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Die kovalente Bindung

Inhalt
3.1 Kovalente Bindung im Überblick
3.2 Die räumliche Struktur von Molekülen
3.2.1 Molekülorbital-Theorie
3.2.2 Winkel in Molekülen
3.2.3 VSEPR-Modell
3.3 Atomradius und Bindungslängen
3.4 Bindungsenergie und Bildungsenthalpie
3.5 Zwischenmolekulare Kräfte (ZMK)
3.5.1 Aggregatszustand und intermolekulare Anziehungskräfte
3.5.2 Van-der-Waals-Kräfte
3.5.3 Dipol-Dipol-Kräfte
3.5.4 Wasserstoffbrücken
3.5.5 Schmelz- und Siedepunkt als Indikatoren für ZMK
3.6 Mischbarkeit und Löslichkeit von Stoffen

Lernziele
1. Ihr könnt die Begriffe des Glossars „kovalente Bindung“ definieren.
2. Ihr wisst, was eine chemische Bindung ist und mit welcher Bindungsart sich Metalle und
Nichtmetalle untereinander binden.
3. Ihr könnt die Bindungsstellen der Elemente der Hauptgruppen aufzeichnen.
4. Ihr könnt den Begriff Elektronegativität (EN) definieren und wisst, wie sich die Elektronegativität
im Periodensystem verändert und könnt diese Veränderung begründen. Ihr wisst, welche
Bedeutung die EN für Bindungen hat.
5. Ihr wisst, was eine kovalente Bindung ist und könnt erklären, wieso sich Elemente in kovalenten
Bindungen verbinden.
6. Ihr könnt erklären, wie sich der Atomradius der Atome im Periodensystem verändert.
7. Ihr könnt aus einer Summenformel die Strukturformel von Molekülen aufzeichnen.
8. Ihr könnt die räumliche Struktur (inkl. Bindungswinkel) von Molekülen mit Hilfe des
Tetraedermodells erklären.
9. Ihr könnt die Entstehung und Modellfunktion von Hybridorbitalen (sp3-, sp2, sp-Orbitale) erklären
und diese zeichnen.
10. Ihr könnt für Atome in Bindungen bestimmen, wie sie hybridisiert sind.
11. Ihr könnt Bindungslängen und Reaktionsenthalpien berechnen.
12. Ihr wisst, wie Bindungslänge und Bindungsenthalpie zusammenhängen.
13. Ihr kennt die drei zwischenmolekularen Kräfte (ZMK) und könnt erklären, wie diese entstehen,
wie stark sie sind und bei welchen Molekülen sie wirken.
14. Ihr wisst, was ein Dipol-Molekül ist, warum es einen Dipol ausbildet und welchen Einfluss ein
Dipol auf die Eigenschaften eines Stoffes hat.
15. Ihr kennt die Eigenschaften von Stoffen, welche durch ZMK begründet sind.
16. Ihr könnt von zwei Stoffen bestimmen, ob sie miteinander mischbar sind und könnt den
Mechanismus von Löslichkeit und Mischbarkeit erklären.
17. Ihr könnt erklären, welche ZMK bei einer DNS-Doppelhelix wirken.
3.1 Die kovalente Bindung im Überblick
Eine kovalente Bindung entsteht bei der Reaktion eines Nichtmetallatoms mit einem
Nichtmetallatom. Dabei werden Elektronen geteilt. Es bilden sich „gemeinsame“ Elektronenpaare.
Ziel der Verbindung ist es, dass die Valenzschale vollständig besetzt ist, also Edelgaskonfiguration
erreicht wird. Da dies für fast alle Elemente (ausser Wasserstoff und Helium) bedeutet, dass die
äusserste Schale mit acht Elektronen besetzt ist, spricht man von der Oktettregel.
Die Oktettregel gilt streng genommen nur in den ersten drei Perioden, bzw. für die Elemente bis
Ordnungszahl 20, also Kalzium (Ca). Die Elemente der Hauptgruppen I, II und VII verhalten sich aber
auch in tieferen Perioden vorwiegend so, wie wir es gemäss Oktettregel erwarten.
Beispiel Wasserstoff (H2):

Darstellung mit Strichformel (oder Lewisformel): H + H H-H


Das gemeinsam genutzte Elektronenpaar wird als bindendes Elektronenpaar bezeichnet. Die
entstandene Verbindung heisst Molekül.

Zweifach- und Dreifach-Bindung


Bei manchen Molekülen wird die Edelgaskonfiguration erst durch mehrere gemeinsame
Elektronenpaare erreicht. Man spricht dann von Mehrfachbindungen.
Beispiel Sauerstoff (O2):

Beispiel Stickstoff (N2):

Die vollbesetzten Orbitale eines Atoms heissen nichtbindende oder „freie“ Elektronenpaare. Sie
werden mit Strichen beim Atom angegeben und haben einen Einfluss auf die räumliche Struktur des
Moleküls.

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Chemie, 1. Klassen, ge 2 März 2024
Bindungen zwischen verschiedenen Nichtmetallionen
Auch Verbindung zwischen verschiedenen Nichtmetallen lassen sich mit der
Oktettregel erklären und mit der Strichformel darstellen.
Wenn in Molekülen mit unterschiedlichen Elementen die einzelnen
Atome die gemeinsamen Elektronen wegen der unterschiedlichen Elektronegativität unterschiedlich
stark anziehen, entstehen innerhalb des Moleküls positive und negative Ladungen. Die Atombindung
ist polar.
Beispiel Salzsäure (HCl):

Nach aussen hin ist das Molekül elektrisch neutral, im Innern


jedoch ist die Ladung nicht gleichmässig verteilt. Das Molekül
besitzt zwei elektrische Pole, es ist ein Dipol (siehe auch unten).

ΔEN Bindungsart Kennzeichen der Bindung

unpolare Elektronenpaare werden von allen Atomen gleich stark beansprucht,


0,0
Bindung sodass keine Ladungsschwerpunkte entstehen.

schwach polare Ein Atom beansprucht gemeinsames Elektronenpaar etwas stärker als
0,1-0,4
Bindung das andere.

stark polare Ein Atom beansprucht gemeinsames Elektronenpaar klar stärker als das
0,4-1,7
Bindung andere (zieht Elektronen, also negative Ladung) näher zu sich heran).

