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Braunzone Abgesang auf ein politisches Chamäleon

Hauptsache deutsch - Titelblatt der “Monatsschrift zur Überwindung der


kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld”

Von Joß Fritz

Abgesang auf ein


politisches Chamäleon
Eine Betrachtung der Freiwirtschaftbewegung aus antifaschistischer Sicht

Teil 1: Von den Anfängen bis 1945

Immer wieder tauchen Anhänger der Freiwirtschafts- gegründeten Genossenschaft gehörte.


Theorie Silvio Gesells bei ATTAC, Initiativen gegen 1909 gründete Blumenthal mit Gesells Unterstützung
Sozialabbau oder der Friedens- und Ökologiebewegung die “Physiokratische Vereinigung”, die den “Boden als
auf. Ihr vermeintlicher Hauptgegner sind “Zinswirt- die Hauptquelle des Reichtums” sah “und die uneinge-
schaft” und “Zins”. Als Alternative propagieren sie eine schränkte Handels- und Gewerbefreiheit forderte”. Die
“natürliche Wirtschaftsordnung” und die Einführung “Physiokraten” verstanden sich ausdrücklich auch als
von “Schwundgeld”. Doch ihre Theorie ist weder anti- Anhänger des individual-anarchistischen Philosophen
kapitalistisch noch fortschrittlich. Max Stirner. Stirner ist Autor des Buches “Der Einzige
Die so genannte Freiwirtschaftsbewegung entstand und sein Eigentum”. Er vertrat die Ideologie des deut-
zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Begründer der schen Kleinbürgertums, das bestrebt war, sein kleines
Freiwirtschafts-Theorie, Silvio Gesell (1862-1930), Eigentum zu verteidigen und festzuschreiben. Durch
hatte sich nach erfolgreichen Immobilienspekulationen die Verabsolutierung des Individualismus erwies er sich
in Argentinien in der Schweiz niedergelassen und gab als offener Gegner von Organisiertheit und fortschrittli-
dort die Zeitschrift “Die Geldreform” chen Gesellschaftsbestrebungen, als Anhänger reak-
für die “Herabsetzung des Geldes auf tionärer Utopien egoistischer Eigentümer.
die Rangstufe der Ware und Arbeit” Blumenthal, der Streiks übrigens ablehnte, verfügte
heraus. Resonanz fand Gesell insbe- über Kontakte zu dem anarchistisch geprägten Gustav
sondere in den Reformbewegungen Landauer und John Henry Mackay, dem Leiter der
dieser Zeit. Zu seinen engsten Mitstrei- “Vereinigung der Stirner-Freunde”. Der Dichter Mack-
tern wurden zwei langjährige Leser ay vergötterte Stirner so sehr, dass er dessen Schädel
seiner Zeitschrift: Der Berliner Tisch- exhumierte. Blumenthal fand über diese Kreise wie
ler Georg Blumenthal, der der bürger- auch über die Arbeiterbildungs-Vereine neue Anhänger.
lichen Bodenreformbewegung nahe Für viele Stirner-Anhänger galt Gesell bald als “der
stand, und der Ernährungsreformer Erfüller dessen, was Stirner dunkel vorausgeahnt” hat-
Gustav Simons, der in der “Gartenstadt te1.
Eden” bei Oranienburg lebte und zu Gustav Simons, Schöpfer des “Vollkorn-Simons-
Silvio Gesell den Gründungsmitgliedern dieser 1895 Brotes”, machte Gesells Theorie innerhalb der Lebens-

