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Geotechnik I
Kapitel 1: Grundlagen für die Baugrunderkundung
Regelwerke:

‐ DIN EN 1997‐2
Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik
Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrundes_2010

‐ DIN EN 1997‐2/NA
National festgelegte Parameter ‐ Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik
Teil 2: Erkundung und Untersuchung des Baugrundes_2010

‐ DIN 4020
Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen 2010
‐ Beiblatt 1 zu DIN4020 – Anwendungshilfen und Erklärungen_2003

‐ DIN 4023
Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse von Bohrungen
und sonstigen direkten Aufschlüssen_ 2006

‐ DIN EN ISO 14688: Geotechnische Erkundung und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und
Klassifikation von Böden
Teil 1: Benennung und Beschreibung
Teil 2: Grundlagen für Bodenklassifizierung
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1. Geotechnische Kategorien

Um Mindestanforderungen an Umfang und Qualität geotechnischer Untersuchungen, Berechnungen und der


Bauüberwachung stellen zu können, muss die Komplexität jeder Gründungsmaßnahme im Zusammenhang mit den
damit verbundenen Risiken gesehen werden. In Deutschland sind hierfür drei Geotechnische Kategorien GK1, GK2
und GK3 anzuwenden.

Insbesondere muss unterschieden werden zwischen


‐ leichten und einfachen Bauten und kleineren Erdbaumaßnahmen, bei denen gesichert ist, dass die
Mindestanforderungen durch Erfahrungen und qualitative geotechnische Untersuchungen mit
vernachlässigbarem Risiko erfüllt sind und
‐ anderen Grundbauwerken

In Deutschland gibt es drei Geotechnische Kategorien zur Festlegung der Mindestanforderungen an Umfang und
Qualität von geotechnischen Untersuchungen.

Geotechnische Kategorie GK1


Die Geotechnische Kategorie GK1 umfasst nur kleine und relativ einfache Bauwerke, bei denen
‐ die Anforderungen aufgrund von Erfahrungen und qualitativen geotechnischen Untersuchungen erfüllbar sind;
‐ ein vernachlässigbares Risiko besteht.
Die Geotechnische Kategorie GK1 umfasst Baumaßahmen mit geringem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf Bauwerk
und Baugrund.

Mindestuntersuchungsumfang:
‐ Einholen von Informationen über die allgemeinen Baugrundverhältnisse, örtliche Bauerfahrungen
‐ Erkundung der Boden‐ und Gesteinsarten und ihre Schichtung
‐ Abschätzung der Grundwasserverhältnisse vor, während und nach der Bauausführung
‐ Besichtigung der ausgehobenen Baugrube
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Geotechnische Kategorie GK2

Die Geotechnische Kategorie GK2 gilt für konventionelle Gründungen und Bauwerke ohne ungewöhnlichem Risiko
oder schwierigen Baugrund‐ und Belastungsverhältnissen.
Bei der Planung von Bauwerken oder Bauwerksteilen genügen Routineverfahren für die Feld‐ und Laborerkundung
sowie für die Bemessung und Ausführung.
Konventionelle Bauwerke und Bauteile entsprechen z.B.: Flächenfundamente, Gründungsplatten, Pfahlgründungen,
Baugruben, Brückenpfeiler, Brückenwiderlager, Aufschüttungen und Erdarbeiten

Die Geotechnische Kategorie GK2 umfasst Baumaßahmen mit mittlerem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf das
Zusammenwirken von Bauwerk und Baugrund.
Bauwerke der geotechnischen Kategorie GK2 erfordern eine ingenieurmäßige Bearbeitung und einen rechnerischen
Nachweis der Standsicherheit und der Gebrauchstauglichkeit.

Erkundung:
Bei Verhältnissen, die der Geotechnischen Kategorie 2 entsprechen, sind direkte Aufschlüsse erforderlich. Die für die
Beurteilung und die Berechnung notwendigen Baugrundkenngrößen müssen versuchstechnisch und/oder mit Hilfe
von Korrelationen bestimmt werden.