Es sind keine gemeinsamen Elektronenpaare vorhanden, d.h. es bilden


> 1,7 Ionenbindung
sich Ionen

3.2 Die räumliche Struktur von Molekülen


Unsere bisherigen Darstellungen von Molekülen, insbesondere die Lewis-Formel, stellt diese in der
Ebene dar. Moleküle befinden sich aber im Raum und sind deshalb dreidimensional. Es ist deshalb
wichtig, dass wir und Gedanken zur räumlichen Struktur von Molekülen machen.
Bei der Vorstellung im Raum kommt das Bohr’sche Atommodell an seine Grenze. Denn geteilte
Elektronen können sich nicht auf zwei Bahnen gleichzeitig bewegen. Hingegen bietet das
Orbitalmodell und seine Abwandlungen eine anschauliche Darstellung von Molekülen im Raum. Es
geht von einer Elektronenverteilung im Raum aus, es entstehen „Elektronenwolken“, welche sich
überlappen und so durch eine höhere Elektronendichte eine Bindung generieren.
Auf dem Orbitalmodell aufbauend gibt es verschiedene, leicht unterschiedliche Modelle, welche die
räumliche Struktur von Molekülen erklären. Wir wollen uns die zwei wichtigsten anschauen.

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Chemie, 1. Klassen, ge 3 April 2024
3.2.1 Molekülorbital-Theorie

Aus zwei 1s-Orbitalen der beiden Wasserstoffatome


bildet sich ein gemeinsames Molekülorbital (MO), in dem
sich die beiden Elektronen mit grosser Wahrscheinlichkeit
(90%) aufhalten. Dieses Molekülorbital hat ein tieferes
energetisches Niveau und ist deshalb stabiler als
die Einzelatome.

In einer Bindung wirken unterschiedliche Kräfte. Die Atomkerne der beiden sich bindenden Atome
stossen sich ab, ebenso die negativ geladenen (Valenz-)Elektronen. Hingegen gibt es eine Anziehung
zwischen Atomkernen und den Elektronen. Dies gilt sowohl innerhalb eines einzelnen Atoms als auch
zwischen den Kernen und Hüllen der sich zu bindenden Atome.
Ein Molekül ist immer dann am stabilsten, wenn
 die (widersprüchlichen) Kräfte zwischen den einzelnen Teilchen im Gleichgewicht sind.
 das Molekül das tiefste Energieniveau erreicht, was eine Folge des idealen Gleichgewichts ist.
Bei einem Molekül „suchen“ die beteiligten Atome jenen Abstand, also jene Bindungslänge (Abstand
zwischen Atomkernen), welche genau dieses Gleichgewicht garantiert.

Das Molekülorbital ist also vereinfacht gesagt nichts anderes, als jener Raum, in welchem sich die
(gemeinsamen) Elektronen zu 90% Wahrscheinlichkeit aufhalten, um damit das tiefste energetische
Niveau des Moleküls zu erreichen und damit die grösste Stabilität des Moleküls zu garantieren.
Da ein Molekül ein tieferes Energieniveau hat als die Einzelatome, bedeutet dies auch, dass bei der Bildung
eines Moleküls Energie frei wird, bzw. dass zum Trennen der Bindung Energie aufgewendet werden muss.

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Chemie, 1. Klassen, ge 4 April 2024
Hybridorbitale
Beim 1s-Orbital, bzw. beim H2-Molekül, lässt sich eine Überlappung zwischen den
„Elektronenwolken“ relativ gut vorstellen. Etwas komplexer wird es, wenn wir die Oktettregel
erklären wollen, bzw. wenn wir die s- und p-Orbitale in der 2. und 3. Schale betrachten, welche für
die Bindungseigenschaften in der 2. und 3. Periode verantwortlich sind.
Ein anschauliches Modell generieren die Hybridorbitale, also die Verbindung von s- und p-Orbitalen.
Sie basieren ebenfalls auf der Überlegung, dass sich Orbitale überlappen, wenn kovalente Bindungen
entstehen.
sp3-Orbitale
Bei Bindungen zwischen Atomen sind die Hybridorbitale ein wichtiges Vorstellungs-Hilfsmittel. Dabei
geht man davon aus, dass aus einem s-Orbital und drei p-Orbitalen
sp3-Orbitale entstehen. Die sp3-Orbitale liegen energetisch zwischen s- und p-Orbitalen.

Ein Atom mit sp3-Orbitalen in der Valenzschale besteht aus vier „Abteilen“, in welchen je zwei
Elektronen Platz finden. Das Hybridorbital-Modell erklärt somit die Regeln der Bindungsstellen,
welche ihrerseits Bindungen und Bindungsverhältnisse erklären.
Edelgase haben alle „Plätze“ in den s- und p-Orbitalen der Valenzschale besetzt und sind deshalb so
stabil.

Tetraederstruktur
Wie aus den Bildern ersichtlich wird, ordnen sich die sp3-Orbitale in
einem Tetraeder an. In dieser räumlichen Struktur haben die
Elektronenpaare den grössten Abstand voneinander, was zu den
stabilsten Gebilden führt. Dies erklärt den 109,5° Winkel zwischen
den sp3-Orbitalen, bzw. Elektronenpaaren.
Moleküle bilden auch dann ein
sp3-Orbital, bzw. einen Tetraeder,
wenn nichtbindende Elektronenpaare sp3-Orbitale
vorhanden sind. Das bedeutet zum
Beispiel, dass auch das Sauerstoff-Atom im Wassermolekül (H2O) als sp3-
Hybridorbital vorliegt. Was wiederum bedeutet, dass das Wassermolekül
gewinkelt ist. Dies ist für viele Eigenschaften des Wassers enorm wichtig.

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Chemie, 1. Klassen, ge 5 April 2024
Im rechts dargestellten Methanmolekül (CH4)
überlappen sich die sp3-Orbitale des
Kohlenstoffes (C) mit den s-Orbitalen der H-
Atome.
Unten sehen wir die Bindung zwischen zwei C-
Atomen zu CH3-CH3 (Ethan). Hier überlappen
sich einerseits zwei sp3-Orbitale (je eines der
beiden C-Atome), andererseits überlappen
sich wie beim Methan die s-Orbitale der
Wasserstoffatome mit den sp3-Orbitalen der
C-Atome.