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reform-Bewegung bekannt. Simons gehörte auch dem Ordensgründer Lanz von Liebenfels,
rassistischen “Orden des Neuen Tempels” um Jörg Ludwig Fahrenkrog, Gründer der
Lanz von Liebenfels an. Auf der Burg des Ordens weh- “Germanischen Glaubensgemein-
te bereits im Jahre 1907 die Hakenkreuz-Fahne2. Mit- schaft”, und Theodor Fritsch, Autor
glieder des Ordens konnten nur blauäugige, blondhaa- des Antisemiten-Katechismus “Hand-
rige Männer werden, die sich zur “Reinzucht” ver- buch der Judenfrage”.
pflichteten. Doch Simons’ Antisemitismus störte Gesell
nicht. Ganz im Gegenteil. 1911 zog er in die “Garten- Die Besten gekreuzigt...
stadt Eden”, wo er in Simons einen guten Diskussions-
partner gefunden hatte. Die dritte Auflage seines Haupt-
werks “Natürliche Wirtschaftsordnung
Kriegsjahre durch Freiland und Freigeld” erscheint
im selben Jahr. In dem Buch vertritt
Die “Gartenstadt Eden” entstand aus agrarromanti- Gesell eindeutig sozialdarwinistische
schen, großstadtfeindlichen Impulsen und wurde durch Positionen: „Wie bei allen Lebewesen,
zahlreiche Einzelsiedlungen geprägt. In den Siedlungen so hängt das Gedeihen des Menschen Rechte Freunde
sollten biologische Anbauweise, Vegetarismus und in erster Linie davon ab, daß die Aus-
Freikörperkult in Güter- und Lebensgemeinschaften lese nach den Naturgesetzen sich vollzieht“. „Nur auf
verwirklicht werden. Aber nicht nur Linke und Anhän- dem Wege des Wettbewerbs“ kann es zu einer „förder-
ger eines “neuheidnischen Sonnenkultes” fanden sich lichen Entwicklung, zur Hochzucht kommen“, fährt er
hier, sondern auch Völkische und “Antisemiten in fort. Der „Erfolg des Wettstreites muß ausschließlich
großer Zahl”3. von angeborenen Eigenschaften bedingt sein“, denn
Gesell gewinnt hier mit Unterstützung Simons neue dann dürfe „man hoffen, daß mit der Zeit die Mensch-
Anhänger, die über den “Bund für Freiwirtschaft” spä- heit von all dem Minderwertigen erlöst werden wird,
ter auch zum “Freiwirtschaftsbund” stoßen werden. Mit mit dem die seit Jahrtausenden von Geld und Vorrecht
Beginn des Ersten Weltkriegs wird Gesells Zeitschrift geleitete Fehlzucht sie belastet hat“. Es dürfe uns nicht
eingestellt. Gesell erwägt, als Freiwilliger in das deut- so ergehen wie den Christen, schreibt Gesell. Die Men-
sche Heer einzutreten, geht dann aber in die neutrale schen haben „keine Vorteile davon, wenn die Besten
Schweiz. Auch bei der “Physiokratischen Vereinigung” immer gekreuzigt werden. Die Hochzucht verlangt eher
fällt die nationalistische Kriegsbegeisterung auf frucht- das umgekehrte Verfahren.“ Auch zur „Rassenpolitik“
baren Boden. Zahlreiche Aktivisten werden Soldat, die äußert sich Gesell in seinem Hauptwerk: „Rassenpoli-
