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Dezember/Januar 2016 Nr. 1/2016 € 4,20 Österreich € 4,90 . Schweiz sFr 8,40 . Italien € 5,80 .

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Gepard
So gefährlich

Alliierter
war der
deutsche
Flakpanzer

Bombenkrieg
Warum Deutschlands Städte
bis zum Schluss zerstört wurden

VERBÄNDE & EINHEITEN KRIEGE & SCHLACHTEN


Letzte Ritterschlacht
Mühldorf 1322: Untergang
einer alten Kriegskultur

Das Alpenkorps
1915: Wie sich die Gebirgsjäger
in den Dolomiten bewährten
Ein Prosit auf
Tante Ju!
Personalisierter Bierkrug
zu Ehren einer großen Legende

„Die legendäre
Tante Ju“
D as sonore Brummen ihrer drei Sternmo-
toren kündigt sie an. Dann erscheint sie –
fast stehend – am Himmel: die legendäre Tante
Ju! Mit ihrer geringen Reisegeschwindigkeit von
nur 180 km/h und ihrer niedrigen Flughöhe
bietet dieses einzigartige Flugzeug ein einmali-
ges Flugerlebnis über unserer schönen Heimat.
Stoßen Sie jetzt darauf an, dass die alte Dame
mit der Wellblech-
haut noch lange ihr
sonores Brummen
erklingen lässt –
mit dem ersten per-
sonalisierten Bier-
Die maßstabsgetreue Figur krug für alle Fans
der „Tante Ju“ aus Zinkguss
der „Tante Ju“.

Handarbeit aus Steinzeug mit


Zinkguss-Figur und Ihrem Namen
Dieser Krug ist mit dem majestätischen Motiv
der „Tante Ju“ vor atemberaubendem Alpen-
panorama geschmückt. Auf dem Deckel des
handgefertigen Kruges aus Steinzeug thront ein
maßstabsgetreues Zinkguss-Modell. Der Griff
wurde in markanter technischer Anmutung ge-
staltet. Aber das ganz Besondere an diesem ein-
zigartigen Bierkrug: auf dem Sockel steht auf Füllmenge: 0,7 l
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Abb.: picture-alliance (2), Slg. Niesner, Slg. Hecht, Slg. Ringlstetter
TITEL

8 Britische Bomber legten nachts deutsche Städte in Trümmer, 26 Der Gepard sicherte jahrzehntelang das deutsche Heer
die Amerikaner griffen tagsüber eher militärische Ziele an zuverlässig gegen etwaige Luftangriffe

22 Hans Hermann von Katte musste sterben,


weil er in die Fluchtpläne seines Freundes,
des Kronprinzen Friedrich eingeweiht war 4 KOLUMNE Dank an den Retter Europas!
Wie Karl Martell 732 bei Tours siegte – und wie später darüber geurteilt wurde

6 PANORAMA Wussten Sie, dass ..., Die historische Zahl, Zitate

8 TITEL Bis alles in Trümmer fällt


Ab 1942 nahmen die Alliierten gezielt deutsche Zivilisten ins Visier. Das „Moral
Bombing“ hatte keinen Erfolg, kostete aber Hunderttausende Menschenleben

22 MENSCHEN & SCHICKSALE Eine tödliche Freundschaft


Die tragische Beziehung zwischen Leutnant von Katte und Friedrich dem Großen

26 WAFFEN & TECHNIK Die Krallen der Raubkatze


So effektiv konnte der Flak-Panzer Gepard Gefahren aus der Luft abwehren

34 VERBÄNDE & EINHEITEN Aufbruch ins Gebirge


Das Deutsche Alpenkorps im ersten Einsatz, der aus Laien Spezialisten formte

42 DOKUMENT Verzweifelter Hilferuf


Ein erhaltener Brief Wallensteins als blutiges Zeugnis der Schlacht von Lützen

44 KRIEGE & SCHLACHTEN Die letzte Ritterschlacht


1322 gingen berittene Kämpfer letztmals nur mit Blankwaffen aufeinander los

50 STRATEGIE & TAKTIK Unternehmen „Herkules“


Wie deutsche und italienische Truppen 1942 die Insel Malta erobern wollten

56 SPEZIAL Die Schule der Nation


50 Auf Malta wollten die Achsenmächte 1942 Zwischen Drill, Spaß und Langeweile: Dienstzeit in deutschen Kasernen vor 1914
mit einer gewaltigen Streitmacht landen
62 SERVICE Bücher, Ausstellungen, Militärhistorisches Stichwort
Von den Triumpzügen der Römer bis zu Berlin im Dritten Reich

56 In den Kasernen 64 EINST & JETZT Großer Bahnhof in Oppeln


des Deutschen Militärische Ehren beim Stadtbesuch von Reichspräsident Hindenburg
Kaiserreichs
herrschte Zucht Rubriken: Vorschau, Impressum Seite 66 Titelthema
und Ordnung –
und ab und an
etwas Spaß

Zum Titelbild: Unsere Fotocollage zeigt Bomber vom Typ B-24 Liberator


über dem Flak-Turm des Zoo-Bunkers in Berlin.
Abbildungshinweise: picture-alliance (4), BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv
Militär & Geschichte 3
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KOLUMNE

Herausgeber Dr. Guntram Schulze-Wegener


sieht keinen Grund, die historischen Verdienste des
fränkischen Hausmeiers Karl Martell zu relativieren

Dank an den Retter Europas!


W
ir schreiben das Jahr 718: kämpfe des 9. und 10. Jahrhunderts Steppenreiter mit ihrem charisma-
Die arabischen Eroberungs- und findet seinen deutlichsten Aus- tischen Feldherrn Abd ar-Rahman
züge im Osten vor Konstan- druck in den Kreuzzügen des Hoch- drängen bis Tours vor, wo sie Karl Mar-
tinopel und die arabisch-berberi- mittelalters. tell, der bis dahin vor allem in Aleman-
schen im Westen vor Narbonne leiten Für den Glauben zu sterben ist nien und Sachsen gekämpft hatte, zur
eine Weltkrise ein. Sie erfasst alle Ge- höchster Gewinn und eigentliches Entscheidungsschlacht stellt. Hier,
biete, die im christlich bestimmten Lebensziel, ob im Zeichen des Kreu- zwischen Tours und Poitiers, stoppt
Morgen- und Abendland ihre Macht- zes oder des Halbmondes – beide sind das kleine fränkische Heer mit seinen
und Staatsverhältnisse festigen. Die keine Symbole des Friedens. Die welt- gepanzerten und schwer bewaffne-
Dynamik religiös fanatisierter Wüs- liche Macht wird mit tiefreligiösen ten Kriegern im Oktober 732 die arabi-
ten- und Steppenvölker bedroht die Vorstellungen erfüllt, der Krieg wird sche Übermacht. Karl Martell setzt
allmählich sesshaft gewordenen Völ- als eine von Gott beziehungsweise später bei Avignon und Narbonne
kergruppen Europas, die zunehmend Allah den Menschen auferlegte Ver- nach, bis König Pippin den Feind
bemüht sind, ihre inneren Strukturen pflichtung gesucht und in einer bis schließlich mit seinem Sieg im Jahre
zu konsolidieren. Sich unterwerfen dahin nicht gekannten Rücksichts- 759 über die Pyrenäen zurückwirft.
und gegen den eigenen Willen die losigkeit geführt. Er überschattet alle Das erste Ausrufezeichen, um die
europäische Zivilisation von den
Für den Glauben zu sterben war höchster Einflüssen des Islams abzuschotten,
aber hatte Karl Martell gesetzt. Jahr-
Gewinn und eigentliches Lebensziel. hunderte über galt sein Verdienst als
unbestritten, die bekannten Histori-
fatalistischen Lebensgrundsätze der anderen in der Zeit stehenden Macht- ker Jacob Burckhardt (1818–1897) und
Mohammedaner annehmen zu müs- und Ordnungskämpfe und indivi- Leopold von Ranke (1795–1886) etwa
sen, wird zur Triebfeder des Wider- duell ausgestatteten Kleinkriege, die würdigten ihn als „den großen Stifter
stands. zuletzt nur noch als Ritter- und einer neuen abendländischen Chris-
Es ist ein lupenreiner Eroberungs- Städtefehden sichtbar werden. Als tenheit“ und als „Garanten der christ-
krieg, der umso gefährlicher ist, als er die auf ihren Glauben gestützten Mo- lich-germanischen Kultur“, welcher
erstmals von einer Weltanschauung hammedaner Anfang des 8. Jahrhun- der angestrebten islamischen Herr-
Abb.: picture-alliance, Guntram Schulze-Wegener

überwölbt wird, die den Krieg um derts das byzantinische Reich und schaft getrotzt hat. Erst seit den
ihrer selbst wegen führt und ihn sich das Frankenreich zugleich angreifen, 1990er-Jahren neigen (deutsche) Wis-
dienstbar macht. Das ist in dieser um einen weiteren Schritt auf dem senschaftler vermehrt dazu, die Er-
Intensität völlig neu und nicht mehr Weg zur universalen Herrschaft zu folge des fränkischen Hausmeiers zu
vergleichbar mit den einzelnen Zu- tun, scheint das Ende des Abendlan- relativieren, hauptsächlich mit der
sammenstößen im 5. und 6. Jahrhun- des bevorzustehen. Begründung, die arabische Offensive
dert. Der religiös motivierte und da- Der Franke Karl Martell, Sohn Pip- habe zu diesem Zeitpunkt ohnehin
durch dämonisierte Krieg durchzieht pins des Mittleren, ist es, der den schon an Wucht verloren. Da sei die
mit den Avaren- und Arabereinfällen scheinbar unaufhaltsamen Eindring- simple Frage erlaubt, was wohl pas-
sowie den Sachsenkriegen das 7. und lingen entschlossen entgegentritt. siert wäre, wenn nicht Abd ar-Rah-
8. Jahrhundert, verschärft sich durch Die wendigen, im Bewegungskrieg man in der Schlacht bei Poitiers gefal-
die Normannen- und Sarazenen- auf ihren Pferden äußerst versierten len wäre, sondern Karl Martell.

4
Entscheidender Schlag: Karl Martell persönlich
versetzt seinem Gegner Abd ar-Rahman den
tödlichen Hieb – zumindest in dieser Farblithografie.
An der Bedeutung der Schlacht von Tours und
Poitiers scheiden sich bis heute die Geister

Militär & Geschichte 5


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„ Ein Mädchen, das einen Soldat heiratet,
PANORAMA

macht nie eine schlechte Partie.


Ein Soldat versteht zu kochen, kann nähen,
muss gesund sein, und das Wichtigste:
Er ist unbedingt daran gewöhnt, zu gehorchen. “
Charles de Gaulle (1890–1970), französischer General und Staatsmann

Mit Getöse feuert diese Haubitze jeden Tag einen Schuss ab. Viele WUSSTEN SIE, DASS ...
Rom-Touristen möchten sich das Spektakel nicht entgehen lassen
... eine 105-Millimeter-Haubitze täglich um 12 Uhr
in Rom einen Salutschuss abfeuert?
Die Touristen-Attraktion auf dem Gianicolo-Hügel geht auf
eine Anweisung von Papst Pius IX. aus dem Jahr 1847 zurück:
Weil wegen des unpünktlichen Glockengeläuts der städti-
schen Kirchen die mittägliche Gebetszeit für die Kleriker
nicht exakt einzuhalten war, ordnete er einen täglichen
Kanonenschuss um genau 12 Uhr an, der seither die richtige
Zeit vorgibt.

... die erste alliierte Siegesparade am 5. Mai 1941


in Äthiopien stattfand?
An diesem Tag kehrte Kaiser Haile Selassie nach Addis
Abeba zurück; einen Monat zuvor hatten die Briten die
bisherige Hauptstadt der italienischen Kolonie Abessinien
erobert. Die alliierten Truppen bestanden aus der
„Gideon Force“, äthiopischen und sudanesischen Soldaten
und einigen britischen und jüdischen Kadern.

... es 1969 in Südamerika einen „Fußballkrieg“


gegeben hat?
Nachdem Honduras am 26. Juni 1969 das entscheidende
Qualifikationsspiel zur Fußball-Weltmeisterschaft 1970
gegen El Salvador verloren hatte und anschließende
Ausschreitungen mehrere Todesopfer forderten, brachen
beide Staaten ihre diplomatischen Beziehungen ab.
Am 14. Juli marschierte El Salvador in das Nachbarland
ein, Honduras antwortete mit Luftschlägen. Die Organi-
sation Amerikanischer Staaten (OAS) erzwang nach 100
Stunden das Ende der Kämpfe, die 2.100 Menschen das
Leben gekostet hatten.
Die Nationalmannschaft von
El Salvador warf Honduras aus ... der Federschmuck bei Indianern eine Art
dem Rennen – Auftakt zum militärische Auszeichnung darstellte?
irrsinnigen „Fußballkrieg“ von 1969 Bei vielen Stämmen verrieten die am Kopf getragenen
Raubvogelfedern, wie sich ein Krieger im Kampf bewährt
hatte. Bei den Dakota-Sioux etwa bedeutete eine rot gefärb-
te Feder, dass der Krieger verwundet worden war, eine
Feder mit rotem Punkt hieß, dass er einen Gegner getötet
Ein Häuptling mit Federhaube hatte. Auf eine besonders drastische Tat wies eine Feder
(Warbonnet), die unter anderem mit Einschnitt hin: Der Träger hatte einem Feind die Kehle
seine Tapferkeit im Kampf durchgeschnitten und ihn skalpiert.
unter Beweis stellte

6
„ Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“
Otto von Bismarck (1815–1898), deutscher Politiker und Reichskanzler

„ Gut sind die Waffen, ist nur die Absicht, die sie führt, gerecht.“
William Shakespeare (1564–1616), englischer Dramatiker. Textstelle aus Heinrich IV., Teil 1

„ Eine Armee ohne Kultur ist eine unwissende Armee,


und eine unwissende Armee kann den Feind nicht besiegen. “
Mao Zedong (1893–1976), chinesischer Politiker und Staatspräsident

DIE HISTORISCHE ZAHL

Bis zu

8Millionen Soldaten
gerieten während
des Ersten Weltkriegs
in Gefangenschaft,
darunter mindestens
800.000 Deutsche.
In deutschen
Lagern waren
etwa 2,5 Millionen
gegnerische
Abb.: picture-alliance (2), Magnus Manske, Nikater, DIREKTOR

Soldaten interniert.

An der Westfront durchsuchen


britische Soldaten einen Deutschen,
der soeben in ihre Hände gefallen ist.
Auf ihn wartet die Gefangenschaft

Militär & Geschichte 7


TITELTHEMA

DER ALLIIERTE LUFTKRIEG


GEGEN DEUTSCHLAND

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Abb.: Sammlung W. Mühlbauer

Bis alles in

Eine Formation B-24 Liberator über ihrem Ziel.


Die strategischen Bomberflotten der United States
Army Air Forces setzten auf Tagangriffe gegen
rüstungsrelevante Industrien, Verkehrsinfrastruktur,
Energieversorgung und militärische Einrichtungen

8
Trümmer fällt Der eskalierende Luftkrieg traf das
Deutsche Reich ab 1942 mit voller Härte:
Briten und Amerikaner ließen ungezählte
Bomben auf deutsche Städte fallen,
denen Hunderttausende Menschen zum
Opfer fielen. Welche Strategie verfolgten
die Alliierten – und warum hielten sie
bis zum Kriegsende daran fest?

Militär & Geschichte 9


TITELTHEMA

Britische Bomber,
die Aufschrift links

A
m späten Abend des 28. März auf die Area Bombing Directive. Sie ba- den und Verwandten. Wolle man die verspottet Görings
1942 lag ein frostiger, weitge- sierte auf Ideen von Luftkriegs-Theo- Rüstungsindustrie und sonstige Infra- Versprechen, es
hend klarer Winterhimmel retikern wie dem italienischen Gene- struktur des Gegners dauerhaft lahm- werde „kein feind-
über Norddeutschland. Helles Mond- ral Giulio Douhet, oder dem ersten legen, dann genüge es nicht, Fabriken, liches Flugzeug
licht ließ Flussläufe aufleuchten, trotz „Marshal of the Royal Air Force“, Hugh Kraftwerke und andere „legitime mi- über dem Reich
Verdunkelung waren Städte von oben Montague Trenchard. Zu ihren promi- litärische Ziele“ zu bombardieren, da fliegen“. Daneben:
gut zu sehen. In der alten Hansestadt Eine Avro Lancaster
Lübeck herrschte zunächst Ruhe. wird mit Spreng-
Doch kurz nach 23 Uhr heulten die
Die Royal Air Force konnte kaum Erfolge bomben und einer
Sirenen: Fliegeralarm! Wenig später vorweisen, eine neue Strategie musste her. Luftmine beladen
dröhnten Hunderte Flugzeugmoto-
ren über den engen Gassen und Fach- nentesten Fürsprechern zählten Poli- diese schnell wieder aufgebaut seien.
werkhäusern der Altstadt. Sie kün- tiker wie der in Baden-Baden gebore- Stattdessen müsse man das Heer der
digten Tod und Zerstörung an – denn ne Physiker Frederick A. Lindemann, Arbeiter in seiner Privatsphäre tref-
kurz darauf deckten Sprengbomben ein enger Vertrauter und offizieller fen, indem man Wohnungen und
Dächer ab, zersplitterten Türen und Sonderberater Winston Churchills. Häuser zerstöre. Das senke Moral und 46 Mann Boden-
Fenster, brachen Hauswände auf und Produktivität und womöglich erhebe personal waren
erschütterten Fundamente. Dann ha- Zivilisten als militärisches Ziel sich dann die Bevölkerung des feindli- nötig, um einen
gelten Brandbomben vom Himmel. Das Konzept der Area Bombing Direc- chen Landes gegen seine eigene Re- Short-Stirling-
Dachstühle und Treppenhäuser fin- tive basierte auf der Annahme, dass gierung. Auf diese Weise wäre ein Bomber zu
gen Feuer, Häuser standen in Flam- die Zerstörung seines Heimes den Krieg schneller zu beenden als durch betreiben, die
men, diese griffen auf benachbarte Menschen tiefer und nachhaltiger er- eine langwierige und verlustreiche achtköpfige
Gebäude über … 32 Stunden lang wü- schüttere als der Verlust von Freun- Bodenoffensive. Kurzum: Man erklär- Besatzung steht
tete das Feuer im historisch gewach- im Vordergrund
senen Zentrum der alten Hansestadt.
Ähnliches hatte sich bereits an
anderen Orten zugetragen, doch jene
Ereignisse in der Nacht zum Palm-
sonntag 1942 gingen auf einen grund-
Abb.: picture-alliance, RAF, Slg. H. Ringlstetter, Slg. P. Cronauer, Slg. JMH

legenden Strategiewechsel der briti-


schen Luftkriegführung zurück. Und
dieser kam nicht von ungefähr: Bis
zum Angriff auf Lübeck hatte das
Bomberkommando der Royal Air For-
ce (RAF) kaum Erfolge vorzuweisen.
Ihre seit Kriegsbeginn durchgeführ-
ten nächtlichen Störangriffe moch-
ten sich vielleicht auf die Psyche der
deutschen Bevölkerung auswirken,
militärisch waren sie nahezu bedeu-
tungslos. Weder beeinträchtigten sie
die Luftwaffe, noch die deutsche Rüs-
tungsindustrie. So war der Krieg nicht
zu gewinnen, eine neue Strategie
musste her.
Hinter den Kulissen diskutierte die
britische Führung diverse Vorgehens-
weisen; schließlich einigte man sich

10
In ausgeklügelten Formationen flogen die
schwer bewaffneten Bomber der USAAF, um
ihr Abwehrfeuer auf Angreifer konzentrieren
zu können und sich gegenseitig zu beschützen

te die Zivilbevölkerung zum legiti-


men militärischen Ziel.
In seinem wenig später vorgeleg- Die Besatzung
ten Dehousing Paper rechnete Linde- dieser Avro Lancaster
mann unter anderem vor, dass bis ließ sich in ihren
Mitte 1943 die Hälfte der Wohnge- Schwimmwesten
bäude in allen größeren deutschen fotografieren. Weil
Städten vernichtet werden könnten, der Weg von England
vorausgesetzt, man konzentriere ab nach Deutschland
sofort sämtliche verfügbaren Kräfte stets über die Nordsee
auf den Bau und Einsatz von Bombern führte, zählten sie zur
und Bomben. Mitte Februar 1942 Grundausstattung
segnete das britische Parlament die
Area Bombing Directive ab und wenige
Tage später ernannte man Arthur Tra-
vers Harris zum neuen Oberbefehls-
haber des Bomberkommandos der
RAF. Der bekennende Anhänger der

Militär & Geschichte 11


TITELTHEMA

Nachtjäger – hier
Luftkriegstheorien Giulio Douhets griffswellen mehr als 400 Tonnen Command wurden 10.387 Gebäude deutsche Bf 110 bei
hatte bereits im Irak und in Indien Bomben ab, davon gut zwei Drittel beschädigt und 1.425 völlig zerstört. einem Tageinsatz –
praktische Erfahrung im Bomben- Brandbomben. Die beteiligten Bom- Mit den Dräger-Werken, die Sauer- waren Spezialisten
krieg gesammelt und war der geeig- berbesatzungen wussten tatsäch- stoffanlagen für U-Boote herstellten, im nächtlichen
nete Mann fürs Grobe. lich nichts vom wahren Charakter ih- traf es nebenbei auch einen Rüstungs- Luftkrieg. Die Aus-
Dabei waren Harris und die Area res Einsatzes. Ihnen hatte man mit- betrieb. Der angerichtete Gesamt- bildung zum Nacht-
Bombing Directive in den britischen geteilt, dass der Lübecker Hafen von schaden belief sich auf 200 Millionen jagdpiloten dauerte
Führungsgremien nicht unumstrit- zentraler Bedeutung für den Nach- Reichsmark und die städtische Infra- zweieinhalb Jahre.
ten, immerhin stellte der Paradigmen- schub der Wehrmacht an die Ost- struktur war so nachhaltig zerstört, Am Ende waren
wechsel einen Tabubruch dar. Doch front und nach Skandinavien sei; sie dass beispielsweise die Straßen- deutsche Flugzeug-
Einwände, wonach es sich um einen wunderten sich nur über die geringe bahnen bis zum Ende des Krieges führer Mangelware
nicht mehr fuhren. Am schwersten
traf es jedoch die Einwohner selbst:
Deutsche Jagdflugzeuge und Flakbatterien Die Anzahl der Toten und Verwunde-
sollten den Feind rechtzeitig vernichten. ten übertraf alle vorangegangenen
britischen Luftangriffen auf deutsche
klaren Verstoß gegen das Kriegsrecht Gegenwehr über einem derart wich- Siedlungen, mehr als 15.000 Lübecker
handele, fegten die Befürworter mit tigen Ziel. verloren ihr Heim.
der Behauptung vom Tisch, dass die Lübeck wurde schwer getroffen: Weitere deutsche Städte wurden
deutsche Luftwaffe dies schon längst Laut Kriegstagebuch des RAF Bomber im Sinne des Moral Bombing großflä-
praktiziere, was an Warschau, Rot-
’terdam, London oder Coventry zu
sehen sei. Auch in Großbritannien Bei der Flak kam ein
war die Stimmung propagandistisch breites Spektrum an
aufgeheizt, besonnene Stimmen fan- Geschützarten zum
den kaum Gehör. Immerhin hielt man Einsatz. Je nach Kaliber
es für ratsam, den wahren Charak- waren bei der schweren
ter der Luftoffensive zu verheimli- Flak zwischen 3.000
chen, da, wie Luftfahrtminister Sin- und 16.000 Schuss
clair ausführte, „eine möglicherweise nötig, um einen Bom-
zu erwartende moralische Verurtei- ber abzuschießen
lung durch die Öffentlichkeit die
Kampfmoral der Bomberbesatzun-
gen schwäche“.