Diese Bindungen
zwischen den sp3-
Orbitalen untereinander und mit Wasserstoff nennt man σ-Bindung (Sigma-Bindung). Sie ist bei
kovalenten Bindungen salopp gesagt die „Hauptbindung“ von Atomen untereinander.
Mehrfachbindungen: sp2-Orbitale und sp-Orbitale
Wenn (Kohlenstoff-)Atomen für die „Absättigung“ der vier Bindungen nicht ausreichend
Bindungspartner zur Verfügung stehen, können Doppel- und Dreifachbindungen
entstehen. Dabei entstehen sp2- und sp-Orbitale.

sp2-Orbitale
Im sp2-Orbital sind ein s-
Orbital und zwei p-
Orbitale integriert. Das
sp2-Orbital bildet eine
Rosette in der Ebene,
damit alle Elektronen
gleich weit voneinander
entfernt sind, bildet sich
ein 120°-Winkel zwischen den einzelnen
Orbitalen.

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Chemie, 1. Klassen, ge 6 April 2024
sp2-Bindung in Ethen (C2H4):
Dabei kommt es zu σ-Bindungen zwischen den sp2-Orbitalen der C-Atome und den
s-Orbitalen der H-Atome sowie zu einer σ-Bindung zwischen den beiden sp2-Orbitalen der C-Atome.
Die jetzt noch nicht integrierten p-Orbitale der C-Atome (schliesslich hat es drei p-Orbitale und im sp2
sind nur zwei integriert) bilden miteinander eine π-Bindung (Pi-Bindung).
Wie wir später sehen werden, lassen sich Elektronen aus π-Bindungen leichter bewegen, also beispielsweise mit
Energie kurzfristig in ein höheres Orbital katapultieren.

sp-Orbitale
Gehen Atome Dreifach- oder zwei
Doppelbindungen ein, bildet sich ein
sp-Orbital. Dabei sind nur das s-
Orbital und ein p-Orbital integriert.
Die beiden anderen p-Orbitale bilden
wiederum π-Bindungen. sp-Orbitale
sind gestreckt, bilden also einen 180°-
Winkel.

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Chemie, 1. Klassen, ge 7 April 2024
3.2.2 Winkel in Molekülen
Die Winkel in Molekülen leiten sich aus den oben erläuterten Gesetzmässigkeiten der Hybridorbitale
ab. Dabei gilt:
 sp3-Orbitale bilden grundsätzlich einen 109,5°-Winkel
(Tetraederwinkel).
 Sind freie Elektronenpaare im sp3-Hybridorbital, dann
brauchen diese mehr Platz als bindende
Elektronenpaare. Der Winkel zwischen den
gebundenen Atomen wird entsprechend kleiner. Dies
ist im konkreten Fall bei den Wasser- und den
Ammoniak-Molekülen (NH3) von Bedeutung.

 Geht ein Atom drei „Hauptbindungen“ ein, so bilden die Atome in der Ebene eine Rosette mit
einem 120°-Winkel. Dies ist vor allem bei sp2-Hybridorbitalen (mit einer Doppelbindung) der Fall.
 Einen 120°-Winkel bilden auch Verbindungen mit Bor. Bor ist ein Halbmetall, das aber
vorwiegend wie ein Nichtmetall reagiert und liegt in der 3. Hauptgruppe. Entsprechend geht es
drei Bindungen ein. Es bildet also beispielsweise BF3.
 sp-Hybridorbitale sind gestreckt. Liegt also eine Dreifachbindung vor, haben wir immer einen
180°-Winkel.
 Einen 180°-Winkel haben wir auch, wenn ein Atom zwei
Doppelbindungen eingeht. Hier gilt wiederum, dass die Elektronen
möglichst weit voneinander weg sein wollen. Prominentes Beispiel ist
dabei CO2.
 Ebenfalls einen 180°-Winkel haben wir, wenn genau zwei Atome miteinander binden (HCl, Cl2).
Hier muss aber angefügt werden, dass das Cl-Atom durchaus einen Tetraeder bildet, nur sind die
bindenden Elektronenpaare für die Bindung hier nicht von Belang.

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Chemie, 1. Klassen, ge 8 April 2024
3.2.3 VSEPR-Modell (Valence Shell Electron Pair
Repulsion =
Valenzelektronenpaar-Abstossung) (nicht Prüfungsstoff)
Das VSEPR-Modell (oder Elektronenpaarabstossungs-Modell) ist ein weiteres einfaches Hilfsmittel zur
Beschreibung der räumlichen Struktur von Molekülen. Wir behandeln es hier nur am Rande und der
Vollständigkeit halber. Es kann helfen, die Winkel in Molekülen besser zu verstehen.
Das VSPER baut auf den oben geschilderten Überlegungen auf und geht davon aus, dass die
Elektronenpaare möglichst weit voneinander entfernt sein wollen. Dies ist insofern einsichtig, als alle
Elektronen bekanntlich negativ geladen sind und sich gleiche Ladungen abstossen.
Die Anordnung der Elektronenpaare wird gemäss VSEPR-Modell durch vier Regeln bestimmt:
1. Die Elektronenpaare der Valenzschale nehmen den grösstmöglichen Abstand zueinander ein, da
sie sich abstossen.
2. Doppel- und Dreifachbindungen werden formal erst mal wie Einfachbindungen behandelt.
3. Einsame Elektronenpaare benötigen mehr „Platz“ als bindende.
4. Doppel- und Dreifachbindungen nehmen mehr Platz ein als Einfachbindungen.
Mit Hilfe der Valenzelektronenpaar-Abstossung lassen sich zwei Dinge erklären:
 Wenn vier Elektronenpaare vorhanden sind (die nicht in Mehrfachbindungen vorliegen), dann
nimmt das Molekül Tetraeder-Struktur an. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um bindende
Elektronenpaare oder ein voll besetztes Orbital eines Atoms handelt.
 Die Bindungswinkel werden durch die Struktur der Moleküle und vor allem die Abstossung
zwischen den Elektronenpaaren bestimmt und lassen sich mit dem VSEPR-Modell voraussagen.

