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HERMANN M
MÖRCHEN
ÖRCHEN
Die Einbildungskraft
Die bei Kant
Einbildungskraft bei Kant
MAX
MAX NIEMEYER
N I E M E Y E R VERLAG
VERLAG T ÜB I N G
GEEN
N
1970
1970
D i e e r a t e A u fl a g e e r s c h i e n i m
Jahrbuch
Jabrbuc für
für Philosophie
Philosophie und
und phänomenologische
phänomenologische Forschung
Forechung
herausgegeben n Edmund
h e r a u s g e g e b e n von u s s e r l . Band
Husserl,
Edmund H Band X
X II ., 1930
1930
Die Paginierung
Die Paginierung der Erstauflage steht
der Erstauflage etcht m
i Neudruck
im Neudruck in
in eckigen Klammern
cokigen Klammero
P10.1970
ISBN 3 484 70097 1
©
( a M Max a r MNiemeyer
iomover V Verlag T b i n g e n 1970
e r h aTübingen 1970
Alle
A l l e Rechte o r b o k a l t o n . Printed
R e c o t e vvorbehalten. i n Germany
P r i n t e d in Germant
Nachdruck,
N a c h d r u c k . photomechauische Wi e d e r r a b e und
p h o t o m e c h a n i s c h e Wiedergabe u n d Übersetzung
Ubersetkung
n
mu a rr mm ii tt ausdrücklicher e n c h m i g a n g des
a u s d r u c k l i c h e r gGenehmigung d o s Verlages
v e r l a g e d gestattet
restattot
D
b rruuc ck k:: U m a t y p l o eGesellschaft,
Omnitypie L e o p o l d Zechnall,
I v a c a r . Leopold
s o n e c o a r t , Nacht. c o c a n a d , Stuttgart
oruitgert
V
V oo rr w
w oo rr tt 2 0 a a a a a na
E i n l ee ii t uu nngg z : 0.20 0 00 no 0 u wu a aa na ea n e n
1. Abschnitt.
1. Abschnitt.
Kants
K anthropologische
ants a nthropologische E Erörterungen
rörterungen
d
dee r EEii nn bbii l d u n g s
s kk r a
a ft.
und Sinnlichkeit
Einbildunzskraft und
1.. Einbildungskraft . . » 2.2: 22 C o r rer rn
2.. Die Betätigungsweisen der Einbildungskrai
Die Betätigungsweisen Einbildungskraft . . . 2 . 2 2 2 2 2 2 .
2.
2 . Abschnitt.
Abschnitt.
D i ee E n bb ii l d uu nn ggsskkr raaf ft t ii nn dd ee rr K r i t i kk d
Ein dee r re e nn V
e ine V e rr nn uunnfftt..
1. Die
1. Die Einbildungskraft
Einbildungskraft in in der transzendentalen Deduktion
der transzendentalen Deduktion der
der reinen
reinen Ver-
Ver‑
standesbegriffe
standesbegriffe . - - - 2 2m 2 0 E n e r ernennen. 42
a) Nach
a) Nach der
der 2. 2. Auflage
Auflage . » : > rn C o n
b) Nach
Nach der
der 1. 1. Auflage
Auflage . . . 2: 22 m o o n . 56
c) Nach
Nach Aufzeichnungen aus den
A u f z e i c h n u n g e n aus d e n Wer J a h r e n . . . . . . 222.00.
70er Jahren 76
d) Die Bedeutung der Einbildungskraft
Die Bedeutung Einbildungskraft für das Grundproblem der
das Grundproblem d e r
Deduktion
Deduktion . . 2»2 2 rv u m e n . 88
2. Die
2. Die Einbildungskraft im Schematismuskapitel
Einbildungskraft im Schematismuskapitel . . - - - 2 . . . u: 107
3.
3. Abschnitt.
Abschnitt.
i e E ii n b i ll d u n g sskkrraafftt iinn d
Die
D der er K Kritik
ritik d e r ästhetischen
der ästhetischen
U
U rr tt e
e ii ll s
s k
k rr a
a ff tt .
.1.
1 Die
Die Einbildungskraft
Einbildungskraft in der Exposition und Deduktion
Exposition und Deduktion der ästhetischen
ästhetischen Urteile
Urteile
über dasSchöne
über das Schöne . .. 2 2 2 0 0 0 . Eu mE
nn E e nn m 130
130 n
2. Die
2. Die Einbildungskraft
Einbildungekraft inn der Exposition der
der Exposition ästhetischen Urteile
der ästhetischen über das Er‑
Urteile über Er.
2...
habene . . me e 142
142
...
h a d e n e 2 n
2 2m e 0 . e : u o . . s
3. Erörterung
3. Erörterung einiger Grundbegriffe der
einiger Grundbegriffe der Lehre o m Shönen
Lehre vvom Schönen . . . . . - 160
a) Die
a) Die Form
Form des Gegenstandes der Anschauung
des Gegenstandes Anschauung . . -» 2 : 2 2 . . . . 161
Einstimmung
b) Einstimmung
b) vo
vonn Einbildungskr
Einbildungskraft aft and
und Verstand
Verstand . . 2 . 2. .. . . 165
c) D
c) a s Verhältnis
Das o n Einbildungskraft
Ve r h ä l t n i s vvon n d Urteilskrafit
E i n b i l d u n e s k r a f t uund Urteilskraft ... ..... 170
4. Die
4. Die Einbildungskraft
Einbildungekraft in der der Lehre
Lehre von von den schönen Kunst
Prinzipien der schönen
den Prinzipien Kunst . . 175
Die
S cchhlluuBß:: D
S d e s Ph ä
i e E i n hh eeii tt ll i c hh kk eeii tt des ä nn oo m
m eennss d eerr E i n b i l d u nn ggss. - |
k r a frt bbei
eai Kf a
a nntt ..... E r F E 178
Vorwort zur 2.
Vorwort 2. Auflage.
Auflage.
Solange das
Solange Selbstverständnis philosophiehistorischen
das Selbstverständnis philosophiehistorischen Forschens Forschens
dahin tendiert,
dahin denkerische Positionen
tendiert, denkerische Positionen undund Entwicklungszusammen‑
Entwicklungszusammen-
hänge festzustellen,
hänge statt, in einer veränderten
festzustellen, statt, veränderten hermeneutischen
hermeneutischen Situa‑ Situa-
tion, das
tion, das F r a g e n , in dessen
Fragen, dessen Vollzuge
Vollzuge sich jene Positionen
sich jene Positionen einst ergaben
einst ergaben
und verfestigten, erneut
und verfestigten, erneut in Gang
Gang zuzu bringen,
bringen, wird
wird m mana n Interpretationen
Interpretationen
Heideggers Kant-Buch
wie die in Heideggers vorgetragenen immer
Kant-Buch vorgetragenen immer wieder der „Ge‑ „Ge.
waltsamkeit“
waltsamkeit* verdächtigen Philologische Vorbehalte
müssen. Philologische
verdächtigen müssen. Vorbehalte hemmenhemmen
die freie
die freie und gründliche Diskussion
und gründliche Diskussion darüber,
darüber, ob die Analyse
ob die Analyse der Zeit‑Zeit-
lichkeit des
lichkeit In-der-Welt-seins') einen
des In-der-Welt-seins!) einen Horizont
Horizont erschlossen
erschlossen hat, hat, in dessen
dessen
Licht die Phänomenzusammenhänge,
Licht die Phänomenzusammenhänge, die die Kant
Kant bei seinen Erörterungen
bei seinen Erörterungen
der „Einbildungskraft" im
der „Einbildungskraft“ im Blick
Blick hatte,
hatte, durchsichtiger
durchsichtiger werden.
werden. Zur Be-
Zur Be‑
hebung solcher
hebung solcher Hemmungen
Hemmungen mag mag eses nützlich
nützlich sein,
sein, w wenn eine in Heideg‑
e n n eine Heideg-
gers Marburger
gers Marburger Schule entstandene Monographie
Schule entstandene Monographie über über„Die„Die Einbildungs‑
Einbildungs-
kraft bei
kraft bei Kant" wieder zugänglich
Kant“ wieder zugänglich gemacht
gemacht wird?).
wird'). Da der der Schüler, bei
Schüler, bei
ersten philosophischen
seinem ersten
seinem philosophischen Gehversuch,
Gehversuch, der der philologischen
philologischen KrückenKrücken
unmöglich entraten konnte,
unmöglich entraten deren der Meister
konnte, deren Meister sich
sich angeblich
angeblich allzu
allzu souve‑
souve-
rän entledigt hatte, wird
rän entledigt hatte, wird ihm ihm vielleicht die Art Zutrauen
die Art von Zutrauen zuteilwer
v o n zuteilwer‑
den,
den, deren sich Subalterne erfreut:
deren sich der Subalterne erfreut: daß
der daß m bei ihm
a n bei
man ihm immerhin
immerhin die
Detailinformation wohlrubriziert erlangen
wünschenswerte Detailinformation
wünschenswerte erlangen könne.
könne. Diese
Diese
erstreckt
erstreckt sich auch auf
sich auch o n Heidegger
auf die vvon Heidegger nicht interpretierten Texte: die
nicht interpretiertenTexte: die
Anthropologie,
Anthropologie, die „Kritik der Urteilskraft“
„Kritik der Urteilskraft" undund die Nachlaßmaterialien.
die Nachlaßmaterialien.
Der Neudruck geschieht
Der Neudruck geschieht freilich Hoffnung, durch
auch in der Hoffnung,
freilich auch durch ihn
ihn
einen Beitrag
einen Beitrag zzur gegenwärtigen Kant-Diekussion
u r gegenwärtigen Kant-Diskussion zu leisten. Hat
zu leisten. Hat doch
doch
soeben Bruno
soeben Bruno Liebrucks?),
Liebrucks*), ohneohne dabei ausdrücklich an
dabei ausdrücklich an Heidegger anzu-
Heidegger anzu‑
knüpfen, wie dieser in Kants
knüpfen, Kants „Zurückweichen
„Zurückweichen vvor o r der Einbildungskraft“
Einbildungskraft"
Symptom einer unbewältigten
das Symptom
das Problematik erblickt und
unbewältigten Problematik und es,
es, sehr
bemerkenswert,
bemerkenswert, als als Verfehlen sprachlichen Ebene
Verfehlen der sprachlichen Ebene interpretiert.
interpretiert.
1) Martin
1) Martin Heidegger,
Heidegger, Sein
Sein und
und Zeit.
Zeit. Halle 1927.
Halle 1927.
?)
*) Sie
Sie wurde
wurde 1928 als Dissertation
1928 als Dissertation vorgelegt
vorgelegt und und 1930
1930 vvon Edmund H
o n Edmund Husserl in
u s s emir l
den 11.
den Band seines Jahrbuchs aufgenommen.
11. Band aufgenommen. Vgl. Heidegger, Kant
Vgl. Heidegger, Kant und Problem
und das Problem
Metaphysik, Bonn
der Metaphysik,
der Bonn 1929,
1929, S.
S. 120 Anm.
120 Anm.
. Sprache und
3) Sprache
%) und Bewußtsein,
Bewußtsein, BandBand 4: 4: DieDie erste
erste Revolution
Revolution der
der Denkungsart.
Denkungsart.
Frankfurt a. M. 1968.
Frankfurt a.M. Vgl. besonders
1968. Vgl. besonders S 465 ff.,
5.. 465 488 ff.
ff., 488 ff.
xX Vorwort zzur
Vorwort 2 . Auflage
u r 2.
Eine wichtige
Eine wichtige Studie
Studie vvon Walter Biemel°)
o n Walter Biemel°) vertritt,vertritt, Anstöße
Anstöße auch
auch des
des
späteren Heidegger
späteren aufnehmend, die
Heidegger aufnehmend, die These:
These: „„Mit Verwandlung der
M i t der Verwandlung
Sprache des Verstandes
Sprache Verstandes in die SpracheSprache der Einbildungskraft bietet
der Einbildungskraft bietet sich
sich
Seiende selbst in einer
das Seiende einer bis dahin für den Verstand
bis dahin für den Verstand unzugänglichen unzugänglichen
Weise dar“ !%).Man darf alsoKKant
Weise d a r ' 10). Man d a r f also a n t nicht
nicht uunterstellen,
n t e r s t e l l e n , er
er identifiziere „, die
identifiziere „die
Seinsweise des
Seinsweise des Kunstseienden“,
Kunstseienden", die die er er allerdings
allerdings „unbestimmt“
„unbestimmt" lasse,lasse,
einfach m
einfach Vo r h a n d e n e1!!).
miti t der des „„Vorhandenen* n1).“ Diesen
Diesen Einwand Einwand meint meint Biemel
Biemel
mich erheben
gegen mich
gegen erheben zu zu müssen
müssen '?);
18); ich
ich habe
habe freilich
freilich nnur auf die
u r auf Gefahr
die Gefahr
wollen, die
deuten wollen,
deuten die aus
aus demdem Fehlen
Fehlen derder ontologischen
ontologischen Reflexion Reflexion entsteht,
entsteht,
und ausdrücklich
und gesagt: „Vielmehr
ausdrücklich gesagt: „Vielmehr ist der B l i c kk selbst
ist der ein anderer
selbst ein anderer
geworden,
geworden, ffür ü r den Gegenstand nicht
der Gegenstand
den der nicht mehr mehr ein bloß vorhandenes
ein bloß vorhandenes
Ding ist“
Ding ist* 13).
?°). Eine Differenz scheint
Eine wirkliche Differenz scheint m miri r also nicht
nicht zu bestehen.
zu bestehen.
Indem
Indem BiemelBiemel und
und Liebrucks
Liebrucks das das Problem
Problem der der Einbildungskraft
Einbildungskraft bei bei
Kant als ein Sprachproblem sehen lehren, geben
Kant als ein S p r a c h p r o b l e m sehen lehren, geben sie der Diskussion sie der Diskussion
ein neues Stichwort.
ein neues Stichwort. Dieses
Dieses ist ist möglicherweise
möglicherweise geeignet, geeignet, auch den Dialog
auch denDialog
verschiedenen Richtungen
der verschiedenen Richtungen des des Kant-Verständnisses
Kant-Verständnisses zu zu intensivieren.
intensivieren.
Frankfurt am Main,
Frankfurt am Main, zzum 26. September
u m 26. 1969
September 1969 HERMANN MÖRCHEN
HERMANN MÖRCHEN
•) Die
®) Die Bedeutung
Bedeutung vvon Kants Begründung
o n Kants Begründung der Ästhetik für
der Ästhetik für die Philosophie der
die Philosophie der
Kunst. Köln
Kunst. Köln 1959. Vgl. besonders
1959. Vgl, besonders S. S. 74
74ff., 81
ff., 8 ff., 182
1 ff., 182 ff.
ff.
10)
u Ebenda S . 779.
E b e n d a S. 9.
11) Ebeuda
11) E b e n d a $.
S. 132
132 f.
18) Vgl.
12) Vgl. uunten
nten$ 132.
S.. 132.
Unten S. 168 f.; vgt.
15) Unten
18) S.168f.; vgl. S.39.
S. 39. Vgl.
Vgl. dazu
dazu Herbert Marcuse, Triebstruktur
Herbert Marcuse, Triebstruktur und und
Gesellschaft, Frankfurt
Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1967,
a. M. 1967, S.S. 177.
177. -‐ Berechtigt
Berechtigt istist Biemels
Biemels Hinweis
Hinweis auf anthro‑
anthro-
pologische Erläuterungen der
pologische Erläuterungen „darstellenden" Einbildungskraft,
der „darstellenden“ Einbildungskraft, S. 82; vgl.
S. 82; vgl. uunten S. 38,
n t e n S. 38,
aber auch
aber auch S. 17, 22.
S. 17, 22. j
Einleitung.
E in le it u n g .
Eine
Eine Untersuchung
Untersuchung der Einbildungekraft bei
der Einbildungskraft bei Kant ist anscheinend
Kant ist anscheinend
eine psychologische.
eine psychologische. Denn Denn das ist doch offenbar
ist doch das erste,
offenbar das erste, was man
was m an
über die
über die Einbildungskraft
Einbildungskraft sagensagen kann, daß sie etwas Psychisches,
kann, daß Psychisches, etwas
irgendwie in der Seele
irgendwie Seele Vorkommendes
Vorkommendes ist. ist. Es
Es wäre dann etwa zu
dann etwa zu
fragen, wie sich
fragen, wie sich Kant
Kant diedie Ansiedlung
Ansiedlung vvon verschiedenen „Kräften“
o n verschiedenen „Kräften"
„Vermögen" „„in"
und „Vermögen“
und Seele vorgestellt,
i n “ der Seele vorgestellt, wie
wie er sich Zustande-
sich das Zustande‑
kommen von
kommen v o n Einbildungsvorstellungen
Einbildungsvorstellungen gedacht habe habe u.
u. dgl.
dgl. Solche
Solche
Untersuchungen
Untersuchungen würden würden dann dann vielleicht Wesentliches
Wesentliches beitragen
beitragen zzur ur
Herausarbeitung der „psychologischen
Herausarbeitung „psychologischen Grundlagen“ Transzen-
Grundlagen" der Transzen‑
dentalphilosophie;
dentalphilosophie; m ihrer Hilfe
miti t ihrer Hilfe würde
würde m mana n Licht tragen in die
Licht tragen die
Dunkelheit
Dunkelheit und und Wirrnis
Wirrnis der transzendentalen Deduktion Deduktion und und der
Schematismuslehre und
Schematismuslehre und würde diese bis
würde diese zu einem
bis zu gewissen Grade
einem gewissen Grade
machen. Man
verständlich" machen.
„historisch verständlich“
„historisch Man würde in der Ta t bei
der Tat bei Kant
Kant
einiges Material
einiges Material zzuru r Beantwortung derartiger Fragen
Beantwortung derartiger Fragen finden,
finden, wwenn
enn
auch nicht
auch gerade viel;
nicht gerade viel; m man könnte es
a n könnte es aber durch Umschau
gewiß durch
aber gewiß Umschau in in
der Philosophie
Philosophie und und Psychologie
Psychologie des des 18.18. Jahrhunderts
Jahrhunderts bedeutend
bedeutend
ergänzen und
ergänzen und durch
durch Nachweis
Nachweis des des vvon Kant selbstverständlich
o n Kant Über-
selbstverständlich Über‑
nommenen manches
nommenen manches unerörtert
unerörtert Gebliebene
Gebliebene verdeutlichen
verdeutlichen '1). Ins-
) . Ins‑
besondere die
besondere die Einbildungskraft
Einbildungskraft hat hat im 18. 18. Jahrhundert wiederholt
Interesse gefunden
Interesse gefunden undund ist ist in mehreren
mehreren ausführlichen Darstellungen
ausführlichen Darstellungen
eerörtert
rörtert w worden.
orden.
Demgegenüber
Demgegenüber ist ist aber zu zu beachten,
beachten, daß daß erstens schon sehr pro‑
erstens schon pro-
blematisch ist, in welchem
blematisch ist, welchem Sinne Sinne Kant
Kant überhaupt ein ein psychologisches
paychologisches
Interesse
Interesse anan der Einbildungskraft gehabt hat,
Einbildungskraft gehabt hat, in welchem SinneSinne vor
vor
allem
allem seine Anthropologie, in der er allenfalls eine
seine Anthropologie, eine Psychologie
Psychologie der
1) Vgl.
1) Vgl. Max
Max Dessoir,
Dessoir, Geschichte der neueren
Geschichte der neueren deutschen Paychologie, 11 Bd.:
deutschen Psychologie, Bd.:
Von Leibniz
Von Leibniz bis Kant, Berlin
bis Kant, 1894.
Berlin 1894.
2 Hermann Mörchen,
Hermann Mörchen, [312]
[312]
Einbildungskraft
Einbildungekraft entwirft, entwirft, als Peychologie bezeichnet
als Psychologie bezeichnet werden werden kann. kann.
Zweitens aber
Zweitens aber hat hat er an an vielen
vielen StellenStellen seine transzendentale
transzendentale Be‑ Be-
trachtung
trachtung unzweideutig
unzweideutig genug genug gegen gegen die die psychologische
paychologische abgegrenzt.abgegrenzt.
Sogerade
So gerade mit m i t Bezug
Bezug auf auf diedie Zusammenhänge,
Zusammenhänge, in denen denen die die Einbildungs‑
Einbildungs-
kraft wesentliche Rolle
kraft eine wesentliche Rolle übernimmt.
übernimmt. Nicht Nicht zwar wird obwohl
man, obwohl
wird man,
es immer
es immer wieder wieder geschieht,
geschieht, ddie ie bekannte
bekannte Äußerung Äußerung in Vorrede zzur
in der Vorrede ur
.1. Auflage der
1 Auflage der K Kr.r. d.d. r. V.‘) V.") in diesem diesem Sinne Sinne verstehen
verstehen dürfen,
dürfen, wo‑ wo-
nach die Deduktion
nach Deduktion der reinen reinen Verstandesbegriffe
Verstandesbegriffe zwei Seiten hat,
zwei Seiten hat,
eine objektive und
eine objektive und eine subjektive: sie
eine subjektive: handle 1.
sie handle o n den
1. vvon den Gegenständen
Gegenständen
reinen Verstandes und
des reinen und solle solle diedie objektive Gültigkeit seiner Begriffe
objektive Gültigkeit Begriffe
a priori
priori dartun dartun und und begreiflich
begreiflich machen; machen; 2. 2. handle
handle sie dem reinen
o n dem
sie vvon reinen
Verstand
Verstand selbst selbst nach nach seiner Möglichkeit und
seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften,
den Erkenntniskräften,
auf
auf denen
denen er
er selbst
selbst beruht,
beruht, wolle
wolle ihn
ihn mithin
mithin in
in subjektiver
subjektiver Beziehung
Beziehung
betrachten. Wenn
betrachten. Wenn Kant Kant sagt,sagt, daß daß diese
diese zweite ErörterungErörterung zwar zwar in An-
in An‑
sehung
sehung seines „Hauptzwecks“ „Hauptzwecks" von v o n großer Wichtigkeit sei, sei, aber doch doch
nicht wesentlich
nicht wesentlich zu zu demselben
demsellen gehöre, gehöre, so kann er das nnur,
so kann u r, weil
weil seinsein
„Hauptzweck" die
„Hauptzweck“ die kritische
kritische Grundlegung
Grundlegung der der Ontologie
Ontologie der Natur ist,
der Natur ist,
für diedie er eine eine Ontologie
Ontologie des des denkenden
denkenden Subjekts letztlich entbehren
Subjekts letztlich entbehren
zu können meint.
zu können meint. Jedenfalls
Jedenfalls handelt handelt die die transzendentale
transzendentale Deduktion, Deduktion,
auch
auch in der zweiten Hinsicht betrachtet,
der zweiten Hinsicht betrachtet, stets v o m stets vom r e i n ee n Verstand,
n Verstand,
und es
und es kann kann daher in dieser Bemerkung Kants nicht von der Ab‑
Bemerkung Kants nicht v o n Ab.
transzendentalen gegenüber der empirischen
grenzung der transzendentalen
grenzung empirischen DeduktionDeduktion
die Rede
die Rede sein, sein, wie wie er sie weiterhin,
er sie weiterhin, und und zzwar w a r auch
auch schonschon in der der
1. Auflage,
1. Auflage, vollzieht:
vollzieht: „„Ich I c h nnenne e n n e daher die die Erklärung
Erklärung der Art, Art, wie
sich Begriffe
sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen
priori auf Gegenstände beziehen können, die ttran- können, die ran‑
s z ee nn dd eenntt aall ee D D ee d u kk tt ii oonn derselben,
derselben, und unterscheide sie
und unterscheide sie vonvon
der e m p i r i s c h eenn Deduktion, Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Be‑
welche die A r t anzeigt, wie ein Be-
griff durch
durch Erfahrung
Erfahrung und und Reflexion
Reflexion über über dieselbe erworben worden,
dieselbe erworben worden,
und daher
und daher nicht nicht die Rechtmäßigkeit, sondern
die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft,
das Faktum betrifft,
wodurch der
wodurch der Besitz
Besitz entsprungen
entsprungen )." Diese empirische,
?).‘“ Diese empirische, d.h. paycho-
d. h. psycho‑
logische Deduktion gehört
logische Deduktion gehört nach Kant nicht nach Kant nicht in den: Rahmen
den Rahmen der K
Kr.r.
d.
d. r. V. V. Freilich
Freilich hat hat m man gewisse Partien
a n gewisse transzendentalen De‑
Partien der transzendentalen De-
duktion in der
duktion der 1. 1. Auflage
Auflage als. als solche paychologische Vorbereitung
solche psychologische Vorbereitung der
e i g e n t l i c h e n transzendentalen
eigentlichen U n t e r s u c h u n g ansehen
t r a n s z e n d e n t a l e n Untersuchung a n s e h e n zu m ü s s e n und
z ü müssen und
dementsprechend
dementsprechend ihre ihre Weglassung
Weglassung aus aus der 2, Auflage als
2. Auflage als einen .Fort‑ Fort.
schritt im Sinne
schritt Sinne von von Kant Kant selbst bezeichnen bezeichnen zu zu sollen geglaubt. Auf
sollen geglaubt.
1) AXVIf.
1) A XVIf. ‐- Die
Die Kr.d.r. V. wird zitiert
. wird
Kr. d. r. V zitiert nach der Ausgabe
nach der o n Raymund
Ausgabe vvon Raymund
Schmidt, Leipzig
Schmidt, Leipzig 1926, Phil. Bibl.
1926, Phil. Bibl. Bd. 37 a, jedoch
Bd. 37a, den Seitenzahlen
m i t den
jedoch mit 2. (B)
der 2.
Seitenzahlen der (B)
b z w . J1.
bzw. &>) Auflage.
. (( A A u fl a g e
2)
2) B117.
B 117.
[313]
[313] Die Einbildungskraft
Die bei Kant.
Einbildungskraft bei Kant. 3
diese Frage
diese Frage wirdwird später
später zurückzukommen
zurückzukommen sein. sein. Hier
Hier handelt
handelt es es sich
sich
n u r darum,
nur darum, daß Kant die
daß Kant die Unabhängigkeit
Unabhängigkeit der der Transzendentalphilo‑
Transzendentalphilo-
sophie
sophie vvon o n allen
allen Feststellungen
Feststellungen der positiven Wissenschaften
der positiven Wissenschaften und und ins‑ing-
besondere Psychologie deutlich
besondere der Psychologie gesehen hat.
deutlich gesehen hat. Kant
Kant unterscheidet
unterscheidet
zwei Möglichkeiten, wie
zwei Möglichkeiten, wie man
man eine empirische Deduktion
etwaige empirische
eine etwaige Deduktion der
Kategorien meinen
Kategorien meinen könnte. Entweder könnte
könnte. Entweder. könnte m man versuchen, das
a n versuchen, das
Prinzip
Prinzip der Möglichkeit
Möglichkeit der reinen Verstandesbegriffe
reinen Verstandesbegriffe in in der Erfahrung
Erfahrung
aufzusuchen; das „würde
aufzusuchen; ;würde ganz vergebliche
vergebliche Arbeit Arbeit sein;
sein; weil
weil eben darin
eben darin
Unterscheidende ihrer
das Unterscheidende
das. ihrer Natur
Natur liegt,
liegt, daß
daß sie sie sich
sich auf Gegenstände.
auf Gegenstände.
beziehen,
beziehen, ohneohne etwas zu deren Vorstellung
zu deren Vorstellung aus der Erfahrung Erfahrung entlehnt
entlehnt
haben" '1). . Suchte
zu haben“
zu Suchte man man aber aber nicht
richt-das Prinzip iihrer
das Prinzip h r e r Möglichkeit,
Möglichkeit,
sondern
sondern ,die„dieGelegenheitsursachen
Gelegenheitsursachen ihrer ihrer Erzeugung“
Erzeugung" in in der Erfahrung,
Erfahrung;
so
so wwürde
ürde m eine psychologische
a n eine
man psychologische DeduktionD e d u k t i o n versuchen.
versuchen. „Ein solches
„Ein solches
Nachspüren
Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von
ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von
einzelnen
einzelnen Wahrnehmungen
Wahrnehmungen zu zu allgemeinen
allgemeinen BegriffenBegriffen zu steigen, hat
zu steigen, hat
ohne
ohne Zweifel
Zweifel seinen großen Nutzen,
seinen großen Nutzen, und und man man hat hat es dem berühmten
es dem berühmten
Locke
Locke zu zu verdanken,
verdanken, daß daß er dazu dazu zuerst
zuerst denden Weg Weg eröffnet hat. Allein
hat. Allein
eine Deduktion
eine reinen Begriffe
D e d u k t i o n der reinen Begriffe a priori priori kommt dadurch nie‑
kommt dadurch nie.
mals zustande, denn
male zustande, denn siesie liegt
liegt ganzganz und
und gar gar nicht
nicht auf diesem
diesem Wege,Wege,
weil in
weil Ansehung ihres
in Ansehung ihres künftigen
künftigen Gebrauchs,
Gebrauchs, der vvon Erfahrung
o n der Erfahrung
gänzlich unabhängig
gänzlich unabhängig sein soll, sie
sein soll, sie einen
einen 'ganz:. anderen Geburtsbrief,
ganz anderen Geburtsbrief,
als
als den
den der Abstammung von
der Abstammung von Erfahrungen,
Erfahrungen, müssen aufzuzeigen haben.
müssen aufzuzeigen haben.
Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht De‑
Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht De-
duktion heißen
duktion kann, weil
heißen kann, weil sie
sie eine quaestionem facti
eine quaestionem betrifft, will
facti betrifft, will ichich
daher die Erklärung des Besitzes
die Erklärung B e s i t z e s einer reinen reinen Erkenntnis nennen.
Erkenntnis nennen.
Es
Es ist also klar,
ist also klar, daß o n diesen
daß vvon allein es
diesen allein eine transzendentale
es eine transzendentale Deduktion
Deduktion
und keineswegs eine
und keineswegs eine empirisc empirische he geben
geben könne
könne und
und daß
daß letztere
letztere An-
in An‑
sehung
sehung der reinenreinen Begriffe nichts als
priori, nichts
Begriffe a priori, als eitele Versuche
Versuche sind,sind,
womit sich
womit sich nnur derjenige beschäftigen
u r derjenige beschäftigen kann, kann, welcher die ganz eigen‑
die ganz eigen-
tümliche Natur
tümliche Natur dieser Erkenntnisse
Erkenntnisse nicht begriffen hat“
nicht begriffen hat"?).2). Mit einer
Mit einer
solchen psychologischen
solchen psychologischen Deduktion,
Deduktion, die
die KKant versucht hat,
niemals versucht.
a n t niemals hat,
hat die von
hat ihm unternommene
von ihm unternommene „subjektive“
„subjektive" nichts
nichts zu
zu ttun ").
u n °).
Ebenso wird
Ebenso auch in dem
wird auch anderen Hauptzusammenhang
dem anderen Hauptzusammenhang bei bei Kant,
Kant,
dem die
in dem die Einbildungekraft der Kritik
auftritt, in der
Einbildungekraft auftritt, e r Urteilskraft,
Kritik d‘der Urteilekraft,
der Psychologie
Paychologie die Kompetenz
Kompetenz abgesprochen,
abgesprochen , in Fragen
Fragen der tran
der tran‑
1)) B
1 B118.118. u 0 . 2 2)) B i118 1 8 ff..
3) Als
3) Ale J.J. W. W. A. A. K Kos osm man a nD n ihm ihm 1789 1789 eine eine psychologische
psychologische Darstellung Darstellung der der
-Apriorität. e r Raumvorsteilung
• A p r i o r i t a t . dder R a u m v o r s t e l l u n g vorlegte, w i e s er
v o r l e g t e , wies e r sie z u r u c k , indem
s i e zurück, i n d e m er: e r scharf
schart
zwischen
z w i s c h e n eeiner i n e r psychologischen
p s v c h o l o g i s c h e n und t r a n s z e n d e n t a l e n Deduktion
u n d transzendentalen u n s e r e r Vor‑
D e d u k t i o n unserer Vo r
stellungen u n t e r s c h i e d und
s t e l l u n g e n unterschied u n d ddie r s t e r e für
i e eerstere s e i n Vorhaben
f ü r sein V o r h a b e n aals u n n ö t i g bezeichnete.
' s unnötig bezeichnete
(Vgl.
(Vgl. den den Briefwechsel,
Briefwechsel, bei bei Cassirer
Cassirer Bd. Bd. II XX, S. S., 437 u. 438.)
m. 438.)
{3141
4. "Hermann Mörchen,
Hermann Mörchen, [314]
szendentalen
azendentalen Untersuchung mitzureden, obwohl
Untersuchung mitzureden, obwohl Kant Kant dort gelegent‑ gelegent-
lich selbst
lich selbst eine psychologische Erörterung
eine psychologische versucht '1).) . So
Erörterung versucht heißt es
So heißt es im
Anschluß an
Anschluß längeren Exkurs
einen längeren
an einen Exkurs über die psychologische") Ex‑
die psychologische”) Ex-
position
position der ästhetischen Urteile Burke,
ästhetischen Urteile von Burke, daß dem Geschmacks-
v o n daß dem Geschmacks‑
urteil irgendein
urteil irgendein (es objektives oder subjektives)
sei objektives
(es sei subjektives) PrinzipPrinzip a priori priori
zum Grunde
zum Grunde liegen
liegen müsse,
müsse, „„zu z u welchem
welchem m man durch Aufspähung
a n durch Aufspähung empi‑ empi-
rischer
rischer Gesetze
Gesetze der der Gemütsveränderungen
Gemütsveränderungen niemals niemals gelangen
gelangen kann* kann“ "’).) .
Mit
Mit Beziehung
Beziehung auf die Einbildungskraft wird
die Einbildungskraft wird uns uns diesediese Ab‑ Ab-
grenzung der Transzendentalphilosophie gegen die Peychologie unten
grenzung der Transzendentalphilosophie gegen die Psychologie unten
begegnen in der Unterscheidung
wieder begegnen Unterscheidung der produktiven produktiven vvon o n der
reproduktiven Einbildungskraft in der K
reproduktiven Einbildungskraft Kr.r. d.
d. r. V.
V. Damit
Damit meint meint Kant Kant
im Grunde
Grunde nicht zwei verschiedene
nicht zwei verschiedene Vermögen,
Vermögen, die neben- oder durch‑
die neben- durch-
einander i n der
e i n a n d e r in Seele vorkommen,
d e r Seele v o r k o m m e n , sondern r e p r o d u k t i v e Ein‑
die reproduktive
s o n d e r n die Ein-
bildungekraft, die
bildungskraft, allein Gegenstand
die allein Gegenstand der Psychologie Psychologie werden werden kann, kann,
setzt die
setzt die produktive
produktive als als ihre transzendentale Bedingung
ihre transzendentale Bedingung voraus. voraus. Nur Nur
auf letzterer ruht
auf Kants eigentliches Interesse,
ruht Kants Interesse, und und sie muß muß darum darum
auch ins
auch ins ZentrumZentrum dieser Untersuchung
Untersuchung gerückt werden.
werden.
Dadurch
Dadurch ergibt sich aber eine
ergibt sich eine eigentümliche Schwierigkeit, die
eigentümliche Schwierigkeit,
der Frage
der Frage nach nach der Einbildungskraft
Einbildungskraft bei bei KantKant vvon vornherein an‑
o n vornherein an•
hängt, und
hängt, und die
die es nicht zu
es nicht zu beseitigen,
beseitigen, sondern
sondern zu zu sehen
sehen gilt.
gilt. Wäre
Wäre diesediese
Frage als
Frage als ppeychologische
s y c h o l o g i s c h e gemeint,
gemeint, danndann wäre ihre ihre Möglichkeit
Möglichkeit
ohne weiteres
ohne weiteres einsichtig.
einsichtig. So So etwas
etwas wie wie Einbildungen
Einbildungen gibt es eben
gibt es eben
faktisch, und
faktisch, und so
so können
können sie sie auch
auch Thema einer einer positiven Untersuchung
positiven Untersuchung
werden.
werden. Nun Nun aber
aber wird
wird nach transzendentalen, d.h.
nach der transzendentalen, d. h. nach
nach dderer
philosophischen
philosophischen Bedeutung
Bedeutung der Einbildungskraft gefragt.
der Einbildungskraft gefragt. Wie
Wie kommt
kommt
denn die
denn die Einbildungskraft
Einbildungskraft in die Philosophie?
in die Philosophie? Die Die Philosophie
Philosophie hathat
doch nicht
doch nicht derlei
derlei psychische
psychische Gegebenheiten
Gegebenheiten zu zu ihrem Gegenstand! In
ihrem Gegenstand!
der Tat ist ist die Frage nach
die Frage Einbildungskraft bei
nach der Einbildungskraft Kant zunächst
bei Kant zunächst
eine Verlegenheitsfrage.
eine Verlegenheitsfrage. Denn Denn sie sie ergibt sich in dieser
ergibt sich dieser Form
Form weder
weder
aus systematisch-philosophischen Problemstellung,
aus einer systematisch-philosophischen Problemstellung, abgesehen
abgesehen vvonon
Kant,
Kant, noch aus der
noch aus Kantschen Problematik
der Kantschen Problematik selbst, wenn
selbst, wenigstens wenn
sie nicht
m aann sie schon über
nicht schon über Kant K a n t hinaus entwickeln will.
hinaus entwickeln will. Die
Die Ein‑
Ein-
bildungskraft
bildungekraft wirdwird in der K r. d. r. V. eingeführt, um eine
Kr. d. V. eingeführt, um eine Vermittlung Vermittlung
zwischen
zwischen den den beiden Stämmen der Erkenntnis,
beiden Stämmen Erkenntnis, Sinnlichkeit und Ver‑
Sinnlichkeit und Ver-
stand, Rezeptivität und
stand, Rezeptivität und Spontaneität
Spontaneität zu schaffen. Aber
zu schaffen. was garantiert
Aber was garantiert
denn
denn diesen
diesen vvon Kant nicht
o n Kant begründeten Ansatz
nicht weiter begründeten Ansatz der beiden
beiden
Erkenntnisstämme? I s t ihre
Erkenntnisstämme? Ist ihre Einheit nicht Einheit nicht vielleicht eine ursprüng-
eine ursprüng‑
Vgl. 817,
1) Vgl.
1) $17, S.75f.
S. 75 f. ‐- Die
Die KKr.r. d.
d. U.
U. wird
wird zitiert
zitiert nach
nach der Ausgabe vvon
der Ausgabe on
K. Vorländer, Aufl., Leipzig
Vorländer, 66.. Aufl., 1924, Phil.
Leipzig 1924, Phil. Bibl.
Bibl. Bd.
Bd. 39.
39.
2) In der 2.
2) 3. Aufl.:
u. 3.
2. u. Aafl.: „physiologische“.
»physiologische"
3)
3) 8.127;
S. 127; vgl. S. 19; 9.81;
vgl. 3.19; S. 81; S.112
8. 112 f.
[315]
[315] Einbildungskraft bei
Die Einbildungskraft
Die Kant.
bei Kant. 5
3) A 120 Anm.
1) A120 Anm.
6 Hermann Mörchen, [316]
F r o h s c hh aa m mm dessen Philosophie
meerr,, dessen Philosophie der der Phantasie
Phantasie eineeine zen‑ zen-
Stellung einräumt’),
trale Stellung einräumt'), beschränkt
beschränkt sich sich innerhalb
innerhalb einer allgemeinen
allgemeinen
Charakteristik der der Hauptprobleme
Hauptprobleme Kants Kants im im wesentlichen
wesentlichen darauf,darauf, die
Bedeutung der Einbildungskraft
Bedeutung Einbildungskraft rein formal hervorzuheben.
rein formal hervorzuheben. Ein Ein Ein‑Ein-
gehen auf
gehen auf seine Schrift würde nicht
seine Schrift nicht sowohl
sowohl der Interpretation
Interpretation Kants Kants
als
als der der Auseinandersetzung
Auseinandersetzung m miti t Frohschammers
Frohschammers eigenem eigenem System System
Bemerkenswert ist,
dienen. Bemerkenswert
dienen. daß Frohschammer
ist, daß Frohschammer den den Versuch
Versuch macht,macht,
Unzuträglichkeiten
Unzuträglichkeiten innerhalb innerhalb der transzendentalen
transzendentalen Dialektik Dialektik und und der
praktischen Philosophie
praktischen Philosophie auf das Fehlen Fehlen des BegriffsBegriffe der Einbildungs‑
Einbildungs-
kraft
k r a f t zurückzuführen.
zurückzuführen.
Auch
Auch die Arbeit vvon
die Arbeit on S S cc hhmmii dd tt will
will offenbar nnur ein knappes
u r ein knappes
Referat
Referat über über die die faktischen Aufstellungen Kants
faktischen Aufstellungen Kants und einige Hinweise
und einige Hinweise
auf die Philosophie des Als-Ob geben.
die Philosophie geben. Seine Seine übersichtliche
übersichtliche Darstellung
Darstellung
der Kantschen Verarbeitung
der Kantschen Verarbeitung der BaumgartenschenBaumgartenschen Vermögenslehre
Vermögenslehre
gibt ein ein deutliches Bild Bild vvon der Radikalisierung
o n der Radikalisierung des des philosophischen
philosophischen
Fragens
Fragens bei bei Kant, selbst in seinen
Kant, selbst seinen bloß anthropologischen Unter‑
bloß anthropologischen Unter-
auchungen. Er findet den
suchungen. den treffenden
treffenden Ausdruck,
Ausdruck, daß daß die Einbildungs-
die Einbildungs‑
kraft bei
kraft bei Kant
Kant „zur (wenn auch
„ z u r (wenn ungekrönten) Königin
auch ungekrönten) Königin der Vermögen“
Vermögen"
wird?);
wird?); doch doch verträgt sich damit anscheinend
sich damit durchaus, daß sie
anscheinend durchaus, sie letzt‑
letzt-
lich doch
lich doch m miti t dem Verstande identisch
dem Verstande identisch ist: ist: Kant
Kant habe habe diese Identifi.
diese Identifi‑
kation zzwar
kation nie vollzogen,
w a r nie vollzogen, doch bewege er
doch bewege sich in dieser
er sich dieser Richtung’).
Richtung®).
Die „ U r k r a f t der
Die „Urkraft Seele selbst“,
der Seele selbst", die die „„irai m Aschenbrödelgewande
Aschenbrödelgewande einer einer
schlechten ‚Einbildungskraft‘ einhergeht“,
schlechten ‚Einbildungskraft' einhergeht", wird einseitig als „schöpfe- wird einseitig als „schöpfe‑
risches
risches Prinzip“,
Prinzip", als als „der letzte bewegende Faktor
letzte bewegende Seele", ja
unserer Seele“,
Faktor unserer ja
„diese Seele
„diese Seele selbst selbst in ihrer nackten
ihrer nackten Spontaneität' • ) verstanden. In-‑
Spontaneität“°) verstanden. I n
folgedessen wird
folgedessen wird das das spezifische
spezifische Problem,
Problem, das das durch Einbildungs-
durch die Einbildungs‑
kraft
kraft aufgegeben
aufgegeben ist, ist, ü b e r h aa uu pp tt n i c hh tt g e e ss eehheenn.. In der Dar‑ Dar-
stellung der Funktion
stellung Funktion der Einbildungskraft
Einbildungskraft in der KKritik r i t i k der
ästhetischen Urteilskraft
ästhetischen Urteilskraft betont Schmidt die die Selbständigkeit der Ein‑ Ein-
bildungskraft gegenüber
bildungskraft Verstand und
gegenüber Verstand und Vernunft,
Vernunft, doch doch wirdwird das Ver‑ Ver-
ständnis Einbildungskraft als
ständnis der Einbildungskraft „,Inbegriff aller seelischen
als „Inbegriff seelischen Spon‑ Spon-
taneität" •) festgehalten.
taneität““°) festgehalten. Die Die Kr.K r. d. d. U.U. schildert
schildert nnur u r „gewissermaßen
„gewissermaßen
die Gefühlsseite der transzendentalen
die Gefühlsseite transzendentalen Synthesis“ Synthesis'"); ’ ) ; die
die Eigentümlich‑
Eigentümlich-
keit
keit der Objektivierung
Objektivierung des des „schönen Gegenstandes" wird
„schönen Gegenstandes“ wird gar nicht nicht
u m Problem
zzum Problem gemacht.gemacht. SchmidtSchmidt versteht die die Aufgabe
Aufgabe seiner seiner Unter‑
Unter-
suchung
suchung als
als eine
eine psychologisch-erkenntnistheoretische.
psychologisch-erkenntnistheoretische. Zwar sucht er
eine „Transzendentalpsychologie“‘
eine „Transzendentalpsychologie" vvon der empirischen
o n der Psychologie
empirischen Psychologie
Die Phantasie
1) Die
1) Phantasie als
als Grundprinzip
Grundprinzip des Weltprozesses,
Weltprozesses, München
München 1877. 1877.
S. 20.
2) 3. 20. S. 2 6 - 2 8 .
3) $S.26‐28. 4) S. 14.
S. 14.
5)) S.
5 16.
$ . 16. . 6) S. 40 u
6 ) S.40 41.
w.. 4 l. 77)) S
S. . 41.
4l.
[319] Die Einbildungskraft bei Kant. 9
abzugrenzen und mit Hilfe dieses Begriffs die Methode der „subjek‑
tiven Deduktion‘“ zu umschreiben; doch bleibt diese Unterscheidung
undeutlich und hat keine Konsequenzen f ü r die A r t und Weise
der Problembehandlung. A u f Einzelnes wird später Bezug zu
nehmen sein. *
1. Abschnitt.
Kants anthropologische Erörterungen
der Einbildungskraft.
Am ausführlichsten hat Kant über die Einbildungskraft gehandelt
in seiner Anthropologie, die er v o n 1772/73 bis 1795/96 in jedem
Winter vierstündig gelesen und u n t e r dem Titel „Anthropologie in
pragmatischer Hinsicht“ 1798 in Buchform veröffentlicht hat‘).
Nachschriften v o n Anthropologievorlesungen sind herausgegeben
v o n F r. Ch. Starke’) und v o n A. Kowalewski°®). Ferner sind zahl‑
reiche Aufzeichnungen Kants z u r Anthropologie erhalten und v o n
Erdmann und
B. Erdmann und in in der Akademie-Ausgabe vvon
der Akademie-Ausgabe o n Kants Schriften
Kants Schriften
veröffentlicht’).
veröffentlicht ").
Denselben Stoff
Denselben Stoff hat hat KantKant in in kürzerer
kürzerer FassungFassung auch auch in seinenseinen
Vorlesungen über
Vorlesungen Metaphysik abgehandelt.
über Metaphysik abgehandelt. Kant Kant teilte
teilte diedie Metaphysik
Metaphysik
traditioneller Weise
in traditioneller Weise ein ein in die allgemeine Metaphysik
die allgemeine Metaphysik oder oder Ö Onto-
nto‑
logie
logie undund die
die spezielle
spezielle Metaphysik,
Metaphysik, die die in Kosmologie,
Kosmologie, Psychologie
Psychologie
und Theologie zerfällt.
und Theologie zerfällt. Psychologie
Psychologie ist ist hier
hier eigentlich
eigentlich nnur rationale,
u r rationale,
empirische Psychologie;
nicht empirische
nicht Psychologie; daß daß die die letztere
letztere doch doch in die die Meta‑
Meta-
hineingeraten ist,
physik hineingeraten
physik ist, hat
hat nach
nach Kant Kant seinen Grund erstens
seinen Grund erstens in der der
Unklarheit
Unklarheit des Begriffes der
des Begriffes der Metaphysik,
Metaphysik, die die den prinzipiellen Unter‑
den prinzipiellen Unter-
achied beider Disziplinen habe
schied beider Disziplinen habe übersehen lassen, zweitensübersehen lassen, zweitens in dem
dem
Umfang der seitherigen
geringen Umfang
geringen seitherigen Psychologie.
Psychologie. Da Da diedie empirische
empirische
‚Psychologie
.Peychologie noch noch nichtnicht das Gewicht Gewicht einer selbständigen Wissenschaft
einer selbständigen Wissenschaft
besitze,
besitze, m man sie aber
a n sie aber doch doch nicht nicht gänzlich
gänzlich habe habe fallen lassen wollen,
fallen lassen wollen,
habe m
habe man sie m
a n sie der rationalen
miti t der rationalen zusammen zusammen abgehandelt.
abgehandelt. Diesem Diesem
Gebrauch schließt
Gebrauch schließt sich sich Kant
Kant an?). an '). Nachschriften
Nachschriften vvon Vorlesungen
o n Vorlesungen
über Metaphysik
über Metaphysik sind sind herausgegeben
herausgegeben vvon Pölitz) und
o n Pölitz’) und in der schon schon
genannten Sammlung vvon
genannten Sammlung Kollegheften des Grafen
o n Kollegheften Grafen Dohna. Dohna. Das Das
Metaphysikheft ist
Dohnasche Metaphysikheft
Dohnasche ist im im Winter 1792/93 1792/93 nachgeschrieben;
nachgeschrieben;
die Ausgabe von Pölitz dagegen ist eine Kompilation aus
die Ausgabe v o n Pölitz dagegen ist eine Kompilation aus zwei
zwei Heften,
Heften,
o n denen
vvon Untersuchungen Erdmanns‘)
nach Untersuchungen
denen nach Erdmanns') nnur u r das jüngere eine eine
Nachschrift aus den 90er Jahren ist; das ältere a m m t aus
Nachschrift aus den 9 0 e r J a h r e n ist; das ältere s t a m m t aus der ersten
ersten
Hälfte
Hälfte derder 70er Jahre (ca. (ca. 1774)
1774) und und hat Pölitz nicht
hat Pölitz nicht nnur u r die ganze
die ganze
spezielle
spezielle Metaphysik,
Metaphysik, sondern sondern auch auch einigeeinige Partien
Partien der der Ontologie
Ontologie ge‑ ge-
liefert. Die
liefert. Die Ergebnisse
Ergebnisse ErdmannsErdmanns werden werden etwasetwas korrigiert durch durch MaxMax
Heinze), der die
Heinze’), die zur Pölitzschen Metaphysi
zur Pölitzschen Metaphysik stimmenden Manu‑
k stimmenden Manu-
skripte zwischen Winter 1775/76
zwischen Winter 1775/76 und und Winter 1779/80 ansetzt.
Winter 1779/80 ansetzt.
Daß Kant
Daß Kant in der der Lehre
Lehre von von den Seelenvermögen und
einzelnen Seelenvermögen
den einzelnen und
Definitionen durch
ihren Definitionen
in ihren durch Wolff Wo l f f und und Baumgarten.
B a u m g a r t e n bestimmt
bestimmt
1) Reflexionen Kants
1) Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie, 2 Bände,
kritischen Philosophie, Bände, LeipzigLeipzig 1882 1882 undund
1 8 8 4 . 1.
1894. Bd.:
1. B R e fl e x i o n e n z uurr Anthropologie.
d . : Reflexionen A n t h r o p o l o g i e . ‐- K a n t s gesammelte
Kants g e s a m m e l t e Schriften,
S c h r i f t e n , hrsg.
hrsg.
v.
v. d.d. (Kgl.) Preuß. Akad.
(Kgl.) Preuß. Akad. d. d. Wiss,,
Wiss., 3. 3. Abt.:
Abt.: KantsKants handschriftlicher
handschriftlicher Nachlaß, Nachlaß, Bd. Bd. III:
I:
A n t h r o p o l o g i e . Berlin
Anthropologie. B e r l i n1913.
1913. ‐- L i n z e l n e s tfindet
Einzelnes s i c h auch
i n d e t sich a u c h bei:b e i R. R e i c k e , Lose
R . Reicke, 208€
Blätter aus
Blätter aus Kants
Kants Nachlaß,
Nachlaß, Königsberg
Königsberg 1889‐98,1889-98, 3 Hefte. Hefte.
2) Vgl. in
2) Vgl. in der
der gleich
gleich zu nennenden Ausgabe
zu nennenden Ausgabe der Metaphysik Metaphysik von.Pölitz von Pölitz S. S. 19;
19;
128--130; ferner K
S. 128‐130;
$. Kr.r. d. d. r. V.
V. B B8 8767 £. f.6
3) Immanuel
Immanuel Kants Kants Vorlesungen
Vorleaungen über über die Metaphysik, Erfurt
die Metaphysik, Erfurt 1821, 1821, anonym.
anonym.
) Eine
44) u n b e a c h t e t gebliebene
D i n e unbeachtet gebliebene O Quelle E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e Kants,
u e l l e z uur r.. Entwicklungsgeschichte Kants.
Philos. Monatshefte
Philos. Monatsbefte XIX, XIX, 1883, 1883, S.S. 129-144.
129--144.
5) Vorlesungen
Vorlesungen Kants Kants über über Metaphysik
Metaphysik aus aus drei
drei Semestern.
Semestern. Abh. Abh. d. d. kgl.
kgl.
süchs.
sächs. Ges. Ges. d. d. Wiss., philol.-bist. Kl.,
Wies, philol.-hist. Kl., Bd. Bd. 14, 14, Nr. Nr. 6. Leipzig 1894.
6. Leipzig 1894. $..481‐728.
S. 481-728.
V g l . bes.
Vgl. b e s . s$.. 516
3 1 6 f.
t.
[321]
[321] Die Einbildungskraft
Die bei Kant.
Einbildungekraft bei Kant. 11
11
ist, liegt
ist, liegt am
am Tage.
Tage. Doch
Doch tritt
tritt bei
bei ihm
ihm das empirisch-psychologische
empirisch-psychologische
Interesse, im Vergleich
Interesse, Vergleich mit seinen Vorläufern,
m i t seinen Vorläufern, bedeutend
bedeutend zurück;
zurück;
dafür kommt
kommt das systematische stärker zzur
das systematische Geltung, vvor
u r Geltung, allem in dem
o r allem dem
Versuch, dem Titel
n t e r dem
Versuch, uunter Einbildungskraft zahlreiche
Titel der Einbildungskraft zahlreiche Vermögen
Vermögen
zu begreifen,
zu begreifen, die bei
bei Wolff und Baumgarten
und Baumgarten nur n u r nebeneinander auf‑
auf.
gezählt werden').
werden '). Die Die wesentlichen Aufstellungen Wolffs und
wesentlichen Aufstellungen Baum-
und Baum‑
gartens,
gartens, aufauf diedie wir
wir am
am geeigneten Ort Bezug
geeigneten Ort Bezug zu nehmen haben,
zu nehmen haben,
finden
finden sich ersteren Metaphysik
sich in des ersteren Metaphysik"),?), in seiner Psychologia
Psychologia em‑
em-
pirica ?)
pirica und in Baumgartens
') und Metaphysica ‘).
Baumgartens Metaphysica ").
Wir legen
legen zunächst KantsKants eigene
eigene Ausgabe, die „Anthropologie
Ausgabe, die „Anthropologie m in
i
pragmatischer Hinsicht“, zugrunde und ziehen übrige Material
Hinsicht*, zugrunde und ziehen das übrige Material miti t
das m
heran. Die
heran. Die Abweichungen
Abweichungen sind sind hauptsächlich rein terminologischer
hauptsächlich rein
Art. Bei
Art. Besprechung der einzelnen
Bei der Besprechung einzelnen Betätigungsweisen
Betätigungsweisen der Ein‑Ein-
bildungskraft werden
bildungskraft werden wir der Pölitzschen
Pölitzschen Metaphysik folgen.
Metaphysik folgen.
1.Einbildungskraft
1. E i n b i l d u n g s k r a f t u nn dd S i n nnll i c hhkkeeiitt..
Kant
Kant teilt seine seine Anthropologie
Anthropologie ein ein in die die anthropologische
anthropologische
Didaktik und
Didaktik und die die anthropologische
anthropologische Charakteristik.
Charakteristik. Die Die Didaktik ent-
Didaktik ent‑
hält die Lehre von den Seelenvermögen,
hält die Lehre v o n den Seelenvermögen, deren Kant drei Grund‑ deren Kant drei Grund-
arten
a kennt: 1.
r t e n kennt: das Erkenntnisvermögen,
1. das Erkenntnisvermögen, 2. Gefühl der Lust
das Gefühl
2. das Lust und
und
Unlust, 3.