Einsatzbereite Bomberflotte
Abb.: picture-alliance, PK Weichsner, Slg. P. Cronauer

Bei seinem Amtsantritt fand Harris


bereits die nötigen Mittel vor, um die
Area Bombing Directive in die Tat um-
zusetzen: Eine große strategische
Bomberflotte stand bereit, darunter
auch schwere viermotorige Maschi-
nen mit hoher Zuladung und großer
Reichweite: Short Stirling, Handley
Page Halifax und Avro Lancaster. Ge-
gen die historisch gewachsene Alt-
stadt von Lübeck kam die neue Vor-
gehensweise erstmals zum Einsatz:
234 Maschinen warfen in drei An-

12
Die Deutsche Wehrmacht

8,8 CM FLAK

Ø 30 mm
PORTOFREI
EUR 19,95

Flugabwehrkanone
8,8 cm Flak 18/36/37
Neben dem sowjetischen
Raketensalvengeschütz
Das deutsche „Würzburg-Gerät“ diente zur Naherfassung einzelner Flugzeuge. „Stalinorgel“ ist kein
Der Funkmesstechnik fiel im nächtlichen Luftkrieg eine immer größere Rolle zu anderes Geschütz des
2. Weltkriegs heute noch
chig angegriffen und selbstverständ- akzeptablen Verhältnis zum Auf- so bekannt wie die deut-
lich blieb das nicht ohne Folgen. So no- wand, der dafür getrieben werde: 210 mm x 297 mm sche 8,8-cm Flak. In den
mit Seriennummer Ausführungen 18, 36 und
tierte der Sicherheitsdienst der SS in Rund zwei Drittel der getöteten Zivi-
einem geheimen Bericht zur allge- listen seien Frauen, Kinder und alte 37 bildete sie das Rückgrat der deutschen
meinen Lage, dass die „heftigen Luft- Menschen. Auf ein Menschenleben Luftverteidigung. Ihren legendären Ruf
angriffe der Engländer in letzter Zeit“ kamen drei Tonnen Bomben, die ein hingegen erwarb sich die „Acht-Acht“
eine „größere Beunruhigung der Be- viermotoriger Bomber mit sechs bis jedoch erst im Laufe des Krieges. Als wir-
völkerung in den Westgebieten des acht Mann Besatzung ins Ziel tragen kungsvolle Allzweckwaffe im Erdkampf
Reiches“ verursachten, insbesondere musste. Einhundert getötete Zivilis- kam sie an allen Brennpunkten zum Einsatz.
führe das „Abwerfen phosphorgefüll- ten erforderten den Einsatz von eben-
ter Kanister“ zu starken Bränden, an- so vielen schweren Bombern, von de-
gesichts derer „sich die Bevölkerung nen im Durchschnitt sechs Maschi-
ziemlich hilflos fühle“. Ende Juli 1942 nen abgeschossen wurden, was den
wurde dann konstatiert, dass die Verlust von 40 bis 50 Mann an fliegen-
Angst jetzt auch auf die ländliche dem Personal bedeutete. Von Experten für Experten:
Bevölkerung übergreife. Gelegentli- Den Oberbefehlshaber des briti-
Das Sammelwerk zur deutschen
che Unmutsäußerungen unterdrück- schen Bomberkommandos beein-
Militärtechnik des 2. Weltkriegs
te der deutsche Machtapparat konse- druckte das nicht. Für Arthur Harris
quent; zu dem von den Schöpfern der war das Jahr 1942 „ein Jahr der Vorbe- in höchster Münzqualität
Area Bombing Directive erhofften Auf- reitungen, das dem Gegner wenig
stand der deutschen Bevölkerung Schaden zufügte, uns aber in der Über- Sichern Sie sich jetzt Ihre persönliche
kam es nicht. zeugung bekräftigte, dass wir ihn mit Sammlerausgabe zum Vorzugspreis!
der Bomberwaffe doch zu Boden 0 80 0-71 71 333 ( g e b ü h r e n f r e i )
Ernüchternde Zwischenbilanz schlagen könnten“. Immerhin stand
Bereits Ende 1942 zog das britische die RAF im Westen nicht mehr alleine:
Oberkommando eine ernüchternde Im Februar 1942 begann die Stationie- www.deutsches - militaerarchiv.de
Bilanz: Laut Winston Churchill wurde rung des ersten US-Bomberkomman-
„die deutsche Kriegsproduktion und dos in Europa, 127 Luftstützpunkte
die moralische Widerstandskraft der stellte die RAF für ihre US-amerikani-
Zivilbevölkerung nicht erkennbar ge- schen Bündnispartner in England be-
schwächt“ und das stehe in keinem reit. Mitte August griffen diese dann

Militär & Geschichte


Brandlstraße 30 á D - 83259 Schleching
TECHNIK

12,8-Zentimeter-Flak 40
TITELTHEMA

Die 12,8-Zentimeter-Flak 40 war das mächtigste Flugabwehr-


geschütz, das die Deutschen im Zweiten Weltkrieg einsetzten. Zwi-
schen 1939 und 1945 wurden rund 1.100 Stück dieses Ungetüms ge-
baut. Man musste es in zwei separaten Lasten transportieren und
dann am Einsatzort zusammenmontieren. Das Geschütz besaß eine
automatische Ladeeinrichtung. Die Rohrlänge betrug 7,49 Meter, die
maximale Schusshöhe 14.800 Meter und die Feuergeschwindigkeit
zwölf bis 14 Schuss pro Minute. Abgefeuert wurden Spreng- und Pan-
zergranaten. Die 12,8-Zentimeter-Flak 40 verwendete man nicht nur
zur Flieger-, sondern auch zur Panzerbekämpfung.

erstmals ins Luftkriegsge- präzise Tagesangriffe gegen militä- Festung“) und Consolidated B-24 Li-
schehen ein. rische Ziele zum Erfolg führten, wäh- berator („Befreier“) griffen in Groß-
Auf der geheimen Konferenz in rend die RAF an ihrem Konzept des verbänden an, die aus mehreren Hun-
Casablanca im Januar 1943, bei der nächtlichen Flächenbombardements dert schweren Bombern bestehen
Roosevelt, Churchill und hochrangi- festhielt. Das Abschluss-Kommuni- konnten. Diese formierten sich in so-
ge Militärs beider Nationen die be- qué der Konferenz listete militärische genannten Boxes, ausgeklügelten For-
dingungslose Kapitulation Deutsch- Für Luftwaffen- Zielkategorien für Bomber auf und mationen, die es den Bombern ermög-
lands, Italiens und Japans zum ge- helfer (LH) der wies explizit „Terrorangriffe“ auf zivi- lichten, ihr Abwehrfeuer zu konzen-
meinsamen Kriegsziel erklärten, er- Hitlerjugend war le Wohnviertel als „mutmaßlich ent- trieren und sich gegenseitig zu
örterten die Delegationen auch Fra- dieses Abzeichen scheidendes Mittel der Kriegführung“ schützen. Einer Luftkriegstheorie der
gen der künftigen gemeinsamen Luft- gedacht, zu tragen aus. Arthur Harris notierte anschlie- 1920er- und 30er-Jahre zufolge soll-
kriegführung. Am Ende einigten sie auf der rechten ßend: „Casablanca beseitigte die letz- ten sich derartige Formationen eigen-
sich auf die Combined Bomber Offensive Brustseite ten moralischen Hemmungen, wir er- ständig den Weg freikämpfen kön-
(CBO), wobei die US-Flieger davon hielten für den Bombenkrieg völlig nen. In der Praxis war dies nicht
überzeugt waren, dass ausschließlich freie Hand.“ zwangsläufig der Fall: Flak und die
Jagdflieger der deutschen Reichsver-
Ausweitung des Bombenkriegs teidigung fügten den US-Bomberver-
In der Folge warfen immer mehr Flug- bänden im Laufe der Zeit mit einem
Lichterloh: Nach zeuge immer mehr Bomben auf deut- breiten Spektrum an Waffen und tak-
einem Angriff auf sche Städte, die jeweiligen Kampag- tischen Finessen schwere Verluste zu.
Berlin im Mai 1944 nen wurden beispielsweise „Battle of So zum Beispiel am 17. August
stand der Franzö- the Ruhr“ genannt. Bei der „Operation 1943, als zwei Großformationen der
sische Dom in Gomorrha“, die sich vom 25. Juli bis 8. USAAF einen Doppelangriff auf die
Flammen zum 3. August 1943 auf Hamburg Kugellagerproduktion in Schweinfurt
konzentrierte, stieß die CBO an ihre sowie auf die Messerschmittwerke in
Abb.: picture-alliance (2), Jörg Friedrich/Scherhaufer, Megapixie, Hermann-Historica/JMH

Ab 1943 eskalierte der Luftkrieg immer


weiter, am häufigsten traf es Berlin.
Grenzen: Den nächtlichen Auftaktan- Regensburg durchführten. Beide Ziele
griff führten mehrere Hundert RAF- wurden schwer getroffen, aber auch
Bomber durch. US-Besatzungen, die das US Bomber Command erlitt er-
am darauffolgenden Tag angriffen, be- hebliche Verluste: Von 376 eingesetz-
klagten die starke Rauchentwicklung, ten B-17 wurden 60 abgeschossen
die das Zielen erschwere, und vor al- und 172 beschädigt, vier davon unre-
lem heftige Luftturbulenzen über der parierbar. Noch schwerer wog der Ver-
brennenden Stadt. Dennoch zeugen lust an gut ausgebildetem fliegeri-
die Kriegstagebücher von USAAF und schem Personal: sieben Tote, 21 Ver-
RAF von der Ausweitung des Bomben- wundete und 552 Vermisste. Keine
kriegs gegen das Deutsche Reich und noch so große Luftflotte verkraftet auf
die von der Wehrmacht besetzten Ge- Dauer derart hohe Verluste.
biete. Und die deutsche Seite hielt da-
gegen; zwei völlig unterschiedliche Angriffe in der Nacht
Luftkriegsschauplätze entwickelten Dagegen hatte das RAF Bomber Com-
sich am Tag und in der Nacht. mand nach schweren Anfangsver-
Die viermotorigen und schwer be- lusten in der Frühphase des Krieges
waffneten US-Bomber der Typen Boe- seine Aktivitäten in den Schutz der
ing B-17 Flying Fortress („Fliegende Nacht verlegt. Der nächtliche Luft-

14
INTERVIEW

Ein deutsches Trauma


Der Publizist Jörg Friedrich über Auswirkungen und rechtliche Bewertung der alliierten
Luftangriffe. Das Gespräch führte Jens Müller-Bauseneik
Herr Friedrich, zwischen 1940 und 1941 ver- Wehrmacht drehten nach Russland; für Friedrich: Ich denke, Kriegsverbrechen
suchte die deutsche Luftwaffe vergeblich, die die Deutschen begannen erst die vier Jah- sollten nicht von Philosophen und Histo-
Kapitulation Großbritanniens zu erzwingen. re Zermürbung, die Gerüchte um apoka- rikern geprüft werden, sondern von Ge-
Bald darauf schlugen die Briten zurück. Hat- lyptische Luftmassaker. Es gab natürlich richten. Nun stellen wir uns theoretisch
te die Luftabwehr überhaupt eine realisti- keine wahrhaften Pressenachrichten vor, ein Gericht untersucht nachträglich
sche Chance, deutsche Städte gegen die Bom- über Köln, Wuppertal, Hamburg etc., nur den Dresden-Angriff. Unbefangen und
berangriffe zu verteidigen? Greuelgeschichten, die den Katastro- nach dem Recht der Tatzeit. Dann müss-
Friedrich: Die deutsche Luftverteidigung phen allerdings irgendwie entsprachen. te es feststellen, dass dort ebenso verfah-
– Schutzräume, Bodenradar, Flak und Jedenfalls wurde die tägliche Angst vor ren wurde wie zuvor in Kassel, Hamburg,
Jäger – flößte dem Gegner Furcht und dem Untergang von Gut, Leben, Familie Darmstadt, Würzburg und ähnlichen
Schrecken ein; die britischen Bomber- und Heimat zur seelischen Realität. Die Fällen. Zwei Jahre systematischer Ver-
crews beklagten bis Ende 1944 Verluste Schäden waren materiell zwar aufzufan- nichtungskrieg gegen die Zivilbevölke-
von über 50 Prozent, die deutschen gen, nur wurde der Nervenverschleiß rung! Nicht anders die Luftangriffe auf
Städtebewohner ungefähr zwei Prozent. über die Jahre unerträglich. Eigentümli- London, Warschau, auf Tokio, Kobe, Bu-
Der deutsche Jäger- und Flakbeschuss cherweise reagiert aber die Psyche nicht karest, Belgrad, auf Manila,Tschungking,
zwang die britische Royal Air Force, ihre mit dem Zusammenbruch, sondern be- auf Kiew, Stalingrad und kein Ende. War
Taktik zu ändern, um die bedrohlichen hilft sich mit Vergeltungsphantasien, ge- dies etwa alles legal? Vielleicht würden
Ausfälle zu senken. Folglich wechselte schürt durch Goebbels und die Verhei- auch die Richter das Richten aufgeben,
weil es im Luftkrieg nirgends nach ir-
„Kriegsverbrechen sollten nicht von Historikern gendwelchem Recht zuging. Es war, wie
aktuell beim IS, vorsätzliche, rechtsver-
geprüft werden, sondern von Gerichten.“ lassene Barbarei.

man zu den wirkungsvolleren Nacht- ßung der Wunderwaffe. Die V1 und V2 Die deutsche, aber auch die englische und
und Flächenangriffen. Die historische trugen die Zivilmassaker zurück in die amerikanische Öffentlichkeit tut sich immer
Bausubstanz der Städte war von da an – Feindvölker, nur nicht ausreichend! noch schwer, die alliierten Luftangriffe sach-
zwischen Juli 1943 und April 1945 – nicht Nach der deutschen Gefühlslage, die da- lich zu bewerten. Wie schätzen Sie die gegen-
mehr zu verteidigen. Dies hat Hitler, mals vorherrschte, gehörten 1944/45 alle wärtige Stimmungslage ein?
Göring und Speer allerdings kaum ge- Briten ausgelöscht. Friedrich: Die deutsche wie auch die
schmerzt, solange nur der Durchhalte- anglo-amerikanische Öffentlichkeit
wille stand. Es wäre besser gewesen, Eine kontrovers und emotional geführte Dis- verhalten sich ähnlich ratlos und konfus.
wenn dieser Wille im Sommer 1943 nach kussion betrifft das „Moral Bombing“, das Es wird in breiter Mehrheit ein damaliger
der „Operation Gomorrah“ in Hamburg die Alliierten einsetzten. Wie wirksam war Zivilisationsbruch gebilligt, der, heute
gekippt wäre. Dann wäre den deutschen diese Maßnahme? geschehen, einen Schrei nach UNO-
Städten vieles erspart geblieben. Friedrich: Aus der Rückschau betrachtet Tribunal, Sanktionen, Ächtung etc. aus-
weiß man es besser, dass gegnerischer lösen würde. Umgekehrt greifen Terror-
Inwieweit besaß die deutsche Zivilbevölke- Terror weniger Nachdenken als Not er- staaten und staatenlose Terroristen,
rung verlässliche Informationen über die At- zeugt. Vielmehr werden die Opfer an aber auch demokratische Staaten im
tacken der deutschen Luftwaffe auf England die Staatsmacht gekettet, denn diese Bedarfsfall zügig zu Zivilangriffen aus
und über die englischen Angriffe auf das erweist sich im kritischen Moment als der Luft. Einstweilen in den Dimensio-
Reich? Und wie war die mentale Befindlich- Helfer. Dies gilt sogar dann, wenn der nen von 1940 bis 1942, jedoch, wie seiner-
keit bei den Menschen? Staat die Misere selbst angestoßen hat. zeit 1943 bis 1945, mit Radikalisierungs-
Friedrich: Städtebombardements er- Die Zivilbevölkerung hat in England, potenzial. Die Empörung der heutigen
schienen zunächst, also zwischen 1940 China und Japan durchaus ähnlich rea- Weltöffentlichkeit, sagen wir im jüngs-
und 1942, als Waffe, gegen die sich der giert wie in Deutschland, zumindest so ten Gazakrieg, ist dann kolossal.
NS-Staat wegen seiner ideologischen lange, bis die Atombombe abgeworfen
Ausrichtung besonders gut wehren wurde. Sie war ja ursprünglich den Deut-
konnte: Kampf nicht Armee gegen Ar- schen gewidmet und hätte hier exakt so
mee, sondern Volk gegen Volk, eine Här- gewirkt wie gewünscht. Dr. Jörg Friedrich, geboren
1944, ist Publizist und
teprobe. Man sah, wie tapfer die briti-
Sachbuchautor. In seinem
sche, speziell die Londoner Zivilbevölke- 2006 erregte der englische Philosoph A. C. Bestseller Der Brand (2002)
rung die Schläge von Görings Bombern Grayling Aufsehen mit seiner These, wonach hat er erstmals systematisch
einsteckte und wollte unter Harris’ Bom- die Flächenbombardements der Royal Air die Leiden der deutschen
bern nicht schlapp machen. Für die Bri- Force rechtlich wie ethisch als Kriegsver- Zivilbevölkerung während
ten war im Sommer 1941 die Qual zu- brechen einzustufen seien. Wie stehen Sie zu des alliierten Bombenkriegs
nächst vorüber, alle Maschinen der dieser Ansicht? aufgearbeitet.

Militär & Geschichte 15


TITELTHEMA

Leuchtspurmunition, Flakscheinwerfer, detonierende Bomben, Brände und Lärm


verwandelten den Nachthimmel über einer angegriffenen Stadt in ein Inferno

krieg folgte seinen eigenen Gesetzen, lauerten „Würzburg“-Geräte darauf,


und auch hier hielt die deutsche Seite einen „Feindbomber“ zu erfassen,
dagegen. Aus bescheidenen Anfän- während sich andere auf die eigenen
gen entstand im Lauf der Zeit und Nachtjäger konzentrierten. Sämtli-
über verschiedene Entwicklungs- che Informationen liefen in den Ge-
stufen hinweg ein komplexes und fechtsständen der Nachtjagd zusam-
hochtechnisiertes nächtliches Ver- men, wo Jägerleitoffiziere die Flugbe-
teidigungssystem, bestehend aus wegungen verfolgten und per Funk
Scheinwerfer- und Flakriegeln, Ra- die eigenen Nachtjäger an ihre Geg-
daranlagen und Nachtjägern. Im ner heranführten. Die Kammhuber-
Sommer 1943 reichte die nach dem Linie war eine äußerst kosten- und
Oberbefehlshaber der deutschen personalintensive Organisation und
Nachtjagd, General Josef Kammhu- wurde für die britischen Flieger zur

Auch intensivstes Flakfeuer konnte die


Zerstörung der Städte nicht verhindern.
ber, benannte „Kammhuber-Linie“ ernstzunehmenden Gefahr: Allei-
Abb.: picture-alliance (2), Grafik: Anneli Nau

von Südskandinavien bis nach Zen- ne die auf der holländischen Insel
tralfrankreich. Terschelling stationierte Himmelbett-
An der Kanalküste erkannten stellung „Tiger“ war an rund 150
Horchposten bereits am massenhaf- Nachtabschüssen beteiligt.
ten Abstimmen der Funkgeräte, dass Verdunkeln half
sich „drüben“ wieder etwas zusam- Britische Gegenmaßnahmen die britischen Flieger noch herum, bald nichts mehr;
menbraute. Ein Netz von Flugmelde- Die britische Seite bot ihrerseits sämt- 1942 aber durchstießen sie die Kamm- dank neuer Elek-
posten lauschte in die Nacht hinaus, liche technischen und taktischen Fi- huber-Linie mit der Taktik des „Bom- tronik fanden
Freya-Radargeräte erfassten Flughö- nessen auf, um die deutsche Abwehr berstroms“ und im Sommer 1943 ge- Flugzeuge auch
he und -richtung anfliegender Bom- zu überwinden. Um die frühen lang ihnen beim Auftakt der „Opera- ohne Licht ihr Ziel
ber, in den „Himmelbettstellungen“ Scheinwerfer- und Flakriegel flogen tion Gomorrha“ der ganz große Coup:

16
Rund 160 deutsche
Millionenfach abgeworfene und auf gen Kriegsende. Doch die Luftwaffe er- ihnen erneut schwere Verluste zu. Städte waren vom
die halbe Frequenzlänge der deut- holte sich überraschend schnell von Und schon bald kamen in den deut- Luftkrieg betroffen.
schen „Funkmessgeräte“ zugeschnit- diesem Schlag. schen Nachtjägern leistungsfähige Der Zerstörungs-
tene Stanniolstreifen, die in England und weniger störanfällige Bordradar- grad bezieht sich
window und in Deutschland „Düppel“ Verluste durch deutsche Jäger geräte zum Einsatz, woraufhin die hier auf das gesam-
genannt wurden, blendeten das deut- Zunächst stürzten sich nicht blind- Verluste der britischen Bomber wie- te Stadtgebiet, die
sche Radarsystem und setzten die flugtaugliche Tagjäger der Typen Mes- der in die Höhe schnellten. Zentren waren
Kammhuber-Linie schlagartig außer serschmitt Bf 109 und Focke-Wulf Am Tag gewannen die US-Bomber meist noch viel
Gefecht. Für einen kurzen Moment be- Fw 190 im „Wilde Sau“-Verfahren ab November 1943 allmählich die stärker verwüstet
saß die RAF sogar die absolute Luft- nachts über brennenden Städten und Oberhand, als mit der North-Ameri-
herrschaft über dem Reich und Ar- im von Flakscheinwerfern erhellten can P-51 Mustang ein Langstrecken-
thur Harris sprach schon vom baldi- Himmel auf die Bomber und fügten jäger zur Verfügung stand, der den

Militär & Geschichte 17


TITELTHEMA

„Fliegende Festungen“:
Abb.: picture-alliance, Slg. JMH, Hermann-Historica/JMH

US-Bomber vom Typ Boeing B-17


über Deutschland; eine Maschine
fliegt mit brennender Tragfläche

deutschen Jägern ebenbürtig


war und genügend Reichweite
besaß, um die Bomber auf ihren lan-
gen Flügen zu beschützen. Großfor-
mationen von 1.000 bis 2.000 Bom-
bern, die von Hunderten Begleitjä-
gern geschützt und dann von ein
paar Dutzend deutschen Jagd- Flaktreffer im Bugbereich einer amerikanischen Boeing B-17 G.
fliegern angegriffen wurden, wa- Die „Fliegenden Festungen“ konnten jedoch einiges aushalten
Fliegerhaube ren keine Seltenheit.
mit Sauerstoff- Die nächtlichen Verluste des RAF ZAHLEN, DATEN, FAKTEN
maske für Bomber- Bomber Command hingegen stiegen,
besatzungen der allen technischen Störmitteln und Verluste der Luftflotten
Royal Air Force taktischen Täuschungsmanövern
zum Trotz. Im Frühjahr 1944 erreich- Die deutschen Jagd- und Zerstörerverbände verloren 55.000
ten sie schließlich ihren Höhepunkt: Maschinen. Vom 1. September 1939 bis zum 28. Februar 1945, dem
Im März brach das Bomberkomman- letzten Tag, über den verlässliche Zahlen vorliegen, sind 44.065
Flugzeugführer beziehungsweise Besatzungsmitglieder gefallen;
do der RAF seine als Battle of Berlin be-
28.000 wurden verwundet und 27.610 gefangen oder vermisst.
zeichnete Angriffsserie aufgrund von Dagegen beklagten die 8. und 9. USAAF fast 45.000 tote Besatzungs-
zu hohen Verlusten ab. Im vom Im- mitglieder, insgesamt verloren die Amerikaner 79.265 Mann und
perial War Museum herausgegebe- 18.000 Maschinen. Das RAF Bomber Command büßte 47.293 Besat-
nen Werk Strategic Air Offensive against zungsmitglieder, 1.570 Mann Bodenpersonal und 7.122 Flugzeuge ein.
Germany heißt es hierzu: „Das Bom- Insgesamt verlor die RAF 79.281 Mann und 22.000 Maschinen.
berkommando wurde in erster Linie