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Chemie, 1. Klassen, ge 9 April 2024
Moleküle im VSEPR-Modell

Struktur mit
Elektronen-paare Molekültypen Beispiele Realstruktur Winkel
nichtbindenden Elektronen

1 H2 180°
AX1 linear linear

2
CO2 180°
AX2 linear linear

3
BF3
(NO3−) 120°
AX3 (CO32−) trigonal planar trigonal planar

4
CH4
109,5°
(SO42−)
AX4 (PO43−) tetraedrisch tetraedrisch

NH3
ca. 107°
PCl3
trigonal-
AX3E tetraedrisch pyramidal

H2O ca. 104,5°


AX2E2 tetraedrisch gewinkelt

HCl 180°
linear
AX1E3 tetraedrisch

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Chemie, 1. Klassen, ge 10 April 2024
3.3 Atomradius und Bindungslängen (Formelbuch Seite 240)
Viele Eigenschaften von Verbindungen stehen im Zusammenhang mit der Atomgrösse, bzw. dem
Atomradius. Dabei hängt der Atomradius vom Platz im Periodensystem ab.
Grundsätzlich lassen sich zwei Regeln definieren:
 Der Atomdurchmesser nimmt von oben nach unten zu, weil die Anzahl Schalen zunimmt. Zu
bemerken ist hier auch, dass die äusseren Elektronen von den Elektronen auf inneren Schalen vor
der zunehmenden Kernladung
abgeschirmt werden und deshalb
weniger stark zum Kern hingezogen
werden können.
 Der Atomdurchmesser nimmt von
links nach rechts ab, weil die
Elektronen wegen der zunehmenden
Kernladung stärker zum Kern
hingezogen werden.
Nun lässt sich aber der Atomdurchmesser
in der Realität gar nicht so einfach
bestimmen. Denn es stellt sich die Frage,
wo ein Atom seine äussere Begrenzung
hat. Bestimmt wird so nur die
Elektronendichte, welche in einem Atom in
einem bestimmten Abstand vom Atomkern ein Maximum
erreicht und die mit zunehmendem Abstand gegen null hin
abnimmt.
Gleichwohl findet sich ein Atomradius im Periodensystem.
Dabei wird der Abstand zwischen den Atomkernen aneinander
gebundener Atome gemessen. Binden sich zwei gleiche Atome,
kann diese gemessene Bindungslänge halbiert werden, um den
Atomradius zu bestimmen. Dieser wird deshalb auch
„Kovalenzradius“ (rkov) genannt. Der Kovalenzradius (rkov) misst den Abstand der
Atomkerne, der Van-der-Waals-Radius (rvdW) misst den
Abstand zwischen den Molekülen, also wie nahe sie
aneinander heran kommen können.
Beispiele von Kovalenzradien:
H – H: 30pm
Cl – Cl: 99pm
C – C: 77pm Beispiele von Bindungslängen:
Aus den Kovalenzradien der einzelnen Atome H – C: 107pm
lassen sich die Bindungslängen von kovalenten C – O: 143pm
O – H: 96pm
Bindungen zwischen unterschiedlichen H – Cl: 129pm
Atomen ermitteln. Diese stimmen mit den
gemessenen Bindungslängen weitgehend
überein.
Die Bindungslänge hat einen Einfluss auf die Bindungsenergie zwischen den Atomen, die wir später
behandeln werden.
Auch Ionenradien und Metall-Atomradien bestimmt können bestimmt werden, sie unterscheiden sich vom
Kovalenzradius. Der effektive Radius eines Atoms ist also keine feste Grösse, sondern hängt von den jeweiligen
Bindungskräften ab.

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Chemie, 1. Klassen, ge 11 April 2024
3.4 Bindungsenergie und Bildungsenthalpie
Bindungsenergie
Unter Bindungsenergie versteht man jene Energie, die frei wird, wenn zwei Atome eine kovalente
Bindung eingehen, bzw. die Energie, welche aufgewendet werden muss, um diese Bindung zu
spalten. Die Energie kann in Kilojoule/mol angegeben werden und lässt sich aus Tabellen
herauslesen.

Charles E. Mortimer: „Chemie“, Thieme Verlag, Stuttgart, 9. Auflage, 2007.


Mit Hilfe der Bindungsenergien können Reaktionsenthalpien berechnet werden:

H2 (g) + Cl2 (g) ⇋ 2 HCl

H – H (g) → 2 H (g) ∆H = 435 kJ/mol H2


Cl – Cl (g) → 2 Cl (g) ∆H = 243 kJ/mol Cl2
2 H (g) + 2 Cl (g)→ 2 H – Cl (g) ∆H = 2 • -431 kJ/mol HCl = - 862 kJ/2 mol HCl

H2 (g) + Cl2 (g) ⇋ 2 HCl ∆H = - 184 kJ/ 2mol HCl


∆H = - 92kJ/mol HCl

Diese Berechnung der Reaktionsenthalpien lässt sich auf jede beliebige Reaktion anwenden.
Bildungsenthalpien
Um nicht für jede einzelne Reaktion die Reaktionsenthalpien mühsam aus den einzelnen
Bindungsenergien berechnen zu müssen, gibt es auch tabellarische Werte von
Standardbildungsenthalpien.
Die Standardbildungsenthalpie ∆H0f ist der ∆H-Wert, der zur Bildung von 1 mol reiner Substanz aus
reinen Elementen unter Standardbedingungen aufgewendet werden muss oder frei wird.
Standardbedingungen: Normaldruck: 1013 hPa = 1,013 bar; Standardtemperatur: meist 25°C

Aus den Standardbildungsenthalpien werden nun die Standard-Reaktionsenthalpien


(Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen) berechnet. Dabei können die
Standardbildungsenthalpien der Edukte von jener der Produkte subtrahiert werden:
Berechnung von Reaktionsenthalpien aus Standard-Bildungsenthalpien
1. Formulieren der chemischen Reaktionsgleichung
2. Berechnung der Reaktionsenthalpie
∆H0 = ∑ ∆H0f (Produkte) - ∑ ∆H0f (Edukte)
3. Kommen in der Gleichung Elemente in ihrer normalen (stabilen) Form vor, so ist der zugehörige
∆H0f -Wert null.
z.B.:
2 NH3 (g) + 3 Cl2 (g) ⇋ N2 (g) + 6 HCl (g)
∑ ∆H0f (Produkte) = 6 • ∆H0f (HCl, g) = 6 • (-92,30) kJ/mol = - 553,8 kJ/mol
∑ ∆H0f (Edukte) = 2 • ∆H0f (NH3, g) = 2 • (-46,19) kJ/mol = - 92,38
∆H0 = -461,4 kJ/mol N2
3.5 Zwischenmolekulare Kräfte = Intermolekulare
Anziehungskräfte
In Molekülen werden die Atome bekanntermassen durch kovalente Bindungen zusammengehalten.
Nun muss es aber zwischen den Molekülen weitere Kräfte
geben, ansonsten wäre es nicht möglich, dass sich
Flüssigkeiten und Feststoffe bilden. Denn wenn nicht Kräfte
zwischen den Molekülen vorhanden wären, so würden sich
die Moleküle und Atome möglichst weit voneinander
entfernen, alle Stoffe wären also gasförmig.
Zwischenmolekulare Kräfte sind keine eigentlichen
Bindungen, auch wenn man manchmal von Dipol-Dipol-
Bindungen spricht. Doch die zwischenmolekularen
„Bindungen“ werden ständig gelöst und wieder neu
gebildet. Es findet keine Reaktion mit Stoffumwandlung
statt, sondern es wirken anziehende (elektrostatische)
Kräfte zwischen den (unveränderlichen) Molekülen.

