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Kapitel 3: Produktion,

Wachstum und
Produktivität
Leitfragen
• Was erklärt das Produktionsniveau einer Volkswirtschaft?
• Wie lässt sich die langfristige wirtschaftliche Entwicklung erklären?
• Wie kommt Wirtschaftswachstum zustande?
• Welche Rolle spielt der technische Fortschritt für das Wachstum? Wie
kann man seinen Beitrag zum Wachstum messen?

2
Literatur:
• Mankiw (2011): “Makroökonomie”, Kapitel 10 und 11, 6. Ausgabe,
Schäffer Poeschel
• Mankiw (2017): “Makroökonomie, 7. Auflage, Schäffer Poeschel”, Kapitel
8 und 9

3
Wirtschaftswachstum in der langen Frist
• Das Wachstum der Wirtschaft ist ein relativ junges Phänomen.
• Über viele Tausend Jahre
• wuchs die Bevölkerung nur sehr langsam
• und die Güterproduktion wie die Bevölkerung
• Daher war das BIP pro Kopf in etwa konstant.
• Die wirtschaftlichen Lebensumstände der Menschen waren über viele
Tausend Jahre praktisch unverändert.
• Wir wollen verstehen, wie eine über lange Zeit stagnierende Wirtschaft
funktioniert. Davon ausgehend beschäftigen wir uns mit der Frage, wie
sich Wirtschaftswachstum erklären läßt.

4
Reales BIP pro Kopf
35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0
450
1
90
180
270
360

540
630
720
810
900

1288

1940
1000
1096
1192

1384
1480
1600
1712
1784
1868

2008
Welt Afrika Asien Europa Amerika

[1]: Reales BIP pro Kopf der Kontinente, Jahre 1-2009 5


Produktionsfunktion

6
Produktionsfunktion
• Die Produktionstechnologie repräsentiert das technische Wissen eines
Unternehmens
• Wir beschreiben die Technologie durch eine Produktionsfunktion 𝐹
• Diese gibt die maximale Gütermenge (Output) an, die mit einer
gegebenen Menge von Produktionsfaktoren hergestellt werden kann.
• Annahmen:
• Unternehmen stehen in vollständiger Konkurrenz, dies bedeutet, dass
sie Preisnehmer auf den Güter- und Faktormärkten sind.
• Wir beschreiben die Technologie eines typischen oder
„repräsentativen“ Unternehmens.

7
Produktionsfunktion
• Wir unterscheiden drei Produktionsfaktoren:
• Arbeit 𝐿 (die Anzahl der Arbeitsstunden)
• Kapital 𝐾 (die Anzahl der Maschinen, Werkzeuge...)
• Boden B
• Diese Produktionsfaktoren werden im Unternehmen miteinander
kombiniert, so daß ein Endprodukt entsteht.
• Das repräsentative Unternehmen umfasst also alle Stufen der Produktion
vom Rohstoff bis zum Endprodukt.
• Das Unternehmen produziert ein homogenes Gut 𝑌.

8
Produktionsfunktion
• Die Produktionsfunktion ist: 𝑌 = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵
• Sie ordnet den Faktoreinsatzmengen L, K und B ein eindeutiges Niveau
der Produktion zu.
• Annahme: Die Produktionsfunktion hat folgende Eigenschaften:
• positive, aber abnehmende Grenzerträge (Grenzproduktivität)
bezüglich des Arbeitseinsatzes und des Kapitalstocks
• konstante Skalenerträge
• zweimal stetig differenzierbar
• Die Differenzierbarkeit ist eine technische Voraussetzung zur Anwendung
von Gewinnmaximierung und führt zu einfach handhabbaren
Güterangebots- und Faktornachfragefunktionen

9
Grenzerträge
• Positive, aber abnehmende Grenzerträge von 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵 bedeutet, daß
die erste Ableitung nach einem Faktor postiv und die zweite negativ ist.
𝜕𝐹 𝐿,𝐾,𝐵 𝜕2 𝐹 𝐿,𝐾,𝐵
• >0> für X=L, K, B.
𝜕𝑋 𝜕𝑋 2

• Interpretation:
• Bei gegebenen Einsatzmengen zweier Faktoren erhöht jede zusätzlich
eingesetzte Einheit des dritten Faktors den Output (positive 1.
Ableitung),
• aber je mehr von dem dritten Faktor bereits eingesetzt wird, desto
kleiner werden die Zuwächse (negative 2. Ableitung)
• Grafisch: positive, aber abnehmende Steigung in Richtung des Faktors
• Begründung:
• Bei Gewinnmaximierung sind die Faktornachfragefunktionen der
Unternehmen fallend im Faktorpreis. Das beobachten wir empirisch.

10
Variation von L, 𝐾, 𝐵 konstant

𝑌
𝑌 = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵

11
Variation von L, 𝐾 ′ > 𝐾, 𝐵 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡

𝑌 ∗ = 𝐹 𝐿, 𝐾 ′ , 𝐵
𝑌
𝑌 = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵

12
Variation von L, 𝐵′ > 𝐵, 𝐾 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡

𝑌 ∗ = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵′
𝑌
𝑌 = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵

13
Skalenerträge
• Konstante Skalenerträge (lineare Homogenität): eine Erhöhung aller
Faktoreinsatzmengen um denselben Faktor 𝛼 > 0, erhöht die produzierte
Menge ebenfalls um 𝛼
• 𝐹 𝛼𝐿, 𝛼𝐾, 𝛼𝐵 = 𝛼𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵
• Interpretation
• Die Durchschnittskosten der Produktion sind unabhängig von der
Unternehmensgröße
• Bei steigenden Skalenerträgen fallen die Durchschnittskosten mit
wachsender Unternehmensgröße
• Wenn das der Fall wäre, würde in jedem Markt nur ein Unternehmen
überleben
• „Ein Kapitalist schlägt viele andere tot!“ (Karl Marx) -> das
beobachten wir nicht im Aggregat

14
Skalenerträge
• Konstante Skalenerträge (lineare Homogenität): eine Erhöhung aller
Faktoreinsatzmengen um denselben Faktor 𝛼 > 0, erhöht die produzierte
Menge ebenfalls um 𝛼
• 𝐹 𝛼𝐿, 𝛼𝐾, 𝛼𝐵 = 𝛼𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵
• Aufgrund der linearen Homogenität können wir die Pro-Kopf Produktions-
funktion berechnen:
𝑌 𝐾 𝐵
𝑦 = = 𝐹(1, , )
𝐿 𝐿 𝐿
• Für die Pro-Kopf Produktionsfunktion gilt
𝜕𝑦
< 0.
𝜕𝐿
• Bei steigendem Arbeitseinsatz und gegebenem Bestand an Kapital und
Boden sinkt die Pro-Kopf Produktion.