Unlust, 3. das Begehrungsvermögen. Kant
das Begehrungsvermögen. Kant stellt
stellt auch, bestimmt durch
auch, bestimmt durch
Tradition der
ddiiee Tradition Leibniz-Wolffschen Schule°),
der Leibniz-Wolffschen Schule *), die die Frage,
Frage, ob diese
ob diese
verschiedenen
verschiedenen Vermögen vielleicht alle
Vermögen vielleicht alle ausaus einer Grundkraft
Grundkraft abzu‑abzu-
leiten seien;
leiten seien; er verneint aber Möglichkeit
die Möglichkeit ihrer Beantwortung.
die ihrer Beantwortung.
Man
Man kann, kann, so argumentiert er,
so argumentiert er, nicht
nicht m miti t Wolff eine Grundkraft, die
eine Grundkraft, die
Seele selbst als
Seele selbst universi, annehmen;
repraesentativa universi,
als vis repraesentativa annehmen; denn denn die
Seele
Seele darf nicht als
darf nicht als Kraft
Kraft definiert werden,
werden, weil weil sie den Grund
sie den Grund der
wirklichen
wirklichen Vorstellungen
Vorstellungen in sich enthält. Kraft
sich enthält. Kraft aber
aber ist nicht dieser
ist nicht dieser
Grund,
Grund, sondern respectus der Substanz
sondern der respectus Substanz zum zum Akzidens,
Akzidens, sofern
sofern in
der Substanz
der Substanz der Grund wirklichen Vorstellungen
Grund der wirklichen Vorstellungen enthalten ist.
enthalten ist.
Die
Die Kraft ist also,
Kraft ist Kant besonders
also, was Kant besonders betont, nicht selbst
betont, nicht selbst das Prinzip,
Prinzip,
sondern ein
sondern nur ein respectus.
n u r respectus. „Wer also
also sagt: anima est vis, der be‑
sagt: anima est vis, be-
hauptet, daß
hauptet, daß die die Seele keine besondere
Seele keine besondere Substanz
Substanz sei,sei, sondern
sondern nnur ur
eine Kraft,
eine Kraft, also ein Phänomenon
also ein Phänomenon und und Akzidens.“
Akzidens." Kant Kant führt dann dann
ein Beispiel an:
ein Beispiel wir können
an: wir können zwar
zwar das Gedächtnis
Gedächtnis vvon ursprüng-
einem ursprüng‑
o n einem
1) Vgl.
1) Vgl. Raymund
Raymund Schmidt,
Schmidt, a. .a a.
.a O0.
O. $. 5-16.
S. 5‐16.
2)
2) Vernünfftige Gedancken vvon
Vernünftige Gedanken Gott, der Welt
o n Gott, Welt und der Seele
und der Seele des Menschen,
des Menschen,
F r a n k f uund
Frankfurt r t Leipzig
und 1729, 5
Leipzig 1729, §§8229
229 £ f. . und
und §$ 821.
821.
3) Frankfurt
3) Frankfurt und und Leipzig
Leipzig 1732,
1732, $$ §$ 91‐233.
91-233.
4) 7.
4) Ausg., Halle
7. Ausg., Halle 1779,
1779, $$§ 557‐571,
557-571, 579‐605 und 610-623.
579--605 und 610--623.
5) Vgl.
5) Vgl. Neukirchen, a. a.
Neukirchen, a. O. S.
a. 0. S. 3131 ff.
ff.
12
12 Hermann Mörchen,
Hermano Mörchen, [322]
[322]
licheren Vermögen,
licheren Vermögen, der derImagination,
Imagination, ableiten,ableiten, denn denn es ist nichts
es ist anderes
nichts anderes
als eine Imagination
als eine Imagination vergangener Dinge; Dinge; die Imagination
Imagination selbst aber
können wir nicht
können w eiter herleiten.
nicht weiter herleiten. Sie Sie istist demnach
d e m n a c h eine Grundkraft.
eine Grundkraft.
Ebenso führt die
Ebenso die Vernunft
Vernunft auf den den Verstand
Verstand zurück. zurück. Wir müssen
Wir müssen
also verschiedene
also Grundkräfte annehmen;
verschiedene Grundkräfte annehmen; „denn „denn w were r wollte sichsich
bemühen, den
wohl bemühen,
wohl Verstand aus
den Verstand aus den herzule
Sinnen herzuleiten?‘“')
den Sinnen iten?"1 )
Dieser Gedankengang ist für unsere Untersuchung
Dieser Gedankengang ist für unsere Untersuchung insofern insofern
wichtig, als
wichtig, als er die Verankerung
er die Verankerung auch auch der scheinbar rein rein psycho‑
psycho-
Erörterungen der Anthropologie in den
logischen Erörterungen
logischen den ontologischen
ontologischen
Problemen verdeutlicht.
Problemen verdeutlicht. Die Die für die positive Seelenforschung schein‑
positive Seelenforschung schein-
bar selbstverständlich Scheidung dereinzelnen
vorgegebene Scheidung
selbstverständlich vorgegebene einzelnen psychischen
paychischen
Phänomene gründet in der Unbestimmtheit
Phänomene Unbestimmtheit dessen, dessen, was ihnen allen
ihnen allen
als „Seele" zugrundeliegt.
als „Seele“ zugrundeliegt. Diese Diese Unbestimmtheit
Unbestimmtheit macht macht es es unmög-.
unmög-.
lich, nach
lich, nach demdem einheitlichen Zusammenhang des nicht
einheitlichen Zusammenhang Ableit-
nicht weiter Ableit‑
baren zu
baren zu fragen.
fragen. Die Die Seele
Seele wird wird vvon vornherein als Substanz,
o n vornherein Substanz, d. h.
d.h.
als s Naturhaftes,
a l s ee t w a s Naturhaftes. V Vorhandenes
o r h a n d e n e s im w e i t e s t e n Sinne
i m weitesten S i n n e verstanden.
verstanden.
Eine
Eine in in der
der vvon eingeschlagenen Richtung
Kant eingeschlagenen
o n Kant weitergehende Unter‑
Richtung weitergehende Unter-
suchung
suchung des Phänomens Phänomens der Einbildungskraft muß
der Einbildungskraft diesen Ansatz
muß diesen
problematisch machen.
problematisch machen. DennDenn sie muß
sie muß auf die Frage nach der Einheit
die Frage nach Einheit
des Erkennens,
des Erkennens, des des anschauenden
anschauenden und und denkenden
denkenden Subjekts, Subjekts, und und
weiterhin des theoretisch
weiterhin des theoretisch erkennenden und deserkennenden und des in der
der Welt des
des
Schönen lebenden
Schönen lebenden Subjekts führen, die
Subjekts führen, die nnur durch eine
u r durch ontologische
eine ontologische
Analyse dessen,
Analyse dessen, was wir m miti t Subjekt und und Seele meinen, beantwortet
Seele meinen, beantwortet
werden
werden kann. kann. Die Die Einbildungskraft
Einbildungskraft selbst in ihrer ihrer Beziehung
Beziehung zzum um
Phänomen der
Phänomen der Z e ii tt enthält
enthält eineneinen Hinweis
Hinweis in dieser dieser Richtung.
Richtung.
Die Einbildungskraft wird
Die Einbildungskraft wird im erstenersten Buch Buch der der anthropologischen
anthropologischen
Didaktik, das die
Didaktik, die Lehre
Lehre vvom o m E r k e nn t nis v er m ög e enn enthält,
enthält, ab‑
ab-
gehandelt. Das
gehandelt. Das Erkenntnisvermögen
Erkenntnisvermögen wird wird vvon Kant in das
o n Kant das h han-
an‑
delnde
d e l n d e und und das lleidende
e i d e n d e „Vermögen“
„Vermögen" eingeteilt.eingeteilt. Der Der Ausdruck
Ausdruck
„„Vermögen"
V e r m ö g e n “ (facultas)
(facultas) ist ist eigentlich
eigentlich nnur auf das
u r auf das Gemüt, insofern
Gemüt, insofern
es handelt, anzuwenden; insofern
es handelt, anzuwenden; insofern es leidet, besteht es es leidet, besteht es in E m p fäng‑
Empfäng-
ll ii c h k eeiitt (receptivitas). Beide Zustände
(receptivitas). Beide Zustände des Gemüts sind
des Gemüts sind notwendig,
notwendig,
damit Erkenntnis zustandekommen kann.
Erkenntnis zustandekommen kann. Die Möglichkeit, Erkennt‑
Die Möglichkeit, Erkennt-
nis zu
nis zu haben,
haben, heißt
heißt Erkenntnisvermögen
Erkenntnisvermögen und und führt ihren ihren Namen
Namen vv oo nn
dem vornehmeren Teil,
dem Teil, nämlich
nämlich von v o n der Tätigkeit des Gemüts, Vor‑
des Gemüts, Vor-
stellungen zu
stellungen zu verbinden
verbinden und und voneinander
voneinander zu zu sondern’).
sondern ").
1) Metaph., hreg.
1) Metaph., v. Pölitz,
breg. v. 8.. 192‐195.
Pölitz, S 192-195. Vgl. auch K
Vgl. auch Kr.r. d.
d. r.r. V. 676- 678;
V. BB 676-678;
Über
Ü den Gebrauch
b e r den teleologischer Prinzipien
Gebrauch teleologischer Prinzipien iin der Philosophie,
n der 1788, Cassirer
Philosophie, 1788, Cassirer
Bd.
Bd. IIV, 511-513.
V, 511-513.
2)
2) Anthrop.
Anthrop. §$ 7,
7, 8.
S. 29,
29.
[323]
[323] Die Einbildungskraft
Die bei Kant.
Einbildungskraft bei Kant. 13
13
Das Erkenntnisvermögen,
Das Erkenntnisvermögen, sofern es leidend
sofern es ist, d.h.
leidend ist, o n seinen
d. h. vvon seinen
Gegenständen a f fi z ii ee r t wird,
Gegenständen heißt sinnliches Erkenntnisvermögen
wird, heißt Erkenntnisvermögen
oder S i n nn ll i c hh kk eeiitt;; sofern
sofern eess tätig ist, ist, d.h. heißt es
d.h. d e nn kk tt ,, heißt es
intellektuelles Erkenntnisvermögen
intellektuelles Erkenntnisvermögen oder Ve
Ve r s t a n d . Sinnlichkeit
a n d . Sinnlichkeit
und Verstand
und Verstand sind sind also also als
als P aa ssssiivvii tt äätt und streng
und S p o n t a nn eeii t ää tt streng
unterschieden '1). . Die
unterschieden Die Sinnlichkeit
Sinnlichkeit liefert liefert AAnnsscc hh aa u u n g eenn und und
erfaßt das
erfaßt das E i n z e l n e ,
e l e , der der Verstand durch seine
durch seine B e g r i f f e dagegen
r i f e dagegen
erkennt das Allgemeine
erkennt Allgemeine oder die R e ggeell'’)).. Kant Kant übernimmt
übernimmt die die
traditionelle Einschätzung
traditionelle Einschätzung des Verstandes als
des Verstandes des vornehmeren
als des vornehmeren und und
o b e r e n “ Erkenntnisvermögens
„„oberen" gegenüber
Erkenntnisvermögens gegenüber der Sinnlichkeit ale demder Sinnlichkeit als dem
„„unteren". Doch betont
u n t e r e n “ . Doch betont erer gegen
gegen die die Leibniz-Wolffsche
Leibniz-Wolffsche Schule Schule denden
selbständigen und
selbständigen positiven Charakter der Sinnlichkeit?)
und positiven Sinnlichkeit%) und und bringt
bringt
eine ausführliche „Apologie für die Sinnlichkeit“
eine ausführliche „Apologie für die Sinnlichkeit" gegen ihre mannig- gegen ihre mannig‑
fachen Ankläger ‘). ").
Schon hier
Schon m a g auf
h i e r mag die berühmte
auf die Stelle am
b e r ü h m t e Stelle am Schluß
Schluß der der Ein‑
Ein-
leitung
leitung der der K Kr.r. d.d. r. V. V. hingewiesen
hingewiesen sein, sein, wowo Kant meint, daß di
Kant meint, e
die
„zwei
„Zwei Stämme
Stämme der
der menschlichen
menschlichen Erkenntnis",
Erkenntnis“, Sinnlichkeit
Sinnlichkeit und
und Ver
Ver‑
stand, „vielleicht
stand, „vielleicht aus aus einer gemeinschaftlichen,
gemeinschaftlichen, aber aber uuns n s unbekannten
unbekannten
Wurzel entapringen"
Wurzel entspringen“), %,) ohne
ohne dies
dies Problem
Problem weiter zu zu erörtern
erörtern °). *).
das Prinzip
War das
War Prinzip der der Einteilung
Einteilung des Erkennntnisvermögens
Erkenntnisvermögens über‑ über-
haupt die
haupt die Unterscheidung
Unterscheidung vvon o n Rezeptivität
Rezeptivität und und Spontaneität,
Spontaneität, so ist
so ist
u n bei
nnun bei der Einteilung
Einteilung der Sinnlichkeit
Sinnlichkeit der Gesichtspunkt maßgebend,
Gesichtspunkt maßgebend,
ob Gegenstand der Anschauung
ob der Gegenstand Anschauung notwendig notwendig anwesend
anwesend sein sein muß
muß
oder nicht.
nicht. „Die
„Die S i n nn ll i c h kk eeii tt im Erkenntnisvermögen
Erkenntnisvermögen (das (das Ver‑
Ver-
1)
1) 687, 7, 8.29.
S. 29 f. 2)$
2) 6 40, 40, S. S. 1106. 06. 3)$7,S.
3) $ 7, S. 3 300Anm.
Anm.
44)) $$$ 8 8-11,
‐ 11 , S. .3 33-37.
3 ‐3 7 . 5
5 1) 8 B29. 2 9 .
6) Eine
6) Eine Andeutung
Andeutung findet sich sich auch auch in der transzendentalen Methodenlehre:
der transzendentalen Methodenlehre:
eg ist
es i s t died i e Rede
R e d e v o nn der d e r„allgemeinen
allgemeinen W Wurzel
u r z e l uns E r k e n n t n i s k r a f t ' . die
s eerr eerr Erkenntniskraft“, d i e sich
sich
.„teilt
t e i l t und u n d zzweiwei S Stämme auswirft, deren einer V e r n u n f ist“, d . h . „das ganze
t ä m m e a u s w i r f t , d e r e n e i n e r V e r n a n f t i s t ' , d . h . . d a s g a nze
obere Erkenntnisvermögen“
obere Erkenntnisvermögen* (B (B 863).
863). So So weitweit stimmt stimmt diese diese Stelle
Stelle m miti t der
der anderen
anderen
(B 29)29) überein;
überein; nicht nicht dazu dazu zu zu passen
passen scheint, scheint, daß daß die Scheidung des oberen
die Scheidung oberen und und
un nte e rr eenn E Erkenntnisvermögens
rkenntnisvermögens m m iitt dder e r des R a t i o n a l e n und
d e s Rationalen u n d Empirischen
E m p i r i s c h e n gleich‑gleich-
gesetzt
gesetzt wird. wird. V a a ihinge e rr (Kommentar
(Kommentar z. z. K.8
K.s K r. r . d.d. r. V., V., I. Bd., Bd., Stuttgart 1881,
S t u t t g a r t 1881,
5.485)
S . 4 8 5 ) m d a h e r ees
e i n t daher,
meint s handle
h a n d e sich s i c h aan n beiden
b e i d e n Stellen
s t e l l e n lediglich
l e d i g l i c h um u m eine e i n e Über‑
t e r
übernimmt selbstverständlich
Kant übernimmt
Kant selbstverständlich den den traditionellen Ansatz Ansatz der
Philosophie, wonach
Philosophie, wonach alles Seiende und
alles Seiende und so so auch das, was er
auch das, er „Subjekt“
„Subjekt"*
oder „Gemüt“
oder „Gemüt' nnennt, e n n t , vvon einem einheitlichen
o n einem einheitlichen Seinsbegriff aus inter-
aus inter‑
pretiert wird:
pretiert wird: SeinSein ist
ist Vorhandenheit.
Vorhandenheit. Das Das führt
führt dazu,
dazu, das Verhältnis
zwischen Subjekt und
zwischen Subjekt und vorgestelltem Gegenstand in
vorgestelltem Gegenstand in demselben
demselben Sinne
zu verstehen,
zu verstehen, wie wie das
das zwischen
zwischen zwei zwei vorhandenen
vorhandenen Dingen „draußen",
Dingen „draußen“,
nämlich als
nämlich durch Kausalität
als durch bestimmt. Warum
Kausalität bestimmt. Warum m man das im Zustande
a n das Zustande
der
der Sinnenempfindung
Sinnenempfindung vorhandene vorhandene Verhältnis zwischen zwischen anschauendem
anschauendem
Subjekt
Subjekt und angeschautem Ding
und angeschautem Ding durchdurch einen
einen Zeitcharakter,
Zeitcharakter, nämlichnämlich
als
als „Gegenwart“ bezeichnet, bleibt
„Gegenwart' bezeichnet, bleibt im Horizont
Horizont dieses Seinsverständ‑
Seinsverständ
dunkel. Die
nisses dunkel.
nisses Die Bezeichnung
Bezeichnung ist ist auch nicht ausdrücklich
auch nicht ausdrücklich als als Zeit‑
Zeit-
gemeint; „Gegenwart“
charakter gemeint;
charakter „Gegenwart" bedeutet bedeutet nichtsnichts als Anwesenheit,
als Anwesenheit,
Aufeinanderbezogensein in kausaler
Nebeneinandersein, Aufeinanderbezogensein
Nebeneinandersein, Wechsel.
kausaler Wechsel‑
wirkung.
wirkung. Wahrnehmung.
Wahrnehmung ist ist „Bewußtsein
„Bewußtsein von Gegenwart eines
von der Gegenwart eines
Gegenstandes" '1).) .
Gegenstandes“ |
Wie
Wie aber
aber nun, wenn die
n u n , wenn die Anschauung
Anschauung eine eine einbildende
einbildende ist? ist? Ein‑
Ein-
bildung
bildung ist nach Kant
ist nach Kant Anschauung
Anschauung ohne ohne die die Gegenwart
Gegenwart des Gegen‑ Gegen-
standes. Das
standes. Das besagt
besagt zunächst etwas etwas reinrein Negatives:
Negatives: das Subjekt
Subjekt schautschaut
aber es
an, aber
an, Gegenstand da,
kein Gegenstand
ist kein
es ist der in ihm
da, der ihm diese
diese Anschauung
Anschauung
bewirkt. Wie
bewirkt. Wie verhält sich sich dasdas aber zu zu der vorhin
vorhin gegebenen
gegebenen Be‑ Be.
stimmung der
stimmung der Sinnlichkeit,
Sinnlichkeit, zu zu der doch die
der doch Einbildungskraft gehört,
die Einbildungskraft gehört,
als Rezeptivität?. Gehört dann die
ale Rezeptivität?. Gehört dann die Einbildungskraft nichtEinbildungskraft nicht vielmehr
S p o n t a n e i tzum
u r Spontaneität,
zzur ä t , .Verstande?
zum Verstande? Wodurch Wodurch wird sie dennoch
wird sie dennoch a ann die
die
Sinne
Sinne geknüpft?
geknüpft?
führt auf die
Das führt
Das die Frage
Frage nachnach dem näheren Verhältnis
dem näheren zwischen
Verhältnis zwischen
Einbildungskraft
Einbildungskraft und und Sinnen.
Sinnen. Dies Dies wird schon deutlicher durch
wird schon durch eine
Einteilung der Sinnlichkeit
Einteilung Sinnlichkeit überhaupt,
überhaupt, die, die, abgesehen
abgesehen vvon o n der Ter‑ Ter-
minologie, im Resultat
minologie, Resultat mit mit der erörterten zusammenfällt, aber nach
erörterten zusammenfällt, nach
einem etwas anderen
einem etwas anderen Einteilungsprinzip
Einteilungsprinzip verfährt. verfährt. In In der Pölitzschen
Pölitzschen
Psychologie wird
Psychologie wird dasdas sinnliche
sinnliche Erkenntnisvermögen (»Vorstellungen,
Erkenntnisvermögen („Vorstellungen,
die
die wir den Gegenständen
von den Gegenständen haben, sofern
v o n haben, sofern wir vvon ihnen
o n ihnen affiziert
werden") eingeteilt
werden“) eingeteilt m i das „Vermögen
in „Vermögen der Sinne selbst“
der Sinne selbst* und und die die
„nachgeahmte Erkenntnis
„nachgeahmte Erkenntnis der Sinne“ („Erkenntnisse der bildenden‑
Sinne" („Erkenntnisse bildenden-
Kraft“). Die Vorstellungen
Kraft'). Die Vorstellungen der Sinne
Sinne selbst entspringen gänzlich
entspringen gänzlich
durch
durch den den Eindruck
Eindruck des des (anwesenden) Gegenstandes, die
(anwesenden) Gegenstandes, die der bil‑ bil.
denden
denden KraftKraft dagegen
dagegen aus aus dem Gemüte, aber doch
dem Gemüte, n t e r der Be‑
doch uunter Be-
dingung,
dingung, uunter n t e r welcher das Gemüt vvon
das Gemüt o n den
den Gegenständen
Gegenständen affıziert affiziert
wird. Eine
wird. solche sinnliche
Eine solche Erkenntnis ist
sinnliche Erkenntnis ist eine
eine nachgeahmte
nachgeahmte Vor‑ Vor-
stellung
stellung der der Sinne’). „Vergegenwärtige ich
Sinne"). „Vergegenwärtige ich mir ein ein Haus,
Haus, was was ichich
a. O.,
Reicke, aa.. a.
1) Reicke,
1) O., 2.
2. Heft,
Heft, 5. 155, Blatt
S. 155, 41.
Blatt E 41. 2) Pölitz
Pölitz S.
S. 140f.
140 f .
16
16 Hermann Mörchen,
Hermann Mörchen, [326]
[326]
ehedem
ehedem gesehen, so entepringt
gesehen, so die Vorstellung
entspringt die Vorstellung jetzt aus
aus dem Gemüt;
dem Gemüt;
aber doch
doch unter Bedingung, daß
u n t e r der Bedingung, daß der Sinn Sinn vorher vvon o n diesem
diesem
Gegenstande affıziert
Gegenstande war1).' ) . Die
affiziert war“ Die bildende
bildende K (die nachgeahmte
r a f t (die
Kraft nachgeahmte
Erkenntnis der Sinne)
Erkenntnis Sinne) istist ein
ein Vermögen,
Vermögen, „Erkenntnisse
„Erkenntnisse aus aus sich selbst
sich selbst
zu
zu machen,
machen, die die aber demnach
demnach die die Form
Form an haben, nach
sich haben,
an sich nach der die die
Gegenstände unsere Sinne
Gegenstände Sinne affizieren
affizieren würden“?).
würden"*). Die Einbildungs-
Die Einbildungs‑
kraft, die
kraft, die hierhier „bildende
„bildende Kraft“ Kraft" heißt, konstituiert also
heißt, konstituiert also auch
auch jetzt
mit den Sinnen
m i t den Sinnen zusammen das Ganze
das Ganze der Sinnlichkeit. Doch ist
Sinnlichkeit. Doch bei
ist bei
ihrer Unterscheidung
Unterscheidung nicht nicht so so sehr auf auf diedie An- oder Abwesenheit
Abwesenheit des des
Gegenstandes das Hauptgewicht
Gegenstandes Hauptgewicht gelegt, gelegt, als als vielmehr darauf, darauf, ob ob sichsich
das anschauende
das anschauende Subjekt Subjekt rein passiv oder auch
rein passiv auch aktiv verhält.
verhält. Freilich
Freilich
handelt
handelt es es sich
sich im Grunde beidemal um
Grunde beidemal um dasselbe;
dasselbe; doch doch wirdwird in der
zweiten Einteilung
zweiten Einteilung das Wesen Einbildungskraft positiver bestimmt,
Wesen der Einbildungskraft bestimmt,
nämlich
nämlich als Nachahmung der Vorstellungen
als Nachahmung Vorstellungen der Sinne. Sinne. Zugleich
Zugleich
wird dadurch das zeitliche
wird dadurch das zeitliche Moment, Moment, das sich
sich in dem
dem Ausdruck „ohne
„ohne
die
die Gegenwart
Gegenwart des des Gegenstandes“
Gegenstandes" immerhin immerhin meldete, meldete, verdeckt; aller‑ aller-
kommt es
dings kommt
dings es in demdem „Nach"
„Nach“ gleich gleich wieder
wieder zzum Vorschein.
u m Vorschein.
Die Nachahmung
Die Nachahmung enthält enthält das Moment Moment der Passivität Passivität und und Akti‑ Akti-
vität in einem;
vität Verhältnis beider
einem; das Verhältnis beider muß muß der Unklarheit
Unklarheit enthobenenthoben
werden. Daher
werden. erörtert Kant
Daher erörtert Kant die die Weise
Weise der Abhängigkeit und
der Abhängigkeit und Un‑ Un-
abhängigkeit der der Einbildungskraft
Einbildungskraft vvon o n den den Sinnen
Sinnen immer wieder. wieder.
„Die Einbildungskraft
„Die Einbildungskraft ist ist ein
ein Vermögen,
Vermögen, eine eine Anschauung
Anschauung hervorzu‑ hervorzu-
bringen, deren Gegenstand nicht da
bringen, deren Gegenstand nicht da ist. Dies Vermögen ist ist. Dies Vermögen ist vvon on
großem Umfange,
großem Umfange, überschreitet
überschreitet in Ansehung Ansehung der der FormForm die Natur,
die Natur,
doch so,
doch so, daß
daß es es den Stoff aus
den Stoff aus iihr nimmt. So
h r nimmt. So kann
kann der Mensch Mensch sich sich
keine neue Farbe bilden,
keine neue Farbe bilden, als als die er gesehen hat. Wir
er gesehen hat. Wir können folglichkönnen folglich
die Einbildung
durch die
durch Einbildung nicht nicht sachaffen, sondern nnur
c h a f f e n , sondern ur u umbilden"3).
mbilden“°).
Was hier
Was „Form" heißt,
hier „Form“ heißt, kann
kann nicht wohl identisch
nicht wohl identisch sein sein m miti t dem,
dem, was
Kant uunter
Kant „Form der
n t e r „Form der Anschauung“
Anschauung" versteht,versteht, also Raum Raum und und Zeit.Zeit.
sind die
Diese sind
Diese die apriorischen
apriorischen „Formen“„Formen" der der Sinnlichkeit
Sinnlichkeit überhauptüberhaupt
und gelten auch für die Einbildungskraft.
und gelten auch für die Einbildungskraft. Hier ist „Form" aus Hier ist „Form“ aus dem dem
Wesen Einbildungskraft selbst
Wesen der Einbildungskraft selbst zu zu verstehen,
verstehen, die also also offenbar in
irgendeiner
irgendeiner Analogie mit mit demdem zu begreifen ist,
zu begreifen was w
ist, was wiri r im alltäg‑
alltäg-
lichen
lichen Leben
Leben als ale Formen, „Bilden“, eines
Formen, „Bilden", eines Stoffes,
Stoffes, zunächst im hand‑ hand-
greiflichsten Sinne,
greiflichsten kennen. Auch
Sinne, kennen. Auch die Dinge der Natur,
die Dinge Natur, die die w wir ir m miti t
den Sinnen
den anschauen, haben
Sinnen anschauen, haben in diesem diesem Sinne Sinne eine F o r m “ , d.
eine „„Form', d. h.
zunächst
zunächst eineeine äußere
äußere Gestalt,
Gestalt, weiterhin
weiterhin eine eine innere
innere Struktur,
Struktur, aaus der
u s der
wir ihre
wir forma, ihr
ihre forma, ihr Wesen ablesen.
ablesen. Was Was allein
allein kannkann nnun meinen,
Kant meinen,
u n Kant
wenn er sagt,
wenn sagt, diedie Einbildungskraft
Einbildungskraft überschreite
überschreite die Natur Natur in An‑ An-
1) S.
1) 140.
S. 140. S. 149.
2) 5.1499.