Aktivitäten schlafen ein. Gesell, der noch 1916 auf tik darf nicht an Staaten, an Landesgrenzen, an Staats-
Deutschlands verheerenden U-Boot-Krieg setzte, wird gesetze gebunden werden. Rassepolitik ist ureigenste
1917 vom “Weltfriedensbund” zu einem Vortrag nach Angelegenheit jedes einzelnen Menschen. Das einzige
Zürich eingeladen. Aber dort brüskiert er die Kriegs- Volk, das seit Jahrtausenden beharrlich Rassenpolitik
gegner und lehnte “pazifistisches Gesäusel” ab4. Gegen treibt, die Juden, hat überhaupt kein eigenes Land, und
Kriegsende schimpft er über die drohende Revolution kennt die Staatshoheit nicht“.
in Deutschland und hofft auf Hilfe der bürgerlichen
Parteien und einen intakten Beamtenapparat. Zum Volksbeauftragter für das Finanzwesen
Kriegsende 1918 reist Gesell nach Berlin. Hier
erscheint gerade das Buch “Deutschlands Wiedergeburt Im April 1919 wird in München die erste bayrische
durch Blut und Eisen”. Das Buch wurde von Richard Räterepublik ausgerufen. Dem Vorschlag, Gesell in die
Ungewitter herausgegeben. Ungewitter förderte mit Räteregierung zu berufen, stimmen Ernst Niekisch, der
seinen Schriften die Freikörperkultur unter den “Völki- spätere “Nationalrevolutionär”, und der Anarchist
schen”, weil diese seiner Meinung nach der Rassenver- Gustav Landauer, der Gesells Schriften kennt, zu.
besserung und “Aufartung” diene. In der Einleitung des Gesell wird “Volksbeauftragter für das Finanzwesen”.
Buches tritt der Herausgeber Ungewitter für einen völ- Seine Amtszeit währt nur 7 Tage. Dann setzen die
kischen Neuanfang Deutschlands nach dem Kriege ein. Kommunisten die abenteuerliche erste Räteregierung
Gesell ist mit einem Beitrag zur “Überwindung des ab. Zu den wenigen Amtsgeschäften Gesells gehört ein
Goldwahns und die Zertrümmerung der britischen Telegramm an das Reichsbank-Direktorium, das die
Weltmacht” vertreten, entnommen der von Gesell mit- bayrische Räterepublik “die Wege der systemlosen
geprägten “Neues Leben. Monatsschrift für deutsche Papiergeldwirtschaft” verlasse und “zur absoluten
Wiedergeburt”. Er stellt darin die These auf, dass durch Währung” übergehe.
die Einführung seiner Geldwährung die kriegswichti- Im selben Jahr vereinigt sich der aus völkischen Krei-
gen englischen Goldreserven entwertet werden können. sen gebildete “Bund für Freiwirtschaft” mit dem “Frei-
“Wer ist der Feind ?”, fragt Gesell. “England. Worauf land-Freigeld-Bund” um den Stirner-Anhänger Paulus
gründet sich Englands Macht? Auf die Goldwährung. Klüpfel zum “Deutschen Freiland-Freigeld-Bund”. Der
Drauf!” Zu weiteren Autoren des Buches gehören unter “Bund für Freiwirtschaft” begründet die Zeitschrift
anderen der Antisemit Ernst Hunkel, der rassistische “Deutsche Freiwirtschaft. Monatsschrift zur Überwin-