15
Produktionsoptimum
• Das Ziel eines typischen Unternehmens sei es, den Gewinn zu maximieren
(Produktionseffizienz)
• Der Gewinn ist die Differenz zwischen Erlös und Produktionskosten
• Der Erlös entsteht durch Verkauf des Gutes 𝑌
• Bei gegebenem Preis des Gutes, p, ist der Erlös pY.
• Kosten entstehen durch Einsatz von Arbeit 𝐿 zum Lohnsatz 𝑤 und
durch den Einsatz von Kapital 𝐾 zum realen Zinssatz 𝑟
• Die reale Entlohnung der Faktoren wird in Gütereinheiten gemessen.

16
Produktionsoptimum
• Wir betrachten von nun an die eingesetzte Menge Boden als konstant.
• Der Unternehmensgewinn Π wird in Geldeinheiten ausgedrückt und ist:
• Π = 𝑝𝑌 − 𝑤𝐿 − 𝑟𝑝𝐾 − 𝑝𝐵 𝐵
• Bei der angestrebten Gewinnmaximierung muss das Unternehmen die
Produktionsfunktion 𝑌 = 𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵 als Nebenbedingung berücksichtigen
• Um die Produktionsfaktoren optimal einzusetzen, löst das Unternehmen
folgendes Problem:
• max Π 𝐿, 𝐾, 𝐵 = 𝑝𝐹 𝐿, 𝐾, 𝐵 − 𝑤𝐿 − 𝑟𝐾 − 𝑝𝐵 𝐵
𝐿,𝐾

17
Produktionsoptimum
• Die Bedingungen erster Ordnung für den optimalen, d.h. gewinn-
maximierenden, Einsatz der Faktoren Kapital und Arbeit lauten
𝜕𝐹 𝐿,𝐾,𝐵 𝑤
• Arbeit: =
𝜕𝐿 𝑝
𝜕𝐹 𝐿,𝐾,𝐵
• Kapital: =𝑟
𝜕𝐾

• Interpretation:
• Ein Gewinnmaximum ist dann erreicht, wenn der zusätzliche Erlös
durch den Einsatz einer weiteren Einheit Arbeit bzw. Kapital gleich
den zusätzlichen Kosten hierfür ist.
• Ist das nicht der Fall, kann der Gewinn durch Erhöhung oder
Verringerung des Faktoreinsatzes erhöht werden.
• Im Gewinnmaximum entspricht die Grenzproduktivität des
Inputfaktors (der Arbeit und des Kapitals) seinem realen
Faktorentgelt (dem in Gütereinheiten ausgedrückten Lohn und Zins)

18
Produktionsoptimum
• Das Beschäftigungsniveau, der Reallohn und der Realzins, für die die
Bedingungen erster Ordnung erfüllt sind, werden mit einem
Sternchen gekennzeichnet, also 𝐿∗ , 𝐾 ∗ , 𝑤 ∗ , 𝑟 ∗
• Das optimale Produktionsniveau ergibt sich dann durch
• 𝑌 ∗ = 𝐹 𝐿∗ , 𝐾 ∗ , 𝐵
• Dies ist das Produktionsniveau, das wir beobachten, weil annahmegemäß
alle Unternehmen Gewinnmaximierer sind.
• Hinweis: 𝐾 bezeichnet den Kapitalstock der für die Produktion eingesetzt
werden kann, d.h. den Bestand am Ende der Vorperiode plus die
Investitionen und abzüglich der Abschreibungen der Vorperiode

19
Cobb-Douglas Produktionsfunktion
• Paul Douglas beobachtete in seinen Arbeiten über gesamtwirtschaftliche
Produktion in den 1920er Jahren, dass in den Jahren von 1899 – 1922 der
Anteil der aggregierten Wertschöpfung, der als Lohneinkommen
ausgezahlt wurde, fast konstant bei 74% lag, obwohl das Verhältnis von
Arbeit zu Kapital variierte.
• Bei einem Mittagessen fragte er seinen Freund und Kollegen Charles
Cobb, ob es eine mathematische Beschreibung dieses Phänomens gebe.
• Cobbs Antwort war:
• 𝑌 = 𝐴𝐾 𝛼 𝐿1−𝛼 , mit 0 < 𝛼 < 1, A > 0.
• Übungsaufgabe: Zeigen Sie, dass bei optimalem Einsatz der
Produktionsfaktoren Cobbs Antwort tatsächlich stimmt
• Cobb und Douglas stellten ihre empirische Arbeit erstmals 1927 vor und
schätzten 1 − 𝛼 = 0,75.

[2]: Cobb-Douglas Produktionsfunktion 20


Cobb-Douglas Produktionsfunktion
• In seiner Presidential Address 1947 berichtete Douglas von insgesamt 29
empirischen Studien für die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und
Südafrika, die das ursprüngliche Ergebnis durch Zeitreihen und
Querschnittsanalysen bestätigten.

• Paul H. Douglas (1892-1976), Ökonom a und


US Senator für Illinois 1949-1967.

• Viele makroökonomische Modelle benutzen


Cobb-Douglas Produktionsfunktionen.

[3]: Paul Douglas Presidential Address 21


Malthusianische Ökonomik:
„Die ersten 130000 Jahre“

[4]: Clark (2007) 22


Ein erstes makroökonomisches Modell
• Ein Modell dient dazu, die wichtigsten Zusammenhänge, die ein
beobachtetes Phänomen oder eine beobachtete Entwicklung
beschreiben, vereinfachend darzustellen.
• In diesem Sinn ist ein Modell „unrealistisch“. Ein Modell sollte so einfach
wie möglich und so komplex wie nötig sein.
• Modelle enthalten
• Variablen, das sind Größen, die sich aufgrund der
Modellzusammenhänge verändern können, und
• Parameter, das sind feste Werte, die sich nicht verändern.
• Exogene Variablen sind „von außen“ gegeben; werden nicht im Modell
erklärt.
• Endogene Variablen werden im Modell erklärt (abhängig von
Modellstruktur, Parametern und exogenen Variablen).

23
Malthus
• Thomas Robert Malthus, 1766 – 1834
• 1797 anglikanischer Pastor, ab 1806 Professor für Geschichte und
Politische Ökonomie am East India College in Hertfordshire
• Berühmte Thesen in „An Essay on the Principle of Population“, 1798

24
Die Malthusianische Ökonomik
• Unser Modell soll die beobachteten Daten der Wirtschaftsentwicklung bis
zur Mitte des 18. Jahrhunderts beschreiben.
• Das Modell kombiniert dazu zwei Grundbausteine:
• Eine Produktionsfunktion als Beschreibung der wirtschaftlichen
Entwicklung und
• Eine Beschreibung der demographischen Entwicklung.

