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Brahmacharya für Jungen und Mädchen Inhaltsverzeichnis

»Brahmacharya« ist ein Sanskritwort. Vom Wort »Brahmachari«


(enthaltsam Lebender) wurde das Wort Brahmacharya (Enthaltsamkeit)
abgeleitet. Ein Brahmachari führt ein Leben des Studiums in strenger
Disziplin und Selbstkontrolle, wobei er immer die höchste Wahrheit
(Brahman oder Gott) im Auge hat. Das Dharma (die Verhaltensregeln, die
täglichen Pflichten und Vorschriften), das ein Brahmachari genau einhalten
muß, wird Brahmacharya genannt. Ein Brahmachari hat alle Regeln des
Yama und Niyama einzuhalten.

Yama umfaßt Nichtverletzen, Ehrlichkeit, Enthaltsamkeit (Brahmacharya),


Nichtstehlen, keine Geschenke annehmen (nicht bestechlich sein). Niyama
bedeutet Sauberkeit, Zufriedenheit, Genügsamkeit, Studium und Hingabe an
Gott. Um die Höchste Erkenntnis zu erreichen (Nirvikalpa Samadhi oder den
transzendentalen Zustand), muß man in den moralischen Verhaltensregeln
von Yama und Niyama absolut sicher sein. Was das Fundament für ein
Gebäude ist, das sind die Regeln von Yama und Niyama für die Religion.
Ohne ihre strenge Beachtung kann niemand geistige Fortschritte machen.
Um die Wahrheit zu erreichen und zum letzten Ziel zu gelangen, muß man
vollkommen Herr seiner Sinne und seines Geistes sein. Ohne diese
umfassende Vollkommenheit kann niemand das Ziel erreichen oder die
wahre und letzte Weisheit gewinnen. Tatsächlich stehen alle Religionen der
Welt auf dem Felsen von Yama und Niyama.

In einem sehr eingeschränkten Sinne versteht die Allgemeinheit unter


Brahmacharya die Kontrolle der sexuellen Instinkte, Wünsche, Gedanken
und Handlungen. Selbst wenn man die Bedeutung des Wortes in diesem
eingeschränkten Sinne gelten läßt, führt das doch zum Verständnis der
dringenden Notwendigkeit, strikte Kontrolle über alle Sinne und den Geist
auszuüben, denn ein Brahmachari muß Brahmacharya in Gedanken, Worten
und Taten einhalten. Kontrolle über Wünsche, Gedanken, Rede und
Handlungen entsteht aus perfekter Geisteskontrolle. Wer keine Kontrolle
über seinen Geist und dessen Funktionen hat, kann nie ein vollkommener
Brahmachari sein.

Der Geist ist es, der die Sinne belebt und alle Geistesfunktionen trägt.
Solange der Geist sich nicht mit den Sinnen verbindet und sie aktiviert,
können diese selbst nicht arbeiten. Stellen wir uns z.B. einen schlafenden
Menschen vor. Vielleicht reden Leute im selben Raum, oder Autos und
Busse fahren vorbei. Der schlafende Mensch merkt von all dem nichts.
Warum? Weil im Tiefschlaf der Geist nicht im Gehirn anwesend ist. Ohne
den Geist können die Sinne, obwohl sie wie der Körper und das Gehirn usw.
vorhanden sind, nicht arbeiten.

Das beweist deutlich, daß die Sinne aus sich selbst ohne den Geist nicht
funktionieren können. Daher hat derjenige, der seinen Geist unter perfekter
Kontrolle hat, auch vollkommene Kontrolle über seine Sinne. In einem
wahreren und tieferen Sinne drückt das Wort »Brahmacharya« nicht diese
eingeschränkte Bedeutung aus. Aber sogar jener, der es in diesem engen
Sinne auslegt und nach der Beherrschung der sexuellen Instinkte, Wünsche,
Gedanken und Taten strebt, muß automatisch auch alle anderen Sinne und
seinen Geist kontrollieren und beherrschen. Wenn wir wirklich tief in diesen
Gedanken eindringen, finden wir, daß die Sinne nicht isoliert dastehen,
sondern miteinander verbunden und aufeinander bezogen sind. Daher muß
man, auch wenn man nur einen Sinn besiegen will, gleichzeitig alle anderen
beherrschen.

Sexuelle Energie

Im Körper arbeiten fünf grobe und fünf subtile Sinne. Brahmacharya im


eingeschränkten Sinn ist verbunden mit dem Tastsinn und dem Vergnügen,
das durch die Geschlechtsorgane empfunden wird. Dieser Genuß ist die
Ursache der Fortpflanzung. Die Vereinigung männlicher und weiblicher
Sexualenergie bringt Nachkommen hervor. Das ist allen Lebensbereichen
gemeinsam, ob es sich dabei um Pflanzen, Insekten, Reptilien, Vögel,
Säugetiere oder menschliche Wesen handelt. Im menschlichen Körper gibt
es Drüsen verschiedener Art, die Schilddrüse, Hypophyse, Zirbeldrüse usw.
Diese Drüsen bestehen aus besonderen Zellen, die eine Reihe von
Flüssigkeiten produzieren. Sie leben von reinem Blut.

Wenn ein Körper nicht genug reines Blut besitzt, degenerieren sie, und die
Folge ist ein Mangel an verschiedenen Säften, die von Geburt an unerläßlich
für Gesundheit und Wachstum von Körper, Gehirn usw. sind. Jeder Defekt
in diesen Drüsen und jede Abweichung von ihrer normalen Sekretion
verursacht Krankheit, vorzeitigen Verfall und Tod. Anders als die genannten
Drüsen nehmen die Sexualdrüsen wie Prostata, Samenbläschen, Cowpersche
Drüsen und Hoden ihre Sekretion erst nach der Pubertät auf, wenn sie voll
ausgewachsen sind. In heißem Klima und bei Menschen, die zu viel scharfe,
saure und hitzeerzeugende Nahrung zu sich nehmen, fangen sie auch schon
früher an zu arbeiten.

In heißen Ländern ist das durchschnittliche Reifealter für Mädchen dreizehn


oder vierzehn, für Jungen vierzehn oder fünfzehn, aber in kühlen Klimata
erreichen Jungen und Mädchen die Reife nach dem sechzehnten Lebensjahr.
Während des Wachstums werden besonders die Schilddrüse und die
Hypophyse aktiv und entwickeln bei den Jungen Hoden, Prostata und andere
Sexualdrüsen, bei den Mädchen die Eierstöcke, die Brustdrüsen und andere.
Das sind die Symptome für die beginnende Geschlechtsreife. Während
dieser Periode steigt die Durchblutung des Beckenraums, und sie ist
verantwortlich für die sexuelle Erregung. Beim kleinsten sexuellen Wunsch
oder Gedanken werden die Geschlechtsdrüsen aktiv, sondern ihre
Flüssigkeiten ab und entlassen sie durch die Genitalien.

Jungen und Mädchen haben in der Geschlechtsreife von Natur aus starke
sexuelle Instinkte, und wenn sie unachtsam mit Personen des anderen
Geschlechts umgehen, erotische Romane lesen, Liebeslieder singen oder
Schauspiele und Filme sehen, die einen sexuellen Reiz ausüben, verfallen sie
sehr leicht geschlechtlichen Vergnügen in Form von Masturbation oder
Homosexualität und anderen Ausschweifungen.

Manche unglückliche Jungen und Mädchen kommen durch Kontakt mit


gewissen älteren Freunden oder Verwandten schon mit sechs oder sieben
Jahren zur Masturbation. Der eigentliche geschlechtliche Genuß wird
Orgasmus genannt. Im frühen Alter von sieben oder acht Jahren gibt es noch
keinen Samenerguß bei den Jungen oder ein Freiwerden sexueller
Flüssigkeiten bei den Mädchen, aber trotzdem können sie einen Orgasmus
haben.
Beim Orgasmus werden »0jas Shakti« (große geistige Energie),
Nervenenergie und ein Teil der Kundalini Shakti (der zentralen körperlichen
Kraft) durch die männlichen und weiblichen Genitalien aus dem Körper
herausgepreßt.

Der Energieverlust, den man schon durch eine einzige sexuelle


Ausschweifung erleidet, ist beinahe nicht wieder gutzumachen. Bei einem
einzigen Geschlechtsakt verliert man erheblich mehr an geistiger und
körperlicher Kraft, als bei jedem anderen Sinnesgenuß. Unter allen
Sinnesfreuden sind geschlechtliche Vergnügen die stärksten. Sie laugen den
Organismus aus und ruinieren die geistige und körperliche Gesundheit des
Menschen. Jungen oder Mädchen, die ihr geschlechtliches Verlangen
zügeln, sind je nach dem Grad der ausgeübten Kontrolle der Wahrheit näher.

Sexuelle Energie durchdringt in der einen oder anderen Form den ganzen
Lebensbereich und drückt sich in verschiedener Art geistiger und
körperlicher Entwicklung aus. Wenn sie richtig überwacht und gezügelt
wird, steigert sie nicht nur die Willens- und Geisteskraft, sondern auch die
des Körpers. Wenn die Sexualenergie daran gehindert wird, sich in ihrer
gröbsten Form (Geschlechtsverkehr) auszudrücken, steigert sie die
Vorstellungskraft und die Merkfähigkeit. Ebenso steigert sie die
schöpferische Energie und erhöht die Fähigkeit, Schönheit in Kunst,
Dichtung, Literatur usw. wahrzunehmen.

Bedauerlicherweise verschwendet jedoch die große Mehrheit der


menschlichen Wesen diese große Kraft in ihrer gröbsten Form und findet
daher keine Möglichkeit, sie in höheren Formen auszudrücken, denn ein
Mensch, der schon in früher Jugend beginnt, seine Sexualkraft zu verlieren,
verliert auch den Sinn für die Entwicklung dieser Kraft. Brahmacharya lehrt
uns darum, diese große Macht (die Sexualenergie) zurückzuhalten und zu
bewahren und damit die eigene schöpferische Kraft zu steigern. Ein Leben
in eindeutigem Brahmacharya erhöht die Langlebigkeit sowie die Stärke von
Körper und Geist und verschafft uns den Genuß eines Lebens in Frieden und
Seligkeit. Wenn die Sexualenergie mißbraucht wird, zerstört das die ganze
Persönlichkeit.

Die sexuelle Energie hat zwei Bewegungsrichtungen, nämlich aufwärts und


abwärts. Die unendlichen Kräfte des Geistes, alle künftigen Möglichkeiten
und all das göttliche und menschliche, spirituelle und materielle Wissen,
dessen der Mensch sich rühmen und das er verwirklichen kann, ruhen
verborgen in der Kundalini Shakti im Basis-Chakra (Muladhara Chakra),
d.h. der Stelle, an der Anus und Harnleiter sich treffen. Wenn diese Shakti in
Form von sexuellem Genuß und Geschlechtsverkehr dauernd den Weg nach
unten nimmt, wird der betreffende Mensch schwach und stumpfsinnig und
ist in bezug auf Gedächtnis, Intellekt und Willenskraft zu nichts zu
gebrauchen. Solch ein Mensch ist in keiner Beziehung besser als ein
gewöhnliches Tier (Mir gefällt die etwas abwertende Haltung des Autors
zum Tier nicht so sehr. Sie taucht an mehreren Stellen des Textes auf.
Gemeint ist wohl der zügellose sexuelle Genuss.), denn seine ganze geistige
Stärke und körperliche Kraft werden durch diese niedrigen Genüsse
verschwendet. Sexuelle Aktivität zerstreut die Geistes und Körperkräfte und
verkürzt die Lebensspanne.

Wenn man Brahmacharya einhält und diese heilige sexuelle Energie


bewahrt, wird sie leicht in die große geistige Kraft »Ojas Shakti«
umgewandelt. Je mehr »Ojas Shakti« in einem Menschen wächst, desto
kraftvoller wird er. Bei einem vollkommenen Brahmachari nimmt die
Sexualenergie immer den Weg nach oben und verwandelt sich in »Ojas
Shakti«, bevor sie die Form körperlicher Flüssigkeitsabsonderung annehmen
kann. Bei einem perfekten Brahmachari wird der Intellekt sehr scharf, das
Gedächtnis sehr stark und die Willenskraft diamanthart. Man wird ein
Mensch mit festem Charakter. Jeder Gedanke, jedes Wort und jede
Handlung eines solchen Menschen hat Gewicht. Das sind die wahren
Reformer und Weltbeweger. Sie werden überall verehrt und mit Ehrfurcht
behandelt. Alles, was sie tun, zeugt von großer Kraft. Ein perfekter
Brahmachari hat leicht Erfolg auf allen Lebenswegen und im Lernen. Wo es
Größe gibt, wo sich außergewöhnliche Entfaltung des Intellekts zeigt, kann
man sicher sein, daß es der Funktion von »Ojas Shakti« zuzuschreiben ist,
und einem solchen Menschen ist es weitgehend gelungen, Brahmacharya
einzuhalten.

Brahmacharya ist das Hauptinstrument, um Freiheit (Moksha oder


Gottverwirklichung) zu erreichen. Brahmacharya ist die Hauptquelle des
Erfolgs in jedem Lebensbereich. Aus einem Studenten wird ein viel besserer
Student, aus einem Dichter ein viel besserer Dichter, aus einem Künstler ein
viel besserer Künstler usw. Der Sinn von Brahmacharya ist also, den
Menschen in jeder Beziehung vollkommen zu machen. Erfolg in allen
Lebensbereichen ist die Folge der höchsten Geisteskonzentration, und diese
Konzentration ist leicht erreichbar durch Brahmacharya. Es besteht nämlich
eine sehr enge Verbindung zwischen Geist, Sexualenergie und der Kundalini
Shakti. Ohne die Sexualenergie zu kontrollieren, kann man nicht einmal
davon träumen, den Geist voll unter Kontrolle zu bekommen, und ohne
Geisteskontrolle kann man die Geheimnisse der Kundalini Shakti nicht
erkennen und Zugang zu den verborgenen Geisteskräften finden.