2) 3) Dohna, Anthrop.
3) Dohna, Anthrop. S. 106.
S. 106.
[327]
[327] Die Einbildungskraft
Die bei Kant.
Einbildungskraft bei Kant. 17
17
Anthrop. $&28,
1) Anthrop.
1) 28, S
$..66.
66. 2) $§ 28,
2) 28, S.66f.
S. 66 f.
3)3) Handschr.
Handachr. Nachlaß Nr. 341
Bd. III,I , Nr.
Nachlaß Bd. Ref. I Nr.
341 ((‐= Reß. 124).
Nr. 124).
18
18 Hermann Mörchen,
Hermann Mörchen, [328}
[328]
Einbildungskraft
Einbildungskraft von v o n den Sinnen, d.h.
den Sinnen, d. h. vvono n möglichem
möglichem Gegebenen, Gegebenen, ist ist
betonen '). Sie
zu betonen’).
zu Sie bleibt
bleibt beibei Kant
Kant immer immer ein ein Vermögen
Vermögen des Menschen Menschen
als eines auf
als sinnlich Gegebenes
auf sinnlich angewiesenen, dd.h.
Gegebenes angewiesenen, . h. eines endlichen
endlichen
Wesens*). Wenn
Wesens’). Wenn Kant Kant sie sie gelegentlich
gelegentlich dennoch „schöpferisch"
dennoch „schöpferisch“
nennen
nennen kann’),kann"), so meint er
so meint er nnur ihre Produktivität
u r ihre Produktivität und und ihr ihr freies,
freies,
nicht so
nicht so wiewie die
die anderen
anderen Vermögen
Vermögen an an Regeln
Regeln gebundenes Spiel‘). Spiel").
Es
Es ist n u n zu
ist nun zu verdeutlichen,
verdeutlichen, was was Kant
Kant uunter n t e r demdem versteht,
versteht, was
wir das „Formen“
„Formen" und „Bilden" des Stoffes
und „Bilden“ Stoffes (der Empfindungen)Empfindungen)
durch
durch die die Einbildungskraft
Einbildungskraft nnannten. „Wenn der
a n n t e n . „Wenn der Mensch
Mensch eerst r s t den
den
hat, so
Stoff hat, kann er
so kann er sich
sich immer
immer neue Vorstellungen machen.
neue Vorstellungen machen. Z. Z. B.B.
e n n er
wenn
w er schon einmal die
schon einmal die Vorstellung
Vorstellung vvon o n Farbe
Farbe hat, hat, 8so kann er
0 kann er sich
sich
Vorstellungen bilden durch Versetzung
neue Vorstellungen bilden durch Versetzung der Farben,
neue der Farben, die gar nicht
gar nicht
der Natur
in der existieren. Aber
Natur existieren. Aber neue neue Sinne Sinne kannk a n n m a nn sich sich gar nicht nicht
vorstellen, weil
vorstellen, u n s der Stoff dazu
weil uns dazu fehlt.fehlt. Die Die Sinne
Sinne sind sind also
also einein nnot-ot‑
wendiges PrinzipPrinzip der Erkenntnis“
Erkenntnis**). Die Tätigkeit der Einbildungs‑
°). Die Einbildungs
kraft
kraft ist ist hier verstanden nach
hier offenbar verstanden nach Analogie der der Tätigkeit eines eines
Handwerkers
Handwerkers oder Künstlers,
Künstlers, der aus einem vorgegebenen
aus einem vorgegebenen Stoff einen Stoff einen
herstellt. D.
Gegenstand herstellt.
Gegenstand D. h.,h., das Einbilden
Einbilden wird wird begriffen
begriffen im im Hin‑ Hin-
blick
blick aufauf das,
das, was a b e i herauskommen
was ddabei h e r a u s k o m m e n sollsoll bzw.bzw. herausgekommen
herausgekommen
dies, eetwa
ist; dies,
ist; t w a ein Kentaur, den
ein Kentaur, den ich ich m miri r in
in der dichterischen
dichterischen Ein‑ Ein-
bildung vorstelle, wird
bildung vorstelle, wird wiewie ein ein vorhandenes Hergestelltes Hergestelltes nach nach Stoff
und Form
und Form analysiert.
analysiert. Diese Diese Betrachtungsweise
Betrachtungsweise sieht sieht ganzganz vvon o n demdem
ab, was
ab, was denden Sinnen
Sinnen und und der der Einbildungskraft
Einbildungskraft gemeinsam gemeinsam ist, ist, nämlich
nämlich
den Anschauen als
dem als solchen;
solchen; hinter hinter dem dem „Bilden“
„Bilden" in diesem diesem Sinne Sinne
Formens und
des Formens und nachträglichen
nachträglichen Verbindens tritt t r i t t ganz zurück das
ganz zurück
„Bilden* in einem
„Bilden“ einem ursprünglicheren
ursprünglicheren Sinne, Sinne, wie wie wir eetwa sagen: „ein
t w a sagen: ein
liebliches
liebliches Bild Bild bot sich den
bot sich den AugenAugen dar“. dar". „„Bild"B i l d “ hat hat hier
hier den Sinn:
den Sinn:
primäres Anschauungsbild;
primäres Anschauungsbild; es es istist das Ganze Ganze des des Vorgestellten,
Vorgestellten, wie wie
wir es
wir es ın der direkten
in der Anschauung (gleichgültig
direkten Anschauung (gleichgültig ob Sinnen- oder Ein‑
ob Sinnen- Ein-
bildungsvorstellung) gegenwärtigen. Wenn
bildungsvorstellung) gegenwärtigen. Wenn dies primäre „Bilden",
primäre „Bilden“,
das ein
das Konstituens der Einbildung
ein Konstituens Einbildung als als Anschauung
Anschauung ausmacht, ausmacht, über‑ über-
sehen
sehen und und dafür
dafür dasdas vorgestellte
vorgestellte „Gebilde“
„Gebilde" der der Einbildungskraft,
Einbildungskraft, und und
z w a r abgesehen
zwar abgesehen davon,davon, daß daß es es angeschaut wird, wird, als ein hergestelltes
als ein hergestelltes
hervorgehoben wird,
Ding hervorgehoben wird, dann scheint
Ding dann scheint die Einbildungskraft
Einbildungskraft ganz ganz zzur ur
11) Besonders, u n d wohl
B e s o n d e r s , und w o h l in
i n Kants
K a n t s Sinne, d e n e n gegenüber,
S i n n e , denen g e g e n ü b e r , die s i euund
d i e sie n d somit
somit
ddas G r u n d v e r m ö g e n des
a s Grundvermögen d e s Subjekts ü b e r h a u p t als
S u b j e k t s überhaupt r e i n e Spontaneität
a l s reine S p o n t a n e i t ä t interpretieren
interpretieren
möchten.
m ö c h t e n .S (So o R R. . SScehhmmi iddt t ,, a a. . a.
a .O0.. SS. . 2
2 55 ff
f ..))
2 ) Vgl.
2) Ve l . W W oo l l ff ff ., Psychol, e m p i r. $
P s v c h o l , empir. § 106:
106: S Sine s e n s a t i o n e nullum
p r a e v i a sensatione
i n e praevia p u l l u m in
anima
a n i m a phantasma
p h a n t a s m a orriirrii potest.
potest.
3) Z.
3) Z. B.B. Anthrop.
Anthrop. $§ 57, 57, S . 146;
S. 146; Dohna,
Dohna, Anthrop.
Anthrop. $. S. 106,
106, beidemal
beidemal im im Zu‑Z u
a m m e n h a n g der
ssammenhang d e r Lehre
L e h r e vv o mm Genie.
Genie.
Vgl. Neukirchen,
4) Vgl. Neukirchen, a. .a a.
.a ©.O. $. S. 85.
85. 5) Pölitz
5) Pólita S. S. 144
144f£.
[329]
[329] Die Einbildungskraft
Die Einbildungekraft bei
bei Kant.
Kant. 19
19
Spontaneität zu
Spontaneität zu werden
werden und und sich
sich vvon o n der Sinnlichkeit, die ihr
Sinnlichkeit, die ihr nnur
ur
noch den
noch den „Stoff“
„Stoff liefert,
liefert, überhaupt
überhaupt zu zu scheiden.
scheiden. Die Einbildungs-
Die Einbildungs‑
kraft tritt dann
kraft dann in e e i n ee Reihe
Reihe mit mit anderen
anderen spontanen
spontanen Kräften,
Kräften, deren
deren
Stellung innerhalb des Schemas
Stellung innerhalb Schemas Sinnlichkeit‐ Verstand unklar
Sinnlichkeit--Verstand bleibt.
unklar bleibt.
„Die Sinne
„Die Sinne geben die Materie
geben die Materie zu zu allen
allen unseren
unseren Vorstellungen. Daraus
Vorstellungen. Daraus
macht erstlich
macht erstlich das Vermögen zu
das Vermögen bilden, unabhängig
zu bilden, unabhängig vvono n der Gegen-
Gegen‑
wart
w Gegenstände, Vorstellungen:
a r t der Gegenstände, Vorstellungen: Bildungskraft,
Bildungskraft, imaginatio;
imaginatio;
zweitens
zweitens das Vermögen zu
das Vermögen zu vergleichen: Witz und Unterscheidungs‑
Witz und Unterscheidungs-
kraft, iudicium discretum;
kraft, iudicium discretum; drittens das Vermögen, Vorstellungen
das Vermögen, Vorstellungennicht nicht
mit ihrem
mit ihrem Gegenstande unmittelbar, sondern
Gegenstande unmittelbar, sondern mittelst
mittelst einer
einer stell‑
stell.
vertretenden
vertretenden zu zu verknüpfen,
verknüpfen, d. d. i.i. zuzu bezeichnen“').
bezeichnen"1). An An anderer
anderer
Stelle,
Stelle, wowo „die
„die ganze sinnliche Vorstellungskraft‘“
ganze sinnliche Vorstellungekraft* eingeteilt wird in
eingeteilt wird
Sinn, Einbildungskraft
Sinn, Einbildungskraft und und Vergleichungsvermögen
Vergleichungsvermögen?), bleibt die
?), bleibt die Zu‑
Zu-
Einbildungskraft zur Sinnlichkeit erhalten,
gehörigkeit der Einbildungskraft erhalten, aber es es
fehlt ein Einteilungsprinzip. Etwas
einsichtiges Einteilungsprinzip.
ein einsichtiges Etwas deutlicher ist ist eine
eine
Einteilung bei
Einteilung bei Pölitz°’): Die sinnlichen
Pölitz°): Die Vorstellungen sind
sinnlichen Vorstellungen entweder
sind entweder
gegeben (Sinn überhaupt)
gegeben (Sinn gemacht; innerhalb
überhaupt) oder gemacht; innerhalb der gemachten
gemachten
Vorstellungen wird dann zwischen solchen der
Vorstellungen wird dann zwischen solchen der bildenden Kraft bildenden Kraft
(facultas fingendi),
(facultas fingendi), der facultas componendi
componendi und eignandi
und der facultas signandi
unterschieden.
unterschieden. Schärfer gefaßt wird die Beziehung
wird die Beziehung der bildenden
bildenden
Kraft zzum
Kraft spontanen Vermögen
u m spontanen Vermögen an an anderer
anderer Stelle:
Stelle: „Alle
„Alle diese Aktue
diese Aktus
der bildenden Kraft können
bildenden Kraft können willkürlich
willkürlich und auch unwillkürlich
und auch unwillkürlich ge‑ge-
schehen. Sofern
schehen. Sofern sie
sie unwillkürlich
unwillkürlich geschehen,
geschehen, gehören
gehören sie gänzlich
sie gänzlich
zzur Sinnlichkeit: sofern
u r Sinnlichkeit: sie aber willkürlich
sofern sie willkürlich geschehen,
geschehen, gehören
gehören sie
sie
u m oberen
zzum Erkenntnisvermögen"*).‘). Gelegentlich
oberen Erkenntnisvermögen“ Gelegentlich kann
kann dann
dann diedie
Refl. I Nr.
1) Refl.
1) Nr. 118.
118. Refl. II Nr.
2) Refl.
2) 117.
Nr. 117. 3) S.
3) 141.
S. 141.
4) Pölitz
4) Pölitz S.153.S. 153. ‐- - W o
Wolff, l f f , der die scharfe Kantsche Scheidung von
die scharfe Kantsche Scheidung v Sinn-
o n Sinn‑
lichkeit
lichkeit und u n d Verstand
Ve r s t a n d als Rezeptivität und
als Rezeptivität Spontaneität nicht
und Spontaneität nicht kennt kennt und und wie wie
Leibniz
r e i h n i z n
n uu rr einen
e i n e n Gradunterschied
G r a d u n t e r s c h i e d (Dunkelheit
D u n k e l h e i t und
m o d ..Klarheit)
K i g r b e i t zwischen
z w i s c h e n beiden
b e i d e n
sieht,
sieht, hat keine keine solche Mühe, Mühe, die Einbildungskraft im psychologischen
die Einbildungskraft psychologischen Schema Schema zu zu
llokalisieren.
o k a l i s i e r e n . DaD a ddie i e Vorstellungen
Vo r s t e l l u n g e n dder e r Einbildungskraft
E i n b i l d u n g s k r a f t ja
j a noch k l a r sind
w e n i g e r klar
n o c h weniger sind
als
als die die der der Sinne,
Sinne, gehörtgehört sie sie selbstverständlich
selbstverständlich zzum unteren Erkenntnisvermögen,
u m unteren Erkenntnisvermögen,
was zugleich
zugleich eine Abwertung in sich
eine Abwertung schließt. (Vgl.
sich schließt. (Vgl. Psychol.
Psychol. empir. empir. $$ 94--103,
$§ 94‐103,
bes. 96;
bes. 96; Metaph.
Metaph. § 236; ferner Baumgarten,
$ 236; Baumgarten, Metaph. Metaph. $§ 570.) 570.) Sie Sie hat hat also
also als empi-
als empi‑
risches Vermögen
risches Ve r m ö g e n keinerlei
keinerlei Eignung, Eignune, etwa etwa wie wie in der der K Kr.r. dd.. r.r. V. zwischen dem
V. zwischen dem
ooberen
b e r e n und a n d ddem em u e rr ee nn Erkenntnisvermögen
u nn t e E r k e n n t n i s v e r m ö g e n zu z u vermitteln.
v e r m i t t e l n .Wohl a b e r kommt
W o h l aber kommt
das metaphysische Problem
das metaphysische Problem des des Verhältnisses vvon o n Rezeptivität
Rezeptivität und und Spontaneität
Spontaneität
in der der rr a t i o n aall eenn Psychologie Peychologie zzur Geltung: „Die
u r Geltung: „Die Einbildungen
Einbildungen werden werden bald bald
unter die
_ anter Leidenschaften ([d.
die Leidenschaften d. h.h. zzur Passivität], bald
u r Passivität], bald uunter die Taten
n t e r die Taten gerechnet ....
gerechnet . . . .
In der der Tat Tat aber aber erweiset
erweiset sich sich die Seele bei
die Seele bei allen
allen Einbildungen
Einbildungen als ein ein tätiges
Wesen, indem
Wesen, indem sie sie von
von der der Seele
Seele durchdurch ihre ihre eigene
eigene Kraft Kraft hervorgebracht
hervorgebracht werden werden und und
daher
daher den den Grund, Grund, warum warum sie sie entatehen,
entstehen, in der der Seele
Seele haben,haben, und und solchergestalt
nicht anders
nieht anders als als fürfür TatenTaten der- d e rSeele
Seele könnenkönnen gehalten gehalten werden“ werden" (Metaph. (Metaph. $§ 821). 821).
20
20 Mörchen,
Hermann Mörchen,
Hermann [3301
[330]
Brief an
1) Brief
1) an den
den Fürsten
Fürsten von
von Beloselsky,
Beloselsky, 1792; Cassirer Bd.
1792; Cassirer Bd. X, S. 140-143.
S. 140‐143.
2)
2) Dohna, Metaph. $.
Dohna, Metaph. 594.
S. 594. Ebd. $.
3) Ebd. S. 595.
595. 4 ) Starke
4) S. 106.
S t a r k e $. 106.
[331]
[331] Die Einbildungskraft
Die bei Kant.
Einbildungskraft bei Kant. 21
21
wesenheit. Er macht
wesenheit. macht in der
der folgenden
folgenden Darlegung verschiedenen
Darlegung der verschiedenen
Möglichkeiten
Möglichkeiten des des Einbildens
Einbildens ständig davon Gebrauch,
ständig davon Gebrauch, daß
daß das Subjekt
Subjekt
sich auch
sich auch auf „Gegenstände" bezieht,
auf „Gegenstände“ bezieht, die nicht die
die nicht die Seinsart
Seinsart desdes Vor‑
Vor-
handenen
handenen haben; doch weil
haben; doch bei ihm
das bei
weil das unausdrücklich bleibt,
ihm unausdrücklich bleibt, gelingt
gelingt
es ihm
es ihn nicht,
nicht, die Einbildungskraft als Vermögen,
die Einbildungskraft Vermögen, d.h. Möglichkeit
d. h. Möglichkeit
Subjekts wirklich
des Subjekts wirklich verständlich
verständlich zuzu machen.
machen. Sie
Sie bleibt der
bleibt in der
Anthropologie ein
Anthropologie ein Seelenvermögen,
Seelenvermögen, das das neben
neben anderen
anderen im im Subjekt
Subjekt
vorkommt.
v o r k o m m t .
2. . D
2 ie B
Die Bee ttä t iig u n g s w e ii sseenn dder
e r E i n b i l d u n g sskkrraafftt..
Das Vermögen
Das Vermögen der Anschauung Anschauung ohne ohne di e Gegenwart
die Gegenwart des Gegen‑ Gegen-
standes
standes ist ist nnun
u n ausaus den
den verschiedenen Möglichkeiten der Betätigung,
verschiedenen Möglichkeiten Betätigung,
die
die ihmihm vvon o n Kant zugewiesen werden,
Kant zugewiesen werden, näher zu zu bestimmen.
bestimmen. Die Die
Untersuchung des Verhältnisses
Untersuchung Verhältnisses der Einbildungskraft
Einbildungskraft zu zu den Sinnen
den Sinnen
hat uuns
hat schon auf
n s schon auf diedie Unterscheidung
Unterscheidung vvon on p und
p r o d u k t ii v eerr und
Einbildungskraft geführt.
r e p r o dd uukk tt ii vv eerr Einbildungskraft geführt. Dies Dies ist
ist bei
bei Kant
Kant diedie
immer wiederkehrende
immer wiederkehrende Grundunterscheidung;
Grundunterscheidung: daneben, daneben, besonders
besonders
deutlich in der Pölitzschen
deutlich Pölitzschen Metaphysik,
Metaphysik, wo die erste Unterscheidung
die erste Unterscheidung
wird, und
fehlt, wird,
fehlt, und zwar zwar m miti t Hilfe
Hilfe derder Zeit,
Zeit, eine
eine andere Einteilung
andere Einteilung
versucht, die aber nicht zu einem so klaren
versucht, die aber nicht zu einem so klaren Ergebnis führt. TrotzdemErgebnis führt. Trotzdem
ist dieser Ansatz vielleicht
ist vielleicht als ein radikalerer zu
als ein verstehen, weil
zu verstehen, weil er
vvono n den
d e n vveerrss c h iiee d e n eenn M des E i n b i l d eenn8s
Möö g ll iicc h k e i t eenn des
ausgeht und
e l b s t ausgeht
sselbst und nicht
nicht gleich auf das Verhältnis
gleich auf Verhältnis des P r o d u k t e ss
der Einbildung
Einbildung zu zu dem
dem durch Sinnenempfindungen gelieferten
durch Sinnenempfindungen gelieferten Stoff Stoff
reflektiert.
reflektiert. Denn Denn das besagt die Unterscheidung zwischen
besagt die Unterscheidung zwischen produktiver produktiver
und reproduktiver Einbildungskraft: das
und reproduktiver Einbildungskraft: Produkt der Einbildungs‑
das Produkt Einbildungs-
vorstellung enthält enthält den Stoff der Sinne
den Stoff Sinne entweder in neuen Ver‑
in neuen Ver-
bindungen („Formen*), also
bindungen (,‚Formen“), also umgebildet,
umgebildet, oder oder es es ist u r einfach
ist nnur einfach eine eine
Wiederholung, ein
Wiederholung, ein Abbild
Abbild des des durch
durch die Sinne Sinne Gegebenen
Gegebenen in den
in den
„Formen“, die es schon ‐
„Formen", die es schon hatte. - Immerhin laufen beide Grund-
hatte. Immerhin laufen beide Grund‑
einteilungen des
einteilungen Phänomens im Ergebnis
des Phänomens Ergebnis doch doch etwa etwa aufauf dasselbe
dasselbe
himaus, da
hinaus, da die
die Bedeutung
Bedeutung der Zeit Zeit für das Wesen Wesen der Einbildungs-
der Einbildungs‑
kraft auch
kraft auch in der der Metaphysik
Metaphysik nicht erkannt wird.
nicht erkannt wird. Die Die Zeit bleibt bleibt
auch
auch dort dort ein Gesichtspunkt uu nn t ee rr a n d eerr eenn,, die m
ein Gesichtspunkt man
a n an die Ein‑
an die Ein-
bildungskraft herantragen
bildungskraft herantragen kann. kann
schon betont,
Wie schon
Wie betont, sind
sind in der der Anthropologie beide beide Arten der der
Einbildungskraft, die
Einbildungskraft, die produktive
produktive und und diedie reproduktive,
reproduktive, als ontische
als ontische
Vermögen
Vermögen zuu verstehen. verstehen. Die Die pproduktive1)
r o d u k t i v e " ) heißt auch dichtend,
heißt auch dichtend,
11)) Die
Die Tätigkeit
Tätigkeit der
der produktiven
produktiven Einbildungskraft
Einbildungskraft m
i anthropologischen
im anthropologischen Sinne
Sinne
fingendi) wird
(facultas fingendi)
(facultas bei W Wolff
wird bei so bestimmt:
o I f f so bestimmt: Perceptiones partiales diversorum
Perceptiones partiales diversorum
22 Hermann Mörchen, [332]
weil sie ihren Gegenstand frei erfindet; frei und ursprünglich, in‑
sofern sie keine empirische Anschauung i h r e s Gegenstandes voraus‑
setzt, obwohl sie nicht schöpferisch, d. h. nicht v o n vorgegebenen
Sinnenvorstellungen ü b e r h a u p t unabhängig ist. Sie geht v o r der
(möglichen) Erfahrung ihres Gegenstandes vorher. Ganz frei von
empirischen Anschauungen ist n u r die Einbildung des Mathematikers;
seine reinen Raum- und Zeitanschauungen scheint Kant als die eigent‑
liche und reine Form der produktiven Einbildung anzusehen, doch
kommt er hier darauf nicht weiter zurück). Auch die mathematische
Einbildungskraft ist nicht schöpferisch; denn das I c h muß sich Raum
und Zeit als reine Anschauungen geben.
Die produktive Einbildungskraft ist nicht m i t der P h a n t a s i e
zu verwechseln. Freilich ist die Stellung der Phantasie in den ver‑
schiedenen Erörterungen Kants keine einheitliche. Bald tritt sie in
Gegensatz z u r Einbildungskraft überhaupt, bald erscheint sie als
Unterabteilung der produktiven oder auch der reproduktiven Ein‑
bildungskraft. Als Unterscheidungsmerkmal wird festgehalten, daß
die Phantasie unserer freien Willkür nicht untersteht”). In den
Reflexionen sind Einbildungskraft und Phantasie die beiden Arten
des „Reproduktions- oder Dichtungsvermögens“; durch erstere sind
wir aktiv, d.h. „ w i r spielen m i t i h r “ ; durch letztere dagegen passiv,
d.h. „sie spielt m i t uns“. Erstere steht u n t e r dem Gesetz der Asso‑
ziation; das Gesetz der Phantasie dagegen ‚ i s t noch nicht bekannt“).
„Einbildungskraft ist ein Vermögen zu Diensten der freyen Willkühr.
Phantasie ist sie, w e n n sie der Willkühr entgegengesetzt i s t ‘ *). „Die
Phantasie schwärmt, die imagination stellet etwas t r e u oder untreu, leb‑
haft 2c. 2c. dar“°). Die phantasie treibt m i t der imagination ihr spiel und
ist theils productiv, theils reproductiv“°). Ähnlich in der Anthropologie:
„Die Einbildungskraft, sofern sie auch unwillkürlich Einbildungen her‑
vorbringt, heißt Phantasie“ ’ ) . In dem Dohnaschen Anthropologieheft
dagegen gehört die Phantasie n u r z u r p r o d u k t i v e n Einbildungs‑
entium compositorum p r o arbitrio combinare valemus, subjecto quoque imaginatio
tribuere p o t e s t modos in eo [sc. subjecto] sensu nondum a nobis perceptos, per‑
ceptos t a m e n antea in aliis subjectis, modo eidem n o n r e p u g n e n t , ut prodeat
phantasma entis sensu antea nondum percepti. (Psychol. empir. $ 141.)
1) Anthrop. $ 28, S. 66.
2) Vgl. Wolff, Psychol. empir. $ 172.
3) Handschr. Nachlaß Bd. I I , Nr. 338 (‐ Refl. I N r. 120).
4) Ebd. Nr. 337 (‐ Refl. I Nr. 121).
5) Ebd. Nr. 334 (‐ Refl. I Nr. 122).
6) Ebd. Nr. 340 (= Ref. I N r. 123).
7) $28, 5. 66..
[333] Die Einbildungskraft bei Kant, 23
kraft; diese läßt sich teilen „a) in willkürliche, wenn der Mensch die
actus seiner Imagination nach Belieben exerzieren kann, d . i . Bilder
erregen und auslöschen kann; b) in unwillkürliche oder Phantasie.
Bei der willkürlicien Imagination spielen wir mit den Bildern, bei
der Phantasie spielen die Bilder mit uns“ ' ) . Aus diesem Begriff der
Phantasie wird Kants ontische Einschätzung dieses Vermögens ver‑
ständlich: „Phantasie ist unser guter genius oder daemon, welcher
die Herrschaft unserer Wilkühr verachtet und sich, ob sie gleich
disciplinirt seyn möchte, doch oft in Freyheit setzt und mit dem
Menschen davon r e n n t . . . Sie ist die Quelle aller unserer e n t ‑
zückendesten Freuden, imgleichen unserer Leiden . .. Die Vernunft
muß herrschen und die Einbildungskraft ohne phantasie ihr zu
Diensten seyn“ ?).
R e p r o d u k t i v heißt die Einbildungskraft, wenn sie „eine
vorher gehabte empirische Anschauung ins Gemüt zurückbringt‘“ ’ ) ,
„wenn sie Bilder, die uns schon vorgekommen sind, in ihrer Ab‑
wesenheit erneuert“ ‘). Die psychologische Frage, wie das gemacht
wird, pflegt Kant n u r durch Hinweis auf das Gesetz der Assoziation
zu erörtern, das aber erst recht der Erklärung bedarf. Gelegentlich
stellt er auch physiologische Fragen, wie: „ob die Bilder im Gehirne
oder in der Seele aufbehalten werden“; entsprechend m i t Bezug auf
den willkürlichen Lauf der Phantasie: „ob der Fluß der phantasie,
auch die direction ihrer Bildungskraft, v o n dem Gehirn herühre“°).
Natürlich hat Kant über diese Dinge seine mehr oder weniger aus‑
gebildeten Theorien gehabt; diese interessieren uns hier n u r , insofern
sie seine philosophischen Voraussetzungen enthüllen. Er drückt sich
darüber meist sehr unbestimmt und allgemein aus. „Das Bewußtsein
ist das Vermögen, Vorstellungen so aufzufassen, daß wir sie reprodu‑
zieren können. Die Fertigkeit darin heißt Erinnerungsvermögen,
Gedächtnis“ ®). „Imagination ist das, was den Vorrath der Vor‑
stellungen in sich enthält‘“’). Daß die Einbildungskraft also irgend‑
1) Pölitz 8.149 f.
26 Hermann Mörchen, [336]
1) Handschr. Nachlaß Bd. I I , Nr. 313 a, 314, 315 (‐ R e fl I. Nr. 142, 134, 136).