18
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ZUR PERSON

Arthur Harris
TITELTHEMA

Die britische Flächenbombardierung deut- bevorzugte Strategie war das gefürchtete


scher Städte ist untrennbar mit Arthur Harris Moral Bombing. Nach Kriegsende schied Har-
(1892–1984) verbunden, auch als „Bomber- ris im Streit mit dem neuen Premierminister
Harris“ bekannt. Er stammte aus Cheltenham Clement Attlee aus dem Dienst aus. In England
im Südwesten Englands. Während des Ersten ist er nach wie vor populär, 1992 weihte die
Weltkriegs wirkte er als Major in Frankreich Queen ihm zu Ehren ein – allerdings umstrit-
und England. Zu Beginn des Zweiten Welt- tenes – Denkmal in London ein. Reue für
kriegs war Harris bereits Luftmarschall. Im seine Taten empfand Harris keine. In seinen
Februar 1942 stieg er zum Oberbefehlshaber Memoiren schrieb er: „Trotz all dem, was in
des RAF Bomber Command auf und leitete Hamburg geschehen ist, bleibt das Bomben
die Angriffe auf das Deutsche Reich; seine eine relativ humane Methode.“

durch die deutsche Nachtjagd ge- und das Ausmaß der Zerstörung in bündete Bodentruppen. Trotz-
zwungen, von seinem Hauptziel Ber- ungeahnte Höhen. Beispielsweise galt dem fielen noch in den letzten
lin abzulassen … Die Battle of Berlin Würzburg als unbewohnbar, nach- 36 Stunden des Krieges rund
war mehr als ein Fehlschlag; sie war dem RAF-Bomber die historische In- 14.000 Tonnen Bomben auf
eine glatte Niederlage.“ nenstadt am 16. März 1945 mittels das Reichsgebiet.
Ende März 1944 kehrten dann von der Fächertaktik bombardierten und
795 gegen Nürnberg eingesetzten zu 90 Prozent zerstörten. Und das Fragen ohne Antwort Ein Stahlhelm, der
Bombern 95 Maschinen nicht mehr Beispiel Dresdens, dessen Vernich- Weshalb wurden die Luftangriffe beim deutschen
nach England zurück, 71 weitere wur- tung im Rahmen der Operation Thun- auf Innenstädte bis zuletzt fortge- Luftschutz ver-
den schwer beschädigt, zwölf davon derclap im Frühjahr 1945 zu einem setzt, obwohl sich das Kriegsende be- wendet wurde
endeten bei der Landung als Total- Symbol des Luftkrieges wurde, offen- reits abzeichnete? Erklärungsversu-
schaden. Die RAF verlor dabei 665 bart zugleich die nicht-militärische che gibt es viele. Ging es darum, die
Mann ... Am Tag darauf wurde Arthur Ausrichtung jener Angriffe: Die nur riesigen Bombenbestände aufzubrau-
Harris nominell General Dwight D. rund neun Kilometer vom Zentrum chen? Sollten Nachwuchs-Bomberbe- Industrieanlagen
Eisenhower unterstellt, man brauch- im Stadtteil Klotzsche gelegene Luft- satzungen die Gelegenheit bekom- wie die Raffinerie
te das britische Bomberkommando kriegsschule 1 samt Flugplatz, weit- men, das Erlernte noch in der Praxis in Misburg wurden
zur Vorbereitung von Operation Over- läufigen Kasernen und sonstigen anzuwenden? Wollte man den Besieg- zwar gezielt
lord, der Landung in der Normandie. Gebäuden blieb nahezu verschont. ten gegenüber Stärke demonstrieren, bombardiert, doch
Für die deutschen Städte folgte eine Schließlich gingen den alliierten Bom- auch als Warnung an andere Staaten der Großteil der
Phase trügerischer Ruhe. bern die Ziele aus, auch häuften für die Zukunft? Oder war es ein Straf- Bomben fiel auf
sich Fehlwürfe auf eigene oder ver- gericht nach dem Motto „Wer Wind Wohngebiete –
Materielle Überlegenheit so auch in Misburg
In den Folgemonaten kam die deut-
liche materielle Überlegenheit der
gesamten alliierten Streitkräfte zum
Tragen. Ihr rasches Vordringen, ins-
besondere an der West- und an der
Ostfront, zwang die im Vielfronten-
krieg stehende Wehrmacht allmäh-
Abb.: picture-alliance, Greenshed, Slg. H. Ringlstetter, Hermann-Historica/JMH

lich in die Knie. Massive taktische und


strategische Luftangriffe trugen maß-
geblich dazu bei, beispielsweise durch
die Operation Clarion Ende Februar
1945, als 9.000 angloamerikanische
Bomber binnen 48 Stunden 90 Pro-
zent der deutschen Transportkapazi-
tät und der Verkehrsknotenpunkte
im Reichsgebiet ausschalteten. Als
die Flächenangriffe auf deutsche
Städte wieder aufgenommen wur-
den, beteiligten sich jetzt auch US-
Bomber, und da die Luftwaffe im Früh-
jahr 1945 immer mehr Flieger- und
Flakverbände an die Ostfront verlegte,
hatten die alliierten Flieger zuneh-
mend leichtes Spiel.
Bis zum Kriegsende steigerten sie
die Zahl der eingesetzten Flugzeuge,
der abgeworfenen Bombenmengen

20
Bei Kriegsende boten fast alle größeren
Städte dieses traurige Bild: der Ludwigs-
platz in Darmstadt, umgeben von Ruinen

ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

Dimension des Luftkriegs


Während des Zweiten Weltkriegs kamen im dama-
ligen deutschen Reichsgebiet 593.000 Menschen
bei Bombenangriffen ums Leben. 3.370.000 Woh- ter Linie gesät hatten, gerieten dabei sen war: deren rechtzeitig dezentrali-
nungen wurden zerstört, 7,5 Millionen Menschen sehr selten ins Visier. Beispielsweise sierte und mitunter verbunkerte Pro-
wurden obdachlos.
gab es keinen einzigen Luftangriff auf duktion stellte im zweiten Halbjahr
Als Vergeltung für die 71.172 Tonnen Bomben ein-
schließlich der V-Waffen, welche die deutsche Luft- Hitlers langjähriges Hauptquartier, 1944, dem Höhepunkt der Bomben-
waffe während des Krieges über England abwarf, die „Wolfsschanze“ bei Rastenburg. abwürfe, mehr Flugzeuge her als je
ließen die Alliierten insgesamt 1.996.036 Tonnen zuvor. Personal- und Spritmangel ver-
Bomben auf Deutschland und das besetzte Europa Anhaltende Kontroversen hinderten jedoch deren Einsatz.
fallen. 55,8 Prozent davon gingen auf Städte und Das Konzept des Moral Bombing ging Das Fazit des Luftkriegs 1939 bis
Verkehrsanlagen nieder, 30,5 Prozent auf militärische nicht auf, bewirkte sogar eher das Ge- 1945: Die taktische und strategische
Ziele wie U-Boot-Stützpunkte, Flugplätze und genteil: Selbst Menschen, die Distanz Luftkriegführung hatte maßgebli-
V-Waffenanlagen, 9,3 Prozent auf die chemische In- zum NS-Staates wahrten, waren dem chen Anteil am Kriegsgeschehen, der
dustrie, 1,8 Prozent auf die Flugzeugindustrie und Bombenhagel ohnmächtig ausgelie- Besitz der Lufthoheit war auf allen Sei-
2,6 Prozent auf andere Industriezweige wie Kugel-
fert; zu dem erhofften Aufbegehren ten und an allen Fronten ein wichtiger
lager-Werke und U-Boot-Werften.
Bis 1944 fielen die meisten dieser Bomben bei kam es jedenfalls nicht. Schlüssel zum Erfolg. Allerdings wur-
Flächenbombardements. 83 Prozent der Bomben, Die ethische und moralische Be- den sämtliche Theorien eindeutig wi-
die über Deutschland abgeworfen wurden, fielen wertung der Flächenbombardements derlegt, wonach ein Krieg ausschließ-
in den letzten beiden Kriegsjahren. sorgt noch heute für Kontroversen, lich aus der Luft gewonnen werden
genauso wie die Frage, ob es sich dabei könne. Ohne Bodentruppen kann
um Kriegsverbrechen handelte. Zwei- dies nicht gelingen.
sät, wird Sturm ernten“? Klare Aussa- fellos verursachten die Nachtangriffe
gen hierzu blieben die Sieger nach in den Städten Chaos. Die Präzisions- Peter Cronauer schreibt
dem Krieg schuldig, vermutlich be- angriffe der USAAF amTag waren da über Luftfahrt-, Technik-
rührt jeder dieser Aspekte einen Teil weitaus effektiver. Vor allem die Zer- und jüngere Zeitgeschichte.
der Wahrheit. Sicher ist jedenfalls: störung der Verkehrsinfrastruktur 2013 erschien im GeraMond
Der Bombenkrieg gegen Zivilisten traf und Treibstoffproduktion trug we- Verlag sein Buch Flieger-
Asse und Kanonenfutter.
unterschiedslos Alt und Jung, Mann sentlich zum Kriegsausgang bei, wo-
Deutsche Jagdflieger
und Frau, Parteigänger und Gegner. hingegen der Effekt auf die deutsche im Zweiten Weltkrieg.
Und diejenigen, die den Wind in ers- Rüstungsindustrie eher durchwach-

Militär & Geschichte 21


MENSCHEN & SCHICKSALE

In der Offiziersuniform
des Kürassier-Regiments
Gens d’armes präsentiert
HANS HERMANN sich Hans Hermann

VON KATTE von Katte auf diesem


Gemälde. Doch zum
Militär war er eher
widerwillig gekommen

Eine tödliche Freundschaft


Dem Kavallerieoffizier Hans Hermann von Katte schien eine große Zukunft
offen zu stehen, als er sich mit dem preußischen Kronprinzen Friedrich anfreundete.
Doch als Friedrich vom väterlichen Hof fliehen wollte, wurde damit auch Kattes
Treue auf eine gefährliche Probe gestellt

E
s geschah am frühen Morgen schen Heeres gewesen. Und mehr nants Hans Heinrich von Katte. Mit
des 6. November 1730. Auf der noch: Katte war zuletzt zum engsten 13 schickte man den Jungen nach
Festung Küstrin, die sich östlich Vertrauten, ja Freund des Kronprin- Halle an der Saale, wo er die nächsten
von Berlin an den Ufern der Oder er- zen Friedrich aufgestiegen. Ein unge- vier Jahre die Schule des sozial enga-
hebt, hatten sich die dort stationier- heures Privileg, doch genau diese Nä- gierten Pädagogen August Hermann
ten Soldaten des preußischen Königs he wurde ihm zum Verhängnis. Denn Francke besuchte. Hier schloss er ei-
versammelt. Den Dreispitz auf dem Friedrich, der seit Kindertagen unter nige Freundschaften, etwa mit Jo-
Kopf, die Muskete präsentierend, seinem strengen, lieblosen Vater zu hann Ludwig von Ingersleben, der es
standen sie auf einem der Innenhöfe leiden hatte, wollte der ständigen später bis zum preußischen General
in Reih und Glied – und warteten auf Drangsal ein Ende setzen und trug bringen sollte.
ein grausiges Schauspiel. sich zuletzt mit Fluchtplänen, in die Katte lernte in Halle nicht nur La-
tein, sondern auch das Spiel der Quer-
Allen war klar: Für den Verurteilten würde flöte. In den Beurteilungen seiner Leh-
rer von 1718 konnte man lesen: „Katt
es keine Gnade, keine Rettung geben. hat sich so ziemlich regieren lassen,
(…). Doch accomediret er sich mehr
Schon war es so weit: Begleitet er seinen Freund Katte einweihte. Als um seines Herrn Vaters willen, (…), als
von schwarz gewandeten Geistlichen die Flucht scheiterte, geriet der junge das ein rechter Grund bei ihm sein
schritt ein junger Mann durch ihr Offizier in das Fadenkreuz der könig- sollte.“ Für das Jahr 1719 war notiert:
Spalier, auf den sich jetzt alle Blicke lichen Ermittlungen – und sein Leben „Ingersleben will Soldat werden; Katt
Abb.: picture-alliance, Jdsteakley, Hermann-Historica/JMH

richteten. Er hielt sich aufrecht, doch damit in tödliche Gefahr. incliniret eher zur Poeterey und Träu-
Ernst und Trauer lagen auf seinem merey.“
Gesicht, denn er sah dem Tod ins Au- Werdegang in jungen Jahren So scheint es verständlich, dass
ge. König Friedrich Wilhelm selbst Der vom König als solcher empfunde- Katte im Anschluss an seine Schul-
hatte auf dem Urteil gegen ihn bestan- ne „Verrat“ stand allem zuwider, was zeit nicht aus eigenem Antrieb in den
den und nach seinem Kopf verlangt. damals von einem preußischen Offi- preußischen Militärdienst strebte.
Und so gab sich in diesen Minuten zier erwartet wurde,Treue und Pflicht- Sein Vater ordnete zunächst ein juris-
niemand einer Illusion hin: Für Hans erfüllung vorneweg. tisches Studium für seinen Sohn in
Hermann von Katte, den man hier Auch Hans Hermann von Katte Königsberg an, das dieser im Sommer- Ein Richtschwert
zum Schafott führte, würde es keine war mit diesem Ehrenkodex von Kin- semester 1722 auch aufnahm. Nach galt als „unehr-
Gnade, keine Rettung geben. desbeinen an vertraut, wenn ihm seiner Studienzeit, die Katte für ein liches“ Schwert
Dabei hatte der arme Kerl vor Kur- auch eine militärische Karriere nicht ganzes Jahr mit Reisen durch euro- und sollte nicht
zem noch selbst zu den Offizieren unbedingt vorgezeichnet war. Ge- päische Städte unterbrochen hatte, im Kampf ver-
der Gardekürassiere gehört, war ein boren wurde er am 28. Februar 1704 stand ihm eine Juristen- oder auch wendet werden
geachteter Angehöriger des preußi- in Berlin als Sohn des Oberstleut- eine diplomatische Karriere offen.

22
Letzter Gang: Katte
auf der Festung Küstrin,
durch die Reihen der
Soldaten führte ihn der
Weg direkt zum Schafott

Militär & Geschichte 23


MENSCHEN & SCHICKSALE

Friedrich Wilhelm I.
erzog seinen Sohn, Auf väterlichen Wunsch führte ihn
Kronprinz Friedrich, sein Weg jedoch zu den Kürassieren
ohne Rücksicht auf der Gens d’armes. Wohl eher widerwil-
dessen Gefühle. lig trat er im Winter 1724 dem Kavalle-
Weil Friedrich die rie-Regiment Nr. 10 in Berlin bei, das
Qualen nicht länger direkt dem König unterstellt war. Kat-
ertragen konnte, te gehörte nun zur Gardekavallerie,
versuchte er zu flie- die ihre Entsprechung in der Infante-
hen und riss Katte rie beim Königsregiment der „langen
ins Verderben Kerls“ fand.

Bei den Gens d’armes


Getreu seinem Fahneneid sollte er
dem König „holdt, treu und gehor-
samb sein, seine Charge gebührend
wahrnehmen, was ihme zu tun und
zu verrichten oblieget und committi-
ret wird, bey Tag und Nacht fleißig
und treulich exequiren, bey allen vor-
kommenden Kriegsoccasionen sich Das Urteil des Köpenicker Kriegsgerichts gegen Katte (oben) lautete auf
tapffer und unverweislich bezeigen“. „ewigen Vestungs Arrest“, doch der König wandelte es in ein Todesurteil um
Das tat Katte offenbar, denn er mach-
te Karriere: Im August 1729 brachte
er es als Kornett (jüngster Offizier ei- zen teilnahm. Der wichtigste Grund erschien ihm das Wagnis zu groß. Da-
ner Kompanie) bei den Gens d’armes für diese Freundschaft aber lag wohl her versuchte er den Kronprinzen von
zum Sekondeleutnant, im Juli 1730 im Verhältnis zu ihren Vätern: Beide diesem Plan abzubringen. Am Ende
wurde er schließlich zum Premier- wurden letztlich in einen Militär- ließ er sich aber doch darauf ein.
leutnant ernannt. dienst gezwungen, in dem sie sich
In seinen allgemeinen Ansichten nicht wohl fühlten und aus dem sie Gescheiterte Pläne
unterschied sich Katte nicht son- ausbrechen wollten. Die Flucht sollte während einer Reise
derlich von seinen Kameraden. Aber Bald waren die jungen Männer so des preußischen Hofes nach Süd-
durch seine Reisen hatte er eine ge- sehr miteinander vertraut, dass sich deutschland vonstatten gehen. Kurz
bevor der Hofstaat aufbrach, trafen
Friedrich sollte zusehen, wie das Haupt des sich die beiden noch einmal, um das
weitere Vorgehen nach einer geglück-
Freundes fiel – doch das blieb ihm erspart. ten Flucht zu besprechen. Sie verab-
redeten, dass Katte in diesem Fall auf
Abb.: picture-alliance (2), Ullsteinbild, Trzesacz

wisse Weltläufigkeit erlangt, war Friedrich seinem Freund ganz öffnete: ein Zeichen Friedrichs warten und
musisch und literarisch gebildet, er Im Frühjahr 1730, als die beiden auf dann nachkommen sollte. Doch es
komponierte, spielte Flöte und einer sächsischen Truppenschau zu kam anders: Als Friedrich in der
schrieb Gedichte. Wohl deshalb wur- Gast waren, erzählte er ihm, dass er Nacht vom 4. auf den 5. August 1730
de Kronprinz Friedrich im Regiment der harten Erziehung seines Vaters mit einem Pagen aus seinem Reise-
auf ihn aufmerksam: In Katte, rund entkommen und über Frankreich quartier bei Steinsfurt fliehen wollte,
acht Jahre älter als er selbst, sah er nach England fliehen wolle. Dabei wurde er gefasst. Der Plan war ge-
einen verwandten Geist. Sie freunde- sollte ihm Katte, der über familiäre scheitert. Und Katte wartete verge-
ten sich an und die Beziehung wurde Verbindungen in höchste englische bens auf eine Nachricht seines Freun-
enger, als Katte aus seinem Faible für Kreise verfügte, behilflich sein. Natür- des. Elf Tage später wurde auch er im
Mechanik und Mathematik heraus an lich konnte Katte für seinen Freund Auftrag des Königs verhaftet – Fried-
dem Privatunterricht des Kronprin- Verständnis aufbringen, gleichwohl rich hatte ihn nicht warnen können.

24
Berühmte Szene: Vom Kerker-
fenster aus sollte Friedrich die
Hinrichtung seines Freundes
mitansehen. Ein Drama – doch
es trug dazu bei, dass diese
tragische Beziehung später
ungeheure Popularität erlangte

Die beiden wurden getrennt von- fallendes Haupt auffangen sollte,


einander verhört und weil sowohl musste der Scharfrichter mit dem
Katte als auch Friedrich Offiziere des Schwert nur noch zuschlagen.
Königs waren, stellte man beide vor Traurige Berühmtheit erlangte die
ein Kriegsgericht. Katte zeigte sich in Szene, weil der Kronprinz sie auf Be-
dem Verhör nicht so nervenstark wie fehl des Vaters mitansehen musste.
Friedrich. Er gab eine Erklärung darü- Friedrich, dieser Tage ebenfalls noch
ber ab, dass er dem Kronprinzen von in Küstrin inhaftiert, wurde von sei-
den Fluchtplänen abgeraten hatte. So nen Bewachern an das Zellenfenster
hoffte er auf die Gnade des Königs. geführt und gegen die Stäbe gedrückt.
Hilflos erblickte er dort unten seinen
Ein König ohne Gnade Freund, der nun für den Leichtsinn
Am 25. Oktober 1730 trat das Kriegs- des Kronprinzen mit dem Leben büß-
gericht schließlich im Köpenicker te. Von Verzweiflung übermannt, soll
Schloss zusammen. Das Urteil für Friedrich in Ohnmacht gefallen sein,
Katte: lebenslange Festungshaft! Für bevor das Richtschwert niedersauste.
einen Urteilsspruch über den Kron- Danach bot der Platz ein gespensti-
prinzen betrachtete es sich jedoch als sches Bild, wie ein zeitgenössischer,
nicht zuständig. Der König war über anonymer Bericht beschrieb: „Sein
das „milde“ Urteil gegen Katte derart Körper mußte auf dem Platz liegen
erbost, dass er es per Kabinettsorder bleiben, nach zwei Stunden ist er mit
vom 1. November 1730 in ein Todes- einem schwarzen Tuch bedecket und
urteil umwandelte. Diese Verschär- bis Nachmittag um 2 Uhr liegen blie-
fung begründete Friedrich Wilhelm ben, da dann 12 der ehrbarsten Bürger
damit, dass „dieser Katte aber nicht kommen, ihn in einem eichenen Sarg
nur in Meinem Dienst Officier bei der mit verzinnten Griff, weiß ausge-
Armée, (…) ist, und da (…) alle Meine schlagen geleget, welches der Kron-
Officiers Mir getreu und hold sein prinz mit angesehen, aber vor dem
Vom „Katte-Richtschwert“ existieren gleich müßten“. Daraus, dass Katte eben Fenster wieder in Ohnmacht gefallen.
zwei Exemplare, doch es ist nicht gesichert, ob er nicht „getreu“ gewesen war, schloss Darauf ist er nach dem Garnisons-
tatsächlich mit einem davon enthauptet wurde er, dass er „sich auf keinen Officier kirchhofe gebracht und daselbst be-
noch Diener, die in Eid und Pflicht sein, graben worden.“
HINTERGRUND sich verlassen können, denn solche Hans Hermann von Katte fand in
Sachen, die einmal in der Welt gesche- jungen Jahren ein unrühmliches En-
Erinnerungen an Katte hen seind, öfters geschehen können, de. Doch seine unverbrüchliche Treue
Die Geschichte um Katte und Friedrich wurde (…).“ Nur mit sehr viel Mühe war der zu seinem Freund bewegte nachfol-
133 Jahre nach dem Todesurteil erstmals literarisch- Soldatenkönig davon abzubringen, gende Generationen und entriss sein
historisch aufgearbeitet: Theodor Fontane widmete gegen Katte auch noch Foltermaß- Schicksal dem Vergessen. Sein Opfer
ihr das Kapitel Küstrin: Die Katte-Tragödie im Band 2 nahmen anwenden zu lassen. machte ihn unsterblich.
seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg.
Später folgten Katte. Schauspiel in fünf Aufzügen von Tod auf dem Schafott
Hermann Burte (1914), der Historienfilm Der alte und Lutz-Maximilian Rathke,
Nur fünf Tage später wurde das Todes- Jg. 1969, studierte Neuere
der junge König (1936), die Oper Friedrich und Katte von
urteil gegen Hans Hermann von Katte und Alte Geschichte so-
Wolfgang Knuth (1998) sowie die Kammeroper Kron-
prinz Friedrich von Siegfried Matthus (1999). 2011 war auf der Festung Küstrin vollstreckt. wie Politikwissenschaft
im Schloss Köpenick die Ausstellung „Kriegsgericht in Nach Augenzeugenberichten soll er an der TU Braunschweig.
Köpenick anno 1730: Kronprinz-Katte-Königswort“ zu beim Gang zum Schafott selbst sei- Seit 2010 ist er dort auch
sehen. Eine umfassende Biografie über Hans Hermann nen Hals vom Hemdkragen befreit ha- als Dozent tätig.
von Katte steht noch aus. ben. Als Katte schließlich über dem
Sandhaufen niederkniete, der sein

Militär & Geschichte 25


WAFFEN & TECHNIK

FLAKPANZER GEPARD

Feuer frei: Der FlakPz Gepard


konnte feindliche Flugzeuge
und Hubschrauber noch
in einer Entfernung von fünf
Kilometern treffen – ein
effizienter Schutzschild für
das deutsche Heer

26
Gefahr aus der Luft: Als die
Warschauer-Pakt-Staaten
Anfang der 1970er-Jahre den
Kampfhubschrauber M-24
Hind einführten (links beim
Einsatz in Afghanistan),
wurde es höchste Zeit für
den FlakPz Gepard. Rechts:
Vier Panzer des PzFlakRgt. 13
im Manöver

Die Krallen der Raubkatze


Der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard war einst
bei der Bundeswehr unverzichtbar: Mit zwei äußerst
leistungsfähigen Schnellfeuerkanonen bewaffnet,
schützte er die eigene Truppe vor den Angriffen von
Tieffliegern und Kampfhubschraubern

Z
wei Maschinenkanonen, die Ende des Jahres 2010 dazu, dass die
sich zu beiden Seiten des Bundeswehr das Waffensystem vor-
Geschützturms drohend gen zeitig ausmusterte.
Himmel richteten, vorne das Folgera-
dar mit seinem runden Schild, hinten Mangelhafte Flugabwehr
am Turm das aufragende Rundum- Die Wurzeln des FlakPz Gepard rei-
radar – der Flugabwehrkanonenpan- chen in die Anfangsjahre der Bundes-
zer (FlakPz) Gepard bot dem Auge eine wehr zurück. Bereits Mitte der 1950er-
unverwechselbare, fast schon elegan- Jahre erkannte man, dass die noch
te Silhouette. aus US-amerikanischen Armeebe-
Doch als er in den 1970er-Jahren ständen stammende Ausrüstung der
bei der Bundeswehr Einzug hielt, ging Flugabwehrtruppe – darunter M16
es natürlich nicht um Ästhetik. Sein Halbkettenfahrzeuge mit Vierlings-