Ein Yogi, der seine Sexualenergie zügelt, dadurch seinen Geist kontrolliert
und die Kundalini Shakti zu höheren Zentren führt, entfaltet übernatürliche
Kräfte (Ich persönlich glaube solange nicht an übernatürlichen Kräfte, bis
mir jemand das Gegenteil beweist. Ein Yogi sollte sie auch nicht anstreben.
Es lenkt ihn nur von seinem spirituellen Weg ab.). In jedem Mann, jeder
Frau, jedem Jungen oder Mädchen liegt diese höchste Kraft verborgen, und
um sie zu aktivieren, bedarf es lediglich strikter Einhaltung von
Brahmacharya, regelmäßiger Meditation und Geisteskontrolle. Das
Geschlechtsleben macht den Menschen schwach an Körper und Geist. Mit
schwachem Körper und ungesundem Geist ist der Mensch nicht in der Lage,
einen harten und mühsamen Lebenskampf aufzunehmen. Daher muß man,
um im Leben Erfolg zu haben, Brahmacharya einhalten.

Jungen oder Mädchen mit schwachem Geist verschwenden ihre


Sexualenergie bei geschlechtlicher Zügellosigkeit. Ein wahrer Schüler
gebraucht diese Energie jedoch zur Entwicklung seiner körperlichen
Gesundheit und seiner geistigen Fähigkeiten. Ein Ringer verwandelt diese
Energie in große Körperkraft. Ein Wissenschaftler benutzt sie, um seinen
Geist auf Forschungen zu konzentrieren. Ein religiöser Mensch verwendet
sie, indem er seine Anstrengungen auf das Erreichen von Samadhi oder
Gottverwirklichung richtet.

Ein Schüler, der sein Brahmacharya nicht einhält, kann keinen Erfolg in
seinem Beruf haben. Er kann keine Leuchte werden. Sogar ein guter
Student, welcher der Lust verfällt, setzt damit seiner erfolgversprechenden
Laufbahn ein Ende. Ein Ringer, der kein Brahmacharya einhält, kann seine
körperliche Gesundheit und Kraft nicht aufrechterhalten und in der Kunst
des Ringens keinen durchschlagenden Erfolg haben. Ein religiöser Mensch
ohne Brahmacharya wird sein Leben in Mißerfolg und Scheinheiligkeit
enden. Tatsächlich geht jede Inspiration und höhere subtile Entdeckung von
der Konzentration des Geistes aus, und diese Konzentration wird durch
Brahmacharya erreicht.

Wenn Armut und Brahmacharya-Verlust in einem Land zusammentreffen,


wird es mit Sicherheit zugrunde gehen. Nehmen wir zur Veranschaulichung
das Beispiel Indiens. Als in der ganzen westlichen Welt noch Barbarei
herrschte und die Vorfahren der heutigen zivilisierten Nationen des Westens
in Höhlen und Wäldern Seite an Seite mit den wilden Tieren lebten, stand
Indien im Zenit seines Glanzes. Das Land war reich und blühend, und die
Ashramas (Lebensstadien) und Varnashramas (Kasten) standen in höchstem
Ansehen. Die vier Ashramas sind:

Die vier Ashramas (Lebensstadien):

1. Phase: Schüler; vom jungen Menschen wird Enthaltsamkeit erwartet


(Brahmacharya)
2. Phase: verheiratet; mäßige Sexualität und Treue empfohlen (Grihastya)
3. Phase: Die Kinder sind erwachsen; Enthaltsamkeit wird empfohlen
(Vanaprastha)
4. Phase: Das Leben wird vollkommen Gott geweiht; Mönch und
Enthaltsamkeit (Sannyas)

Die vier Varnashramas (Kasten):

1. Brahmanas (Interlektuelle: Priester, Lehrer, Wissenschaftler, Richter - ca.


5 Prozent)
2. Kshatriya (politische und militärische Führer: Krieger, Politiker - ca. 10
Prozent)
3. Vaishya (Geschäftsleute, Bankiers, Bauern, Kaufleute - ca. 20 Prozent)
4. Sudra (Arbeiter, Handwerker, Künstler, Diener, Tagelöhner - ca. 50
Prozent)
Und dann gab es natürlich noch die Unberührbaren, die keiner Kaste
angehörten und die die Schmutzarbeit machten (ca. 15 Prozent): Kadaver
von der Strasse entfernen, Toiletten reinigen

Jungen und Mädchen der drei höheren Kasten (ca. 35 Prozent) wurden von
einem bestimmten Alter an von ihren Gurus (Lehrern) erzogen, mit denen
sie zusammenlebten. Dort führten sie ein sehr reines Leben, und man lehrte
sie die Ideale einfachen Lebens und hohen Denkens, das sie auch
praktizierten. Sie führten ein kraftvolles Leben in Brahmacharya und hatten
sich voll in der Hand. Nachdem sie sich körperlich und geistig
vervollkommnet hatten, gründeten die Schüler, denen das Leben eines
Hausvaters zusagte, eine Familie (Grihasta Ashrama). Diese genaue
Einhaltung von Brahmacharya war in alten Zeiten eine der Hauptursachen
der Langlebigkeit der Inder und ihrer umfassenden Erfolge.

Das Indien, das wir heute sehen, steht mitten im Kampf gegen schreckliche
Armut. Die Armut sitzt diesem Land so in den Knochen, daß sie dem Volk
das Mark aussaugt. Die große Mehrheit des Volkes arbeitet von früh bis spät
und kann sich trotzdem kaum zweimal am Tag genügend einfache Chapatis
(Brot) oder Reis leisten, sogar ohne Dal (Suppe). Zusätzlich zu dieser
furchtbaren Armut sind die Ashrama Dharmas (4 Lebensstadien) zerstört
worden, und das Land hat den Wert, das Ziel und die Notwendigkeit von
Brahmacharya fast vergessen.

Viele wissen nicht einmal, warum sie überhaupt Brahmacharya einhalten


sollten, und für viele ist das Wort nur Spott und Hohn. Die Armen, die nie
Gelegenheit hatten, eine der höheren Freuden des Lebens zu genießen,
werden natürlich schon von früher Jugend an zu dem niederen und ordinären
Vergnügen sexuellen Genusses hinabgezogen. Aber wie steht es mit den
Reichen und den Gebildeten? Auch sie sind der Lust zum Opfer gefallen. Ihr
Luxus und ihre falsche Erziehung drücken sie hinab auf das Niveau von
Tieren. Nein! In dieser Hinsicht sind Tiere und sogar die unbedeutendsten
Insekten weit vernünftiger als viele von ihnen. Es ist wohlbekannt, daß
weibliche Tiere außerhalb der Paarungszeit und während der Tragezeit keine
sexuellen Neigungen und Funktionen haben.

Für ein armes Land kann Brahmacharya nur ein Segen und eine große
Wohltat sein. Wenn die Reichen auf normale und gut geregelte Weise
sexuellen Freuden nachgehen, so wirkt sich das nicht so stark auf ihre
geistige und körperliche Gesundheit aus, denn der Verlust wird in der Regel
bis zu einem gewissen Grade im Lauf der Zeit wettgemacht, weil sie sich
nahrhaft und reichlich ernähren können. Bei armen Menschen jedoch, deren
Ernährung schlecht ist, und die schon halb verhungert sind, ist der Verlust
bei jedem Geschlechtsverkehr ganz offensichtlich irreparabel.

Solche Männer oder Frauen können diesen großen Verlust nicht


wiedergutmachen, was sich dann schwerwiegend auf ihre geistige und
körperliche Gesundheit auswirkt. Das Leben solcher Menschen ist in der
Regel weit entfernt vom idealem Leben. Sie können dem Bösen nicht
widerstehen und keinen rechten Begriff von einem idealen Leben haben. Sie
sind schwach, scheu und dumm und führen ein entwürdigendes und
heruntergekommenes Leben. Andererseits kann der Staat wenn er sich
entsprechend Mühe gibt und für eine ideale und charakterbildende
Erziehung der Jungen und Mädchen sorgt, wenn er sie den Wert von
Brahmacharya und die Wichtigkeit eines enthaltsamen Lebens verstehen
lehrt, und wenn er schließlich die Eltern über den Wert eines
wohlregulierten sexuellen Lebens aufklärt, die Nation leicht vor einem
großen Zusammenbruch und den Gefahren und dem Elend der Armut
bewahren.

Auch im Staatsdienst, bei leitenden Persönlichkeiten usw. spielen Charakter


und Enthaltsamkeit (Brahmacharya) eine außerordentlich wichtige Rolle.
Ohne vollkommenen Charakter können Männer oder Frauen nicht wirklich
zu echten Führungspersönlichkeiten werden. Um ein wahrer Führer und
Leiter eines Landes zu sein, muß man erstens einen gediegenen Charakter
besitzen. Zweitens muß man Herr seines Geistes und seiner Sinne sein.
Drittens muß man frei sein von dem Wunsch nach Ruhm und Ehre.
Außerdem muß man völlig selbstlos sein. Wenn jemand auch nur eine dieser
Qualitäten nicht besitzt, sollte er oder sie nicht glauben, eine wahre
Führungspersönlichkeit zu werden.

Wenn jemand ohne diese Eigenschaften versucht, ein Volk oder eine Nation
zu lenken, bringt das nicht nur dem eigenen Volk großen Schaden und große
Ungerechtigkeiten, sondern wirkt sich so auch auf die ganze Welt im
allgemeinen aus. Wie kann ein Mensch, der seinen eigenen Geist und seine
Sinne nicht beherrscht, andere regieren und führen? Wenn solchen unreifen
Menschen die Führerschaft anvertraut wird, kann man sich das
unbeschreibliche Schicksal dieses Volkes und Landes nur vorstellen. Wenn
ein Blinder einen Blinden führt, kommen beide zu Schaden und gehen
zugrunde.

Wie unvernünftig ist solch eine Führerschaft! Diese Schwächlinge können


dem Land und dem Volk nichts wirklich Gutes tun, im Gegenteil, sie fügen
dem Land und seinen Interessen entschieden Schaden zu. Mit ihren
ungezählten persönlichen Wünschen, ihrem ungesunden Charakter und
unreifen Geist geben sie oft dessen schwachen und bösen Neigungen nach.
Sie verfallen der Ehre, sie verfallen dem Ruhm, sie verfallen der Lust usw.
Wenn wir also alle Lebenssphären in unsere Betrachtung einbeziehen,
müssen wir feststellen, daß Charakter und Brahmacharya überall eine
wichtige Rolle spielen. Ohne festen Charakter und Brahmacharya ist noch
nie etwas Gutes geschehen und wird auch nie vollbracht werden.

Die gestaltungsfähigste Zeit im Leben eines Menschen sind die Jahre


zwischen zehn und dreißig. In dieser Zeit wird die Saat für künftigen Erfolg
und Größe oder Mißerfolg und Elend gelegt. Wie auch immer der Geist in
dieser Periode geübt wird und welche Gewohnheiten sich in ihr
herausbilden, sie werden den Menschen weiter bis zum Lebensende
beeinflussen. Und gerade in dieser eindrucksfähigen Zeitspanne ihres
Lebens wird die Mehrzahl der Jungen und Mädchen ruiniert, weil sie von
Eltern und Lehrern nicht die richtige Erziehung und ein falsches Training
bekommen. Wenn ein junger Mensch einmal schlechte Gewohnheiten
pflegt, ist ihr Eindruck in seinem Geist so stark, daß er in seinem späteren
Leben die größten Schwierigkeiten hat, sie wieder auszulöschen, auch dann,
wenn er es wiederholt versucht. Außerdem sind bei einem jungen Menschen
die Sinne hellwach, und der Wunsch nach Sinnesfreuden ist sehr stark und
blind. So müssen also Eltern und Lehrer sehr sorgsam sein, und sie sollten
bei den Jugendlichen besonders auf Einhaltung von Brahmacharya und auf
Charakterbildung achten. Tun sie das nicht, so sind sie in hohem Maße
verantwortlich, wenn der Lebensweg der Jungen ruiniert wird. Auch die
Schüler müssen in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein und weise handeln,
bevor es zu spät ist.

Geistiges Brahmacharya

Nicht an einen Menschen des anderen Geschlechts denken mit der Absicht
sexueller Freuden oder mit schlechten Beweggründen, den Geist nicht mit
sexuellen Wünschen, Gedanken, Vorstellungen oder Anregungen
unterhalten, keinen Menschen des anderen Geschlechts mit schlechten
Absichten ansehen, nicht einmal ein Foto oder Bild mit begehrlichem Blick
oder Motiv betrachten, nicht insgeheim die Bewegungen des anderen
Geschlechts beobachten oder das Liebeswerben von Insekten, Vögeln,
Säugetieren und menschlichen Wesen betrachten, und keine Filme oder
Schauspiele von erotischer Anziehungskraft besuchen - das alles umfaßt das
geistige Brahmacharya. Diese Dinge sind der Ausgangspunkt der Lust, leiten
viele unbewußt in die Irre und verursachen einen Rückschlag in der
Einhaltung von Brahmacharya. Diese Wünsche und Anblicke führen
zunächst zur Störung des geistigen Gleichgewichts oder des geistigen
Brahmacharya, und wenn diese lustvollen Wünsche und Gedanken andauern
und beständig werden, fangen die Geschlechtsdrüsen an, ihre Sekrete
abzusondern, und schließlich verliert man auch sein körperliches
Brahmacharya.