2 ) Nr. 314 ( = R e fl I. Nr. 134).
3) Nr. 315 (= R e f . I Nr. 136).
4) Dies Beispiel des Zuschauers gibt zwar das Phänomen des bloßen Be‑
trachtens nicht ganz rein ‐ es ist ein Übergangsphänomen zwischen umsichtiger
Auslegung und Aussage über Vorhandenes (vgl. M . H e i d e g g e r , Sein und Zeit,
1. Hälfte, Halle 1927, $ 33, S.158) ‐, macht aber gerade dadurch den abkünftigen
Charakter dieses Phänomens deutlich.
28 Hermann Mörchen, [338]
ı) Pölitz $. 151.
2) Handschr. Nachlaß Bd. I I , Nr. 225 {= Refl. I N r. 64).
3) Aus Erläuterungen zu Baumgartens Metaphysik, 1756, bei Reicke Blatt C 9 ,
1.Heft, S. 156.
4) Ebd. S. 157. 5) Anthrop. $ 35, S. 92.
6) Ebd. 7) $ 36, S. 96.
[341] Die Einbildungskraft bei Kant. 31
1) Starke S. 188 £.
2) Dohna, Anthrop. 5. 126. ‐ Die Zeitlichkeit als Zukunft bleibt f ü r Kant
Problem: „Das Künftige ist der (fortgesetzte) Lauf der Welt: Des Vergangenen
und Gegenwärtigen, n u r im Nebel. Nur die Zukunft scheint uns wichtig. Woher
mag das kommen und was mag es bedeuten?“ (Handschr. Nachlaß Bd. I I , Nr. 389,
‐ Relfl. I Nr. 183.)
3) Vgl. Starke 5. 114.
[343] Die Einbildungskraft bei K a n t , 33
1) Starke $. 140.
2) Handschr. Nachlaß Bd. I I , N r. 390 (‐ Relfl. J N r. 155).
3) Pölitz $. 151f.
4 ) Für R . S c h m i d t s (a.a.0. 5.8) Vermutung, diese Einteilung (er rechnet
auck die nachher zu besprechende „Ausbildung“ m i t hinzu) habe „eine r ä u m ‑
l i c h e Nuance“, findet sich bei Kant keinerlei Andeutung. Kant denkt wohl gar
nicht an eine eigentliche Einteilung. Schmidt sagt: „ W i r haben es offenbar m i t
einem Vorstadium jener Lehre der Transzendentalphilosophie zu t u n , die auch den
R a u m zu einer Domäne der Einbildungskraft macht.“ Damit bringt er gewaltsam
Raum und Zeit in eine äußerliche Parallelität, während Kant einen Primat der
Zeit über den Raum kennt. Freilich können die räumlichen Charaktere des Ein,
Gegen, Aus nicht zufällig sein; doch schließen sie einen zeitlichen Sion auch dieser
Funktionen der Einbildungskraft nicht aus.
5) Vgl. auch Handschr. Nachlaß Bd. I I , N r. 344 (= R e fl I. N r. 137).
6) Vgl. Pölitz S. 151.
[345] Die Einbildungskraft bei Kant. 35
sind wir doch „ g a r nicht genötiget, bei den Tieren Überlegung anzunehmen, sondern
wir können dieses alles aus der bildenden Kraft herleiten. Wir eignen demnach
diesen Wesen ein Empfindungsvermögen, Imagination u s w. z u , aber alles n u r sinn‑
lich als u n t e r e s Vermögen, und nicht m i t Bewußtsein verbunden“. (Pölitz S. 220 f.
Vgl. Dohna, Anthrop. $.126, Metaph, 5. 616. Ferner Wolff, Metaph. $$ 789, 794,
869-872, 888‐898, 901, 921-927; Baumgarten, Metaph. $$ 792‐795).
1) Pölitz S. 152.
2) V g l . Wolffs significatus hieroglyphicus, Psychol. empir. $$ 151ff., u n d
Baumgartens facultas characteristica, Metaph. $$ 619‐623.
3) Pölitz S. 152; Starke S. 195; Dohna, Anthrop. $. 129, Metaph. S. 596;
Handschr. Nachlaß Bd. I I , Nr. 313 a, 314, 344 (‐ Refl. I Nr. 142, 134, 137).
4) Pölitz S. 141.
5) Anthrop. $ 38£., $. 98‐106.
[347] Die Einbildungskraft bei Kant. 37
1) Freilich wird zwischen Bild und Zeichen nicht streng geschieden, vgl.
unten $. 421 [111] ff.
2) Kr. d. U. 5. 212. 3) Vgl. S. 212.
4) Vgl. die Erörterung der Symbolisierung des Sittlich-Guten durch das Schöne,
5. 213‐215.
40 Hermann Mörchen, [350]
2. Abschnitt.
Die Einbildungskraft in der K r i t i k der reinen Vernunft.
1. Die Einbildungskraft in der transzendentalen
D e d u k t i o n d e r r e i n e n Ve r s t a n d e s b e g r i f f e .
In der K r. d . r. V. und der Kr.d. U. wird die Einbildungskraft
nicht so wie in der Anthropologie z u m thematischen Gegenstand. Sie
taucht in verschiedenen Zusammenhängen plötzlich auf, oft ohne
der Sinnlichkeit und des Verstandes her. Daß das Mannigfaltige des
inneren Sinnes, auf das die Synthesis des Verstandes „angewandt“
wird, gerade in der Form der Zeit gegeben ist, ist zufällig und nicht
weiter herleitbar‘). Das Mannigfaltige könnte an sich auch in einer
anderen Form gegeben sein. Dieser konstruktive und unphänomeno‑
logische Ansatz Kants ruht auf der dogmatischen Voraussetzung, daß
das Ich der Apperzeption nichts mit der Zeit zu t u n habe. Doch
darf m a n nicht übersehen, daß bei Kant die Phänomene selbst doch
immer wieder ihr Recht zu behaupten suchen. So wurde schon die
Beliebigkeit der Form der Anschauung insofern eingeschränkt, als
die Anschauung als nicht-intellektuelle bestimmt wurde; das Mannig‑
faltige muß, ob sinnlich oder anders, doch jedenfalls gegeben sein.
Man darf in Kants Ablehnung der intellektuellen Anschauung über
dem Negativen ‐ der Kritik an der traditionellen Metaphysik ‑
nicht übersehen, was damit positiv zur Charakteristik des „Subjekts‘“
gesagt ist: daß nämlich zu seinem Wesen gehört, daß ihm Seiendes
gegeben wird. Dies Positive wird aber noch deutlicher, wenn wir
n u n fragen, w a r u m Kants Erörterung der Beziehung zwischen den
apriorischen Formen der Rezeptivität und Spontaneität sich nicht auf
den Beweis $26 beschränkt. Genügt es denn nicht, w e n n bewiesen
ist, daß die Form der sinnlichen Anschauung, wenn dadurch über‑
haupt Erkanntes gegeben werden soll, u n t e r der Einheit der Apper‑
zeption stehen muß? Wenn Kant, insbesondere in $ 24 mit Hilfe des
Phänomens der Einbildungskraft, darüber hinaus noch eine nähere
Bestimmung des Charakters dieser Beziehung zu geben sucht, so ist
das vielleicht ein Hinweis darauf, daß die bisherige Kennzeichnung
der Absicht der transzendentalen Deduktion zu formal w a r. Wir
haben n u n zunächst Kants Darstellung zu folgen.
Die a priori auf das Mannigfaltige der Zeit (und mittels ihrer
des Raumes) angewandte Synthesis unterscheidet Kant als figürliche
v o n der rein intellektuellen Synthesis. „Diese S y n t h e s i s des
Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori möglich und
notwendig ist, kann fi g ü r l i c h (synthesis speciosa) genannt werden,
z u m Unterschiede v o n derjenigen, welche in Ansehung des Mannig‑
faltigen einer Anschauung überhaupt in der bloßen Kategorie gedacht
würde, und Verstandesverbindung (synthesis intellectualis) heißt;
beide sind t r a n s z e n d e n t a l , nicht bloß weil sie selbst a priori v o r ‑
gehen, sondern auch die Möglichkeit anderer Erkenntnis a priori
gründen“ ?). Da Kant u n t e r der intellektuellen Synthesis die Syn‑
thesis des Verstandes versteht, insofern darin abgesehen ist von dem
Mannigfaltigkeitscharakter des darin Verbundenen, könnte man
meinen, die figürliche Synthesis sei dieselbe Synthesis, abgesehen
davon, daß sie n u r durch die Einheit der Apperzeption möglich wird.
Das wäre falsch. Sie ist vielmehr die transzendentale Synthesis, in‑
sofern v o n ihrem begrifflichen Charakter, den sie im Erkenntnis‑
urteil hat, abgesehen wird. Figürliche und intellektuelle Synthesis
sind Momente eines einheitlichen Strukturzusammenhangs, wobei
noch offen bleibt, ob e i n e r v o n beiden vielleicht eine u r s p r ü n g ‑
l i c h e r e Funktion zuzuschreiben ist. Die Einheitlichkeit wird
freilich bei Kant zunächst nicht sichtbar; obwohl in transzendentaler
Hinsicht betrachtet, erscheinen beide Synthesen als besondere Ver‑
mögen nebeneinander. Hier hat das seinen Grund nicht n u r in
einer mangelhaften Psychologie, sondern insbesondere darin, daß
die intellektuelle Synthesis in ihrer Selbständigkeit gewahrt werden
soll; ist diese Selbständigkeit doch der Ausdruck der selbstverständ‑
lichen Voraussetzung, daß das Ich der Apperzeption v o n Zeit und
Raum unabhängig ist. Nur u n t e r dieser Voraussetzung kann die
Synthesis des Verstandes auch abgesehen davon betrachtet werden,
daß das durch sie Verbundene den Mannigfaltigkeitscharakter v o n
Zeit und Raum hat’). |
Als Vermögen der transzendentalen Synthesis, im Unterschied
v o n der reproduktiven, heißt die Einbildungskraft p r o d u k t i v .
Doch ist sie hier zu unterscheiden v o n der produktiven Einbildungs‑
kraft der Anthropologie, die ein bloß empirisches Vermögen ist;
andererseits ist sie auch nicht ohne weiteres identisch m i t der pro‑
duktiven Einbildungskraft der 1. Auflage der Kritik. Für die Ein‑
bildungskraft überhaupt gibt Kant die traditionelle Definition: sie
ist „das Vermögen, einen Gegenstand auch o h n e dessen G e g e n ‑
w a r t in der Anschauung vorzustellen“ ”?). Charakteristisch ist, was
1 ) Vgl. B I S L £ ,
50 Hermann Mörchen, [360)
1) BIS1f.
2) Die Tendenz, die Einbildungskraft dem Verstande unterzuordnen und sie
als wesentlich spontan zu bestimmen, findet sich in der 2. Auflage durchgängig;
vgl. auch die „Widerlegung des Idealismus“, B 276 Anm.
3) B 152.
[361] Die Einbildungskraft bei Kant 5l
1) B 67,
54 Hermann Mörchen, [364]
beider nicht ungestellt bleiben ' ) . Die Zeit als Form der Rezeptivität
und die Einbildungskraft, die vorläufig wesentlich als Spontaneität
gilt, kommen im Phänomen der Selbstaffektion gewissermaßen in ihre
auf dem Boden der Kantschen Fragestellung größtmögliche Nähe.
Daß ihre ursprüngliche Identität nicht sichtbar wird, liegt daran, daß
Kant einen genügend ursprünglichen Zeitbegriff nicht gewinnt. Daß
er jedoch diese Beziehungen beider irgendwie gesehen haben muß,
geht wohl schon daraus hervor, daß er sowohl in der Ästhetik als
auch in der Analytik die Idee der Selbstaffektion erst in der 2. Auf‑
lage eingeführt hat; das ist nicht unabhängig voneinander denkbar.
Trotzdem wird die Frage in der Deduktion nicht erörtert. Im Gegen‑
teil: die vorausgesetzte Grundunterscheidung v o n Rezeptivität und
Spontaneität sowie das Interesse Kants, psychologistische Miß‑
verständnisse (Verwechslung v o n transzendentaler und empirischer
Apperzeption) zu vermeiden, wirken zusammen, die K l u f t zwischen
den Formen beider Erkenntnisvermögen e r s t recht deutlich zu
machen. „Die Apperzeption und deren synthetische Einheit ist mit
dem inneren Sinne so gar nicht einerlei, daß jene vielmehr, als der
Quell aller Verbindung, auf das Mannigfaltige der A n s c h a u u n g e n
ü b e r h a u p t u n t e r dem Namen der Kategorien, v o r aller sinnlichen
Anschauung auf Objekte überhaupt geht; dagegen der innere Sinn
die bloße F o r m der Anschauung, aber ohne Verbindung des Mannig‑
faltigen in derselben, mithin noch gar keine b e s t i m m t e Anschauung
enthält, welche n u r durch das Bewußtsein der Bestimmung desselben
durch die transzendentale Handlung der Einbildungskraft (synthe‑
tischer Einfluß des Verstandes auf den inneren Sinn), welche ich die
figürliche Synthesis genannt habe, möglich ist“ ?).
Gleichwohl kann Kant auch hier den Zusammenhang zwischen
Einbildungskraft und Zeit nicht gänzlich unbeachtet lassen. Das
Denken einer mathematischen Figur, z. B. einer Linie oder eines
Kreises, ist nicht möglich, ohne daß wir sie i n Gedanken z e i c h n e n .
In diesem Zeichnen vollzieht das verbindende „Subjekt“ eine Be‑
1) Auch C o h e n (Kommentar S. 7L£.) fragt: „ I s t denn aber die Zeit, die
Form der Anschauung, zugleich Einbildungskraft? Ist nicht Einbildungskraft viel‑
mehr das Mittel der Synthesis, der Verbindung? Man sieht, die Schranken der
Terminologie lösen sich, und scheinen ineinander überzufließen.“ Er meint, daß
die Unterscheidung v o n Schema und Bild im Schematismuskapitel diese Auflösung
der Terminologie verhindern solle,
2) B 154. ‐ Daß das Zusammengesetzte als solches nicht angeschaut werden
könne, daß Jdie Zusammensetzung gemacht würde, nicht gegeben sei, betont Kant
auch immer wieder in den Briefen der späteren Zeit, w e n n er das Problem der
Deduktion berührt.
[365] Die Einbildungskraft bei Kant. 55
1) Bi54f. 2)B$2.
56 Hermann Mörchen, [366]
b ) N a c h d e r 1 .A u fl a g e .
1) A 8 4 - 9 5 , B 116-129. 2) B 1 2 9 1 6 9 . 3) A 95‐114.
4) A 115‐130. 5) AXVIf. Vgl. oben S. 312 f. [2 £.].
6) Cohen, Kants Theorie der Erfahrung S. 398 ff., 405, 414; Erdmann, Kriti‑
zismus $. 24 und 232‐235; Riehl, a. a. O. S. 501-505; R. Schmidt, a. a. ©. S. 1 6 .
7) Bıs2.
[367] Die Einbildungskraft bei Kant. 57
1 )A 9 8 .
2) B68. ‐ Es ist jedoch zu beachten, daß der Begriff des Mannigfaltigen
in der transzendentalen Ästhetik kaum vorkommt (vgl. B 34, 39, 50, 68), und daß
er n u r an der zitierten Stelle, die überdies in der 1. Auflage noch fehlt, unzwei‑
deutig noch keine Spontaneität voraussetzt. Besonders B 39 dagegen scheint es so,
als gäbe es Mannigfaltiges überhaupt erst durch den objektivierenden Verstand.
3) A 9.
62 Hermann Mörchen, [372]
1) A 100. 2) A 101.
3) A102. ‐ Es ist zu beachten, daß Kant neben diesem durchaus v o r ‑
herrschenden Begriff der Synthesis als s u k z e s s i v e r Synthesis auch den einer
m o m e n t a n e n Synthesis kennt, den er freilich kaum expliziert; oder besser:
daß auch die Apprehension eines bloßen Realen überhaupt, die „nicht sukzessiv,
sondern augenblicklich ist“, S y n t h e s i s ist. Auch diese Synthesis, w e n n sie als
„augenblickliche“ bezeichnet werden kann, hat offenbar in irgendeinem Sinne, wie
die sukzessive, m i t der Z e i t zu t u n . Doch bleibt dies bei Kant völlig dunkel.
(Vgl. B 209 #., 217.)
[373] Die Einbildungskraft bei Kant. 63
bald jenem Dinge beigelegt, oder auch eben dasselbe Ding bald so
bald anders benannt, ohne daß hierin eine gewisse Regel, der die
Erscheinungen schon v o n selbst unterworfen sind, herrschte, so
könnte keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden“ ').
Thema wird also bei Kant n u r die Reproduktion v o n Vorhandenem,
das mit dem ihm Assoziierten j e d e r z e i t w i e d e r verknüpft werden
kann. Zinnober ist i m m e r r o t , der Mensch als Säugetiergattung hat
i m m e r diese Gestalt, am längsten Tage ist es i m m e r Sommer und
nie Winter. Nicht Reproduktion ü b e r h a u p t wird Problem, sondern
Reproduktion v o n Vorhandenem. Kants Augenmerk ruht nicht
auf der Möglichkeit der Reproduktion, sondern der eines allgemeinen
Gesetzes der Reproduktion. Zugleich wird die eigentümlich
nivellierende Tendenz der n u r am Vorhandenen orientierten Onto‑
logie deutlich: auch Seiendes wie die Jahreszeiten, m i t denen der
Mensch rechnet, das also primär kein bloß Vorhandenes ist, wird
n u r noch als ewig wiederkehrende, immer gleiche Naturerscheinung
Gegenstand; und Seiendes wie Worte, die ursprünglich z u r Seinsart
des Menschen selbst gehören, wird ebenfalls als Vorhandenes inter‑
pretiert: Worte sind n u r noch zwischen Subjekten weitergebbare, fest
geprägte Bezeichnungen f ü r Dinge.
. Offenbar müßte, w e n n nach dem „Reproduzieren“ etwa des
Historikers gefragt würde, die zeitliche Möglichkeit der Reproduktion
in viel höherem Grade problematisch werden. Doch fragt es sich,
ob nicht auch die reproduktive Einbildungskraft, die sich lediglich
auf Vorhandenes bezieht, allein aus der Zeitlichkeit verständlich zu
machen ist. Wenn Kant die transzendentale Synthesis der Repro‑
duktion durch die Einbildungskraft als das Vermögen, vergangene
Vorstellungen nicht zu verlieren und dabei doch zu den folgenden
fortzugehen, bestimmt, so macht er schon v o n dieser Möglichkeit
der Zeitlichkeit Gebrauch. Nicht n u r , daß die gleichsam v o r uns
ausgebreitete Zeit und das, was sie gibt, u n s irgendwie unverloren
ist, wenn wir auf vergangenes Vorhandenes in i h r zurückkommen
können. Die Zeit kann dem rückgewandten Blick n u r deshalb in
dieser Weise z u r Verfügung stehen, weil dieser Blick selbst in einem
ursprünglicheren Sinne zeitlich ist. Nur deshalb „braucht er Zeit“,
um reproduzierend ein Mannigfaltiges v o n einzelnen Vorstellungen
zu einem Ganzen zusammenzufassen.
Die dritte der subjektiven Quellen der Erfahrung ist die Syn‑
thesis der R e k o g n i t i o n i m Begriffe. Der Begriff besteht i n dem
1) A 100.
[375] Die Einbildungskraft bei Kant. 65
aber ist nicht, sie bloß zu kritisieren, sondern sie v o n Kants eigenen
Thesen aus anzugreifen. Denn ein solcher Angriff auf seine eigenen
Voraussetzungen ist in der Tat der positive und phänomenal echte
Sinn der Behauptung Kants, daß schon die Wahrnehmung als solche
eines Mitwirkens der synthetischen Einbildungskraft bedürfe. Sie
besagt, daß das, was wir faktisch als Wahrnehmung kennen, nie so
etwas enthält wie „Eindrücke“ in dem genannten Sinne. Um das
einzusehen, ist es nötig, alle Vormeinungen über den spontanen
Charakter der „Synthesis‘‘ auszuschalten und das ins Auge zu fassen,
was Kant allein gemeint haben kann.
An dem Beispiel der Wahrnehmung einer Linie suchen wir das
Problem zu verdeutlichen. Was Kant gegenüber der traditionellen
Psychologie geltend macht, ist dies: im Wahrnehmen einer (gezeich‑
neten) Linie liegt immer schon „Synthesis“, ist immer schon ein
Zusammen von Punkten vorgestellt. Ich kann die Linie zerteilen so
oft ich will: ich werde nie einen Punkt wahrnehmen. Die analysie‑
rende Mathematik, die dennoch zu Punkten als letzten Elementen
gelangt, ist n u r auf Grund einer vorgängigen „Synthesis‘‘ möglich.
Die Linie besteht n u r aus Linien; der Punkt ist n u r „Grenze“'). Die
„Synthesis“ der produktiven Einbildungskraft ist immer schon über
den Punkt hinaus. Die Einbildungskraft ist „ e i n notwendiges In‑
gredienz der Wahrnehmung selbst“. Wahrnehmung enthält immer
schon dies „Überhinaus“; sie ist sich selbst immer schon vorweg.
Sofern sie Wahrnehmung v o n Einzelnem ist, kommt sie immer schon
v o n einem Ganzen her. Das Einzelne ist nicht ihr „Ausgangs-punkt“,
sondern sie ist aus dem Ganzen, zu dem sie sich selbst schon vorweg
war, schon wieder z u m Einzelnen zurückgekehrt. Dies „Sich-vorweg“
und „Schon-wieder-zurück“ gehören z u r Struktur der Wahrnehmung.
Nichts anderes kann Kants „Synthesis“ und „Analysis“ meinen. Aber
was hat es dann für einen Sinn, noch v o n „Verbindung“, „Synthesis“
zu reden? Wenn der Punkt nie „Ausgangspunkt“ für die Wahr‑
nehmung der Linie ist, wie ist dann die Linie dennoch aus Punkten
„zusammengesetzt“? Dies bleibt bei Kant dunkel. Schuld daran ist
die Unklarheit des Verhältnisses v o n Sinn und Einbildungskraft. Was
heißt es, daß die Einbildungskraft ein „notwendiges Ingredienz“ der
Wahrnehmung sei? Kommt sie nachträglich und äußerlich zu den
Sinnen hinzu? Diese Meinung würde völlig ins Dunkel führen. Sie
würde besagen: was durch die Sinne rein rezeptiv erfahren wird,
wird durch die Einbildungskraft spontan aufgefaßt, zusammen‑
zur Synthesis der Rekognition, sowie nach dem Sinn des „Hinzu‑
kommens“ der Apperzeption z u r reinen Einbildungskraft zu fragen.
Wieso liegt denn in der Rekognition Synthesis? Was besagt über‑
haupt Rekognition?
Zu der Synthesis der Reproduktion muß noch das Bewußtsein
hinzukommen, „daß das, was wir denken, eben dasselbe sei, was wir
einen Augenblick z u v o r dachten“ ' ) . „Vergesse ich im Zählen, daß
die Einheiten, die m i r jetzt v o r Sinnen schweben, nach und nach
zueinander v o n m i r hinzugetan worden sind, so würde ich die Er‑
zeugung der Menge, durch diese sukzessive Hinzutuung v o n Einem
zu Einem, mithin auch nicht die Zahl erkennen; denn dieser Begriff
besteht lediglich in dem Bewußtsein der Einheit der Synthesis“ ?).
Die Rekognition bezieht sich also nicht primär auf einen längst ver‑
gangenen, jetzt nach irgendwelchen Gesetzen reproduzierten Gegen‑
stand, sondern ist schon z u r Synthesis der bloßen Apprehension nötig.
Sie ist auch nicht der Akt der Urteilskraft, worin dem Vorgestellten,
das reproduziert und behalten wurde, das Prädikat der Selbigkeit
beigelegt wird. Es kommt nicht darauf an, ob das Vorgestellte
wirklich noch dasselbe ist, sondern darauf, daß i c h es m i r als das‑
selbe vorstelle°). Die Rekognition ist wie die Reproduktion ein Nicht‑
vergessen, aber nicht der Vorstellung, sondern der Selbigkeit des
vorstellenden Subjekts. Nur dadurch ist sie ein Begreifen des Gegen‑
standes (als Erscheinung) in seiner Einheit‘). Sie i s t Apperzeption,
d.h. das, was zu dem Gegenstand das Selbst immer m i t hinzu ver‑
nimmt. Insofern sie das „stehende und bleibende I c h (der reinen
Apperzeption)“°) festhält, hat sie eine transzendentale Bedeutung.
In welchem Sinne aber ist dies Ich der transzendentalen Apperzeption
ein stehendes und bleibendes, w e n n die Rekognition als ein Nicht‑
vergessen bezeichnet werden kann? Wie kann die Rekognition Syn‑
thesis sein, w e n n sie n u r ein Selbiges erfaßt? Dies bleibt bei Kant
dunkel. Überhaupt wird die Synthesis der Rekognition weniger v e r ‑
deutlicht als die beiden anderen Synthesen. Das v o n Kant letztlich
gemeinte Phänomen des Sich-behauptens des „Subjekts“ in seiner
Selbst-ständigkeit im Entwurf einer Einheit, die die Synthesen der
Apprehension und Reproduktion erst möglich macht, wird in der
Rede v o n dem „stehenden und bleibenden I c h “ zwar angedeutet,
aber zugleich verdeckt. Auch das Verhältnis v o n Rekognition und
1) A103. 2) A 103.
3) So auch in einer Anmerkung der 2. Auflage, B 131.
4) Vgl. A 108. 5) A 123.
[385] Die Einbildungskraft bei Kant. 75
sind, und zwar diese ihre Moglichkeit a priori“'). Hier wird das
Bestehen eines Zusammenhangs zwischen den Kategorien und den
Gemütsvermögen allgemein ausgesprochen. Durch die spontanen
Handlungen des Subjekts wird das in der seelischen Rezeptivität
Gegebene als Gegenstand vorgestellt. Diese spontanen Handlungen
vollziehen sich als Synthesis des gegebenen Mannigfaltigen und be‑
dürfen für diese Synthesis nicht n u r einer Einheit überhaupt, sondern
entsprechend der besonderen Weise i h r e r Synthesis jeweils auch
einer allgemeinen Regel, im Hinblick auf die ihr Vollzug sein Gesetz
empfängt. Insofern durch die Gesamtheit der Gemütskräfte das
Ganze nicht n u r der empirischen, sondern auch der apriorisch zu
bestimmenden Subjektivität umschrieben ist, drücken ihre Regeln,
also die Kategorien, alle Möglichkeiten der Inblicknahme von Gegen‑
ständen überhaupt aus. Doch ist zu beachten, daß bei Kant auch
hier schon die apriorische Subjektivität wesentlich n u r ala Spon‑
taneität zur Geltung kommt.
Die Kategorien, denen die einzelnen Vermögen zugeordnet
werden, sind die aus der Kategorientafel der K r. d . r. V. bekannten;
doch stehen die Kategorien der verschiedenen Gruppen oft durch‑
einander. Die Hauptschwierigkeiten entstanden für Kant offenbar
hinsichtlich der Kategoriengruppen der Relation und Modalität.
Die Kategorien der Quantität und Qualität werden der
A n s c h a u u n g zugeordnet, und zwar: „Die Größe ist v o r die reine
Anschauung überhaupt ohne data. Die qvalitaet v o r den Unterschied
der Empfindung überhaupt. Die darunter gehorige categorien be‑
ziehen sich auf Empfindungen der Verhaltnisse, welche durch die
Thätigkeit der Seele gesetzt werden“?). Es kann so scheinen, als
gehörten diese Kategorien überhaupt nicht zu einer spontanen
Handlung, sondern z u r Rezeptivität des Subjekts. Andererseits könnte
Kant, nach dem zweiten Satz zu schließen, auch hier das Subjekt
wesentlich als Spontaneität verstanden haben, insofern es nämlich
die formalen Strukturen v o n Anschauung und Empfindung v o n
sich aus bestimmt. Doch ist gar nicht ausdrücklich v o n dem Gegen‑
satz v o n Rezeptivität und Spontaneität die Rede; bezeichnend ist
n u r, daß Kant auch in der transzendentalen L o g i k zwangsläufig
immer wieder auf die Rezeptivität zurückkommt. Bemerkenswert ist
die Beziehung der K a t e g o r i e der Größe z u r reinen Anschauung,
also Raum und Zeit, die als „unendliche gegebene Größe“ vor‑
gestellt werden‘). Gerade weil beide nicht identisch sind, muß ihr
Z u s a m m e n h a n g z u m Problem werden.