[5] Malthus Bevölkerungsprinzip 25


Produktionsfunktion
• Output 𝑌 ist nur eine Funktion der eingesetzten Arbeitskraft 𝐿
• 𝑌=𝐹 𝐿
• Wir nehmen also an, daß die Ausstattung der Volkswirtschaften mit Land
konstant ist und die Ausstattung der arbeitenden Bevölkerung mit Kapital
pro Kopf konstant ist.
• Wir nehmen an, dass die pro-Kopf Produktion mit zunehmendem
Arbeitseinsatz sinkt:
𝑌
• 𝑦= =𝑓 𝐿
𝐿
𝜕𝑓 𝐿
• <0
𝜕𝐿

26
Das Bevölkerungsprinzip
• A: In jeder biologischen Bevölkerung ist ungehindertes Wachstum
exponentiell.
• B: Jedes biologische Wesen hat einen Mindestbedarf an Nahrungsmitteln,
wird dieser nicht gestillt, tritt der Tod ein.
• C: Die Versorgung der menschlichen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln
wächst bestenfalls linear, weil die einzige Wachstumsquelle die
zusätzliche Landnutzung ist.
• A, B und C zusammen implizieren, dass eine Bevölkerung nur solange
wachsen kann, bis eine Hungersnot ausbricht.
• Hungersnot ist die unausweichliche Folge ungehinderter menschlicher
Vermehrung.
• Die drei Schranken des Bevölkerungswachstums sind moralische
Enthaltsamkeit, Kriminalität und Verelendung.

[5] Malthus Bevölkerungsprinzip 27


Malthusianische Ökonomik
• Die Entwicklung der Bevölkerung ist durch zwei Gleichungen bestimmt
1. Die Geburtenrate (Zahl der Geburten pro 1000 Personen pro Jahr)
nimmt bei steigendem Pro-Kopf Einkommen zu
𝜕𝑏 𝑦
• 𝑏 = 𝑏 𝑦 , 𝑏′ = >0
𝑦

2. Die Sterberate (Zahl der Todesfälle pro 1000 Personen pro Jahr) nimmt
bei steigendem Pro-Kopf Einkommen ab
𝜕𝑑 𝑦
• 𝑑 = 𝑑 𝑦 , 𝑑′ = <0
𝑦

• Ein Bevölkerungsgleichgewicht liegt vor, wenn die Geburtenrate gleich der


Sterberate ist. Dann ist die Gesamtbevölkerung konstant.
• 𝑑 = 𝑏 ⇒ Δ𝐿 = 𝑏 − 𝑑 𝐿 = 0, 𝐿 ist konstant
1
• Bei konstanter Bevölkerung ist die Lebenserwartung bei Geburt
𝑑

28
Malthusianische Ökonomik

f(L)
L

y
b(y)

Bevölkerungswachstum < 0 Bevölkerungswachstum > 0

b, d d(y)

29
Positive Ernten
• Angenommen, das Einkommen pro Kopf steigt aufgrund einer Folge
besonders guter Ernten (gestrichelte Produktionsfunktion)

f(L)
L

y
b(y)

Bevölkerungswachstum < 0

b, d d(y)

30
Positive Ernten
• Dann steigt zuerst das Einkommen pro Kopf
• In der nächsten Periode nimmt die Geburtenrate zu und die Sterberate ab
-> die Bevölkerung wächst
• Eine größere Bevölkerung senkt das pro-Kopf Einkommen
• Nachdem die Folge positiver Ernten vorbei ist, verschiebt sich die
Produktionsfunktion zurück in ihre Ausgangslage
• Nun sinkt das Pro-Kopf Einkommen stärker, die Bevölkerung schrumpft
• Die Wirtschaft kehrt zurück zum Ausgangspunkt – die Malthusianische
Falle.
• Die Wirtschaftsentwicklung ist gekennzeichnet durch lange Schwingungen
um einen konstanten Mittelwert.

31
Ehernes Lohngesetz
• Die Malthusianische Wirtschaft sagt voraus, daß das Pro-Kopf Einkommen
langfristig konstant ist.
• Dann muss auch der Arbeitslohn langfristig konstant sein.
• Diesen Sachverhalt nennt man das „eherne Lohngesetz.“
• Es besagt, daß das Niveau des Reallohns im langfristigen Durchschnitt
konstant ist.

32
Ehernes Lohngesetz I

[6]: Das „eherne Lohngesetz“ in England: Im langfristigen Mittel ist der Reallohn konstant. 33
Ehernes Lohngesetz II

[7]: Das „eherne Lohngesetz“ in England, Norditalien und den Niederlanden 34


Ehernes Lohngesetz III

[8]: Das „eherne Lohngesetz“ in der Antike 35


Ehernes Lohngesetz IV

[9]: Das „eherne Lohngesetz“ im räumlichen Vergleich 36


Medizinischer Fortschritt

f(L)
L

y
b(y)

b, d d(y)

37
Medizinischer Fortschritt
• Medizinischer Fortschritt (Senkung der Sterberate für jedes Niveau des
Pro-Kopf Einkommens) erhöht die Bevölkerung
• Dadurch fällt das Pro-Kopf Einkommen
• Dies führt zu einer Senkung der Geburtenrate (und wieder einem Anstieg
der Sterberate)
• Im neuen Gleichgewicht gibt es daher
• mehr Menschen, längere Lebenserwartung, geringerer Wohlstand
• Beachte: Krieg oder Seuchen erhöhen das Pro-Kopf Einkommen

38
Geburtenkontrolle

f(L)
L

y
b(y)

b, d d(y)

39
Geburtenkontrolle
• Geburtenkontrolle (Senkung der Geburtenrate für jedes Niveau des Pro-
Kopf Einkommens) verringert die Bevölkerung
• Dadurch erhöht sich das Pro-Kopf Einkommen
• Dies führt zu einer Senkung der Sterberate und einer Erhöhung der
Geburtenrate, insgesamt verringert sich die Bevölkerung
• Im neuen Gleichgewicht gibt es daher
• weniger Menschen, längere Lebenserwartung, höheren Wohlstand

40
Technischer Fortschritt

f(L)
L

y
b(y)

d(y)

41
Technischer Fortschritt
• Technischer Fortschritt erhöht die pro-Kopf Produktion permanent für
jede gegebene Bevölkerungszahl
• Dies führt zu einer Zunahme des pro-Kopf Einkommens und dadurch zu
einem Bevölkerungswachstum
• Dadurch sinkt das pro-Kopf Einkommen wieder
• Im neuen Gleichgewicht gibt es daher Mehr Menschen, keine
Veränderung der Lebenserwartung, keine Zunahme des Wohlstand
• Bei konstanter Technologie führt eine Ausweitung des zur Verfügung
stehenden Landes zu demselben Ergebnis: Aufgrund der abnehmenden
Grenzproduktivität hat neu gewonnenes Land eine höhere Produktivität.
Für eine Reihe von Generationen führt Landgewinn zu höherem
Wohlstand, langfristig aber zu einer größeren Bevölkerung bei gleichem
pro-Kopf Einkommen wie zuvor.