Die Abstände der Untersuchungspunkte und Tiefe der Aufschlüsse sind unter Berücksichtigung von DIN EN 1997‐
2:2010‐10, Anhang B.3 festzulegen.
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Geotechnische Kategorie GK3


Bauwerke der Geotechnischen Kategorie GK3 erfordern über die Standarduntersuchungen hinaus zusätzliche
Untersuchungen sowie vertiefte geotechnische Kenntnisse und Erfahrungen in dem jeweiligen Spezialgebiet.
Bespiele für GK3 sind:

‐ sehr große und ungewöhnliche Bauwerke


‐ Bauwerke mit ungewöhnlich schwierigen Baugrund‐ und Belastungsverhältnissen
‐ Bauwerke in seismisch stark betroffenen Gebieten
‐ Bauwerke in Gebieten, in denen mit instabilen Baugrundverhältnissen zu rechnen ist.

Die Geotechnische Kategorie GK3 umfasst Baumaßahmen mit hohem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf das
Zusammenwirken von Bauwerk und Baugrund.

Erkundung:
Bei Verhältnissen nach der Geotechnischen Kategorie 3 ist zu prüfen, ob über den für die Geotechnische Kategorie 2
erforderlichen Umfang hinaus weitere Untersuchungen notwendig sind, die sich aus den besonderen Abmessungen,
Eigenschaften und Beanspruchungen des Bauwerks oder aus Sonderfragen des Baugrunds, des Grundwassers oder
der Umgebung ergeben.

Bei schwierigen Baugrundverhältnissen oder zur Eingrenzung von Unregelmäßigkeiten sind geringere Abstände
bzw. eine größere Anzahl von Aufschlüssen erforderlich. Zusätzlich können Baubegleitende Messungen in
Betracht gezogen werden.

Baugrundrisiko nach DIN 4020:


Ein in der Natur der Sache liegendes, unvermeidbares Restrisiko, das bei Inanspruchnahme des Baugrundes zu
unvorhersehbaren Wirkungen bzw. Erschwernissen, z.B. Bauschäden oder Bauverzögerungen, führen kann, obwohl
derjenige, der den Baugrund zur Verfügung stellt, seiner Verpflichtung zur Untersuchung und Beschreibung der
Baugrund‐ und Grundwasserverhältnisse nach den Regeln der Technik zuvor vollständig nachgekommen ist und
obwohl der Bauausführende seiner eigenen Prüfungs‐ und Hinweispflicht Genüge getan hat.
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Merkmale und Beispiele zur Einstufung in die Geotechnischen Kategorien nach DIN4020

Die Einstufung für konkrete Bauwerke bzw. Gründungsarten sind im Anhang A, DIN 4020:2010‐12 zusammengestellt.
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2 Geotechnischer Bericht
Für Baugrunduntersuchungen einschließlich der Grundwasseruntersuchungen ist bei allen Geotechnischen
Kategorien ein schriftlicher Geotechnischer Bericht zu erstellen.

‐ Bei der Geotechnischen Kategorie GK 1 darf sich der Inhalt des Geotechnischen Berichtes auf den Nachweis,
dass die Geotechnische Kategorie GK 1 vorliegt beschränken. Die Ergebnisse der Erkundungen und
Untersuchungen sind in dem Bericht zu beschreiben, darzustellen und zu kommentieren

‐ Bei den Geotechnischen Kategorien GK 2 und GK 3 enthält der Geotechnische Bericht über den Inhalt des
Geotechnischen Untersuchungsberichtes nach DIN EN 1997‐2:2010‐10, Abschnitt 6 hinaus die Bewertung der
Ergebnisse des Untersuchungsberichtes, Gründungsempfehlung sowie die Folgerungen für das Bauwerk und die
Ausführung. Die charakteristischen Werte der Baugrundkenngrößen und Grundwasserstände sind in
Abhängigkeit vom Bauwerk anzugeben. Der Geotechnische Bericht ist Teil des Geotechnischen
Entwurfsberichtes nach DIN EN 1997‐1.
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3 Untersuchungsabstände und Untersuchungstiefen nach DIN EN 1997‐2

1. Folgende Abstände von Aufschlusspunkten sollten als Richtwerte benutzt werden:


‐ bei Hoch‐ und Industriebauten ein Rasterabstand von 15 m bis 40 m;
‐ bei großflächigen Bauwerken ein Rasterabstand von nicht mehr als 60 m;
‐ bei Linienbauwerken (Straßen, Eisenbahnen, Kanäle, Rohrleitungen, Deiche, Tunnel, Rückhaltedämme)
ein Abstand zwischen 20 m und 200 m;
‐ bei Sonderbauwerken (z. B. Brücken, Schornsteinen, Maschinenfundamenten), zwei bis sechs Auf‐
schlüsse je Fundament;
‐ bei Staudämmen und Wehren Abstände zwischen 25 m und 75 m in maßgebenden Schnitten

2. Für die Untersuchungstiefe za sollten folgende Werte als Richtwerte benutzt werden. (Die Bezugsebene
für za ist der tiefste Punkt der Gründung des Bauwerkes, eines Bauwerkselements oder der Baugrubensohle.)
Bei Alternativangaben für die Festlegung von za sollte der jeweils größte Wert angewendet werden.

