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Es scheinen gerade die so alltägli- In Mittel-, Ober- und Unterfranken menate von Thurnau (OF), jeweils
chen Dinge und Örtlichkeiten zu sein, (im Folgenden MF, OF und UF abge- dem Bergfried von Burg Prozelten
die innerhalb der Forschung kaum kürzt) befinden sich etwa 300 Burg- (UF), Miltenberg (UF) und Rieneck
Beachtung finden. Insbesondere und Schlossanlagen mit erhaltenem, (UF), dem Südturm von Rothenfels
Abortanlagen, die im Kontext beeng- teils ruinösem Baubestand aus der (UF) sowie dem Torturm und Wohn-
ter Burg- und Schlossanlagen einen Zeit vom Hohen Mittelalter bis ins bauten der Salzburg (UF).
durchaus wichtigen und notwendigen ausgehende 17. Jahrhundert. Nur zu
Baubestandteil darstellen, werden 50 davon fanden sich in der Literatur
bei einem Großteil der burgenkund- eindeutige Hinweise auf Abortanla- Aborttypen
lichen Betrachtungen weitgehend gen, die sich in einigen Fällen aber Wie schon in Pipers „Burgenkunde“
übergangen. Lediglich die gängigen auf schriftliche oder bildliche Quellen aufgeführt wird, gibt es weit verbrei-
Übersichtswerke bieten eigene klei- beschränken und heute als Baubefund tet eine Vielzahl von Möglichkeiten,
ne Abschnitte oder Kapitel, in deren nicht mehr nachzuvollziehen sind, wie das Ergebnis menschlicher Notdurft
Rahmen es aber kaum möglich ist, beim Wohnturm von Burggaillenreuth2 zu sammeln und bestenfalls auch
sich detailliert mit dieser Thematik (OF) oder dem Orlamündebau von zu entsorgen4. Innerhalb des Un-
auseinander zu setzen, sondern in ers- Burg Lauenstein (OF)3. Auf 17 dieser tersuchungsgebietes konnten bisher
ter Linie großräumig auf Typologien Burgen und Schlösser konnten bisher allerdings nur drei grundsätzlich ver-
und kulturgeschichtliche Zusammen- etwa 70 Abortanlagen begutachtet und schiedene Typen von Abortanlagen
hänge eingegangen wird1. Die Erfas- teils vermessen werden (vgl. Abb. 1 nachgewiesen werden, die in ihren
sung von Abortanlagen im Gebiet der und Tab. 1). Viele davon sind jedoch Detailformen aber eine erstaunliche
drei fränkischen Regierungsbezirke nur in Ansätzen vorhanden und durch Varianz aufweisen. Die unauffälligste
unter Einbeziehung der Lage und teilweisen Abbruch oder Umbau und Form stellt dabei der innerhalb der
Verteilung innerhalb der Burg- oder Umnutzung stark verändert. Weitge- Mauerstärke liegende Abtritt mit teils
Schlossanlage soll einen ersten An- hend original erhalten haben sich le- tief nach unten reichender Ableitungs-
satz darstellen, dieses Forschungsde- diglich 14 Anlagen und zwar in der rinne oder -röhre dar, der nach außen
siderat zumindest räumlich begrenzt Ringmauer von Colmberg (MF), in der lediglich durch eine kleine Abflussöff-
zu beseitigen und damit eine Grund- großen Kemenate der „Pfalz“ Forch- nung in der Mauer zu erkennen ist (vgl.
lage für weitere Untersuchungen zu heim (OF), im Zeughaus der Festung Abb. 2)5. Dieser Typus ist schon für
schaffen. Rosenberg/Kronach (OF), in der Ke- das 9. Jahrhundert im Granusturm der
Abb. 1. Übersichtskarte der bearbeiteten Burganlagen (x) in Mittelfranken Aachener Pfalz und in der Ringmau-
(MF), Oberfranken (OF) und Unterfranken (UF) (auf Grundlage von Georg er der Burganlage Broich/ Mühlheim
Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I, Franken [1999], a.d. Ruhr nachgewiesen6. In Franken
Übersichtskarte Franken). fanden sich Abortanlagen dieser Art
auf sechs verschiedenen Burganla-
gen mit dem ältesten, nur im Ansatz
erhaltenem Beispiel von 1150-60 im
Südturm von Burg Rothenfels (UF)7
und den jüngsten, sekundär eingebau-
ten Aborten aus dem ausgehenden 16.