Bei jedem Feuerstoß jagte ein regelrechter


Geschosshagel dem Ziel entgegen.
Auftrag bestand darin, die eigene flakheschütz und Flugabwehrpan-
Kampftruppe vor Bedrohungen aus zer M42 Duster mit 40-Millimeter-
der Luft zu schützen. Mit seiner Geschütz – kaum etwas gegen die
schlagkräftigen Waffenanlage konn- schnellen russischen Strahlflugzeuge
Abb.: picture-alliance, Slg. Clemens Niesner (2)

te er feindliche Kampfhubschrauber ausrichten konnte. Den betagten


noch bis zu einer Entfernung von fünf Systemen mangelte es an ausreichen-
Kilometern bekämpfen. dem Schutz für die Bedienmann-
Ab Mitte der 1970er-Jahre bildete schaften, sie konnten der Truppe in
der FlakPz Gepard den Kern der Flug- Manövergefechten nur mit großer
abwehrtruppe der Heeresdivisionen Mühe folgen, außerdem schränkten
der Bundeswehr. Jahrzehntelang war schlechtes Wetter oder Dunkelheit
auf sie Verlass, ursprünglich sollten 85 ihre Einsatzdauer massiv ein.
von ihnen noch über das Jahr 2015 hi- Im Oktober 1962 formulierte die
naus erhalten bleiben. Doch es kam Heeresführung daher eine neue
anders: Ein neues Bedrohungsszena- Dienstvorschrift: Die Fliegerabwehr
rio und hohe Betriebskosten führten sollte als mobiler Gefechtsunterstüt-

Militär & Geschichte 27


WAFFEN & TECHNIK

Dem Ziel entgegen:


Ein FlakPz Gepard zungsverband die eigenen Kampf- zers Leopard 1 zu entwickeln. Rhein- tes ständig weiter an, und auch quali-
verschießt eine truppen auf dem Gefechtsfeld beglei- metall, AEG-Telefunken, Siemens tativ hatte sich hinter dem Eisernen
FIM-92 Stinger- ten und in der Lage sein, feindliche und Porsche stellten daraufhin den Vorhang einiges getan. Anfang der
Rakete. Rechts: Angriffe aus der Luft abzuwehren – Prototyp Matador vor. In Konkurrenz 1970er-Jahre wurde die NATO-Füh-
Pro Maschinen- unabhängig von der Tageszeit oder dazu entwickelte die Schweizer Fir- rung von der Mi-24 Hind aufge-
kanone standen der Wetterlage. mengruppe Oerlikon-Contraves/Sie- schreckt, einem Kampfhubschrauber
320 solcher Spreng- mens-Albis eine 35-Millimeter-Zwil- der Sowjets, der vor Waffen nur so
Brand-Patronen
Der Weg zum FlakPz Gepard lingsflak. Das Schweizer Modell be- strotzte. Als eine Art fliegender Pan-
zur Verfügung Bereits seit den ersten Jahren der geisterte die Bundeswehrführung zerknacker zählte dieser gewaltige
Bundeswehr fanden Tests mit un- bei einem Testschießen so sehr, dass Hubschrauber zu den gefürchtetsten
terschiedlichen 30-Millimeter-FlakPz- im Juni 1970 die Entscheidung zu- Gegnern der Bodentruppen. Gegen
Konzepten auf diversen Kettenfahr- gunsten des eidgenössischen Kon- die massive Bedrohung konnten die
gestellen statt, die aber über das Ver- zepts fiel. veralteten Flugabwehrsysteme der
suchsstadium nicht hinauskamen. In den folgenden Jahren arbeitete Bundeswehr kaum etwas ausrichten.
Mitte der 1960er-Jahre beauftragte die Firma Krauss-Maffei als General- Höchste Zeit für den Gepard!
dann das Bundesamt für Wehrtech- unternehmer fieberhaft daran, den Am 16. Dezember 1976 war es dann
nik und Beschaffung (BWB) ein deut- Flugabwehrkanonenpanzer weiter- endlich so weit: Auf dem Gelände von
sches Unternehmenskonsortium da- zuentwickeln. Dies war auch drin- Krauss-Maffei in München nahm der
mit, einen neuen Flugabwehrpanzer gend nötig, stieg doch die Anzahl der damalige Staatssekretär im Bundes-
auf dem Fahrgestell des Kampfpan- Kampfflugzeuge des Warschauer Pak- ministerium für Verteidigung (BMVg),

Blick ins Innere:


Die im Gepard
eingesetzte Technik
vereinte erstmals
Aufklärung, Identifi-
zierung, Erfassung
und Bekämpfung von
Flugzielen in einem
Waffensystem

28
ZAHLEN, DATEN, FAKTEN
FlakPz Gepard 1 A2 beim Erprobungsschießen auf dem
FlakPz 1 Gepard (GE) Flugabwehrschießplatz Todendorf an der Ostsee

Besatzung: 3 Mann
Länge mit Geschützrohr: 7,76 m Helmut Fingerhut, den ersten Flugab-
Breite: 3,40 m wehrkanonenpanzer Gepard der Se-
Höhe (Suchradar eingeklappt): 3,21 m rie in Empfang.
Leergewicht: 44,8 t Zwischen 1976 und 1980 lieferte
Gefechtsgewicht: 47 t Krauss-Maffei alle 420 Fahrzeuge an
Abb.: picture-alliance, Slg. JMH (2), Slg. C. Niesner, Grafik: Slg. Niesner via Krauss Maffei

Höchstgeschwindigkeit: 65 km/h die Bundeswehr. In den Heeres-


Steigfähigkeit: 60 % flugabwehrverbänden erwarte-
Grabenüberschreitfähigkeit: 2,5 m te man das neue Waffensystem
Kletterfähigkeit: 1,15 m sehnlichst, denn es sollte end-
Wattiefe: 1,20 lich den völlig veralteten FlakPz
Fahrbereich (Straße): 530 km M42 ersetzen. Ausgerüstet mit
Motor: MTU MB 838 Ca M500 der für die damalige Zeit mo-
10-Zylinder-Mehrstoff-Dieselmotor dernsten Waffentechnik, stellte
Motorleistung: 830 PS der FlakPz Gepard im Vergleich
Hubraum: 37.400 ccm zum US-Modell M42 einen Quan-
Zusatzmotor: 90 PS tensprung dar.

Bewaffnung: 2 x 35-mm-Maschinenkanone Der Gepard kommt zur Truppe Geschützrohre


Oerlikon KDA L/90 Das neue Waffensystem verteilte sich und HAWK-Rakete –
Kadenz: 2 x 550 Schuss/min auf elf Flugabwehr-Regimenter der so sah seit 1974
Vo: 1.175 m/s Sprengbrand-Munition Heeres-Divisionen, die Heeresflugab- das Abzeichen der
1.400 m/s FAPDS-Munition wehrschule und die Schule Techni- Heeresflugabwehr-
(Frangible Armour Piercing Discarding Sabot) sche Truppen. Jedes der Regimenter truppe aus, zu
max. Kampfentfernung: Strahlflugzeuge 3.500 m, erhielt 36 Gepard, die sich in sechs tragen am „korallen-
Hubschrauber 5.000 m Panzerflugabwehrkanonen-Batte- roten“ Barett
Nebelmittelwurfanlage: 2 x 6 Becher, Kal. 76 mm rien gliederten. Nach dem Zusam-
menbruch des Warschauer Paktes

Militär & Geschichte 29


WAFFEN & TECHNIK

Die Version Gepard 1 A2 stand ab Ende der 1990er-Jahre zur Bekämpfung von modernen Strahlflugzeugen und Hubschraubern bereit

und der anschließenden Wiederver- schlafen. Sie empfanden das als Rück- 1.100 Schuss pro Minute und einem
einigung übernahm im Herbst 1990 schritt. Anders sahen es die Män- Vorrat von nur 320 Patronen pro Ge-
die Bundeswehr auf dem Gebiet der ner, die vorher auf dem russischen schütz vermieden es die Besatzungen
früheren DDR in Basepohl und in Ho- Flakpanzer ZSU-23-4 „Shilka“ ihren allerdings, Flugziele im Dauerfeuer zu
henmölsen zwei Flugabwehreinhei- Dienst taten. Für sie war der Gepard bekämpfen. Bei kurzen und gezielten
ten der Nationalen Volksarmee (NVA). das Nonplusultra und sie konnten es Feuerstößen reichte die Munition für
Aus den einstigen NVA-Standorten kaum erwarten, das neue Waffensys- etwa 25 Flugziele.
entstanden zwei neue Flugabwehr- tem kennenzulernen. Um sich auch gegen gepanzerte
einheiten der Bundeswehr mit dem Bodenziele verteidigen zu können,
FlakPz Gepard. Geballte Feuerkraft standen pro Waffe jeweils 20 Patronen
Die ehemaligen NVA-Soldaten be- Die eigentlichen Krallen des Gepards panzerbrechende Munition bereit. Ei-
Das Wappen gegneten der Umstellung von russi- bestanden aus zwei Schnellfeuer- ne Salve reichte aus, um beispielswei-
des Flugabwehr- schen Flugabwehrsystemen auf das kanonen Kaliber 35 Millimeter, links se einen Schützen- oder Transport-
raketen-Bataillons deutsche Waffensystem mit gemisch- und rechts lafettiert an einem um 360 panzer zu zerstören. Die Zielerfas-
610, stationiert ten Gefühlen. So genossen die Sol- Grad drehbaren Turm. Mit diesem sung lief weitgehend automatisch.
in Schleswig- daten der einstigen NVA-Flugabwehr- Zwillingsgeschütz konnte der Flak- Eine bordeigene Radar- und Feuerleit-
Holstein. Auch anlage erfasste Flugziele noch in 15 Ki-
diese Einheit Mit 47 Tonnen gehörte der Gepard nicht lometer Entfernung binnen Sekun-
Abb.: Slg. Niesner, Slg. JMH, Megapixie

verfügte über den. Sobald das Flugzeug als feindlich


den Gepard gerade zu den leichtfüßigen Kätzchen. erkannt wurde, sorgte ein Zielverfol-
gungsradar dafür, dass sich die Waf-
raketentruppe zu DDR-Zeiten gewis- panzer ordentlich austeilen. Bei je- fenanlage mithilfe einer elektroni-
se Annehmlichkeiten. Während sie dem Feuerstoß jagte ein regelrechter schen Vorhalteberechnung sofort auf
zuvor bei Übungen meist in trocke- Geschosshagel aus einem Mix von die Anflugsrichtung und -höhe des
nen und beheizten Kabinen ihren Sprengbrand- und Panzerspreng- Ziels ausrichtete.
Dienst verrichteten, mussten sie nun brandmunition mit kombiniertem Die Trefferwahrscheinlichkeit der
wieder Alarmposten besetzen, Streife Aufschlag-Verzögerungszünder dem stählernen Großkatze war verhältnis-
laufen und unter freiem Himmel Ziel entgegen. Bei einer Feuerrate von mäßig hoch. Feuerte ein Gepard auf

30
Hans J. Wijers
Die Ardennenoffensive
Band III
Die Entscheidung
Augenzeigenberichte An-
Das Vorgängermodell: griff der 6. Pz.Armee und
Der FlakPz M42 Duster amerik. Abwehr im Bereich
war ein amerikanisches der 1. US-Inf.-Div, 30. US-
Inf.Div, 3. Fallschirmjäger-
Flugabwehrsystem div. und 12. SS-Pz.-Div.
aus den frühen 1950er-
Jahren und basierte neu 134 Seiten, fest geb.,
top aktuell
185 sw-Abb., 10 Karten;
auf dem Fahrgestell des ISBN 978-3-86933-129-4
leichten Kampfpanzers
M41 Walker Bulldog 32,00 €
Hans J. Wijers
Die Ardennenoffensive
Band II
Die Ardennenoffensive –
Sturm auf die Nordfront –
einen zwei Kilometer entfernten Tief- säcken oder -körpern, die von Flug- Entscheidung in Krinkelt-
flieger, benötigten die Geschosse bei zeugen gezogen wurden. Rocherath - Augenzeugen-
berichte
einer Mündungsgeschwindigkeit (Vo) Die Panzerung vom Gepard war im
von 1.175 Meter pro Sekunde keine Frontbereich mit 70 Millimeter für ei- 165 Seiten, fest geb., 125
Abb. und 21 Karten,
zwei Sekunden bis zum Ziel. Jedoch nen Flugabwehrpanzer ungewöhn-
Großformat;
ging von der ausgefeilten Radar- lich stark. Weil sie um 30 Grad schräg ISBN 978-3-86933-118-8
technik auch die größte Gefahr für gestellt war, entsprach das einer
den Gepard selbst aus: Radarwarnge- Durchschlagslänge von 140 Millime- 34,00 €
räte in modernen Kampfflugzeugen tern, an den Seiten und am Heck im-
Hans J. Wijers
sprachen sofort auf den Leitstrahl merhin noch von 20 bis 30 Millime-
vom Verfolgungsradar an. Dadurch tern. Damit rangierte er eigentlich in
Die Ardennenoffensive
verriet der Flakpanzer seine Feuer- der Klasse der Schützenpanzer. Mit ei- Band I
Angriff der 6. Pz.Armee
stellung und das Flugzeug konnte nem Gesamtgewicht von 47 Tonnen und amerikanische Ab-
eine Anti-Radarrakete auf den Gepard zählte der Gepard nicht gerade zu den wehr im Bereich der 99.
abfeuern. Auch der Abwurf von Radar- leichtfüßigen Kätzchen. Allein der US-Inf.Div., 277. Volks-
grenadier-Division, 12.
Täuschkörpern (Düppeln) erschwerte Turm brachte in der letzten Version Volksgrenadier-Division,
es, das Ziel zu verfolgen. voll aufgerüstet über 15 Tonnen auf 3. Fallschirmjäger-Division
die Waage. Die Besatzung, bestehend und der Pz.Brigade 150 -
Beeindruckend treffsicher aus Kommandant und Richtkanonier, Augenzeugenberichte
Als man die neue FAPDS-Munition saß von einer Schottpanzerung gut 159 Seiten, fest geb., 161 Abb.;
mit verbesserter Vo einführte, erhöh- geschützt im Zwei-Mann-Geschütz- ISBN 978-3-86933-106-5 34,00 €
te sich die Kampfentfernung von drei- turm. Als dritter Mann im Team be-
einhalb auf fünf Kilometer. Bei einem fand sich der Fahrer vorne rechts in Wingolf Scherer
Flugzielschießen gelang es der modi- der Wanne. Die letzte Schlacht -
fizierten Variante FlakPz Gepard 1 A2, Trotz seines hohen Gewichts be- Eifelfront und Arden-
mit der neuen Munition ein sechs wegte sich das Kettenfahrzeug im nenoffensive 1944/45
Kilometer entferntes Ziel zu treffen. schweren Gelände überaus agil. Aus Rückzug an und hinter den
Üblicherweise fanden die regelmäßi- gutem Grund wählten damals die Rhein
gen Flugzielschießen mit scharfer Konstrukteure als fahrbaren Unter- 240 Seiten, fest geb., 73
Munition auf den Schießplätzen To- satz ein modifiziertes Fahrwerk vom Fotos; ISBN 3-933608-95-3
dendorf und Putlos an der Ostsee Kampfpanzer Leopard 1. Der 830 PS 24,90 €
statt. Dabei feuerte man auf Dar- starke Mehrstoff-Dieselmotor reichte
stellungsziele in Form von Schlepp- aus, um das Ungetüm auf 65 km/h zu
Uwe Klar / André Vogel
Brennpunkt „Ostwall“
Die Kämpfe um die Fes-
TECHNIK tungsfront Oder-Warthe-
Bogen im Winter 1945
Technische Weiterentwicklung 391 Seiten,fest gebunden,
Im Zeitraum von 1998 bis 2003 erhielten 147 FlakPz Gepard eine 80 s/w Fotos;
Nutzungsdauerverlängerung (NDV). Nach Abschluss der NDV- ISBN 978-3-86933-127-0
Maßnahmen änderte sich die Bezeichnung auf FlakPz Gepard 1 A2. 32,00 €
Diese umfasste im Wesentlichen folgende Maßnahmen:
• Digitalisierung der Feuerleitrechner
• Einbau von modernen Datenfunkgeräten
• Anbindung an das Heeresflugabwehr-Führungssystem (HflaAFüSys)
• Modifizierung der Waffe
• Neue leistungsgesteigerte Munition (FAPDS)
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Abschiedskleid:
Anlässlich der beschleunigen. Zur Zeit des Kalten dingt. Die Folge: Von einst elf Gepard- 2011 die Bühne. Ein Teil der nieder-
Außerdienst- Krieges rechnete man stets mit dem Verbänden existierten von 2008 bis ländischen PRTL-Flotte gelangte nach
stellung lackierte Einsatz von atomaren, biologischen zur Auflösung Ende 2010 nur noch einem Rüstungsdeal in das Wüsten-
die Bundeswehr oder chemischen Waffen. Eine ABC- zwei. Die Auslandseinsätze zeigten, königreich Jordanien. Als einziges
ein Fahrzeug im Schutzanlage sollte die Besatzung vor dass die künftigen Bedrohungen aus NATO-Land nutzt Rumänien noch
„Geparden-Tarn- diesen Kampfmitteln schützen. Au- der Luft nicht mehr überwiegend von den Gepard aus ehemaligen Bundes-
look“ um. Rechts: ßer einer Nebelmittelwurfanlage und Flugzeugen ausgingen, sondern von wehrbeständen. Deutschland hatte
Das lufttransport- der panzerbrechenden Munition ver- einfachen ungelenkten Raketen, Ar- Ende 2004 insgesamt 43 Stück an die
fähige Leichte fügte der Gepard über keine Sekun- tillerie- und Mörsergranaten. Diese rumänischen Streitkräfte geliefert.
Flugabwehrsystem därbewaffnung zum Eigenschutz. aber konnte der Gepard nicht be- Mittlerweile ist der Flakpanzer
Ozelot steht der kämpfen und altersbedingt ließ er in Südamerika heimisch geworden:
Truppe seit dem Das Ende der Geparden sich an das Fähigkeitsprofil auch Deutschland verkaufte 34 gebrauchte
Jahr 2000 für Mit Ende des Ost-West-Konflikts ver- nicht mehr anpassen. Zudem wäre Gepard 1 A2 an Brasilien. Dort setzte
weltweite Einsätze lagerten sich die Operationsschwer- aufgrund der Größe und des Gewichts man sie aus Angst vor terroristischen
zur Verfügung punkte der Bundeswehr grundlegend. der Aufwand enorm, den Gepard ins Angriffen aus der Luft als Stadion-
Eine recht entspannte sicherheitspo-
litische Lage prägte das Bild in Europa. Bei Auslandseinsätzen zeigte sich, dass
Die Bundeswehr entwickelte sich von
einer reinen Verteidigungsarmee hin der Gepard keine Zukunft mehr hatte.
zu einer Einsatzarmee für interna-
tionale Operationen rund um den Einsatzgebiet zu transportieren. Vor schützer im Rahmen der Fußball-
Globus. Als Relikt des Kalten Krieges diesem Hintergrund begann man Weltmeisterschaft 2014 und bei ei-
eignete sich der Gepard für die neuen damit, ein leichtes (lufttransportfähi- nem Besuch von Papst Franziskus ein.
Aufgaben der Bundeswehr nur be- ges) stationäres Flugabwehrsystem Die Entscheidung für den Gepard war
zum Schutz der Feldlager zu entwi- im Oktober 2011 nach einem Ver-
ckeln: das Projekt NBS C-RAM Mantis. gleichsschießen gefallen: Dort hatte
HINTERGRUND Im Sommer 2010 fiel dann ein ein- der Panzer trotz schwieriger Bedin-
schneidender Entschluss: Die Auf- gungen mühelos drei ferngesteuerte
Der Weg bis zum Flakpanzer gaben der Flugabwehr sollte zukünf- Kleinflugzeuge zerlegt; ein 40-Milli-
tig allein die Luftwaffe übernehmen. meter-Flakgeschütz und selbst Flug-
Bereits während des Deutsch-Französischen Krieges
Ende 2012 endete schließlich die abwehrraketen von Typ Igla konnten
(1870/71) entwickelte Krupp eine 3,7-Zentimeter-
Ballonabwehrkanone, um französische Ballone abzu- Geschichte der Truppengattung der ihm nicht das Wasser reichen. Auch
schießen. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden die Heeresflugabwehr in aller Stille. fast 40 Jahre nach seiner Indienststel-
ersten mobilen Flugabwehrgeschütze auf Kfz-Basis. lung ist der Gepard einzigartig und es
Im Ersten Weltkrieg wuchs mit der Zahl der Flugzeuge Andere Nutzerstaaten gibt kein vergleichbares Äquivalent in
auch die Bedrohung aus der Luft ständig weiter an. Neben der Bundeswehr entschieden der NATO. Obwohl die stählerne Raub-
Noch in den 1920er- und 30er-Jahren unternahmen sich auch Belgien (55 Stück) und die katze mittlerweile ergraut ist, braucht
Russland und das Vereinigte Königreich Versuche, Niederlande (95 Stück) für den FlakPz sie den Vergleich mit anderen, moder-
Flugabwehrgeschütze auf Kettenfahrzeuge zu montie- Gepard. Während die belgischen Ge- nen Flugabwehrsystemen nicht zu
ren; in Deutschland hemmte der Versailler Vertrag parden optisch nicht von denen der scheuen.
Abb.: picture-alliance (2), C. Niesner

solche Bestrebungen. Zu Beginn des Zweiten Welt-


Bundeswehr zu unterscheiden wa-
kriegs gab es lediglich gezogene Flakgeschütze oder
Geschütze unterschiedlichster Kaliber, verlastet auf ren, wich die niederländische Version Clemens Niesner hatte
Selbstfahrlafetten. Es dauerte noch bis Sommer 1944, etwas vom Erscheinungsbild des über viele Jahre hinweg
bis der erste deutsche Flakpanzer mit Drehturm, deutschen Kollegen ab. Eine geänder- Gelegenheit, den Gepard
der „Wirbelwind“, zum Einsatz kam. Den ersten voll- te Radarausrüstung und eine andere bei Manövern der Bundes-
wertigen Flugabwehrpanzer baute das neutrale Schwe- Nebelmittelwurfanlage identifizier- wehr hautnah zu erleben
den 1941/42: den Landsverk L-62 Anti II, bewaffnet – und war jedesmal aufs
ten ihn als FlakPz CA1 PRTL „Chee-
mit einer 40-Millimeter-Bofors-Luftabwehrkanone. Neue von ihm begeistert.
tah“. In Belgien verließ der Gepard
bereits 1994 und in den Niederlanden

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Abb.: BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Sammlung Immanuel Voigt
VERBÄNDE & EINHEITEN

34
1915: DIE GEBURT
DES ALPENKORPS
Aufbruch ins Gebirge
Die meisten Soldaten, die sich 1915 zum Deutschen Alpenkorps formierten, hatten zuvor
noch nie einen Berg bestiegen, doch nun mussten sie in 3.000 Meter Höhe gegen die gebirgs-
erfahrenen Italiener kämpfen. Der Einsatz in den Dolomiten sollte einen befürchteten Vorstoß
des Feindes nach Süddeutschland verhindern – und zur Grundlage eines Eliteverbandes werden

Abmarsch: Eine Maschinengewehr-Abteilung


des Alpenkorps hat sich bei Campestrin auf-
gestellt – bereit für den Aufstieg ins Gebirge.
Die Soldaten vorn tragen zwei MG, die dahinter
Munitionskisten. Ganz hinten die Tragtiere
für steileres Gelände. Erst beim Einsatz in den
Dolomiten lernten die Männer, wie man in den
Bergen kämpft (oben)