3. Größere Untersuchungstiefen sollten immer dort gewählt werden, wo ungünstige geologische Bedingungen,
wie weiche oder stark zusammendrückbare Schichten, unter Schichten mit höherer Tragfähigkeit zu
vermuten sind.

4. Bei Bauwerken auf kompetenten Schichten kann die Untersuchungstiefe bis auf za = 2 m gemindert werden,
wenn die Geologie geklärt ist, anderenfalls sollte die Untersuchungstiefe wenigstens eines Aufschlusses bis
za = 5 m geführt werden. Wenn Fels in der vorgesehenen Gründungstiefe eines Bauwerks angetroffen wird,
sollte dieser als Bezugsebene für za genommen werden. Anderenfalls bezieht sich za auf die Oberfläche des Fels
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5. Bei Hoch‐ und Ingenieurbauten sollte der größere Wert der folgenden Bedingungen angewandt werden
(siehe Bild B.1a)):

za  6 m und za  3,0 * bF

Dabei ist bF die kürzere Seite der Gründung.

6. Bei Plattengründungen und bei Bauwerken mit mehreren Gründungskörpern, deren Einflüsse sich in
tieferen Schichten überlagern:

za  1,5 * bB

Dabei ist bB die kleinere Bauwerksseitenlänge (siehe Bild B.1b))


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7. Bei Dämmen und Einschnitten sollte der höhere Wert folgernder Bedingungen sollte gewählt werden:

a) Bei Dämmen: za  6,0 m, 0,8 h < za < 1,2 h

Dabei ist h die Dammhöhe.

b) Bei Einschnitten: za  2,0 m, za  0,4h

Dabei ist h die Einschnittstiefe.


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8. Bei Linienbauwerken sollte der größere Wert der folgenden Bedingungen gewählt werden:

a) Bei Straßen und Flugplätzen: za  2 m unter die vorgesehene Aushubsohle

b) Bei Gräben und Rohrleitungen, der größte Wert für:

za  2 m unter die Aushubsohle

za  1,5 * b Ah

Dabei ist bAh die Breite des Aushubs

c) Wenn relevant, sollten die Empfehlungen bezüglich von Dämmen und Einschnitten befolgt werden.
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9. Bei Tunneln und Kavernen

bAb < za < 2,0 bAb

Dabei ist bAb die Ausbruchsbreite

Die Grundwasserverhältnisse wie in 10. beschrieben, sollten ebenfalls berücksichtigt werden.


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10. Baugruben

a) Wenn die Grundwasserdruckfläche und Grundwasseroberfläche unter der Baugrubensohle liegen, sollte
der höhere Wert der folgenden Bedingungen gewählt werden:
za  0,4 * h oder za  (t + 2,0) m

Dabei ist t die Einbindetiefe der Umschließung; h die Baugrubentiefe.

b) Wenn die Grundwasserdruckfläche und Grundwasseroberfläche über der Baugrubensohle liegen, sollte
der höhere Wert folgender Bedingungen gewählt werden:

za  (1,0 * H + 2,0) m oder za  (t + 2,0) m

Dabei ist H die Höhe der Grundwasseroberfläche über der Baugrubensohle; t die Einbindetiefe der Umschließung.
Wenn kein Grundwasserhemmer bis zu dieser Tiefe erreicht wird:
za  (t + 5) m
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11. Bei Staubauwerken sollte za abhängig von der vorgesehenen Stauhöhe, den hydrogeologischen
Verhältnissen und den Konstruktionsweisen festgelegt werden.