Brahmacharya in Worten

Nicht die Schönheit usw. eines Menschen des anderen Geschlechts mit üblen
und lustvollen Hintergedanken beschreiben, keine erotischen Romane und
Dramen mit sexueller Anziehungskraft lesen oder besprechen, keine
ordinären oder beleidigenden Ausdrücke gebrauchen, nicht im Geheimen
oder an einsamer Stelle mit Personen des anderen Geschlechts reden oder
mit ihnen Späße machen - das alles ist mit Brahmacharya in Rede oder Wort
gemeint.

Brahmacharya der Tat

Keinen Geschlechtsverkehr, keine sexuelle Zügellosigkeit oder anderen


Mißbrauch treiben, den Körper eines Menschen des anderen Geschlechts
nicht berühren, ihn nicht küssen oder umarmen und dabei unsaubere
Nebengedanken haben - das ist gemeint mit Brahmacharya der Tat. Durch
sexuelle Wünsche, Gedanken, Worte und Bilder, durch nahen und
freizügigen Umgang zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts sowie
durch das Hören und Besprechen geschlechtlicher Vorgänge treten die
verborgenen und unterdrückten sexuellen Wünsche eines Menschen leicht
und unbewußt in Aktion, denn der Geist hat die Neigung, einen Wunsch,
Gedanken oder eine Handlung zu imitieren und zu wiederholen. Wenn ein
guter oder schlechter Wunsch oder Gedanke im Geist aufsteigt, hört er nicht
plötzlich auf.

Vielmehr produziert er eine Reihe ähnlicher Wünsche und Gedanken, und


wenn man an dem Gegenstand des Wunsches interessiert ist, gewinnt dieser
Wunsch an Intensität und wird stark und stärker, bis er einen schließlich zum
Handeln zwingt. Auch wenn man etwas tut, möchte man das immer und
immer wiederholen. Wir haben schon gesagt, daß Name und subtile Form
immer in Verbindung stehen. Der Geist kann an nichts denken, ohne die
subtile Form des gedachten Gegenstandes zu projizieren, und so schwelgt
man, je nach der Natur des Wunsches oder Gedankens, mit dem subtilen
Körper in subtilen Freuden an dem erwünschten und gedachten Gegenstand.
Junge und jugendliche Gesellschaft und freier Umgang der Geschlechter
miteinander bringen zunächst lustvolle Wünsche hervor, und wenn diese
sehr stark werden, ziehen sie einen hinab zu unmoralischen Handlungen.

Außerdem gewinnen durch den ständigen freien Umgang der Geschlechter


die sexuellen Instinkte und Wünsche an Kraft, sie reizen die
Geschlechtsorgane, und die entsprechenden Drüsen sondern ihre Sekrete ab,
die in winzigen Tropfen ausfließen. Oft geht auch sexuelle Kraft verloren
durch Naßträume (ungewollte nächtliche Orgasmen im Schlaf, auch
Pollutionen genannt), unfreiwilligen Samenerguß zusammen mit dem Urin
und im bewußten Orgasmus beim bloßen Anblick einer Person des anderen
Geschlechts usw. Ubermäßiger Verlust an sexueller Kraft unterwirft den
Menschen einer Reihe von geistigen und körperlichen Krankheiten wie
Ausfluß, Schwindsucht, Hämorrhoiden, Gelbsucht, Blutaustritt durch Nase
und Mund, Husten, Verdauungsstörungen, Abmagerung,
Gedächtnisschwäche, Verlust an Willenskraft und geistiger und körperlicher
Kraft, Nervenschwäche, Trägheit, Verdrießlichkeit, Angst, Zerfahrenheit
usw. Diese Krankheiten verursachen dann wieder vorzeitigen Verfall und
Tod.

Die Notwendigkeit von Brahmacharya

Gesundheit ist Reichtum. Ein gesunder Körper hat ein gesundes Gehirn und
schafft sich einen gesunden Verstand. Ohne gute Gesundheit ist sogar
märchenhafter Reichtum nutzlos und das Leben elend. Erst kürzlich sagte
einer der reichsten Männer der Welt, dessen Einkommen pro Sekunde auf
ca. 20 Dollar errechnet wurde: »Mein Schicksal ist schlimmer als das eines
gewöhnlichen Kuli.« Obwohl phantastisch reich, litt dieser Mann an
Diabetes. Oft mußte er von flüssiger Nahrung leben. Er brauchte jeden Tag
Spritzen und hatte keinen gesunden Schlaf. Ein Kuli hat, obwohl ohne Geld,
eine gute Verdauung, arbeitet den ganzen Tag hart, erfreut sich einer
robusten Gesundheit und eines gesunden Schlafs. Er hat keine Sorgen und
keine Ängste.

Dieser zu den Reichsten der Welt gehörende Mann verglich sich mit den
mittellosen Kulis und fand, daß es ihm selbst miserabel gehe, weil er nicht
gesund war. Wer sich gute Gesundheit und Glück wünscht, muß seinen
Körper stark machen. Jungen und Mädchen müssen besonders auf
Brahmacharya und auf ausreichende Bewegung (Spiele innerhalb und
außerhalb des Hauses) achten. Die Jugend ist die beste Zeit, um die
Gesundheit aufzubauen, gleichzeitig aber auch die Lebensperiode, in der
man seine Gesundheit und sein Leben dadurch ruinieren kann, daß man der
Lust in die Falle geht und sich gehen läßt. Die Sexualenergie ist nämlich die
Essenz von Körper, Gehirn und Geist. Wenn diese essentielle Kraft nicht
bewahrt wird, können Körper, Gehirn und Geist nicht zur vollen Reife
kommen. Dies zeigt, wie unbedingt notwendig es ist, in der Jugend in
strengem
Brahmacharya zu leben.

Eine Pflanze, die in fünfzig Jahren wächst und reift, lebt bis zu zweihundert
Jahren. Ein Mangobaum, der nach zehn Jahren Früchte trägt, wird vierzig
oder fünfzig Jahre alt. Eine Schlingpflanze, die in drei oder vier Monaten
wächst, Knospen, Blüten und Früchte trägt, lebt und stirbt innerhalb eines
Jahres. Wenn ein Stier bis zur Geschlechtsreife gut behütet wird und man
auch danach besonders auf Nahrung und Paarung achtet, bleibt er gesund
und erreicht seine volle Lebensspanne. Sogar nach der Reife sollte keine
ziellose und falsche Paarung stattfinden. Sie verkürzt das Leben der Tiere.
Es ist allgemein bekannt, daß ein junger Bulle, den man frei mit den Kühen
laufen läßt, und der sie deckt, bevor er voll ausgewachsen ist, sich innerhalb
weniger Jahre verausgabt und vorzeitig altert und stirbt. Einzelgängerische
Elefanten, Bisons oder sogar Affen, die wenig Gelegenheit zur Paarung
haben, bleiben sehr stark, gesund und kräftig und leben ihre volle Zeit.

Nehmen wir eine Lampe und füllen sie mit so viel Petroleum, daß es für eine
ganze Nacht reicht. Wenn die Lampe kein Leck hat, brennt sie auch die
ganze Nacht. Hat sie jedoch ein Loch, durch das sie Öl verliert, erlischt das
Licht in ein paar Stunden. Ein Leben in Brahmacharya bedeutet, daß man
das Öl des Lebens, das uns ein ganzes Menschenleben körperliche und
geistige Gesundheit schenkt, bewahrt. Ein Verlust an sexueller Kraft ist
ein Auslaufen des Lebensöles, was zu vorzeitigem Altem und frühem Tod
führt. Jeder Geschlechtsverkehr verursacht einen enormen Verlust geistiger
und körperlicher Energie. Je mehr sie vergeudet wird, desto kürzer ist die
Lebensdauer von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen.

Der menschliche Körper braucht etwa fünfundzwanzig Jahre, bis er voll


ausgereift ist. Wenn ein Junge oder Mädchen bis zu diesem Alter perfektes
Brahmacharya in Gedanken, Worten und Handlungen einhält, erst dann
heiratet und ein gut geregeltes Geschlechtsleben führt, wird ihnen geistige
und körperliche Gesundheit und ein langes Leben beschieden sein.

Wenn ein Mann mit sehr dürftigem Einkommen eine große Familie zu
ernähren hat, das Geld aber unbedacht und ohne richtige Einteilung ausgibt,
muß mit Sicherheit die ganze Familie hungern, leiden und ein elendes Leben
führen. Die sexuelle Energie ist die eigentliche Lebenskraft des Körpers und
die wesentlichste Energie, die für das Wachstum von Körper und Gehirn und
für die Vitalität erforderlich ist. Wenn diese Energie nicht sorgfältig bewahrt
und richtig genutzt wird, leidet die ganze Familie (also Körper, Sinne,
Drüsen, Gehirn, Geist und Geistesfunktionen) furchtbar. Wenn dieser
Schwund oder Abfluß der sexuellen Kraft gezügelt und kontrolliert wird,
verwandelt sie sich durch besondere Übungen in eine große geistige Energie,
»Ojas Shakti« genannt. Bei jeder geistigen oder körperlichen Tätigkeit, sei
es Denken, Sprechen, Lernen, Essen, Trinken, Gehen usw., wird eine
gewisse Menge dieser Kraft verbraucht. Jedoch wird unter allen
körperlichen und geistigen Tätigkeiten der größte Energieverlust durch einen
Geschlechtsakt verursacht. Die Verschwendung von Ojas Shakti verkürzt
das Leben, während die Bewahrung dieser Kraft es verlängert.

Für die Erhaltung des Körpers und seiner Funktionen und für das geistige
Wachstum ist die Bewahrung der sexuellen Kraft und ihre Umwandlung in
Ojas Shakti unbedingt erforderlich. Wenn diese so wesentliche Energie nicht
geschützt und bewahrt wird, sondern statt dessen schon im frühen Alter
durch geschlechtliche Zügellosigkeit oder auch nach der Reife und der
Heirat durch ungeregelten und übermäßigen Geschlechtsverkehr
verschwendet wird, verliert man seine geistige Lebendigkeit und moralische
Widerstandskraft. Ein solches Leben ist völlig vergeblich, endet im
Unglück, und der betreffende Mensch verfehlt den Sinn und Zweck seines
Daseins. Daher sollte jeder, der Fortschritt, Frieden, Gedeihen und ein
langes Leben wünscht, schon in Kindheit und Jugend in vollkommenem
Brahmacharya leben und nach der Heirat ein gut geregeltes
Geschlechtsleben führen. Ohne Brahmacharya kann nie und konnte auch
niemals etwas Gutes und Großes erreicht werden. Ohne lebenslang perfektes
Brahmacharya zu halten, kann niemand Samadhi (Nirvikalpa Samadhi),
Freiheit und Seligkeit erreichen.

Sexuelle Zügellosigkeit zerstreut die Kräfte von Körper und Geist. Sie macht
den Körper, die Nadis (Nerven) und den Geist unrein. Sie entzieht dem Geist
seine Konzentrationsfähigkeit. Um die subtilen Wahrheiten der Religion zu
erkennen, zu verstehen und zu erfassen und um neue Entdeckungen auf dem
Gebiet der Wissenschaft, Kunst oder anderen geistigen Bereichen zu
machen, sind Zielstrebigkeit des Geistes und eine ungeheure Willenskraft
unerläßlich. Sexuelle Zügellosigkeit zerstört sie jedoch. Nur durch
Brahmacharya können wache Schärfe des Geistes und eiserne Willenskraft
erworben und erhalten werden.

Es ist eine Sisyphusarbeit, die tiefgründigen Wahrheiten der Religion zu


erfassen und in die Praxis umzusetzen. Man mag ein Leben lang über den
Heiligen Schriften brüten und dringt vielleicht trotzdem nicht in ihren
wahren Geist ein und begreift die subtilen Wahrheiten nicht. Dieser
eigentliche Wahrheitsgehalt ist nur durch Reinheit und Einheit des Geistes
erschließbar, und diese völlige Konzentration auf ein Ziel kann man nur
durch ein strenges Brahmacharyaleben und durch Selbst-Besinnung
erreichen.

Wenn ein Junge oder Mädchen, ein Mann oder eine Frau zwölf Jahre lang
ununterbrochen und bewußt Brahmacharya (in Gedanken, Worten und
Handlungen) einhält, entwickeln sich subtile, verborgene Geistes- und
Sinneskräfte, und die Betreffenden gewinnen leicht die notwendige Reinheit
und Konzentration des Geistes. (Nach meinen Erfahrungen, ist dieses auch
in wesentlich kürzeren Zeitabständen möglich.) Nur so sind die
geheimnisvollsten Wahrheiten der Religion, die sich sonst dem Verständnis
entziehen, zu erfassen und zu befolgen. Ein Mensch, der nicht enthaltsam
lebt, kann weder Gott im rechten Geist begreifen, noch kann es für ihn eine
klare Vorstellung von Religion geben. Ebenso wenig erfährt er die
uneingeschränkte Hingabe an Gott, noch hat er die Kraft und den Willen,
dem harten Pfad der Religion zu folgen.