Militär & Geschichte 35


VERBÄNDE & EINHEITEN

Aufbruch des
Kgl. Bay. Infanterie-

E
Leibregiments in s war der Morgen des 19. Juli alles andere als gut. Trotz des Hoch- das erste Kriegsjahr und vor allem der
die Vogesen; 1915 1915, als Oberleutnant Denzel sommers fror nachts das Wasser in Winter 1914/15 verdeutlichten dann
wurde es in das vom Jäger-Regiment Nr. 3 mit den steilen Felsrinnen bei Tempera- aber, wie nachteilig sich dies auf die
Alpenkorps einge- seiner Hochgebirgspatrouille auf- turen von minus zehn Grad Celsius zu deutsche Kriegführung auswirkte. In
gliedert. Rechts: brach. Vor ihnen lag eine anstrengen- Eis und erschwerte den Anstieg. Klei- den Vogesen mussten deutsche Sol-
Artilleristen vor de Kraxelei: Der Trupp, der durchweg neren Gruppen der Patrouille gelang daten, die für den Gebirgskrieg weder
ihrem Unterstand; aus Freiwilligen bestand, bewegte es schließlich, den Gipfel unter äu- adäquat ausgebildet noch ausgerüs-
rechts unten lugt sich in Richtung des Tofanagebietes, ßerst anstrengender Kletterei zu be- tet waren, gegen französische Alpen-
die Mündung einer die dortigen Gipfel zählen zu den steigen und sich dort festzusetzen. jäger (Chasseurs alpins) kämpfen – und
„Schweren Feld- höchsten der Dolomiten. Normaler- Die Männer mussten dabei große machten dabei zunächst keine beson-
haubitze 13“ hervorweise wagen sich nur geübte Kletterer Strapazen auf sich nehmen, da ihnen ders gute Figur (siehe auch Militär &
hierher, um ihre Kräfte zu messen.
Doch im Sommer 1915, ein Jahr Schon 1914 zeigte sich, dass Deutschland
nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs,
geriet die damals zu Österreich-Un- dringend eine Gebirgstruppe brauchte.
garn gehörende Region ins Visier des
Militärs: Die Italiener wollten dort ei- die Spitze des Berges wenig Schutz Geschichte 4/2015). Daraufhin stellte
ne strategisch günstige Stellung be- vor Wetter und Beschuss bot. Den- man in München und Berlin eiligst so-
ziehen – Denzel und seine Männer noch erfüllten sie den Auftrag: Der genannte „Schneeschuh-Bataillone“
mussten ihnen zuvorkommen. Sie Gipfel war in deutscher Hand! Wie auf. Sie bestanden überwiegend aus
hatten den Befehl erhalten, den alles kam es aber überhaupt dazu, dass freiwilligen Mannschaften und Offi-
Aufgestapelte beherrschenden Berg in diesem Ab- deutsche Soldaten in den Dolomiten zieren, die das Skifahren beherrsch-
Munition, gelagert schnitt, die 3.244 Meter hohe Tofana I, gegen Italiener antraten? ten und so auch im Gebirge verwen-
in Geschosskörben, unter allen Umständen zu besetzen. det werden konnten. Insgesamt ka-
in einer Waldstel- Keine leichte Aufgabe, da die deut- Unverzichtbare Gebirgsjäger men vier Schneeschuh-Bataillone
lung bei Moos (na- schen Jäger den schwierigen Aufstieg Im Deutschen Reich hielt man bis (zwei preußische und zwei bayeri-
he Sexten). Dort durch die Westwand zum Gipfel neh- zum Ersten Weltkrieg eine eigene Ge- sche Bataillone) sowie eine württem-
entstand auch das men mussten. Zudem war das Wetter birgstruppe für entbehrlich. Schon bergische Schneeschuh-Kompanie
Foto oben rechts

HINTERGRUND

Einsätze im Ersten Weltkrieg


Nach dem Einsatz in den Dolomiten ging es an die
Westfront und nach Serbien, im Frühjahr 1916 dann er-
neut Richtung Westen in die Champagne. Ende Mai warf
die OHL auch das Alpenkorps in die Schlacht um Verdun.
Eine fatale Fehlentscheidung: Durch den unsinnigen
Einsatz verlor der Verband 90 Prozent seines Bestandes.
Im Herbst desselben Jahres verlegte das Alpenkorps an
die Gebirgsfront in Rumänien, wo es sich bis in das
Frühjahr 1917 bewährte. Mitte Oktober 1917 nahm es an
der 12. Isonzoschlacht teil und war maßgeblich am Durch-
bruch bei Flitsch/Tolmein sowie an den weiteren Kämpfen
in Venetien beteiligt. 1918 kam das Alpenkorps wiederholt
an der Westfront und auf dem Balkan zum Einsatz. Das
Kriegsende brachte vorerst das Aus für die deutsche Ge-
birgstruppe.

36
Ein MG-Trupp mit MG 08 in Südtirol.
Die weißen Streifen auf der Rückseite der Mützen
sollten eine Identifikation bei Dunkelheit
erleichtern – und so ein friendly fire
auf die eigenen Leute verhindern

zum Einsatz. Damit waren die Vorläu- und Frontdruchbruch, der auch für ten Division, da die Ein-
fer der deutschen Gebirgstruppe ins das Reich gefährlich gewesen wäre, heit nicht die Stärke eines Armee- „Krätzchen“, die
Leben gerufen. in einer Katastrophe enden. korps erreichte. Dennoch unterstellte typische Feldmütze
Aber schon bald sah sich Deutsch- Folglich beauftragte das Preußi- ihr die OHL Korpstruppen: schwere für Mannschafts-
land gezwungen, eine reguläre Ge- sche Kriegsministerium in einem Artillerie, Kolonnen, Trains, Fern- dienstgrade, hier
birgstruppe aufzustellen, die zu- Schreiben vom 20. Mai das Bayerische sprecheinheiten und Pionierkompa- in der Ausführung
nächst in den Alpen aktiv werden Kriegsministerium damit, sofort ein nien. Darüber hinaus unterstanden für preußische
sollte. Die politische und militärische „Alpenkorps“ zu bilden, und zwar dem Alpenkorps weitere Artillerieein- Infanteristen des
Lage des Frühjahrs 1915 drängte zu nach Maßgabe der beiliegenden heiten, eine Reihe Gebirgs-Maschi- Alpenkorps mit
Abb.: Wehrgeschichtliches Museum Rastatt, Sammlung Immanuel Voigt (4), Hermann-Historica/JMH

diesem Schritt, der schwelende Streit „streng geheimen“ Kriegsgliederung. nengewehrabteilungen sowie Minen- Edelweiß auf
zwischen Italien und Österreich-Un- werferverbände und zeitweise eine dem grünen
garn um Gebietsansprüche steuerte Gliederung des Alpenkorps Besatzstreifen
auf eine Eskalation zu. War es bislang Die Truppe sollte demnach zur Hälfte
um das Trentino und Städte wie Triest aus bayerischen Einheiten bestehen.
gegangen, so erhob Italien jetzt auch Aber auch aus allen anderen deut-
noch Ansprüche auf ganz Südtirol bis schen Kontingenten – mit Ausnahme
zum Brenner. Ein Krieg zwischen den des sächsischen – wurden Männer
Kontrahenten schien unausweichlich zum Alpenkorps beordert. So dienten
– und damit gleichfalls eine neue in ihm nicht nur Preußen, sondern
Front für die Mittelmächte. Das Deut- auch Mecklenburger, Württemberger
sche Reich musste reagieren, sorgte und Badenser. Die Infanterie des Al-
man sich doch um einen feindlichen penkorps gliederte sich dabei in zwei
Angriff aus dem Süden, der Bayern, verstärkte Jäger-Brigaden zu je zwei
Baden und Württemberg bedrohen Regimentern. In ihnen befanden sich
könnte. deutsche Eliteverbände wie das Kö-
Als Mitte Mai 1915 eine friedliche niglich-Bayerische Infanterie-Leibre-
Lösung des Konflikts kaum mehr giment oder das Hannoversche Jäger- Generalleutnant
möglich schien, beschloss die Oberste Bataillon Nr. 10. Auch die Schnee- Konrad Krafft von
Heeresleitung (OHL) das Alpenkorps schuh-Bataillone wurden inkludiert, Dellmensingen,
aufzustellen. Der Chef der OHL, Gene- indem man sie zum Jäger-Regiment wohl kurz nachdem
ral Erich von Falkenhayn, war über- Nr. 3 zusammenfasste. er zum „Führer des
zeugt den „Bundesbruder“ Öster- Zwar lässt der Name „Alpenkorps“ Alpenkorps“ ernannt
reich-Ungarn im Kriegsfall unbedingt vermuten, dass es sich hierbei um wurde. Er trägt auf
unterstützen zu müssen. Anderen- ein Armeekorps handelte. Allerdings dem Foto noch nicht
falls könnte ein italienischer Angriff spricht man eher von einer verstärk- den Pour le Mérite

Militär & Geschichte 37


Hartes Los: Diese äußerst seltene Aufnahme
zeigt die kärgliche Stellung, in der die Männer
VERBÄNDE & EINHEITEN

des 1. Bay. Jäger-Bataillons auf dem Kleinen


Lagazuoi (2.778 Meter) förmlich „hausten“

scharfsinniger, aber auch äußerst an-


spruchsvoller Offizier beschrieben,
der es verstand, seine Truppen klug
einzusetzen.
Als Versammlungsort für den
Großverband diente ein Truppen-
übungsplatz bei Augsburg. Zwar
brachten die Soldaten von der West-
front schon Kampferfahrung mit.
Aber die Gebirgsneulinge sollten auf
dem Lechfeld erst einmal für den Ein-
satz in den Bergen ausgebildet wer-
den. Dazu kam es nicht mehr. Gene-
ralleutnant Krafft ahnte bereits die
kommenden Ereignisse voraus und
ging sofort dazu über, das Alpenkorps
Richtung Süden zu verlegen. In jenen
Tagen rechnete man beinahe stünd-
lich mit einem italienischen Angriff
auf Südtirol. Dass Krafft recht behal-
ten sollte, zeigte sich am 23. Mai 1915:
Italien erklärte Österreich-Ungarn –
nicht aber dem Deutschen Reich –
den Krieg.

Das Alpenkorps als Reserve


In Südtirol standen nach Beginn der
Feindseligkeiten nur schwache öster-
reichisch-ungarische Kräfte (wie Land-

Abb.: BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv (2), Slg. I. Voigt, Hermann-Historica/JMH


sturmeinheiten und die Tiroler und
Vorarlberger Standschützen) als Ver-
teidiger an der Front. Die eigentliche
Gebirgstruppe der Donaumonarchie,
die k. u. k. Landesschützen sowie die
vier heimischen Regimenter der Tiro-
ler Kaiserjäger, waren zu diesem Zeit-
punkt noch in Galizien und auf dem
Balkan gebunden. So schlug nun die
Fliegerab- rend des „Einsatzes in Tirol“ von Mai Stunde des Alpenkorps: Seine Auf-
teilung. Waffentech- bis Oktober 1915 eine Stärke von gabe bestand darin, im Falle eines
Ausrüstung nisch war der Verband 26.000 Mann und 9.500 Pferden. italienischen Frontdurchbruches als
für den Kampf- sehr gut ausgerüstet: Zeitweilig ver- Zum Befehlshaber des neuen Ver- schlagkräftige Reserve verfügbar zu
einsatz im Gebirge: fügte man an der Südtiroler Front bandes ernannte man den bayeri- sein, um die Lücke in der Verteidigung
schwere Berg- über 300 Pkw, 190 Lkw, mehrere Om- schen Generalleutnant Konrad Krafft schnellstmöglich zu schließen.
schuhe, Steigeisen, nibusse und über 70 Motorräder. Dies von Dellmensingen. Der offizielle Ein schneller und massiver italie-
Schneeschuhe sorgte für eine hohe Mobilität der „Führer des Alpenkorps“ war die idea- nischer Angriff blieb allerdings aus.
und Steinhammer Truppe, was dem Alpenkorps im le Besetzung für diese Position, da er Der italienische Generalstabschef Lui-
Gebirge einen wichtigen Vorteil ver- die Alpen seit seiner Jugend bestens gi Cadorna überschätze die Zahl des
schaffte. Im Ganzen erreichte es wäh- kannte. Überdies wird er als fähiger, Gegners und wagte nur ein zögerli-

38
Den Feind im Blick: Das rechte
Foto wurde von Sass Mezzodi
aus aufgenommen, in Richtung
Südost zieht sich der Padon-
kamm entlang. Markiert sind
hier Stellungen der Italiener.
Links: Bei diesem MG-Trupp
sind die Tragegestelle für das
Maschinengewehr (hintere
Männer) und die Munitionskisten
(liegender Soldat) zu erkennen

ches Vorgehen mit seinen Truppen. Soldaten auch unmittelbar an der Wie haben die deutschen Soldaten
Dies sorgte dafür, dass die österrei- Front zum Einsatz. Dabei erhielten die ihren Einsatz im Gebirge wahrgenom-
chisch-ungarischen und deutschen Deutschen durch ihre österreichisch- men? Zunächst verliefen ihre Tage an
Verteidiger die Frontlinien befestigen ungarischen Kameraden im gemein- der Dolomiten-Front recht ruhig. Zwi-
und ausbauen konnten, sodass ein samen Kampf ihre eigentliche Ge- schen Mai und Oktober 1915 kam es
Durchbruch ohne größere Verluste birgsausbildung. In seinen Aktionen kaum zu größeren Gefechten, in die
nicht mehr möglich war. blieb das Alpenkorps allerdings von das Alpenkorps verwickelt war. Die
Generalleutnant Krafft von Dell- vorneherein beschränkt. Um keinen Italiener konnten die Front nicht
mensingen musste indes das Kon- Kriegseintritt Rumäniens, einem Ver- durchbrechen. Auch hatte die deut-
zept der starken Reserve alsbald bündeten Italiens, zu provozieren, sche Seite, verglichen mit späteren
aufgeben. Die österreichisch-ungari- verbot Kaiser Wilhelm II. den deut- Einsätzen, nur geringe Verluste.Wenn
schen Fronttruppen konnten sich schen Truppen, italienisches Territori- es Tote und Verwundete gab, dann zu-
nicht selbst ablösen und sollten durch um zu betreten. Dies schloss jegliche meist als Folge von Unfällen, die beim
das Alpenkorps unterstützt werden. Angriffsunternehmen durch das Al- Klettern oder durch unsachgemäßen
So kamen nach und nach deutsche penkorps aus. Waffengebrauch passierten.Verlässli-

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HINTERGRUND
VERBÄNDE & EINHEITEN

Das Edelweiß-Abzeichen
Zum Zeichen der Verbundenheit mit den deut- Zugleich bildete sich eine Tradition heraus,
schen Soldaten überreichte das Landesverteidi- die noch heute Bestand hat: Auch die Gebirgs-
gungskommando Tirol dem Alpenkorps im Juni jäger der Bundeswehr tragen das Edelweiß
1915 20.000 Edelweißabzeichen. Es durfte nur über an ihren Bergmützen, das somit allgemein zum
dem linken Ohr an der Kopfbedeckung angebracht Symbol der deutschen Gebirgstruppe wurde.
werden. Zugleich erlaubte man offiziell nur den Während des Ersten Weltkriegs hob das Ab-
Tirol-Veteranen, dieses Abzeichen zu tragen. Damit zeichen die Männer des Alpenkorps deutlich
entsprach es einem Kampf- und keinem Verbands- von den übrigen Soldaten ab, denn im deutschen
abzeichen. Viele Soldaten des Alpenkorps, die Heer war es unüblich, an der Kopfbedeckung
nicht in Tirol dabei gewesen waren, beachteten Abzeichen zu tragen. Das Edelweiß verlieh
dies nicht und trugen das Abzeichen dennoch. dem Alpenkorps folglich einen Sonderstatus.

Das Abzeichen des


Alpenkorps (oben), che Zahlen für den gesamten Einsatz dass die Italiener bis zu diesem Zeit- etwas schwer.“ Georg Herbig von der
darunter jenes der in Südtirol liegen nicht vor. Der Histo- punkt keinen größeren Angriff ge- Preußischen Gebirgs-Maschinenge-
Gebirgsjäger der riker Günther Hebert spricht jedoch wagt hatten. Ein Mann aus dem Kö- wehrabteilung Nr. 201 schrieb seiner
Wehrmacht davon, dass bis zum 25. Juli 1915 fünf niglich-Bayerischen Infanterie-Leib- Frau Mitte Juli 1915: „Frost haben wir
Offiziere sowie 79 Unteroffiziere und regiment urteilte in einem Brief vom schon jede Nacht und wir wohnen in
Mannschaften des Alpenkorps ums 29. Juli 1915 ähnlich: „Wir sind heute so einer Alpenhütte, wo früher die
Leben gekommen sind. an der Grenze. Es regt sich bei uns gar Senner mit ihren Schafen, Ziegen und
Anhand erhaltener Feldpostbrief nichts.“ Kühen [unterkamen] und der Wind
lässt sich nachvollziehen, wie die Sol- pfeift durch alle Fugen.“
daten ihre Zeit im Gebirge selbst gese- Eindrücke vom Hochgebirge Manchen Soldaten des Alpenkorps
Eigentumsfeldbluse hen haben. Fritz Haslmayr, Feldwebel Viele der Männer stammten ur- schien der Einsatz in Südtirol regel-
eines Hauptmanns im Bayerischen Jäger-Regiment Nr. 1, sprünglich aus dem Flachland und recht gefallen zu haben. Bernhard
der bayerischen schrieb einem befreundeten Forst- hatten noch nie zuvor eine Reise ins Wolter, Sergeant in der Preußischen
Fliegertruppe meister in der Heimat am 25. Ju- Hochgebirge unternommen. Daher Fuß-Artillerie-Batterie Nr. 102, berich-
beim Einsatz in ni 1915: „Was treiben die Reh- erwähnten sie diesen Umstand öfters tete begeistert an seine Schwester in
Tirol 1915 böcke? Hier wurden schon in ihrer Feldpost. Der Gefreite Brun- Westpreußen: „Wir sind hier im schö-
mehrere Gamsböcke von Sol- ken vom Hannoverschen Jäger-Batail- nen Lande Tirol, hier kannst du für
daten erlegt. Sonst geht lon Nr. 10 erzählte einer Bekannten: Geld alles haben (…), ich muss öfters
alles ausgezeichnet. „Haben schon bedeutenden Aufstieg nach Innichen zur Munitions-Kolon-
Jenseits ist wenig gemacht, es geht bis in die Wolken. ne, dann bringe ich immer mir Butter
Schneid bemerk- Oben liegt hoher Schnee, der den gan- [mit], die allerdings sehr teuer ist (…),
bar.“ Haslmayr ver- zen Sommer nicht verschwindet, dann Kuchen, Eier, Cognac, Schokola-
deutlicht damit, sehr romantisch, nur das Kraxeln fällt de, Wurst, Schmalz zum Kartoffelbra-

Abb.: BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Slg. I. Voigt, Hermann-Historica/JMH (2)

Parasol-Eindecker auf dem Flug-


platz der Bay. Feldflieger-Abteilung
Nr. 9 im Pustertal. Von dort flogen
die Maschinen beispielsweise
einen Bombenangriff auf die
Stadt Cortina d’Ampezzo

40
Helm mit Spitze („Pickelhaube“),
Schirmmütze oder die Feldmütze
(„Krätzchen“).
Mitte Oktober 1915 wurde das Al-
Bereit zum Ausmarsch: penkorps aus den Dolomiten abgezo-
Zuvor ließ sich dieser Soldat gen, da Österreich-Ungarn nun genü-
des 1. Bay. Jäger-Bataillons gend eigene Truppen für die Verteidi-
noch in seiner Ausrüstung gung freimachen konnte. Nur einige
fotografieren, darunter wenige Kontingente wie schwere Ar-
Bergstock, Kletterseil, Steig- tillerie, Pioniere und die dazugehöri-
eisen, Schneeschuhe und das gen Kolonnen verblieben noch bis
Gewehr 98. Auf der Mütze März 1916, um die Verbündeten zu un-
trägt er eine Schneebrille terstützen.
Insgesamt war der erste Einsatz
der deutschen Gebirgstruppe recht
beschaulich verlaufen, doch er schuf
die entscheidende Grundlage für wei-
überzeugen. Standardmäßig umfass- tere Verwendungen. Durch die über-
te sie genagelte Bergschuhe, Bergstö- wiegend ruhige Situation an der Ge-
cke aus Holz oder Bambus, Steigeisen birgsfront überstand das Alpenkorps
und Bergrucksäcke. Die meisten Sol- die erste Lern- und Versuchsphase
daten waren mit dem Gewehr 98 oder ohne größere Verluste, die Männer
dem kürzeren Karabiner 98 nebst Sei- konnten so von Gebirgsneulingen zu
tengewehr bewaffnet. Vor allem die erfahrenen Soldaten des Hochgebir-
Schuhe waren zu leicht gefasst und ges heranreifen – und zuversichtlich
die eingeschlagenen Nägel lösten an kommende Aufgaben herangehen.
sich oft. Ebenso fehlte es an ausrei- Das Alpenkorps entwickelte sich fort-
chend Bergstöcken und Rucksäcken an zu einer Eliteeinheit des deutschen
für die Männer. Erst als die Feldzeug- Heeres, die bis zum Kriegsende 1918
meisterei des Bayerischen I. Armee- vor allem an den Brennpunkten der
korps in München ab Mitte August Fronten zeigen konnte, was es in den
1915 das Alpenkorps ausrüstete, ver- Dolomiten gelernt hatte.
schwanden die Mängel.

Eine „bunte Truppe“


Auch die Frage, welche Kopfbede-
ten. Also hier bekommt man alles, ckung für den Gebirgskrieg am besten
aber (…) sehr, sehr teuer.“ geeignet sei, sorgte für lange Diskus-
Nun könnte der Eindruck entste- sionen. Da man sich nicht einigen
hen, der Dolomiten-Einsatz sei für konnte, präsentierte sich das Alpen- Immanuel Voigt, Jg. 1984, schrieb über
das Alpenkorps völlig problemlos ver- korps in dieser Hinsicht bis zum das Alpenkorps seine Magisterarbeit im
Studienfach Geschichte. 2014 erschien
laufen. Dem war keineswegs so. Gera- Kriegsende 1918 als „bunte Truppe“:
im Athesia Verlag die erweiterte
de die persönliche Gebirgsausrüstung Je nach Zugehörigkeit blieb die ur-
Fassung Das Alpenkorps an der Dolomiten-
der Männer konnte unter hochalpi- sprüngliche Kopfbedeckung beste- Front 1915. Mythos und Realität.
nen Verhältnissen zunächst nicht hen, manche trugen Tschako, andere
Gottfried Heinrich Graf
zu Pappenheim eilte
DAS DOKUMENT

der Ruf voraus, militärische


Entscheidungen nach
eigenem Gutdünken zu
WALLENSTEINS BRIEF treffen. Doch als sein

AN PAPPENHEIM Oberbefehlshaber Wallen-


stein ihn zur Rückkehr
nach Lützen aufforderte,
kam er dem Befehl ohne
zu zögern nach

Verzweifelter Hilferuf
Während des Dreißigjährigen Krieges stellten die Schweden unter König Gustav II.
Adolf bei Lützen die katholischen Truppen Wallensteins. Dessen Brief an seinen
General Pappenheim ist ein dramatisches Zeugnis für die Lage vor der Schlacht

W
enige Worte nur, ein eiliger an der Alten Veste bei Nürnberg (3./ Heer am 16. November gegenüber. Die
Brief an den kaiserlichen 4. September 1632) auf den Fersen wa- Stadt hatte Wallenstein schon mor-
General, der mit seinen Trup- ren, schon so bald auftauchen wür- gens in Brand setzen lassen, um dem
pen die Stadt Halle besetzt hielt. Erst den. Als nun die Schweden am 14. No- Feind die Sicht zu nehmen. Als sich
am Morgen dieses Tages, es war der vember nur noch ein paar Kilometer gegen 11 Uhr am Vormittag die Nebel
15. November 1632, war Gottfried von Lützen entfernt waren, machten lichteten, begann die Schlacht. Sie
Heinrich Graf zu Pappenheim mit sei- sie Gefangene. Dabei erfuhren sie, hatte keinen wirklichen Sieger. Die
nen Regimentern dorthin geschickt dass Wallensteins Armee sich aufge- Schweden behaupteten das Feld,Wal-
worden. Jetzt musste der berühmte teilt hatte und Pappenheims Soldaten lensteins Truppen zogen sich zurück.
Feldherr seine Pläne erneut ändern – abgezogen waren. Das Gemetzel war aber politisch von
und schleunigst zurück nach dem
Städtchen Lützen eilen. Denn ihn er- Auf dem Brief klebt Pappenheims Blut – er
reichte ebenjener Brief seines Ober-
befehlshabers; Albrecht Wenzel von hatte ihn bei seinem Tod bei sich getragen.
Waldstein, genannt Wallenstein, war
der von Kaiser Ferdinand II. eingesetz- Als Wallenstein von den heran- Bedeutung: In seinem Verlauf ließen
te Generalissimus über die Truppen rückenden Schweden hörte, war ihm nicht nur über 6.500 Soldaten auf bei-
der Katholischen Liga. sofort klar, dass Gustav Adolf bald den Seiten ihr Leben, sondern auch
Sein Befehl war unmissverständ- zum Angriff blasen würde. Also König Gustav Adolf und Pappenheim.
lich: „Der feindt marchirt herein- musste er Pappenheims Truppen Dessen Blut durchtränkte sogar je-
warths der herr (lasse) alles stehen schnell zurückbeordern: Vier Regi- nes Schreiben, das er von Wallenstein
undt liegen undt incaminire (sich) menter Kavallerie und fünf Regimen- empfangen hatte; er hatte es bei sei-
herzu mitt allem volck undt stücken ter Fußsoldaten hatten nun vierzig Ki- nem Tod in der Tasche getragen. Die
auf (dass) er morgen frue bey uns sich lometer Gewaltmarsch („incaminire Blutspuren sind heute noch zu erken-
befünden (kan). Ich aber verbleibe hie- sich herzu“) vor sich. Mit „stücken“ nen. Laut einem Artikel in der Hallen-
Abb.: picture-alliance (3), Simplicius, Ralph Kreuzer

mitt des herrn dienstwilliger AhzM. waren Kanonen gemeint. Die Bemer- ser „Allgemeinen Literatur-Zeitung“
Lützen den 15. Novemb. Ao 1632. kung vom „gestrigen bösen Weg“ be- vom 28. Februar 1830 gab der Histori-
Ralph Kreuzer
Er ist schon an dem pas wo gestern zeichnete einen Pfad durch die Sümp- ker Friedrich Förster an, den Brief in ist freiberuflicher
der böse weg gewest ist.“ (Hinweis der fe zwischen den nahen Dörfern Rip- den 1820er-Jahren im „geheimen Ar- Journalist und Lek-
Red.: Die in Klammern gesetzten Er- pach und Poserna – Wallenstein fand chive des Hofkriegsrathes zu Wien“ tor. Bei seiner Re-
gänzungen stammen von dem Wal- ihn ungeeignet für seine Truppen. gefunden zu haben; aus dem k. u. k. cherche dachte er
lenstein-Biografen Golo Mann.) Pappenheim und seine Männer Kriegsarchiv kam er 1889 an seinen oft an das Schiller-
Was sollte das bedeuten? Wallen- schafften es nicht, noch in der Nacht derzeitigen Platz. Heute wird das 29 Zitat „Ich kenne
stein, der hier als „Albrecht, Herzog zum kaiserlichen Hauptheer zu sto- mal 19 Zentimeter große Papier als „ei- meine Pappenhei-
von Mecklenburg“ (AhzM.) signierte, ßen. Erst in der Frühe trafen sie nord- genhändiges Befehlsschreiben Wal- mer“, das auf die
Freundschaft der
hatte nicht damit gerechnet, dass die westlich von Lützen zusammen. lensteins“ in einer Vitrine im Heeres-
beiden Feldherren
protestantischen Truppen König Gus- Schließlich standen sich dort auch geschichtlichen Museum im Wiener
anspielt.
tav Adolfs, die ihm seit der Schlacht das schwedische und das kaiserliche Arsenal ausgestellt.