Jahrhundert in zwei Wohnbauten auf
der Salzburg (UF). Die Mauerstärken,
innerhalb derer die Aborträume un-
tergebracht wurden, variieren von ca.
4,80 m im Bergfried von Rieneck (UF)
bis zu lediglich 1,25 m in den Wohn-
bauten der Salzburg (UF), die jedoch
ausreichend sind, um eine schmale
Außenschale, den massiven Sitzblock
und einen Standbereich davor unter-
zubringen. Bei den Aborträumen han-
delt es sich, entsprechend der Mauer-
stärke, um Nischen oder Gänge, die,
wie auf Burg Prozelten (UF), auch
abgewinkelt sein können. Die Ablei-
tung der Fäkalien erfolgt bei diesem
Aborttyp meist durch präzise in die
übereinander geschichteten Quader
Abb. 2. Innerhalb der Mauerstärke liegende Abortanlagen mit Ableitungsröhre oder -rinne (Zeichnung: Verf.).
gehauene, runde oder rechteckige Die Auslassöffnung liegt in allen Fäl- von 84 x 71 cm müssen sich ehemals
Röhren, die fast immer dem Quer- len mehrere Meter oberhalb des heute zwei Sitze befunden haben, die von
schnitt des Sitzloches entsprechen anstehenden Erdbodens. dem jeweiligen Zugang aus erreichbar
und erstaunliche Höhen erreichen Eine außergewöhnliche, auch nur in waren. Der gemauerte Schacht sinkt
können, so 6,50 m beim unteren Ab- Ansätzen erhaltene Anlage befindet etwa 3 m in die Tiefe, knickt dann
ort des Bergfriedes der Burg Prozelten sich im kleinen Wohnbau von Burg ab und läuft unter dem angrenzen-
(UF). Bei kürzeren Ableitungen kann Wildenberg (UF)8. Hier wurde ein den Torweg hindurch, bis er einige
es sich auch um nach außen offene Gang längs der Außenwand ein- Meter außerhalb des Torzwingers im
Rinnen handeln, wie beim oberen Ab- gebaut, der durch zwei rundbogige Abhang als kleine, rundliche Öffnung
ort im Bergfried der Burg Prozelten Zugänge erschlossenen ist. Oberhalb wieder an die Oberfläche tritt.
und im Torturm der Salzburg (UF). eines mittig angeordneten Schachtes Die geläufigste Form des Abtrittes auf
Gebäude anschließende Berme, um ersten Obergeschoss sind heute nur Marienberg (UF), der Plassenburg
die Fäkalien letztendlich einem Sam- noch ansatzweise nachzuvollziehen. (OF) und in Gugelhammer (MF), die
melbecken im Zwinger zuzuführen15. Auf Burg Lauenstein (OF) entsteht bisher jedoch noch nicht begutachtet
Bei zwei weiteren Beispielen sind die 1551–54 ein neuer Schlossflügel, werden konnten18.
Schachtanbauten erhalten, die inne- der auf der Außenseite gleich zwei
re Aufteilung der Aborträume wurde Abortanbauten von je 4,70 x 1,20 m
aufzuweisen hat, die über fünf Ge- Einzelelemente – Konstruktion
jedoch durch Umbauten und Umnut-
zung stark verändert. Am Palas von schosse reichen. Die innen liegenden So weit erreichbar, wurden alle vor-
Alzenau (UF), aus der Zeit um 1400, Schächte von 3,00 x 0,67 m sind beide gefundenen Abortanlagen vermessen
befindet sich ein über drei Geschosse auf Höhe des Untergeschosses durch und in Grundriss, Schnitt und teil-
reichender Anbau von etwa 4,60 x rundbogige Öffnungen zu beräumen. weise Ansichten gezeichnet, um Maß-
1,70 m, in dem sich ein Schacht von Die Aborträume vom Erdgeschoss bis haltigkeiten und die dabei vorgefun-
1,48 x 0,87 m befindet16. Der Schacht ins zweite Obergeschoss sind auch denen konstruktiven Einzelelemente
reicht bis auf Höhe des Untergeschos- hier leider nur noch in Ansätzen vor- vergleichen zu können. Aufgrund des
ses und ist dort vom Zwinger aus durch handen17. hohen Zerstörungsgrades vieler An-
eine rundbogige Öffnung zu entlee- Ähnliche Abortanbauten mit Schäch- lagen ist dies bisher allerdings nur
ren. Die Aborträume im Erd- und im ten existieren ebenso auf der Festung in Ansätzen möglich, so dass viele
zung von zehn bis zwölf Leuten ist die Bauphasen stammen und noch nicht eine Chronologie festgestellt werden,
Anzahl an Abtrittmöglichkeiten hier alle zugeordnet werden konnten21. so dass die innerhalb der Mauerstärke
schon als reichlich anzusehen. Eine liegende Anlage mit Ableitungsröhre
ähnliche Verteilung kann auch für in Franken nur bis in die Mitte des 14.