Sogar zur Sicherung des eigenen allgemeinen Fortschritts und Erfolgs ist die
Beachtung von Brahmacharya von außerordentlicher Wichtigkeit. Jedes
Individuum strebt bewußt oder unbewußt nach Kraft, Frieden und Freiheit.
Wer wünschte sich wohl sehnlichst Schwäche? Wer wünscht sich Krankheit
und Tod? Wer möchte häßlich sein? Wer ein Sklave? So etwas wünscht sich
keiner. Im Gegenteil möchte jeder stark sein und Frieden haben, sich guter
Gesundheit erfreuen und lange leben. Perfektes Brahmacharya verhilft
einem dazu, Kraft zu gewinnen und Jugend und Schönheit zu bewahren.
Wer in perfektem Brahmacharya lebt und fest darin steht, wird sich auch
leicht seines wahren Selbst gewiß. Solche Menschen leben und handeln im
Lichte Gottes. Vergiß nicht, keine weltliche Macht kann mit der Macht des
Geistes (Gott) verglichen werden, noch weniger es mit ihr aufnehmen. Ein
Land mag sehr arm sein, aber wenn es reich an solchen großen Seelen ist,
kann es nicht unter fremder ~Unterdrückung oder Sklaverei leiden. Daher
besteht sogar vom Standpunkt des nationalen Aufschwungs, der Freiheit und
des kollektiven und individuellen Gedeihens eine große Notwendigkeit der
Einhaltung perfekten Brahmacharyas.

Betrachten wir junge Menschen bis zwanzig, die Brahmacharya einhalten.


Was für eine bezaubernde Erscheinung sind sie doch mit ihren heiteren,
strahlenden Augen und einem göttlichen Glanz auf den Gesichtern! Man
kann solche reinen Seelen schon vom bloßen Anblick her erkennen. Selbst
mißgestaltete Jungen und Mädchen, die Brahmacharya einhalten, erscheinen
in ihrer Gesundheit blühend und charmant. Aber ach! Blasse, verlebte
Gesichter und schlaffe Körper sind das Los von denen, die sexuell zügellos
sind. Seht doch, was aus verheirateten jungen Menschen wird, die ein
zügelloses Geschlechtsleben führen. Diese jungen Männer und Frauen
verlieren ihren Charme, ihre Schönheit, Gesundheit, Vitalität und die Freude
am Leben und werden sehr unglücklich. Wenn sie sich rückhaltlos den
sexuellen Freuden überlassen, fallen sie leicht verschiedenen Krankheiten
und Leiden zum Opfer. Daher besteht auch für verheiratete Paare die große
Notwendigkeit, ein sorgfältig reguliertes Geschlechtsleben zu führen,
während alle Jungen und Mädchen unbedingt in vollkommenem
Brahmacharya leben sollten.

Nehmen wir die Ringer. Mit welchem Vergnügen betrachtet man ihr
Äußeres! Wer hätte nicht gern einen so starken und gesunden Körper wie
sie. Welche Kraft besitzen sie! Diese Körperkraft erwerben sie durch ein
konsequentes Brahmacharya-Leben und durch regelmäßige systematische
Körperübungen. Durch harte Arbeit und systematisches Üben verwandeln
sie ihre Sexualenergie in große körperliche Energie und Kraft. Ein Mann,
der kein Brahmachari ist, kann niemals diese große Stärke aufbauen und
wird nie ein guter Ringer. Verheiratete Ringer, die sich sexuell unbeherrscht
und regellos verhalten, verlieren ihre Kraft und ihre körperliche
Ausstrahlung. Auch für den Aufbau körperlicher Kraft ist also die
Einhaltung von Brahmacharya unabdingbar.

Lust, Zorn, Furcht, Haß usw. sind die Vorläufer von Krankheit und die
Boten des Todes. Diese tückischen geistigen Zustände, explosiven
Leidenschaften und heftigen Emotionen verursachen chemische
Veränderungen in Körper und Gehirn und vergiften das Leben der Zellen im
ganzen Organismus. Von allen emotionalen Empfindungen ist die sexuelle
Lust die stärkste, und sie stürzt Körper und Gehirn in ein völliges Chaos.
Jede heftige Leidenschaft tötet bei jedem Auftreten viele Millionen rote
Blutkörperchen. Wenn das dem Organismus jeden Tag zugemutet wird,
endet es in furchtbarer Krankheit, in vorzeitigem Verfall und Tod.

Die Sexualenergie ist die höchste Kraft im menschlichen Körper, die alle
anderen Kräfte in sich schließt und alle Formen annimmt. Körper, Gehirn
und Geist beziehen ihre Kraft und Vitalität aus dieser Sexualenergie. Statt
dieser Energie zu erlauben, die Form grober sexueller Vergnügen
anzunehmen, die auf die Dauer zu körperlichem und geistigem Tod führen,
sollte sie bewahrt und in einen Vorrat an großer geistiger und körperlicher
Vitalität verwandelt werden. Mit dem Erlöschen sexueller Wünsche,
Gedanken und Handlungen wird der Geist von dieser stärksten aller
Bindungen befreit. Für alle, die sich ein langes Leben in Frieden, Reinheit,
Gedeihen und Befreiung wünschen, ist das ein weiterer Grund für die große
Notwendigkeit, Brahmacharya einzuhalten.

Stärke ist Leben und Schwäche ist Tod. Schwäche ist die größte Sünde in
dieser Welt. Die Schwachen erreichen schon in der Welt wenig, doch im
Reich des Geistes ist ihr Gewinn gleich Null. Sie werden überall geplagt und
herumgestoßen. Sie können nirgendwo Erfolg haben. Nur die Starken haben
Erfolg, gedeihen und freuen sich ihres Lebens. Ein schwacher Körper bringt
auch einen schwachen Geist hervor. Jemand mag intelligent genug sein, um
eine Sache mit dem Geist zu erfassen; wenn aber sein Körper schwach ist,
kann er die Theorie nicht in die Praxis umsetzen oder mit seinen
Bemühungen Erfolg haben. Ein derartiges theoretisches Wissen ist
unbrauchbar. Ein Gramm Praxis wiegt mehr als Tonnen von Theorien.

Wenn man dagegen einem körperlich starken Menschen einen Gedanken


nahelegt und dafür sorgt, daß er ihn richtig begreift, wird er ihn in die Tat
umsetzen und bald meistern. Der geistige Pfad ist sehr lang, beschwerlich
und ermü dend; man muß oft ganz allein unbekannte und einsame Wege
gehen. Dazu braucht man enorme Kraft, ungebrochenen Mut und unendliche
Geduld und Ausdauer. Diese Kraft, dieser Mut, diese Geduld und Zähigkeit
können nur aus einem reinen Brahmacharyaleben kommen. Dar aus ergibt
sich für alle, die Kraft, Mut und Erfolg im Le ben suchen, die absolute
Notwendigkeit, konsequent Brahmacharya einzuhalten.

Der Verlust von Brahmacharya zieht verschiedene Krankheiten nach sich,


doch seine Einhaltung verhindert und beherrscht alle Krankheiten.
Erkrankungen, die bei
einem normalen Menschen lange Zeit zum Ausheilen brauchen, sind bei
einem Brahmachari rasch geheilt. Da her ist sogar für die Aufrechterhaltung
einer guten Ge sundheit und Widerstandskraft die Einhaltung von Brah
macharya notwendig.

Der Verlust an körperlicher Kraft und geistiger Vitalität, den man bei jedem
Geschlechtsakt erleidet, entspricht dem, was man in vierundzwanzig
Stunden gründlichen Studiums oder zweiundsiebzig Stunden harter
körperlicher Arbeit einsetzen muß. Was für ein riesiger
Verlust ist das! Daher besteht vom Standpunkt guter geistiger und
körperlicher Gesundheit, ganz abgesehen vom Erreichen von Frieden, Kraft,
langem Leben und Weisheit, die unbedingte Notwendigkeit, konsequent in
Brahmacharya zu leben. Dieser große Verlust, den das gegenwärtige
fehlerhafte Erziehungssystem nach sich zieht, in welchem die Schüler nicht
angehalten werden, dem Pfad strengen Brahmacharyas zu folgen, ist eine der
Hauptursachen für Schwäche, Verkommenheit, Feigheit, Krankheit und
frühzeitigen Verfall und Tod vieler junger Menschen.

Wie hält man Brahmacharya und seine Regeln ein?

1. Fast alle Unpäßlichkeiten, an denen ein Mensch leiden kann, sind


einem schlechten Magen zuzuschreiben. Wenn die Nahrung nicht
richtig verdaut wird, leidet sowohl die körperliche als auch die geistige
Gesundheit. Wenn mit dem Körper etwas nicht in Ordnung ist, wird
auch der Geist gestört, und man verfällt schlechten Wünschen und
Gedanken, Sinnesreizungen und hat schlechte Träume. Daher sollte
man zuallererst auf Essen, Trinken und Verdauung achten. Ohne diese
Dinge zu regulieren und ohne sie vollkommen zu kontrollieren, kann
man kein Brahmacharya einhalten.
2. Vermeide zuviel süße, scharfe und saure Dinge. Sie steigern die
Leidenschaft und führen zu lüsternen Wünschen und Gedanken und
zur Übertretung von Brahmacharya.
3. Vermeide zuviel Pfeffer oder überhaupt Lebensmittel, die
unangenehme Gefühle oder Sinnesirritationen hervorrufen oder die den
Körper erhitzen. Nahrungsmittel, die zuviel Hitze verursachen, machen
Blut und Sexualsekrete dünnflüssig und den Geist ruhelos; damit ist
man lasziven Wünschen, Gedanken und Naßträumen und
Samenverlusten ausgesetzt.
4. Natürlich kann ein und dieselbe Ernährungsweise nicht für alle richtig
sein. Ebenso wenig kann man in verschiedenen Ländern und zu
verschiedenen Jahreszeiten von den gleichen Dingen leben. Dieselben
Nahrungsmittel, die in einem Land und zu einer Jahreszeit sehr gut und
nützlich zur Aufrechterhaltung der Gesundheit sind, können in einem
anderen Land und zu einer anderen Jahreszeit sehr schädlich und
ungesund sein. Essen und Trinken sollte man daher an Zeit, Klima und
die eigene Verträglichkeit anpassen und sie sinnvoll verwenden.
5. Man muß wissen, was und wieviel man verträgt und sich entsprechend
einrichten. Diese Anpassung ist unbedingt erforderlich. Sie wirkt sich
sehr günstig und hilfreich auf das Einhalten von Brahmacharya und die
Erhaltung der geistigen und körperlichen Gesundheit aus.
6. Vermeide unter allen Umständen unreine Nahrung, denn sie macht
Körper und Geist unrein, und der unreine Geist erzeugt unreine
Wünsche, Gedanken und Handlungen. Unreine Nahrung schadet der
geistigen und körperlichen Gesundheit und der Einhaltung von
Brahmacharya.
7. Nachfolgend eine, Zusammenfassung verschiedener unreiner
Nahrungsmittel; meide sie:

a. Speisen, die von einem bösen und sündhaften Menschen


zubereitet oder angeboten werden, auch wenn er von der Kaste
her ein Brahmane (Priester) sein sollte.
b. Nahrung aus den Händen eines unsauberen und verkommenen
Menschen.
c. Speisen, die mit Geld gekauft wurden, das mit ungesetzlichen
Mitteln erworben oder durch unfaire Methoden erlangt wurde.
d. Nahrungsmittel, die mit Staub, Haaren oder Fliegen in Berührung
gekommen sind.
e. Verdorbene Lebensmittel und solche, die im Zusammenhang mit
der Sraddha-Zeremonie (die jedes Jahr im Namen eines
Verstorbenen für dessen Wohlergehen ausgeführt wird) zubereitet
wurden.
8. Schwere, stark gewürzte und schlecht verdauliche Speisen sind zu
vermeiden. Sie verderben den Magen und stören die körperliche und
geistige Gesundheit.
9. Überlade den Magen nicht. Bei jeder Mahlzeit sollte man ihn nur halb
mit fester Nahrung und zu einem Viertel mit Getränk füllen; das letzte
Viertel sollte für die Verdauungsbewegungen frei bleiben. So ist es
richtig.
10. Die Mahlzeiten sollen zu festgesetzten Zeiten erfolgen, und
dazwischen soll nicht gegessen werden. Auch durch ein gutes Gericht
darf man sich nie zur Gier verführen lassen oder mehr davon essen als
nötig. Beherrsche deinen Appetit, um Fehler zu vermeiden.
11. Iß abends immer etwas Leichtes und nie schwere Speisen. Geh nicht
gleich nach dem Essen ins Bett, sondern warte wenigstens eine Stunde
danach.
12. Zwischen den Genitalien und dem Gaumen (dem Geschmackssinn)
besteht ein sehr enger Zusammenhang. Wer keine perfekte Kontrolle
über Essen und Trinken oder mit anderen Worten über seinen Gaumen
hat, kann auch niemals Kontrolle über seine Genitalien, sexuellen
Instinkte und Wünsche haben. Der Charakter und Wert eines
Menschen ist zu erkennen, wenn man ihn essen und trinken sieht. Wer
auf leckere Gerichte versessen und beim Essen hastig und unruhig ist,
hat Schwierigkeiten mit Brahmacharya. Deswegen muß man besonders
aufpassen, was man zu sich nimmt und sich ständig in der Hand haben.
Man sollte nie in Eile essen oder trinken. Beim Essen soll man nicht
gierig sein wie ein hungriger Straßenköter, sondern immer ruhig und
gelassen.
13. Trinke vor dem Schlafengehen am Abend immer ein Glas kaltes
Wasser und uriniere. Wasche die Genitalien und den After nach jedem
Gang zur Toilette mit kaltem Wasser. Das ist eine gute Gewohnheit,
die keine Naßträume aufkommen läßt und beim Einhalten von
Brahmacharya hilft.
14. Morgens sollte man Körperübungen und Yoga-Asanas betreiben und
abends Spiele im Freien veranstalten oder lange Spaziergänge in der
frischen Luft machen.
15. Morgens kann man ein kaltes Bad nehmen. Ein Tauchbad in einem
Fluß oder Teich ist sehr gut. Wo es keine Flüsse und Teiche gibt, sollte
man ein Halbbad in der Badewanne nehmen. Diese Kaltwasserbäder
helfen sehr bei der Einhaltung von Brahmacharya.
16. Sorge für regelmäßigen Stuhlgang. Verstopfung ist oft die Ursache von
vulgären Wünschen und Naßträumen.
17. Nütze deine Zeit gut. Beschäftige den Geist ganz mit einem
regelmäßigen und systematischen Tagesablauf. Mache dir deinen
eigenen Zeitplan und befolge ihn genau. Das hilft dir, Willenskraft und
Charakter aufzubauen und Brahmacharya einzuhalten.
18. Wer Erfolg in seinem geistigen Bemühen und der Einhaltung von
Brahmacharya haben will, sollte immer maßvoll bei Arbeit, Andacht
und Ruhe sein.
19. Lies während der Freizeit gute Bücher und die Heiligen Schriften.
Diese Bücher erheben, leiten und führen dich auf den rechten Pfad und
bringen Erleuchtung. Der Geist ist etwas sehr Subtiles. Er hat keine
eigene Gestalt und Farbe, sondern nimmt die Form und Farbe des
Gedankenobjekts an. Wenn man gute Bücher liest und ständig von
erhebenden, edlen und hohen Gedanken hört, bereitet man dem Geist
gute Nahrung, und dieser wird mit der Zeit wirklich gut, edel und groß.
Was man denkt, das wird man. Was man in Form von Wünschen,
Gedanken und Taten sät, das erntet man zu seiner Zeit. Wir sind das,
was unsere früheren Wünsche, Gedanken und Handlungen aus uns
gemacht haben, und unsere Zukunft hängt gänzlich von unseren
heutigen Wünschen, Gedanken und Handlungen ab.
20. Suche nie den Umgang mit schlechten Menschen und lies keine
erotischen Romane. Das zieht dich mit Sicherheit hinab. Meide üble
Gesellschaft wie auch Filme und Theater, in denen sexuell gefärbte
oder in anderer Hinsicht anrüchige Aufführungen stattfinden.
21. Rede nicht zuviel. Beim Sprechen verliert man viel Energie.
Geschwätz macht den Geist unstet. Außerdem ist es für einen
redseligen Menschen schwer, Geist und Sinne zu kontrollieren oder
Brahmacharya zu halten. Sei daher stets mäßig im Reden.
22. Vermeide Klatsch unter allen Umständen; er ist ein großes Hindernis
für das Einhalten von Brahmacharya. Geschwätz regt unbewußt
Wünsche an und macht den Geist fahrig und ruhelos. Klatsch ist nichts
anderes als das Gerede der Müßiggänger, und der Geist eines
Faulenzers ist des Teufels Werkstatt. Klatsch dreht sich immer um das,
was man am liebsten mag oder am meisten haßt. In der Regel geht es
um die Fehler und Unzulänglichkeiten anderer Leute. Wenn man sich
damit beschäftigt, nimmt man unbewußt teil an den Sünden und
Schwächen dieser anderen Menschen und gibt seinem Geist die
falschen Eindrücke. Also muß man sich vor Klatsch hüten, um nicht
zurückzufallen.
23. Meide vulgäres Gerede und die verderbliche Gesell schaft solcher
junger Leute, die nur zu gerne über sexuelle Dinge oder über das
andere Geschlecht reden. In dieser Gesellschaft öffnen solche
Gespräche unbewußt das Tor zur Unmoral.
24. Suche den Umgang mit Menschen, die hingebungsvoll und erleuchtet
sind. Wer die Möglichkeit hat, sollte an Kirtans (gemeinschaftliche
Gesänge zum Lobe Gottes) und Bhajans (gemeinsames Singen von
Gottes Namen) teilnehmen und religiöse Studiengruppen und
erhebende Vorträge besuchen.
25. Halte dich an Japa (Mantrameditation) und Tapa (Yogaübungen) und
bete aufrichtig zu Gott. Widme morgens und abends jeweils
mindestens eine hal be Stunde der Übung von Japa und Tapa und dem
Gebet. Wenn du regelmäßig meditierst, dein Mantra wiederholst und
betest, wird der Geist gereinigt, und du wirst in jeder Hinsicht
vorankommen und gedeihen.
26. Versuche, den Eltern, alten Menschen, dem Guru (geistiger Lehrer
oder Führer), heiligen Menschen, den Armen, Bedürftigen, Kranken,
dem Land, der Nation und der Welt im ganzen zu dienen. Hilfe, die
ohne irgendwelche Erwartung auf Gegenleistung gegeben wird, reinigt
den Geist von allen Sünden und Unreinheiten, sichert rasches geistiges
Wachstum, große Kraft und rechte Führung, hilft beim Erreichen von
vollkommenem Brahmacharya und führt zum letzten Ziel.
27. Lebe in strenger Disziplin und sei bescheiden. Respektiere und
gehorche deinen Eltern, Lehrern, Vorgesetzten und dem Gesetz. Ohne
vollkommene Disziplin gibt es keinen Fortschritt. Ein disziplinierter
Mensch kann seinen Geist und seine Sinne leicht kontrollieren. Sei
wahrhaftig, lüge oder betrüge andere nie. Habe keine Angst, den Eltern
und Lehrern deine Fehler und Sünden einzugestehen. Sage ihnen alles,
damit du die richtige Führung bekommst. So wirst du von deinen
Sünden be freit, doch mußt du aufpassen, daß du sie nicht wissentlich
wiederholst.
28. Gib keinen Versuchungen nach. Der Mann oder die Frau, der Junge
oder das Mädchen, der oder die zu billi gen und vulgären
Versuchungen nicht »Nein« sagen kön nen, fallen um so tiefer, je
bereitwilliger sie auf sie eingegangen sind. Ständige Selbstkontrolle ist
also gut.
29. Tu nichts lau oder halbherzig. Sei sorgfältig und auf richtig bis ins
Allerinnerste, denn Geist und Sinne betrü gen oft auf die
verschiedenste Art und gehen nicht von selbst den geraden und rechten
Weg. Sie neigen immer dazu, leichtfertig und faul zu sein und finden
immer wie der lahme Ausreden und Schlupflöcher, um vom rechten
Weg abzugleiten. Es ist sehr dumm von dir, ihren Neigun gen zur
Schwäche nachzugeben. Du verzögerst damit dei ne Entwicklung, und
das Glück der Wahrheit und des Er folgs wird dir nie lächeln.
30. Sobald ein vulgärer Wunsch sich in deine Gedanken einschleicht,
versuche, ihn durch das Aufrufen des ent sprechenden guten Wunsches
zu vertreiben.
31. Wer kleine Dinge vernachlässigt, scheitert auch bei großen. Wer in
kleinen Dingen achtlos ist, ist es auch in großen. Schenke also den
Mitteln die gleiche Aufmerk samkeit wie dem Ziel, das du im Auge
hast. Schlechte Mittel sollten nie für gute Ziele eingesetzt werden.
32. Lasse deinen Emotionen niemals freien Lauf. Wer zu gefühlsbetont ist,
hat es mit Brahmacharya schwer. Halte darum deine Emotionen zurück
und beherrsche deine Gefühle. Mit jeder erfolgreichen Kontrolle wird
die Willenskraft stärker und stärker.
33. Vermeide das Betrachten von Personen des anderen Geschlechts. Das
Herz wird unrein durch Gier; die Zunge durch Lügen; die Augen durch
den begehrlichen Blick auf den Reichtum eines anderen oder auf die
Schönheit seiner Frau und seiner weiblichen Verwandten, und die
Ohren durch das Lauschen auf die Verleumdungen an derer. Wer das
alles vermeidet, bewahrt sich vor schwer wiegenden Fehlern.
34. Betrachte und behandle jeden Menschen des an deren Geschlechts als
Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester. Diese Gewohnheit bewahrt
dich vor dem Sta chel der Sinnlichkeit.
35. Unterdrücke nie die Notdurft. Sonst gibt es Störungen.
36. Trage immer ein Lendentuch ( Coupinum); das ist eine große Hilfe zur
Einhaltung von Brahmacharya. Ein Lendentuch kann leicht aus zwei
einfachen Baumwoll streifen hergestellt werden. Den einen Streifen
bindet man als Gürtel um die Taille, den anderen, in den Maßen 15-25
x 100 cm bzw. individuell angepaßt, steckt man vorn und hinten unter
den »Gürtel«. Beide Geschlechter können mit großem Nutzen Tag und
Nacht ein fest sitzendes Lendentuch tragen.
37. Setze dich nicht zu schlechten und gemeinen Men schen. Sprich nicht
mit ihnen. Meide ihre Gesellschaft.
38. Höre keinen Gesprächen über unsittliche Menschen zu, noch sprich
selbst über sie oder besuche sie. Gehe ih nen immer aus dem Wege.
Wenn du diese Regel mißachtest, bist du in Gefahr, angesteckt zu
werden und zu fallen.
39. Betrachte nie den nackten Körper eines Menschen des anderen
Geschlechts. Beobachte nicht das Liebesspiel und die Paarung von
Vögeln, Haustieren oder Menschen. Ein solcher Anblick aktiviert
automatisch die verborgenen und unterdrückten sexuellen Wünsche
und Instinkte, und man fordert einen Rückfall geradezu heraus.
40. Versuche, morgens um halb vier Uhr aufzustehen. Wasche dich und
übe Yogaübungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayamas).
41. Verzichte auf Rauchen, berauschende Getränke, Sandelpaste, Blumen,
Girlanden und Parfüms, Collyrium (für die Augen) und auf Luxus in
Kleidung, Schmuck, Kosmetik usw.
42. Schlafe stets auf einem harten Bett und denke gar nicht erst an ein
weiches. Sei stark und nicht so empfindlich. Leute mit empfindlichem
Körper und zarter Gesundheit leiden später viel, und ihr Leben wird
ihnen durch dieses Elend zur Last. Sei darum hart zu dir selbst.
43. Rufe vor dem Schlafengehen hohe und edle Gedanken hervor, denke
an Gott, bete zu ihm von Herzen und schlafe ein mit dem Namen
Gottes auf den Lippen. Gleich beim Aufwachen soll dein erster
Gedanke Gott gelten. Diese gute Gewohnheit macht dich rein, heilig
und groß und bewahrt dich vor vielen Fallen und Gefahren.

Wie man sexuelle Entgleisungen und Gefahren meiden kann

1. Wenn du dich irgendwo sexuell stimuliert fühlst, verweile dort keinen


Augenblick länger. Verscheuche sofort jeden sexuellen Gedanken.
Wenn Menschen mit gutem und edlem Charakter in der Nähe sind, so
sprich mit ihnen, um den eigenen Gedanken eine andere Richtung zu
geben; andernfalls lies gute Bücher oder die Aussprüche von großen
Heiligen.
2. Wenn der Geschlechtstrieb mächtig ist, sieh zu, daß du einen langen
Spaziergang in frischer Luft machen kannst. Es können ruhig 2-3 km
sein. Bleibe nicht im Zimmer und ziehe dich auch nicht völlig zurück.
3. Wenn der Geschlechtstrieb sich regt, so sprich nicht mit Menschen des
anderen Geschlechts, sieh auch keinen solchen an, nicht einmal ein
Foto. In solchen Zeiten reagieren Geist und Sinne sehr scharf auf
sexuelle Instinkte, und die Unterscheidungsfähigkeit des Geistes ist
getrübt und blind, so daß selbst ein häßlicher Mensch des anderen
Geschlechts überaus anziehend erscheint. Daher kommt es vor, daß ein
schöner Mann (oder eine Frau) der Lust unterliegt und sogar eine
häßliche Frau (oder einen Mann) zu lieben beginnt.
4. Wenn man sexuell erregt ist, kann man ein Glas kaltes oder geeistes
Wasser oder sonst etwas Kaltes trinken. In solchen Zeiten mildern
kalte Getränke das Übel und helfen, Brahmacharya zu bewahren.
5. In Zeiten sexueller Erregung soll man niemals Tee, Kaffee oder ein
anderes heißes Getränk oder hitzeerzeugende Nahrung zu sich nehmen.
Das steigert die Leidenschaft und führt zu einem Rückfall.
6. Wenn du sexuell erregt bist, kannst du auch ein kal tes Bad nehmen.
Ein Tauchbad in einem Fluß oder Teich ist sehr gut. Bleibe zehn bis
dreißig Minuten bis zur Hüfte im Wasser.
7. Wenn du sexuell erregt bist, solltest du die Genitalien nicht mit den
Händen berühren und sie auch nicht be trachten. Damit machst du das
Übel noch schlimmer.
8. Sobald du von sexuellen Wünschen und Gedanken gestört wirst,
versuche, den Namen Gottes (Mantra Japa) zu wiederholen und
niederzuschreiben. Bitte Gott auf richtig um Hilfe, Führung und
Errettung vor allen An fechtungen und Gefahren.
9. Wenn ein sexueller Impuls aufkommt, knie oder set ze dich mit
gekreuzten Beinen im Freien hin. Atme lang sam ein, schließe den
Anus fest, drücke den Unterbauch gegen das Rückgrat und ziehe die
irritierende Kraft sehr langsam und vorsichtig von den Genitalien
rückwärts zum After, dann aufwärts zum Kopf und atme schließlich
lang sam aus. Dieses Verfahren wiederholt man zehn- bis zwanzigmal,
wobei man ständig die Silbe »OM« aus spricht. Beim Einatmen stelle
dir fest vor, daß du den gan zen Körper und den Geist mit Reinheit,
Kraft, Gesund heit, Brahmacharya und Vollkommenheit füllst. Denke
beim Ausatmen, daß alle Unreinheiten, Sünden, Schwä chen,
Krankheiten, Lust usw. aus Geist und Körper aus getrieben werden.
Diese Übung wird dir sehr helfen.
10. Wenn du an lasziven Wünschen und Gedanken lei dest, solltest du
immer daran denken, daß vielleicht auch mit dem Magen etwas nicht in
Ordnung sein könnte. Die Ernährung muß entsprechend abgestimmt
werden, und wenn nötig, kannst du fasten oder nur leichte Nahrung zu
dir nehmen. Sogar eine Milchdiät mit zuviel Butter oder Ghi
(zerlassene Butter) kann bei manchen Menschen ab normale sexuelle
Begierden auslösen. Deswegen muß man sich klug verhalten, seinen
eigenen Körper gut kennen lernen und Essen und Trinken entsprechend
regulie ren.