42
In der Schlacht
bei Lützen
prallten fast
45.000 Söldner
aufeinander.
Während Wallen-
stein (oben) die
militärisch kaum
bedeutsame
Schlacht überlebte,
verlor Pappenheim
dort sein Leben

Makabres
Dokument: Der
Brief ist vom
Blut des tödlich
verwundeten
Pappenheim
durchtränkt;
zum Glück ist
nur ein Teil von
Wallensteins
Worten davon
bedeckt

Militär & Geschichte 43


KRIEGE & SCHLACHTEN

1322: DIE SCHLACHT BEI


MÜHLDORF AM INN
Die letzte Ritterschlacht
Bevor im 14. Jahrhundert allmählich die Feuerwaffen auf den europäischen
Schlachtfeldern Einzug hielten, stellten sich 1322 in Oberbayern noch
einmal Tausende Ritter nach alter Tradition zum Kampf: Mit Schwert, Lanze
und Morgenstern stritten sie um die Krone des „Heiligen Römischen Reiches“

A
m frühen Morgen des 28. Sep- te Ritterschlacht“, in der noch keine
tember 1322 formierten sich Feuerwaffen zum Einsatz kamen.
bei Mühldorf am Inn zwei ge- Denn diese sollten fortan das Gesche-
waltige Heere zur Schlacht. Tausende hen auf den Kriegsschauplätzen mas-
Ritter, Bogenschützen und Fußsolda- siv verändern – und so auch zum Nie-
ten standen sich vor den Toren der dergang des Rittertums beitragen.
bayerischen Stadt gegenüber. Der Bo- 1322 ging es aber um eine Rich-
den erzitterte unter den Hufen bunt tungsentscheidung der ganz anderen
geschmückter Streitrösser, obenauf Art: Wer würde sich als deutscher Kö-
edle Ritter in schweren Kettenhem- nig durchsetzen? Der Wittelsbacher
Kampfgetümmel: den, die stellenweise durch Eisenplat- Ludwig der Bayer, Herzog von Ober-
Bei Mühldorf kam ten verstärkt waren. Helme und Schil- bayern, oder der Habsburger Friedrich
es zu mehreren de, Schwerter und Lanzen funkelten der Schöne, Herzog von Österreich?
klassischen im ersten Tageslicht, überragt von den Gewählt waren beide und genau da-
Ritterschlachten; vielen Bannern, auf denen die Wap- rin bestand das Problem: Die Schlacht
bevor Ludwig pen adeliger Geschlechter prangten. von Mühldorf war die Folge einer ver-
der Bayer 1322
am Inn siegte Bei Mühldorf steuerte der erbitterte
(siehe Buch-
miniatur oben), Thronstreit auf seinen Höhepunkt zu.
Abb.: picture-alliance (2), Grafik: Anneli Nau

waren dort schon


1257 böhmische Ein letztes Mal zeigte sich hier das hängnisvollen doppelten Königswahl
und bayerische mittelalterliche Rittertum in seiner des Jahres 1314 (siehe Kasten S. 47).
Heere vollen Blüte – als Elite berittener Acht Jahre tobte danach ein erbitter-
aufeinander- Kämpfer, die allein mit Klingen- und ter Thronstreit, der den Menschen
geprallt (links) Schlagwaffen um Ruhm, Ehre und vom Rhein bis nach Böhmen viel Leid
Sieg rangen. und Elend brachte. Bis es schließlich
Dass die Schlacht von Mühldorf bei Mühldorf am Inn zur Entschei-
auch aus ebendiesem Grund in die dungsschlacht kam.
Geschichte eingehen sollte, war ih-
nen nicht bewusst: Sie gilt als die „letz- Gut gerüstet in den Kampf
Ort und Zeit hatten die beiden Riva-
len zuvor verabredet; dadurch erhielt
ZUR LAGE der Waffengang den Charakter einer
Rechtshandlung. Ihren Thronstreit
wollten sie nordöstlich von Mühldorf
entscheiden, genauer auf der Erhar-
tinger Wiese, eine von der Isen, einem
Nebenfluss des Inns, durchflossenen
Ebene, die im Norden durch einen
Höhenzug begrenzt wird.
Für den finalen Kampf hatten bei-
de Seiten mächtig gerüstet. Ludwig
war es 1319 gelungen, ein Bündnis
mit den Herzögen von Niederbayern
abzuschließen und mit ihrer Hilfe
1321 auch die militärische Unterstüt-

45
ZUR PERSON
KRIEGE & SCHLACHTEN

Ludwig der Bayer


Ludwig der Bayer wurde 1282 in München geboren. Seine Eltern
waren Herzog Ludwig der Strenge von Oberbayern und Mathil-
de von Habsburg, eine Tochter König Rudolfs I. von Habsburg.
Seinen Bruder Rudolf, mit dem er sich seit 1302 die Herrschaft
über Oberbayern geteilt hatte, entmachtete er 1317. Nach seinem
Sieg bei Mühldorf übernahm er zwar die Herrschaftsgewalt im
Reich, wurde aber nicht allgemein als rechtmäßiger deutscher
König akzeptiert; auch Papst Johannes XXII. wollte ihn nicht
anerkennen. Ohne dessen Beteiligung ließ sich Ludwig 1328 in
Rom zum römisch-deutschen Kaiser krönen. Am 11. Oktober
1347 starb er in Fürstenfeldbruck.

zung von König Johann von Böhmen bayerischen Vasallen und jenen sei- Da Friedrich dem gegnerischen
zu gewinnen. Auf der Gegenseite hat- ner niederbayerischen Vettern zu- Heer an Rittern zahlenmäßig unter-
te sich Friedrich nicht nur mit seinem sammen. Zusätzliche Kontingente legen war, riet ihm der Salzburger Erz-
Onkel, König Karl von Ungarn, ver- hatten ihm seine weiteren Bundesge- bischof von einer Schlacht abzusehen
bündet, sondern auch mit Bischof nossen, König Johann von Böhmen, und stattdessen auf den heranrü-
Abb.: picture-alliance, Hermann-Historica/JMH, TRAJAN 117, Grafik: Anneli Nau

Dietrich von Lavant, Herzog Heinrich Erzbischof Balduin von Trier, der ckenden Leopold zu warten. Aber
von Kärnten und dem Erzbischof von Nürnberger Burggraf Friedrich IV. von Friedrich, der auf eine Entscheidung
Salzburg, Friedrich III. von Leibnitz. Hohenzollern sowie Herzog Bern- brannte, wies dieses Ansinnen von
Im Frühjahr 1322 zog Friedrich hard II. von Schlesien zugeführt. sich und blieb für den folgenden Tag
seine Streitmacht in den österrei- Während es Ludwig gelang, alle kampfentschlossen. Am Abend des
chischen Herzogtümern zusammen, seine Verbündeten bei Mühldorf zu- 27. September lagerte das bayerisch-
böhmische Heer auf dem Nordufer
Tausende Ritter zogen auf das Feld – und der Isen, während sich Friedrichs
habsburgische Streitmacht südlich
jeder Seite wehte das Reichsbanner voran. davon niedergelassen hatte.

dann marschierte er die Donau ent- sammenzuziehen, musste Friedrich Aufstellung zur Schlacht
lang nach Passau hinauf, von wo er – auf die Truppen seines Bruders, Her- Am nächsten Morgen war es so weit.
verstärkt durch das Aufgebot des zog Leopold I. von Österreich, warten Zunächst feierte man in beiden La-
Fürstbischofs von Passau – Mitte Sep- – vergeblich. Dieser sollte eigentlich gern die heilige Messe und betete für Morgenstern:
tember am linken Ufer des Inn bis aus Schwaben kommend mit 800 Rit- den Sieg, dann stellten sich die geg- Diese Schlagwaffe
nach Mühldorf vorstieß. Ludwig, der tern und zahlreichem Fußvolk zu den nerischen Heere zum Kampf auf. Lud- wurde bis in die
dort sein Heer versammelt hatte, er- bei Mühldorf vereinigten habsburgi- wig der Bayer lehnte seine Streit- Neuzeit eingesetzt
wartete ihn bereits. Dessen Truppen schen Truppen stoßen, was ihm aber macht an den Höhenzug an, der im
setzten sich aus den eigenen ober- nicht rechtzeitig gelang. Norden das Schlachtfeld begrenzte.

ZUR LAGE

Am Ufer der Isen:


Die Habsburger
stellten sich südlich
der Isen auf, die
Wittelsbacher
nördlich, unterhalb
eines Höhenzuges
(grün). Ihre vorerst
verborgenen Reiter
(Kasten ganz links)
gaben am Ende den
Ausschlag zum Sieg

46
HINTERGRUND
Sieger und
Seine Kämpfer formierte er in drei Die Doppelwahl von 1314 Besiegte: Weil
Treffen, also in drei Truppenteile, die Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VII. 1313 kam es zwischen den Herzögen er auf eine
aber eine taktische Einheit bildeten. Friedrich von Österreich und Ludwig von Oberbayern zum Streit um unkonventionelle
Seine eigenen Ritter und Vasallen aus die deutsche Königskrone. Beide besaßen ein dynastisches Anrecht auf den Kriegstaktik setzte,
Oberbayern sowie aus dem Nordgau vakanten Königsthron. Nur durch den Main getrennt, fanden sich die konnte Ludwig
bildeten den rechten Flügel, Herzog beiden Rivalen mit ihren Gefolgsleuten am 19. Oktober 1314 vor Frankfurt der Bayer bei
Heinrich von Niederbayern mit sei- zur traditionellen Königswahl ein. Mühldorf
nem Kontingent das Zentrum und Anstatt sich gemeinsam mit Ludwig den Kurfürsten zur Wahl zu stellen, triumphieren.
König Johann von Böhmen mit den zog sich Friedrich nach Sachsenhausen zurück, wo er noch am gleichen Tag Zum Zeichen
Aufgeboten aus Böhmen, Schlesien
durch die Kurstimmen des Erzbischofs von Köln, des Pfalzgrafen bei Rhein, des Sieges erhielt
des Herzogs von Sachsen-Wittenberg und Herzog Heinrichs von Kärnten
und dem Rheinland den linken Flügel. er Schwert und
(der sich als böhmischer Titularkönig die Kurstimme Böhmens anmaßte),
Außerdem hielt Ludwig eine Ab- zum deutschen König gewählt wurde. Doch Ludwig zog nur einen Tag Standarte des
teilung von 500 Rittern unter dem Be- später mit dem Habsburger gleich und ließ sich auf dem gegenüberliegenden Gegners
fehl des Burggrafen von Nürnberg, Ufer bei Frankfurt durch die Kurstimmen des Königs Johann von Böhmen,
Friedrich IV. von Hohenzollern, hin- der Erzbischöfe von Mainz und Trier, des Herzogs von Sachsen-Lauenburgs
ter dem Nordufer der Isen (und somit (die Kurstimme Sachsens war zwischen Lauenburg und Wittenberg strittig)
vor dem Feind verborgen) für einen und des Markgrafen von Brandenburg ebenfalls zum römisch-deutschen
Überraschungsangriff bereit. Eine König ausrufen.
Taktik, die seit der Schlacht bei Dürn-
krut (1278) nicht mehr als unritterlich
galt, sondern einer Reservebildung Schlachtfeld, begleitet von elf gleich Auf der Gegenseite bewies Fried-
gleichkam. gekleideten Rittern. Diese „Doppel- rich der Schöne da schon mehr Mut,
Das Reichsbanner – schwarzer Ad- gänger“ waren eine Vorsichtsmaß- denn er zeigte sich in königlicher
ler auf gelbem Grund – führte der frän- nahme des Bayern, da er nicht das Helmzier und war fest entschlossen
kische Ritter Konrad von Schlüssel- Schicksal des deutschen Königs Adolf in vorderster Linie mitzukämpfen.
burg. Ludwig selbst erschien in einem von Nassau erleiden wollte, der 1298 Auch dem Habsburger wehte das
einfachen, mit weißen Kreuzen ver- in der Schlacht bei Göllheim neben Reichsbanner voran, das der schwä-
zierten blauen Waffenrock auf dem seinem Bannerträger gefallen war. bische Ritter Walter von Geroldseck

Militär & Geschichte 47


ZUR PERSON
KRIEGE & SCHLACHTEN

Friedrich der Schöne


Als Sohn des österreichischen Herzogs und späteren römisch-deutschen Königs
Albrecht I. kam Friedrich der Schöne 1289 in Wien zur Welt. Mit 17 Jahren wurde
ihm die Herzogswürde über Österreich und die Steiermark verliehen, nach der
Ermordung seines Vaters 1308 stieg er zum Oberhaupt der Familie Habsburg auf.
Infolge der verlorenen Schlacht bei Mühldorf befand er sich zweieinhalb Jahre
in Gefangenschaft Ludwigs des Bayern. Wieder in Freiheit, verzichtete er im Jahr 1325
auf den deutschen Thron, womit sich jedoch seine Brüder nicht abfinden mochten.
Um das Reich zu befrieden, schloss Ludwig noch im selben Jahr einen Vertrag,
in dem er Friedrich als Mitkönig anerkannte. Dennoch trat Friedrich politisch kaum
noch in Erscheinung: Am 13. Januar 1330 starb er auf Burg Gutenstein in
Niederösterreich.

führte. Friedrich hatte sein Heer gels an (die von Herzog Heinrich richs schon fast sicher, doch das mit
in vier Treffen gegliedert; den von Österreich und den Steier- Hellebarden und anderen Stangen-
linken Flügel, gebildet aus dem märkern unterstützt wurden), waffen bewaffnete bayerische Fuß-
ersten Treffen mit den Rittern geriet aber aufgrund der gegne- volk setzte den nachdrängenden
des Reiches, führte er selbst. rischen Übermacht in schwere Streitkräften Friedrichs einen derart
Daran schloss sich das Zent- Bedrängnis. Über 500 seiner hartnäckigen Widerstand entgegen,
rum an, das aus dem österrei- Ritter und Gefolgsleute gingen dass die Schlacht eine unerwartete
chischen sowie steiermärki- in österreichische Gefangen- Wendung nahm. Denn der erbitterte
schenTreffen bestand. Das vier- schaft; man verschonte sie ge- Kampf gegen das an den Höhenzug
te Treffen schließlich und da- gen ihr Ehrenwort, sich nicht gelehnte bayerische Fußvolk kostete
mit den rechten Flügel formier- mehr weiter an der Schlacht zu die Österreicher so viel Kraft, dass
ten die Truppen der drei Kir- beteiligen. sich ihre Schlachtformation bald
chenfürsten unter dem Erzbi- König Johann selbst, der hilf- aufzulösen begann.
schof von Salzburg. Hinter einer los unter seinem zusammengebro-
Bodenerhebung auf dem äußers- Beckenhaube mit chenen Pferd lag, soll nur durch Verrat Zu Fuß gegen die Österreicher
ten rechten Flügel hatten die beritte- Visier; sie war eines österreichischen Ritters der Ge- Diesen Umstand nutzten die bayeri-
nen und mit Pfeil und Bogen bewaff- Bestandteil der fangennahme entronnen sein. Nicht schen Ritter sogleich aus: Sie stiegen
neten Kumanen des Ungarnkönigs mittelalterlichen besser erging es dem Herzog von Nie- von ihren Pferden, entledigten sich
Stellung bezogen. Vollrüstung derbayern, der vom linken österrei- ihrer schweren Schutzpanzer und
Während das bayerisch-böhmi- chischen Flügel unter Friedrich dem gingen gemeinsam mit den Fuß-
sche Heer rund 1.800 Ritter nebst Schönen immer mehr auf das bayeri- kämpfern gegen die eingekeilten
4.000 Mann Fußvolk zählte, konnten sche Fußvolk zurückweichen musste. österreichischen Ritter vor. Mit ihren
die Habsburger und ihre Verbündeten Gegen Mittag schien der Sieg Fried- Schwertern und Dolchen erstachen
1.400 Ritter, rund 5.000 berittene Bo-
genschützen sowie eine unbekannte
Anzahl an Fußvolk ins Feld führen.

Zusammenprall der Heere


Die Schlacht wurde durch den Vor-
stoß von Ludwigs Heer über die Isen
eröffnet, wobei König Johann von
Böhmen und Herzog Heinrich von
Niederbayern mit ihren Rittern die
Abb.: picture-alliance (2), Hermann-Historica/JMH, TRAJAN 117

Angriffsspitze bildeten.
Schon beim ersten heftigen Zu-
sammenstoß der gegnerischen Ritter
begann ein wütendes Ringen Mann
gegen Mann. Friedrich der Schöne
selbst stürzte sich mitten unter seine
Gegner und führte sein Schwert im
dichtesten Gewühl mit größter Tap-
ferkeit. Nach wechselvollen Kämpfen
konnte Friedrich mit seinen Rittern
die Oberhand gewinnen und das
bayerisch-böhmische Heer in seine
Ausgangsposition zurückdrängen.
König Johann trat derweil mit seinen
Böhmen gegen die salzburgischen Rit- Am Ziel: Nachdem er schon einige Jahre ohne päpstliche Zustimmung als deutscher König geherrscht
ter des rechten österreichischen Flü- hatte, empfing Ludwig der Bayer 1328 die Kaiserkrone aus der Hand des „Gegenpapstes“ Nikolaus V.

48
Eine oppulente
Zeitreisse.

Sutton Verlag GmbH, Hochheimer Str. 59, 99094 Erfurtt


Hinter Schloss und Riegel: Friedrich der Schöne war bei Mühldorf in die Gefangenschaft seines
Rivalen geraten; volle 28 Monate befand er sich in standesgemäßer Haft auf Burg Trausnitz

sie deren Pferde von unten her und hatte sich noch lange und tapfer ge-
brachten die österreichische Linie wehrt. Erst als sein Pferd tot unter
somit ins Wanken. ihm zu Boden stürzte, blieb Friedrich
In diesem Moment griff der Burg- nichts anderes mehr übrig, als sich
graf von Nürnberg in das Geschehen dem Nürnberger Burggrafen, Fried-
ein: Mit seinen 500 Rittern stieß er aus rich IV. von Hohenzollern, zu ergeben.
der Deckung hervor, überquerte die So endete die äußerst blutige
Isen und preschte von Nordwesten Schlacht am späten Nachmittag mit
her auf den linken Flügel der Österrei- einer vollständigen Niederlage des

Während Ludwig auf die Kaiserkrone


hoffte, saß Friedrich in „ritterlicher“ Haft.
cher zu. Erst glaubten die dort stehen- österreichischen Heeres und dem
den Männer, Herzog Leopold sei mit Sieg Ludwigs des Bayern. Beide Seiten
seinen Rittern auf dem Schlachtfeld hatten jeweils etwa 1.000 Mann ver-
eingetroffen, weshalb sie die Reiter loren. Bemerkenswert ist auch die
mit Jubel begrüßten. Umso größer hohe Zahl der getöteten Pferde, die
war ihre Enttäuschung, als sie die der Chronist Peter von Zittau mit
ausgeruhten Ritter des Nürnberger 3.000 angibt. Außer Friedrich dem
Burggrafen erkannten. Doch zu spät, Schönen, der als Ludwigs Gefangener
Sie sammeln Bilde d r und kennen sich
schon fuhren deren Schwerter und auf Burg Trausnitz in der Oberpfalz
in Ihrer Heimat au us? Sutton präsen-
Streitäxte auf sie hernieder. kam, waren auch dessen Bruder, Her- tiert die Gesch hte
ich von Städten und
zog Heinrich von Österreich, sowie Regionen in unte erhaltsamen und
Sieg Ludwigs des Bayern ten Bildbän-
über 1.160 Ritter aus dem habsburgi- hochwertig au statteBuch?
ge
sg
Auch die zahlreichen böhmischen schen Heer in bayerisch-böhmische den. Und bald au uch Ihr
Ritter und Edelleute, die sich schon Gefangenschaft geraten. Nachricht!
Wir freuen uns auf Ihre
ergeben hatten, brachen in diesem Neben dem Eingreifen des Nürn-
Moment ihr gegebenes Ehrenwort berger Burggrafen war letztlich Lud- lektorat@suttonv n erlag.de
Tel: 0361 - 22 166 80
und hieben mit ihren Waffen von Neu- wigs (unritterliche) Taktik des „Misch-
Lutz Kessler, ww w. sutto nverllag .de
em auf ihre österreichischen Gegner kampfes“ für seinen Sieg ausschlag-
Jg. 1977, arbei-
ein. Diese mussten sich nun nach al- gebend, indem er sich der Situation
tet als Militär-
len Seiten hin erwehren, während die auf dem Schlachtfeld flexibel an- und Regional-
mit ihnen verbündeten ungarischen passte und seine Ritter und Fußtrup- historiker;
Kumanen wie auch das habsbur- pen gemeinsam gegen die österrei- seine Schwer-
gische Fußvolk in wilder Flucht aus- chischen Ritter einsetzte. Diese wa- punkte sind oder gleich bestellen unteer
einanderstoben. Zwar versuchten die ren dagegen in ihrer alttraditionellen die Kriegs-
österreichischen Ritter den Kampf Kampfmethode verharrt – ein Fehler: geschichte der
aufrecht zu erhalten, doch erlagen sie In der Stunde der Entscheidung hatte Antike und des
Mittelalters.
bald der bayerisch-böhmischen Über- sich die ritterliche Tugend offensicht- Geschichten vor Ort

SUTTON
macht. Friedrich der Schöne selbst lich als Hindernis erwiesen.