42
Malthusianische Ökonomik
• Thomas Malthus (1798): „the power of population is so superior to the
power of the earth to produce subsistence for man that premature death
must … visit the human race“
• Ein (wirtschafts)politisches und ethisches Dilemma:
• Um ein höheren Pro-Kopf Einkommen (Lebensstandard) zu
ermöglichen, muß die Bevölkerung schrumpfen.
• Eine größere Bevölkerung ist nur möglich, wenn der Lebensstandard
sinkt.
• Mehr Menschen in größerer Armut oder weniger Menschen in größerem
Wohlstand?
• Wer darf Kinder haben?
• Wie alt darf ein Mensch werden?

43
Der Ausbruch aus der „Falle“

Für die englische Wirtschaft gilt die Malthusianische Ökonomik bis Anfang des 18. Jhds.

[10]: Bevölkerung und Pro-Kopf Einkommen in England, 1200 – 1800 44


Demokratische Republik Kongo
90
80
70
Bevölkerung (in Mio)

60
50
40
30
20
10
0
200 400 600 800 1000 1200
BIP/Kopf (in 2010 US $)

1960-2000 2001-2015

[11]: Bevölkerung und Pro-Kopf Einkommen im Kongo, 1960 – 2015 45


Moderne
Wachstumstheorie

46
Moderne Wachstumstheorie
• In der Malthusianischen Wachstumstheorie hängt die Produktion allein
von der Bevölkerung ab, Kapital bleibt unberücksichtigt.
• Wir können das so interpretieren, dass die Pro-Kopf Produktion von der
Kapitalausstattung pro Kopf abhängt, letztere aber konstant ist.
• Moderne Wachstumstheorie betrachtet explizit die Möglichkeit der
Kapitalakkumulation pro Kopf.
• Das entspricht der beobachteten Wirtschaftsentwicklung seit dem
17. Jahrhundert.
• Die moderne Wachstumstheorie rückt zugleich von Malthus’ Theorie der
Bevölkerungsentwicklung ab.
• Bevölkerungswachstum ist nun exogen.

47
Moderne Wachstumstheorie
• Zentrale Quellen des Wirtschaftswachstums sind
• die Kapitalakkumulation (endogen),
• das Bevölkerungswachstum (exogen) und
• der technische Fortschritt (exogen).
• Das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Produktion hängt von Anzahl
verfügbarer Inputfaktoren ab
• Investitionen vergrößern den Kapitalstock.
• Bevölkerungswachstum erhöht das Angebot an Arbeitskräften.
• Technischer Fortschritt erhöht die Produktivität von Arbeit und
Kapital, d.h. mehr Output aus gegebener Menge an Inputs.

48
Moderne Wachstumstheorie
• In diesem Abschnitt untersuchen wir zuerst Wirtschaftswachstum, das
allein durch Bevölkerungswachstum und Kapitalakkumulation zustande
kommt. Den Stand der technologischen Entwicklung halten wir zunächst
konstant.

• Im letzten Abschnitt des Kapitels betrachten wir dann den technischen


Fortschritt als eine weitere Quelle des Wachstums.

• Wir konzentrieren uns auf das Wachstum des Pro-Kopf Einkommens.

49
Solow Modell
Robert M. Solow, geb. 1924, Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften 1987

50
Solow Modell
• Wir unterstellen eine aggregierte Produktionsfunktion: Y = F(L,K).

• Der Einsatz von Land ist konstant und wird vernachlässigt.

• Die Funktion f(k) ist die Pro-Kopf-Produktionsfunktion:

y= Y/L = f(k)  Y = Lf(k).

• k = K /L misst die Kapitalausstattung pro Kopf; sie allein bestimmt die


Produktion pro Kopf, y.

51
Solow Modell

52
Annahmen des Solow Modell

Die Pro-Kopf-Produktionsfunktion yt = f(kt) ist durch positive und


abnehmende Grenzprodukte des Kapitals und der Arbeit charakterisiert.

Es gibt zwei Verwendungsmöglichkeiten für Output: Konsum und


Investition.

𝑌𝑡 = 𝐶𝑡 + 𝐼𝑡

oder in pro-Kopf Größen:

𝑌𝑡
= 𝑦𝑡 = 𝑐𝑡 + 𝑖𝑡
𝐿𝑡

53
Annahmen des Solow Modell
3. Die Sparquote (durchschnittliche Sparneigung) s ist eine Konstante:

𝑆𝑡 = 𝑠𝑌𝑡 , 𝑐𝑡 = (1 − 𝑠)𝑦𝑡

Daraus folgt, dass

𝑠𝑦𝑡 = 𝑖𝑡

d.h., ein konstanter Bruchteil des Einkommens wird investiert.

Wegen y = f(k) hängt somit die Investition pro Kopf von der
Kapitalausstattung pro Kopf ab,

𝑖𝑡 = 𝑠𝑓(𝑘𝑡 ).

54
Annahmen des Solow Modell
• 4. Die Bevölkerung (=Beschäftigung) L wächst mit der Rate n.
𝐿𝑡+1 −𝐿𝑡
• =𝑛
𝐿𝑡

5. Die Bruttoinvestition I ist die Summe aus der Änderung des Kapitalstocks
(Nettoinvestition) und der Abschreibung. Die Abschreibung sei ein
konstanter Bruchteil δ des vorhandenen Kapitalstocks,

𝐼𝑡 = 𝐼𝑡𝑛 + δ𝐾𝑡 = 𝐾𝑡+1 − 𝐾𝑡 + δ𝐾𝑡

und pro Kopf

𝐾𝑡+1 𝐿𝑡+1
− 𝑘𝑡 = 𝑘𝑡+1 1 + 𝑛 − 𝑘𝑡 = 𝑖𝑡 − δ𝑘𝑡 = 𝑠𝑓 𝑘𝑡 − δ𝑘𝑡
𝐿𝑡+1 𝐿𝑡

55
Solow Modell

• In Worten: Die Kapitalausstattung


• wächst durch Ersparnis bzw. Investition. Diese hängt von der Höhe
der Kapitalausstattung am Ende der Vorperiode ab!
• schrumpft durch Verschleiß der Kapitalgüter.
• Diese Gleichung erklärt die ganze Dynamik in dem Modell:
• Für einen gegebenen anfänglichen Kapitalstock wird der neue
Kapitalstock pro Kopf bestimmt.
• Produktion, Ersparnis, Investition und Konsum hängen jeweils nur
vom Kapitalstock pro Kopf ab.