Zwischen den einzelnen Molekülen herrschen zwischenmolekulare Kräfte

3.5.1 Aggregatszustand und intermolekulare Anziehungskräfte


Je geringer der Abstand zwischen zwei Teilchen ist, desto stärker
wirken die zwischenmolekularen Anziehungskräfte. Beim Abkühlen
eines Gases nimmt die kinetische Energie (Bewegungsenergie,
innere Energie) der einzelnen Teilchen ab. Als Folge davon können
die Teilchen aneinanderhaften, die Flüssigkeit kondensiert. Auch in
der Flüssigkeit sind alle Moleküle in ständiger Bewegung, weil sie
aber wie „klebrige Kugeln“ aneinanderhängen, ist ihre
Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Kräfte, welche bewirken, dass
sich die Moleküle nicht frei (als Gas) bewegen können, heissen
Kohäsionskräfte. Die kinetische Energie der Teilchen in Flüssigkeiten
reicht nicht mehr dazu, diese Kräfte zu überwinden.
Wird die Temperatur weiter abgekühlt, so nimmt die kinetische
Energie weiter ab, Schliesslich erstarrt die Flüssigkeit zu einem
Feststoff. In einem Feststoff nehmen die Moleküle feste Positionen im Raum
ein, es bilden sich geordnete Gebilde, die so genannten Kristalle. Diese Quelle: kst-chemie.ch

werden durch Gitterkräfte zusammengehalten. Die Bewegung der Atome im


Feststoff beschränkt sich auf Schwingungen um eine fixierte Position. Erst beim absoluten Nullpunkt
(0K = -273,15°C) schwingen die Atome nicht mehr.
(Kristalle werden alle Feststoffe mit einer wohldefinierten Ordnung genannt, also Moleküle, Salze und Metalle.
Fehlt einem Feststoff die wohldefinierte Ordnung, so wird er amorph genannt.)
Gitterkräfte
 sind in Feststoffen aktiv
 bestimmen zusammen mit Ordnung im Gitter den Schmelzpunkt eines Stoffes.
 bewirken die „Fernordnung“ der Teilchen, also die Ordnung der Atome, Moleküle oder Ionen in
Feststoffen. Diese liegen meist hochgeordnet beisammen.
Kohäsionskräfte
 Halten die Teilchen in Flüssigkeiten beisammen
 Bestimmen über den Siedepunkt: Je grösser die Kohäsionskräfte, desto höher ist der Siedepunkt.
In einem Gas ist die kinetische Energie (Bewegungsenergie) so hoch, dass die Zwischenmolekularen
Kräfte eine untergeordnete Bedeutung spielen (bzw. überwunden wurden). Sie wird deshalb beim
idealen Gas vernachlässigt. In Flüssigkeiten und Feststoffen jedoch sind die zwischenmolekularen
Kräfte entscheidende Grössen. Die Bewegungsenergie der Teilchen kann die zwischenmolekularen
Kräfte nicht überwinden, die Teilchen bleiben beieinander, der Stoff ist sind füssig oder fest.

fest: grosse ZMK wirken flüssig: mittlere ZMK wirken gasförmig: (fast) keine ZMK wirken

Die Stärke der Zwischenmolekularen Kräfte bestimmt den Schmelz- und Siedepunkt eines Stoffes. Je
grösser die ZMK, desto höher liegt die Schmelz- und Siedetemperatur.

Es gibt drei Arten von zwischenmolekularen Kräften, wobei in einem Stoff oft auch zwei oder drei
Arten gleichzeitig wirken:
1. Van-der-Waals-Kräfte
2. Dipol-Dipol-Kräfte
3. Wasserstoffbrücken (H-Brücken)
3.5.2 Van-der-Waals-Kräfte
Die Van-der-Waals-Kräfte sind an sich die schwächsten
zwischenmolekularen Kräfte. (Hingegen kann die Summe
der Van-der-Waals-Kräfte bei grossen Molekülen sehr
gross sein.) Van-der-Waals-Kräfte entstehen durch eine
kurzfristige Verschiebung der Elektronen in Molekülen.
Dadurch entsteht ein kurzfristiger Dipol, unterschiedlich
geladene Pole ziehen sich an.
Ein solcher kurzfristiger Dipol kann wiederum in einem
Nachbaratom ebenfalls die Bildung eines kurzfristigen
Dipols auslösen, weil der positive Pol wiederum die
Elektronen des Nachbaratoms anzieht. Man spricht
deshalb auch von „induzierten (erzeugten) Dipolen“.
Anzahl Elektronen und Oberfläche
Je mehr Elektronen ein Molekül hat, desto grösser sind die
Van-der-Waals-Kräfte, da es in grossen Molekülen mit vielen
Elektronen leichter zu Ladungsverschiebungen kommt.
Zudem bestimmt die Oberfläche die Stärke der Van-der-
Waals-Kräfte: Je grösser die Oberfläche, desto grösser die
Van-der-Waals-Kräfte, weil grössere Berührungsflächen
entstehen, an denen wiederum kurzfristige Dipole induziert
werden können.