Burg Abenberg (MF), 1230–50 ent- Resümee Jahrhunderts auftritt und quasi vom
standen, angenommen werden. Dort Die Abortanlage als Baubestandteil Schachtanbau, der erstmals um 1400
haben sich in der Ringmauer sieben einer Burg- und Schlossanlage bietet in Alzenau nachzuweisen ist, abgelöst
bauzeitliche Durchgangsöffnungen schon im begrenzten Gebiet Frankens wird. Parallel dazu ist der – in der
zu zerstörten Aborterkern erhalten, in ihren konstruktiven Formen und Planung weitaus weniger aufwändige
die teilweise reich dekorierte Zugän- Details eine kaum erwartete Vielfalt. – Aborterker durch alle betrachteten
ge aufweisen. Auf der Salzburg (UF), Aufgrund der wenigen gut erhalte- Jahrhunderte hinweg existent.
einer Ganerbenburg mit bis zu sieben nen Beispiele, die sich noch dazu auf Um viele weitere, bei der bisherigen
Ansitzen, sind im Bereich diverser drei Aborttypen und eine Zeitspanne Bearbeitung des Themas aufgetre-
Mauertürme, der Ringmauer und von mehreren Jahrhunderten auftei- tenen Fragen zufriedenstellend be-
daran anschließender Wohnbauten len, gestalten sich Vergleiche und das antworten zu können, ist sicherlich
mindestens 26 in Ansätzen erhaltene Herausarbeiten möglicher Entwick- eine großräumigere Betrachtung von
Abtritte nachzuvollziehen, die aller- lungslinien als schwierig. Lediglich Abortanlagen auf Burgen und Schlös-
dings aus teilweise unterschiedlichen im Bezug auf die Abtritttypen konnte sern notwendig, die so noch aussteht.
Anmerkungen
1
Vgl. Otto Piper, Burgenkunde, Mün- Burgen und Schlössern, Bd. 4, hrsg. v. d. demnächst erscheinenden Dissertation
chen 1912, Nachdr. Augsburg 1996, S. Wartburg-Gesellschaft, München/Berlin zur Burg Forchheim.
486–493; Joachim Zeune 1996, Burgen 1998, S. 205–218. 15
Für die Überlassung von Grabungsplä-
– Symbole der Macht, Regensburg 19972, 8
Walter Hotz, Burg Wildenberg im Oden- nen dankt die Verf. Frau Christina König,
S. 187 f.; ders., Abortanlagen, in: Burgen wald, Amorbach 1963, S. 53 ff. Leiterin des Pfalzmuseums, die in ihrer
in Mitteleuropa, Bd. 1, hrsg. v. d. Deut- 9
In rekonstruierter Form in Brennhausen Dissertation die Stadtarchäologie Forch-
schenBurgenvereinigung e.V., Stuttgart (UF) zu sehen. Am Wohnbau von Burg heims bearbeitet.
1999, S. 301–303; Friedrich-Wilhelm Collenberg (UF) liefern Aussparungen in 16
Die Kunstdenkmäler von Unterfranken,
Krahe, Burgen und Wohntürme des deut- zwei Gesimsbändern unterhalb der zwei Bd. 16, Bezirksamt Alzenau, bearb. v.
schen Mittelalters, Bd. 1, Stuttgart 2002, abgegangenen Erker ebenfalls einen Hin- Karl Gröber/Hans Karlinger, München
S. 69–71. Allgemein zum Thema Abort: weis auf ehemalige Holzummantelungen 1916, S. 14–22.
Walter Huber, Der Abort, Habil. Schr., des Ableitungsbereiches. 17
Wie Anm. 3.
