der Erza d ordnen sid1 die Einzelhei~en ben. Wenn schon im benachbarten Frankreich unter dem kirchlichen Drud( eine auf-
stens e i n . .
finden sein, die 1~ der
Ch onologie klar smd : entwe er
der Darstellung emer stra en.
~ Vereinheitlidmng unter; dann gehen
. . . Gesamtbild über - un em
t.
eh mimisch em-
solches Ver-
.
klärerische Bewegung nicht durchdrang und die Novelle sid1 keineswegs zu einem
höheren Stoff- und Formtyp entfaltete, so konnte man dergleid1en in Deutschland
rgänge wie bei Kleist m em 1 Erzählweise noch leichter zu noch weniger erwarten.
d ruck svo11e Vo . · · eh ge asseneren . en
hältnis ist bei einer we111ger mimisd enp, 1 Heyse - oder die Einzelheiten gren~ h Auch das deutsche Barock war der Novelle ungünstig. Zwar würde die n\}ue gewal-
. bei C F Meyer o er au ' ffun obschon es zu I r
erzielen, wie etwa. d. . b und erschweren die Zusammet:'ra l'
19 Jahrhunderts tige Spannung zwischen Diesseitigkeit und Glauben das Gegenteil vermuten lassen.
Aber immer noch ist der Sinn für aen ind-ividuellen Fall schwach entwickelt. Und bei
~ich stär:;~g~~::~~;i::/Erschei1:ung sedtzt mdit dpe~yc~:r:~:c~:n ~ealismus auf, also aller Neigung zur Aufspa tung und Dialektik hält das Barock an einer christlid1-kos-
immer d b . dem sozialen o er em
~:~
mischen und gesellschaftlichen Bindung fest. Die Reformation, so sehr sie die Befreiung
:~ft g;~:t~e~~s\t:szue~erhart Haupt~an~ ~:; :::::;!~~:edaß etwa bei Stifter des Einzelnen vorbereitet hat, war doch in diesen Bindungen mit dem Katholizismus
Es erklärt sich wiederum durch _d~n E'.t~nd der eigentliche nove~listische.1 (rga~! durchaus einig. Ein Simplizissimus, so eigenartig und abenteuerlich sein Schicksal auch
eine breite _Grund~·aß~e gege~::;;r ab:\erhältnismäßig kür.zelrdbench)t;;i;inds~~s- war, blieb ein Prototyp. Auch seinem Schicksal haftet das Exemplarische noch an; man
zwar noch m gema igtem b , h der Hochwald" hat vie avon . zieht eine Lehre daraus. Für das Verblüffende, oft Unheimliche des Einzelfalls fehlte

·Beschriebenen T ann 1·mg " ' a er auc " das Verständnis. Die Frage nach dem Sinn hätte nicht gestellt werden dürfen, denn ,in
"
nahmen. der gültigen christlichen Ordnung beider Kirchen war sie beantwortet. Der Vereinzelte
h . ht der deutschen Novelle wäre der Verdächtige, ja der Gezeichnete gewesen und ein ungewöhnliches Leben ein
l' k "ber die Formgesc ic e
19. t)b er b ic u . d d rch die warnender Hinweis, daß sich der Mensch von Gott gelöst hatte.
l "t entwickelt hat, wir ~ . Zur selben Zeit, als in Deutschland im erzählerischen Bereich der Roman mit seinen
. e Fra e warum sich die deutsche Novel e s~~r:de Mittelalter zeigt an s~ch eme
be~~dere gd~utsche Lage ?ean:wort~~f a:s:~:~haftlichen Gefüges. wie ~-n Italien ~:1. umfassenden Aussichten als Ausdruck des Kampfes göttlid1er und widergöttlicher
Mächte möglich war, aber nicht die Novelle, schrieb Cervantes seine „ beispielhaften

~:!t.:ii~:::~n;~;~;::~!:~t[td::ih~::b~!C::l:::::1;;~:l~::1:;::~
Die Sfipandnun_gc::~sch in Deutschland, die ~ ei?undg zE~r lei~~:gu S. 27 f erwähnten Vers-
Novellen". Das erinnert noch einmal an das „Exemplarische" der älteren Erzählkunst.
Aber die Gesellschaft - schon nicht mehr die Kirche - fängt hier nur noch ein un-
gewöhnliches Schicksal auf und sanktioniert es (wofür „Die Macht des Blutes" das
mus n et si · b b so Die m er 111 11 d- eutlichste Beispiel -ist); der individuelle Fall ist klar gezeichnet, die Gefahr der Locke-
Darstellung des zügellosen Tne. es e ~:n .nisvolle Verwandtschaft von Nov~ e untsch-
novellen ?eweis~ :~~:~h!;!rdt:erdote: wie sie bei BEoccaccif
zum we111gsten . wäre Die sogenannten xempe .
::J; 0
;:t;;:~:~ sind
eh' f und Ernst"),
g gesehen und von Cervantes im Vorwort aud1 zugegeben. Wenn man sich gerne
µf Cervantes als gewissermaßen den Begründer der „Moralischen Erzählungen"
rufen hat, so ist sehr fraglich, ob dies richtig war. Weit eher könnte man behaupten;
land ebenso möglich gewesen denke nur an Johannes Paulis „S .111:P dens die Cervantes wie einst Boccaccio im Zwischenland zwischen Adel (dem er angehörte)

~:ti:;~:fJtf:,7i~~~~ü:~::,::;;,~::~:;:i~f !~'.f.E~~:;:! ';;:t.


reich an skand~lösed Stoffen~:~ jene g_efährliche Lockerung des geitug;: :ttel;lters neuer Bürgerwelt schuf, als daW er das Exemplarische im mittelalterlichen Sinn
estellt hätte. Man muß sich im Gegenteil wundern, wie großzügig auch hier die
al ist. Die kennzeichnende romanische Begabung, Individuum und Gesellschaft im
gleicn und in fruchtbarster Auseinandersetzung zu schert, ist an diesen Novellen
. . 'hrer Wiederhersteller wie Pau rn , r beteiligt als der Gesichtspunkt moralischer Lehre. Cervantes erhellt, obwohl
emer I E 1 . W ge ·
Ge enstände aus den alten xemp a. .. vellistischen Kunstform im e . en _gewiß keinem geringeren Glaubensdruck unterlag als Deutschland, sehr auf-
!ber zweierlei sta_nd _d:r Entwic;!rin~:~e~::: :oar in Deutschla~d s<;hwäch~:f~;:: reich, was unter Deutschen damals nicht geleistet werden konnte.
X d' Fähigkeit, oen indiv;d1;1ellen . eh d die Lockerung des kirchlichen
~fekelt als in Italien oder m Frankrei , un

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