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dung der kapitalistischen und sozialistischen Wirt- Gesetzen alle Rassen volle Gleichberechtigung
schaftsordnung durch Freiland und Freigeld”4. Verlegt genießen“, kann „das Nebeneinander und die dadurch
wird das Blatt von dem Germanentümler und Antisemi- ermöglichten Vergleiche“ das „sicherste Ventil“ gegen
ten Dr. Ernst Hunkel, der bis 1925 Mitglied des “Frei- eine „instinktwidrige, vielleicht schädliche Kreuzung“
wirtschaftsbundes” ist. Hunkel gründete im hessischen sein. Damit stehe der Freilandgedanke, so Gesell, der
Sontra die völkische Freiland-Siedlung “Donnershag”. „Zuchtmoral“ nicht im Wege, wie es Kritiker immer
Mitglied dieser Genossenschaft, die ein “geschlossenes wieder behaupteten, sondern es sei „das Gegenteil der
deutsch-gläubiges Gemeindeleben” praktizierte, konn- Fall“.
ten nur jene werden, die ausdrücklich versicherten, dass 1924 umfasst der “Freiwirtschaftsbund” 10.000 bis
sie “von jüdischen und farbigen Einschlag frei” sind. 15.000 Mitglieder in bis zu 200 Ortsgruppen7, vor
Außerdem mussten sie Mitglied des “Deutschen allem in Hamburg, Bremen und im Ruhrgebiet. Die
Ordens” und der “Deutschgläubigen Gemeinschaft” Beteiligung an der Reichstagswahl 1924 wird mit
werden. In Hunkels “Jungborn-Verlag“ wurden neben 36.000 Wählerstimmen jedoch ein Misserfolg. Ein
Schriften Gesells, den Hunkel aus der Siedlung Eden großer Teil der auf die Arbeiterschaft orientierten Frei-
kennt, auch die von ihm mitgeprägte Zeitschrift “Neues wirte tritt aus, gründet den “Physiokratischen Kampf-
Leben” nebst Hakenkreuz im Titel verlegt. Während bund” und gibt die Zeitschrift “Die Freiwirtschaft
des Ersten Weltkrieges auf seine Zusammenarbeit mit durch Freiland und Freigeld” heraus. Hier sammeln
dem Antisemiten Hunkel angesprochen, reagierte sich um Hans Timm Freiwirte, die ihre Ziele mit „Geld-
Gesell gelassen: „Die Natürliche Wirtschaftsordnung streiks“ (“Wära”-Aktion), Demonstrationen und gege-
kann nicht verdorben werden“5. benenfalls mit einer „Diktatur der Not“8 durchsetzen
wollen. Daneben erscheinen die Wochenzeitung „Letz-
Freiland - Festgeld - Festwährung te Politik“ (Auflage 1932: ca. 10.000) und die „Frei-
wirtschaftliche Zeitung“ des „Freiwirtschaftsbundes“
1920, Gesell hat sich gerade ein paar Villen in Reh- mit ähnlicher Auflagenhöhe4. Eine weitere Abspaltung
brücke bei Potsdam gekauft1, schließen sich in Kassel um den Bergwerksdirektor Otto Weißleder gründete
der “Deutsche Freiland-Freigeld-Bund” und die “Phy- bereits 1923 den völkisch-antisemitischen “Deutschen
siokratische Vereinigung” zum “Freiwirtschaftsbund” Bund für krisenlose Volkswirtschaft”.
zusammen. Die Hauptforderungen des Bundes werden Seine letzten Lebensjahre verbringt Gesell wieder in
die drei “F”: “Freiland - Freigeld - Festwährung”. der “Gartenstadt Eden”. Etwa 1928/29 erhält er Besuch
Besonders die von individual-anarchistischen Vorstel- von National”sozialisten” besonderer Art: die Brüder
lungen beeinflussten Gesell-Anhänger orientieren sich Georg und Otto Strasser9. So fließen denn auch frei-
nun verstärkt auf die Arbeiterbewegung. So gründet wirtschaftliche Positionen in das 1931 verabschiedete
sich im Rheinland ein “Kampfbund der Freiwirte”, in „Aktionsprogramm“ der von Otto Strasser gegründeten
Württemberg eine “Proletarische Arbeitsgemeinschaft „Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsoziali-
für Freiwirtschaftslehre” und 1923/24 auch ein erster sten“ ein.
freiwirtschaftlicher Jugendverband, der “Ring Revolu-
tionärer Jugend”, über den es zeitweise sogar zu einer “Wir stellen uns hinter die Regierung”
Zusammenarbeit mit jungen Kommunisten und Anar-
chisten kommt4. Immer mehr Freiwirte orientieren sich nun an der
Auf dem 1923 in Basel stattfindenden “1. Internatio- NSDAP, die die “Brechung der Zinsknechtschaft” auf
nalen Freigeld-Kongreß” baut Gesell in seiner “Der ihre Fahnen geschrieben hatte. „Neben dem Sozialdar-
Aufstieg des Abendlandes“ betitelten Rede „den ras- winismus, dem teilweise gespaltenen Verhältnis zur
senpolitisch und völkisch interessierten Anhängern sei- Demokratie und dem Antikapitalismus gab es auch
ner Lehre“ eine “gewisse Brücke“. Wenn „vor den durch den betonten Antikommunismus einiger Freiwir-
te Berührungspunkte zu den Nationalsozialisten“4.
Hauptfeind: “Zins”
Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 lösen
sich nach und nach auch die meisten freiwirtschaftli-
chen Verbände auf. Tonangebend in der „Freiwirt-
schaftlichen Partei Deutschlands“ werden bis zur
Selbstauflösung am 31. Juli Gottlieb Scheuffler und
Theodor Reents. Ihre Devise lautete: „Wir stellen uns
hinter die Regierung.“ Sie forderten die Leser der
„Freiwirtschaftlichen Zeitung” auf, „mit uns in eine
neue Zeit zu gehen“. Die „Freiwirtschaftliche Zeitung“
geht im Oktober 1933 in der „Letzten Politik“ auf. Hier
erscheint in der zweiten Ausgabe des Jahres 1933 ein
Bericht über einen Besuch von Vertretern des „Physio-
kratischen Kampfbundes“ (Timm, Haacke, Rödiger