Die Van-der-Waals Kräfte hängen ab von:


 Anzahl Elektronen
 Oberfläche

3.5.3 Dipol-Dipol-Kräfte
Die polare Atombindung
Polare Atombindungen entstehen, indem ein Atom die Elektronen des
bindenden Elektronenpaares näher zu sich heran zu ziehen vermag.
Ursache dieser Fähigkeit, die Elektronen stärker anzuziehen, ist die
Elektronegativität bzw. die Elektronegativitätsunterschiede zwischen den
bindenden Atomen.
Werden die Elektronen stärker zu einem Atom hingezogen, verlagern sich die Ladungsschwerpunkte
innerhalb des Moleküls. Es kommt zu einer dauernden Ladungsverschiebung, dadurch entsteht ein
permanenter Dipol.
Wichtig ist nun, zwischen einer polaren Atombindung und einem polaren Molekül zu unterscheiden:
 Polare Atombindung: Unterschied der Elektronegativität (∆EN) zwischen den bindenden
Elektronen. Per Definition (siehe Seite 10): 0 < ∆EN ≤ 0,4: schwach polare Bindung, ∆EN ≥ 0,5:
(stark) polare Bindung.
 Polares Molekül: Gesamtmolekül hat einen positiven und negativen Ladungsschwerpunkt
(permanenter Dipol), ist aber als Ganzes elektrisch neutral.
Dipol-Dipol-Kräfte
Zwischen polaren Molekülen herrschen die Dipol-Dipol-
Kräfte. Wiederum ziehen sich der negativ geladene und der
positiv geladene Pol an, es wirken elektrostatische Kräfte,
welche die Moleküle zusammenhalten.

Der permanente Dipol ist wesentlich stärker als der


vorübergehende Dipol der Van-der-Waals-Kräfte.
Entsprechend sind die Dipol-Dipol-Kräfte wesentlich stärker.
Bei symmetrischen Molekülen können die einzelnen Dipole
aufheben, so dass in solchen Molekülen trotz polaren Bindungen keine polaren Moleküle entstehen
und deshalb auch keine Dipol-Dipol-Kräfte, sondern nur Van-der-Waals-Kräfte wirken können.

Bei CO2 ziehen zwar die O-Atome die Elektronen


stärker zu sich hin. Doch weil beide gleich stark
ziehen ist das gesamte CO2-Molekül kein Dipol. Dies
bedeutet, dass im CO2-Molekül nur Van-der-Waals-
Kräfte wirken. Entsprechend ist CO2 bei
Zimmertemperatur gasförmig.

3.5.4 Wasserstoffbrücken (H-Brücken)


In Molekülen, in denen Wasserstoff (H) mit den besonders elektronegativen Elementen Stickstoff (N),
Sauerstoff (O) oder Fluor (F) binden, entstehen Wasserstoffbrücken (H-Brücken).
Die Elemente N, O und F haben die höchste EN, Wasserstoff (H) die tiefste EN eines Nichtmetalls.
Dadurch entstehen sehr polare Bindungen. Zudem sind N, O und F Elemente der 2. Periode, sie
haben also nur zwei Schalen und sind deshalb kleine Atome. Das bedeutet auch, dass sich die Ladung
auf einer kleinen Oberfläche verteilt, es entsteht eine hohe Ladungsdichte, welche besonders starke
Bindungen mit den (stark positiv geladenen) H-Atomen der anderen Moleküle entstehen.
Eine weitere Voraussetzung für Wasserstoffbrücken sind nicht bindende Elektronenpaare bei den N-,
O- und F-Atomen. Diese „negative Ladung“ bildet den Gegenpol zur positiven Partialladung
(Teilladung) der H-Atome.
Wasserstoffbrücken im Wassermolekül
Chlor ist zwar auch ein sehr elektronegatives Element und enthält nicht bindende
Elektronenpaare. Theoretisch müsste es möglich sein, in HCl (Chlorwasserstoff,
„Salzsäure“) Wasserstoffbrücken zu bilden. Weil aber Chlor in der 3. Periode ist, ist
es wesentlich grösser (Oberfläche +53%) als Fluor. Die Ladungsdichte ist
entsprechend kleiner und reicht nicht aus, um mit H Wasserstoffbrücken zu bilden.

Aktive und passive Stellen bei H-Brücken


Stark polarisierte H-Atome (in Bindungen mit O, F und N) werden als „aktive Stellen“ für H-Brücken
bezeichnet. „Passive Stellen“ sind jene Orte in Molekülen, an denen die H-Atome mit positiver
Partialladung „andocken“ können: Freie Elektronenpaare an O-, F- oder N-Atomen (wenn diese als
permanenter Dipol vorliegen)
Einfluss der H-Brücken auf den Siedepunkt

sind äusserst starke zwischenmolekulare Kräfte (aber noch immer wesentlich schwächere Kräfte als
die eigentlichen Bindungskräfte in Verbindungen). H-Brücken bestimmen weitgehend die
besonderen Eigenschaften des Wassers und es sind auch Wasserstoffbrücken, welche die beiden
Stränge der DNS (Speicherort der Erbinformationen) zusammenhalten.

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Chemie, 1. Klassen, ge 18 März 2024
3.5.5 Schmelz- und Siedepunkt als Indikatoren für
zwischenmolekulare Kräfte
Wie oben schon erwähnt, werden Schmelz- und Siedetemperatur von den zwischenmolekularen
Kräften bestimmt. Will heissen: Wenn die Zwischenmolekularen Kräfte gross sind, dann ergeben sich
hohe Schmelz- und Siedepunkte.
Die Siedetemperatur hängt praktisch nur von den ZMK ab. In Flüssigkeiten wirken die Kohäsionskräfte und die
ZMK bestimmen die Stärke dieser Kohäsionskräfte. Der Schmelzpunkt hingegen hängt auch von der
Gitterstruktur ab. Dabei kommt es auch darauf an, ob die Kräfte in alle Richtungen gleich stark wirken. Die ZMK
sind zwar eine bestimmende Grösse für die Schmelztemperatur, in regelmässigen Gittern herrschen jedoch
stärkere Gitterkräfte als in unregelmässigen.
Die drei zwischenmolekularen Kräfte haben unterschiedliche Stärken:
 Am Schwächsten sind die Van-der-Waals-Kräfte. Sie wirken aber in allen Molekülen, auch
zusammen mit den anderen intermolekularen Anziehungskräften. Bei grossen Molekülen können
die Van-der-Waals-Kräfte wegen der grossen Anzahl Elektronen und der grossen Oberfläche in
ihrer Gesamtheit sehr stark sein.
 Wesentlich stärker sind die Dipol-Dipol-Kräfte. Diese hängen von der Stärke des Dipols ab.
 Am Stärksten sind die H-Brücken. Als Faustregel kann man sagen, dass sie rund 10x stärker sind,
als Van-der-Waals Kräfte.
Es ist die Gesamtheit der drei Kräfte, welche Schmelz- und Siedetemperatur bestimmen. Deshalb
muss jedes einzelne Molekül auf seinen Charakter bezüglich der drei zwischenmolekularen Kräfte hin
untersucht werden, um eine Vorhersage von Schmelz- und Siedepunkt zu machen, bzw. um eine
Reihe von Stoffen nach Schmelz- und Siedetemperatur zu ordnen.