11. Die folgenden Leitlinien sollten im Gedächtnis be halten oder


nachgelesen werden, wenn du von sexuellen Impulsen gestört wirst:

a. Dein Selbst oder Atman ist die wahre Verkörperung der ewigen
Wahrheit. Aus der Wahrheit kommst du, in der Wahrheit lebst du, und
in die Wahrheit gehst du zurück. Dein Atman oder das Selbst hat kein
Geschlecht, ist weder männlich noch weiblich. Der Geist schafft diese
Unterscheidung, indem er sich aus Unwissenheit mit dem
vergänglichen Körper und den Sinnen identifiziert. Daher solltest du
kein Sklave deines Geistes und deiner Sinne werden und in leidvolle
Abhängigkeit geraten, weil du deine wahre Natur, das immer freie
Atman, vergißt, und die Hölle erlebst.
b. Brahmacharya ist sowohl Kraft als auch Leben. Wer Brahmacharya
einhält, vollbringt ein großes und langan dauerndes Opfer. Allein durch
Brahmacharya er reicht man Brahma-Jnana (die Erkenntnis Brahmans
oder Gottes oder die wahre Natur des Selbst).
c. Sogar Wahrheitssucher und Gelehrte (Pandits) kön nen, obwohl sie alle
guten Eigenschaften besitzen, in al lergrößte Schwierigkeiten geraten,
wenn es ihnen miß lingt, strenges Brahmacharya einzuhalten.
d. Sexuelle Zügellosigkeit schmiedet die Ketten für Herz und Geist eines
Menschen. Von ihr kommen alle Täuschungen, die auf dem Ego-
Instinkt und auf Begierde beruhen.
e. Niemand auf Erden, weder Vater noch Mutter noch irgendein anderer
Wohltäter kann einem solchen Gewinn schenken wie ein reiner
Charakter und ein wohlausgerichteter, gut kontrollierter Geist. Bilde
darum deinen Charakter durch Selbstbeschränkung und Einhaltung von
Brahmacharya.
f. Unter allen Übeln in der Welt ist die sinnliche Begier das
schmerzhafteste und schrecklichste. Ein von Wollust gepackter
Mensch ist ein völlig hilfloses Geschöpf. Er ist ein ständiges Opfer des
Elends und qualvoller Angst. Daher ist es nicht nur eine gute Sitte, die
Lust aufzugeben, sondern man muß sie besiegen, um glücklich zu sein.
g. Es gibt keine größere Vision wie die des Selbst, keine bessere
Selbstbeschränkung wie Brahmacharya, kein größeres Elend wie die
Wollust und kein schöneres Glück wie Selbstbeherrschung, Samadhi
und Gottverwirklichung.
h. Reichtümer, die im Spiel oder durch Spekulationen verloren werden,
sind unbedeutende Kleinigkeiten, verglichen mit dem Schaden, den
man durch wollüstige Wünsche, Gedanken und Taten erleidet.
i. Ein König wird durch schlechte Ratgeber ruiniert, ein Asket verliert
die Schau Gottes, wenn er sein Herz an andere Dinge hängt, ein Sohn
wird durch Verzärtelung verdorben, ein Brahmane (Priester) wird
verachtet, wenn er nicht genügend gelernt hat, eine Familie kommt
durch einen unwürdigen Sohn in Schande, den Charakter ver liert man
in Gesellschaft gemeiner Menschen, das Schamgefühl wird durch
gewohnheitsmäßiges Trinken zerstört, die Ernte wird durch
Nachlässigkeit vernichtet, die Bande der Anhänglichkeit werden durch
Entfernung gelockert, Freundschaft wird durch Mangel an Liebe
aufgelöst, Wohlstand geht zugrunde durch Abweichen vom Pfad der
Gerechtigkeit, und Gesundheit, Reichtum und Freiheit gehen verloren
durch den Verlust von Brahmacharya.
j. Sinnesfreuden richten die sündhaften Menschen zugrunde. Unkraut ist
der Fluch der Felder; das Gleiche bedeuten Leidenschaft, Böswilligkeit
und Verblendung für die Menschheit. Daher sollte jeder, der Erfolg
und Glück im Leben haben möchte, seine Sinne und seinen Geist stets
zügeln und Brahmacharya einhalten.
k. Die Guten und die Selbstbeherrschten leuchten von weitem wie die
Gipfel des Himalaya, während die Tugendlosen unbemerkt
verschwinden wie Pfeile in dunkler Nacht.
l. Die Gabe des Dharma (Rechtschaffenheit) übertrifft alle anderen
Gaben; das Auslöschen der Begierde besiegt alle Leiden; und nur die
Wünsche fesseln den Menschen.
m. Wie ein Kalb seine Mutter unter tausend Kühen herausfindet, so wird
ein schlechter Mensch unfehlbar durch seine abscheulichen Taten
gebrandmarkt und erkennbar. Tu darum nichts Böses und sündige
nicht.
n. Kein Feuer wirkt so zerstörend wie das Feuer der Lust. Normalerweise
brennt ein Feuer den Menschen nur im Diesseits, aber das Feuer der
Lust verbrennt ihn sowohl hier als auch im Jenseits.
o. Gesundheit ist das größte Gut, Zufriedenheit das größte Vermögen,
Selbstvertrauen der beste Freund, Brahmacharya die wunderbarste
Kraft und Samadhi (Gottverwirklichung oder Selbst-Verwirklichung)
die höchste Glückseligkeit.
p. Je weniger selbstsüchtig man sich etwas wünscht, desto größer und
wirkungsvoller wird die angesammelte und vervielfältigte Kraft der
eigenen Gedanken-Batterie. Nur die selbstsüchtigen Wünsche
zerstreuen die Kräfte des Geistes.
q. Beherrsche den Gaumen und den Geschlechtstrieb, und du wirst
überall in Sicherheit sein.
r. Lust, Zorn und Gier öffnen die drei Tore zur Hölle. Sicherheit und
Erfolg liegen also darin, diese D rei zu besiegen.
s. Sich von seinen Leidenschaften regieren lassen, ist Selbstmord.
Leidenschaft ist von Leiden begleitet. Glaube und Aufgabe des
Eigenwillens sind die Charakteristika der Heiligen; Geduld ist die
Tugend der Engel. Besiege den Geist und die Sinne und du beherrschst
die Welt.
t. Gewinne Erkenntnis mit Hilfe von Brahmacharya. Das wird dich
befähigen, Recht von Unrecht zu unterscheiden und deinen Weg zum
Himmel erleuchten. Sie wird dein Freund in der Verzweiflung, deine
Gesellschaft in der Einsamkeit, dein Gefährte in der Verlassenheit,
dein Führer im Glück, deine Stütze im Unglück, dein Schmuck unter
Freunden und dein Schutz und Schild gegen Feinde und Versuchungen
sein.
u. Das Leben ist am fruchtbarsten, wenn du mit denen zusammen bist, die
trotz ihrer Kraft und Macht Demut und Freundlichkeit üben.
Liebenswürdigkeit und Demut sind der wahre Kern aller Tugenden.
Dulde also nichts in dir, was nicht schön und sanft ist, und wie der Tag
der Nacht folgt, wird es auch um dich nichts geben, was nicht schön
und durch den Zauber deiner Gegenwart besänftigt würde.
v. Wie die goldene Dämmerung den Sonnenaufgang anzeigt, so zeigen
Demut, Brahmacharya, Reinheit usw. das Heraufdämmern der
Erkenntnis bei einem Menschen an.
w. Körperliche Schönheit und Kraft lassen mit fortschreitendem Alter
nach, geistige Schönheit und Kraft dagegen nehmen zu. Friede ist nicht
für die Bösen, noch sind Kraft und Glück das Los der Ehebrecher und
Ehebrecherinnen.
x. Das Benehmen eines Jugendlichen bestimmt oft sein Glück; sein
vollkommener Charakter ist ein sicheres Zeichen dafür, daß er eines
Tages das Königreich Gottes gewinnen wird.
y. Ein unreiner Geist ist immer ein Scheinheiliger und Betrüger, während
ein wohltrainierter und vollkommen ausgewogener Geist ein
aufrichtiger Freund und Retter ist.
z. Tu heute schon, was du morgen erledigen wolltest. Bringe jetzt sofort
zu Ende, was du erst im Laufe des Tages tun wolltest. Der Tod wartet
nämlich nicht, um nachzusehen, ob du dies oder jenes erledigt hast.
Wenn du auf eine bessere Gelegenheit wartest, kommt sie vielleicht
überhaupt nicht. »Zwischen Lipp und Kelchesrand schwebt der finstern
Mächte Hand«.

Im Allgemeinen

Jeder geschlechtliche Wunsch, Gedanke oder Akt wird, wenn gezügelt und
kontrolliert, leicht in die große geistige Energie »Ojas Shakti« umgewandelt.
Je mehr diese Shakti sich in einem Menschen ansammelt, desto stärker wird
er. Der Mangel oder der Überschuß an dieser Shakti unterscheidet die
einzelnen Menschen in Kraft, Vitalität und geistigen Fähigkeiten
der sich guter geistiger und körperlicher Gesundheit erfreuen und ein langes
Leben gewinnen will. Ihr Verlust ruiniert den Menschen geradezu.

Ohne die Geheimnisse von »Ojas Shakti« zu kennen, haben manche


moderne Sexualforscher im Hinblick auf Brahmacharya eine Menge
Verwirrung gestiftet und sowohl junge als auch alte Menschen in die Irre
geführt, indem sie verkündeten, Masturbation und sexueller Genuß seien
ganz natürliche Dinge und daher in keiner Weise schädlich. Das ist ein
Fehler erster Güte. Wenn sie sagen, daß der sexuelle Instinkt und der
Geschlechtstrieb oder sexuelle Impulse bei jungen Männern oder Frauen zu
gewissen Zeiten ihres Lebens natürlich seien, so stimmen wir dem durchaus
zu. Aber die Behauptung, daß ein Geschlechtsakt oder sexuelles Sich-
gehenlassen in der einen oder anderen Form etwas Natürliches sei, d.h.
etwas Wesentliches und für den Menschen so Unerläßliches wie Essen,
Trinken und Urinieren, ist eine reine Verdrehung der Wahrheit.

Essen und Trinken sind natürliche Vorgänge wie die Ausscheidung von Urin
und Stuhl. Sie beginnen mit der Geburt und setzen sich bis zum Ende des
Lebens fort. Der Sexualinstinkt jedoch und die geschlechtlichen Funktionen
erwachen erst mit der Entwicklung der Geschlechtsdrüsen und hören mit
fortschreitendem Alter auf. Außerdem kann der Mensch sein ganzes Leben
lang ein halbes Dutzend Mal am Tag Wasser lassen, ohne dabei irgendetwas
ausser Urin zu verlieren, es sei denn, er hat eine Krankheit der Harnwege.

Unter normalen Umständen ist das eine einfache Notwendigkeit. Wäre aber
ein Mensch sein Leben lang täglich ein halbes Dutzend Mal sexuell aktiv, so
wäre das der sicherste Weg zu frühzeitigem Verfall und Tod. Das zeigt klar,
daß sexuelle Zügellosigkeit keineswegs ein natürliches Grundbedürfnis oder
-phänomen ist. Genau hierin liegt das Geheimnis von Brahmacharya und
seiner Bedeutung. Gerade das Bezwingen des Geschlechtstriebs, sobald er
sich bemerkbar macht, sowie das Bezähmen und Kontrollieren des
Seximpulses und seine Umlenkung in die richtigen Bahnen ist der Sinn von
Brahmacharya und führt schließlich über verschiedene Stufen zur
Gottverwirklichung und zu ewiger Seligkeit.