Militär & Geschichte


STRATEGIE & TAKTIK

1942: GEPLANTE LANDUNG AUF MALTA

Die Luftangriffe auf


Malta liefen schon seit
1940, im Frühjahr 1942
jedoch steigerten sie
sich zu einem wahren
Trommelfeuer, um die
Landung der Achsen-
mächte vorzubereiten

50
Im Hafen von Valletta lagen 1942 britische Zerstörer neben Handelsschiffen, um diese auf den lebenswichtigen Versorgungs-
routen durchs Mittelmeer begleiten zu können. Rechts: Sturzangriff auf Malta, fotografiert von Bord einer Junkers Ju 88

Unternehmen „Herkules“
Die Streitfrage um die Eroberung der Insel Malta durch die Achsenmächte
offenbarte ein grundsätzliches Dilemma der deutschen Führung im Kriegsjahr
1942: die Unterschiedlichkeit der strategischen Vorstellungen im Oberkommando
der Wehrmacht und in der Seekriegsleitung. Als sich Hitler gegen Malta entschied,
bedeutete dies das Ende deutsch-italienischer Ambitionen im Mittelmeerraum

D
ie rund 100 Kilometer südlich Kriegsschauplatz geworden war und 24 Stunden 200 Maschinen an und
von Sizilien und 330 Kilo- sich die Hauptversorgungsrouten von zwangen den Gegner, seine noch ein-
meter nördlich von Tripolis ge- Neapel nach Tripolis stets in Reich- satzfähigen Seestreitkräfte zu ver-
legene Insel Malta hatte sowohl für weite von Royal Navy und Air Force legen, während britische Jäger und
Abb.: picture-alliance (2), Slg. H. Ringlstetter, Grafik: Anneli Nau

die alliierte wie für die deutsch-ita- befanden – obgleich man bestrebt Bomber kaum noch zu sehen waren.
lienische Mittelmeerkriegführung he- war, diese weiträumig zu umfahren. Das Ergebnis deutsch-italieni-
rausragende strategische Bedeutung. Unausgereifte italienische Pläne scher Anstrengungen im Frühjahr
Wer den seit dem Jahr 1800 unter bri- zur Besetzung Maltas gab es seit Jah- 1942 war ein respektabler Anstieg der
tischer Flagge stehenden „Flugzeug- ren, konkret wurde es aber erst, als Seetransportleistungen, die in Nord-
träger im Mittelmeer“ besaß oder zu- sich auch die deutschen Stäbe mit afrika Rommels Offensive auf Tobruk
mindest niederhielt, herrschte über
die Sizilienstraße sowie den lebens- Zeitweise griffen täglich 200 deutsche
notwendigen Nachschub nach Nord-
afrika. und italienische Flugzeuge die Insel an.
Schon vor Beginn des Zweiten
Weltkriegs galt Malta als wichtigster dem Problem befassten. Der Nach- überhaupt erst möglich machten.
britischer Flotten- und Mittelmeer- schub nach Afrika litt im Herbst 1941 Den kompletten Erfolg unmittelbar
stützpunkt. Namentlich der deutsche unter hohen Verlusten, sodass die vor Augen, wurde die Luftoffensive
Achsenpartner Italien wusste um die Kriegsmarine leichte Einheiten, also am 28. April dennoch eingestellt, da
bedrohliche Situation, seit Libyen Schnell-, Minenräum- und U-Boote, Hitler für die unmittelbar bevorste-
ins Mittelmeer verlegte und Hitler hende Sommeroffensive in Russland
die Luftwaffe beauftragte, Malta zu und für Rommels Angriff jede Maschi-
ZUR LAGE bekämpfen. ne benötigte. Als Anfang Mai 60 Spit-
fire vom US-Flugzeugträger WASP aus
Luftkrieg um Malta starteten und sich ungehindert über
Generalfeldmarschall Albert Kessel- Malta bewegen konnten, hatte sich
ring als Befehlshaber der Luftflotte 2 das Blatt zugunsten der Alliierten ge-
– seit Dezember 1941 zudem Ober- wendet.
befehlshaber Süd – begann mithilfe Zu warten, bis sich die Briten wie-
der italienischen Luftwaffe und der der vollständig auf der Insel etabliert
Kriegsmarine Anfang 1942 die Luft- hätten und sie für sich nutzen wür-
offensive, die sich im April zu einem den, wäre einer Bankrotterklärung
regelrechten „Luftkrieg um Malta“ der deutschen Mittelmeerstrategie
steigerte. Zeitweise griffen binnen gleichgekommen. Die deutsch-ita-

51
Invasion aus der Luft: Fallschirmjäger springen aus Trans-
portern vom Typ Junkers Ju 52 ab. Auch bei der Operation
STRATEGIE & TAKTIK

„Herkules“ sollten diese Maschinen zum Einsatz kommen

Eine britische Flakstellung in Valletta. Die Hauptstadt


war auf Luftangriffe vorbereitet, doch „Herkules“ sah
vor, sie auch mit Panzern vom Land her einzunehmen.
Der Blick fällt hier auf die Festung St. Michael
lienischen Verbündeten mussten
schnell reagieren, wobei es zwei
Möglichkeiten gab: handstreichartige
Wegnahme, etwa durch Fallschirm-
jäger, oder planmäßige Landung, bei
der die italienischen Streitkräfte die
Hauptlast zu tragen hätten.
Vorerst einigte man sich auf einen
italienischen Handstreich, den ein
Abb.: picture-alliance (2), Slg. H. Ringlstetter (3), Hermann-Historica/JMH

bis zwei deutsche Fallschirmjäger-Re-


gimenter und Einheiten der Kriegs-
marine unterstützen sollten. Kessel-
ring und Rommel kamen überein,
dass die Operation unter dem Deck-
namen „Herkules“ Ende Mai, also
nach der deutschen Tobruk-Offen-
sive, über die Bühne gehen solle, „da
für gleichzeitig laufende Angriffe Luft-
kräfte nicht ausreichen“, wie Kessel-
ring sagte.

Konkurrierende Pläne
Mussolini und Hitler, die sich in
Schloss Kleßheim beziehungsweise
auf dem „Berghof“ zu einem Spitzen-
gespräch getroffen hatten, erklärten
sich mit dem Unternehmen und der
zeitlichen Abfolge (erst Tobruk, dann

52
Deutsche Fallschirmjäger konnten 1941 Kreta einnehmen (links) – eine Blaupause für das Vorgehen auf Malta. Rechts: Auf Sizilien wird eine Ju 88
mit überschweren Bomben für Einsätze über Nordafrika beladen. Die Eroberung Maltas sollte den Nachschub für das Deutsche Afrikakorps sichern

Malta) einverstanden. Im römischen unter dem 23. Mai 1942 fest: „Führer im Gewinn der Positionen Gibraltar,
Comando Supremo liefen die Vorbe- hat sehr wenig Zutrauen zu dem Ge- Malta und Suez die unverzichtbare
reitungen auf Hochtouren, der Kom- lingen des Unternehmens, da italie- Basis sahen, um überhaupt große
mandierende General des XI. Flieger- nische Angriffskraft völlig unzurei- Operationen durchführen und den
(Luftlande)korps, General der Flieger chend und keinerlei Sicherheit für Mittelmeerraum beherrschen zu kön-
Kurt Student, beteiligte sich daran
maßgeblich. Allerdings konnte man Mit 100.000 Mann wollten die Achsen-
sich nicht auf eine einheitliche Pla- Helm der 1. italie-
nung einigen, über taktische Ein- nischen Fallschirm- mächte Malta im Handstreich erobern.
zelheiten herrschte bei drei bis vier springer-Division
parallel existierenden Plänen gar „völ- „Folgore“, die für Geheimhaltung bei den Italienern nen. Im Führerhauptquartier setzten
lige Unklarheit“, erklärte Student in das Unternehmen vorhanden.“ Dieses Fazit deckte sich sie daher alles daran, Hitler von der
seinem Vortrag im Führerhauptquar- „Herkules“ auf- mit den zurückhaltenden Ansichten Dringlichkeit einer Einnahme Maltas
tier am 21. Mai gegenüber Hitler. gestellt wurde von Generalfeldmarschall Wilhelm zu überzeugen.
Der konnte es zunächst nicht fas- Keitel (Oberkommando der Wehr- Hitlers Entschluss gegen das Un-
sen und bekam, wie in solchen Fäl- macht, OKW), Generaloberst Alfred ternehmen „Herkules“ fiel am 21. Juni,
len üblich, einen Wutanfall, bei Jodl (Wehrmachtführungsstab im nachdem um 9:40 Uhr mitteleuro-
dem er sich abfällig über die Ita- OKW) und General Franz Halder päischer Zeit 33.000 Engländer, In-
liener äußerte, sich dann aber (Oberkommando des Heeres). der, Australier und Neuseeländer vor
in seiner Meinung bestätigt Demgegenüber stand die Rommel kapituliert hatten, der am
fühlte. Das Kriegstagebuch der Ansicht hoher Marineoffizie- Tag zuvor mit seinen Truppen sieg-
Seekriegsleitung (Skl) hielt re der Seekriegsleitung, die reich in Tobruk einmarschiert war.

Verpasste Chancen
Der Vorstoß in Nordafrika war gefährdet, Hitler sah nun keine Notwendigkeit
wenn die Versorgung der deutschen Truppen mehr für ein Engagement gegen Mal-
über die „Sizilienstraße“ ins Stocken geriet. ta. Dabei wäre die Gelegenheit jetzt
Das Foto von 1941 zeigt einen Panzer IV in Libyen ideal gewesen, um die positive Lage
im Mittelmeer weiter auszubauen,
sprich zu einer strategisch großräu-
migen Aktion zu gelangen, zu der Ad-
miral Erich Raeder, Oberbefehlshaber
der Kriegsmarine (ObdM), schon 1940
und 1941 gedrängt hatte. „Wird Malta
genommen, ist das eine sehr große Er-
leichterung für eine Suez-Offensive“,
betonte er gegenüber Hitler noch in
seinem Lagevortrag am 12. März 1942.
Doch der „Führer“ wich ein ums an-
dere Mal aus, der Stoß auf Suez (Un-
ternehmen „Theseus“) könne jetzt
auch ohne die Wegnahme Maltas ge-
lingen, womit Raeder alle Argumente
aus der Hand geschlagen waren.
Das Problem „Herkules“ war mitt-
lerweile Gradmesser des deutschen
Willens, die eigenen Machtpositio-

Militär & Geschichte 53


STRATEGIE & TAKTIK

Träger in Schieflage: Die HMS ARK ROYAL der Royal Navy befand sich auf dem Rückweg von Malta, als sie am 13. November 1941 bei Gibraltar
von einem deutschen U-Boot torpediert wurde. Sie sank 14 Stunden später – Symbol der erbitterten Kämpfe um das Mittelmeer

nen im Mittelmeerbecken aufrecht- schluss vom 21. Juni 1942 schlagartig U-Boot-Waffe sei, war dabei für
Dienstuniform zuerhalten und auszubauen. „Wer erkennen, dass sie in dessen militäri- Raeder nur ein schwacher Trost –
eines italienischen auf Malta zu verzichten bereit war, schem Kalkül prinzipiell keine Rolle denn er wusste genau, dass die Er-
Brigadegenerals durfte sich über einen Zusammen- mehr spielten – bis auf die U-Boote folge der Unterseeboote nicht seine
von 1942; zu den bruch in Afrika nicht wundern“, so der mit ihrem Handelskrieg im Atlantik. waren, sondern die von Admiral Karl
italienischen Marinehistoriker Michael Salewski. Diese radikale „antimittelmeeri- Dönitz als deren Befehlshaber.
Heereseinheiten Vor dem Abschluss von Hitlers ras- sche“ Haltung Hitlers, der monoma- Die eigentliche Katastrophe der
s. Kasten seideologischem Vernichtungsfeld- nisch auf den Osten fixiert war und Situation Mitte 1942 bestand in den
rechts zug gegen die Sowjetunion, dem alles Raeder sogar entgegenschleuderte, völlig unterschiedlichen Zielrichtun-
andere kategorisch unterzuord-
nen war, konnte jedoch nicht Hitler entschied sich gegen „Herkules“, sein
an die Wiederaufnahme
konkreter Planungen für ei- Vernichtungskrieg im Osten hatte Priorität.
ne Mittelmeerstrategie ge-
dacht werden. Genau hie- Rommels Armee genauso gut von gen von OKW und Skl, denn ihre Füh-
rin lag das große Dilemma Kreta aus versorgen zu können, war rungsstäbe verfolgten verschiedene
für die Kriegsmarine. Ihre durchaus geeignet, den ObdM resig- strategische Absichten. Wie sollte
Offiziere mussten nach nieren zu lassen. Die ständig wie- man in einem Weltkrieg gegen seine
dem nicht programmge- derkehrenden und unmissverständ- Feinde bestehen, wenn nicht einmal
mäßen Verlauf des Ost- lichen Hinweise des „Führers“, wie in grundsätzlichen Fragen Einigkeit
feldzuges und Hitlers Ent- wichtig, ja kriegsentscheidend, die im eigenen Lager zu erreichen war?

HINTERGRUND

Die vier Phasen des Angriffs


1. Anlandung eines verstärkten Bataillons
zwischen Wied iz-Zurrieq und Ghar Lapsi mit
dem Ziel, einen Brückenkopf zu errichten
Abb.: picture-alliance (2), Hermann-Historica/JMH, Grafik: Anneli Nau

und zu sichern und möglichst den Flugplatz


Hal Far zu besetzen
2. Anlandung von Teilen des italienischen
125. Infanterie-Regiments sowie einer Panzer-
abteilung, zugleich Luftlandung südlich von
Medina und Rabat
3. Ausbruch aus den Landungsköpfen, Einnahme
der Flughäfen, um die Luftherrschaft zu erringen.
Einnahme des Gebietes um die Bucht von Mar-
saxlokk und des Hafens von Birzebbuga, um die
Heranführung weiterer Truppen zu decken. Auch
die in Reserve stehenden Gebirgsjäger-Divisio-
nen in Safi und Hal Far sollten jetzt anlanden
4. Heranführung der verbliebenen Kräfte. Panzer
sollten von Süden aus gegen Valletta vorgehen
und die Luftlandetruppen von Westen aus in
Richtung Sliema, dann sollten sich beide Teile
in Floriana vereinen und abschließend Valletta
einnehmen

54
HINTERGRUND

Auf einem Artilleriefährprahm der Kriegsmarine; eine Vierlingsflak sichert Eingesetzte Kräfte
gegen Luftangriffe. Dutzende solcher Fähren sollten Truppen auf Malta anlanden
Deutsche 7. Flieger-Division unter dem Kommando des
Hinzu kam das rasante, in der Tat Bei näherem Zusehen ging der XI. Fliegerkorps (General der Flieger Student), italieni-
beeindruckende Vorwärtsstürmen Symbolwert der Eroberung von Tob- sche Fallschirmjäger-Division „Folgore“ und Luftlande-
Rommels, das ganz nach Hitlers Ge- ruk allerdings weit über den tatsächli- Division „La Spezia“ in einer Gesamtstärke von zirka
schmack war: „Es kommt darauf an, chen militärischen Nutzen hinaus, 30.000 Mann. Unterstützung durch mehrere italienische
Infanterie-Divisionen und Panzerkräfte (70.000 Mann).
daß das Korps im unaufhaltsamen denn die Festung besaß keine Tiefe.
500 Ju 52 und fast 500 Lastensegler vom Typ DFS 230,
Angriff bis zur Küste durchstößt.“ Würde sie von starken Panzerkräften etwa 50 Marinefährprahme und einige Siebelfähren, zahl-
Solche Befehle waren es, die dem angegriffen, wären Stützpunkte, Waf- reiche kleinere Pionierlandungsboote und Sturmboote.
Diktator imponierten. Durch den un- fenstände und Laufgräben schnell Weiterer Nachschub durch Passagier- und Frachtschiffe
erschrockenen Stoßtruppführer des überwunden. sowie Fähren. 600 Bomben- und Schlachtflugzeuge so-
Ersten Weltkriegs sah er sich in sei- Die gesamte Vorgehensweise in wie 200 Jagdmaschinen zur Unterstützung aus der Luft.
nen Ansichten bekräftigt, nur durch und um Afrika entsprach zu keinem
schnelles „Zupacken“ und „harte Zeitpunkt den Planungsvorgaben der
Schläge“ erfolgreich sein zu können. Marine, die allein schon wegen der meerkriegführung nicht signalisieren.
Das deckte sich voll und ganz mit dem langen Bauphasen und langwierigen Das strategische Denken der deut-
Vokabular des „Führers“. Instandhaltungen ihrer Schiffe und schen Admirale war 1942 zweifellos
Boote anders kalkulieren musste als solider und seriöser gewesen als das
Blickpunkt Afrika Heer und Luftwaffe. Im Führerhaupt- stets und ständig nur von kurzfristi-
Nicht zu vergessen der propagan- quartier berauschte man sich an gen Siegesmeldungen geprägte, eng-
distische Symbolcharakter des deut- Rommels Sturmlauf und Hitler beeil- stirnige Denken und daraus resultie-
schen Triumphs über die stärkste te sich, Mussolini zu beschwören, er rende Handeln Hitlers. Dr. Guntram
Schulze-Wegener
Festung Nordafrikas. Bekanntlich solle die Wehrmacht tatkräftig un- In der deutschen Führung, in OKW,
schrieb seine Disser-
war der „Wüstenfuchs“ Rommel ein terstützen, wenn diese nun die briti- Luftwaffe sowie in Italien wollte man tation über Die deut-
Jahr zuvor noch vergeblich gegen das sche 8. Armee verfolgen und vernich- nach dem Fall von Tobruk nichts mehr sche Kriegsmarine-
von den Briten energisch verteidigte ten würde. von Malta wissen. Und die Seekriegs- Rüstung 1942–1945,
Tobruk angerannt und hatte der Welt Im Gegenzug wollte Hitler Italien leitung hatte alle Hoffnung aufgege- in die auch die „Mal-
in einem Musterbeispiel des Zusam- sogar Kreta überlassen. Die See- ben. So nahm das Verhängnis im Mit- tastrategie“ von
menwirkens von Heer und Luftwaffe kriegsleitung war völlig konsterniert, telmeer, auf das Großadmiral Erich 1942 einfloss.
jetzt die Schlagkraft der Wehrmacht deutlicher konnte der „Führer“ sein Raeder mehr als einmal hingewiesen
vor Augen geführt. Desinteresse an der gesamten Mittel- hatte, seinen Lauf.

Militär & Geschichte 55


Im Gleichschritt marsch!
Die korrekte Marschord-
SPEZIAL

KASERNEN-ALLTAG nung gehörte zum „Drill“


in der Kaserne unbedingt
UM 1900 dazu. Solche Szenen
wurden auch in den
beliebten „Bilderbögen“
gezeigt, denen diese
Zeichnung entstammt

Die Schule der Nation


Hochgerüstet und allzeit kriegsbereit – dieses Bild transportierte das kaiserliche
deutsche Heer nur allzu gern. Doch mehr als 40 Friedensjahre lang bestimmte nicht
das Schlachtfeld, sondern die Routine des Kasernenhofs den Alltag der Soldaten –
und prägte deren Leben weit über den Dienst hinaus

Schießübungen beim kaiserlichen Heer (das Foto


entstand 1907). Viele junge Soldaten betrachteten
solche Aktivitäten wie auch die Manöver als
Höhepunkte ihrer meist zweijährigen Pflichtzeit

56
Spaß auf Stube 3: Enge Kameradschaft, patriotische Sprüche und das Kaiserporträt
an der Wand – für solche Gruppenfotos warfen sich die Soldaten gern in Positur

V
ieles von dem, was uns im täg- andern heran und bleibt stehen.“
lichen Leben allzu selbstver- So übertrieben solche Vorschriften
ständlich scheint, macht erst der aus heutiger Sicht erscheinen mögen,
Kommiss so richtig bewusst. Das ein- sie hatten natürlich, wie alles beim
fache Gehen zum Beispiel: „Das linke Militär, ihren durchdachten Sinn. Und
Bein wird leicht gekrümmt und ohne die kaiserlichen Rekruten taten gut
zu schlenkern vorwärts gebracht, die daran, sie zu befolgen, auch mit Blick
Fußspitze wird ein wenig nach unten auf ihre Zukunft: Denn wer seine
und auswärts gebogen, gleichzeitig Dienstzeit ohne größere Blessuren
der Oberleib vorgenommen und der überstand, galt etwas – und zwar für
Fuß ganz flach und leicht in der Entfer- den Rest seines Lebens.
nung von 80 Zentimeter vom rechten Das Kaiserreich der Hohenzollern
Fuß auf den Boden gesetzt (…) Wäh- war kein Ort für Pazifisten. Spätestens

Dienst beim Militär – für manche ein Horror,


für andere die schönste Zeit ihres Lebens.
rend der linke Fuß niedergesetzt wird, seit die deutschen Armeen im Krieg
verlässt der rechte Absatz den Boden, von 1870/71 die Reichseinigung er-
das rechte Bein wird leicht gekrümmt kämpft hatten, galt das Militär als Ga-
herangezogen, mit der Fußspitze na- rant der Nation. Sprudelnde Steuer-
Abb.: picture-alliance (2), Slg. Dietrich Hecht

he am Boden, doch ohne ihn zu berüh- einnahmen infolge der industriellen


ren, vorbeigeführt und der Fuß in der Revolution, ein immenses Bevölke-
nämlichen Entfernung und auf diesel- rungswachstum sowie hart erkämpf-
be Weise wie der linke niedergesetzt.“ te Strukturreformen ließen die oft-
So liest sich die Marschieranwei- mals recht ärmlichen Bundesarmeen
sung für Rekruten im Exerzier-Regle- des 19. Jahrhunderts zu einer moder-
ment der preußischen Armee von nen Kriegsmacht verschmelzen. Ihre
1888. Und auch für den Fall, dass plötz- Mannschaftsstärke wuchs von Jahr-
lich Halt befohlen wird, findet sich ein zehnt zu Jahrzehnt kräftig an und ver-
guter Tipp: „Der Marschierende zieht teilte sich zuletzt auf mehr als 450 Gar-
den Fuß, welcher zurück war, an den nisonen im ganzen Reichsgebiet. Fast

Militär & Geschichte 57


SPEZIAL

In „Militär-Schwimmanstalten“ wie hier in Berlin lernten Soldaten das Schwimmen – einzigartig in Europas Armeen

800.000 preußische, bayerische, säch- bedarf der Regimenter, entschied das werden, denn die Armeekorps rekru-
sische und württembergische Solda- Los darüber, wer wirklich einrücken tierten für gewöhnlich lokal. Nur bei
ten dienten bei Beginn des Ersten musste. In der Infanterie betrug die Personalmangel wich man von die-
Weltkriegs unter dem kaiserlichen aktive Dienstzeit bis 1893 drei Jahre, sen Regeln ab – und auch dann, wenn
Banner. Und schon Millionen Männer danach nur noch zwei. Wer gebildet der Landesherr die Rekruten eines be-
hatten vor ihnen jene „Schule der Na- und in der Lage war, selbst für seine stimmten Landstrichs für politisch
tion“ durchlaufen, als die die Armee Unterkunft und Verpflegung aufzu- unzuverlässig hielt. So musste zum
den Zeitgenossen galt. Für manche kommen – also in der Regel die Söhne Beispiel ein Pole, der in der preußi-
Der Militärpass war es die schönste Zeit ihres Lebens, wohlhabender Familien –, durfte sei- schen Armee dienen sollte, mit einer
diente als persön- für andere eine schikanöse Schre- ne Dienstzeit auf ein Jahr verkürzen. Stationierung in weiter entfernten
liches Ausweis- ckensperiode. Wie aber ging es zu in Diese Einjährig-Freiwilligen konnten Landesteilen rechnen. Indem man
dokument des den Kasernen?
Wehrpflichtigen
In eine neue Welt Schwimmstunden und Felddienste boten
Abb.: pictute-alliance (2), Slg. Hecht (3), Slg. JMH-WEI

und enthielt alle


Daten zu seiner Da war zunächst die Musterung. Die- Abwechslung von der täglichen Routine.
Laufbahn se hielten sogenannte Ersatzkommis-
sionen ab. Jedes Jahr im Spätsommer sich zudem ihre Truppengattung frei die jungen Kerle den Einflüssen ihrer
unterzogen sie die männlichen Ein- wählen. Für alle anderen bestimm- Heimat entzog, wollte man sie enger
wohner, die ihr 20. Lebensjahr er- ten die persönlichen Qualifikationen an Kaiser und Reich binden. Aber
reicht hatten, in den Amtsstuben der die weitere Laufbahn. Seemännisch auch viele der sonstigen Rekruten ver-
Provinzen einer eingehenden Prü- Versierte kamen etwa zur Marine, die ließen in der Armee zum ersten Mal
fung.Wer mindestens 1,54 Meter groß besonders gefällig Gewachsenen zur ihr engstes Umfeld und entdeckten
war, eine gesunde Konstitution und Garde. ihr „großes Vaterland“.
einen guten Leumund besaß, wurde Den großen Rest steckte man in Die Ausgehobenen verabschiede-
in der Regel als tauglich eingestuft. den gewöhnlichen Infanteristenrock. ten sich mit großem Aplomb von ihrer
Überstieg die Zahl der potenziellen Diese Männer konnten darauf hoffen, Heimat. Oft zogen sie herum, bettel-
Rekruten den tatsächlichen Personal- in ihrer Heimatregion stationiert zu ten Nachbarn und Verwandte um ei-