3.6 Lösungen: Mischbarkeit und Löslichkeit von Stoffen


Ganz zu Beginn des Chemieunterrichtes haben wir gelernt, dass es heterogene und homogene
Gemische gibt. Interessant sind hierbei vor allem die homogenen Gemische, denn da findet eine
Interaktion zwischen den Teilchen statt.
Im Folgenden wollen wir uns in erster Linie mit Lösungen und homogenen Gemischen von
Flüssigkeiten beschäftigen. (Bei einer Lösung wird ein Feststoff so von einem Lösungsmittel umgeben, dass es
zu einem homogenen Gemisch wird. Lösungen sind aber auch homogene Mischungen zweier (mischbarer)
Flüssigkeiten.)

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Chemie, 1. Klassen, ge 19 März 2024
Das Lösungsmittel ist im Allgemeinen jene Komponente eines Gemisches mit dem grössten
Mengenanteil. Die übrigen Komponenten sind die gelösten Stoffe.

Zur Erinnerung: Um Lösungen zu definieren, wird jeweils die Konzentration des gelösten Stoffes angegeben.
Entweder in mol/l, g/l oder als Mengenanteil in %. Bei unseren bisherigen Betrachtungen sind wir von Wasser
als Lösungsmittel ausgegangen.
Ob sich ein Stoff in Wasser oder mit einem anderen Lösungsmittel lösen lässt, also ob zwei
Flüssigkeiten mischbar sind, hängt von den zwischenmolekularen Kräften ab.
Diffusion
Teilchen von flüssigen oder gasförmigen Stoffen können sich bewegen (Diffusion). Mischt man zwei
Stoffe, so haben die Teilchen grundsätzlich das Bestreben sich zu vermischen. Bei beiden Stoffen
findet eine „Wanderung“ der Teilchen statt, die so lange dauert, bis die Stoffe ein homogenes
Gemisch bilden. (Deshalb ist die Mischbarkeit häufig temperaturabhängig, denn die Temperatur beeinflusst
die Bewegung eines Systems).
Löslichkeit, bzw. der Vorgang des Lösens, kann folgendermassen definiert werden:
Lösen (bzw. Mischen) ist gegenseitiges „Durchdringen“ zweier (oder mehrerer) Stoffe aufgrund der
Anziehungskraft untereinander und der Teilchenbewegung.
Beim Mischen zweier flüssiger Reinstoffe werden die bestehenden zwischenmolekularen Kräfte
aufgehoben und durch neue, andere Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Molekülen
ersetzt.
Nun findet dieser Mischvorgang nur statt, wenn nichts die Teilchen daran hindert, sich zu
vermischen. Sich in einem Stoff lösen, bzw. das Mischen von Stoffen ist immer auch ein
„Eindringen“ des einen Stoffes in den Stoffverband des anderen.
Dies kann unmöglich sein, wenn die Teilchen des Stoffes A sehr stark zusammenhalten, die Teilchen
des Stoffes B aber diese Bindungen nicht zu lösen vermögen und somit nicht in diesen
„Stoffverbund“ eindringen können.
Konkret ist das dann der Fall, wenn im Stoff A sehr grosse zwischenmolekulare Kräfte (ZMK)
herrschen (Dipol-Dipol-Bindungen und vor allem H-Brücken), im Stoff B jedoch nur kleine ZMK. Dann
gelingt es den Molekülen des Stoffes B nicht, sich zwischen die Moleküle von Stoff A zu „drängen“,
die Stoffe sind nicht mischbar.
Grundsätzlich gilt als Faustregel:
Ähnliches löst sich mit Ähnlichem.
Dabei können folgende Regeln aufgestellt werden:
1. Verschieden polare Moleküle mischen sich untereinander.
2. Polare und unpolare Moleküle mischen sich nicht.
3. Unpolare Moleküle mischen sich untereinander.
Beispiele von Lösungen:

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Chemie, 1. Klassen, ge 20 März 2024
1. Polare Stoffe untereinander:
a. Salzsäure (1M HCl)
b. Salzlösung (wobei hier Ionen gelöst sind, aber auch hier geht es um polare, bzw.
geladene Teilchen)
c. Alkohol und Wasser
d. Zucker und Wasser
2. Polar und unpolar:
a. Öl in Wasser
b. Benzin und Wasser
c. Lycoin (roter Farbstoff der Tomate) und Wasser.
3. Unpolare Stoffe untereinander:
a. Sudanrot und Hexan
b. Iod in Hexan
c. Öl in Benzin
Weil Wasser ein polarer Stoff ist, ist es ein wichtiges Lösungsmittel für sehr viele polare Substanzen.
Stoffe, welche sich in Wasser lösen lassen, nennt man hydrophil, Stoffe, welche in Wasser unlöslich
sind, nennt man hydrophob. Ebenfalls gebräuchlich ist der Begriff lipophil: Damit ist gemeint, dass
sich etwas im (unpolaren) Fett lösen kann. (Lipophil ist also identisch mit hydrophob).
Zwischenmolekulare Kräfte in Lösungsmitteln

Die Löslichkeit von Stoffen hat in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. So kann ein
Stoff nur extrahiert werden, wenn er sich im Extraktionsmittel löst. Oder anders ausgedrückt: Wenn
man einen Stoff gewinnen will, so muss man dasjenige Extraktionsmittel anwenden, in welchem der
Stoff sich am besten lösen lässt. So lässt sich beispielsweise Coffein zur Analyse ideal mit
Dichlormethan, einem (schwach) polaren Lösungsmittel, herauslösen.
Das obige Beispiel von „schwach polar“ zeigt, dass die Grenze zwischen polar und unpolar nicht
immer ganz klar zu ziehen, sondern fliessend, ist. Und gibt es Stoffe, welche einen polaren und einen
unpolaren Anteil haben. Diese Stoffe lassen sich dann oft sowohl mit Wasser (als typisch polares
Molekül) als auch mit Benzin (als typischen Vertreter unpolarer Moleküle) mischen.