56
Solow Modell

• Da 𝑓 𝑘 abnehmende Grenzerträge aufweist, wird der positive


Wachstumsimpuls der Investitionen bei zunehmendem 𝑘 immer geringer
• Bei dem Niveau der Kapitalausstattung von 𝑘 ∗ , für das
𝑠𝑓 𝑘 ∗ = (𝑛 + 𝛿)𝑘 ∗
gilt, ist die Ersparnis gleich der Abschreibung plus der Nettoinvestition, die
nötig ist, um die neuen Arbeitskräftemit Kapital zu versorgen.
• Die Kapitalausstattung pro Kopf ist dann konstant.
• Diesen stationären Zustand bezeichnet man als „Steady State“ oder auch
langfristiges Wachstumsgleichgewicht
• Das Solow-Modell besitzt einen eindeutigen Steady State bei 𝑘 ∗

57
Solow Modell
+nk

58
Solow Modell
• Der Steady-State-Kapitalausstattung 𝑘 ∗ entspricht ein Einkommen im
Steady State von 𝑦 ∗ = 𝑓 𝑘 ∗
• Ausgehend von einer geringeren Kapitalausstattung, 𝑘 < 𝑘 ∗ , wächst die
Wirtschaft bis die stationären Werte für 𝑘 ∗ und 𝑦 ∗ erreicht sind
• Von einer höheren Kapitalausstattung 𝑘 > 𝑘 ∗ ausgehend schrumpft die
Wirtschaft bis 𝑘 ∗ erreicht ist
• Im Steady State sind alle Pro-Kopf Größen stabil
• Die aggregierte Produktion und der aggregierte Kapitalstock wachsen
mit derselben Rate wie die Bevölkerung

59
Solow Modell
• Konsequenz: Das Modell impliziert, dass Länder mit gleicher
Produktionsfunktion und gleicher Sparquote zu demselben Niveau des
Pro-Kopf Einkommens konvergieren.
• Länder mit anfänglich niedrigerer Kapitalausstattung (weit links vom
Steady State) wachsen schnell.
• Länder mit anfänglich höherer Kapitalausstattung sparen weniger, als
sie zur Abschreibung benötigen und schrumpfen.
• Im Zeitablauf muss sich das Pro-Kopf Einkommen aller Länder angleichen.

60
Sparen und Wachstum
• Der Steady State des Solow-Modells hängt von der Sparquote 𝑠 ab.
• Ein Anstieg der Sparquote führt zu einem Steady State mit höherer
Kapitalausstattung und daher höherem Einkommen.
• Während des Übergangs vom alten zum neuen Steady State durchläuft die
Wirtschaft eine Phase positiver Wachstumsraten.

61
Anstieg der Sparquote

+nk

62
Sparen und Wachstum
• Mechanismus:
• Eine höhere Sparquote bedeutet vermehrte Investitionen, die
Kapitalausstattung wächst und mit ihr das Einkommen.
• Von den Einkommenszuwächsen wird jeweils ein konstanter (höherer)
Prozentsatz gespart und investiert.
• Wegen des abnehmenden Grenzproduktes von Kapital werden die
Einkommenszuwächse immer kleiner.
• Im neuen Steady State ist das Niveau des Einkommens dauerhaft höher.
• Konsequenz: Das Modell impliziert, dass Länder mit einer höheren Spar-
und Investitionsquote (bei gleicher Produktionsfunktion) ein höheres Pro-
Kopf Einkommen haben.

63
Investitionen und BIP/Kopf
100000
R² = 0,2496
BIP/Kopf in 2010 in USD

10000

1000

100
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35
Durchschnittliche Investitionsquote 1960-2010

[12]: Investitionsquote und BIP/Kopf 64


Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation
• Steady State hängt von Sparquote 𝑠 ab
• Welche feste Sparquote sollte gewählt werden?
• Je höher 𝑠, desto höher 𝑘 ∗ und damit das Einkommen 𝑦 ∗
• Wenn 𝑠 sehr hoch ist, sinkt der Konsum 𝑐 ∗
• Die Goldene Regel setzt die Sparquote so, dass der Konsum im Steady
State maximiert wird
• Bedingung jedes langfristigen Gleichgewichts:
• 𝑠𝑓 𝑘 ∗ = (𝑛 + 𝛿)𝑘 ∗

65
Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation
• Aus 𝑦 = 𝑓 𝑘 = 𝑐 + 𝑖 folgt
• 𝑐 ∗ = 𝑦 ∗ − 𝑖 ∗ = 𝑓 𝑘 ∗ − 𝑠𝑓 𝑘 ∗ = 𝑓 𝑘 ∗ − (𝑛 + 𝛿)𝑘 ∗
• Welche Bedingung an den Kapitalstock wird benötigt um den Konsum zu
maximieren?
𝜕𝑓 𝑘
• = (𝑛 + 𝛿)
𝜕𝑘
• Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation empfiehlt eine Steady-State
Kapitalausstattung von 𝑘 𝐺𝑅 zu wählen: das Grenzprodukt des Kapitals
entspricht dann gerade der Summe aus Bevölkerungswachstumsrate und
Abschreibungsrate
• Die Sparquote 𝑠 𝐺𝑅 ist konsistent mit 𝑘 𝐺𝑅 im langfristigen Gleichgewicht

66
Die Goldene Regel der Kapitalakkumulation
+nk

67
Solow Modell – Kritik
• Das Modell weist zwei entscheidende Schwächen auf
• Wir beobachten dauerhaftes Wachstum des Pro-Kopf Einkommens in
den Industrieländern
• Nur ein Teil dieses Wachstums lässt sich empirisch durch Wachstum
des Kapitalstocks und der Bevölkerung erklären
• Für eine Cobb-Douglas Produktionsfunktion ist das Pro-Kopf Wachstum
approximativ gegeben durch
Δ𝑦 Δ𝑘
• =𝛼
𝑦 𝑘

• Das „Solow Residuum“ oder die Zunahme der „totalen


Faktorproduktivität“ ist der Unterschied zwischen beobachteten und vom
Modell erklärten Wachstum:
Δ𝑦 𝑑𝑎𝑡𝑎 Δ𝑘 𝑑𝑎𝑡𝑎
• 𝑇𝐹𝑃 = − 𝛼 𝑑𝑎𝑡𝑎
𝑦 𝑑𝑎𝑡𝑎 𝑘

68
Wirtschaftswachstum nach Quelle
Land Reales BIP/Kopf TFP Wachstum Anteil TFP
Wachstum Wachstum Kapital/Kopf Wachstum
Australien 1,67 1,26 0,41 0,75