58
Zwischen Drill und
Durst: Im Manöver,
so der Titel dieses
Bilderbogens, mussten
die Männer offenbar
auch mal „Schubkarre“
spielen, konnten aber
nach dem Dienst den
Staub mit kühlem Bier
runterspülen

ne Abschiedsgabe an und investier- rungsschichten entstammten. So be- Glücklicherweise kam es auf


ten diese in ein abschließendes Gela- schwerte sich der preußische Gene- die Allgemeinbildung im tägli-
ge. „Bekränzt, mit Blumensträußen ralleutnant Albert von Boguslawski chen Dienst nicht allzu sehr an,
geschmückt wie Festochsen“, erin- 1872 darüber, dass weniger als die denn dieser bestand für die aller-
nert sich der Ende der 1880er-Jahre in Hälfte eines durchschnittlichen Kom- meisten aus einer öden und immer
Altona eingerückte Franz Bergg, tor- panienachwuchses leidlich zu lesen gleichen Routine, deren Hauptzweck,
kelten die Ausgehobenen durch die vermochte, „wenn man ein Rade- wie der Historiker Werner K. Blessing
Straßen. Manchmal sogar bis in die brechen und Buchstabieren, wobei der schreibt, „der Gehorsam an sich“
Garnisonen hinein – doch das kam die Mann auf einen Satz von 30 Worten war. Haltungs- und Paradedrill,
Rekruten teuer zu stehen. „Der beglei- zwei bis drei Minuten braucht und wo- Turnstunden, Verbandsexer-
tende Unteroffizier“, schreibt Bergg, bei er schon den Anfang desselben zieren, Märsche, Stuben- und
„studiert schon jetzt den Charakter vergessen hat, wenn er beim Ende Wachdienst füllten den Groß-
seiner zukünftigen Leute und macht anlangt, Lesen nennt!“ Mit fortschrei- teil des Tages aus. Etwas Ab-
sich im Geiste Notizen, die er bei ers- tender Alphabetisierung der Bevölke- wechslung brachten die gele-
ter Gelegenheit dem Feldwebel zu- rung klärten sich diese Probleme zwar gentlichen Felddienste und
flüstern wird.“ bis 1914 weitgehend, aber auch dann Schießübungen sowie die jähr-
noch brachten Tests oft haarsträuben- lichen Herbstmanöver. Gerade
Setzen: Sechs! de Ergebnisse. So wusste etwa in ei- in Letztere legten viele Solda-
Überhaupt hatten die meisten Vor- nem schlesischen Kavallerie-Regi- ten einen großen Teil ihres Ehr-
gesetzten keine hohe Meinung von ment im Jahr 1904 nur jeder vierte geizes, boten sie doch in Frie-
ihren „jungen Remonten“, welche Rekrut den amtierenden Reichskanz- denszeiten die beste Gelegen-
überwiegend den ärmeren Bevölke- ler zu nennen! heit, belobigt zu werden.

Das Gewehr über!


Der preußische
Infanterist zeugt
von Disziplin, doch
im Gelände durfte
es auch lockerer
zugehen. Links
Soldaten mit Feld-
geschirr während
einer Essenspause

Militär & Geschichte 59


SPEZIAL

Antreten der
Eine der heutigen Zeit vergleich- neuen Rekruten ten vermischten sich dann Rekruten ständiger Gruppendruck gehörten
bare Struktur aus Ausbildungs- und auf dem Kasernen- und „alte Leute“ – heißt, sie zogen auf zum Alltag. Obendrein war die Bezah-
Stammeinheiten gab es in der kaiser- hof. Rechts: Ein ihren Stuben zusammen. lung schlecht und Urlaub wurde nur
lichen Armee nicht. Die meisten Sol- Soldat übt das Die Unterbringung war nicht in als Belohnung gewährt.
daten verbrachten ihre gesamte Mili- Zielen mit dem allen Kasernen gleich geregelt. In älte-
tärkarriere in derselben Einheit. Zwar Gewehr, die ren wohnten und schliefen acht bis Schattenseiten
gab es eine Zeit, in der die Rekruten Ausbilder prüfen zehn Soldaten in einem Raum; später Unter diesen Umständen blieben
unter sich blieben, um gewisse Grund- den Anschlag wurden separate Wohnstuben und Spannungen nicht aus, insbesonde-
fertigkeiten zu erlernen, doch diese Schlafsäle zur Regel. Dann teilten sich re dann, wenn einzelne Soldaten
schwankte in ihrer Dauer erheblich; schon mal bis zu 24 Mann eine einzel- die Norm nicht erfüllten. „Für den ge-
nämlich zwischen zehn Wochen und ne Stube und oft eine ganze Kompa- ringfügigsten Fehler des Einzelnen“,
fünf Monaten. Erst nach der Rekruten- nie samt Unteroffizieren den Schlaf- schreibt Bergg, „muss die ganze Kom-
vorstellung vor dem Regimentsobers- saal. Fehlende Privatsphäre, Enge und panie durch anstrengende Wiederho-

HINTERGRUND
Kasernenwesen
in Deutschland
Die ersten Kasernenbauten in Europa
entstanden Ende des 16. Jahrhunderts, Refugium des
zumeist waren es eher kleine Wohn- Militärs: Früher
häuser oder Baracken. Sie wurden oft
lagen Kasernen
auf städtische Initiative hin gebaut,
denn sie sollten die Bürger entlasten, oft mitten
bei denen Soldaten für gewöhnlich in der Stadt,
einquartiert waren. Das Militär mietete so auch die
die neuen Häuser lediglich an, staat- des Garde-
liche Neubauten waren selten. Die Grenadier-
erste repräsentative Kaserne Preußens Regiments Nr. 1.
wurde 1738 am Berliner Gendarmen- in Berlin.
markt hochgezogen, doch die Einquar- Um 1900
Abb.: pictute-alliance (2), Ullsteinbild (2), Hermann-Historica/JMH

tierung bei Privatleuten blieb bis weit bezog die


ins 19. Jahrhundert üblich.
Einheit einen
Zu einem regelrechten Kasernenbau-
boom kam es ab den 1860er-Jahren, Neubau an
auch weil eine Trennung von militäri- der heutigen
scher und ziviler Sphäre vor dem Hin- Geschwister-
tergrund der aufkeimenden sozialrevo- Scholl-Straße
lutionären und liberalen Strömungen
geboten schien. Die Kasernen jener
Zeit waren relativ autark, besaßen
eigene Handwerkerstuben und Lebens-
mittelbetriebe. Ausgelegt waren sie für
ein Regiment oder ein Bataillon – bis
heute maßgebliche Belegungsgrößen.
Im 20. Jahrhundert wanderten Kaser-
nen zunehmend aus den Städten her-
aus, abseits der Zentren sind sie heute
oft wichtige Wirtschaftsfaktoren.

60
Verklärtes Bild: Zum
lungen mitbüßen. Da setzt es denn verschärfte. Auffällige Unteroffiziere, Gefühl, „ein tätiges Glied in einem Ende ihrer Zeit beim
für den im Dienst unsicheren Rekru- berichtet der 1895/96 in Leipzig die- wunderbar zweckmäßig durchdach- Kommiss ließen sich
ten Stöße und Tritte, aus den hinteren nende „Einjährige“ Rudolf Mothes, ten Riesenkörper zu sein“. Tief bli- Soldaten gern Foto-
Gliedern, sodass er seine Peiniger gar „mussten damit rechnen, dass ihre Zi- cken lässt es auch, wenn Ru- collagen anfertigen,
nicht sieht. Er darf sich im vollen Exer- vilversorgung, auf die sie zusteuerten, dolf Mothes schildert, wie die Szenen ihres
zieren nicht umsehen und taumelt in Frage gestellt wurde. Kein Kom- die „geruhsamen Einzelexer- Alltags zeigten
unter den Misshandlungen wie ein paniechef und kein Regimentskom- ziernachmittage“ nur von hö-
Trunkener weiter. Der Hauptmann mandeur konnte es wagen, mit einem heren Vorgesetzten unterbro-
verfügt sogar über ein eigenes Mittel, Leuteschinder die Kapitulation fort- chen wurden. „Ein gewisses
die sich ,Verlaufenden zurechtzusto- zusetzen. Das wussten die Mann- Maß von Augendienerei“, bi-
ßen‘. Er gibt das Kommando: ,Der mit- schaften recht gut und richteten ihr lanziert er, „gehört eben zum
telste Mann (mit Namen genannt) Verhalten danach ein.“ Bergg wird Kommiss.“
Und immerhin: Niemand
Wer die Dienstzeit überstanden hatte, galt kann behaupten, dass der
Dienst außer dem Erlernen
etwas – und zwar für den Rest seines Lebens. von Disziplin und militäri-
schem Handwerk keine Er-
kehrt! Richt euch!‘ Bei diesem Befehl, etwas deutlicher: Manche Rekruten folge zeitigte: An seinem En-
fünf- bis zehnmal rasch wiederholt, rächten sich an ihren Peinigern, in- de konnte nämlich Mothes
ohne abzuwarten, dass die Flügel in dem sie sie beleidigten oder traten, zufolge jeder Soldat Prü-
Richtung sind, dreht sich die Kompa- wenn keine Zeugen anwesend waren. fungsfragen wie die folgende
nie wie ein in wilder Wut losgelasse- Oder sie versteckten deren Zeug oder beantworten: „Mit was, oh-
ner Kreisel um den immer kehrtma- warfen es weg. Er berichtet sogar von ne was darf wer nicht über
chenden mittelsten Soldaten und es Femegerichten von Sozialdemokra- wen gehen?“ Des Rätsels
werden diesem in der beabsichtigten ten innerhalb der Kompanien. Lösung ist ein Satz aus der
Verwirrung ungezählte Hiebe, Stöße, oft gepaukten Kasernen-
Tritte zugemessen.“ Versöhnliche Rückblicke und Quartierordnung: „Mit einer Reservistenkrüge
Auch über andere Schikanen gibt Dies allerdings sind Extremfälle. Im Pfeife ohne Deckel darf der Soldat zählten zu den
es Berichte, zumal über solche von Großen und Ganzen blickten die nicht über den Kasernenhof gehen.“ beliebtesten
Vorgesetzten. Sie reichen vom Knöp- meisten Rekruten positiv auf ihre Wahrlich, die Schule, die einem Memorabilia:
feabreißen bis zum erzwungenen Dienstzeit zurück. Ein Beleg sind die half, solche Nüsse zu knacken, war Jeder Schluck ließ
Auskauen getragener Socken. Nor- zahlreichen Memorabilia wie Pfeifen wohl keine schlechte. die Erinnerungen
mal war all dies freilich nicht, zumal und Bierkrüge, die sie sich bei ihrem wieder aufleben
im Laufe der Jahre immer mehr sol- Übertritt ins Reservistendasein anfer-
Christian Kättlitz:
che Fälle an die Öffentlichkeit und in tigen ließen. Nicht wenige, so der Der studierte Historiker
das Parlament gelangten, wo man sie bayerische Feldartillerist Karl von publiziert zu Themen der
aufgeregt diskutierte. Die Armeefüh- Müller, schwärmten gar in den höchs- Neueren Geschichte und
rung reagierte darauf, indem sie die ten Tönen von „Zucht und Leistung Militärgeschichte. Er lebt
Gesetze gegen Rekrutenmissbrauch dieses gewaltigen Organismus“, vom und arbeitet in Dresden.

Militär & Geschichte 61


EXTRA-TIPP der Redaktion
Detlef A. Rose (Hrsg.)
In Schussweite
Wie sah der Alltag der Männer aus, die im Ersten
Weltkrieg in den Alpen kämpften? Wer darauf eine
SERVICE

Antwort sucht, sollte die Feldpost des preußischen


Hauptmanns Carl Franz Rose lesen, der vom Mai
MAGAZIN 1915 bis Januar 1916 in Südtirol gegen die Italiener
eingesetzt war. In den Briefen an seine Familie
erzählt er von den Strapazen des Gebirgskriegs,
vom Zwang zum Improvisieren, von Täuschungs-
manövern und überwältigenden Natureindrücken.
Begleittexte und Fotos runden das Leseerlebnis ab.
246 Seiten, morisel Verlag, 2015, 18 Euro

Jens Müller-Bauseneik
NEUE BÜCHER UND FILME Verantwortlicher Redakteur

Jann M. Witt
Deutsche Marinegeschichte
Mit diesem Buch möchte der Autor
vor allem Interesse für die deutsche
Marinegeschichte wecken – und das
ist ihm gelungen. Der Bogen spannt
sich von den Anfängen 1848 bis zur
Jetztzeit; und um alle wesentlichen
Aspekte berücksichtigen zu können,
sind die Texte äußerst knapp gehalten.
Zusammen mit den vielen Fotos ergibt
das ein anregendes Grundlagenwerk.
144 Seiten, Palm Verlag, 2015, 14, 95 Euro
Abb.: Landesarchiv Berlin (3)

Szenen aus Berlin: Feiern Ascot Elite


zu Hitlers Geburtstag vor
dem Krieg (oben), Wach- Brüder-Feinde
ablösung am Branden- Estland geriet im Zweiten Weltkrieg
burger Tor (links oben), zwischen die Mühlen von Deutsch-
Trümmerlandschaft gegen land und der UdSSR, die jeweils
Kriegsende (darunter) Zehntausende Esten für ihre Armeen
zwangsverpflichteten. Als die Rote
Hans-Ulrich Thamer Armee 1944 ins Baltikum vorrückte,
standen sich diese Soldaten plötzlich
Berlin im Dritten Reich gegenüber ... Der estnische Regisseur
Elmo Nüganen hat den Stoff in einem
Siegesparaden durchs Brandenburger Tor, Goebbels am Red- bewegenden Film über Heimatgefüh-
nerpult im Sportpalast – es sind solche Fotos, Propaganda- le und Loyalitätskonflikte verarbeitet.
inszenierungen allesamt, die unser heutiges Bild vom Berlin 100 Minuten Laufzeit, Ascot Elite, 12,99 Euro
der NS-Zeit geprägt haben. Doch sie zeigen nur einen klei-
nen Ausschnitt der damaligen Zustände. Um ein umfassen- Erich Schmidt-Eenboom/Ulrich Stoll
des Panorama der Stadt und ihrer Menschen zu vermitteln,
hat der Historiker Hans-Ulrich Thamer die fotografischen Die Partisanen der NATO
Bestände des Berliner Landesarchivs ausgewertet und für 1990 flog auf, dass es sie auch in den
dieses Buch rund 600 Aufnahmen zusammengestellt, die NATO-Staaten gegeben hatte: illegale
größtenteils noch nie zu sehen waren: Sie zeigen, wie die Geheimarmeen, die im Falle eines
Hans-Ulrich Thamer: Berliner in Friedenszeiten ihr Leben genossen, während ne- Einmarsches der Warschauer-Pakt-
Berlin im Dritten benan Juden und Andersdenkende drangsaliert wurden. Spä- Truppen hinter den Linien Aufklärung
Reich. Herrschaft tere Aufnahmen vermitteln, wie sie während des Krieges ih- betreiben und Anschläge verüben
und Alltag unter ren Alltag meisterten und ums Überleben kämpften. Neben- sollten. In diesem Buch wird erstmals
dem Hakenkreuz. einandergestellt erzeugen die Bilder eine widersprüchliche versucht, anhand von Geheimdienst-
400 Seiten, Elsen- Atmosphäre, eine „Vielgesichtigkeit von Faszination und Ge- akten und Zeitzeugengesprächen Licht
gold Verlag, 2015, walt, von Terror und Normalität“, wie der Autor in seiner Ein- ins Dunkel dieses Tabuthemas zu
39,95 Euro leitung schreibt. Um die Fotos in ihren jeweiligen Kontext bringen, das ohnehin noch viel mehr
einzubetten, hat Thamer jedem Kapitel einen kommentie- Aufmerksamkeit verdient.
renden Text vorangestellt. Insgesamt ein großer Wurf! 304 Seiten, Ch. Links Verlag, 2015, 22 Euro

62
DAS MILITÄRHISTORISCHE STICHWORT Iulius Caesar feierte 46 v. Chr. in Rom seinen vierfachen Triumph über
Gallien, Ägypten, Pontos und Mauretanien

Triumphzug
Wenn ein römischer Heerführer einen großen Sieg über
äußere Feinde errungen hatte, konnte er dafür vom
Senat mit einer besonderen Ehrung belohnt werden: dem Zur Unterstützung der Zentralredaktion Geschichte/Technik des GeraMond
Verlags suchen wir einen
Triumphzug. Für römische Truppen war es die einzige
legale Gelegenheit, unter Waffen in Rom einzuziehen.
Vorweg schritten die Senatoren und Magistrate, gefolgt
von Personen, die Szenen des Sieges darstellten. Mitge-
Volontär (m/w)
mit dem Schwerpunkt militärgeschichtliche Zeitschriften.
führte Kriegsgefangene und Beutestücke verdeutlichten
das Ausmaß des Erfolges. Hinterdrein fuhr der Feldherr Ihre Aufgaben:
in einer Quadriga, gefolgt von seinem Heer. Der Zug
Als Volontär unterstützen Sie uns in allen Bereichen eines Zeitschriftenver-
führte vom Marsfeld bis zum Kapitol, wo der Triumphator
Abb.: picture-alliance

lages. Hierbei werden Sie u.a. die Grundlagen der Konzeption und Planung
vor dem Tempel des Jupiter Optimus Maximus ein
von Magazinen, der Themen- und Autorenrecherche sowie des Redigierens
abschließendes Opfer darbrachte. Zur Zeit der Republik
kennenlernen und aktiv an der Heftproduktion mitwirken.
stand ein Triumphzug den obersten Beamten zu, die
späteren Kaiser beanspruchten ihn allein für sich. JMB Ihr Profil:
Sie sind Hochschulabsolvent/in und haben schon erste redaktionelle
Erfahrungen (z.B. Praktika) gesammelt. Sie begeistern sich für Geschichte
Korrekturen zu Ausgabe 6/2015 und haben insbesondere eine hohe Affinität zu militär-/technikgeschicht-
lichen Themen. Sie verfügen über sehr gute Deutsch-, Englisch- und PC-
Erich Ludendorff stand niemals im Rang eines Generalobersten, Kenntnisse, arbeiten gerne kreativ und strukturiert, sind vor allem team-
wie auf Seite 5 zu lesen ist; er war bei Kriegsende stattdessen Gene- und begeisterungsfähig.
ral der Infanterie.
Auf der Karte Seite 14 sind Flüsse falsch beschriftet: Der Mittellauf Der Arbeitsort ist München
der „Oder“ ist in Wahrheit die Warthe, bei der „Neiße“ handelt es
sich natürlich um die Oder. Wenn Sie Freude an einer vielseitigen und spannenden Aufgabe haben und
Generaloberst Ferdinand Schörner war im September 1944 nicht, gerne Teil eines hoch motivierten und sympathischen Teams sein möchten,
wie es auf Seite 26 heißt, Befehlshaber, sondern Oberbefehlshaber freuen wir uns auf Ihre Bewerbung. Ihre ausführlichen Unterlagen senden
der Heeresgruppe Nord. Sie bitte an:
Einen herzlichen Dank an alle Leser, die uns auf diese Fehler GeraNova Bruckmann Verlagshaus GmbH, Irina Dörrscheidt, Infanteriestr. 11a,
aufmerksam gemacht haben. 80797 München oder per Email an bewerbung@verlagshaus.de

Militär & Geschichte 63


EINST & JETZT

64
Am Bahnhof prangt zentral das Wappen der „Woiwodschaft
Opole“, rechts das Wappen der preußischen Provinz Schlesien

OPPELN (OPOLE), SCHLESIEN

Großer Bahn-
hof in Oppeln
Wo einst Hindenburg beim Stadtbesuch
weilte, finden sich noch heute Spuren
der preußisch-deutschen Vergangenheit
Ja, er ist es wirklich und er hat den Weg in die
schlesische Provinz nicht gescheut: Paul von Hin-
denburg, des Kaisers Generalfeldmarschall, Held
von Tannenberg, stattet dem oberschlesischen
Oppeln einen Besuch ab. Vor dem Bahnhof ist eine
Ehrenformation der Reichswehr angetreten, dahin-
ter drängelt sich das Volk. Es ist ein Bild wie in alten
Zeiten: Stillgestanden! Präsentiert das Gewehr!
Die Augen rechts! Und der Hochbetagte schreitet
gemächlichen Schrittes die Reihen ab.
Doch Hindenburg ist in Zivil, er trägt Zylinder statt
Pickelhaube. Der Krieg ist lange vorbei, Deutschland
ist eine Republik – und Hindenburg ihr Präsident.
1925 hat er die Wahlen zum Reichspräsidenten
gewonnen, auch die Bürger im Wahlkreis Oppeln
haben mehrheitlich für ihn gestimmt. Als er später
die Stadt besucht, ist der Jubel groß. Man ist
stolz auf Hindenburg, den hochverehrten Preußen.
Selbst im heute polnischen Opole finden sich
Abb.: picture-alliance, JMB

noch preußische Spuren. Neben vielen historischen


Gebäuden hat auch der Bahnhof die Zeiten über-
dauert. Und was hängt da rechts über dem Eingangs-
portal? Richtig, das historische Landeswappen der
preußischen Provinz Schlesien!
Man muss eben nur genau hinsehen. JMB

Militär & Geschichte 65


Nr. 84 | 01/2016 | Dez. 2015–Jan. 2016 | 14. Jahrgang

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Herausgeber Dr. Guntram Schulze-Wegener
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Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. Jürgen Angelow,
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Abb.: picture-alliance (2), Darz Mol


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Wie die deutschen Armeen die Franzosen besiegten, Napoleon in Gefangenschaft geriet –
und die glorreiche Schlacht zum Gründungsmythos des neuen Kaiserreichs wurde
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handel: MZV, Unterschleißheim

Im selben Verlag erscheinen außerdem:

AUTO CLASSIC BAHN EXTRA


TRAKTOR CLASSIC LOK MAGAZIN
TRAKTOR XL STRASSENBAHN MAGAZIN
FLUGMODELL MODELLFAN
SCHIFFSMODELL
Preise: Einzelheft € 4,20 (D), € 4,90 (A), SFR 8,40 (CH),
€ 5,80 (I), € 4,90 (BeNeLux) (bei Einzelversand jeweils zzgl.
Versandkosten); Jahresabonnement (6 Hefte) € 23,40
(inkl. Mehrwertsteuer, im Ausland zzgl. Versandkosten).
Die Abogebühren werden unter der Gläubiger-Identifikations-
nummer DE63ZZZ00000314764 des GeraNova Bruckmann
Verlagshauses eingezogen. Der Einzug erfolgt jeweils zum
Der Gaskrieg 1915 bis 1918 Die Green Berets Erscheinungstermin der Ausgabe, der mit der Vorausgabe
ankündigt wird. Den aktuellen Abopreis findet der Abonnent
Gas wurde zum Symbol für den Horror Wenn es brenzlig wird, sind die dienstältesten immer hier im Impressum. Die Mandatsreferenznummer ist
die auf dem Adressetikett eingedruckte Kundennummer.
des Ersten Weltkriegs. Wir zeigen, wie Special Forces der US Army zur Stelle. So auch in ISSN: 2199-1545
die Gastruppen an der Front kämpften Vietnam. Wie verlief ihr Einsatz im Dschungel? Erscheinen und Bezug:
Militär & Geschichte erscheint zweimonatlich. Sie erhalten
Militär & Geschichte in Deutschland, in Österreich und
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Clausewitz
6/2015 November | Dezember

Das Magazin für Militärgeschichte

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