Der Mensch wird als vernünftiges und denkendes Wesen bezeichnet. Nur
beim Menschen haben Geist und Intellekt einen hohen Grad an
Vollkommenheit erreicht. Wenn der Mensch keine strenge Kontrolle über
seinen Geist und seine Sinne ausüben, und sein Leben nicht in
Selbstdisziplin führen würde, wäre er in gar keiner Weise besser als wilde
Tiere, die ihren sexuellen Instinkten freien Lauf lassen, um sie voll zu
genießen. Allein der Mensch kann und sollte sein Unterscheidungsvermögen
zu seinem eigenen Besten einsetzen. Wenn das Lebensziel des Menschen
allein in sexuellen Freuden bestünde, würde er feststellen, daß die Tiere
weitaus besser dastehen als er selbst, denn sie sind in ihrem Handeln frei,
und ihren Neigungen werden keine Zügel angelegt. Sie führen ein sorgloses
Leben, essen, wenn sie hungrig sind, trinken, wenn sie Durst haben, ruhen,
wenn sie müde sind und paaren sich, wenn sie den entsprechenden Drang
fühlen.

Der Mensch aber hat nicht alle diese Vorrechte und dazu die absolute
Freiheit, zu tun was er mag, und zwar wo und wann immer er will.
Tatsächlich ist der Lebenszweck des Menschen ein viel höherer und edlerer,
und dieses Ideal sollte nie aus den Augen verloren werden. Bei rechter
Anleitung und geeigneten Vorsichtsmaßnahmen kann jeder Junge und jedes
Mädchen leicht ein reines und enthaltsames Leben führen, und das nicht nur
bis zur Hochzeit, sondern sogar danach, wenn sie das wollen. Das ist einfach
eine Frage des richtigen Trainings von Geist und Sinnen.

Ferner attackieren einige beschränkte und falsch informierte Leute unsere


Heiligen Schriften als unwissenschaftlich und behaupten, unsere Rishis
(Weisen) würden sich irren. Die heutigen Wissenschaftler haben zweifellos
wundervolle Entdeckungen und Erfindungen gemacht. Einige sind
atemberaubend. Sie befassen sich jedoch nur mit physikalischen Dingen, mit
Materie und Energie. Sie haben Materie in Atome und Energie in Elektronen
und Protonen zerlegt. Ihr Instrumentarium ist tatsächlich sehr genau, aber
schließlich doch Menschenwerk.

Wie genau und leistungsfähig sie auch immer sein mögen, so können sie
doch nicht in die Mysterien eindringen und das Wesen und die Funktion
solch abstruser und subtiler Dinge entdecken, wie sie Geist, Selbst, Kosmos,
Gott usw. darstellen. Ein gründliches Studium zeigt, daß unsere alten Rishis
sich nicht allzuviel mit weltlichen Dingen befaßten, daß sie aber tief in das
Reich des Geistes eintauchten. Es scheint fast sicher, daß die Rishis ihre
Forschungen auf einer Stufe begannen, der sich moderne Wissenschaftler
durch ihre Experimente auf dem Gebiet von Materie und Energie
umständlich zu nähern beginnen; es scheint tatsächlich so zu sein, daß nur
wenige entschlossene Schritte nach vorn ihnen die Schleusentore des Geistes
für die Überzeugung öffnen werden, daß Es und nur Es allein die
Letzte Wahrheit ist.

Die Rishis reinigten ihren Geist bewußt und mit großem Einsatz, machten
ihn durch Yoga-Ubungen subtil und konzentriert, und so erlebten und
entschleierten sie die Geheimnisse von Geist, Kosmos, Selbst, Gott usw. Die
großen religiösen Wahrheiten wurden also auf wissenschaftliche Weise
durch Experimente und Beobachtung entdeckt, und es wäre unsinnig, sie
einfach deswegen beiseite zu schieben, weil wir zu unwissend und
materialistisch sind, um sie zu erfassen. Der normale moderne Mensch ist ja
nur ein Sklave seines Geistes und seiner Sinne, und als solcher kann er ihre
Bedeutung nicht verstehen und
noch viel weniger schätzen und bewerten. Unsere alte Kultur und unser altes
Erbe beruhen auf einer subtilen und tiefgründigen Geisteswissenschaft, auf
die wir mit Recht stolz sein sollten.

Es ist ein Jammer, daß heutzutage der indische Gelehrte kein eigenes
Rückgrat zu haben scheint. Er besitzt keine eigene Standfestigkeit, um seine
anerkannte Meinung zugunsten seiner alten Kultur abzugeben, die doch das
Ergebnis der Anstrengungen der Rishis darstellt. Statt dessen verläßt er sich
auf die Ansichten Fremder, um zu überleben. Tatsache ist, daß das indische
Volk durch jahrhundertelange Sklaverei seine eigene Kultur vergessen hat,
seine eigenen verborgenen Schätze vernachlässigt und jegliches
Selbstvertrauen verloren hat. Um unsere Leser vom ewigen Ruhm und dem
bestimmenden Einfluß Indiens zu überzeugen, zitieren wir die Meinungen
zweier hervorragender westlicher Gelehrter von internationalem Ruf in der
Hoffnung, daß sie daraus nicht nur Anregung erhalten, sondern auch stolz
sind auf die große Forschungsarbeit der Rishis und ernsthafte
Anstrengungen machen, dem aufgestellten Ideal nachzueifern. Ebenso mag
die Tatsache erwähnt werden, daß große Gelehrte aus allen Teilen der Welt
heute noch Indien besuchen, um die Geheimnisse des höheren Lebens zu
lernen und um in Demut, Glauben, Aufrichtigkeit und Verehrung Yoga zu
praktizieren.

Schopenhauer (Deutscher Philosoph): »Die Upanishaden sind die


belohnendste und erhebendste Lektüre, die auf der Welt möglich ist. Sie ist
der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein.«

Dr. Victor Cousin (Französischer Philosoph): »Wenn wir aufmerksam die


politischen und philosophischen Überlieferungen aus dem Osten, besonders
die Indiens, lesen, die sich allmählich in Europa verbreiten, so entdecken wir
darin so viele Wahrheiten, und zwar Wahrheiten, die so tief sind und in so
scharfem Gegensatz zu den armseligen Erfolgen stehen, mit denen sich der
europäische Genius in letzter Zeit begnügte, daß wir uns genötigt sehen,
unsere Knie vor der Philosophie des Ostens zu beugen und dort die Wiege
der Menschheit und die wahre Heimat der Philosophie zu erblicken.«

Es gibt eine zentrale körperliche Kraft, die »Kundalini Shakti« genannt wird
und die im lebenden Körper ständig aktiv ist. Alle Geisteskräfte sind ein
Produkt dieser Shakti. Die menschliche Intelligenz ist mit ihr verbunden.
Kundalini Shakti ist die Ursache der Nervenströme. Die medizinische
Wissenschaft hat die Existenz, die Bedeutung und die Wirksamkeit der
Nervenströme im lebendigen Körper erforscht, aber bisher hat weder sie
noch die Sexualwissenschaft herausgefunden, wo der Dynamo der
Nervenströme seinen Sitz hat. Die alten Yogis und Rishis kannten jedoch
dieses Geheimnis und die wichtige Rolle, welche diese Shakti für die
geistige und körperliche Gesundheit und das Wachstum eines Menschen
spielt.

Diese Shakti steht in enger Beziehung zum Geist und zu Brahmacharya.


Ohne perfektes Brahmacharya ist es einfach unmöglich, die Geheimnisse
dieser Shakti zu erkennen. Ebenso muß man in Brahmacharya leben, um
volle Geisteskontrolle zu erreichen. Geisteskontrolle, Kontrolle der
Sexualkraft und das Hinaufführen der Kundalini Shakti zu Samadhi
(Erleuchtung) lassen sich niemals trennen. Sexuelle Wünsche und Gedanken
erhitzen die Shakti, und die erhitzte Shakti reizt die männlichen oder
weiblichen Genitalien, die ihrerseits die Geschlechtsdrüsen zur Sekretion
anregen. Diese Shakti ist die eigentliche Wurzel des sexuellen Genusses.

Die modernen Sexualforscher wissen aber nichts von dieser Shakti. Wenn
ein Geschlechtsakt und damit ein Orgasmus stattfindet, verlassen Teile
dieser Shakti, Ojas Shakti (geistige Energie), Nervenenergie und die
verschiedenen Flüssigkeiten den Körper durch die Genitalien. Mit jedem
Orgasmus werden dem System diese verschiedenen Energien und Sekrete
entzogen. Yogis und große Heilige haben dadurch, daß sie ihre
Sexualenergie kontrollierten und die Kundalini Shakti zu höheren Zentren
führten, übernatürliche Kräfte entfaltet. Diese übernatürlichen Kräfte sind im
Grunde kein Wunder, sondern sie enthüllen nur die verborgenen Fähigkeiten
des Geistes, die in uns allen schlummern. Die überwiegende Mehrheit der
Menschen verliert diese Kraft jedoch bei sexuellen Freuden, und daher
besteht für sie keine Aussicht, deren höhere Manifestation in sich zu
entwickeln.

Moderne Sexualforscher beschreiben einen neuen Weg zum Bewahren des


Samens, der für sie vielleicht gleichbedeutend mit Brahmacharya ist. Das
Sanskritwort Virya wird nämlich meistens als Samen ins Englische
übersetzt. Sie führen zur Geburtenkontrolle an Männern eine Operation
durch, die sie Vasektomie nennen. Dabei werden die vasa deferentia oder die
Leitungen, durch die der Same austritt, durchgeschnitten und die Offnungen
abgebunden, oder sie werden zusammengedreht und abgebunden, so daß
kein Erguß oder Abfluß möglich ist. Damit geben sie dem Mann die
Möglichkeit sexueller Betätigung
ohne die Gefahr des Samenverlustes. Das Schlimmste bei dieser falschen
Behauptung ist, daß sie einen solchen Mann im Grunde als Brahmachari
betrachten, denn sein Same bleibt ihm ja vollständig erhalten.

Nichts kann mehr Unheil anrichten als diese Behauptung. Der Vergleich ist
dumm; er entbehrt wahrlich jeglichen gesunden Menschenverstand.
Brahmacharya bedeutet nicht nur Samenkontrolle; sie ist nur ein Teil davon.
Ein Brahmachari darf nicht einmal an sexuelle
Freuden denken, geschweige denn ihnen frönen. Brahmacharya bedeutet
vollkommene Kontrolle aller sexuellen Wünsche, Gedanken und
Handlungen. Die Vasektomie mag den Samen zurückhalten, aber der
Orgasmus (der sexuelle Genuß) findet trotzdem statt, und wichtige
körperliche Energien verschiedener Art («Ojas Shakti«, Nervenkraft,
»Kundalini Shakti«) werden sinnlos vergeudet. Darum gelingt es einem
Mann, der sich dieser Operation
unterzogen hat, nicht, große Kräfte des Körpers, des Geistes und der
Religion zu entwickeln, wie sie sich bei einem echten Brahmachari in der
Regel in hohem Maße zeigen. Um genau zu sein: Brahmacharya läuft auf
Sex-Sublimation hinaus, und das ist eine mühselige Arbeit gegen den Strom,
die nur ein wahrer Held vollbringen kann.

Im frühen Stadium ist jemand, der in Brahmacharya lebt, meistens völlig


lustlos und alles um ihn herum erscheint ihm trist. Manch einer leidet auch
unter Verstopfung und Appetitlosigkeit. Diese Erscheinungen sind jedoch
zeitlich begrenzt und können leicht überwunden werden, wenn man Geduld
und Ausdauer hat und regelmäßig Mantra- Meditation, Yogaübungen und
bestimmte Pranayamas (Atemübungen) ausübt. In Ermangelung rechter
Führung und ohne diese Geheimnisse zu kennen, fühlen sich manche
Menschen in solchen Zeiten erschreckt und beunruhigt, geben ihre
Bemühungen auf, unterliegen Versuchungen und werden eine leichte Beute
der Lust. In ihrer Unwissenheit benutzen manche Sexualwissenschaftler
solche Fälle, um die Praxis von Brahmacharya in Verruf zu bringen. Also
nehmt euch in acht!
Intelligente Jungen und Mädchen verfallen der Lust leicht. Das gleiche gilt
für Schwachsinnige, und dafür gibt es Gründe. Wir haben schon gesagt, daß
Intelligenz mit der Kundalini Shakti (der zentralen körperlichen Kraft)
verbunden ist. Wenn diese Shakti vom untersten Zentrum, d.h. vom
Muladhara Chakra (in der Gegend des Afters) aus arbeitet, herrscht Trägheit
bei dem betreffenden Menschen vor, und er denkt hauptsächlich an Essen,
Schlafen und Sex. Auch bei einem Schwachsinnigen dominiert diese
Trägheit, weshalb sein Geist stumpf bleibt und er leicht der Lust verfällt.
Wenn die Kundalini Shakti teilweise aufsteigt, beherrscht Neugier das
betreffende Wesen, und ein solcher Mensch wird intelligent. Intensives
Studium, Pranayama, Meditation, Singen, Tanzen, berauschende Getränke
usw. begünstigen ein teilweises Aufsteigen der Kundalini Shakti.

Mit diesem teilweisen Aufstieg wird ein Mensch aktiv und intelligent, aber
damit ist auch gleichzeitig eine große Gefahr verbunden, denn er neigt zu
abnormalen sexuellen Begierden. Hat er keinen reinen Geist, paßt er nicht
auf und übt keine Selbstkontrolle, so verfällt er leicht der Lust. Das ist der
Grund, warum dies gerade intelligenten Jungen und Mädchen passiert. Wenn
solche hellen Köpfe einmal die Seligkeit der Sexualität kosten, werden sie
wie wild darauf, und das bedeutet meist das Ende einer vielversprechenden
Laufbahn. Wenn diese Jungen und Mädchen dagegen vorsichtig sind und
strenges Brahmacharya einhalten, können sie Wunder wirken und in jeder
Beziehung Erfolg haben. Was wir hier behaupten, sind reine Tatsachen, die
wir in fünfzigjähriger Erfahrung und durch gründliches Studium des
Gegenstandes bestätigt gefunden haben.