Belgien 2,58 1,74 0,84 0,67

Deutschland 3,09 1,96 1,12 0,64

Frankreich 2,50 1,54 0,95 0,62

Italien 4,04 2,10 1,94 0,52

Japan 3,28 2,73 0,56 0,83

Niederlande 1,74 1,25 0,49 0,72

Spanien 3,22 1,79 1,44 0,55

Schweiz 0,98 0,69 0,29 0,70

UK 1,90 1,31 0,58 0,69

USA 1,89 1,09 0,80 0,58

OECD 2,41 1,61 0,80 0,68

[13]: Wachstum und Produktivität, 1960-2000 69


Das Solow-Modell mit technischem Fortschritt

• Betrachten wir jetzt die Produktionsfunktion:


Y = AF(K,L),
worin A die totale Faktorproduktivität bezeichnet.
• Interpretation: A ist das zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichte Niveau
der technologischen Entwicklung; je besser die Technologie ist, die im
Produktionsprozess eingesetzt wird (also je größer A ist), desto mehr Output
wird aus einer gegebenen Einsatzmenge von Kapital und Arbeit resultieren.
• Das (positive) Wachstum der totalen Faktorproduktivität bezeichnen wir als
technischen Fortschritt.
• Das Wachstum der totalen Faktorproduktivität ist exogen gegeben und
wird mit 𝑔𝐴 abgekürzt
Δ𝐴
= 𝑔𝐴
𝐴

70
Das Solow-Modell mit technischem Fortschritt
Nun fragen wir wie zuvor, ob es ein Wachstumsgleichgewicht gibt in dem
Sinn, dass der Kapitalstock pro Kopf konstant bleibt.

Um die Frage zu beantworten, definieren wir den „bereinigten Output“

𝑌
𝑌= = 𝐹(𝐿, 𝐾).
𝐴

• Die bereinigte Pro-Kopf-Produktionsfunktion ist

𝑌
𝑦= = 𝑓(𝑘).
𝐿

• Im Steady State dieser Volkwirtschaft gilt, dass die Ersparnis gerade


ausreichen muss, um den Kapitalstock pro Kopf konstant zu halten:

𝑠𝑓 𝑘 = 𝑠𝑦 = 𝑛 + δ 𝑘.

71
Das Solow-Modell mit technischem Fortschritt
Nun gilt in Bezug auf den tatsächlichen Output:

𝑌
𝑆 𝑠𝑌 𝑠 𝑠
= = 𝐴 =
𝑌 𝑌 𝑌 𝐴

Wenn nun also das Niveau des technischen Fortschritts A im Zeitablauf


zunimmt, dann sinkt die Sparquote in Bezug auf den tatsächlichen Output.

Der bereinigte Pro-Kopf Output ist im Steady State konstant. Der


tatsächliche Pro-Kopf Output wächst mit der Rate des technischen
Fortschritts,

Δ𝑦 Δ𝐴
= .
𝑦 𝐴

72
Solow Modell – Kritik
• Veränderung der Produktivität ermöglicht daher ein langfristiges
Wachstum von Produktion und Einkommen pro Kopf
• Der technische Fortschritt wird in diesem Modell aber als exogen
angesehen, d.h. er wird nicht im Modell erklärt
• Zudem unterstellen wir, dass die Erzeugung von technischem Fortschritt
keinen Ressourcenverbrauch verursacht
• Das ist offensichtlich unbefriedigend, denn der größte Teil des
beobachteten Wachstums ist eben Wachstum durch technischen
Fortschritt
• Hier setzt die Theorie des endogenen Wachstums an.

73
Robert E. Lucas
(geb. 1937)
Nobelpreis 1995

Endogene Paul M. Romer


(geb. 1955)

Wachstumstheorie

74
Endogene Wachstumstheorie
• Die Volkswirtschaft produziert ein Outputgut, Y, und technischen
Fortschritt, der die gesamte Faktorproduktivität erhöht. Im innovativen
Sektor beschäftigen Erfinder Arbeitskräfte in der Entwicklung neuer Ideen.
Neue Entwicklungen können patentiert werden, so dass die Erfindung
geschützt ist. Die Erfinder verkaufen ihre Patente an die Unternehmen im
Outputsektor. Inputs sind Kapital und Arbeit im Outputsektor und Arbeit im
Innovationssektor. In jedem Zeitpunkt ist die Beschäftigung im
Outputsektor (1-λ)L und im Innovationssektor λL, so dass die gesamte
Bevölkerung L beträgt.
• Produktionsfunktion: Output 𝑌 = 𝐴𝐾 α ( 1 − λ 𝐿)1−α
• Produktionsfunktion: technischer Fortschritt Δ𝐴 = 𝐴θ (λ𝐿)1−β

• Die Wachstumsrate des technischen Fortschritts ist


Δ𝐴
𝑔𝐴 = = 𝐴θ−1 (λ𝐿)1−β .
𝐴

75
Endogene Wachstumstheorie
• In einem Steady-State Wachstumsgleichgewicht soll diese Wachstumsrate
konstant sein.
• Im Steady State muss λ, der Anteil der Beschäftigten im innovativen Sektor
konstant sein.
1−β
• Für eine konstante Wachstumsrate muss gelten: 𝑔𝐴 = 𝑛
1−θ

• Der Output wächst mit der Rate 𝑔𝑌 = 𝑛 + 𝑔𝐴 ;


• Der Pro-Kopf Output wächst mit der Rate gA des technischen Fortschritts.
• Höheres Bevölkerungswachstum beschleunigt das Wachstum des Pro-Kopf
Outputs

76
Endogene Wachstumstheorie
• Kann es ein solches Gleichgewicht geben?
• Entlohnung in beiden Sektoren muss gleich sein, sonst wandern
Arbeitskräfte in den einen oder anderen Sektor
• Bei gewinnmaximierenden Unternehmen erfolgt die Entlohnung nach dem
Grenzprodukt der Arbeit. Wir bezeichnen mit wy den Lohnsatz im
Outputsektor und setzen das Preisniveau für Outputgüter auf eins. Dann gilt
für den Outputsektor

𝑤𝑦 = 1 − α 𝐴𝐾 α ( 1 − λ 𝐿)−α

77
Endogene Wachstumstheorie
• Für den innovativen Sektor bezeichnen wir mit p den relativen Preis pro
„Einheit technischer Fortschritt“ in Gütereinheiten oder, intuitiv, den Erlös
des Erfinders für eine neue technische Entwicklung. Die Erlöse im
innovativen Sektor betragen also pΔ𝐴 = 𝑝𝐴θ (λ𝐿)1−β . Den Lohnsatz im
innovativen Sektor bezeichnen wir mit wA.
• Gewinnmaximierende Erfinder entlohnen die Arbeit in diesem Sektor zu
ihrem Grenzprodukt,
𝑤𝐴 = 𝑝(1 − β)𝐴θ (λ𝐿)−β .
• Damit die Verteilung der Arbeitskräfte auf die beiden Sektoren konstant ist,
muss die Entlohnung gleich sein:

𝑤𝑦 = 1 − α 𝐴𝐾 α ( 1 − λ 𝐿)−α = 𝑝 1 − β 𝐴θ 𝜆𝐿 −β = 𝑤𝐴
Im Gleichgewicht muß sich der Preis der Innovationen so entwickeln, daß
diese Bedingung erfüllt ist.