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und Zeschke) im Hause Joachim von Ribbentrops, Hit- gen Feders zu folgen, sondern denen Gesells. Er arran-
lers außenpolitischem Ratgeber. Als “Hüter der Frei- gierte auch ein Treffen mit hohen NS-Führern, darunter
heit” wird das Naziregime nun auch in der in Timms Joseph Goebbels. Doch die NS-Führung hielt an Feder
Verlag erscheinenden “Letzten Politik” bezeichnet. fest. Die engen Kontakte des „Roland-Bund“ zum SA-
Wenn es die neue Regierung ernst mit ihrer „Brechung Chef Röhm und zu den Brüdern Strasser wird diesen
der Zinsknechtschaft“ meine, sei der „Physiokratische zum Verhängnis. Am 30. Juni 1934, nach dem so
Kampfbund“ zur „positiven Mitarbeit am Aufbau des genannten Röhm-Putsch, wird auch der „Roland-
neuen Deutschland“ bereit. Einmal mehr erweisen sich Bund“ verboten5.
die Freiwirte als Chamäleon. So schrieb der Stirner-
Anhänger Rolf Engert in der „Letzten Politik“, die noch Der “Bewegung möge mal
bis März 1934 erschien: „Für unser Ziel können wir ein Mussolini entstehen”
jede politische Konstellation einsetzen. Es kommt uns
nie darauf an, wer dieses Ziel erreicht, sondern daß es Nicht verboten wird dagegen die 1933 von Lauten-
erreicht wird“. Und: Die Juden seien an ihrer Verfol- bach, der während des Krieges Angehöriger der Waf-
gung selbst schuld, schreibt Timm. „Durch ihre falsche fen-SS war, gegründete Zeitschrift “Schule der Freiheit.
Politik hätten sie selbst zur Krise und damit zur Aus- Zeitschrift für organische Gestaltung von Kultur,
breitung des Antisemitismus beigetragen“5. Gesellschaft und Wirtschaft”. Diese begrüßt zum Bei-
spiel im September 1933 das NS-„Reichserbhofgesetz“
Mitarbeit an “der Befreiung als Beginn des Überganges vom „volksfremden römi-
aus sozialer Knechtschaft” schen zum germanischen Bodenrecht“. Diesem Gesetz
nach durften nur Arier selbstständige Bauern bleiben.
1934 wird auch der “Freiwirtschaftsbund” trotz sei- Sie befürwortet auch das Gesetz zur „Verhütung des
ner inhaltlichen “Gleichschaltung” verboten. Die Ver- erbkranken Nachwuchses“. In der Zeitschrift (Auflage
bandpresse ruft zur Loyalität mit der neuen Führung ca. 3.000) schrieb zu Beginn auch der
auf. „Sie haben durch Hitler die Quittung für ihr völli- Stirner-Anhänger Rolf Engert, der in [1] Schmid, W. “Silvio Gesell.
ges Versagen bekommen“, werden Verbote und brutale seinem Verlag die “Beiträge zur Stir- Lebensgeschichte eines
Verfolgung von NS-Gegnern in einem Beitrag zynisch ner-Forschung” herausgab. Er war es, Pioniers”, Bern 1954 /
kommentiert. Der „Freiwirtschaftsbund“ müsse sich der einst Mussolinis “Marsch auf Helms, Hans G. “Die Ideolo-
nun der neuen Reichsregierung als wirtschaftspoliti- Rom” lobte und die von ihm gegründe- gie der anonymen Masse”
scher Berater anbieten. Kurt Becker, Redakteur der te “Stirner-Jugend” aufrief, es gleich- [2] Bronder, Dietrich “Bevor
„Freiwirtschaftlichen Presse”, hetzte unter Pseudonym zutun: “Vergessen wir nicht, daß es Hitler kam”, 1975
gegen die “verantwortungslose Propaganda politischer Gesells eigener, oft geäußerter Wunsch [3] Frecot/Geist/Krebs “Fidus