Wer Brahmacharya einhält, kann gelegentlich Naßträume haben. Das ist


kein Grund zur Besorgnis oder zur Unruhe. Solche Träume werden in der
Regel verursacht durch:

1. heftige geistige und körperliche Anstrengung,


2. schlechte und unregelmäßige Ernährung,
3. Verdauungsstörungen oder Verstopfung,
4. Klima- oder Ernährungsumstellung,
5. schlechte Gesellschaft und sexuell aufreizende Kino- oder
Theatervorstellungen,
6. Singen oder Anhören von Liebesliedern, Lesen erotischer Romane,
vulgäres Geschwätz,
7. freien Umgang mit dem anderen Geschlecht,
8. das Betrachten von Paarungen und von Liebeswerben bei Tieren und
Menschen,
9. das Unterdrücken der Notdurft

Der Anblick sexueller Handlungen, das Lesen erotischer Romane,


Gespräche über sexuelle Dinge usw.. bringen laszive Wünsche und
Gedanken hervor, die ihrerseits die Genitalien reizen und die Sexualdrüsen
in Tätigkeit setzen, und deren Absonderungen verliert man in Träumen oder
auf andere Weise. Wenn man vorsichtig ist und streng die Brahmacharya-
Regeln befolgt, die weiter vorn aufgestellt wurden und wenn man Yoga-
Asanas, Pranayamas usw. praktiziert, kann man Naßträume leicht
vermeiden.
Manche Leute machen viel Aufhebens um Naßträume und werden nervös;
sie halten das für eine Krankheit, grämen sich, regen sich auf und suchen bei
Ärzten und Sexualberatungen Hilfe. Viele Ärzte können solchen jungen
Menschen nicht die richtige Anleitung geben, womit deren Leben in falsche
Bahnen gerät. In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, einen Fall
zu erwähnen, den ein Sexologe mit selbstgefälliger Freude berichtet, um zu
zeigen, daß das Praktizieren von Brahmacharya unnatürlich sei. Er sagt: ein
Student, der an der Spitze der erfolgreichen Examenskandidaten an einer
Universität stand und eine Goldmedaille errang, lebte in Brahmacharya.

Dieser junge Mann litt unter gelegentlichen Naßträumen. Dadurch erschrak


er und wurde ängstlich und nervös. Sorge und Angst machten ihn krank, und
er wurde blaß, schwach und mager. Seine Eltern waren alarmiert. Sie
befragten Ärzte, Hakims (Heiler) und Vaidyas (Ayurvedische Mediziner).
Trotz medizinischer Behandlung wurde es nicht besser. Schließlich wandte
der junge Mann sich an einen Sexologen, der ihm sagte, Naßträume,
Masturbation oder Geschlechtsverkehr seien natürliche Dinge, und er solle
sich keine Gedanken um Brahmacharya machen. Der Student freute sich,
das alles zu hören, denn nun hatte er freie Bahn, sich selbst zu befriedigen,
ohne befürchten zu müssen, daß er seine Gesundheit untergraben könnte.
Schließlich schrieb er dem Sexologen, mit Hilfe der Masturbation gehe es
ihm wieder gut. Hier beendet der Sexologe seine Geschichte. Er berichtet
nicht, was diesem hoffnungsvollen jungen Mann schließlich passierte: seine
Ausschweifung kostete ihn die Laufbahn.

Dieser Fall spricht für sich. Der Junge hielt kein strenges Brahmacharya ein,
d.h. er hatte keine Kontrolle über seine verborgenen Wünsche und Sex-
Instinkte. Trotzdem glänzte er in seinen Studien, denn er hielt physisch
Brahmacharya ein (Brahmacharya des Handelns). Zum Schluß schätzte er
jedoch seine Naßträume falsch ein, da ihm die rechte Führung fehlte, erlag
er den falschen Anweisungen des Sexologen und machte seine glänzende
Karriere zunichte. Etwas Unglücklicheres hätte dem jungen Mann nicht
geschehen können. Dieses Ereignis sollte Jungen und Mädchen ein
Warnsignal sein. Sie sollten sich vor solchen Fallen und Gefahren hüten und
nichts unversucht lassen, die Geheimnisse der Geisteskontrolle zu erlernen,
um Naßträume zu vermeiden.

Wenn man regelmäßig und systematisch Yoga-Asanas, Pranayama, Jap und


Tap (Meditation) übt, kann man leicht Brahmacharya einhalten und
Naßträume vermeiden. Durch Anwendung höherer Pranayamas kann man
sogar den bereits gebildeten Samen wieder zurück verwandeln. Es gibt
Yoga-Übungen (die man aber besser unmittelbar von einem Guru lernt), mit
deren Hilfe man abgesonderten Samen trocknen und Naßträume
kontrollieren kann. Ohne Kenntnis der Geheimnisse von Brahmacharya und
ihrer Wichtigkeit für die geistige und körperliche Gesundheit eines
Menschen ist es für unseren Freund, den Sexologen, ein unsinniges
Unterfangen, etwas gegen diese Übungen zu schreiben.

Es ist wichtig, jungen Mädchen, die ins Pubertätsalter kommen, einen Rat
und eine Warnung auf den Weg zu geben. Die Menstruation ist beim
weiblichen Geschlecht eine ganz normale physiologische Erscheinung. Das
Pubertätsalter ist in verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Rassen
sehr unterschiedlich. In Indien liegt das durchschnittliche Reifealter bei
dreizehn Jahren. Im Leben eines Mädchens entwickeln sich zu dieser Zeit
die Eierstöcke, die Brust- und andere Geschlechtsdrüsen. Das sind die
Anzeichen, daß das Mädchen zur Frau geworden ist. Der
Menstruationszyklus einer gesunden Frau folgt eng dem Mondzyklus, der
achtundzwanzig Tage hat. Die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut
verursacht die Blutungen der Menstruation. Diese Blutung dauert bei einer
gesunden Frau drei bis fünf oder sogar sechs Tage. Bei einem Mädchen, das
sie einmal bekommen hat, sollte sie sich etwa alle achtundzwanzig Tage
wiederholen.

In einigen Fällen erscheint sie auch ein oder zwei Tage zu früh oder zu spät.
Der Beginn der Mensis und die Menopause, d.h. der Eintritt der Regel und
ihr Ende in den Wechseljahren (normalerweise ist das nach dem
fünfundvierzigsten Lebensjahr) sind zwei sehr kritische Zeiten im Leben
einer Frau. Wenn die Periode zum ersten Mal eintritt, muß das Mädchen
sehr vorsichtig sein und sich vor allen Extremen schützen. Sie sollte sich
vollkommen ausruhen und nahrhafte Speisen und Getränke zu sich nehmen.
Auch sollte sie sich keine Sorgen machen. Ist sie in diesen Dingen
unachtsam, wird sie leiden. Nachlässigkeit kann schmerzhafte Menstruation
und andere Unannehmlichkeiten nach sich ziehen. Manches schüchterne
Mädchen verbirgt diese natürliche Erscheinung vor seinen Eltern, erschrickt
furchtbar, hält sie für eine Krankheit und ruiniert seine körperliche und
geistige Gesundheit. Diese Scheu ist ein aus Unkenntnis entstandener grober
Fehler.

Hier sollten Eltern, besonders die Mütter und älteren Schwestern, die
Mädchen entsprechend anleiten und sie vor einer Katastrophe bewahren.
Das ist unbedingt nötig und die Pflicht der Mutter oder der älteren
Schwester. Zu dieser Zeit ist ausreichende Ruhe und gehaltvolle Ernährung
absolut erforderlich, um eine durch den Blutverlust hervorgerufene
Erschöpfung zu vermeiden. Während der Mensis ist der Körper eines
Mädchens oder einer Frau sehr empfindlich, und daher sollten Laufen,
Springen, Spiele im Freien, schwere körperliche Arbeit, Angst usw.
vermieden werden, wenn man gesund und glücklich sein möchte. Zur Zeit
der Menopause wird die emotionale, geistige und körperliche Gesundheit
einer Frau wieder stark belastet. Wenn dann irgendetwas schief geht, ist es
das Vernünftigste, einen Facharzt aufzusuchen. Auch Yogaübungen,
Meditation, bestimmte Atemübungen usw. helfen, diese Störungen zu
beseitigen. Sie dienen auch als Vorbeugungsmaßnahme.

Um es zusammenzufassen: jeder ist auf der Suche nach Frieden und Freiheit,
aber nur wenige wissen, wie und wodurch man dazu kommen kann. Wahrer
Friede und echte Freiheit können nur durch Geisteskontrolle gewonnen
werden. Ohne Geisteskontrolle kein Frieden und keine Freiheit, denn noch
so viele Sinnesfreuden können den Menschen nicht wahrhaft glücklich
machen. Ebenso wenig können das grenzenloser Reichtum, Ruhm und Ehre
und dergleichen. In Wirklichkeit bringen sie es sogar fertig, den Menschen
unglücklich zu machen. Das heißt aber nicht, daß man nicht nach
materiellem Wohlstand streben und ihn gänzlich außer acht lassen sollte.
Wir wollen materiellen und geistigen Fortschritt und Aufschwung. Eine
Verbindung von Wissenschaft und Religion, von westlicher und östlicher
Kultur erscheint als die richtige Lösung für Frieden und Fortschritt der Welt
und aller Völker.

Rein materieller Fortschritt, bei dem die geistige Seite ganz und gar
vernachlässigt wird, kann nicht zu wahrem Glück beitragen. Man kann aber
auch nicht leben und beides miteinander vereinigen ohne Geld (materiellen
Wohlstand). Wir wollen beides. Wissenschaft und Religion sind keineswegs
unvereinbar. Sie ergänzen sich gegenseitig und sollten Hand in Hand gehen.
Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und nimmt
doch Schaden an seiner Seele? Eine egoistische Auffassung des Lebens ist
die größte Gefahr, vor der wir unsere geistige Befreiung schützen müssen.

Was wir unter Charakter verstehen, ist, wahrhaftig, ehrlich, freundlich,


gütig, enthaltsam, selbstlos usw. zu sein. Kurzum, man muß in den
moralischen und ethischen Verhaltensregeln völlig gefestigt sein. Nur
Männer und Frauen mit Selbstdisziplin und Zurückhaltung können
moralisch und ethisch gut sein. Allgemein gesagt, können wir die ganze
Menschheit in drei Hauptgruppen einteilen, nämlich den animalischen
Menschen, den Menschen und den Übermenschen. Der Unterschied
zwischen dem animalischen Menschen und einem Tier, dessen ganzer
Lebensinhalt sich in Essen, Trinken, Schlafen und Fortpflanzen erschöpft, ist
nicht sehr groß. Er kennt keinerlei Verantwortungsgefühl und
besitzt keinen Anstand.

In der zweiten Gruppe ist »der Mensch« ein soziales Wesen. Er ist ein
denkendes Wesen. Er hat eine Vorstellung von Anstand und
Verantwortlichkeit. Daher muß er Selbstkontrolle und Selbstdisziplin üben.
Dann gibt es noch den Übermenschen. Um ein Übermensch zu werden, muß
man Meister seines Geistes und seiner Sinne sein, um Samadhi zu erreichen.
Daher können alle, die am liebsten wie Tiere oder wie ihre Nachbarn
nebenan leben, es mit Selbstbeschränkung oder Brahmacharya halten, wie
sie wollen. All diejenigen aber, die wahre menschliche Wesen werden
wollen, müssen Selbstkontrolle üben, bis zu ihrer Heirat konsequent in
Brahmacharya leben und auch danach ein gut geregeltes Geschlechtsleben
führen, um zu wahrem Frieden, Wohlstand und langem Leben zu gelangen.
Das ist unerläßlich.

All jene, die sich danach sehnen, durch Samadhi oder Gottverwirklichung
Übermenschen zu werden, müssen ihr ganzes Leben lang in Enthaltsamkeit
(Brahmacharya) leben und Geisteskontrolle und Meditation praktizieren, um
die Kundalini Shakti zum höchsten Zentrum aufsteigen zu lassen. Ohne
volles Brahmacharya und Meditation ist es unmöglich, Samadhi zu erlangen.
Ohne Samadhi zu erreichen, kann niemand zum Übermenschen werden und
Intuition und Weisheit viel höherer Art gewinnen. Kurzum, das Einhalten
und das Festhalten an Brahmacharya sind die Voraussetzung, für den Erfolg
bei der Geisteskontrolle und das Erreichen von Samadhi. Nur durch Samadhi
wird man zum Übermenschen und gewinnt die Intuition der höheren Art.
Darum, liebe Kinder! überlegt und entscheidet selbst, was ihr im Leben
werden wollt - animalische Menschen, Menschen oder Übermenschen. Dann
wählt eure Lebensweise und formt euren Charakter entsprechend. Die
Lebensspanne zwischen Zehn und Dreißig ist die fruchtbarste Zeit, um
seinen Charakter zur Größe auszubauen oder ihn so zu ruinieren, daß man
auf Dauer ehrlos versinkt. Gott segne Euch alle!

Om Shanti! Shanti!! Shanti!!! - Swami Narayanananda

Internet: http://www.narayanananda.0nyx.com/

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