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Chemie, 1. Klassen, ge 21 März 2024
Eine letzte Anmerkung zur Löslichkeit: Fast jeder Stoff lässt sich in minimalen Mengen in Wasser oder einem
anderen Lösungsmittel lösen. Und für jeden Stoff gibt es eine Obergrenze der Löslichkeit. Wir haben im
Praktikum und auch beim Wärmespeicher (Bärchen, Schneemann) schon gesättigte, bzw. übersättigte Lösungen
kennengelernt. Dem Phänomen der Löslichkeit von Salzen werden wir bei der Ionenbindung wieder begegnen.
Den allgemeinen Mechanismus der Sättigung und das Löslichkeitsprodukt werden wir später ausführlich
behandeln.

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Chemie, 1. Klassen, ge 22 März 2024
Trainingsfragen Kovalente Bindungen
1. Zwischen dem Atommodell nach Bohr und dem Orbitalmodell gibt es einen grossen Unterschied in der Art
und Weise, wie man sich das Elektron vorstellt. Beschreibe die beiden unterschiedlichen Sichtweisen.
2. Definiere den Begriff Orbital. Wie viele Elektronen passen in ein Orbital und wie werden Orbitale mit
Elektronen befüllt?
3. Die grosse Mehrzahl der kovalenten Bindungen sind polare Atombindungen.
a. Aus welcher atomaren Eigenschaft der Elemente ergibt sich die Polarität einer chemischen
Bindung?
b. Nenne drei Beispiele von unpolaren Verbindungen.
4. Zeichne die Lewis-Formel von Propan (C3H8), Propen (C3H6) und Propin (C3H4)
5. Zeichne folgende Moleküle und bestimme die Hybridisierung aller Atome der folgenden
Verbindungen: C3H4, NH3, OF2, CH3COCH3.
6. Nur eine der folgenden Strukturen der Essigsäure (C2O2H4) ist korrekt. Notiere unter der jeweiligen Grafik
den Fehler (oder auch mehrere Fehler) und suche die korrekte Struktur heraus. Die Fehler sind eindeutig
(also nicht ein gezeichneter 118°-Winkel statt ein 120°-Winkel).

7. Man nehme das Atom Phosphor und zeichne die Valenzorbitale auf. Nun befüllt man die Valenzorbitale
mit Elektronen – einmal im elementaren Phosphor und einmal in einem Phosphor mit einem sp3-Hybrid.
Erläutere den Unterschied!
8. Berechne aus dem Periodensystem folgende Bindungslängen:
 CCl
 CH
 OH
 NH
 CN
 HF
 HCl
 HBr
 HI

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Chemie, 1. Klassen, ge 23 März 2024
9. Vergleiche Bindungslänge und Bindungsenergie der folgenden Verbindungen:
 HF
 HCl
 HBr
 HI

Erläutere die Veränderung innerhalb dieser Hauptgruppe und den Zusammenhang zwischen diesen beiden
Grössen.

10. Berechne die Reaktionsenthalpie in kJ/mol folgender Reaktionen aus den Bindungsenthalpien:
 H2 + Cl2 ⇋ 2 HCl
 H2 + F2 ⇋ 2 HF
 H2 + Br2 ⇋ 2 HBr
 H2 + I2 ⇋ 2 HI
 2 H2 + O2 ⇋ 2 H2O
 2 H2 + C ⇋ CH4
Glucose (C6H12O6)
 3 H2 + N2 ⇋ 2 NH3
 6 CO2 + 6 H2O ⇋ C6H12O6 + 6O2
11. Ordne die Halogene nach steigenden Siedepunkten (ohne in Wikipedia nachzuschauen) und begründe
deine Meinung.
12. Ordnet die Siedetemperaturen von -42°C und 109 K den Stoffen Methan (CH4) und Propan (C3H8) zu.
13. Von den Stoffen C4H10, S8 und C6H14 ist einer bei Standardbedingungen (25°C, 1,013bar) fest, einer flüssig
und einer gasförmig. Ordne diesen Stoffen ihren Aggregatszustand zu und begründe deine Auffassung.
14. Enthält Kohlendioxid polare kovalente Bindungen?
15. Trichlormethan (sog. Chloroform) hat die Formel CHCl3. Welche der untenstehenden drei Eigenschaften
trifft auf dieses Molekül zu? Begründe!
a. unpolar
b. stark polar
c. schwach polar
16. Aceton ist ein wichtiges Lösungsmittel mit Konstitutionsformel CH3COCH3. Handelt es sich hier um ein
polares oder ein unpolares Molekül?
17. Wie viele aktive und passive Stellen für H-Brücken haben die folgenden Moleküle: H2O, NH3, N2, CH3OCH3?
18. Die Siedepunkte der folgenden Stoffe betragen:
a. Ethan (C2H6): -89°C
b. Formaldehyd (CH2O): -21°C
c. Methanol (CH3OH): +65°C
Worauf beruhen die grossen Differenzen der Kohäsionskräfte in diesen Stoffen?
19. Wie viele H-Brücken können Aceton (CH3COCH3) und 1-Propanol (CH3CH2CH2OH) mit beliebig vielen
Wassermolekülen bilden?
20. Lassen sich folgende Stoffe miteinander mischen? Begründung?
a. Jod und Wasser
b. Jod und Hexan (C6H14)
c. Wasser und Alkohol (C2H5OH)
d. Wasser und Hexan
e. Alkohol und Hexan
21. Wieso sind Fette wasserunlöslich?
22. Löst sich Kochsalz in Hexan?
23. Wie funktionieren wasserfeste Filzstifte?
24. Ihr habt einen Tomatensauce-Fleck auf eurem weisse Lieblings-T-shirt. Wie könnt ihr ihn wieder
entfernen?

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Chemie, 1. Klassen, ge 24 März 2024
Lycopin, Farbstoff der Tomate
25. Phospholipide bestehen aus einem hydrophilen „Kopf“ und einem lipophilen
„Schwanz“. Erkläre die Bedeutung der Phospholipide in der Zellwand von Lebewesen
aus chemischer Sicht.

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Chemie, 1. Klassen, ge 25 März 2024

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