78
Endogene Wachstumstheorie
Das ist der Fall, wenn die Wachstumsrate des Preises der Innovation
gleich der Wachstumsrate der Bevölkerung ist.

𝑑𝑝
= 𝑔𝑝 = 𝑛.
𝑝

• Der Preis der Innovationen muss mit der Rate n wachsen. Der Grund dafür
ist, dass das Grenzprodukt im Outputsektor schneller wächst als im
Innovationssektor, weil das technische Niveau A dort linear eingeht und im
Innovationssektor mit dem Exponenten θ.
• Würde der Preis langsamer wachsen, würden immer weniger Arbeitskräfte
in diesem Sektor beschäftigt und die Wachstumsrate des technischen
Fortschritts würde im Zeitablauf fallen.
• Die Entlohnung innovativer Tätigkeiten steigt im Vergleich zur Entlohnung
der Arbeit. Einkommensungleichheit nimmt zu.

79
Arbeitsmarkt im 2-Sektoren Modell

GPA(Y)

GPA(A)

(1-λ)L L
GPA: Grenzprodukt der Arbeit w: Reallohn
80
Endogene Wachstumstheorie
• Die Wachstumsrate lässt sich wirtschaftspolitisch erhöhen, wenn mehr
Arbeitskräfte in den innovativen Sektor geführt werden. Aber:
• Wenn das passiert, wandern Arbeitskräfte aus dem
Produktionssektor in den Innovationssektor
• Dadurch fällt zunächst das Niveau der Produktion von Outputgütern.
• Anschließend wächst die Güterproduktion mit einer größeren Rate
• Wir haben eine Abwägung (trade-off) von heutigem gegen künftigen
Output bzw. Konsum

81
Abblidung 18: Arbeitsmarkt im 2-Sektoren Modell

GPA(Y)

GPA(A)

(1-λ)L L
Eine Lohnsubvention im innovativen Sektor erhöht die Wachstumsrate.
82
Grenzen des
Wirtschaftswachstums ?

83
Grenzen des Wachstums (1)
• Thomas Robert Malthus (Essay on the Principle of Population, 1798)
• Paul Ehrlich (The population bomb, 1968)
• Hauptthese: Die Erde ist nicht in der Lage, eine immer größere
Bevölkerung zu ernähren.
• Hauptfolgerung: Förderung der Sterblichkeit unerwünschter
Bevölkerungsgruppen – die Armutsbevölkerung bei Malthus, Kinder in
Entwicklungsländern bei Ehrlich und seinem Gefolge.
• Evidenz: „Grüne Revolution“ und andere Formen der Zunahme
landwirtschaftlicher Produktivität. Laut FAO seit den 1990er Jahren kein
prinzipielles Hungerproblem auf der Welt.
• Grenze des Wachstums verschiebt sich durch menschliche
Innovationskraft nach Außen.

84
Grenzen des Wachstums (2)
• William Stanley Jevons (The coal question, 1865)
• Club of Rome (The limits to growth, 1972)
• Hauptthese: Wachstumsgrenzen durch die begrenzte Verfügbarkeit
mineralischer Rohstoffe.
• Hauptfolgerung: bei ungebremstem Wachstum werden Rohstoffe immer
teurer und sind bald erschöpft (Öl ca. 2010)

85
William Jevons, The Coal Question
• „Day by day it becomes more evident that the Coal we happily possess in
excellent quality and abundance is the mainspring of modern material
civilization.“ (I.1.)
• The present rate of increase of our coal consumption is then ascertained,
and it is shown that, should the consumption multiply for rather more
than a century at the same rate, the average depth of our coal-mines
would be 4,000 feet, and the average price of coal much higher than the
highest price now paid for the finest kinds of coal. (I.19)
• „In the increasing depth and difficulty of coal mining we shall meet that
vague but inevitable boundary that will stop our progress.“ (IX.18)
William Stanley Jevons, 1835-1882

[14]: The Coal question 86


Club of Rome, 1972
• "Der Bericht (... ) zeigt, dass es möglich sein wird, eine große, aber
zahlenmäßig beschränkte Weltbevölkerung mit einem guten
materiellen Lebensstandard zu versorgen, der eine fast unbegrenzte
individuelle und soziale Weiterentwicklung gestatten wird."

Quelle: Dennis Meadows, Donella Meadows, Erich Zahn, Peter Milling "Die
Grenzen des Wachstums », Hamburg, rororo 1973, S. 175.

87
Club of Rome 1972
• Unsere Schlussfolgerungen sind:
1. Wenn sich die derzeitigen Trends der Weltbevölkerung, industriellen
Entwicklung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und des
Ressourcenverbrauchs unverändert fortsetzen, werden die Grenzen des
Wachstums auf diesem Planeten in den nächsten 100 Jahren erreicht
werden. Die wahrscheinlichste Entwicklung wird eine plötzliche und nicht
kontrollierbare Verringerung der Bevölkerung und des industriellen
Produktionspotenzials sein.
2. Es ist möglich, diese Wachstumstrends zu ändern und ein stabiles
ökologisches und ökonomisches Gleichgewicht zu erreichen, das auf lange
Sicht tragfähig ist. Dies Gleichgewicht kann so gestaltet werden, dass die
materiellen Grundbedürfnisse aller Menschen auf der Erde befriedigt
werden und jede Person die gleiche Chance hat, ihr persönliches
menschliches Potenzial zu verwirklichen.
3. Wenn die Völker der Erde beschließen, die zweite Möglichkeit
anzustreben, dann werden ihre Erfolgschancen umso größer sein, je eher
sie damit beginnen.
[15]: Grenzen des Wachstums 88
Grenzen des Wachstums
• Unser Modell beruht auf dem Mechanismus von Überschießen und
Zusammenbruch. Der Zusammenbruch tritt ein, weil die nicht
erneuerbaren Ressourcen erschöpft werden. Der industrielle Kapitalstock
wächst bis zu einem Ausmaß, der den Einsatz riesiger Mengen von
Ressourcen erfordert. Rohstoffpreise steigen und –vorräte nehmen ab.
• Daher muss mehr und mehr Kapital eingesetzt werden, um Rohstoffe zu
produzieren. Immer weniger Kapital steht zur Verfügung, um Wachstum zu
ermöglichen. Am Ende reicht die Investition nicht aus, um die
Abschreibung zu decken und die industrielle Basis bricht zusammen.
• Dienstleistungssektor und Landwirtschaft, die von industriellen Produkten
abhängig sind (Dünger, Schädlingsbekämpfung, Labore, Computer etc.)
kollabieren mit der Industrie.