Die Kategorien der R e l a t i o n sind Substanz und Akzidens,
Ursache und Wirkung, Ganzes und Teil’). „Ursache und Wirkung
scheint v o r die praevision zu seyn, Gantzes und Theil v o r die phan‑
tasie, substantz und accidenz vor die Sinne.“ Ebenda heißt es, daß
„die inhaerentz auf die Anschauung, die Verknüpfung der Wirkung
mit der Ursache auf die Nachbildung, umgekehrt auf Vorbildung,
Ganzes und Theil auf die Einbildung gegründet“ sei‘). Wir inter‑
pretieren: Die Kategorie der Ursache und Wirkung spricht die all‑
gemeine Regel aus, der w i r im Erkennen von Vergangenem und
Ankommendem immer schon folgen, w e n n anders diese Nach- und
Vorbildung echtes Erkennen im Kantschen Sinne sein soll. Einen
Gegenstand frei einbildend setzen wir die einzelnen Teile, die wir
komponieren, immer schon in eine Wechselbeziehung zueinander, die
der Idee eines Ganzen überhaupt genügt. Nicht ohne weiteres ein‑
sichtig ist jedoch die Zuordnung der Kategorie der Inhärenz (Substanz
und Akzidens) zu den Sinnen bzw. der Anschauung, wenn nämlich
die Anschauung einfach ein Vermögen n e b e n Einbildung, Nach‑
bildung usw. ist. Denn die Beziehung auf eine Substanz ist ja in
a l l e r Erkenntnis von Vorhandenem schon gesetzt, ob sie n u n direkt
anschauend, bloß einbildend oder wie immer ist. Wie aber Kant
schon in den bloß anthropologischen Zusammenhängen die Abbildung
als das „Fundament“ für Nach- und Vorbildung charakterisierte, so
meint er vielleicht auch hier m i t „Anschauung“ etwas Ursprüng‑
licheres, das all den verschiedenen, direkt oder indirekt anschauenden
Vermögen zugrunde liegt, und das in der Systematik der Seelen‑
vermögen eine ähnlich fundamentale Stelle beansprucht wie die
Substanz in der Tafel der Kategorien. Hierauf i s t bald zurück‑
zukommen. 2
Es bleiben die Kategorien der M o d a l i t ä t . Hier geben Kants
Aufzeichnungen kein einheitliches Bild. Die Kategorie der M ö g l i c h ‑
k e i t wird bald dem Dichtungsvermögen *), bald dem Verstande°) zu‑
1 ) K r. d . r. V. B39; vgl. B 4 7£ .
2) Zum dritten’ Paar vgl. K r. d . r . V. B111‐113.
3) Bd. I V, Nr. 4640 (= Refl. IT N r. 588 u. 589).
4) Handschr. Nachlaß Bd. I V , Nr. 4640, 4646, 4288 (‐ Refl. II N r. 589, 590, 804).
5) Bd. I V, Nr. 4802 und Bd. I l , N r. 429 (‐ R e f . II N r. 807 u. 1094), beide
nach Erdmann aus Jder späteren Zeit des Kritizismus; vgl. Bd. V, N r. 5772 (‐ R e f . I
Nr. 803), aus der Zeit des „kritischen Empirismus“.
[391] Die Einbildungskraft bei Kant. 81
1) Bd. I V, Nr. 4640 (‐ Refl. II Nr. 589); vgl. auch Nr. 4646 (‐ Refl. II Nr. 590).
2) Bd. V, Nr. 5718 (= Refl. II Nr. 827). .
3) Bd. I V, Nr. 4288, ferner Nr. 4802 (‐ Refl. II Nr. 804 u. 807).
4) Bd. I I , Nr. 429 (= Refl. II Nr. 1094); vgl. auch Bd. I V, Nr. 4802 (‐ Refl. II
Nr. 807).
5) Bd. I V, Nr. 4288, feruer Nr. 4802 und Bd. I I , Nr. 429 (‐ Refl. II Nr. 804,
807, 1094). Doch scheint Kant auch hier geschwankt zu haben, vgl. Bd. I V, Nr. 4640
(= Refl. II Nr. 589). ‐ Zu den Kategorien der Modalität überhaupt vgl. Kr. d. r. V.
B 265 f., 286, 287 Anm.
6) Bd. I V, Nr. 4476 (‐ Relfl. II Nr. 556).
7) Bd. I V, Nr. 4476 (= Refl. II Nr. 562).
8) Bd. I V, Nr. 4380 (‐ Refi. II Nr. 579).
382 Hermann Mörchen, [392]
1) Bd. V, Nr. 4911 (‐ Refl. II Nr. 606), von Erdmann e r s t in der späteren Zeit
des Kritizismus angesetzt.
2) Bd. V, Nr. 5191 (= Refl. II Nr. 748).
3) Bd. I V, Nr. 4640 (‐ Refl. II Nr. 588 u. 589),
84 Hermann Mörchen, [394]
Daten der Sinnlichkeit, durch die sich unsere Seele von der obersten
Intelligenz unterscheidet, meldet sich wieder die Rezeptivität unseres
Erkenntnisvermögens; aber auch hier kommt sie nicht in der ge‑
bührenden Weise z u r Geltung. Das absolute Anschauen Gottes wird
selbstverständlich als die eigentliche Art des Seins festgehalten und
das eigentümliche Sein des Menschen erst nachher davon unter‑
schieden. So entsteht für Kant das Problem, ob die Erkenntnisse
des menschlichen Verstandes und insbesondere die Kategorien ebenso
wie die Ideen Gottes „Urbilder‘ heißen dürfen. Er entscheidet diese
Frage nicht ganz widerspruchsfrei. „Das göttliche Wesen ist der
Grund aller Möglichkeit der Dinge. Insofern Gott sich selbst durch
den Verstand erkennt, so erkennt er durch den Verstand den Grund
aller Möglichkeit ... Weil n u n der Verstand Gottes der Grund aller
Möglichkeit ist, so sind in Gott U r b i l d e r , I d e e n ... Die Idee
ist eine Erkenntnie, d i e selbst d e r G r u n d d e r M ö g l i c h k e i t
i h r e s G e g e n s t a n d e s i s t . . . Der göttliche intuitus enthält Ideen,
nach denen wir selbst möglich sind; cognitio divina est cognitio arche‑
typa, und seine Ideen sind die Urbilder der Dinge. Die Erkenntnisse
des menschlichen Verstandes n e n n e n wir auch komparative Urbilder,
Ideen, welches diejenigen Erkenntnisse unseres Verstandes sind, die
z u r Beurteilung der Dinge dienen. Alle unsere Erkenninisse, der Voll‑
kommenbheit nach, sind niemals empirisch, sondern sie sind eine Idee,
die m a n in sich selbst hat, ein Urbild im Kopfe, und das ist ein
I d e a l , wonach wir alles beurteilen. Wenn m a n etwas beurteilt, so
beurteilt m a n dasselbe immer nach dem Ideale, das man davon im
Kopfe hat; z. E. ein Maler hat immer eine Idee im Kopfe zum Grunde,
wornach er malt, obgleich er die Idee selbst niemals erreicht“ ').
Anders wird der Unterschied da bestimmt, wo Kant zwischen Ur‑
bildern und Nachbildern unterscheidet: „Alle Begriffe sind entweder
Urbilder, welche Gründe von den Bestimungen sind, die den obiecten
zukomen und wodurch das obiect selbst u n t e r allen möglichen
bestimmt wird, oder es sind Nachbilder, welche folgen von den Be‑
stimmungen der Dinge sind“ ’ ) . Während unsere e m p i r i s c h e n
Vorstellungen Nachbilder (ectypae) sind*), werden die r e i n e n Ver‑
standesbegriffe sowohl v o n den Urbildern als auch v o n den Nach‑
d) D i e B e d e u t u n g d e r Einbildungskraft f ü r d a s G r u n d ‑
problem der Deduktion.
1) Bd. I V, Nr. 3978 (= Refl. II Nr. 1255). Diese und die vorhergehende
Reflexion s t a m m e n nach Erdmann aus der späteren Zeit.
[399] Die Einbildungskraft: bei Kant. 89
1) B 117.
9 Hermann Mörchen, [400]
1) B13S.
[403] Die Einbildungskraft bei Kant. 9
1) B 160. 2) B 1 9 ,
96 Hermann Mörchen, [406]
) A ı l l . 2 ) B 133 f .Anm.
[407] Die Einbildungskraft bei Kant. 97
1) B135.
98 Hermann Mörchen, [408]
1) Bısl.
[409] Die Einbildungskraft bei Kant. 99
1) Nur gelegentlich findet sich bei Kant ein Hinweis auf die Beziehung der
Einbildungskraft zum W e l t b e g r i f f und deutet auf ursprünglichere Strukturen
...
des Daseins: „Die bildende K r a f t hat jederzeit eine Welt im Abrisse v o r sich,
worin das Gemüt reiset.“ (Reicke, Blatt E 78, 80er Jahre, Heft 2 $. 268.)
2) Vgl. B196, 2 11 .
3) Heinze, Vorlesungen Kants über Metaphysik, S.671. 4) B 347.
4 11 ] Die Einbildungskraft bei Kant. 101
1) Über eine Entdeckung usw. (gegen Eberhard), 1790, Cassirer Bd. VI,
S. 19$,
102 Hermann Mörchen, [412]
entschieden werden. Die Schwierigkeit liegt darin, daß die Zeit für
die F o r m n u r des inneren Sinns und erst indirekt auch des äußeren
gilt. Wenn die „äußeren“, in der Form des Raumes gegebenen Gegen‑
stände n u r insofern auch in der Zeit sind, als sie uns als „Vor‑
stellungen“ im inneren Sinn gegeben sind, so wird verdeckt, daß die
Zeit die ursprüngliche Form v o n Rezeptivität überhaupt ist und
dadurch auch schon Transzendenz, Angegangenwerden v o n Gegen‑
ständen überhaupt und Sein bei ihnen, ermöglicht. Gleichwohl ist
dies der unausgesprochene positive Sinn der kritischen These Kants,
daß w i r auch u n s selbst im inneren Sinn n u r als Erscheinungen
erkennen, d . h . so, wie wir v o n u n s selbst affıziert werden. Denn
Affektion ist Angegangenwerden v o n begegnendem Seienden, wobei
es zunächst gleichgültig ist, ob es im „inneren“ oder im „äußeren“
Sinn begegnet, ob es ein psychisches Vorhandenes ist oder ein solches
der äußeren Natur. Die Möglichkeit dieses Begegnenlassens heißt
Rezeptivität; rezeptiv sind wir f ü r begegnendes Seiendes offen. Wenn
n u n Kant betont, daß auch wir selbst u n s n u r gegeben sind, wie wir
erscheinen, so heißt das, daß wir auch auf uns selbst und die Vor‑
stellungen in u n s gerichtet schon in dieser Offenheit existieren. Wir
sind nicht zunächst für die „äußere We l t ‘ verschlossen und können
uns ihr dann gelegentlich öffnen; wir sind vielmehr wesenhaft geöffnet
und können uns n u r darum auch „abschließen“. Die Zeit als die
Möglichkeit der Selbsterschlossenheit im inneren Sinn ist gleich‑
ursprünglich die Möglichkeit der Erschlossenheit der „Außenwelt“.
Die Idee der Selbstaffektion ist also z w a r v o n Kant zunächst so
gemeint, daß durch sie verständlich werden soll, wie ein bestimmter
Bezirk des Seienden, nämlich die im inneren Sinn begegnenden „Vor‑
stellungen“, erschlossen sein kann. Dabei muß sich jedoch heraus‑
stellen, daß dies Seiende in derselben Weise zugänglich wird wie
das Seiende „draußen“, nämlich als Erscheinung. Damit aber ist die
Vorzugsstellung der inneren v o r der äußeren Gegebenheit sinnlos
geworden; was freilich nicht besagt, daß die Form des inneren Sinnes,
die Zeit, nicht dennoch einen Vorzug v o r dem Raume hätte. Durch
die Idee der Selbstaffektion zeigt Kant eine doppelte Gleichursprüng‑
lichkeit an: 1. für das Seiende, das im inneren Sinn begegnet, müssen
wir schon in gleicher Weise offen sein wie für die Außenwelt; 2. das
verbindende (spontane) Ich ist wesenhaft schon für Begegnendes über‑
haupt geöffnet. Hier haben wir es mit dem letzteren zu t u n . Obwohl
Kant es nicht ausdrücklich sagt, sollte deutlich sein, daß mit dem
Problem der Selbigkeit des Affizierenden und des Affizierten das
Problem der Einheit der in Rezeptivität und Spontaneität gespaltenen
Subjektivität gestellt ist und nicht n u r die Frage nach der Zugangs‑
möglichkeit z u m psychischen Seienden, deren Beantwortung sich
dabei mit ergibt. Die Doppeldeutigkeit des Problems erklärt sich,
wie gesagt, aus der Vorzugsstellung des inneren Sinnes, die aber
gerade hier fraglich werden muß.
Die Einheitlichkeit der Grundstruktur der Subjektivität wird
v o n Kant nicht weiter verdeutlicht. Die Interpretation des Phänomens
der Einbildungskraft wird jedoch immer wieder auf den Zusammen‑
hang zwischen Einbildungskraft und Zeit gestoßen. Das Ergebnis
unserer Untersuchung bleibt darum eine F r a g e : ob nämlich die
Explizierung des Begriffs der Einbildungskraft nicht in eine thema‑
tische Analyse der Z e i t l i c h k e i t des „Subjekts‘“ ausmünden muß?
Wenn Kant auch diese Frage nicht mehr stellt, so w a r doch aus
seiner eigenen Problematik heraus ihre Notwendigkeit zu zeigen.
Psychologe vielleicht auch dann noch teilt, wenn er sich gegen jede
Ansetzung v o n substanzhaften Seelenkräften verwahrt. Es ist z u v o r
die o n t o l o g i s c h e Frage z u stellen, wie das Sein eines Subjekts z u
bestimmen ist, dem Vermögen zugesprochen werden können. Kommt
dem Subjekt z.B. das Vermögen zu denken in derselben Weise zu
wie der Pflanze das Vermögen zu wachsen oder dem Stein das Ver‑
mögen zu fallen?') Es gibt offenbar verschiedene Weisen, Vermögen
und Möglichkeiten zu „haben“. Hier kommt es n u r darauf an, in
welcher Weise das Seiende, das wir „Subjekt“ zu nennen pflegen,
Möglichkeiten „hat“. Man sagt, die Vermögenslehre des 18. Jahr‑
hunderts behaupte, daß der Mensch vorzustellen, zu fühlen und zu
wollen v e r m a g und es auch lassen kann; statt dessen müsse es
heißen: er m u ß alle diese Tätigkeiten in jedem Augenblick aus‑
üben?). Ist diese Notwendigkeit dieselbe, mit der der Stein fallen
„muß“, w e n n ihm die Unterlage entzogen wird? Dann wäre offenbar
übersehen, daß der Mensch Möglichkeiten, die er hat, „ergreifen“
kann, was einem Stein nie „möglich“ ist. Aber richtig ist, daß der
Mensch nicht außerhalb seiner Möglichkeiten überhaupt stehen kann.
Er h a t jeweils schon Möglichkeiten seiner selbst ergriffen. Er ist
immer schon in Möglichkeiten hineingeworfen und kann n u r darum
sich verstehend auf Möglichkeiten entwerfen’).
Ist n u n aber die Einbildungskraft in diesem Sinne eine Möglich‑
keit des Subjekts, auf die es, in sie geworfen, sich entwirft? Keines‑
wegs. Das Sein des Subjekts wird v o n Kant nicht wie hier als
Existenzialität, sondern als Substanzialität interpretiert. Die Seelen‑
vermögen oder -kräfte sind Akzidenzien einer Substanz. Es gibt ver‑
schiedene Arten solcher Akzidenzien des Subjekts. Am erkennenden
Subjekt sind zwei Grundarten zu unterscheiden: die passiv emp‑
fangenen Eindrücke und die spontanen Akte. Letztere heißen im
engeren Sinne „Vermögen“ oder „Kräfte“. Die Einbildungs-Kraft
gehört, nach ihrem Namen zu schließen, z u r Spontaneität; doch ist
sie in der Anthropologie ein Teil der Sinnlichkeit und in der K r. d.
r. V. ein Zwischenvermögen. Schon diese terminologische Schwierig‑
keit ist bezeichnend. Sie meldet sich besonders, wo die Einbildungs‑
kraft als Ve r m ö g e n d e r A n s c h a u u n g auch ohne die Gegen‑
als „Form“ bezeichnet, ist um so weniger getan, als ja auch die Sinn‑
lichkeit an sich schon eine „Form“, Raum und Zeit, hat. Die Zeit
als universale „Form“ der Sinnlichkeit rückt durch diesen ihren
Formcharakter so wenig schon auf die Seite der Spontaneität hin‑
über, daß Kant von einer „Bestimmung“ nicht n u r des empirisch
Gegebenen, sondern auch der Zeit als der reinen „Form“ des mannig‑
faltigen Gebbaren überhaupt sprechen kann. Der Verstand gilt als
das bestimmende Vermögen schlechthin. Wenn aber die grundsätz‑
liche Möglichkeit der Bestimmung v o n Sinnlichkeit überhaupt zur
Diskussion steht, dann muß eine transzendentale Bestimmung der
apriorischen Form der Sinnlichkeit, eine t r a n s z e n d e n t a l e Z e i t ‑
b e s t i m m u n g möglich sein. Eine solche leistet die Einbildungs‑
kraft, die kraft ihrer Spontaneität „a priori den Sinn seiner Form
nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen“ kann'). Sie
tut es durch den transzendentalen Schematismus.
3, D i e E i n b i l d u n g s k r a im
f t Schematismuskapitel.
Daß das 1. Hauptstück der transzendentalen Doktrin der
Urteilskraft, „Von dem Schematismus der reinen Verstandesbegriffe“,
i n enger Beziehung z u dem Problem der t r a n s z e n d e n t a l e n
D e d u k t i o n steht, ist ohne weiteres klar. Doch scheint e s mir
mindestens unvorsichtig zu sein, wenn m a n dies Kapitel v o n vorn‑
herein mit Hilfe der Deduktion der 2. A u fl a g e zu interpretieren
sucht. Ernst Robert C u r t i u s , der in seiner „philologischen Unter‑
suchung“ ”) zwischen einem Subsumtionsschematismus und einem
Synthesisschematismus unterscheidet, versteht den letzteren in engstem
Zusammenhang mit dem Paragraphen 24 der transzendentalen Deduk‑
tion. Er kommt darauf durch Kants eigene Verweisung auf die
Deduktion ®), scheint aber nicht zu bedenken, daß das Schematismus‑
kapitel in derselben Fassung auch schon in der 1. Auflage ent‑
halten war. Wenn also Kant sagt, daß nach der transzendentalen
Deduktion die Kategorien v o n bloß empirischem und nicht auch von
transzendentalem Gebrauche seien, so bezieht er sich primär auf
die Erörterungen über den transzendentalen Gegenstand und die
Unerkennbarkeit der Dinge an sich in der 1. Auflage‘). Als das
Kapitel unverändert in die 2. Auflage übergegangen war, mußte
1) BI178 £.
2) Es ist nicht etwa, wie C u r t i u s meint (S. 363 £.), umgekehrt so, daß der
Schematismus deshalb (auch) als Subsumtion verstanden würde, weil er in der
Doktrin der Urteilskraft vorkommt und die Urteilskraft das Geschäft hat, zu
subsumieren. Man wird auch den Subsumtionsschematismus nicht ohne weiteres
ausschalten dürfen, wenn man nicht die Voraussetzungen der Kantschen Urteils‑
lehre verkennen will.
[419] Die Einbildungskraft bei Kant. 109
1 ) Vgl. das Zitat von A d i c k e s bei Curtius S .338. Ähnlich „fatal“ ist die
„seltsame Vorstellungsweise“ der Schematismuslehre für Heinrich M a i e r , der
dazu bemerkt: „Zum Glück hat diese Betrachtungsweise keine beherrschende
Bedeutung gewonnen.“ Er meint, daß Kant „ v o n Haus aus‘ die Anwendung der
Kategorien auf das sinnliche Mannigfaltige anders verstanden habe, nämlich im
Sinne der Synthesislehre „namentlich in der 2. Auflage“. (Vgl. Wahrheit und Wirk‑
lichkeit, Tübingen 1926, S. 116 f. Anm. 1, S.122 Anm. 2, $. 3 1 6 . Anm. 1.) ‐ Wie
K a n t selbst noch 1798 die Schematismuslehre einschätzte, zeigt folgende Stelle:
„Überhaupt ist der Schematismus einer der schwierigsten Punkte ‐ selbst Hr. Beck
kann sich nicht darein finden. ‐ Ich halte dies Kapitel für eins der wichtigsten.“
(Reicke, Blatt C 2, Heft 1 S. 129.)
2) S. 357. Curtius beruft sich auf Alois R i e h l , bei dem es ähnlich heißt:
„Irre ich nicht, so sind es gerade diese Schemata selbst, welche allein im eigent‑
lichen Sinne Begriffe sind und was darüber hinausliegt, ist n u r noch das Wort das
die Vorstellungen bezeichnet, aber keine für sich irgend faßbare Vorstellung
mehr.“ (A.a.0. S.533.) Ich bin nicht sicher, ob Riehl wirklich dasselbe meint
wie Curtius. Offenbar will er Kant kritisieren, scheint aber dabei n u r das zu ver‑
treten, was Kant mit der Schematismuslehre selbst eigentlich beabsichtigt. Jeden‑
falle sieht er richtig, daß der „Begriff an sich“ und das isoliert betrachtete Ver‑
mögen der Begriffe hier problematisch wird.
3) BITBE.
110 Hermann Mörchen, [420]
1) B 1 9 . 2) B179. 3) A 120.
[421] Die Einbildungskraft bei Kant. 111
1) B179. 2) B f ,
112 Hermann Mörchen, [422]
bildes wird das Aussehen des Gegenstandes (des durch das Abbild
Dargestellten) selbst angeschaut und nicht etwa das Aussehen des
Abbilds, das dann etwa noch Zeichen wäre für das Dargestellte. Jetzt
aber ist v o n einer anderen Art „Bild“ die Rede. Die Zahl fünf kann
nie in derselben Weise dargestellt werden wie etwa ein Haus oder
ein Hund. Sie hat kein anschaubares Aussehen, und daher kann
auch kein Abbild v o n ihr hergestellt werden, in dem ihr Aussehen
indirekt zugänglich würde. Wir haben ferner gesehen, daß „Bild“
drittens den Sinn v o n „ Z e i c h e n “ haben kann i n einem zunächst
weiten Sinne. Wenn die Zahl fünf durch fünf Punkte „dargestellt“
wird, so handelt es sich dabei in der Tat um ein Zeichen. Und zwar
versteht Kant das Zeichen hier wohl als S y m b o l , im Unterschied
v o n Zeichen im engeren Sinne, als „bloßem Zeichen“, Charakter.
Daher legt sich ihm für „Zeichen“ auch der Ausdruck „Bild“ nahe.
Freilich ist, das sei hier noch bemerkt, das Beispiel der fünf
Punkte wenig geeignet, das Wesen des Symbols zu exemplifizieren.
Wenn Symbole, ım Unterschied v o n den Charakteren, Zeichen sind,
deren Anschauungen in einer gewissen sachlichen Analogie mit dem
Bezeichneten selbst stehen und nicht, wie etwa die Zahlzeichen 5
und V, bloß verabredete Bezeichnungsmittel sind, so können freilich
auch fünf Punkte Symbol der Zahl fünf werden. Doch ist damit ihr
spezifischer Zeichensinn noch nicht erfaßt. Denn Symbole werden
ihrem Wesen nach anschauend betrachtet; sie haben ihren Ort in
der Sphäre der theoretischen Erkenntnis (z. B. der symbolischen
Gotteserkenntnis) oder in der Kunst (etwa ein Gerippe mit einer
:Sense als Symbol des Todes). Nun gibt es aber auch Zeichen, die
nicht wie Buchstaben und Ziffern „bloße Zeichen“ sind, deren Be‑
deutung m a n erst lernen muß, die aber auch nicht primär betrachtet
werden wie Symbole. Ein solches Zeichen ist etwa eine zeigende
Hand oder ein Pfeil an einem Wegweiser. Dies Zeichen als „Zeige‑
zeug“, als „Gebrauchsgegenstand“, ist in einem noch ursprünglicheren
Sinne „Zeichen“ als der etwa danebengeschriebene Name der be‑
zeichneten Stadt; m a n versteht es als Zeichen auch dann, wenn man
sich nicht theoretisch die Analogie zwischen dem Pfeil und so etwas
wie Richtung klarmacht. Natürlich kann m a n ein solches Zeichen‑
ding auch als Abbild von etwas, nämlich als Abbild eines Pfeiles,
betrachten; aber dann wird es nicht als Zeichen verstanden. Dies
geschieht n u r dann, wenn m a n e s gar nicht b e t r a c h t e t , sondern
ihm f o l g t . Es ist charakteristisch, daß diese Art Zeichen, die in
der von uns besorgten Umwelt so häufig sind, bei Kant infolge seiner
Orientierung auf die Möglichkeit einer bestimmten Art von theore‑
[423] Die Einbildungskraft bei Kant. 113
tischer Erkenntnis gar nicht in den Blick kommt. Wenn wir nun
dies einem Zeichen gehorchende „Folgen“ so weit formalisieren, daß
es seine umwelt-räumliche Bedeutung verliert, dann wird deutlich,
daß auch jene fünf Punkte als „ B i l d “ der Zahl fünf primär ein
„Zeichen“ in diesem Sinne sind. Sie als Zeichen verstehend, „folgen“
wir ihnen, indem wir sie zählend durchlaufen und, am Ende an‑
gelangt, „fünf“ sagen. Wenn sie wirklich ein „Bild der Zahl fünf“
sein sollen, dürfen wir sie nicht als Punktreihe betrachten, sondern
müssen sie zählen. Kant aber läßt nicht n u r den Unterschied des
Umweltzeichens vom betrachteten Symbol, er läßt auch den des
Symbols und Zeichens überhaupt v o m Abbild und primären An‑
schauungsbild unerörtert und faßt alles u n t e r dem gemeinsamen
Namen „ B i l d “ zusammen. „ B i l d “ hat demnach, w e n n nicht aus‑
drücklich eine bestimmtere Bedeutung fixiert wird, den Sinn: in
einer sinnlichen Anschauung Aufweisbares überhaupt. Auch in der
Umwelt Begegnendes, das primär überhaupt nicht betrachtet wird,
wird in das Ganze möglicher „Bilder“ mit einbezogen.
Was aber ist, im Unterschiede v o m Bild, das Schema? Dazu
muß zunächst eine Eigentümlichkeit aller „Bilder“, wie weit m a n
den Begriff auch fassen mag, hervorgehoben. werden: im Herstellen
v o n Bildern hat die Synthesis der Einbildungskraft eine e i n z e l n c
Anschauung z u r Absicht. In einem primären Anschauungsbild wird
immer ein Dieses angeschaut. Ein Abbild stellt ebenfalls stets ein
Dieses dar. Ein Zeichen hat sich, u n t e r vielem Bezeichenbaren,
immer schon f ü r e i n e s entschieden. Wenn eine Punktreihe „Bild“
für eine Zahl sein soll, so ist sie immer schon Bild einer b e ‑
s t i m m t e n Zahl, oder sie ist nicht Bild. Selbst w e n n die Punkte
so zahlreich sind wie die Sterne am Himmel, ist die Zahl, für die
sie Bild sein mögen, eine bestimmte, mag sie im Sinne der rechne‑
rischen Bestimmung auch noch so unbestimmt sein. Im Schemati‑
sieren dagegen hat die Synthesis der Einbildungskraft „keine einzelne
Anschauung, sondern die Einheit in der Bestimmung der Sinnlichkeit
allein z u r Absicht“. Das Schema ist also durch Unbestimmtheit alles
Einzelnen, das u n t e r einem die Sinnlichkeit bestimmenden Begriff
möglich ist, charakterisiert. Ferner liegt in ihm ein Hinblick auf das‑
jenige, was den Umkreis der Möglichkeiten dessen, was u n t e r einem
Begriff enthalten sein kann, umgrenzt. Das Worauf dieses Hinblicks
ist der Begriff selbst. Dieser schließt also auch Möglichkeiten aus.