Karlsruhe 1948/50; Roy Palmer, Auch 10
Bei diesen Beispielen fehlen allerdings 18
Telefonisch war zu erfahren, dass keine
das WC hat seine Geschichte, München auch Spuren einer Verbindung der Holz- dieser Abortanlagen im Inneren erhalten
1977; René Faber, Von Donnerbalken, konstruktion mit der Mauer, wie sie durch ist und die Räume heute als Abstellkam-
Nachtvasen und Kunstfurzern, Frankfurt einbindende Holzbalken auftreten müss- mern oder moderne Toiletten (Gugelham-
a.M. 1994; Daniel Furrer, Wasserthron ten. Diese Spuren könnten allerdings mer) genutzt werden.
und Donnerbalken, Darmstadt 2004. durch jeweils erfolgte Sanierungen ver- 19
Vgl. Die Kunstdenkmäler von Mittelfran-
2
Vgl. Hellmut Kunstmann, Mensch und deckt worden sein. ken, Bd. 7, Stadt und Landkreis Schwa-
Burg, Würzburg 1967, S. 86 f. und 333. 11
Dieser Erker befindet sich in einem von bach, bearb. v. Karl Gröber/Felix Mader,
Hier auch weitere Hinweise auf Aborte der restlichen Ringmauer in der Ausfüh- München 1939, S. 156, Abb. 146.
in mittlerweile abgegangenen ostfränki- rung abweichenden Abschnitt, so dass an- 20
Bei den Bergfrieden von Miltenberg und
schen Burganlagen. genommen werden kann, dass es sich um Prozelten kann davon ausgegangen wer-
3
Elmar Schmid/Horst Stierhof, Burg Lau- eine jüngere Reparaturmaßnahme unter den, dass die Aborte keinem dauerhaften
enstein, München 1980, S.11. Verwendung von Spolien handelt. Gebrauch unterlagen und so die Fäkal-
4
Vgl. Anm. 1. 12
Vgl. Hotz (wie Anm. 9), S. 56 ff. entsorgung in den inneren Burgbereich
5
Mit der Bezeichnung der Ableitung als 13
Bearbeitung der Baugeschichte der Süd- erträglich war.
Rinne oder Röhre, deren Querschnitte burg Lichtenstein durch Mike Dunn, Lon- 21
Vor allem die Aborte in den Mauertür-
zwischen 25–30 cm liegen, soll hier ter- don, als Dissertation, dem die Verf. hier- men sind durch Zementsanierungen
minologisch ein deutlicher Unterschied mit für Informationen zur Baugeschichte schwer einzuordnen. Die bisherigen Da-
zu den meist raumbreiten Schächten des sowie der Erlaubnis zur Verwendung von tierungen beruhen auf einem Manuskript
dritten Typus geschaffen werden. Aufmaßplänen danke. von Joachim Zeune, Eisenberg, der im
6
Günther Binding, Schloss Broich in 14
Vgl. Tillman Kohnert, Die fürstbischöfli- Sommer 2005 und 2006 die Burganlage
Mühlheim/Ruhr, Düsseldorf 1970, S. 16 che Burg in Forchheim – Bauforschung einer erneuten Untersuchung unterzog.
ff. und Baugeschichte bis zum Beginn der Ergebnisse dazu erscheinen demnächst in:
7
Die Kunstdenkmäler von Unterfranken, Neuzeit, in: Forchheim in Geschichte Stadt Bad Neustadt (Hrsg.), Neustadt an
Bd. 9, Bezirksamt Lohr, bearb. v. Adolf und Gegenwart, hrsg. v. Hermann Am- der Saale. Pfalz – Ganerbenburg – Stadt.
Feulner, München 1914, S. 124 f. u. Fig. mon, Bamberg 2004, S. 62–84. Verf. dankt Funktionswandel eines zentralen Ortes,
94. Datierung nach Thomas Steinmetz, Herrn Kohnert auch für weitere Infor- Bad Neustadt an der Saale 2007. Für die
Burg Rothenfels am Main – eine frühe mationen und Planmaterialen aus seiner Überlassung des Manuskripts dankt die
„klassische“ Burg, in: Forschungen zu Verf. Herrn Dr. Joachim Zeune.