12. Bei Dichtungswänden (siehe Bild B.6): za  2 m unter der Oberfläche des Grundwassernichtleiters.
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13. Bei Pfählen (siehe Bild B.7) sollten folgende drei Bedingungen erfüllt sein:

za  1,0 bg, za  5,0 m, za  3 DF

Dabei ist
DF der Pfahlfußdurchmesser und
bg das kleinere Maß eines in der Fußebene liegenden Rechtecks, das die Pfahlgruppe umschließt.
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4 Beispiel zur Festlegung des Aufschlussrasters und der Aufschlusstiefe für eine Baugrube in Biberach

4.1 Grundsatz:

Es sind alle vom Bauwerk bzw. dem Bauvorgang beanspruchten Schichten hinsichtlich ihrer Eigenschaften zu
erfassen.
Mit der Einführung der Geotechnischen Kategorien und der in DIN 1054 und EC 7 verankerten Pflicht diese bei
Beginn eines Projektes festzulegen und fortzuschreiben, wird eine Bewusstmachung der geotechnischen Risiken
befördert.

4.2 Beispiel Ingenieurbauwerk mit Einbindung ins Grundwasser in BC

Erkundungstiefe
aus Setzungsproblematik / Tragfähigkeit resultierend:

z a  1,5  B (B = Breite der Plattengründung) bzw.


ausreichende Tiefe, in der keine setzungsrelevanten
Spannungen mehr auftreten bzw. Tiefe in der auf
der Grundlage ausreichend gesicherter geologischer
Kenntnisse hinreichende Informationen zur
Zusammendruckbarkeit vorliegen.

aus Grundwasserproblematik resultierend:


z a  t + 2,0 m (da GW‐Stauer vorliegt)

Aufschlussraster: Rasterabstand für direkte Aufschlüsse = 15 – 40 m


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Geologie in Biberach (Rißtal)

Darstellung der geplanten Baugrube


Landschaftsentwicklung Süddeutschlands ‐ Molassebecken nördliche der Alpen

aus Eberle/Eitel/Blümel/Wittmann „Deutschlands Süden“ 2010


Landschaftsentwicklung Süddeutschlands – Mittel‐ und Oberpleistozän

aus Eberle/Eitel/Blümel/Wittmann „Deutschlands Süden“ 2010


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Beispiel: Laborgebäude 32 m x 88 m

Erkundungsprogramm:

6 Kernbohrungen t = 15 m
(BK 1 – BK 6)
Durchmesser Bohrkerne: ca. 140 mm

8 schwere Rammsondierungen t = 12 – 13 m
(DPH 1 – DPH 8)

In Augenschein genommener Baugrund:

(π・0,142 / 4) ・6 ・15 = 1,385 m3

Aushub: 42240 m³
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Ausgeführter Verbau
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3 Beispiel für die Ableitung von Grundwasserdrücken auf der Grundlage eines
Grundwassermodells und von Langzeitmessungen

(1) Der natürliche Grundwasserdruck ist Teil des hydrologischen Zyklus. Er ist von Niederschlag, Verdunstung,
Schneeschmelze, Oberflächenabfluss usw. beeinflusst.

(2) Um ein Modell der Grundwasserverhältnisse für ein Gelände, auf dem ein Bauwerk geplant ist, und für
seine Umgebung aufzustellen, sollten vorhandene hydrogeologische Informationen zusammengestellt und mit
den neu gewonnenen Ergebnissen der Grundwassermessungen verglichen werden. Derartige Informationen
könnten sein:
‐ Schwankungen des Wasserspiegels;
‐ hydrogeologische Karten;
‐ Ergebnisse früherer Messungen in der Umgebung;
‐ typische Wasserspiegel offener Gewässer oder in Brunnen;
‐ Ergebnisse von Langzeitmessungen in ähnlichen Grundwasserleitern.

(3) Die Grundwassermessungen für ein Bauvorhaben enthalten normalerweise lediglich Kurzzeitmessungen. In
solchen Fällen ist es von Bedeutung, eine Vorhersage des zu erwartenden Grundwasserdrucks für die
aktuelle Entwurfs‐ und Bemessungssituation und das Baugelände zu machen. Eine derartige Vorhersage
kann auf dem oben genannten Modell und auf Langzeitmessungen des Grundwassers in einem ähnlichen
Grundwasserleiter in der gleichen Gegend wie der des Bauvorhabens in Kombination mit einer Kurzzeit‐
messung im Planungsbereich beruhen.

(4) Mit Einsatz statistischer Methoden ist es möglich, den Grundwasserdruck mit einer Genauigkeit von
wenigen kPa auf der Grundlage von Messungen über 15 Jahre in einem Referenzsystem und während einer
Messzeit über drei Monate im aktuellen Planungsbereich zu bestimmen.

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