Das Schema gibt demnach nicht das absolut Unbestimmte. Aber
soweit durch den Begriff selbst noch keine Bestimmung präjudiziert
ist, ist das im Schema Gegebene unbestimmt. Diese Unbestimmtheit
114 Hermann Mörchen, [424)
1) B 186,
2) In laxerem Sprachgebrauch kann Kant sogar m i t dem Ausdruck „Schema“
das (schematische) Bild selbst meinen, z. B. B 742.
[425] Die Einbildungskraft bei Kant. 115
erreichen, welche macht, daß dieser für alle, recht- oder schief‑
winklige usw. gilt, sondern immer n u r auf einen Teil dieser Sphäre
eingeschränkt sein. Das Schema des Triangels kann nieınals anderswo
als in Gedanken existieren, und bedeutet cine Regel der Synthesis
der Einbildungskraft, in Ansehung reiner Gestalten im Raume“').
„ B i l d “ wird man hier als das primäre Anschauungsbild der mathe‑
matischen Einbildung zu verstehen haben, da ein Triangel im mathe‑
matischen Sinne nie durch ein Abbild angemessen darstellbar ist.
Freilich ist ein Bild eines einzelnen Triangels für den Mathematiker
überhaupt irrelevant. Der Mathematiker hat es vielmehr mit dem
Schema des Dreiecks zu t u n . Das Schema n u n entsteht nicht
dadurch, daß ich alles Individuelle aus dem Dreieck herausstreiche.
Es würde dann schlechterdings nichts auch n u r der Möglichkeit nach
Anschaubares mehr bleiben. Als Produkt der Einbildungskraft aber
muß das Schema zu einem Begriff etwas der Möglichkeit nach An‑
schaubares sein; n u r dadurch kann es ein Bild möglich machen. Wie
kann aber etwas anschaubar sein und dennoch kein Bild?
Wir suchen dies zu verdeutlichen an der Weise, wie der Mathe‑
matiker das Bild eines Dreiecks, oder besser: das Dreieck selbst bild‑
haft anschaut’). Er betrachtet das Dreieck nicht als dieses indivi‑
duelle Dreieck, er hat nicht Acht auf die zufällige Größe seiner Seiten
und Winkel. Er stellt es vielmehr gewissermaßen als ein hypothe‑
tisches Dreieck v o r, mit dem Vorbehalt, daß esin seiner individuellen
Besonderheit auch anders sein könnte. Er sieht die anderen Mög‑
lichkeiten seiner Diesheit mit, nicht als einzelne, sondern indem er
sie in ihrer Ganzheit überschlägt und im Überschlag gegenwärtig hat.
Alle zufälligen Eigentümlichkeiten des Bildes sind gleichsam in einem
ständigen Verschwinden und ergänzen sich ständig n e u und anders.
In dieser Weise das B i l d sehend, s i e h t er das Schema des
Dreiecks. Das Schema des Dreiecks ist gleichsam das Bild eines Drei‑
ecks, dessen Schenkel in ständiger Drehbewegung, Verkürzung und
Verlängung, dessen Eckpunkte in ständiger spielender Verschiebung
gegeneinander sind, doch so, daß jedes im Schematisieren ermöglichte
Bild noch die allgemeinen Charakteristika des Dreiecks aufweist?).
Daher kann Kant das Schema als Vorstellung v o n einem allgemeinen
Ve r f a h r e n der Einbildungskraft bezeichnen. Das Schema ermöglicht
ein B i l d dadurch, daß der Prozeß des Schematisierens gleichsam zum
Stehen kommen kann. Doch darf dies „Gleichsam“ nicht übersehen
werden. Das Schema ist ja nicht ein kontinuierliches Nacheinander
sie v o n dem Einzelnen, das sie bildend durchläuft, wegsieht auf das
Allgemeine. Das durch die Einbildungskraft bewirkte Schema macht
das Allgemeine in dem individuellen Bilde sichtbar; dadurch wird
die bloße Wahrnehmung erst eigentliche Erkenntnis, nämlich Er‑
kenntnis des Allgemeinen, des Immerseienden der Natur bzw. des
Bestehenden der Mathematik. Diese Erkenntnis drückt sich in den
allgemeinen Begriffen des Verstandes aus, die den Zusammenhang
des in i h r Erkannten regeln. Wird n u n am Schema, im Unterschied
v o m Bilde, n u r das Allgemeine gesehen, das im Schematisieren am
zunächst wahrgenommenen Einzelnen sichtbar wird, eo kann das
Schema selbst ale R e g e l definiert werden. Dabei geht aber die
eigentümliche Doppelseitigkeit der Schemastruktur verloren, und n u r
ein Fragment des ursprünglich Gesehenen wird begrifflich formuliert.
Die Bestimmung des Schemas des Triangels als einer „Regel der
Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung reiner Gestalten im
Raume“ wird dem Phänomen selbst nicht voll gerecht, weil darin
die Eigenart des Schemas nicht z u r Geltung kommt, daß es die b i l ‑
dende Synthesis der Einbildungskraft nicht n u r regelt, sondern sie
allererst m ö g l i c h macht, indem es die im Begriff entworfenen
Möglichkeiten reiner Raumgestalten als solche vor-zeichnet.
Wenn Kant sagt, daß das Schema „niemals anderswo als in Gedanken
existieren“ könne, so ist das natürlich richtig, sofern es als onto‑
logische Bedingung alles Bildens nicht selbst als ontisches Abbild
herausgestellt werden kann. Doch darf es gerade deswegen nicht
ontisch als „bloßer‘‘ Gedanke oder Begriff verstanden werden.
Nachdem Kant das Wesen des Schemas am Beispiel des Schemas
eines reinen sinnlichen Begriffs, des Triangels, erörtert hat, geht er
zu dem Schema eines empirischen Begriffs über, wobei er zunächst
die eben gewonnene Definition des Schemas als einer Regel festhält.
„Noch viel weniger“ als das Bild eines reinen sinnlichen Begriffs
„erreicht ein Gegenstand der Erfahrung oder Bild desselben jemals
den empirischen Begriff, sondern dieser bezieht sich jederzeit un‑
mittelbar auf das Schema der Einbildungskraft, als eine Regel der
Bestimmung unserer Anschauung, gemäß einem gewissen allgemeinen
Begriffe. Der Begriff v o m Hunde bedeutet eine Regel, nach welcher
meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Tieres allgemein
verzeichnen kann, ohne auf irgendeine einzige besondere Gestalt, die
mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes mögliche Bild, was
ich in concreto darstellen kann, eingeschränkt zu sein“'). Curtius?)
1 ) B 180. 2) 5. 357-359,
120 Hermann Mörchen, [430]
legt großen Wert auf diese Stelle; sie steht nach ihm zwar zum Vor‑
hergehenden und z u r ganzen Schematismuslehre in schroffem Wider‑
spruch, „harmoniert dafür aber umsomehr mit unserer eigenen
psychologischen Erfahrung“. Sonst werde bei Kant zwar zwischen
Begriff und Schema stets scharf geschieden, doch sei es „uns kaum
möglich, aus unserem inneren Erleben heraus die Koexistenz von
Schema und Begriff eines Hundes, oder eines Triangels, als distinkter
Faktoren nachzufühlen“. Daher werde hier, insbesondere in dem
Passus: „Der Begriff v o m Hunde bedeutet eine Regel“, da Regel gleich
Schema sei, das Schema identifiziert „ m i t dem was wir uns unter
Begriff denken“.
Zunächst ist einzuräumen, daß Kants Definition des Schemas als
„Regel der Bestimmung unserer Anschauung, gemäß einem gewissen
allgemeinen Begriffe‘ nicht ungeeignet ist, zu einer solchen Deutuug
zu verführen. Trotzdem sollte unmißverständlich sein, daß in dem
folgenden Satze mit „Regel“ nicht das Schema überhaupt, sondern
n u r das Worauf seines Hinblicks gemeint sein kann. Denn die Ein‑
bildungskraft, deren Tätigkeit hier „geregelt“ wird, i s t ja nicht wie
im Schlußsatz des Triangelabschnitts die b i l d e n d e , sondern die
s c h e m a t i s i e r e n d e Einbildungskraft. Wäre also Regel gleich
Schema, so würde der Satz besagen, daß das Schema sich selbst regelt,
was Kants Meinung offenbar nicht sein kann. Vielmehr wird die
Definition des Schemas als Regel hier gerade wieder fraglich. Die
schematisierende Einbildungskraft, die die Möglichkeiten der Dar‑
stellung oder Inblicknahme v o n „ H u n d “ schon überschaut hat, ehe
es möglich ist, ein begegnendes vierfüßiges Tier v o n einer gewissen
Gestalt als Hund anzusprechen, ist zunächst v o n dem isolierten Ver‑
stande gerade verschieden. Denn dieser „schaut“ zunächst gar nicht,
sondern er hält gleichsam n u r die Definition des Hundes, die als
fester Besitz im Gemüt vorhanden ist, bereit, um gelegentlich die
Subsumtion eines Begegnenden u n t e r sie zu gestatten. Curtius hat
recht, w e n n er diesem unphänomenologischen Ansatz gegenüber auf
unsere „psychologische Erfahrung“ verweist, die ein solches Neben‑
einander v o n Begriff und Schema, v o n Verstand und Einbildungskraft
nicht kenne. Aber auch f ü r Kant ist dies Nebeneinander das Un‑
erträgliche. Nur sucht er das Problem nicht, wie Curtius v o n v o r n ‑
herein annimmt, durch eine Einordnung der schematisierenden Ein‑
bildungskraft in den Verstand zu lösen. Man wird K a n t nicht gerecht,
wenn m a n v o n seiner knappen und einseitigen Definition des Schemas
aus die Verworrenheit der an den drei Beispielen orientierten Unter‑
suchung kritisiert. Auch w a r die Einbildungskraft ja vorher schon
[431] Die Einbildungskraft bei Kant. 121
1) 8. 357. 2) B 1 8 0 . 3) B 181.
122 Hermann Mörchen, [432]
Wann aber habe ich denn überhaupt ein Interesse daran, mich
dieser „Ausmalung“ zu enthalten? Dann, wenn ich in einem be‑
stimmten theoretischen Verhalten das allgemeine Wesen des Hundes
überhaupt herauszustellen suche. Hieran werde ich durch die sich
aufdrängenden individuellen Bilder gehindert. Ich habe die Aufgabe,
einen Begriff des Hundes zu gewinnen, der nicht auf diese bestimmten
Bilder eingeschränkt ist. Dieser allgemeine Begriff ist aber Schema.
Er ist nicht etwas, was mit sinnlichen Bildern überhaupt nichts zu t u n
hat, sondern er enthält sie alle als seine möglichen Exemplare schon in
sich. Ich kann n u r verhindern, daß der Begriff sich in einem bestimmten
Bilde darstellt, aber ich kann die Tendenz, sich überhaupt zu verbild‑
lichen, nicht aus ihm herausstreichen, ohne das Wesen des Begriffs
zu einem kümmerlichen Fragment zu verstünmmeln. Der Begriff ist
seinem Wesen nach Ergreifen einer in ihm begriffenen Möglichkeit
eines Anschaubaren; der abstrakte theoretische Begriff, in dem ich
auf dies Ergreifen verzichte, ist n u r ein Modus dieses Ergreifens.
Das Ergriffene in diesem Begriff hat jetzt n u r den Charakter der
Beliebigkeit. Diesen Sinn hatte die Rede v o n einem Anschauen n u r
möglicher Bilder im Aktus der schematisierenden Einbildungskraft').
Die vorbereitende Analyse von Bild und Schema mußte auch
den Begriff, der selbst bei Kant ‐ wie genau genommen übrigens
auch das Bild ‐ nicht z u m Thema wird, in seinem Wesen näher
bestimmen und hat dadurch schon deutlich gemacht, daß die Lehre
v o m Schematismus die einheitliche Grundstruktur des in einer be‑
stimmten theoretischen Verhaltung existierenden Subjekts aufweisen
will. Die Untersuchung ist n u n zu der Hauptfrage nach der Mög‑
lichkeit der Anwendung der K a t e g o r i e n auf sinnliche Gegen‑
stände zurückzulenken.
1) Kant hat auf das Problem, um das es in dieser Analyse des Schemabegriffs
geht, schon in der P ö l i t z s c h e n Metaphysik hingewiesen. Er unterscheidet dort
einen doppelten Gebrauch des Verstandes, in abstracto und in concreto. Im ab‑
strakten Gebrauch ist der Verstand das Vermögen der Begriffe (nämlich der „Be‑
griffe an sich“), im konkreten das Vermögen der Beziehung allgemeiner Begriffe
auf besondere Fälle. Durch eine solche Beziehung wird der Verstand „aus‑
gebreitet‘, „extensiv klarer“. Der Gebrauch des Verstandes in concreto besteht
darin, daß m a n die allgemeinen Regeln in der Erfahrung anwendet. Kant u n t e r ‑
scheidet diesen Verstand v o n der Urteilskraft als einem Vermögen, zu wissen, ob
ein gegebener Fall u n t e r eine Regel gehöre; „der Verstand in concreto ist n u r ein
Erinnerungsvermögen der allgemeinen Regel; allein dadurch kann man noch nicht
unterscheiden, ob der gegebene Fall u n t e r die Regel gehöre. Die Urteilskraft ist
aber ein Unterscheidungsvermögen“. (Pölitz $. 162.) Bemerkenswert ist, daß die
„Anwendung“ des Verstandes durch das „Erinnerungsvermögen“, also durch eine
der zeitlichen Tätigkeiten der bildenden Kraft, ermöglicht wird.
124 Hermann Mörchen, [434]
wäre also das, worin die Kategorie einen möglichen Anblick ihrer
selbst verschaffen könnte. Das Schema der Kategorie läge der Zeit
als reinem Bilde zugrunde und wäre die Möglichkeit dafür, daß in
Zeit überhaupt die Kategorie sichtbar werden könnte. Das transzen‑
dentale Schema ist n u n in der Tat eine „Bestimmung des inneren
Sinnes überhaupt, nach Bedingungen seiner Form, der Zeit“. „Die
Schemate sind daher nichts als Z e i t b e s t i m m u n g e n a priori nach
Regeln‘“'). Dies ist aber noch völlig ungeklärt. Was versteht Kant
u n t e r einer transzendentalen Zeitbestimmung? Welche Beziehung hat
das Schema als solches z u r Zeit?
Zur Struktur des Schemas gehört, wie wir sahen, der unthema‑
tische Hinblick auf einen Begriff, in dem vorgängig ein Umkreis v o n
Möglichkeiten schon umgrenzt ist und diese Möglichkeiten als solche
ergriffen sind. Aber noch ein zweiter, ebenfalls unthematischer
Hinblick ist f ü r das Wesen des Schemas mitkonstitutiv. Das Schema,
sagten wir, hat in sich selbst eine Beziehung auf mögliche konkrete
Bilder, insofern es diese allererst möglich macht. Als anschauliche
setzen die Bilder die Zeit als Form der Anschauung schon voraus.
Nur im Hinblick auf Zeit als das, was eine primäre Ordnung des
anschaulich begegnenden Mannigfaltigen, d. h. aber das Begegnen‑
lassen v o n Mannigfaltigem überhaupt erst ermöglicht, können Bilder
zugänglich werden. Das Schema, w e n n es Bilder möglich machen
soll, muß also den Hinblick auf Zeit schon enthalten. Wiederum
wird die Zeit in diesem Hinblick auf sie nicht thematisch z u m Gegen‑
stand, sondern ist die Möglichkeit dafür, daß Mannigfaltiges im Bilde
thematisch begegnet.
Das Schema ist ein Produkt der Einbildungskraft, als deren
zentrale Funktion wir die S y n t h e s i s kennengelernt haben: Das
Schema v e r b i n d e t also das bloße Mannigfaltige der Zeit zu einem
möglichen Bilde. Diese Synthesis kann jetzt, als schematisierende
Synthesis, zugleich als B e s t i m m u n g verstanden werden. Die Art
der Synthesis des begegnenden Mannigfaltigen wird im Schema
durch den Begriff des Verstandes vorgezeichnet. Der Botaniker z. B.
„bestimmt“ das Mannigfaltige der ihm vorgegebenen Pflanzen, indem
er ihre „Bilder“ als Schemabilder, als Exemplare sieht. In den ein‑
zelnen Bildern wird ihm der Begriff sichtbar. Gerade weil das Schema
das Einzelne „unbestimmt“ läßt, vermag es dieses zu „bestimmen“.
Schon das Schema überhaupt kann daher als „Zeitbestimmung“
gekennzeichnet werden. Gleichsam akut wird das freilich erst, wenn
1) B 184.
126 Hermann Mörchen, [436]
1) B 185-187.
128 Hermann Mörchen, [438]
3. Abschnitt.
Die Einbildungskraft in der Kritik der ästhetischen
Urteilskraft.
War schon in der Kritik der reinen Vernunft der Begriff der
Einbildungskraft dunkel und zweideutig, so gilt das in vielleicht
noch höherem Grade von der Einbildungskraft in der Kritik der
Urteilskraft. Dort w a r das Problem, in dessen Zusammenhang die
Einbildungskraft gehört, v o n vornherein als ein verhältnismäßig
einheitliches faßbar. Das Auseinanderklaffen v o n Rezeptivität und
Spontaneität forderte eine Vermittlung zwischen beiden, und hierfür
scheint die Einbildungskraft geeignet. In der K r. d . Ü U . dagegen läßt
sich zunächst gar kein rechter Ansatzpunkt gewinnen. Die Ein‑
bildungskraft t r i t t mit der Selbstverständlichkeit eines längst Be‑
kannten auf und scheint keiner weiteren Erörterung zu bedürfen.
Das gute Recht dieser Selbstverständlichkeit liegt offenbar darin, daß
eine Untersuchung des Schönen und der Kunst jedenfalls in irgend‑
einem Sinne m i t der Einbildungskraft zu t u n haben muß. Dem‑
entsprechend kommt die Einbildungskraft nicht, wie in der K r. d .
r. V., n u r hier und da in einem besonderen Zusammenhang einmal vor,
sondern tritt in fast allen Partien des 1. Teils, der K r i t i k der ästhe‑
tischen Urteilskraft, gelegentlich oder häufig auf. Dieser äußeren
Bedeutung entspricht aber nicht die phänomenale Verdeutlichung.
Hinzukommt, daß die durcheinandergehenden Beziehungen zu den
anderen Erkenntniskräften (Verstand, Vernunft, Urteilskraft) den
Eindruck der Zerrissenheit entstehen lassen.
spielen. Und zwar sind es ihrer zwei, die Einbildungskraft und der
Verstand. Der Verstand ist das „Vermögen der Begriffe‘, die Ein‑
bildungskraft das „Vermögen der Anschauungen a priori“, das hier
nicht die Herstellung v o n Bildern z u m Zwecke der Erkenntnis,
sondern die Auffassung (apprehensio) der bloßen Form eines Gegen‑
standes der Anschauung zu leisten hat. Die „Angemessenheit“ des
Objekts zu den Erkenntnisvermögen findet dann statt, wenn beide
Erkenntnisvermögen durch die Vorstellung des Objekts „unabsichtlich
in Einstimmung versetzt“ werden und „dadurch ein Gefühl der Lust
erweckt wird“ ’).
Schon hier ließe sich eine Fülle von Fragen anknüpfen. Was
sollen hier die Erkenntnisvermögen? Wie ist die Einstimmung v o n
Einbildungskraft und Verstand zu denken? Wie „vergleicht“ die
Urteilskraft die Anschauung der Form des Objekts „mit ihrem Ver‑
mögen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen“? Was heißt über‑
haupt „Form des Objekts“? Und was „Angemessenheit“ des Objekts
zu den Erkenntnisvermögen?
Wir gehen über z u m 1. Abschnitt der Kritik der ästhetischen
Urteilskraft, der A n a l y t i k d e r ä s t h e t i s c h e n U r t e i l s k r a f t
und deren 1 .Buch, der A n a l y t i k des S c h ö n e n . Gleich i m ersten
Satz begegnet die Einbildungskraft. Kant betont wieder, daß das
Geschmacksurteil kein Erkenntnisurteil ist. Die Vorstellung wird
nicht durch den Verstand auf das Objekt z u r Erkenntnis, sondern
durch die Einbildungskraft (vielleicht m i t dem Verstande verbunden)
auf das Subjekt und das Gefühl der Lust und Unlust bezogen. Das
Geschmacksurteil ist nicht logisch, sondern ästhetisch, und zwar wird
„ästhetisch“ als s u b j e k t i v verstanden. Das Gefühl der Lust und
Unlust gibt gar nichts Objektives, sondern in ihm fühlt das Subjekt
s i c h s e l b s t , „wie es durch die Vorstellung affiziert wird“; es wird
bezeichnet als „Lebensgefühl“ des Subjekts?). Welche Beziehung hat
die Einbildungskraft z u m Gefühl der Lust und Unlust? Warum wird
das subjektive Gefühl als ästhetisch bezeichnet? Wenn das Geschmacks‑
urteil nichts am Objekt namhaft macht, wieso h a t es dann überhaupt
ein „Objekt“? Wast i s t dies „Objekt des Wohlgefallens‘ °)?
Im $ 9, v o n dem Kant sagt, er sei „der Schlüssel zur Kritik
des Geschmacks und daher aller Aufmerksamkeit würdig“ ‘), wird
deutlicher, warum Kant die Erkenntnisvermögen überhaupt einführt.
1) 8.73. 2) 8.73.
136 Hermann Mörchen, [446]
1) 8.73. 2 ) 5.74.
[447] Die Einbildungskraft bei Kant. 137
lichen Maße dient. Das Problem entsteht für Kant dadurch, daß er
die „Bilder“ als etwas, „wenngleich nicht hinreichend z u m Bewußt‑
sein“, in der Seele Vorhandenes interpretieren muß. Die Entstehung
eines Normalbildes erklärt er dann nach Analogie des Verfahrens der
Statistiker, wenn sie eine Durchschnittsgröße bestimmen wollen. Die
Einbildungskraft läßt etwa die Bilder v o n tausend einmal gesehenen
Mannspersonen, die unbewußt im Gemüt aufbewahrt sind, aufein‑
anderfallen, und wo gleichsam die meisten Umrißlinien sich decken,
da wird die mittlere Größe kenntlich. Oder die Einbildungskraft
könnte auch die tausend Höhen, Breiten usw. addieren und die
Summe durch tausend dividieren. Jedoch denkt Kant es sich so, daß
die Einbildungskraft ihr Ziel „durch einen dynamischen Effekt“
erreicht, „der aus der vielfältigen Auffassung solcher Gestalten auf
das Organ des inneren Sinnes entspringt“). Dergleichen Erklärungen
m u t e n uns recht primitiv an. Sie sind für den Zusammenhang u n ‑
wesentlich und n u r insofern von Interesse, als sie zeigen, auf welche
Schwierigkeiten m a n stoßen kann, wenn man das „Subjekt“ und die
„Gemütskräfte“ als etwas n u r Vorhandenes interpretiert.
Man wird fragen, warum die Normalidee überhaupt eingeführt
wird, und was Durchschnittlichkeit m i t Schönheit zu t u n hat. Schön‑
heit ist für Kant allgemeingültig beurteilte Schönheit. Beurteilung
aber ist n u r mit Hilfe einer a priori m ö g l i c h e n Normalidee
überhaupt möglich. Die konkrete Normalidee ist z war v o n den
Proportionen, die die Erfahrung bietet, abgeleitet; aber diese Pro‑
portionen an sich geben noch nichts dergleichen wie eine R e g e l
der Beurteilung. Erst durch die Normalidee werden Regeln der
Beurteilung möglich. Die Beurteilung eines Gegenstandes enthält
einen Hinblick auf „das zwischen allen einzelnen, auf mancherlei
Weise verschiedenen Anschauungen der Individuen schwebende
Bild für die ganze Gattung, welches die Natur z u m Urbilde ihrer
Erzeugungen in derselben Spezies unterlegte, aber in keinem Ein‑
zelnen völlig erreicht zu haben scheint“”). Die Einführung der
Normalidee zeigt, daß bei Kant alles Seiende, das als schön beurteilt
werden kann, stillschweigend verstanden wird als etwas, was nach
einem Urbilde hergestellt ist. Schönheit ist etwas an einem Her‑
gestellten Vorfindliches. Das hergestellte, geschaffene Seiende der
Natur, das Vorhandene, ist selbstverständlich auch dann schon
gesetzt, w e n n nicht v o n dem vorhandenen Objekt der naturwissen‑
schaftlichen Erkenntnis, sondern von dem „Objekt des Wohlgefallens“
1) 8.75. 2 ) S .76.
138 Hermann Mörchen, [448]
1) 8. 77. 2) S. 74.
140 Hermann Mörchen, [450]
gewahrt bleiben? Und gefallen dem einen nicht diese, dem anderen
jene Formen? Kant hat an diesen empirischen Verschiedenheiten
kein Interesse, denn seine Untersuchung ist nicht psychologisch.
Seine Absicht geht vielmehr, freilich unausdrücklich, auf eine Onto‑
logie des Daseins, das in der Welt des Schönen existiert. Zu diesem
Dasein gehört die Möglichkeit des freien Spiels der Einbildungskraft.
Und z w a r muß diese Möglichkeit als eine ganz bestimmte durch die
ontologische Struktur des Daseins überhaupt vorgezeichnet sein. Dem‑
gemäß ist die Freiheit, die dem Spiel der Einbildungskraft gelassen
ist, ebenfalls eine bestimmte. Die nähere Bestimmung dessen, w o z u
das einbildende Dasein Freiheit hat, kann n u r durch eine thematische
Ontologie des Daseins gewonnen werden. Vielleicht läßt sich der
Kantsche Gedanke, daß e s ein I d e a l d e r S c h ö n h e i t gibt, i n
seinem Ansatz, w e n n auch nicht in seiner Durchführung, verstehen
als ein Versuch, die scheinbar indifferente Freiheit der Einbildungs‑
kraft in gewisser Weise zu bestimmen und ihr ihren ontologischen
Ort anzuweisen. Wenn es dem Dasein, im Unterschied v o n den v o r ‑
handenen Dingen der Natur, insofern es i s t , wesenhaft um dies
sein eigenes Sein und Sein-können geht, dann muß es auch dem Ein‑
bilden schöner Formen, als einer Verhaltung des Daseins, darum zu
t u n sein, seine eigene Möglichkeit zu ergreifen. D e r Hinblick auf
das Ideal der Schönheit läßt sich vielleicht als die Weise dieses
Selbstentwurfs des einbildenden Daseins auf seine eigene Möglichkeit
interpretieren. I s t so das freie Spiel der Einbildungskraft in ganz
bestimmter Weise ausgerichtet, und kann es n u r auf Grund dieser
primären Ausrichtung als ,„zwecklos“ und deshalb auch in seinen
empirischen, intersubjektiv verschiedenen Formen beliebig bestimmt
werden, so ist diese Beliebigkeit kein Hinderungsgrund mehr dafür,
daß die Schönheit eines bestimmten Schönen für jedermann Schönheit
ist. Denn das zweckloseste und beliebigste Spiel der Einbildungskraft
enthält immer noch eine Ausrichtung auf das Umwillen dieser Zweck‑
losigkeit und verleiht dadurch der Schönheit das i h r eigentümliche
„Allgemein-Menschliche“. Nichts anderes aber kann m i t dem An‑
spruch des „ästhetischen Urteils“ auf Allgemeingültigkeit gemeint sein.