[15]: Grenzen des Wachstums 89


Grenzen des Wachstums
• Für eine kurze Periode wird die soziale Lage kritisch, da die
Bevölkerungsentwicklung erst mit Verzögerung reagiert. Schließlich aber
nimmt die Bevölkerung ab infolge mangelnder Ernährung und
Gesundheitsversorgung. Man kann den genauen Zeitpunkt dieser
Entwicklungen nicht vorhersagen, dazu hat das Modell zu viele
Ungenauigkeiten und Unsicherheiten. Dennoch ist sicher, dass das
Wachstum vor dem Jahr 2100 enden wird.
• Wir können daher mit einiger Sicherheit sagen, dass ohne grundlegende
Änderungen des derzeitigen Wirtschaftssystems das Bevölkerungs- und
das Wirtschaftswachstum spätestens im nächsten Jahrhundert enden
werden.

[15]: Grenzen des Wachstums 90


Grenzen des Wachstums?
• Der Meadows Bericht berücksichtigt nicht, dass wirtschaftliche
Entscheidungen auf Knappheiten reagieren
• Wir sehen das besonders deutlich an drei Aspekten
1. Die Bevölkerungszunahme ist bei steigendem Wohlstand gesunken
2. Knappe Ressourcen werden teurer und darum effizienter
eingesetzt
3. Steigende Ressourcenpreise führen zu Investitionen in neue
Fördertechnologien, die zuvor unwirtschaftliche Vorkommen
wirtschaftlich erschließbar machen
• Der Mechanismus, der bei Meadows et al. zum Zusammenbruch führt,
kann vermieden werden, wenn es ausreichend technischen Fortschritt im
Rohstoffsektor gibt.
• Dazu muß es ausreichend Anreize geben, d.h. Investitionen in neue
Technologien müssen sich lohnen.

91
Energieeffizienz
250 600
Energy use (kg of oil equivalent) per
$1,000 GDP (constant 2011 PPP)

500
200

400
150
300
100
200

50
100

0 0
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012
Germany OECD members United States
European Union China (rechte Achse)

[20]: Energieeffizienz im Zeitverlauf 92


Reale Preise von Kupfer und Öl
60 6

50 5

40 4

30 3

20 2

10 1

0 0
1847

1865
1820
1829
1838

1856

1874
1883
1892
1901
1910
1919
1928
1937
1946
1955
1964
1973
1982
1991
2000
2009
Rohöl Kupfer

[21]: Preisbereinigung mit dem PPI der USA 1982=100, Rohöl linke Skala, Kupfer rechte Skala 93
Grenzen des Wachstums?
Verfügbarkeit mineralischer Rohstoffe
Reserven/ Ressourcen/jährl. geologische
jährl. Produktion Produktion Vorkommen/jährl. Produktion
Aluminium 139 263000 48,8 Mrd.
Kupfer 43 189 95 Mio.
Eisen 78 223 1,35 Mrd.
Kohle 129 2900
Öl 55 76 Insgesamt 1,4 Mio.
Gas 59 410

• Reserven: nach aktueller Technologie wirtschaftlich nutzbare Vorkommen


• Ressourcen: bekannte Vorkommen, die nach aktueller Technologie nicht
wirtschaftlich nutzbar sind
• Geologische Vorkommen: unbekannte Vorkommen, geschätzt aus der
Dichte der Verteilung des Rohstoffes in der Erdkruste

[22]: Alle Angaben in Jahre 94


Grenzen des Wachstums (3)
• Luftverschmutzung und Klimaveränderung
• Hauptthese: Wachstum führt zu mehr Imission von
Schadstoffen in die Luft und zu zunehmender
Erwärmung der Atmosphäre und Meere. Dies zerstört
die Lebensgrundlagen der Bevölkerung.
• Hauptfolgerung: Staatliche Regulierung von Imission.
• Evidenz: Gemischt
• Problem: Regierungen sind nicht in der Lage, langfristige
Probleme kooperativ zu lösen. Kein ausreichender
Preismechanismus, um Innovation anzuregen.
• Lösungsansatz: Preismechanismen schaffen, z.B. durch
die Versteigerung von Immissionszertifikaten (SO2).

95
Quellenverzeichnis
• [1]: The Maddison-Project, http://www.ggdc.net/maddison/maddison-
project/home.htm, 2013 version. PerCapita GDP
• [2]: „A Theory of Production“, American Economic Review 18:1, 139-165
• [3]: „Are there Laws of Production“, American Economic Review 38:1,
1948, 1-41
• [4]-[10]: Gregory Clark, “A Farewell to Alms”, Princeton: Princeton
University Press 2007, Kapitel 2
• [11]: World Development Indicators, Total Population (SP.POP.TOTL) and
GDP per capita in constant 2010 US$ (NY.GDP.PCAP.KD)
• [12]: Feenstra, Robert C., Robert Inklaar and Marcel P. Timmer (2015),
"The Next Generation of the Penn World Table" American Economic
Review, 105(10), 3150-3182, available for download at www.ggdc.net/pwt
• [13]: P. Aghion and P. Howitt, „Capital, innovation, and growth
accounting“, Oxford Review of Economic Policy, Volume 23, Number 1,
2007, pp.79–93, S. 83, Tabelle 1
96
Quellenverzeichnis
• [14]: http://www.econlib.org/library/YPDBooks/Jevons/jvnCQ.html
• [15]: A Report to The Club of Rome (1972), by Donella H. Meadows,
Dennis l. Meadows, Jorgen Randers, William W. Behrens III
• [16]: Donella Meadows, Jorgen Randers, Dennis Meadows, Limits to
Growth: The 30-Year Update. White River Junction: Chelsea Green
Publishing 2004
• [17]: https://www.clubofrome.org/report/reinventing-prosperity/
• [18]: Thomas Matlhus: An Essay on the Principle of Population, VII.20,
London: J. Johnson www.econlib.org
• [19]:http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/club-of-rome-
zukunftsbericht-was-fuer-ein-unsinn-kommentar-a-1112295.html
• [20]:http://data.worldbank.org/indicator/EG.USE.PCAP.KG.OE
• [21]-[22]: Martin Stürmer, What Drives Mineral Commodity Markets in
the Long Run?
97

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