Flüchtlinge und Literaten vom Schlage eines Heinrich war, seiner Bewegung möge einmal 1868–1948. Zur ästheti-
Mann“. Diese würden im Ausland „Schauermärchen“ ein Mussolini erstehen”. schen Praxis bürgerlicher
über Deutschland verbreiten. Otto Lautenbach lobt in Neben Akteuren des “Roland-Bund” Fluchtbewegungen“, Mün-
einem Beitrag die „Aufmärsche der braunen Bataillo- schreiben in dem Blatt Werner Daitz, chen 1972
ne“ als ein Zeichen positiver Entwicklung. Vereinsvor- Amtsleiter in der NSDAP-Reichslei- [4] Werner, Hans-Joachim
sitzender Ewald Wimber bietet in einem Brief an Hitler tung, der Freiwirt Karl Walker, der völ- “Geschichte der Freiwirt-
die Mitarbeit seiner Organisation „an diesem ebenso kische Schriftsteller Hans Franck und schaftsbewegung”, Münster
notwendigen wie gewaltigen Werke der Befreiung aus der Antisemit Paul Hasse, früher 1989
sozialer Knechtschaft“ an5. „Bund für krisenlose Volkswirt- [5] Onken W./Bartsch, G.
Zahlreiche Freiwirte schließen sich nun dem am 1. schaft“5. Wegen Papiermangels - ande- “Natürliche Wirtschaftsord-
Mai 1933 gegründeten “Roland-Bund für die Sicherung re Zeitschriften waren längst einge- nung unter dem Haken-
der Markthoheit des Reiches” an. Der Bund sollte als stellt worden - erschien die “Schule der kreuz” 1997
freiwirtschaftliche Körperschaft innerhalb der NSDAP Freiheit” ab Juli 1943 in “Kriegsge- [6] Rudolf Kneip, „Jugend in
noch bis zum Juni 1934, dem “Röhm-Putsch”, existie- meinschaft” mit der von dem NS-Geo- der Weimarer Zeit“, Frank-
ren. Im Gründungsdokument des „Roland-Bundes“ politiker Karl Haushofer (früher “Thu- furt/M.1974
hieß es, Hitlers „nationale Revolution“ müsse durch le-Gesellschaft”) herausgegebenen [7] Redaktionskollektiv “Die
Gesells Freigeld-Theorie vor einer Gegenrevolution „Zeitschrift für Geopolitik”10. bürgerlichen Parteien in
durch die internationale Hochfinanz geschützt werden. Dass sich einzelne Akteure der Deutschland”, Leipzig 1970
Der „Roland-Bund“ sei hierfür eine „geschulte techni- „Schule der Freiheit”, die sich dem [8] Onken, W. „War Silvio
sche Spezialtruppe“. Sie sei mit Gesells Freigeld als Naziregime wohl mehr als loyal ge- Gesell ein Faschist?“ in
dem „heimattreuesten Geld der Welt“ Garant des Wohl- genüber verhalten haben, nach 1945 „Schwarzer Faden“ 3/1984)
standes der „völkischen Marktgemeinschaft“. Wortfüh- gar als heimliche Widerstandskämpfer [9] Kissenkoetter, U. „Gregor
rer des „Roland-Bundes“ war Wilhelm Radecke, ein bezeichnet haben, sei hier vielleicht Strasser und die NSDAP“,
ehemaliger Prokurist des Bankhauses Bleichröder, der nur am Rande erwähnt. Mit ihrer Frankfurt/M. 1978
über zahlreiche Kontakte zur Finanzwelt und zur Spitze Gleichschaltung zu den NS-Machtha- [10] Haushofer, Karl “Zeitschrift
der NSDAP verfügte. Schon 1932 hatte er diesen Krei- bern hat sich die Freiwirtschaftsbewe- für Geopolitik” 9/1943
sen in einer Broschüre empfohlen, nicht den Vorstellun- gung jedenfalls selbst diskreditiert.

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