1) $ 23, 5. 88.
[455] D i e Einbildungskraft bei Kant. 145
furchtbarer er ist, w e n n w i r u n s n u r in S i c h e r h e i t b e ‑
fi n d e n ' ) ; und w i r nennen diese Gegenstände gern erhaben, weil
sie die Seelenstärke über ihr gewöhnliches Mittelmaß erhöhen und
ein Vermögen zu widerstehen v o n ganz anderer Art in uns entdecken
lassen, welches u n s Mut macht, u n s mit der scheinbaren Allgewalt
der Natur messen zu können“?). Wie im theoretischen Betrachten
das Seiende als harmlos Vorhandenes begegnet, dem wir uns objekti‑
vierend als Subjekt gegenüberstellen, so wissen wir u n s auch im
Anblick des Erhabenen ungefährdet und gesichert.
Sicherheit wird aber stets als mehr oder weniger momentane
Sicherheit verstanden; dergleichen gibt es n u r in einem Dasein, das
wesentlich ungesichert ist und stets auf Sicherung bedacht sein muß.
Es geht daher nicht an, die „Sicherheit“ als Eigenschaft dem Dasein
zuzuschreiben, in dem allein so etwas wie Anblick eines Erhabenen
möglich ist. Wir haben vorsichtiger zu formulieren: im Fühlen der
Erhabenheit eines begegnenden Seienden lebt das Dasein in der
Tendenz, sein Sein als gesichertes zu interpretieren. Diese Tendenz
führt zu einer eigentümlichen Objektivierung, die v o n der theore‑
tischen Objektivierung wohl zu unterscheiden ist. Während im
theoretischen Hinsehen der Blick sich zu einer „objektiven“ Fest‑
stellung der am Objekt vorfindlichen Bestimmungen v e r b i n d e t ,
liegt im Ansehen eines Erhabenen gerade die Tendenz, v o n der
Bindung a n das Objekt l o s z u k o m m e n und e sgleichwohl i n seiner
Mächtigkeit andringen zu lassen. Darum ist das „Vermögen“ d i e s e r
Objektivierung die produktive Einbildungskraft, die nicht wie die
reproduktive an das Tatsächliche gebunden ist. Ihre Freiheit ist aber
auch nicht die bloße Unabhängigkeit eines Vorhandenen. Die Ein‑
bildungskraft ist in einer B e w e g u n g , die durch ein Wechseln v o n
„Hemmung“ und „Ergießung“ der „Lebenskräfte‘“ konstituiert wird.
Das Dasein, das sich eben ungehemmt und frei fühlt, droht je schon
wieder der Macht des Begegnenden zu erliegen. Das, was wir erhaben
nennen, ist „gleichsam gewalttätig für die Einbildungskraft“°). Darum
ist ein „Ernst“ in der Beschäftigung der Einbildungskraft, den das
theoretische Betrachten v o n Vorhandenem nie haben kann.
Aber wird durch diese Betonung der Verwurzelung der Ein‑
bildungskraft in dem bedrohten und auf Sicherheit bedachten Dasein
die Interpretation Kants nicht in eine ganz andere Richtung gedrängt?
Betont Kant nicht gerade, daß die Einbildungskraft n u r der Vernunft
dient, d.h. daß wir im Vorstellen des Erhabenen „ein Vermögen zu
1) $ 24, 5. 91.
2) S c h i l l e r hat das Problem der Einheit der in „sinnlichen Trieb“ und
„Formtrieb“ gespaltenen menschlichen Natur als das Grundproblem der Ästhetik
bezeichnet; er findet diese Einheit im „Spieltxieb“. (Vgl. Über die ästhetische
Erziehung des Menschen, besonders 13., 18. und 19. Brief.)
3) Wie zwischen den auseinanderklaffenden psychologischen Vermögen, so
vermittelt die Einbildungskraft (wie die ganze Kritik der Urteilskraft, vgl. be‑
sonders den Abschnitt I I I der Einleitung „Von der Kritik der Urteilskraft als
einem Verbindungsmittel der zwei Teile der Philosopbie zu einem Ganzen“,
$5.12‐15) auch zwischen den Sphären der theoretischen und praktischen Philo‑
sophie. C o h e n (Kants Begründung der Ästhetik, besonders S. 2 3 8 2 6 4 ) betont
m i t Recht, daß auch die Lehre v o m Schönen, nicht nur die v o m Erhabenen, mittels
der Einbildungskraft eine Beziehung auf das Moralische erhält. Freilich verdeut‑
licht er das Wesen der Einbildungskraft nicht aus der Struktur des Daseins über‑
haupt und fragt nicht nach der eigentümlichen Intentionalität der Objektivierung
des „Objekts des Wohlgefallens“. Einerseits sieht er, daß Kant das ästhetische
Urteil in so große Gleichartigkeit m i t dem Erkenntnisurteil bringt, daß seine
Selbständigkeit gefährdet wird (S. 180 f.), und stellt die Frage, ob Einbildungskraft
und Verstand wirklich geeignet sind, das Ganze der „Vorstellungskräfte“ zu ver‑
t r e t e n (S. 171). Andererseits lehnt er die Frage nach der „Bewußtheit“, der
Faktizität des Bewußtseins in seinen verschiedenen Modifikationen, als unwissen‑
schaftlich und ins Dunkel führend ab; denn Lust und Unlust entbehrten aller
objektiven Kriterien, und es sei und bleibe unergründlich, worin sie beständen
und was sie besagten (S.153f.). Er resigniert wie Kant v o r diesen unerforsch‑
lichen Gründen der Subjektivität, auf die ihn ein sicherer philosophischer Instinkt
führt; seine psychologischen Methoden reichen zu ihrer Aufdeckung nicht zu.
148 Hermann Mörchen, [458]
1) 8. 116.
[467] Die Einbildungskraft bei Kant. 157
1) $ 26, S. 101.
158 Hermann Mörchen, [468]
die Idee oder das Vermögen der Ideen im Bilden eines „Naturgegen‑
standes“ „ g e f ü h l t “ , indem dies Bilden nicht gelingen will, das
bildende „Subjekt“ aber gleichwohl seine Distanz zu wahren vermag.
Kant bleibt an der theoretisch-messenden Darstellung orientiert und
muß daher immer wieder betonen, daß Ideen nicht darstellbar sind.
Er scheint zu übersehen, daß sie eine Darstellung d i e s e r Art auch
gar nicht v e r l a n g e n . D a e r das Bilden des Erhabenen gleichwohl
als Darstellung der Vernunftidee kennt, muß er zu einem doppelten
Begriff v o n „Darstellung“ gelangen: „Buchstäblich genommen und
logisch betrachtet, können Ideen nicht dargestellt werden. Aber w e n n
wir unser empirisches Vorstellungsvermögen ... für die Anschauung
der Natur erweitern, so t r i t t unausbleiblich die Vernunft hinzu, als
Vermögen der Independenz der absoluten Totalität, und bringt die
obzwar vergebliche Bestrebung des Gemüts hervor, die Vorstellung
der Sinne diesen angemessen zu machen. Diese Bestrebung und das
Gefühl der Unerreichbarkeit der Idee durch die Einbildungskraft ist
selbst eine Darstellung der subjektiven Zweckmäßigkeit unseres
Gemüts im Gebrauche der Einbildungskraft für dessen übersinnliche
Bestimmung, und nötigt uns, subjektiv die Natur selbst in ihrer
Totalität als Darstellung v o n etwas Übersinnlichem zu denken, ohne
diese Darstellung o b j e k t i v zustande bringen zu können“). Der
Ausdruck „Darstellung“, w e n n er das Festhalten an der in der Idee
vollzogenen Selbstauslegung bedeuten soll, ist offenbar sehr miß‑
verständlich, legt sich aber nahe, da das „Subjekt“ sich selbst im
b i l d e n d e n Vorstellen eines Begegnenden auslegt. Das Gefühl des
Erhabenen in der Natur ist „Achtung f ü r unsere eigene Bestimmung,
die wir einem Objekte der Natur durch eine gewisse Subreption (Ver‑
wechselung einer Achtung für das Objekt, s t a t t der für die Idee der
Menschheit in unserem Subjekte) beweisen, welches uns die Über‑
legenheit der Vernunftbestimmung unserer Erkenntnisvermögen über
das größte Vermögen der Sinnlichkeit g l e i c h s a m anschaulich
macht“?).
Wenn Kant die „Darstellung“ der Vernunftidee durch die Ein‑
bildungskraft als eine bloß n e g a t i v e charakterisiert, so ist auch
hieran seine Orientierung an der theoretischen Darstellung schuld.
Sie läßt ihn sagen, daß die v o n den Schranken der Sinnlichkeit
befreite Einbildungskraft über diese Schranken hinaus natürlich
„nichts findet, woran sie sich halten kann“°). Besteht aber die
Darstellung der Idee in einem fühlenden, stimmungsmäßigen Sich‑
a ) D i e F o r m des G e g e n s t a n d e s d e r Anschauung.
Was heißt es, daß das „ästhetische Urteil“ sich auf die „bloße
Form“ des Gegenstandes beziehe? ' ,‚Form“ wird traditionell u n t e r ‑
schieden v o n „Materie“. Es besteht die Gefahr, daß wir m i t diesen
Begriffen einen ganz beliebigen Sinn verbinden, w e n n wir nicht ver‑
suchen, an Hand v o n Kants vielfach verstreuten Einzeläußerungen zu
verstehen, was er positiv im Auge gehabt hat. Daß das. ästhetische
Urteil „bloß formal“ sei, "sagt noch gar nichts Positives darüber aus.
Kants selbstverständlich festgehaltene Voraussetzung ist, daß
der „Gegenstand“ des ästhetischen Urteils v o r h a n d e n ist wie die
Gegenstände der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Daher hat die
Bestimmung des Begriffs „Objekt des Wohlgefallens“ in Kants Sinne
v o n diesem primären Sinn v o n Objekt, „vorhandenes Objekt des
theoretischen Erkennens“, auszugehen. Dies ist der Grund, weshalb
es bei Kant leicht den Anschein haben kann, als würde, wenn das
ästhetische Urteil sich bloß auf die F o r m des Gegenstandes beziehen
soll, v o n etwas, was a u c h z u m Erkenntnisobjekt gehört, nämlich
seiner Materie, a b s t r a h i e r t . Was aber ist die „Form“ des Gegen‑
standes? An einem vorhandenen Ding kennen wir allerlei Eigen‑
schaften: Farbe, Gewicht, Gestalt usw.’ Davon werden einige im
direkten Anschauen entdeckt. D i e G e s t a l t , die wir auch als „Form“
zu bezeichnen pflegen, ist eine Eigenschaft u n t e r anderen, die im
anschauenden Erkennen an dem Gegenstand aufweisbar sind. In der
Tat scheint Kant u n t e r der „Form“ des Gegenstandes eine solche v o r ‑
handene Eigenschaft eines Vorhandenen zu verstehen. Er kann sie
ohne weiteres m i t der äußeren Gestalt identifizieren. Die Form eines
Gegenstandes der bildenden Kunst z. B. ist, im Unterschied v o n
seiner Farbe und sonstigen Eigenschaften, die „Zeichnung“, und ent‑
sprechend in der Musik die „Komposition“, die v o n dem Klang der
Töne unterschieden wird”). Zwar gehört auch z.B. die bloße R e i n ‑
h e i t der grünen Farbe eines Rasenplatzes zu seiner „Form“, während
die Farbe selbst z u m Empfindungsstoff zu rechnen ist. Aber Kant
meint das n u r im Hinblick auf die eigentliche Form, die Gestalt, der
die Reinheit der Farbe dient, indem sie sie besser z u r Geltung
kommen läßt”). Scheint so die Form des Gegenstandes etwas an
ihm Vorhandenes zu sein, so verstehen wir freilich nicht, was gerade
die Form so prinzipiell v o n anderen Eigenschaften unterscheidet,
daß sich auf sie eine besondere Gattung der Urteile, nämlich die
ästhetischen, bezieht.
Auch in der Analytik des Erhabenen ist Form als Gestalt ver‑
standen. „Das Schöne der Natur betrifft die Form des Gegenstandes,
die in der Begrenzung besteht; das Erhabene ist dagegen auch an
einem formlosen Gegenstande z u finden, sofern U n b e g r e n z t h e i t
an ihm oder durch dessen Veranlassung vorgestellt und doch Totalität
derselben hinzugedacht wird“ ' ) . Ebenso in der Deduktion: die in
der Lust an der schönen Form des Objekts gefühlte Zweckmäßigkeit
hat „ i m Objekte und seiner Gestalt ihren Grund“; das Erhabene
dagegen ist „formlos oder ungestalt‘“*). Aber hier kommt doch etwas
Ursprünglicheres z u r Geltung. Daß das Erhabene formlos ist, kann
n u r heißen, daß die Einbildungskraft in seiner Gestalt nicht frei
spielen kann; denn als vorhandenes Objekt „hätte“ es natürlich eine
„Form“. Zunächst bedeutet das n u r eine E r w e i t e r u n g des Form‑
hegriffs: Form braucht nicht Gestalt, sie kann auch S p i e l sein. „Alle
Form der Gegenstände der Sinne (der äußeren sowohl als mittelbar
auch des inneren) ist entweder G e s t a l t oder S p i e l ; im letzteren
Falle entweder Spiel der Gestalten (im Raume: die Mimik und der
Tanz), oder bloßes Spiel der Empfindungen (in der Zeit) ’ ) . “ Vielleicht
aber ist mit dem Begriff des Spiels überhaupt ein ursprünglicherer
Begriff der Form gemeint.
Die Einführung des Formbegriffs bedeutet nämlich für Kant,
daß in dem Sinne v o n der Materie des Gegenstandes abgesehen
werden soll, daß dieser keinen „Stoff“ für objektive Erkenntnis v o r ‑
gibt. Das ästhetische Urteil, das sich bloß auf die Form bezieht, ist
kein Urteil, das objektive Aussagen über den Gegenstand macht. Das
besagt für Kant, daß das ästhetische Urteil „subjektiv“ ist. Die Vor‑
stellung wird „nicht auf das Objekt, sondern lediglich auf das Subjekt
bezogen“ ‘ ) . Das ästhetische Urteil hat keine objektive „Geltung“;
soll es gleichwohl Allgemeingültigkeit haben, so bedarf es eines
besonderen transzendentalen Beweises, der in der transzendentalen
Deduktion der K r. d . r. V. noch nicht geliefert ist. Ist aber das
ästhetische Urteil kein Erkenntnisurteil, so stellen wir auch Gestalt
bzw. Spiel nicht als vorhanden an den Gegenständen fest. Das ästhe‑
tische Urteil bezieht sich auf die „Form“ des Gegenstandes in anderer
Weise als in der des objektiven Betrachtens. D i e Form des Gegen‑
standes wird überhaupt nicht so erfahren, daB v o n dem erkannten
Objekt etwas abgezogen würde, die Materie, so daß die Form zurück‑
bliebe, sondern sie wird in der R e fl e x i o n zugänglich‘). Das
Dann hat es aber auch keinen Sinn mehr, zu sagen, daß von dem
Materialen des Gegenstandes abgesehen würde. Wenn der Blick auf
den Gegenstand primär gar kein solcher ist, der an ıhm Stoff für
Erkenntnisurteile entdeckt, dann verdeckt die Charakteristik des
intentum des einbildenden Verhaltens zu Schönem als „bloße Form“
n u r das positive Phänomen. Man scheint dann, wenn m a n die „All‑
gemeingültigkeit“ des „ästhetischen Urteils“ begründen will, immer
wieder darauf angewiesen zu sein, auf die Erkenntnisvermögen zu
rekurrieren; das einbildende Verhalten wird in seiner mit der theore‑
tischen Erkenntnis gleichursprünglichen Zugehörigkeit zum Apriori
des Daseins überhaupt nicht deutlich. Die „Form“ des Gegenstandes,
an sich ein positives Phänomen eigener Art, wird zu dem „bloß
Formalen“, was, da von den zufälligen Beschränkungen der einzelnen
Subjekte abgesehen wird, für jedes Subjekt gilt‘). Das „Objekt des
Wohlgefallens‘“ bleibt ein vorhandenes Erkenntnisobjekt; das Sub‑
jektive, das dem Wohlgefallen zugrundeliegt, muß also mit den
Erkenntnisvermögen zu t u n haben. Diese sind Einbildungskraft und
Verstand. Wenn der subjektive Zustand „zweckmäßig“ sein und doch
nicht Erkenntnis geben soll, so müssen n u r diese Vermögen überhaupt
harmonisch zusammenstimmen. So kommt Kant zu dem Begriff der
E i n s t i m m u n g v o n E i n b i l d u n g s k r a f t u n d . Ve r s t a n d .
Wie läßt sich aber dergleichen phänomenal aufweisen?
b ) E i n s t i m m u n g v o n E i n b i l d u n g s k r a f t u n d Ve r s t a n d .
selbst ein anderer geworden, für den der Gegenstand nicht mehr ein
bloß vorhandenes Ding ist. Die „Erkenntniskräfte“, die in diesem
Blick in Einstimmung sind, sind gar nicht Erkenntniskräfte, wenn
Erkenntnis mit n u r betrachtetem Vorhandenen zu t u n hat. So etwas
wie Vorhandenheit ist an dem Gegenstand überhaupt nicht sichtbar
geworden. Das „Absehen“ v o n den objektiven Bestimmungen des
Gegenstandes ist also ein Überhaupt-noch-nicht-entdeckt-haben v o n
dergleichen wie objektiven Bestimmungen. Wie aber dieser nicht‑
objektivierende „Blick“ auf den „Gegenstand“ p o s i t i v geartet
sei, soll eben m i t dem Ausdruck „freie Gesetzmäßigkeit der Ein‑
bildungskraft‘“ gesagt werden. Er ist, obwohl durch: das Objekt
gebunden, ein frei gestaltendes Bilden. Das Dasein ist, in diesem
Blick existierend, an ein begegnendes Seiendes ausgegeben, ohne
doch seine Freiheit aufgegeben zu haben. Das Begegnende ist „Objekt
des Wohlgefallens“, weil es dem Dasein seine Freiheit beläßt ‐ die
Freiheit zu s e i n e m Gesetz, dem es sich selbst unterwirft.
Aus diesem Zusammenhang sind die Begriffe „produktive und
reproduktive Einbildungskraft‘“ zu verstehen. „Produktiv“ bedeutet
jetzt v o r allem „frei“, „reproduktiv“ bedeutet „gebunden“. Sie
haben keinen „erkenntnistheoretischen“ Sinn wie in der Anthro‑
pologie, sondern dienen zur Charakteristik einer schlechterdings nicht
erkennenden Daseinsverhaltung. Auch werden sie nicht als empirisch
vorkommende Vermögen betrachtet, sondern die produktive Ein‑
bildungskraft wird für die Ausarbeitung der apriorischen Struktur
des „Geschmacksurteils“‘ verwertet. Da es hier nicht um die Mög‑
lichkeit v o n Reproduktion geht, hat Kant nicht wie in der K r . d . r. V.
ein Interesse daran, in der produktiven Einbildungskraft die transzen‑
dentale Möglichkeit der reproduktiven aufzuweisen. Kant sucht das
Apriori dessen, was wir ontisch als frei spielende und Schönheit ent‑
deckende Einbildung kennen. Seine Absicht geht, im Zusammenhang
seines „kritischen Geschäfts“ einer Grundlegung der Metaphysik
überhaupt, auf die Grundlegung der Ontologie des künstlerischen
und in der Welt des Schönen und Erhabenen lebenden Daseins; doch
wird diese „Sphäre“ des Daseins nicht so radikal v o n der theoretischen
abgegrenzt, daß eine eindeutige Formulierung dieser Aufgabe möglich
würde. Daher kann die zentrale Bedeutung der produktiven Ein‑
bildungskraft in der Kr. d. U. nicht im vollen Umfange geklärt
werden. ‑
«Wie verhält sich n u n die „Einstimmung der Erkenntniskräfte“
zu der „Form des Gegenstandes“? Beide Begriffe bedeuten in
gewissem Sinne dasselbe, nämlich das, was das „ästhetische Urteil“
170 Hermann Mörchen, [480]
c ) Das V e r h ä l t n i s v o n E i n b i l d u n g s k r a f t u n d U r t e i l s k r a f t .
unter die Stimmung der Erkenntnisvermögen, als auch, daß die „Ein‑
bildungskraft selbst (bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand
gegeben wird) u n t e r die Bedingungen, daß der Verstand überhaupt
v o n der Anschauung zu Begriffen gelangt“, subsumiert werde‘). Zu
dieser unvollziehbaren Vorstellung gelangt Kant, weil er dem ästhe‑
tischen Urteil einerseits den Erkenntnischarakter nehmen und es
andererseits doch als Urteil festhalten will. Er bemüht sich ver‑
gebens, das „Schönfinden“ in seiner Selbständigkeit gegenüber allen
Erkenntnisurteilen zu begreifen. Denn das Gefühl der Lust und das
Wohlgefallen b e g l e i t e t n u r die Wahrnehmung eines an sich v o r ‑
h a n d e n e n Objekts; freilich ist das Gefühl m i t der Wahrnehmung
„ u n m i t t e l b a r “ verbunden’).
Wo bei Kant die Tendenz vorherrscht, das ästhetische Urteil v o m
Erkenntnisurteil prinzipiell zu unterscheiden, da gehen die Begriffe
Urteilskraft und Einbildungskraft sonderbar ineinander über. Die
Funktionen beider Vermögen scheinen dann identisch zu sein. So
heißt es innerhalb e i n e s Zusammenhangs, daß die Einbildungkraft
die Vorstellung auf das Subjekt und das Gefühl der Lust oder Unlust
desselben bezieht, aber auch, daß „ein ganz besonderes Unter‑
scheidungs- und Beurteilungsvermögen“, „das z u m Erkenntnis nichts
beiträgt“, „die gegebene Vorstellung im Subjekte gegen das ganze
Vermögen der Vorstellungen hält, dessen sich das Gemüt im Gefühl
seines Zustandes bewußt wird“ °). Diese Beziehung z u m „Lebens‑
gefühl“ des Subjekts, die sowohl der Einbildungskraft als der
Urteilskraft eignet, muß auch gemeint sein, wo es heißt, daß die
refiektierende Urteilskraft sich selbst nicht n u r Gesetz, sondern auch
„Gegenstand“ ist‘). Die Urteilskraft wird als „Gemeinsinn“ inter‑
pretiert, wobei „Sinn“ als „Wirkung der bloßen Refiexion auf das
Gemüt“ oder „Gefühl der L u s t ‘ zu verstehen ist°). Sobald das Gefühl
nicht mehr etwas z u r „Erkenntnis überhaupt“ bloß Hinzukommendes
ist, kann die Einheit dieses eigentümlichen Verhaltens des Daseins
sichtbar werden, und es besteht kein Grund mehr, die Einbildungs‑
kraft überhaupt v o n der Urteilskraft zu unterscheiden. Wir sahen
schon, daß beiden Vermögen die Funktion der „Darstellung“ zu‑
kommt. Daß es sich dabei nicht bloß um eine zufällige Überein‑
stimmung des Ausdrucks handelt, zeigt sich da, wo die „Darstellung“
der Urteilskraft ganz wie die der Einbildungskraft als schematisierend
oder symbolisierend beschrieben wird. Schematisch ist die Darstellung
Schluß.
Die Einheitlichkeit des Phänomens der Einbildungskraft
bei Kant.
Das im Verlauf der Untersuchung entstandene B i l d der Ein‑
bildungskraft ist in der Anthropologie, in der K r . d . r . V. und in der
K r. d . U. jeweils ein verschiedenes. Um einen e i n h e i t l i c h e n Blick
auf das Phänomen zu gewinnen, müssen wir v o n dem Ertrag d e r
Interpretationen im einzelnen absehen und die wesentlichen Ergeb‑
nisse, die sich immer wieder aufdrängten, zusammenzufassen suchen.
Es zeigte sich an zahlreichen Stellen, daß die Einbildungskraft
im System der disparaten Seelenvermögen eine unsichere Stellung
einnimmt und geeignet scheint, das Auseinanderfallende zu ver‑
binden, ja die ursprüngliche Einheitlichkeit der Subjektivität zu
konstituieren. Die nähere Bestimmung des Wesens der Einbildungs‑
kraft führte daher immer wieder auf die Frage nach dem Sein des
„Subjekts“ selbst, und zwar so, daß im Zusammenhang damit auch
das Sein der mannigfaltigen „Objekte“ mit in den Blick t r a t . Endlich
meldete sich ein eigentümlicher Bezug zwischen Einbildungskraft und
Zeit; die Einbildungskraft selbst wurde als die ursprüngliche Zeit‑
lichkeit interpretiert.
1) $51, 5.178.
[489] Die Einbildungskraft bei Kant. 179
Läßt sich in dieser Weise ein allgemeiner Horizont für die ver‑
schiedenen Einzelzusammenhänge umschreiben, so muß doch berück‑
sichtigt werden, daß auch diese allgemeinste Problematik noch von
gänzlich verschiedenen Seiten her in Angriff genommen wird. So
konstituiert die Einbildungskraft der K r. d. r. V. die Einheit v o n
Rezeptivität und Spontaneität, d.h. die des erkennenden Subjekts;
in der K r. d . U . dagegen ist die Einbildungskraft einerseits selbst‑
verständlich die Grundverhaltung des ä s t h e t i s c h e n Subjekts,
dessen Einheitlichkeit als solche gar nicht zur Diskussion steht,
andererseits vermittelt sie zwischen der Erkenntnis-, Gefühls- und
Willenssphäre und wird dadurch z u m Index für die Frage nach der
Einheit der Subjektivitätüberhaupt. Hinzukommt die Fragwürdig‑
keit im jeweiligen Ansatz Kants: in der K r. d . r. V. wird die Ein‑
bildungskraft einseitig als Spontaneität verstanden; in der K r. d. U.
konstituiert sie nicht sowohl das „Objekt des Wohlgefallens“ als solches,
sondern ermöglicht n u r , daß ein zunächst vorhandenes Objekt als schön
angesprochen wird. Daher kann die Einheitlichkeit nicht ausdrücklich
z u m Problem werden. Und endlich scheinen viele Stellen, besonders in
der K r. d . U., die Interpretation der Einbildungskraft als Zeitlichkeit
mindestens nicht zu bestätigen, womit der wichtigste Leitfaden für
eine einheitliche Definition des Phänomens verlorengehen würde.
Nun ergibt sich vielleicht ohnehin aus dem, was in der Ein‑
leitung über die grundsätzliche Verlegenheit und den Sinn der Frage
nach der Einbildungskraft gesagt wurde, daß wir keine falsche Ein‑
heitlichkeit erzwingen sollen. Kant deutet mit seinem Begriff der
Einbildungskraft, der als isolierter kein Interesse beanspruchen kann,
in neue Horizonte, deren Erschließung er uns aufgibt. Wir sollen
dieser Weisung folgen und uns nicht bei Scheinproblemen aufhalten,
die aus der Vorläufigkeit des Ansatzes entstehen.
Aber Kants Philosophie ist nicht n u r neu, sondern auch alt.
Indem er den Begriff der Einbildungskraft einführt, eignet er sich
eine Tradition an, die seine neuen Tendenzen nicht unwesentlich
bestimmt. Er übernimmt die traditionelle Definition der Einbildungs‑
kraft, die schon aus einem ganz bestimmten philosophischen Horizont
gewonnen und sowohl ihren Fundamenten als auch ihrer Formu‑
lierung nach wesentlich älter ist als die Wolffsche Schulphilosophie.
Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Hauptstadien
der Entwicklung dieser Definition v o n Aristoteles bis Kant historisch
aufzuweisen und durch angemessene Interpretationen den Horizont
völlig zu verdeutlichen, aus dem heraus allein sie gewonnen werden
konnte. Es wäre dabei v o r allem zu zeigen, daß der schon bei
180 Hermann Mörchen, [490]
1 ) K r. d . r. V. B 170.
F493] Die Einbildungskraft bei Kant. 183
1) Es kann darum hier n u r auf die Analyse der Strukturen des In-der-Welt‑
seins bei H e i d e g g e r, Sein und Zeit I , verwiesen werden.
Literatur.
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